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Full text of "Neue Jahrbücher für Philologie und Paedagogik"

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Neue 


JAHRBÜCHER 


für 


Pliiloloftie  und  Paedagoffik. 


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Beerüiidot 


M»  Johann  Christian  Jahn. 


(xegenwärtig  herausgegeben 


von 


Reinhold  Klotz  Rudolph  Dietsch 

Professor   in   Leipzig  Professor   in   Grimma 

und 

Alfred  Fleckelsen 

Gymnasiallehrer   in   Dresden. 


DRElIUlkDZWAIÜ'ZIGSTER  JAHROAKG. 

Siebenundsechziffster     Band. 


Leipzig  1853 

Druck   und   Verlag   von   B.    G.   Teubner, 


BIOL: 


JUMasg^je^M 


3 


Kritische  Beurtheiinngen. 


Griechische  Formenlehre  des  Homerischen  und  Attischen  Dialektes, 
Äum  Gebrauche  hei  derti  Elementarunterrichte,  aber  auch  als  Grund- 
lage für  eine  historisch-wifsenschaftliche  Behandlung  der  Griechi- 
schen Grammatik.  Von  Heinrich  Ludolf  yihnns,  Dr.  ph.  Di- 
rector  des  Lyceums  zu  Hannover.  Göttingen  bei  Vandenhoeck  u. 
Ruprecht.     1852.     XH  U.  280  S.  gr.  8. 

Schon  der  Titel  des  Buchs,  das  wir  zu  besprechen  haben,  deutet 
auf  den  doppelten  Zweck   hin,  den    der  Verf.  damit  verfolgte.     Das 
Buch  soll  beim   praktischen   Schulunterricht,   und  zwar  beim   Elemen- 
tarunterricht angewandt  werden,  und  zugleich   als  Grundlage  für  eine 
historisch-wifsenschaftliche    Behandlung  der  griechischen   Grammatik 
dienen.    Hr.  Ahrens  gibt  uns  jedoch  im  Vorwort  (S.  V)   über  diese 
Doppelbestimmung  den  nahern  Aufschlufs,  dafs  'der  nächste  Zweck  der 
praktische  sei ,    und  dafs   die  Darstellung  deshalb  nicht  nach   streng- 
wifsenschaftlichen  Anforderungen  beurlheilt  werden  dürfe';   der  '  wi- 
fsenschaftliche  Inhalt  des  Buchs'  heifst  es  S.  VI    'bilde  nur  eine  Zu- 
gabe,   welche    auf    Vollständigkeit,    Gleichuiäfsigkeit    und    absolute 
Gründlichkeit   keine    Ansprüche    mache.'    Diese  Formenlehre  ist  aus 
einem  praktisch-didaktischen  Gedanken  hervorgegangen,  welchen  der 
Verf.  'in  fragmentarischer  Weise'  schon  in  seinem  'Elementarbuch 
aus  Homer'  zur  Gellung  zu  bringen  gesucht,  und  den  er  von   theore- 
tischer Seile  in  dem  Jahresberichte   des  Hannoverschen   Lyceums   von 
Ostern  1852  ausführlicher  beleuchtet  hat,  nemlich  aus    dem  Gedanken, 
den  griechischen  Unterricht  mit  dem  Homer  zu  beginnen,  wodurch  es 
denn  nöthig  ward  die   homerische   Formenlehre  in  der  Art  darzustel- 
len, dafs  dabei    die  attische   durchaus  nicht   vorausgesetzt  wird,  und 
dann  später  die  allische  daran  ungefähr  in  derselben  Weise  anzureihn, 
wie  bisher  die  Abweichungen  des  homerischen   Dialekts  an  den  Atti- 
cismus  anhangsweise  angefügt  zu  werden  pflegten.     Eine  solche  Dar- 
stellung, die  bisher  noch  nicht  versucht  war,  haben  wir  hier  vor  uns, 
doch  keine  ganz  vollständige,  indem  Hr.  A.  voraussetzte,  die  Schü- 
ler würden  es  zunächst  mit  der  Odyssee  zu  thun  haben  und  deshalb 
'zur  möglichsten  Vereinfachung   des  Slolfs  die  eigenlhümlichen  Er- 
scheinungen der  llias  von  der  Betrachtung  ausschlofs.' 

Bei  der  doppelten  Bestimmung  dieser  Formenlehre  werden  wir 
augenscheinlich  auch  in  der  Beurtheilung  die  beiden  Seiten  sorgfältig 
zu  trennen  und  die  Frage  nach  dem  wifsenschaftlichen  Werthe  des- 
selben von  der  nach  seiner   praktischen  Anwendbarkeit  gänzlich    zu 

1» 


4  Ahrens  :  griechische  Formenlehre. 

sondern  haben.  Die  zweite  Frage  würden  >vir  füglich  zuerst  ins  Auge 
fafsen,  weil,  wie  wir  sahn,  das  Werk  aus  einem  praktischen  Gedan- 
ken hervorgegangen  ist.  Allein  die  ßeaulwortung  dieser  Frage  hängt 
mit  so  vielen  tief  in  die  Praxis  des  Gymnasialunterrichls  eingreifenden 
Erwägungen  zusammen,  dafs  zu  einem  reiten  Urlheil  darüber  eine 
längere  und  ausgedehntere  paedagogische  Erfahrung  nöthig  ist,  als 
sie  dem  Kef.  zu  Thcil  ward,  und  es  >v  ird  daher  demselben  nicht  ver- 
argt werden  können,  wenn  er  diese  Frage  nur  sporadisch  behandelt 
und  die  Entscheidung  darüber  den  Stimmen  gewiegter  Schulmänner 
überläfst,  welche  ja  nicht  verfehlen  werden,  sich  über  das  Buch  ver- 
nehmen zu  lafsen.  Ganz  indes  konnte  diese  Frage  auch  hier  nicht 
übergangen  werden. 

Natürlich  beruht  die  Frage  nach  der   Anwendbarkeit  dieser  For- 
menlehre zunächst  auf  der  andern,    ob   es  zweckmäfsig   ist  den  grie- 
chischen Elemenlarunlerricht  mit  Homer  zu  beginnen.    Der  Gedanke  im 
Unterricht  der  Enl\>icklung  der  Sprache  selbst  zu  folgen,   hat  etwas 
sehr  ansprechendes ;  jeder,   der   sich  mit  historischen  Sprachstudien 
beschäftigt    hat,  wird  sich  davon  zunächst  angezogen   fühlen.     Wie 
natürlich  scheint  es,  dem  Schüler  die  verschiedenen  Formen,  welche 
sich  nacheinander  bildeten,  wirklich  in    der  Ueihe  vorzuführen,   wie 
sie  geschichtlich  einander   gefolgt   sind!     Auch  würde   man  aus   der 
Schwierigkeit    der    homerischen    Formenlehre  kaum    einen  trelTenden 
Einwand  gegen  das  neue  Verfahren  entnehmen  können;  im  Gegentheil 
die  homerischen  Formen  sind   vielfach   ihrer  Allerthümlichkeit  wegen 
durchsichtiger  und  eben  deshalb  leichter   in  ihre   Elemente   zu  zerle- 
gen, so  dafs   das  Bestreben   dem  Schüler  das  Erlernen   der   Formen 
durch  die  Einsicht  in  ihre  Entstehung  zu  erleichtern  und  zu  beleben, 
an  den  homerischen  besonders   gut   scheint    verwirklicht   werden  zu 
können.     Mehr  Bedenken    erregt  aber  eine   andere  Eigenthümlichkeit 
der  homerischen  Sprache,      \^'enn  man  diese  flüfsig  genannt  hat,  so 
ist  das  doch  bis  zu  einem  gewissen  Grade  ein  berechtigter  Ausdruck. 
Der  homerische    Dialekt  ist  gevsis  nicht  das  Product   eines   einzigen 
kurzen    Zeitabschnitts,    sondern    das    mehrerer   Jahrhunderte;   er  ist 
auch  sicherlich  nie  an  einem  bestimmten  Orte  wirklich   geredet  wor- 
den.   Obwohl  dem  Kerne  nach  entschieden  ionisch,  ist  er  doch   nicht 
frei   von  fremdartigen,  namentlich    aeolischen  Beimischungen,  deren 
mehrere  gerade  der  gelehrte  Dialektolog,   dessen  Werk  wir  bespre- 
chen, erst  in  das   rechte  Licht  gesetzt  hat.     Der  homerische   Dialekt 
ist  ferner  eine  Art  von  Compromiss  zwischen  der  alterthümlichen   und 
organischen  Sprache  und  den  Forderungen  des  Versmafses,   dem  sich 
jene  in  jugendlicher  Nachgiebigkeit  anbequemt.     Ohne  Zweifel  herscht 
trotz  alle  dem  in  diesem  Dialekt  eine  erkennbare  Gesetzmäfsigkeit,  ob- 
wohl, wie  ich  glaube,   nicht  überall   eine  so  knapp  angezogene  Avie 
sie  Hr.  A.  annimmt,  wir  haben  hier  jedesfalls  eine  Jlanigfaltigkeit  von 
nebeneinander  slatthaflen,  zum  Theil    ganz   verschiedenen  Sprachpe- 
rioden angehörigen  Formen,  welche  selbst  bei  dem   vom  Verf    (S.  V) 
angodeulelcn  Verfahren  uns  zweifeln  läfst,   ob  diese   Sprachform  ge- 


Alircns:  gritcliisclio  Foriiieiilcliri;.  5 

eiiincl  if;l,  dein  praklisclieii  riilcrriclil  zum  Griiiide  gelegt  zu  werden, 
zumal  ja  selbst  die  Schrift ,  ^\  clclie  erst  iiaeli  Jaliiliiiiideilen  den  ho- 
merischen Laut  zu  J'crseln  siulile,  uiclit  immer  ein  getreues  15iid  des- 
selben gibt  und  unser  homerischer  Text  trotz  aller  darüber  erliallenen 
alten  Traditionen  doch  an  manchen  Stellen  so  wenig  mit  sich  selbst  über 
einstimmt,  dals  Hr.  A.  ihn  sehr  oft  erst  durch  Vermuthungen  verän 
dern  mufs,  eh  er  seine  Lehre  darstellt.  Mit  einem  Worte,  müfsen  >vir 
nicht  eingcslehn,  dals  dieser  Boden  ein  etwas  schwankender,  dafs  er 
auch  in  vielen  Stücken  noch  nicht  hinlänglich  dnrchforscht  ist,  und 
Ihun  wir  gut  die  Jugend  zuerst  auf  diesen  schwankenden  lioden  zu 
führen?  Sollen  wir  den  festen  Mittelpunkt  aufgeben,  welchen  Athen 
in  jeder  Beziehung  für  Griechenland  bildet,  und  wodurch  es  so  natür- 
lich ist,  den  Schüler  mit  den  Aüikern  der  besten  Zeit  auf  den  Homer 
als  auf  etwas  altertluimliches  zurückblicken  zu  lafsen?  Ist  es  niciit 
in  unsrer  zerstreuenden  und  die  Aufmerksamkeit  nach  allen  Seiten  hin 
abziehenden  Zeit  doppelt  nöthig  diesen  Mittelpunkt  festzuhalten?  Alles 
dies  sind  Bedenken,  die  sich  g-ewis  den  Lesern  dieser  Zeilen  ebenso 
aufdrängen  wie  dem  Schreiber,  welche  aber  doch  nicht  verschwiegen 
werden  durften,  und  welche  auch  unter  manchen  andern  beachtens- 
werthen  Bemerkungen  in  der  paedagogisclien  Section  der  Göltinger 
Philologenversammlung  laut  wurden,  als  dort  Hr.  A.  im  ganzen,  wie 
es  schien ,  der  herschenden  Stimmung  entgegen  sein  neues  Verlaliren 
vertheidigte. 

Sehn  wir  einmal  von  diesen  Bedenken  ab  —  und  wer  möchte 
denn  leugnen,  dafs  es  nicht  unter  Umständen  möglich  wäre,  auch  auf 
diesem  ^A'ege  zum  Ziel  zu  gelangen?  —  nehmen  wir  es  als  zweck- 
mäfsig  an,  mit  Homer  zu  beginnen,  statt  wie  bisher  —  OiiijQixojg  — 
mit  dem  Alticismus,  so  würden  doch  vielleicht  gegen  des  Verfafsers 
Buch  noch  in  mancher  Bezieluing  Zweifel  sich  erheben.  Dem  Bef.  we- 
nigstens ist  der  Salz  immer  sehr  einleuchtend  gewesen,  dals  der 
Schüler  in  seiner  Grammatik  heimisch  werden  müfse,  und  dafs  des- 
halb ein  Wechsel  der  Lehrbücher  immer  viel  gegen  sich  habe.  Und 
ein  solcher  würde  doch  nach  Hrn.  Ahrens'  Methode  durchaus  nothweu- 
digsein,  und  zwar  in  mehrfacher  Beziehung.  Denn  nicht  einmal  für  den 
Homer  reicht  diese  Formenlehre  ganz  aus,  weil  sie  zunächst  nur  für 
die  Odyssee  berechnet  ist;  die  Eigeulhümlichkeiten  der  Tragiker 
sind  gar  nicht  berücksichtigt,  weil  Hr.  A.  diese  wieder  von  deni  echt- 
attischen Dialekt  unlerscheidet.  Beides,  dünkt  mich,  ist  zu  bed'inern, 
da  der  Verf.  gerade  bei  dem  von  ihm  eingeschlagenen  Wege  nicht  all 
zn  schwer  diese  beiden  Gebiete  mit  berühren  konnte.  Denn  die  Dq- 
rismen  in  den  Chören  sind  nicht  so  zahlreich,  dafs  sie  nicht  mit  eini- 
gen Winken  hätten  abgetban  werden  können,  und  was  die  Sprache 
der  Tragiker  sonst  eigenlhümliches  hat,  würde  sich  an  den  home- 
rischen Dialekt  noch  leichter  anreihn  lafsen  als  die  Sprache  der 
attischen  Prosa ,  ja  es  könnte  den  \N  eg  von  jenem  zu  dieser  oft 
vermitteln.  Da  ferner  Herodot  zu  den  auf  Gymnasien  zu  lesenden 
Schriftstellern  gehört ,  so  würde  der  Schüler  auch  über  ihn  noch  einer 


6  Alirens  :  griechisclie  Fünnenlehre. 

besondern  Auskunft  bedürfen.  Und  wir  zweifeln  sehr,  ob  er  sich 
wird  zurecht  linden  können,  wenn  er,  nach  der  vorliegenden  Formen- 
lehre zuerst  unterrichtet,  später  über  diese  fehlenden  Partien  sich  in 
irgend  einer  der  jetzt  gangbaren  Schulgraniniatiken  Kath  zu  holen 
sucht.  Es  ist  zu  fürchten,  dafs  er  lange  vergebens  darin  herumblät- 
tern und  am  Ende  in  diesen  vielen  verschiedenen  Regionen  unsicher 
bleiben  wird.  Vielleicht  wird  er  gar  befser  zu  sagen  wifsen,  was 
nicht  homerisch  und  niciit  altisch,  als  was  überhaupt  griechisch  ist. 
Kurz  eine  so  völlige  innere  und  äufsere  Umgestaltung  des  grammati- 
schen Unterrichts  müste,  wenn  sie  praktisch  sein  sollte,  von  Hrn.  A. 
wenigstens  durch  die  ganze  Formenlehre  durchgeführt  werden.  Hier 
haben  wir  nur  ein  Stück,  dessen  Ergänzung  von  fremder  Hand  oder 
durch  eigne  Sirebkraft  des  Schülers  äufserst  schwierig  sein  dürfte. 
Auch  durch  etwa  hinzuzufügende  Anhänge  dürfte  kaum  viel  geholfen 
werden;  im  Gegenlhcil  die  noch  hinzutretenden  neuen  Unterscheidun- 
gen könnten  noch  mclir  verwirren.  Das  aufserordentliche  Betonen  der 
niundarllichen  Verschiedenheiten  möchte  überhaupt  der  klaren  Auf- 
fafsung  des  allgemein  griechischen  im  Gebiete  des  Schulunterrichts 
eher  schädlich  als  nützlich  sein.  Was  endlich  die  Syntax  betrifft,  so 
ist  leider  ihre  Behandlung  noch  immer  von  der  der  Formenlehre  sehr 
verschieden,  und  noch  ist  es  keinem  gelungen,  die  von  Seiten  der 
liistorisciien  Behandlung  nölhigen  Reformen  vorzunehmen,  weshalb 
denn  vor  der  Hand  kaum  etwas  anderes  als  sorgfältiges  Verzeichnen 
und  bündiges  Zusammenstellen  des  wesentlichsten  möglich  sein  wird. 
Aber  so  uuabhängig  ist  denn  doch  die  Syntax  nicht  vou  der  Formeu- 
lehre, dafs  man  eine  jede  beliebige  Syntax  an  jede  Formenlehre  an- 
kleben könnte.  Beide  müfsen  zusammenpassen  und  sich  in  wichtigen 
Punkten  aufeinander  beziehn.  Und  dafs  auch  an  des  Verf.  Formen- 
lehre nicht  leicht  eine  Syntax  sich  anreihn  wird,  geht  aus  den  zum 
Theil  sehr  eigenthümlichen  syntaktischen  Bemerkungen  hervor,  die  er 
gelegentlich  und  mit  grofser  Kürze  in  sein  Buch  aufgenommen  hat. 
Es  möchte  daher  zu  besorgen  sein  ,  dafs  auf  dem  von  Hrn.  A.  einge- 
schlagenen Wege  keine  vollständige  und  sichere,  namentlich  keine 
für  das  Verständnis  der  Schriftsteller  ausgiebige  praktische  Gewandt- 
heit in  der  griechischen  Sprache  erreicht  werde,  zumal  auch  die  wich- 
tige Hilfe,  welche  das  Griechischschreiben  gewährt,  bei  diesem  Ver- 
fahren nicht  leicht  anwendbar  ist.  Denn  homerische  Verse  wird  man 
zur  Einübung  der  Formenlehre  nicht  macheu  lafsen  wollen. 

Doch  diese  Andeutungen  mögen  über  die  eine,  die  praktische 
Bestimmung  des  Buchs  genügen.  Wir  wenden  uns  zu  der  zweiten, 
der  wifsenschaftlichen  ,  bei  der  wir  denn  Hrn.  A.  auf  einem  ihm  ver- 
trauten und  von  ihm  mit  so  vielem  Glück  bearbeiteten  Felde  begegnen. 
Indem  der  Verf.  seine  Formenlehre  '^  als  Grundlage  für  eine  historisch- 
wifsenschaftliche  Behandlung  der  griechischen  Grammatik'  bezeichnet 
und  in  der  Vorrede  S.  VI  Jacob  Grimm  als  sein  Vorbild  hinstellt, 
ist  damit  die  von  ihm  verfolgte  Richtung  deutlich  ausgesprochen.  Die 
Grammatik  zu  einer  historischen  zu  machen,  ist  ja  das  Ziel,  welches  mehr 


Ahrens:  griechische  Formenlehre.  7 

©der   weniger   alle    verfolgten,    die   seil    der   Belebung  der  Sprach- 
üliidien  durch  die  Spraciivergleiclning  sicli  selbständig  mit  der    Aus- 
bildung   derselben   beschäftigen,   und    dai's    dies   Ziel   allmählich   er- 
reicht werden  wird,  dazu  dürfen  wir  schon  dadurch  ermuliiigt  werden, 
dafs  diese  historische  Hichtting  mit  dem  aligemeinen  Strome  der  Wi- 
l'senschaften  in   unserer  Zeit  sich  ebenso   im  Einklänge  befindet,  wie 
die  abstrahierende  3Icthode  mit  dem  bis   in  die  dreifsiger  Jahre  hin 
sich   erstreckenden   Vorhersehen    der   philosophischen   Bestrebungen. 
Und  der  Weg,  welchen  die  historische  Grammatik  einschlägt,  der  des 
Zersetzens  und  Vergleichens,  ist  ja  auch  wieder  nur  der  nemliche,  auf 
welchem  ihrem  Objecte  nach  ganz  verschiedene  Wifsenschaften  in  un- 
serer Zeit  zu  so  bedeutenden  Ergebnissen  gelangt  sind.     In  der  Ver- 
folgung des  erwähnten  Ziels  sind  nun  aber   doch  noch  verschiedene 
Auffafsungen   möglich.      Hrn.    Ahrens'    Arbeiten   können   allerdings 
vorzugsweise  mit  den   Leistungen  Jacob   Grimms   verglichen  wer- 
den, weil  sie  wie  diese  zunächst  ein  einzelnes  Gebiet  im  Auge  haben 
nnd  innerhalb  dieses  über   die  manigfaltige   Verzweigung    der  Mund- 
arten und  kunstvoll  gemischten  Dialekte  Licht  zu  verbreiten  suchen. 
Wie  sehr  ihm  dies  durch  eindringliche  Kritik  und  scharfsinnige  Com- 
binationen,  namentlich  aber   durch  einen   feinen  Spürsinn   für    mund- 
artliche Verschiedenheiten  in  seinen  Werken  über  den  aeolischen  und 
dorischen  Dialekt  gelungen   ist,  ist  bekannt.     Es  muste   daher  jeder 
Philolog  mit  Schmerzen  wahrnehmen,  dafs  Hr.  A.    sein  grofses    dia- 
lektologisches Werk  nicht  in  der  begonnenen  Weise   fortsetzt,  dafs 
er  es  unterläfst,  eine  philologische  Schöpfung  zu  vollenden,  zu  der 
er  sicherlich  vor  allen  befähigt  und  wozu  aufser  ihm  nicht  leicht  einer 
gerüstet  sein  möchte.    Indes  so  wenig    gewis  irgend  jemand,  der  an 
diesen  Studien  Theil  nimmt,  auf  die  Hoffnung  verzichten  möchte,  das 
begonnene  gröfsere  Werk  noch  einmal  weiter   geführt   zu  sehn ,  so 
ziemt  es  sich  doch  auch  die  jetzt  gebotene  Gabe  mit  Dank  und  freudi- 
ger Anerkennung  des  vielen  trefflichen  anzunehmen,  das  uns  hier  ge- 
boten wird. 

Die  Anordnung  der  Formenlehre  ist  ihrer  nächsten  Bestimmung 
zufolge  keine  streng  wifsenschaftliche.  Der  erste  Theil  enthält  die 
Formenlehre  des  homerischen  Dialekts  (S.  1 — 200).  Nach  einigen 
^Vorbemerkungen'  über  die  Mundarten  folgt  in  §.  2-8  die  Lehre 
von  den  Buchstaben  und  Lesezeichen;  dann  sofort  die  Declination, 
einschliefslich  die  der  Pronomina;  von  §.  46  an  die  *  Conjugation', 
mit  welchem  herkömmlichen  aber  doch  misbräuchlichen  Namen  auch 
hier  die  Abwandlung  des  Verbums  bezeichnet  wird,  und  zwar  A)  die 
Flexion,  B)  die  Formation,  C)  die  unregelmäfsige  Conjugation.  In 
§.  104 — 113  ist  von  den  Correlativen,  den  Zahlwörtern,  von  der  Stei- 
gerung der  Adjectiva  und  Adverbia  die  Bede.  Die  letztere  bildet, 
allerdings  ihrer  Natur  entsprechend,  den  Uebergang  zur  Lehre  von 
der  Wortbildung  (§.  114 — 129),  worauf  vier  Anhänge  folgen,  von 
denen  der  erste  unter  der  Ueberschrift  *  verschiedene  Affecte  der  Buch- 
staben' in  §.  l.'^O — 158  das  wichtigste  aus  der  Lautlehre  enthält,  der 


8  Ahrens  :  griechische  Formenlehre. 

zweite  von  den  Accenten,  der  dritte  von  den  *  Praepositionen  nnd  an- 
dern Partikeln'  handelt,  der  vierte  'prosodische  und  mclrische  Ele- 
mente* überschrieben  ist.  —  In  gleicher  Anordnung  folgt  dann  der 
zweite  Theil,  die  Formenlehre  des  attischen  Dialekts  (S.  201 — 280j. 
Ref.  enthält  sich  jeder  Bemerkung  über  diese  Anordnung  um  so  mehr, 
■weil  der  Verf.  selbst  darauf  kein  grofses  Gewicht  zu  legen  scheint. 
Denn  obgleich  er  nur  aus  didaktischen  Gründen  so  eingetheilt  hat, 
bringt  er  doch  in  der  Vorrede  S.  VI  für  den  praktischen  Lehrgang 
viele  Abweichungen  von  seiner  Anordnung  in  Vorschlag,  wie  denn 
namentlich  klar  ist,  dafs  ohne  die  Hauptsätze  der  erst  am  Schlufse 
folgenden  Lautlehre  viele  frühere  Theile  gänzlich  unverständlich  sein 
würden.  Auf  die  sehr  eigenthümliche  Behandlung  des  Verbums  wer- 
den wir  gleich  näher  eingehn  müfsen. 

In  wifsenschafflicher  Beziehung  hat  der  Verf.  unstreitig  das  ei- 
gonthümlichste   im  ersten  Theile  seines  Buchs  geleistet.     Hier  ist  er 
ganz  in  seiner  Sphaere.    Mit  dem  ihm  eignen  Scharfsinne  weifs  er  das 
eigenthümliche  des  homerischen  Dialekts  zu  erkennen  und  die  Abwei- 
chungen davon  wahrzunehmen.    So  linden  wir  hier  eine  Anzahl  neuer 
statistischer  Notizen  über  das  Vorkommen  gewisser  Laulverbindungen 
nnd  Formen  beim  Homer.     Die  träge  alte  Manier  achtete  bekanntlich 
fast  nur  auf  die  besondern  Formen  eines  Dialekts,  ohne  sich  viel  da- 
rum zu   kümmern,  wie  weit  etwa   die  später   üblichen  in  demselben 
vorhanden  seien,  da  ihr  Vorkommen  gleichsam  überall  gerechtfertigt 
schien.    Hr.  A.  zeigt  uns,  dafs  vieles  den  Attikern  eigenthümliche  beim 
Homer  noch  gar  nicht  vorkommt.    So  beschränkt  sich  die   Contraclion 
von  eo  in  ov  nach  S.  56  auf  wenige  Fälle,  von  denen  nielirere  durch 
Conjectur  beseitigt  werden.  —    S.  51  heifst  es:  '  ein  Optativ  des  Fu- 
turums findet  sich  bei  Homer  nur  ein  paarmal  durch  falsche  Lesart. 
So  Od.  ^,  547  akv'^oi,  richtiger  alv'^ai.',  eine  für  die  Geschichte  des 
griechischen  Verbums  in  etymologischer  wie  syntaktischer  Beziehung 
sehr  beachtenswerlhe  Wahrnehmung,  die  auch  dann  ihren  Werth  be- 
hält, wenn  Avir ,  minder  kühn,  deshalb  nicht  gleich   den  Text  zu  än- 
dern wagen,  sondern  gewisse   erste  Ansätze   zu  jener  Modusbildnng 
beim  Homer  einräumen.  —  Von  ähnlicher  Art  ist  die  Fesistellung,  dafs 
das  Fut.  I  Pass.  beim  Homer  noch  gar  nicht,  das  Fut.  II  Puss.   Miöch- 
stens  zweimal  vorkömmt'  (S.  216);  dafs  die  Adjectiva  auf  i%6g  beim 
Homer  noch  sehr  selten  sind  (S.  270),  die  Nomina  gentis  auf  ev-g  da- 
gegen sehr  häufig  (S.  210).     Nachdem  wir  auf  solche  treffliche  Be- 
reicherungen der  Wifsenschaft,  deren  sich  noch  mehrere  nachweisen 
lafsen,  blofs  hingedeutet  haben,  gehn  wir,  dem  Gange  des  Buchs  we- 
nigstens im  allgemeinen  folgend,  auf  einzelne  Fragen  etwas  näher  ein. 
In  der  Behandlung  der  ersten  und  zweiten  (A-   und  0-)Declina- 
lion  ist  der  Stamm  nicht  von  den  Endungen  geschieden,  wie  das  spä- 
ter bei  der  dritten  geschieht.    Wir  erhalfen  statt  dessen   S.  11  und  13 
eine  Ueberschrift  über  die  'Ausgänge',  d.  h.  über  die  mit  dem  End- 
laute (' Kennlaute')   des   Stammes  verschmolzenen  Casusendnngen  in 
tilter  Weise.     Wifsenschaftlich  strenger  wäre  es   jedesfalls  gewesen 


Alirciis  :  griechische  Füniieiiiclire.  9 

auch  hier  Slanim  und  Endung  voneinander  zu  sondern,  und  zu  zei- 
gen, wie  die  'Ausgänge'  durcii  die  Verbindung  beider  enislanden  sind. 
Dann  würde  sich  auch  ergeben,  dafs  mil  Unrcciit  ii^%i}i  Kfjovldij  als 
Släninie  angesetzt  sind,  indem  aus  (-layjj  niemals  ^lä'/^ca^  ncr/^caov  ab- 
zuleiten ist,  wohl  aber  umgekehrt  aus  dem  Stamme  l^ccia  das  singula- 
rische fiCiXij,  nemlich  durch  ionische  Dehnung  von  a  in  >/.  —  Uebri- 
gcns  zeigt  sich  beim  Dual  der  A-Declinalion  die  Schwierigkeit,  die 
es  hat,  den  homerischen  Dialekt  der  Grammatik  zum  Grunde  zu  legen. 
Der  Gen.  Dat.  des  Duals  kommt  beim  Homer  nicht  vor;  die  attische 
Form  auf  aiv  vorauszusetzen  trägt  Hr.  A.  mit  Hecht  Bedenken.  Aber 
er  weifs  sich  zu  helfen.  H.  yl,  431  ((JjJju.e^oi'  tj  öoioiGiv  iitav^eai,  'in- 
TraöiötjOti^)  heifsl  es  beim  Schol.'A  InnaöiöifiLv ,  }'QCi(pErca 'iTcjtaai- 
ö}fCu.  ^'ach  der  Analogie  von  imtoi-n'  schreibt  der  Verf.  'imtaOLÖijtv 
und  führt  sofort  ijn'  als  Ausgang  des  betrelfcnden  Casus  ein,  und  so 
geht  es  nun  durch  die  ganze  Formenlehre;  wir  lesen  dort  nji-v,  rav- 
Tj/ti/,  }.iai>]iu,  ^'-^J/'^'  11-  s.  w.  Ein  solches  Verfahren  ist  aber  doch 
wohl  gar  zu  kühn.  So  sehr  diese  Form  die  Analogie  für  sich  hat,  sie 
nach  einer  so  schwachen  Spur  in  den  homerischen  Text  aufzunehmen 
und  vollends  danach  die  Schüler  zu  unterrichten,  das  ist  zu  viel  der 
"Willkür.  Uebrigcns  ^ird  der  Verf.  gewis  selbst  nicht  verkannt  ha- 
ben, dals  die  Lesart  IjTnaaiöijLv  in  jenem  einzigen  Verse,  auf  den  sich 
die  ganze  Theorie  stützt,  nicht  ohne  weiteres  eingeführt  werden  kann; 
wir  müsten  auch  öowljlv  in  öoiouv  vorändern.  Aber  weder  öolouv 
noch  övoLLV^  övoiv  läfst  sich  im  Homer  nacinvcisen,  bei  dem  der  Dual 
ovo,  öv(0,  öom  indeclinabel  ist. 

Bei  der  zweiten  (O-)Declination  trägt  Hr.  A.  aufs  neue  seine 
Theorie  der  Genetivform  vor,  wonach  die  Formen  auf  Oio  nicht  die 
ursprünglichen,  sondern  vielmehr  aus  oo  unorganisch  verlängerte  sein 
sollen.  Hr.  A.  slräubt  sich  hier  ohne  allen  Grund  gegen  eine  Annah- 
me, welche  ebenso  sehr  das  Zeugnis  des  homerischen  Dialekts  als  das 
der  verwandten  Sprachen  für  sich  hat.  Das  Sanskrit  und  Alipersische 
beweisen,  dafs  die  Genetive  der  A-Stämme  im  Masculinum  ursprüng- 
lich auf  asja  ausgiengen ,  von  welcher  Bildung  auch  im  slawischen 
Pronomen  noch  die  deutlichsten  Spuren  vorliegen  (Bopp  verglei- 
chende Grammatik  S.  219  f.  S.  355).  Aus  diesem  asja  kann  nach  klar 
erkannten  Lautgesetzen  das  homer,  Oio  (st.  oGlo)  ebenso  abgeleitet 
\verden,  wie  der  üptaliv  c'üjv  aus  ursprünglichem  asjdm.  Die  nächste 
Stufe  der  Entstellung  war  oo.  Genetive  auf  oo  hatte  Hr.  A.  schon  frü- 
her mit  grofsem  Scharfsinn  in  noch  ausgeilehnlerem  Mafse  im  Homer 
entdeckt,  als  vor  ihm  ßuttmann  (ausfiihrl.  Grammatik  I  S.  299),  und 
so  wird  denn  auch  hier  (S.  15)  in  der  Anmerkung  für  Od.  x,  36  und 
60  die  Form  Atoloo  empfohlen,  was  —  von  Seilen  der  \^  il'senschaft 
wenigstens  —  durchaus  zu  billigen  ist.  ISur  dürfen  wir  diese  Formen 
nicht  als  die  ältesten,  sondern  als  Entstellungen  von  denen  auf  oio  be- 
trachten, gerade  wie  wir  die  Verba  auf  Uo  aus  älterem  und  ebenfalls 
homerischem  cxw  {ajami)  ableiten.  Aus  oo  ward  dann  ionisch  ou,  do- 
risch Cd,  und  der  homcrioche  Dialekt  hat  uns  von  den  drei  Stufen  Spu- 


10  Ahrens:  griechische  Foriiieulehre. 

rcn  hinterlafseu  (vergl.  rskeLOixsu  —  xslio^isv  —  reXeviiei').  Der  do- 
rischen Form  entspricht,  um  das  noch  hinzuzufügen,  die  litauische 
«lerli würdig  genau,  z.  B.  lit.  vältü  =  der.  Ivko),  und  auch  diese  li- 
tauische Form,  Nvelche  Bopp  anders  erklärte,  wird  jetzt  von 
Schleicher  (Formenlehre  der  kirchenslawischen  Sprache  S.  235) 
aus  triftigen  Gründen  mit  den  sanskritischen  auf  asja  (^vrliasja)  iden- 
tiliciert,  so  dais  ein  neues  Zeugnis  für  das  hohe  Alter  jener  Bildung 
hinzugekommen  ist.  Was  die  Genetive  auf  ao  betritH,  aus  denen  man 
eine  Einwendung  entnehmen  könnte,  so  sind  sie  unstreitig  auf  üsja 
zurückzuführen,  was  durch  die  nach  Bopps  Besprechung  jener  Bil- 
dungen entdeckten  altpersischen  Formen  auf  äha  (A  statt  s)  schlagend 
bestätigt  wird.  Auvitmazdüha  steht  in  deutlichster  Analogie  zum  ho- 
merischen AvQSiöao. 

S.  16  linden  wir  die  treffende  Bemerkung,  die  Circumflectierung 
der  Genetive  und  Dative  der  A-  und  Ü-Stämnie  evvij,  oÖov  erkläre 
sich  aus  der  Contraction.  Freilich  ist  diese  in  Genetiven  wie  evuijg 
nicht  bestimmt  nachweisbar,  wenigstens  nicht  vom  Standpunkte  des 
Griechischen  aus,  und  es  verliert  die  Bemerkung  dadurch  an  prakti- 
scher Anwendbarkeit.  Dazu  kommt,  dafs  ja  auch  in  der  sog.  dritten 
Declinalion  die  Genetive  der  Monosyllaba  circumllectiert  werden:  Tto- 
dcüi\  3Iithin  ist  die  eigcnlhiimliche  Neigung  der  Genetive  und  Dative 
zur  Circumflectierung  doch  noch  nicht  hinlänglich  aufgeklärt.  Sollte 
liier  etwa  das  Princip  der  Gvve-KÖQOfxi]  zuläfsig  sein? 

Für  den  Dat.  Plur.  der  sog.  dritten  Declination  vsill  der  Verf. 
nur  die  beiden  Endungen  Oi.(v)  und  saai^v)  gelten  lafsen,  nicht 
aber  das  vereinzelt  vorkommende  eöi{v).  Wenn  wir  aber  auch 
mit  ihm  Od.  o,  386  naQ  oi'etjO  ■>/  TtaQa  ßovoiv  (statt  des  überlieferten 
Ttao  oi'eOii>)  und  557  uvaY.xBöQ  statt  civa%x£6tv  und  ebenso  an  einigen 
andern  Stellen  ändern  wollten,  so  bliebe  doch  II.  T,  468  6  ^sv  r/Tr- 
rno  xdqEGi-  yovvow.  Gewis  müfsen  wir  Hrn.  A.  darin  Recht  geben, 
dafs  die  Form  auf  sGßi  nicht,  wie  ßuttmann  (ausf.  Gramm.  I  S.  178) 
annahm,  eine  nach  blofs  metrischen  Bedürfnissen  aus  egl  verlängerte 
ist.  Das  ist  schon  durch  die  dorischen  und  aeolischen  Dative  auf  effcTt 
hinlänglich  bewiesen  (A.  de  dial.  Aeol.  p.  115.  de  dial.  Dor.  p.  229  f.). 
Den  Ursprung  dieser  Dative  wird  Aufrecht  in  seiner  Zeitschrift  (1 
S.  117)  richiig  erklärt  haben.  Er  nimmt  dort  atii^v)  als  die  dem 
skr.  SU  entsprechende  älteste  Form  der  Endung  an  und  läfst  daraus 
mittelst  Assimilation  a5i{v)  werden.  Wenn  wir  von  dieser  Gestalt  der 
Endung  ausgehn,  so  erklären  sich  Formen  wie  l'^i-aöL-v,  vi-avaaLv  ganz 
einfach  aus  LQi,-aFi(v),  ve%v~Gt\v.  Eine  Contraction,  wie  Hr.  A. 
(S.  32)  sie  gegc"!  den  Accent  annimmt  (aus  i^Ußöiv,  vsxvEaßi.)')  und 
sogar  in  seiner  Weise  S.  173  unter  den  Beispielen  der  Contraction 
aufführt,  ist  unnöthig.  Bei  consonant.  Stämmen  gieng  das  Doppelsigina 
wohl  zuerst  verloren  7tai(ö)a[{v),  dann  auch  oft  nach  v  und  Dijjlilhon- 
gen:  öa%QV6i(v)^  vrjval^v).  Daneben  aber  hielt  sich  bei  dem  Bindevo- 
cal  c  in  der  Hegel  der  volle  Doppclconsonant :  nod-a-aöL,  vrj{F)-£-66i. 
■\>'eiin  aber  auch  bis\\  eilen  ffc  sich  zu  einfachem  6  abslunipfte,   so   ist 


Ahrcns  :  griecliische  Formenlehre.  11 

das  wohl  ebenso  wenig-  befremdlich,  als  dafs  sich  OövGevg  neben 
'OövCOEv^,  oßog  neben  o6aog .^  ^liOog  neben  ^eööog  ündel.  Dagegen 
mag  auf  die  herodolischen  Formen  auf  eai  wie  auf  die  ähnlichen  bei 
den  Doriern  nicht  viel  zu  geben  sein  (vcrgl.  ßredow  de  dial.  Ilero- 
dolea  p.  254,  Ähren  s  de  dial.  Dor.  p.  230).  Aber  solche  Freiheiten 
der  homerischen  Sprache  durch  kühne  Textesänderungen  zu  enlziehn, 
das  scheint  dorn  Uel".  überaus  gewagt  zu  sein. 

Die  Neutra  auf  ag  und  og  im  Nominativ  nebst  den  dazu  gehörigen 
Adjectivcn  auf  ?;g,  eg  linden  S.  2(i  ilire  richligc  Behandlung,  indem  sie 
auf  Stämme  'mit  dem  Kennlaut  ö'  zurückgeführt  werden.  —  Aber 
was  den  Verf.  bewogen  hat,  den  Stamm  der  Feminina  auf  co  (v/i/roj) 
auf  Ol  ausgehn  zu  lafsen  (S.  30),  ist  nicht  abzusehn.  Wir  dürfen  da- 
rin nichts  anderes  als  abgestumpfte  N-Stämme  erkennen,  wie  sich 
denn  aijöa  und  ay^Scöv  nebeneinander  findet.  Mit  Unrecht  wird  auch 
die  Form  OcGfft  beanstandet ;  der  Diphthong  ot.  hat  seinen  zweiten  Be- 
standtheil  vor  dem  folgenden  Vocal  ebenso  eiugebüfst,  wie  in  den 
Genetiven  auf  oo  stall  ot,o,  wie  et  in  reXia  neben  releico,  wie  1}V  in 
ßaöLlijog.  Hr.  A.  Avill  auch  hier  wieder  —  und  zwar  wäre  das  in 
drei  Versen  nölhig  - —  der  Regelnuifsigkeit  zu  Liebe  oiGöiv  (aus  ouG- 
6lv)  schreiben.  —  Aus  demselben  Bemühn ,  die  homerischen  Formen 
zu  vereinfachen,  geht  die  Ansicht  hervor  (S.  33),  die  Form  %QÜxa  sei 
nicht  Acc.  Sing,  eines  niasculinischen  z^ag,  sondern  Acc.  Plur.,  nem- 
lich  Od.  '9',  92  cci\)  OSvGEvg  xara  XQara  y,akv'ipä(iai'og  yoouG'/.Ev.  Die 
angeführten  Analogien  wie  Gxn'i&Ea^  TtgÖGama  mögen  allenfalls  gellen, 
aber  nach  Homer  kommt  XQag  entschieden  masculinisch  vor:  Find. 
Pyth.  XII,  16  evTtaQaov  agära  GvXaGai.g  MedoiGag  und  Eurip.  Phoen. 
1149  TtokXol  d  enmxov  Y.qaxag  al^axov^cvoi.  Warum  also  sollte  nicht 
auch  schon  beim  Homer  die  masculinische  Form  sich  finden? 

Aus  der  Lehre  von  der  Pronominaldeclination  hebe  ich  nur  die 
eigenthümliche  Erklärung  der  Formen  ÜGGa  und  aGGa  hervor.  Das 
erstere  halle  Hr.  A.  schon  de  dial.  Dor.  p.  277  scharfsinnig  aus  a-xua 
(xia  aeolisch,  Ga  megarisch  statt  xlvc<)  abgeleitet.  Hier  (S.  41)  wird 
nun  auch  K(j(j«  auf  a-Tiß  zurückgeführt,  wobei  das  a  eigenllich  dem 
vorhergehenden  ^^'orte  gehöre,  z.  B.  omtol  ccGGa  si^li  oniioia  GGa^ 
oder  'richtiger  etwa  o7t7tola,GGce.'  Diese  Erklärung  hat  viel  an- 
sprechendes. Aber  Hrn.  Ahrens''  Voraussetzung,  ccGGa  fände  sich 
nur,  wenn  das  vorhergehende  Wort  durch  Elision  ein  cc  verloren 
habe  (vergl.  S.  215),  ist  unbegründet.  Wir  lesen  z.  B.  Plato  Phaedo 
p.  60  e  rjv  yuQ  di]  äxxa  xoLads.  Tbeaet.  p.  145  c  ysw^exQiag  cixxa. 
Soph.  p.  •J26  b  xciov  ol-kcXi'/aov  ovo^icacov  '/.aXov^sv  axxu  Ttov ,  und  ähn- 
liche Fälle  finden  sich  schon  allein  bei  Plato,  wie  das  As  Ische  Lexikon 
nachweist,  noch  viele.  Wenn  also  des  Verfafsers  Erklärung  die  rich- 
tige wäre,  so  müslen  wir  schon  annehmen,  dafs  nach  Verken- 
nung des  Ursprungs  aGGa  im  Bewuslsein  der  Griechen  eine  selbstän- 
dige Form  geworden  sei,  —  eine  doch  immer  sehr  misliche  Annahme, 

Wir  kommen  zur  Behandlung  des  Verbums,  welche,  wie  wir 
schon  sahn,  eine  ganz  eigenth  imliche  ist.     Des  Verfafsers  Anordnung 


12  '       Ahrciis :  griechische  Formenlehre. 

der  Verbalfornien  berulit  im  wesenllicheii  auf  denselben  Grundlagen, 
■welche  er  schon  in  seiner  Schrift  Miber  die  Conjugalion  auf  fu'  be- 
kannt gemacht  hat,  und  mit  denen  Ref.  im  allgemeinen  so  sehr  über- 
einstimmt, dal's  er  in  seiner  'griechischen  Schulgrammatik'  eine  we- 
sentlich ähnliche  Darstellung  gegeben  hat.  Wir  beide  suchen  das 
griechische  Verbum  dadurch  klarer  und  wifsenschaftlicher  darzustel- 
len, dafs  wir  es  nicht  auf  einmal,  sondern  in  kleineren  Gruppen  zur 
Anschauung  bringen.  Und  lief,  ist  überzeugt,  dafs  diese  nicht  unwe- 
sentliche Aenderung  alle  wifsenschafilichen  wie  didaktischen  Gründe 
für  sich  hat  und  allmählich  ■ —  trotz  des  vorläulig  sich  erhebenden 
Widerspruchs  —  sich  Geltung  verschaffen  wird.  Die  wifsenschaft- 
liche  Richtigkeit  der  Einiheilung  beruht  auf  der  Wahrnehmung,  dafs 
zwischen  einem  Verbalslamme ,  z.  B.  Ti,ua,  und  einer  beliebigen  Ver- 
balform, z.  B.  hiii^d-)],  rtiDi'&Hiig,  ebenso  wie  zwischen  dem  Stamme 
und  der  Casusform  eines  beliebigen  Nomens,  z.  B.  rc[ii]^arog,  etwas  in 
der  Mitte  liegt,  etwas  festes,  das  wir  eben  deshalb  in  beiden  Fällen 
als  Stamm  von  den  Endungen  des  Modus  und  der  Person  unterscheiden 
müfsen.  Zwischen  der  Flexionsform  6ti,u)ji>>/,  ri^rj&ehjg  und  dem  Ver- 
balslamme TijUa  liegt  als  Mittelglied  der  Stamm  rijxijd'c  (oder  wie  Hr. 
A.  will  Tijtt/;0'//),  zwischen  Tifti/ffarog  und  lifta  der  Stamm  xi^iyj^ax. 
Die  Lehre  vom  Verbum  zerfällt  danach  wesentlich  in  zwei  Theile,  die 
Lehre  von  der  Bildung  oder  Formalion  und  die  Lehre  von  der  Flexion. 
Der  erste  Theil  entspricht  bis  zu  einem  gewissen  Grade  der  Wortbil- 
dungslehre beim  Nomen ,  der  zweite  der  Lehre  von  der  Declination 
der  Nominalstämme.  Die  Formalion  ist  die  Voraussetzung  der  Flexion 
und  ihr  begrifilich  vorauszuslellen,  aber  für  den  praktischen  Gebrauch 
stellt  man  mit  Recht  ■ —  als  das  Tt^oxzQOv  %ud'  rjiiäg  — -  die  Flexion 
voran.  So  macht  es  denn  auch  Hr.  A.  mit  dem  Verbum.  S.  44  be- 
ginnt nach  einigen  Vorbemerkungen  die  Besprechung  der  Flexion. 
S.  77  folgt  die  Lehre  von  der  Formalion.  Indessen,  während  wir  die 
Unterscheidung  zwischen  Formation  und  Flexion  im  Princip  durchaus 
billigen,  so  fragt  es  sich  doch,  ob  es  zweckmäfsig  ist,  die  Trennung 
factisch  durchzuführen.  Es  ist  unnatürlich,  dafs  der  Schüler,  wie  es 
liier  geschieht,  nicht  blofs  das  Praesens  xqItko  mit  seinen  Modis  und 
dem  Imperfect,  sondern  auch  das  Futurum  tos'^oj  und  den  Aorist 
l'xQaTtov  flectiercn  lernt,  ohne  dafs  ihm  gesagt  wird,  Avie  denn  das 
Futurum  aus  dem  Praesens  entsteht.  Praktisch  möchte  es  daher  wohl 
grofse  Vortheile  haben  zwar  mit  der  Flexion  eines  jeden  Tempus  (nach 
Ihn.  A.  '  Systems')  zu  beginnen,  dabei  aber  zugleich  immer  das  nö- 
Ihige  über  die  Formation  hinzuzufügen,  damit  auf  diese  Weise  der 
Schüler  sich  gewöhne  die  einzelnen  Stämme  sofort  aus  dem  die  manig- 
faltigen  Formen  verbindenden  Verbalstamme  abzuleiten.  Eine  Anord- 
nung, in  welcher  Ref.  ebenfalls  mit  dem  Verf.  zusammentrilTt,  ist  die, 
die  Verba  conlracla  gleich  beim  Praesens  zu  behandeln.  Allein  wenn 
unmitlelbar  damit  S.  (iä  die  conlrahierten  Futura  verbunden  werden, 
so  kann  ich  das  nicht  billigen,  weil  das  s  dieser  Futura  dem  Schüler 
cisl  durch  die  Formalionslchrc  klar  wird,  und  doch  wohl  die  Anord- 


Alirens:  griccliische  Foniioiilclirc.  l'i 

nung'  den  Vorzug  verdicMit,  avcIcIic  doii  Soliiilcr  niög-liclist  wenig  mit 
iiiibckaniiU'ii  Gr()rscit  aiheileii  liilst.  Wem  daj^'cgeri  die  conlraliieileii 
Praeseiilin  im  Ciedürliliiis  liaflon  ,  dem  wird  die  Flexion  der  conlra^ 
liierten  Fnlura  spiiler  gar  keine  Scln\  ierigkeifen  niaciieii.  Indes  gel)o 
icli  gern  zu,  dals  in  diesen  Saelien  veiscliiedene  ^\'ege  zu  demselben 
Ziele  fuhren,  und  dals  manche  Züge  in  des  Verfafsers  Darstelhin"- 
sehr  beaehlenswerlh  sind. 

Ernstlichere   Einwendungen   erheben  sich   aber   wie    von    selbst 
gegen  Hrn.   Abrens'   Terminologie,   welche   ihren  Grundziigen  nach 
den  mit  seinen  früheren  Schriften  vertrauten  nicht  neu  war.     Unnöthiir 
scheint  die  Aenderung  in  der  Benennung  der  Genera  verbi.     Statt  des 
berkömmlicben  Activs  und  Mediums  erhalten  wir  ein   übjeetivum   und 
Subjectivum.     Ist  denn  aber  die  neue  Bezeiclinung  irgend   wahrer  und 
treffender  als  die  alte?    Die  Bezeichnung  Objeclivum  passt  doch  nur 
auf  transitive  Verba ,   die   Bezeichnung    Subjectivum  verführt  zu  der 
Meinung,  mediale  Formen  könnten   kein  Object  bei   sich  haben.    Der 
Fehler  in   der   alten   Terminologie   lag  in   der    Entgegenstellung   von 
Acliv  und  Passiv;  denn  freilich,  wenn  die  Formen  {.lai,  acxi,  tul — jui/)/, 
()0,  xo  für  ursprünglich  passivisch  erklärt  wurden,  so  begrilF  niemand, 
Mie  dieselben  z.  B.  in  iTQeipc<iirp',TQd7T(oixca  niemals   passive  Bedeu- 
tung haben  konnten,  während  den  Aoristen  von   passiver  Bedeutung 
die  passiven  Endungen  nicht  zukamen.    Nehmen  wir  aber  —  und  wir 
haben  guten  Grund  dazu  —  au,  dafs  jene  Endungen   ursprünglich  me- 
dialer, d.  b.  im  weiteren  Sinne  rellexiver  Bedeutung  waren ,  so  kommt 
alles  in  Ordnung.    Wir  tbeilen  die  F'ormen  in  activc  und  mediale.  Wir 
werden  dann  nur  hinzufügend  zu  bemerken  haben,  dafs  ein  Tbeil  jener 
medialen  Formen  auch  passive  Bedeutung  hat.    Am   Schlufse    sind  die 
Passivaoriste  mit  ihren  Futuris   aufzuführen,   bei    denen   das  passivi- 
sche nicht  durch  die  Personalendung,  sondern  durch   die   Kennzeichen 
des  Tcmpusslanimes,  durch  die  Laute  e  und  d-e  bezeichnet  wird,  über 
deren  Ursprung  ich  meine,  wie  ich  sehe,  von  Lange   (Götlinger  ge- 
lehrte Anzeigen  18ö2  S.  1695)  gebilligten  Vermuthiingen  anderswo  aus- 
geführt habe.    Dafs  ixQUT(,riv^  £r()c'9D9'>/i' passive  Bedeutung  haben,  kann 
übrigens  auch   ohne  sprachvergleichenden  Apparat  durch   lateinische 
Formen  wie  ceneo,  calcßo  klar  gemacht  werden,  wo  der  Ursprung  des 
passivischen  Elements  in  den  klar  erkennbaren  Verben  eo  und  fio  vor- 
liegt. —    Ein  anderer  Punkt,  worin  ich  Ihn.  A.  nicht  beistimmen  kann, 
ist  die  grofse  Anzahl  der  von  ihm  angenommenen   Systeme.     Es   sind 
ihrer  für  den  homerischen    Dialekt  12  (eigentlich   mit  dem  sog.  Per- 
feclfulurum  Vi);  für  den  attischen,   bei   dem   die   Passivfutura   hinzu- 
kommen, 15,    nemlicb  Praesens  Object.   und  Subject.,  Futurum   Obj. 
und  Subj.,  Aoristus  I  Obj.  und  Subj.,  Aorisfus  II  Obj.  und  Subj.,  Perf. 
Obj.  und  Subj.,  Aor.  Pass.  I,  Aor.  Pass.  II,  Fut.  Pass.  I,  Fut.  Pass.  II, 
Futurum  III.    Der  Unterschied  zwischen  Activ  und  iMedium   liegt  aber 
doch  nur  in  den   Personalendungen;   er  kann  nicht  mit  dem  zwischen 
dem    Praesens   und   Perfect  u.  s.  w.    auf   eine    Linie   gestellt   werden. 
Faclisch  nimmt  auch  später  bei  der  Flexion  der  Verf.  ^  Objectivum  und 


14  Ahreiis  :  griechische  Formenlehre. 

Subjeclivum '  immer  zHsammen.  Führen  wir  dies  durch  und  bringen 
aufserdem,  wie  natürlich,  jedes  Passiv-Futurum  (Fut.  l  und  II  Pass.) 
zu  seinem  Aorist,  das  Fut.  III  aber  zum  Perfect,  von  dem  es  ausgeht, 
so  erhallen  wir  sieben  Systeme,  als  deren  Stämme  jene  sieben  Tem- 
pusstämme sich  ergeben ,  nach  denen  Ref.  in  seiner  Schulgrammatik 
das  Verbum  abgehandelt  hat. 

Den  entschiedensten  Widerspruch  wird  aber  gewis  jeder  Schul- 
mann gegen  den  Gebrauch  des  AVortes  Modi  erheben ,  wie  ihn  Hr.  A. 
einzuführen  sucht.  Er  lehrt  nemlich  S.  42,  jedes  System  enthalte  eine 
Anzahl  'Jlodi',  deren  es  im  ganzen  sieben  gebe:  Primarium  (Indica- 
tiv  Praesentis,  Perfecti,  Futuri),  Praeleritum,  Conjunctivus ,  Optati- 
vus,  Imperalivus,  Infinitivus ,  Participium.  Hier  ist  also  der  Unter- 
schied zwischen  Tempus  und  Modus  gänzlich  aufgehoben.  Ich  glaube 
nicht  zu  viel  zu  behaupten,  wenn  ich  sage,  dafs  durch  diese  Termino- 
\o<^\e  die  syntaktische  Moduslehre  aufserordenllich  erschwert  wird. 
Denn  dabei  nuifs  sich  ja  nun  der  Schüler  seinen  Begriff  von  Modus 
wieder  abgewöhnen;  er  mufs  lernen,  dafs  z.  B.  das  Praeleritum  kein 
Modus,  sondern  ein  Tempus  ist.  Aber  auch  wifsenschaftlich  ist  diese 
Behandlung  unhaltbar.  Die  Sprache  hat  nicht  umsonst  das  Praeleritum 
im  Anlaut,  den  Conjunctiv  und  Optativ  aber  im  Inlaut  bezeichnet;  sie 
deutet  schon  dadurch  an,  dafs  für  das  Sprachgefühl  IßuXko^sv  sich 
keineswegs  ebenso  zu  ßallofxev  verhält  wie  ßälXaiixev.  \Vir  haben  es 
hier  mit  ganz  verschiedenen  Functionen  zu  thun,  die  wir,  nachdem 
sie  der  glückliche  Takt  der  griechischen  Grammatiker  gelrennt  hat, 
nicht  wieder  vermischen  dürfen. 

Die  Bezeichnungen  stark  und  schwach  gebraucht  der  Verf. 
so,  dafs  er  die  ohne  Bindevocal  (' Flexionsvocal')  gebildeten  Formen 
stark,  die  mit  einem  solchen  versehenen  schwach  nennt  (S.  44).  Aber 
in  der  Anwendung  vermifst  man  Consequenz.  Das  Perfect  hat  nach 
Hrn.  A.  Mnimer  starke  Flexion',  der  Aoristus  I  schwache.  Aber  wa- 
rum soll  das  a  des  Perfects  nicht,  wohl  aber  das  jenes  Aorists  als 
Flexionsvocal  gelten?  Dieser  Vocal,  der  beim  Aorist  sich  ja  sogar 
in  Optativ,  Imperativ,  Infinitiv  und  Particip  beider  Genera  erhält,  ist 
für  den  Aorist  so  stabil,  dafs  wir  ihn  mit  zum  Stamm  ziehn  müFsen. 
Thun  wir  das  aber,  setzen  wir  einen  Stamm  r^atpa  an  —  was  auch 
den  praktischen  Vortheil  hat,  dafs  der  Aorislslamm  nicht  mit  dem  Fu- 
turstamme zusammenfällt  — ,  so  ist  irgiipafiev  wie  i'öraiiev,  d.  i.  nach 
Hrn.  A.'s  Bezeichnung  stark  fleclierl.  Uebrigens  hat  auch  diese  An- 
wendung der  Ausdrücke  stark  und  schwach  ihr  bedenkliches,  zumal 
sie  mit  der  in  der  deutschen  Grammatik  üblichen  so  wenig  gemein  hat. 
Es  würde  zu  weit  führen,  auf  alles  neue,  was  uns  bei  der  Be- 
sprechung der  einzelnen  Formen  geboten  wird,  näher  einzugehn,  doch 
wird  wenigstens  einiges  noch  hervorgehoben  werden  können.  Die 
Formen  der  homerischen  Verba  contracta  sind  S.  52  sehr  vollständig 
und  eingehend  behandelt,  wobei  auf  den  Einflufs  des  Metrums  gebüh- 
rende Rücksicht  genommen  wird.  Bedenklich  erscheint  es  aber,  wenn 
Hr.  A.  S.  55  die  Form  aloco  (Od.  e,  377)  aus  dem  Text  bringen  will, 


Alircns  :  griecliisclie  Fonnoiilelire.  15 

durch  sehr  kühne  Aeiulerung-sversuche.  Solche  Conjecdiren ,  die  zu- 
weilen überaus  verwegen  sind,  ireiioren  eifrenilich  «^ar  niciil  in  dies 
Buch,  das  für  den  Scliulgebraudi  hcslimnil  is(.  Uehrigcns  iiat  dci- 
Verf.  Recht  'die  eigentliciie  Natur  der  Dislraction  sehr  räthselhaft'  zu 
linden.  Die  bisherige  Belnndlung  nanieullich  der  Verba  auf  nco  beim 
Homer  kann  für  die  Wifsenschaft  nicht  genügen.  Ref.  verspart  es 
sich  für  eine  andere  Gelegenheit,  diese  merkwürdigen  Formen  ein- 
gehender zu  besprechen,  was  nur  in  grölscrer  Ausfüiirlichkeil  zum 
Ziele  führen  kann. 

Die  2.  Sing,  von  i'ar7]fii  schreibt  Hr.  A.  mit  lola  subscriptum: 
i'ßttjg  (S.60),  freilich  consequent,  sobald  wir  (pyg  schreiben  mit  Butt- 
mann ausf.  Gramm,  l  S.  542  Anm.  1.  Dagegen  hat  aber  K.  ^V.  Krü- 
ger (griech.  Sprachlehre  S.  140)  qo^^g  eingeführt,  das  jetzt  auch  schon 
in  manche  Ausgaben  übergegangen  ist.  Indes  bedarf  das  in  diese 
Formen  eindringende  i  wohl  noch  einer  näheren  Untersuchung,  eben- 
so die  Formen  XL&eig,  uo^fi,  bei  denen  der  Verl",  keine  Contractioii 
annimmt.  —  Ueber  den  Optativ  der  Verba  auf  ^c  linden  wir  hier 
S.  60.  62  dieselbe  Theorie,  gegen  welche  Ref.  schon  in  seinen  sprach- 
vergl.  Beiträgen  I  S,  235  Einwendungen  erhohen  hat.  Die  Formen 
[ßral^ev,  rL&ehe,  tßvatro  sollen  nicht  aus  ißTauj^ev^  TL&eLtjre,  iöruL- 
i]xo  zusammengezogen,  sondern  —  der  Theorie  vom  Gewichte  der  Per- 
sonalendungen zu  Liebe  —  durch  Anfügung  des  einfachen  t  an  den 
Stamm  gebildet  sein.  Den  Accent,  welcher  so  deutlich  dieser  Annah- 
me widerspricht,  erklärt  Hr.  A.  jetzt  (S.  62)  durch  die  Contraction 
von  lGxu-l-^£v  in  töxai^Ev.  Allein  diese  Erklärung  kann  nicht  genügen. 
Der  Accent  beweist  einen  Unterschied  zwischen  laxcdiiev  und  xQinot^ 
(isv,  und  bei  den  Verben  auf  fti  selbst  zwischen  [axcdxo  und  äycaxo^ 
övvatxo ,  in  welchen  letzteren  Formen,  wie  ich  am  angeführten  Orte 
vermulhete,  das  a  nicht  mehr  als  Stammvocal  gefühlt  und  desiialb  nach 
Art  des  gewöhnlichen  Bindevocals  behandelt  wurde.  —  Gewis  mit 
Recht  wird  S.  79  cxpiXkeiev  (U.  11,  651.  Od.  j3,  334)  nach  Buttmanns 
Vorgang  (a.  a.  0.  II  S.  264)  als  aeolischer  Aorist  erklärt.  Der  Indi- 
cativ  dazu  dürfte  Od.  o,  18  anzunehmen  sein  xal  a'^cogpeAAfi/  k'eöva,  wo 
das  Imperfect  nicht  passt. 

Aus  der  Lehre  von  der  Verbal  forma  ti  on  heben  wir  heraus, 
dafs  zwischen  dem  Verbalstamme  und  der  Wurzel  unterschieden  wird. 
Als  Stämme  gelten  krj&,  Xsltc^  7tcv&,  als  Wurzeln  Xa& ,  XItc,  Ttvd",  als 
Stämme  zxsv ,  xEfi,  xbqtv,  xqeTt,  als  Wurzeln  xrav,  raft,  xaqTt,  xqcctc. 
Diese  Auffafsung  hat  viel  gegen  sich.  Zunächst  lafsen  sich  die  er- 
wähnten Stämme  gar  nicht  nach  einem  durchgehenden  Princip  aus  ihren 
Wurzeln  herleiten  • —  was  Hr.  A.  darüber  in  der  Lautlehre  vorbringt, 
ist  unhaltbar  und  schon  von  Lange  (Götting.  gel.  Anz.  1852  S.  809. 
839)  hinlänglich  widerlegt.  Ferner  widerspricht  es  dem  BegrifFe  des 
Stammes,  als  solcher  eine  Form  zu  bezeichnen,  aus  der  sich  nicht 
alle  Formen  eines  Verbums  ableiten  lafsen,  was  bei  den  angeführten 
Stämmen  nicht  möglich  ist,  denn  kaXaö^evog ,  TteTcvöfiai, ,  eXmov,  inv- 
&()i'xo  erklären  sich  nur  aus  Xad',  nvd-,  A/tt.     Folglich  müfsen  wir 


16  Alirens:  griecliisclic  Formenlehre. 

hier  entweder  Doppelstämme  XsiTt  und  Xt-it  u.  s.  w.  oder  die  kürzeste 
Form  als  einzigen  Stamm  annclimen  und  dann  eine  für  das  Praesens 
normale  Dehnung  zulafsen,  welche  auch  in  einzelne  andere  Formen 
eindringt,  während  im  Aorist  £  in  k  überzugelm  liebt.  Hrn.  Ahrens' 
Unterscheidung-  zwischen  Wurzel  und  Stamm  ist  auch  praktisch  kaum 
zu  billigen,  indem  sie  ohne  Nutzen  die  Schwierigkeiten  vermehrt. 
Für  die  Formalion  des  Verbums  haben  wir  es  nur  mit  Stämmen  zu 
thun;  ob  diese  Stämme  noch  weiter  abzuleiten  oder  die  letzten  sprach- 
lichen Elemente  —  Wurzeln  —  sind,  kommt  für  diesen  Theil  der  For- 
menlehre nur  insofern  in  Betracht,  als  nur  die  Wurzelverba  die  sog. 
Tempora  secunda  (starke  Zeitformen)  bilden. 

Die  S.  95  ausgesprochene  Vermuthung,  der  Stamm  von  uji-it  sei 
Gf,  entbehrt  jeder  Begründung-;  auch  die  Behauptung,  dafs  i'e^at  in 
der  Bedeutung  *  streben'  das  Digamma  habe,  ist  schwerlich  haltbar. 
Ich  verweise  in  Bezug  darauf  auf  meinen  Aufsatz  im  Philologus  III 
S.  5  ff.  Noch  weniger  kann  es  gebilligt  werden,  wenn  auch  hier  die 
Ansicht  wiederholt  wird,  in  Conjunctiven  wie  ^d(o,  xQaitsirig  sei  i 
eingeschoben.  Dazu  ist  auch  kein  Schatten  eines  Grundes  vorhanden, 
indem  es  theils  zweifelhaft  ist,  ob  nicht  das  el  hier  durchweg  eine 
falsche  Schreibung  statt  i]  ist,  theils  aber  eine  ionische  Dehnung  von 
£  in  El  auch  von  Hrn.  A.  nicht  weggeleugnet  m  erden  kann.  Wenn  es 
S.  66  heifst,  die  Einschiebung  von  Iota  fände  auch  in  manchen  an- 
dern Fällen  statt,  so  sind  diese  Fälle  (S.  14)  eben  jene  Genetive  auf 
oto  und  pronominale  Genetive  wie  ij^eio,  welche  wir  anders  zu  erklä- 
ren guten  Grund  haben.  Die  Conjunctive  der  A-Stämme  wie  q)9'yp^ev 
oder  q}d'ico^£v  erklärt  der  Verf.  jetzt  richtig  aus  dem  Wechsel  der 
Quantität,  indem  er  nach  dem,  was  ich  in  den  sprachvergl.  Beitr.  I 
S.  2^6  dagegen  bemerkt  habe,  seine  frühere  künstliche  Theorie  auf- 
gegeben hat.  Es  ist  aber  kaum  zu  bezweifeln,  dafs  er  auch  von  sei- 
ner jetzigen  Behandlung  der  E-Slämme  zurückkommen  und  -ö'icofifi', 
das  er  noch  immer  (S.  9-5)  aus  dem  homerischen  Text  entfernt  wifsen 
will,  gerade  so  als  Gegenstück  von  d-)'jO[xsv  oder  ^siofiev  auffafsen 
wird  wie  özicofiEV  von  6Trjoi.i£i',  cp&iojuEv  von  cpd-rjo^iEv. 

Das  äufserste  der  Kühnheit  finden  wir  S.  99.  Dort  ist  nemlich 
schlank  weg  k'a&i  als  2.  Imper.  von  el^i  in  das  Paradigma  gesetzt,  ob- 
wohl Ilr.  A.  auch  nicht  einmal  einen  Versuch  macht,  diese  Form  für 
den  Homer  zu  begründen.  Die  Form  eö&l  hat  Hr.  A.  de  dial.  Dorica 
p.  542  aus  Hecataeus  in  den  Anecdofa  Oxon.  I  p.  207,  21  nachgewie- 
sen. Aber  auf  solches  Zeugnis  hin  k'öd-L  in  die  homerische  Formen- 
lehre einzuführen,  ist  um  so  weniger  zuläfsig,  weil  die  Form  i'a&i, 
der  Analogie  der  homerischen  Sprache  durchaus  nicht  widerspricht. 
Denn  jene  eigenthümliche  Abstumpfung  eines  stammhaften  £  zu  f  ist 
dem  homerischen  Dialekt  nicht  fremd;  wir  finden  sie  in  ißzin]  sogar 
attischem  iaria  gegenüber,  in  welchem  Worte  lat.  Vesta,  skr.  ras 
*  wohnen'  die  Priorität  des  £  sicher  stellen,  in  x&i'^og  von  x&ig  (Jieri 
statt  lijesi  skr.  hjas)  ^  in  TtUßGovxo  nehcii  ttAejck),  in  m,rvdg  neben  ne- 
zdvwiit  (lat.  pal-en)^  in  nilvmciL  neben  7tEXc'<G6Exov^  in  KiQvag  neben 


Ahrens :  griechische  Formenlehre.  17 

MQato^  anderer  minder  sicherer  Fälle  nicht  zu  gedenken.  Die  ange- 
füiirlen  beweisen  aber  liinlänglich ,  dal's  schon  beim  Homer  e  vor  dop- 
peltem Consonanten  sich  bisweilen  zu  t  schwächt,  dafs  folglich,  wenn 
das  Paradigma  einmal  vollsländig  sein  sollte,  i'ß&c  mit  gutem  Ge- 
wifsen  aufgenommen  werden  konnte.  Auch  die  Deutung  der  statt 
i'ö'd't  üblichen  Imperativform  l'ööo  als  Imperativ  Futuri  ist  bedenklich; 
wir  könnten  darin  doch  nur  den  Stamm  mit  der  medialen  Endung  wahr- 
nehmen, wie  in  7/-00,  ksI-Go. 

S.  107  begegnen  wir  einer  ansprechenden  Vermuthung  über  das 
statt  der  Rediiplication  im  Perfect  eintretende  blofse  Epsilon.  Die  mit 
gruppiertem  Sigma  anlautenden  Stämme  wie  ßra  sollen  den  Anfang 
mit  der  Verderbung  gemacht  haben,  indem  zunächst,  wie  in  e-örrj-xa, 
der  Spiritus  asper  das  6  vertrat.  Später  schlich  sich  statt  des  asper 
der  Spiritus  lenis  ein,  z.  B.  in  eßray^iai.,  eöcpayfiai.  Von  da  aus  ver- 
breitete sich  dann  dies  statt  der  Reduplicationssilbe  eintretende  £  auch 
auf  andere  Verba  wie  ecp&OQa,  eq)&aQ^ai,.  Es  käme  darauf  an  ,  das 
Verhältnis  der  letztern  Classe  zur  erstem  statistisch  festzustellen,  da- 
mit man  sähe,  ob  die  sigmatisch  anlautenden  Verba  mit  doppeller  Con- 
sonanz  jene  hinlänglich  überwiegen,  um  für  sie  mafsgebend  zu  werden. 

Kühner  ist  eine  andere  (S.  85  und  109)  ausgesprochene  Ansicht 
über  die  Reduplication  vocalisch  anlautender  Stämme.  Hr.  A.  betrach- 
tet nemlich  die  sog.  attische  Beduplication  als  die  Regel,  die  blofse 
Dehnung  des  Anlautes  als  die  Ausnahme,  eine  Auffafsung,  welche  auf 
den  ersten  Blick  viel  ansprechendes  hat  und  wofür  sich  auch  lateini- 
sche Bildungen  anaihren  lafsen.  Denn  im  Lateinischen  weist  egi  durch 
sein  diphthongisches  e  auf  egigi  hin  (vergl.  feci  aus  fe/ici).  Dagegen 
aber  läfst  sich  wieder  folgendes  sagen.  Zunächst  gilt  im  Sanskrit  die 
einfache  Regel,  dafs  blofs  der  anlautende  Vocal  gedehnt  wird,  also  W. 
ad  (edo)  Pf.  äda.  Sodann  fordert  doch  auch  das  Princip  der  Redupli- 
cation nur  Verdopplung  des  Anlautes;  so  wenig  wie  von  V^.  yev 
ysyyova  gebildet  wird,  so  wenig  fordert  die  Analogie  von  ad  ein 
adäda,  denn  jenen  Ansatz  der  Stimme,  welcher  im  Griechischen  durch 
den  Spiritus  lenis  bezeichnet  w  ird ,  nimmt  die  Stelle  des  anlautenden 
Consonanten  ein,  und  mit  dem  darauf  folgenden  Vocal  ist  der  Bestand- 
theil  des  Wortes,  welcher  verdoppelt  zu  werden  pflegt,  zu  Ende. 
Ferner  leidet  die  von  Hrn.  A.  S.  110  versuchte  Ableitung  der  gewöhn- 
lichen Formen  aus  den  reduplicierten  Schwierigkeiten.  Denn  die  An- 
nahme, 'auch  diese  Erscheinung  habe  ihren  Grund  in  den  Schicksalen 
des  (>',  rjöKrjixat  sei  aus  a-aßn^j^iai  statt  aß-aöK-rj^iat  entstanden,  ist 
ohne  '  eine  unregelmäfsige  Contraction'  nicht  durchführbar.  Dennoch 
ist  Hrn.  Ahrens'  Darstellung  immer  sehr  beachtenswerth.  Zu  gröfse- 
rer  Gewisheit  würde  man  auch  hier  nur  durch  eine  Sammlung  der 
wirklich  vorkommenden  Perfecta  vocalisches  Anlauts  gelangen  kön- 
nen. ■ —  Wenn  wir  übrigens  auch  in  diesem  Werke  den  Ausdruck  fin- 
den, dafs  in  gewissen  Fällen  statt  der  Reduplication  das  Augment  ein- 
trete (besonders  S.  227),  so  möchte  das  nicht  zu  billigen  sein,  weil 
es  im  praktischen  Unterricht  dazu   verführt,  die  dem   Stamme  anhaf- 

N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Brf.  LXVII.  ///M.  2 


18  Ahrens:  griechische  Formenlehre. 

teiide  Ueduplicalioa  mit  dem  blofs  das  Praeteritiim  bezeichnenden  Aug- 
ment zu  verwechseln. 

Die  Formen  'd-tjiof.iai,  ri&rjTta,  exacpov  werden  S.  112  in  der  Art 
miteinander  in  Verbindung  gebracht,  dal's  das  P  eines  Stammes  ^y]F 
im  Perfect  in  jr,  im  Aorist  in  cp  verwandelt  werde.  Aber  wo  haben 
wir  sonst  eine  Spur  solches  Vorgangs  ?  Wir  miifsen  ^yiio^ca  für  sich 
nehmen  und  die  Stammformen  Q-iin  und  xacp  durch  Umspringen  der 
Aspiration  zusammenbringen.  —  iav(o  wird  ebendort  richtig  mit  aeaa 
verbunden,  i  aber  §.  157  als  ein  nichtssagender  Vorschlag  hingestellt. 
Es  ist  aber  Reduplicationssilbe  wie  in  i'-»;-jHtvon  W.  £,  in  lov&og  von 
W.  avd'.  Damit  schwindet,  nebenbei  gesagt,  eine  neue  Stütze  der 
oben  erwähnten  Ansicht,  dafs  t  zwecklos  vor-  oder  eingeschoben 
würde.  —  Ganz  besonders  aber  bietet  die  S.  117  beginnende  Lehre 
von  den  "^secundiiren  Stammen'  Anlafs  zu  Einwendungen.  Wir  bil- 
ligen es,  wenn  die  durch  £  erweiterten  Stämme  secundäre  genannt  wer- 
den, obwohl  bei  einer  rein  wifsenscbaftlichen  Darstellung  diese  nicht 
alle  in  eine  Kategorie  gestellt  werden  dürfen.  Aber  dafs  Formen  wie 
7}6i(j&)}v,  i7Tlt]a&t]v  aus  dem  Aor.  1  riöeacijxijv,  anhjGa^  dafs  das  Sig- 
ma  aller  Passivaoriste  auf  6&ijv  von  vocalisch  anlautenden  Stämmen 
aus  den  activen  oder  medialen  Aoristen  entstanden  sei,  können  wir 
nicht  zugeben.  Bestechend  freilich  sind  die  von  Hrn.  A.  damit  zusam- 
mengestellten Fälle,  so  namentlich  die  Futura  tertia,  welche  allerdings 
deutlich  aus  dem  Perfectstamme  hervorgehn.  Aber  wem  fällt  dabei 
nicht  gleich  der  Unterschied  auf?  Jene  Futura  haben  ja  auch  in  ihrer 
Bede  u  tung  wenngleich  bisweilen  verwischte,  doch  unverkennbare 
Spuren  des  Perfects  beibehalten ,  während  gar  nicht  im  entferntesten 
abzusehn  wäre,  warum  die  Sprache  in  einen  Passivaorist  das  Zeichen 
des  activen  oder  medialen  aufgenommen  haben  sollte.  Aufserdem  liegt 
ja  in  jenem  a  gar  nichts  specilisch  aorislisches;  man  könnte  mit  dem- 
selben Rechte  auf  das  Futurum  zurückgehn,  und  es  ist  durchaus  un- 
wahrscheinlich, dafs  die  Sprache  in  jenem  6  den  Aorist  gefühlt  habe. 
Aufserdem  lafsen  sich  Passivaoriste  wie  7]K0va&i]v  von  Perfecten  wie 
'i'jKOva^icii,  gar  nicht  trennen,  und  dafs  jene  Erklärung  aus  secundärer 
Bildung  überhaupt  nicht  durchführbar  ist,  hat  der  Verf.  selbst  S.  251 
Anm.  3  angedeutet.  Bei  den  Nominalbildungen  mit  T-  und  M-Suffixen, 
in  denen  dieselbe  Erscheinung  wiederkehrt:  oqxyi^-xi'iq.^  ös-a-^og 
macht  Hr.  A.  es  sich  bequem,  indem  er  zu  jenem  S.  151  nichts  be- 
merkt, für  dies  aber  ohne  weiteres  ßfiog  als  Suffix  ansetzt. —  In  ähn- 
licher Weise  läfst  der  Verf.  S.  228  das  sog.  Perfectum  primum  aus 
dem  Aor.  I  hervorgehn,  durch  Verwandlung  des  C  in  x  oder  des  ip, 
§  in  9),  ;^,  also  so  ziemlich  wieder  die  alte,  wie  wir  holTten,  überwun- 
dene Manier,  ein  Tempus  aus  dem  andern  abzuleiten.  Ueberdies  ver- 
bindet er  hier  ganz  verschiedene  Vorgänge:  denn  die  Lehre,  dafs  k 
ans  6  hervorgienge,  ist  offenbar  nur  für  die  Praxis  berechnet,  indem 
Hr.  A.  selbst  das  x,  wo  es  beim  Homer  erscheint:  ßeßrjKa  —  ßsßa- 
fiEv  keineswegs  aus  dem  6  des  Aorists  erklärt.  Auch  heifst  es  S.  230 
Anm.  3  wieder,  das  Perf.  I  gehe  bisweilen  aus  dem  Perf.  Subj.  (Medii) 


Ahrens;  griecliisclie  Formenlclire.  19 

hervor,  z.  B.  öiösna  aus  öiösfiai.  Und  wir  werden  docli  das  %  in  ßi- 
ßfjKa  nicht  für  ein  anderes  als  das  von  ^£()ci'7rv>jxc<:  Iialteu  sollen?  Nach 
der  Anni.  5  S.  231  könnte  es  fast  scheinen,  als  ob  das  des  Verf.  Mei- 
nung- wäre.  Diese  Leiire  vom  I'erfect  scheint  mir,  offen  gesagt,  das 
verfehlteste  im  ganzen  Buche.  Auch  die  Praxis  kann  nur  verwirrt 
werden,  wenn  diöcoza  Perf.  II,  öedovkayM  aber  Perf.  I  g^enannt  wird. 
Es  zeigt  sich  hier,  dünkt  mich,  dafs  Hr.  A.  seine  Theorie  eigentlich 
blofs  für  den  homerischen  Dialekt  berechnet  hat,  woran  dann  in  die- 
sem Falle  die  besonderen  Erscheinungn  des  attischen  Dialekts  mehr 
äufserlich  angeklebt  werden.  Die  Perfecta  auf  q}a  und  ya  versucht 
der  Verf.  geradezu  lautlich  aus  den  Aoristen  auf  ijja  und  |a  abzulei- 
ten, indem  er  S.  230  Anm.  1  dies  dadurch  zu  rechtfertigen  versucht, 
dafs  1/;  und  §  wie  ^cT,  ;^(>  ausgesprochen  Aviiren.  Als  ob  nicht  die  Re- 
duplication  allein  schon  daraufhinwiese,  dafs  wir  in  Perfecten  wie 
Ttiito^cpa  eine  selbständige  Formation  besitzen,  wozu  noch  die  Vo- 
calverschiedenheit  kommt,  die  doch  in  Ttino^cpa  sicherlich  auf  dem- 
selben Bildungstrieb  beruht  wie  in  yiyova.  Und  dennoch  sollte  ni- 
Tto^cpa  aus  l'Tte^ijja,  yiyova  aber  als  Perf.  II  aus  W.  ysv  entstanden 
sein?  In  el'h](pa  wäre  die  Aspiration  eine  blofse  Affection  des  Stamm- 
consonanten,  in  ßißkecpa  aber  ein  Niederschlag  des  ß  von  'dßlsipct. 
Ref.  ist  überzeugt,  dafs  Hr.  A.  diese  Perfecttheorie ,  die  wifsenschaft- 
lich  und  praktisch  gleich  wenig  für  sich  hat,  mit  der  Zeit  selbst  auf- 
geben wird. 

Auch  die  Lehre  von  den  "^seltnem  Bildungen  des  Praesens'  S. 
121  ist  nicht  frei  von  Willkürlichkeiten.  Hr.  A.  leugnet  die  Existenz 
eines  Praesens  e^ofttvi  auch  nach  dem  was  Lobeck  zu  Buttmanns 
ausf.  Gramm.  II  S.  202  darüber  beigebracht  hat,  und  will,  wie  vor 
ihmPassow,  Od.  jc,  372  zCcpQ'  ovxiog^  OövGev  ,  naz  ag  e^eai 
ißog  avavSo)  —  £^£0  lesen.  Aber  wie  passt  das  zum  folgenden  Verse 
&v[iov  e'Öcov,  ßqw^iqg  6  ov%  anreai  ovöe  Ttovrjrog'I  —  S.  123  und 
später  S.  12.t  ist  davon  die  Rede,  dafs  bald  0(>,  bald  ^  in  Verben  wie 
cc(pv66i0y  igs&l^co^  aY,a.ji'Q(x)  die  Stelle  von  Gv,  vertrete.  Soll  darunter 
ein  lautlicher  Vorgang  verstanden  werden,  so  müste  er  erst  erwiesen 
werden;  und  wir  zweifeln,  ob  das  Hrn.  A.  gelingen  wird.  —  Gegen 
den  ebendort  Anm.  3  angenommenen  Stamm  ^Fztv.  müfsen  wir  von 
Seiten  der  Sprachvergleichung  Einspruch  thun;  skr.  rf/c,  lat.  dico^ 
goth.  ga-teiha  wifsen  nichts  von  einem  Vau,  und  wegen  des  griech. 
öeLÖlßKoiJLai,  allein  dürfen  wir  F  nicht  annehmen.  —  S.  127  werden 
dagegen  auf  eine  sehr  scharfsinnige  Weise  Praesentia  wie  mvco ,  dv- 
vco,  ilavvco  auf  älteres  nivvco,  övvvo),  ikavvco  nach  Analogie  von 
ccvvco  zurückgeführt,  und  dadurch  in  den  beiden  ersten  Verben  wie  in 
«ro)  die  Länge  des  Vocals,  in  ikavvo)  der  Diphthong  erklärt.  Mit 
ßalvco  aber  verhält  es  sich  offenbar  anders,  das  ist  —  worauf  auch 
venio  hinweist  ■ —  aus  ßa-vi-co  entstanden.  Auch  bleiben  in  Bezug 
auf  das  Verhältnis  der  angeführten  Verba  zu  denen  auf  ai^oj  wie  a[xaQ- 
xävco  noch  Zweifel  übrig. 

Die  auf  die  Lehre  vom  Verbum   folgenden  Canitel   bieten  eben- 

2* 


20  Ahrcns :  griechische  Formenlehre. 

falls  sehr  viel  eigenthümliches.  So  wird  S.  135  das  indefinite  tcco  un- 
streitig mit  Reclit  mit  den  gleichlautenden  dorischen  Bildungen  zusam- 
mengestellt —  ursprünglichen,  die  Richtung  woher  bezeichnenden 
Ablativen.  Der  Verf.  hatte  diese  Ansicht  schon  früher  de  dial.  Dor. 
p.  374  ausgesprochen,  wo  auch  schon  in  einer  Anmerkung  das  home- 
rische TW  'daher,  darum'  mit  hinzugezogen  ist,  das  Hr.  A.  reo 
schreibt.  —  S.  141  wird  TtQo^axog  für  eine  verlängerte  Form  von 
7tQ6(iog  erklärt  wie  vr^TiLW/^og  von  vt^TCtog.  Die  Gründe,  welche  Hrn. 
A.  dazu  bestimmen,  die  herschende  Ableitung  zu  verwerfen,  gibt  er 
uns  vielleicht  anderswo.  —  S.  144  bei  der  Comparation  wird  %qcl6- 
6(ov  KQcirtdTog  zum  Positiv  KQaveQog  gesetzt ,  warum  nicht  lieber  zu 
KQdtvg  ! 

Die  Wortbildung  wird  für  ein  Schulbuch  ziemlich  ausführlich 
behandelt.  Wir  begegnen  auch  hier  vielen  vortrefllichen  Zusammen- 
stellungen, welche  der  hier  gegebenen  Darstellung  vor  der  bisherigen 
den  Vorzug  gibt,  daneben  dann  aber  auch  wieder  befremdliche:  so 
wird  das  Femininum  ßaGileia  nicht  einfach  mittelst  der  Form  ßaaikcF- 
Lu  aus  dem  Stamme  ßadtlev  abgeleitet,  sondern  erst  durch  die  ima- 
ginäre Mittelform  ßaßikuFu,  und  ebenso  %cik%oßaQHa  erst  mittelst 
yaXKoßaQSLöci  aus  '/^akKoßaQeöia ,  ein  Verfahren  das  in  ähnlichen  Fäl- 
len wiederkehrt.  —  Ueberhaupt  scheint  Hr.  A.  in  Bezug  auf  die  Laut- 
lehre am  wenigsten  auf  sicherem  Boden  zu  stehn.  Eine  hinreichende 
Zahl  von  Fällen  lehrt,  dafs  di  und  yi,  regelrecht  in  ^  übergeht.  Der 
Verf.  behandelt  das  als  Ausnahme  (S.  155.  158)  und  den  Uebergang  in 
66  als  Regel.  —  Und  dies  führt  uns  zu  der  eigenthümlichen  Darstel- 
lung der  bei  t  oder  eigentlich  bei  Jod  eintretenden  Lautumwandlungen, 
welche  wir  S.  183  ff.  finden.  Der  Verf.  bezeichnet  das  consonanlische 
Jod  mit  i  —  ein  für  wifsenschaftliche  Zwecke  recht  passendes ,  für 
die  Praxis  aber  wohl  zu  künstliches  Verfahren.  Hier  treffen  wir  aber 
neben  der  wohl  begründeten  Lehre  der  vergleichenden  Grammatik, 
wonach  66  häufig  aus  kc  ,  yi,  yi ,  Tt,  'ö't,  ^  aus  öt,  yi  entsteht,  An- 
nahmen ,  für  die  der  Beweis  dem  Verf.  sehr  schwer  werden  dürfte,  so 
namentlich  die,  dafs  die  Verba  auf  Trrco  aus  der  Verbindung  eines 
Lippenbuchstaben  mit  i  (rvitrca  aus  rvnico)  hervorgegangen  und  dafs 
jCKfii'a),  refjivco  aus  Ka^ico,  r£(iico  entstanden  wären,  was  aller  Analo- 
gie entbehrt.  Da  schon  Lange  in  seiner  oben  erwähnten  Beurthei- 
lung  diese  Erklärung  widerlegt  hat,  können  wir  darüber  kurz  hinweg- 
gehn.  —  Ebenso  mislich  steht  es  mit  der  S.  172  mitgetheilten  Theo- 
rie des  Ablauts.  Mit  den  drei  ersten  Reihen  hat  es  seine  Richtigkeit, 
nemlich  a  t]  co^  i.  ec  ot,  v  ev  ov ,  aber  die  vierte  —  (a)  £0,  z.  B. 
'r]yq6^)]v  —  eys^ico  —  iyQiqyoQa  können  wir  nicht  billigen.  Wurzeln 
ohne  Vocale  zu  statuieren,  ist  für  das  griechische  uuzuläfsig  und  vol- 
lends die  Behauptung,  dafs  a  von  iÖQu%ov  gegenüber  von  diQ%o)  ös- 
öoQY.a  sei  eigentlich  gleich  nichts,  oder  wie  Hr.  A.  sagt,  'statt  des 
m  an  ge  Inde  n  Wurzelvocals  hat  sich  gewöhnlich  cc  eingedrängt  als 
der  allereinfachste  Vocal,  welcher  bei  Oelfnung  des  Mundes  fast  von 
selbst  entsteht',  ist  nichts  als  eine  Ausllucht,  die  jedes  Grundes  ent- 


Ahreiis:  griccliisclie  Fonncnlelire.  21 

behrl.  —  Dagegen  ist  es  eine  IrelTcndo  ßciiicrkiing  (S.  165),  dafs  alles 
(7  in  der  Comj)osilion  dieselbe  Kraft  wie  Digamina  übe,  daher  ä-v7tvog 
nicht  av-V7ivog,  ayp-aXog  niclit  ayi-alog.  —  Und  was  S.  170  und  171 
über  die  bald  notbvvendigc,  bald  wiinschenswerthe  Dehnung  gewisser 
Silben  (^r]V£^0ELg^  ovvoi-ia')  vorgetragen  wird,  ist  äufserst  inslructiv. 
—  DieLclire  über  eco  und  ea  (S.  274  t".),  welche  Hr.  A.  Halbdiphthonge 
nennt,  gibt  zwar  noch  zu  manchen  Zweifeln  Anlafs.  Aber  die  Deu- 
tung der  Formen  icofita^ov,  icpKiiv  durch  Umspringen  aus  t^o^rafoi/, 
Tjolxeiu  ist  unzweifelhaft  richtig  gefunden. 

Doch  wir  werden  hier  abbrechen  können ,  da  dieser  Bericht  viel- 
leicht schon  übermäfsig  viel  Platz  in  Anspruch  nimmt.  Indes  bei  einer 
so  bedeutenden  Erscheinung  wie  die  Ähren  ssche  Formenlehre  ist, 
glaubte  Ref.  einige  Ausführlichkeit  sich  erlauben  zu  dürfen.  Soll  er 
schliefslich  sein  Urtheil  zusammenfafsen ,  so  geht  es  dahin,  dafs 
diese  Formenlehre  eine  Menge  wichtiger  Verbefserungen  der  griechi- 
schen Grammatik  enthält,  dafs  sie  um  ihrer  Wifsenschaftlichkeit  we- 
gen von  einem  jeden  studiert  zu  werden  verdient,  der  auf  eine  ge- 
nauere Kenntnis  des  griechischen  Sprachbaus  Anspruch  macht,  dafs 
aber  neben  dem  vielen  guten  auch  manches  entschieden  falsche  und 
anderes  noch  keineswegs  erwiesene  darin  seine  Stelle  gefunden  hat. 
Namentlich  misbilligen  wir  die  Terminologie  in  mehrern  Stücken  und 
müfsen  es  bedauern,  dafs  durch  eine  gewisse  Neigung  die  Spracher- 
scheinungen nöthigenfalls  auch  durch  Textesveränderungen  einer  straf- 
fen Regel  oder  Lieblingstheorie  unterzuordnen  oder  um  jeden  Preis 
zu  erklären  was  noch  unerklärlich  ist,  manche  Willkürlichkeilen  sich 
eingeschlichen  haben,  die  in  einem  Schulbuch  am  wenigsten  ihre 
Stelle  haben.  Denn  in  ein  solches  sollten  doch  wohl  nur  die  ganz  siche- 
ren Ergebnisse  der  Forschung  aufgenommen  werden.  Um  so  mehr, 
hoffen  wir,  wird  sich  der  geehrte  Verf.  beeilen,  den  hier  in  der  Kürze 
gegebenen  Stoff  in  einem  ausführlichem  wifsenschaftlichen  Werke 
über  den  homerischen  Dialekt  darzulegen,  das  ohne  Zweifel  von  allen 
Philologen  mit  gröfster  Freude  aufgenommen  werden  würde. 

Prag.  Georg  Curlius. 


Lalelnische  Sprachlehre  für  Schulen  und  zum  Pricafgebrauche. 

Bearbeitet    von    C.  F.  S.  Alschcfiki,    Dr.    und    Professor.     Berlin 
1832.     Gebauer.sche  Buchhandlung.     271  S.  kl.  8. 

Der  kürzlich  verstorbene  Verfafser  wollte  vor  allen  Dingen  das 
Material  der  lateinischen  Sprachlehre  wieder  auf  ein  Minimum  zurück- 
führen, und  hat  ein  recht  handliches  Büchlein  geliefert,  das  sich  auch 
durch  Druck  und  Papier  empfiehlt.  Wirklich  wichtiges,  was  sich  in 
andern  Grammatiken,  namenilich  bei  Zumpt  findet,  wird  man  nicht 
leicht  vermifsen.     Doch  ist  es  allerdings  unzulänglich,  wenn  §.  136 


22  Aischefski :  lateinische  Sprachlehre. 

gelehrt  \vird:  der  Pluralis  von  uterque  wird  gebraucht,  wenn  ein  Plu- 
rale  tantum  damit  verbunden  oder  auf  zwei  Pluralia  iiingewiesen  wer- 
den soll,  und  mehr  als  unzulänglich,  wenn  es  §.  101  heifst:  der  Flur, 
von  uniis  kann  nur  in  Verbindung  mit  einem  Plurale  tantum  gebraucht 
werden,  oder  §.  245:  Bcnc  und  male  sind  die  beiden  einzigen  Adver- 
bien mit  kurzem  e.  Sollten  ivferne  und  superne ,  desgleichen  Bei- 
spiele wie  tres  unos  passus  (eine  drei  Schritt),  nobis  imis  (=^  solis), 
iinis  moribus  (=  iisdem)  unberücksichtigt  bleiben,  so  muste  wenig- 
stens durch  eine  andere  Fafsung  die  Unrichtigkeit  vermieden  werden. 
Utrique  aber  von  zwei  einzelnen  ist  weder  bedenklich,  wie  es  neuer- 
dings wieder  Hrn.  Siebeiis  zu  Nep.  Dat.  11,  2  und  Hann.  4,  2  bedenk- 
lich erschienen  ist,  noch  selten,  wie  Siebeiis  zu  Nep.  Timol.  2,  2, 
Nippcrdey  (2)  zu  Dat.  11,  2.  Timol.  2,  2.  Hann.  4,  2  und  Doberenz 
zu  Caes.  ß.  G.  1,  53  meint.  Wenigstens  ist  dieser  Plural  nicht  selte- 
ner als  das  deutsche  'alle  beide',  wofür  er  eben  steht,  und  viele 
Ausdrücke  kommen  weit  seltener  vor,  ohne  dafs  man  sie  deshalb  je 
bedenklich  gefunden  hätte. 

Ist  auf  solche  Weise  das  angestrebte  Minimum  mitunter  zu  einem 
Minus  geworden,  so  sind  wir  doch  andererseits  auch  manchem  Zuviel 
begegnet.  Das  Raisonnement  z.  B.  über  die  Unregelmafsigkeit  des 
Zeitworts  shw,  fw«,  esse  <^.  145  ist  sehr  überflüfsig  (befser  wären 
dafür  die  beiden  Stammverba  eso  und  fno  genannt  worden,  auf  welche 
sich  die  vorhandenen  Formen,  wie  dies  bei  Blume  §.  45  B  geschieht, 
ohne  Ausnahme  zurückführen  lafsen),  und  mindestens  überllüfsig  ist 
namentlich  ein  grofser,  ja  der  gröfste  Theil  der  Beispiele,  mit  wel- 
chen der  Verf.  nach  seiner  eignen  Erklärung  in  der  Satzlehre  so  we- 
nig als  in  der  Formenlehre  karg  gewesen  ist,  ohne  deshalb  einen  Ta- 
del zu  besorgen.  Wir  sind  durchaus  der  Ansicht,  dafs  sich  eine 
Schulgrammatik  auch  hier  auf  ein  Minimum,  d.  h.  auf  das  nothwen- 
dige  zu  beschränken  hat,  und  dafs  sie,  statt  eine  Regel  an  vielen  Bei- 
spielen, vielmehr  darauf  ausgehen  müste,  an  demselben  Beispiele 
möglichst  viele  Regeln  zu  zeigen.  Aber  nicht  allein  überflüfsig,  son- 
dern geradezu  störend  und  nur  geeignet  Verwirrung  anzurichten  sind 
ziemlich  zahlreiche  Bemerkungen,  durch  welche  der  Verf.  an  die 
Stelle  des  allgemeinen  willkürlich  aufgegriffene  Einzelheilen  setzt. 
So  lesen  Avir  §.  104,  dafs  der  erste  von  zweien  jyr/or  heifst,  und  dies 
wird  §.  293  noch  einmal  ■ —  zu  einem  übersetzten  Beispiele  ■ —  in  Be- 
ziehung auf  den  ersten  von  zwei  Consuln  bemerkt.  So  soll  nach 
§.  209  der  Ablativ  des  Femininums  qua  sich  ausnahmsweise  an  jedes 
Genus  und  jeden  Numerus  anschliefsen  können:  aber  das  gilt  doch 
wohl  auch  von  dem  adverbialen  Abiali v  des  Neutrums  quo ^  und  doch 
wohl  auch  von  jedem  andern  Adverbium,  welches  für  das  relative 
Pronomen  gesetzt  wird.  Das  hier  besprochene  reliquam  spalium 
qua ^  dune  viae  qtia  kann  doch  nicht  anders  angesehen  werden,  als 
das  §,  531  angeführte  loca  superiora  unde  und  dergleichen.  So  ge- 
traue ich  mir  auch  nicht  zu  sagen,  weshalb  in  einem  besondern  §. 
(555)  gelehrt  wird,    dafs    der  Indicativ    in    einem   Satze  wie  si  mea 


Aischefski:  lalciiiisclie  Spraclilehrc  23 

fama  in  obscuro  est  ein  I)esclici(ineres  Urllunl  ausdrücke  als  (Icr  Coii- 
juncliv  si  in  obscuro  sil;  al)er  so  viel  ist  gewis,  solcher  Benierkiiii- 
gen  und  Hegeln  lielseii  sich  lausende  machen,  ja  so  viel  man  ir- 
gend will. 

Sehr  charakteristisch  für  die  \\  eise  des  Verf.  ist,  was  §.  149 
über  71011  gelehrt  wird,  dafs  es  nemlich,  mit  posse  verbunden,  immer 
unmittelbar  vor  diesem  stehn  mülse,  wie  in  laudare  non  possef. 
Hier  ist  zuerst  übersehn,  dafs  'er  würde  nicht  loben  können'  durch 
non  laudare  possef  oder  possef  non  laudare  gegeben  werden  niufs, 
sobald  es  — ■  was  es  unleugbar  kann  —  die  Mögliclikeit  des  Nicht- 
lobens  aussagt.  Wie  wird  man  sagen  müfsen :  primos  homines  pec- 
care  non  poluisse,  oder  poluisse  non  peccare?  Sodann  ist  zweitens 
übersehn,  dafs  die  Negation  bei  posse  nicht  anders  als  bei  jedem  an- 
dern Worte  zu  stehen  kommt;  richtiger  sagt  daiier  Zumpt  §.  799:  non 
steht  immer  (unmittelbar)  vor  dem  Worte,  zu  dem  es  gehört.  Aber 
auch  so  erleidet  die  Hegel  noch  viele  begründete  Ausnahmen,  Avie 
dies  allein  aus  dem  Calo  major  folgende  Stellen  beweisen:  non  cum 
sua,  sed  patriae  gloria  splendorem  assecutuin  3,  8,-  7ion  facit  ea, 
quae  iuvenes;  at  vero  nndfo  maiora  et  meliora  facit  6,  11;  non 
nie  quidem  Hs  esse  viribus .  quibus  etc.;  sed  tarnen  non  plane  me 
enervavit  nee  afflixil  senectus  10,  32;  non  me  deser  ens,  sed  re- 
spectatis  'i'i,  Si.  Und  hierher  gehört  denn  auch  non  dici  potest, 
quam  valde  gaudeam  Epist.  ad  fam.  VII,  15,  2  und  selbst  das  allbekannte 
ut  non  mitescere  p  ossit  bei  Horaz. 

So  viel  über  das  Minimum.  Nächst  diesem  beabsichtigte  der 
Verf.  in  der  Satzbildungslehre  ein  System  aufzustellen,  das  sich  durch 
natürliche  und  folgerichlige  Entwicklung  der  grammatischen  BegrilTe 
von  selbst  empföhle.  Doch  sei  auch  in  der  Formenlehre,  versichert 
er,  kein  Abschnitt  ohne  die  eine  oder  die  andere  Berichtigung  geblie- 
ben, selbst  wenn  sie  sich,  wie  bei  der  Anführung  der  im  Perfect  und 
Supinum  abweichenden  Verba,  auf  die  blofse  Anordnung  des  StoCFes 
beschränken  sollte. 

Auf  die  Anordnung  und  Uebersichtlichkeit  des  Stoffes  ist  bei 
einem  Schulbuche  ein  besonderes  Gewicht  zu  legen,  und  was  der 
Verf.  in  dieser  Hinsiciit  gelhan  hat,  verdient  Anerkennung.  So  war 
es  gewis  ein  ganz  glücklicher  Gedanke,  dasjenige,  was  Zumpt  zie«n- 
iich  unpassend  unter  den  ISuineralibns  multiplicativis  gibt,  getrennt 
in  einem  §.  Won  den  Brüchen'  zu  behandeln.  Auch  das  wird  man 
billigen,  dafs  Formen,  wie  die  des  Acc.  Plur.  der  3.  Decl.  auf  is,  der 
in  den  Adjectiven  und  besonders  den  Parlicipien  bis  weit  über  das 
Augusteische  Zeitalter  hinaus  die  einzige  Norm  des  Ausdrucks  war, 
endlich  gleich  mit  in  die  Paradigmen  aufgenommen  sind,  da  sich  heut 
zu  Tage  ohne  diese  Kenntnis  nicht  einmal  der  Cornelius  Nepos  von 
Nipperdey  lesen  läfst.  Doch  ist  der  Verl.  auch  wieder  hinter  seinem 
Vorgänger  zurückgeblieben,  wenn  er  z.  B.  zu  fe/ix  den  Abi.  ^felice 
und  felici''  gibt.  Wie  gleich  nachher  ^alfiore  (altiori)'  decVnnevt 
wird,  so  muste  es  hier  umgekehrt  ^felici  (felice)'  heifsen,  und  An- 


24  Aischefski:  lateinische  Sprachlehre. 

gaben  wie  '^ prae  ceteris ,  vor  allen'  ^.  2bl  sind  heut  zu  Tage  un- 
verzeihlich. 

Dabei  sind  die  erheblichsten  Fehler  und  3Iängel  der  gangbarsten 
Grammatiken  geblieben.  Zu  diesen  rechnen  wir  es,  wenn  §.  33  dem 
männlichen  und  weiblichen  Geschlecht  noch  ein  drittes,  sächliches 
coordiniert  wird,  obgleich  es  doch  nur  zwei  Geschlechter  gibt,  und 
gerade  die  Sachen  als  solche  geschlechtlos  sind;  oder  wenn  §.  49  und 
55  fünf  Endungen  der  2.  Dccl.  gelehrt  werden,  und  §.  52  und  87  bei 
liber  ^  libri  oder  alacer ,  alacris  von  einem  ausgestofsenen  e,  bei  juwer, 
pueri  wwA  celer ^  ce/er/s  von  einem  bleibenden  e  geredet  wird,  wäh- 
rend doch  die  Nominativausgänge  er,  ir^  tir  nicht  Endung  sondern 
Stamm  sind,  und  nicht  in  den  übrigen  Casus  von  liber  das  e  ausge- 
stofsen  ist,  sondern  im  Nominativ  und  Vocativ,  um  der  Sprechbarkeit 
willen,  eingeschoben;  oder  wenn  §.  97  die  Comparative  citerior,  ul- 
terior,  exferior,  inferior ,  posterior,  SMjaerzor  auf  Praepositionen  und 
Adverbien  zurückgeführt  werden,  während  man  die  Adjectiva  citer, 
ulier,  exter ,  infei-us,  posterus,  superus  in  jedem  Lexikon  liest. 
Selbst  inferior  und  propior  sind  nicht  zu  intra  und  prope  zu  ziehen; 
vielmehr  haben  sie,  wie  deterior  und  einige  andere,  gar  keinen  nach- 
weisbaren Positiv. 

Für  die  Erklärung  der  grammatischen  Terminologie,  welche  wir 
für  ebenso  erspriefslich  als  nothwendig  erachten,  ist,  wie  gewöhn- 
lich, fast  nichts  gethan ,  und  wo  sich  etwas  findet,  ist  es  verunglückt. 
So  werden  §.  127  die  Indefinita  als  solche  Pronomina  erklärt, 
'welche  sich  nicht  unter  einen  bestimmten  Namen  bringen  lafsen' 
(man  bat  sie  ja  doch  unter  den  einen  bestimmten  Namen  Indefinita  ge- 
bracht), und  'ij.  140  lesen  wir  gar,  'das  Verbum  a  verbo  wifsen'  solle 
60  viel  heifsen,  als  'die  Grundformen  kennen'.  '  Das  Verbum  a  verbo, 
d.  h.  vom  Verbum  wifsen'  ist  Nonsens;  die  Bezeichnung  a  verbo  aber 
stammt  noch  aus  der  Zeit  des  lateinischen  Analysierens.  Bei  medilaris 
z.  B.  fragte  der  Lehrer:  a  verbo?  und  der  Schüler  antwortete:  a  verbo 
medilor ,  meditatus  sum  ,  meditari.  Dafs  in  einem  solchen  Falle  die 
Grundformen  angegeben  wurden,  verstand  sich  von  selbst,  lag  aber 
eigentlich  nicht  in  der  Frage.  'Wie  hat  das  Verbum  a  verbo?'  so 
oft  man  es  fragen  hört,  ist  und  bleibt  eine  sinnlose  Frage,  an  welcher 
Lehrer  und  Schüler  nur  darum  keinen  Anstofs  zu  nehmen  pflegen, 
weil  sie  von  klein  auf  daran  gewöhnt  worden  sind,  nach  einem  Sinne 
der  grammatischen  Bezeichnungen  überhaupt  nicht  zu  fragen.  Und 
doch  denke  ich  mir,  dafs  die  Erklärung  und  Würdigung  dieser  Be- 
zeichnungen, bei  welcher  man  freilich  auf  jeder  Unterrichtsstufe  die 
Fafsungskraft  der  Schüler  in  Betracht  ziehen  mufs ,  der  nächste  und 
natürlichste  Weg  wäre,  um  in  das  ganze  Lehrgebäude  der  Grammatik 
das  nöthige  Licht  zu  bringen. 

Ueberhaupt  wird  man  für  dasjenige,  was  in  andern  Grammatiken 
unerklärt  und  unausgemacht  bleibt,  und  dessen  ist  bckanntlicii  nicht 
wenig,  auch  hier  die  P>klärung  vergebens  suchen.  Der  Inf.  Fut.  Pass. 
laudatum  iri,  welcher  den  meisten  Schülern   eine   irrationale  Gröfse 


Aischefski:  lateinische  Spraclilehre.  25 

oder  ein  unbekanntes  x  verbleibt,  wird  §.  157  dem  Verständnisse  so 
wenig  vermittelt  als  es  sonst  geschieht,  und  §.227  wird  zwar  gelehrt, 
dafs  urbs  ohsideri  cuepta  est  oder  cuepit  gesagt  werde,  aber  von  der 
Verschiedenheit  des  Sinnes,  durch  welche  die  eine  oder  die  andere 
Bezeichnung  bedingt  ist,  kein  \A'ort  gesagt.  Gleichwohl  mufs  zwischen 
pugnnri  cuepit  und  pmjuari  coeptum  est  der  ganz  beslimmle  Unter- 
schied liegen,  dafs  jenes  bedcutol,  dafs  der  Kampf  begonnen,  dieses 
dafs  man  den  Kampf  begonnen  habe;  conspici  coepit  heifst:  er  fieng  an 
die  Blicke  auf  sich  zu  ziehen,  conspici  coeptits  est:  man  fieng  an  die 
Blicke  auf  ihn  zu  richten  ;  consu/i  cuepit  läfst  vornehmlich  an  den  Ralh- 
geber,  consuli  coeptus  est  mehr  an  die  befragenden,  vasa  cuniici 
cuepta  sunt  läfst  an  die  werfenden,  coeperunt  aber  an  die  fliegenden 
Gefäfse  denken.  So  wird  auch  bei  urbs  ubsideri  coepit  das  esse  in 
ubsidiune  seitens  der  Stadt,  bei  cocpta  est  die  Thätigkeit  der  obsiden- 
tes  die  Hauptsache  sein,  und  während  orationes  legi  sunt  desitae  ganz 
richtig  gesagt  ist,  niufs  es  doch  nothwcudig  heifsen:  Catilina  moveri 
contra  rem  public  am  desiit  ^  weil  die  hier  gemeinten  molus  nur  von 
ihm  selbst  ausgehend  gedacht  werden  können,  mit  einem  Worte:  weil 
moveri  medial  steht. 

Die  Satzlehre  zeigt  so  ziemlich  dieselben  Vorzüge  und  dieselben 
Schwächen,  welche  wir  an  der  Formenlehre  namhaft  gemacht  haben. 
Eine  geschickte,  gefällige  und  übersichtliche  Anordnung  ist  derselben 
nicht  abzusprechen,  ja  diese  springt  hier  noch  weit  mehr  in  die  Au- 
gen; aber  auch  hier  ist  der  Ausdruck  oft  so  unerwogen  (wenn  es  z,  B. 
§.273  heifst:  ^  das  Femininum  victrix  bildet  ein  Neutrum:  victricia 
arma^  die  siegreichen  Waffen'),  die  aufgestellten  Regeln  sind  zum 
grofsen  Theil  so  unhaltbar  und  so  unzulänglich,  dafs  auch  von  dieser 
Seite  aus  das  Urtheil  über  das  Buch,  welchem  man  im  einzelnen 
manche  Anregung  und  Belehrung  verdanken  wird,  im  ganzen  doch 
nur  ein  abfälliges  sein  kann. 

Das  Ganze  der  Satzlehre  wird  in  drei  gröfsere  Abschnitte  zer- 
legt, von  denen  der  erste  den  einfachen  unabhängigen  Satz ,  der  zweite 
die  Tempora  und  Modi  des  Zeitwortes,  der  dritte  den  durch  Con- 
junctionen  erweiterten  Satz  behandelt.  Die  Unlerabtheilungen  des  er- 
sten Abschnittes  sind  das  Subject  mit  seinem  Praedicate,  die  Appo- 
sition, das  Activ  und  Passiv,  die  Conslruction  und  die  obliquen 
Casus,  einschliefslich  des  absoluten  Ablativs  und  der  Construction  der 
Städte-  und  Ländernamen.  Im  zweiten  Abschnitte  wird  zuerst  vom 
Genus  gewisser  ZeitAvörfer  gehandelt,  worauf  die  Bedeutung  des  In- 
dicativs  und  Conjunctivs,  die  Tempora  des  Indicativs,  die  Tempora 
des  Conjunctivs,  die  Tempora  des  Indicativs  mit  einem  von  ihnen  ab- 
hängigen Conjunctivsatze,  der  Imperativ,  der  Infinitiv,  das  Gerun- 
dium, das  Supinum  und  das  Particip  besprochen  werden.  Der  dritte 
Abschnitt  bespricht  l)  den  Copulativsatz ,  2)  den  Finalsatz,  3)  den 
Relativsatz,  4)  den  Causal-  und  Temporalsatz,  5)  den  Condicional- 
satz,  6)  den  Fragesatz  und  zum  Beschlufs  die  indirecte  Darslel- 
lungsweise. 


26  Aischefski:  lateinische  Sprachlehre. 

Was  mm  die  Ausfühning  dieses  Planes  und  insbesondere  die  auf- 
gestellte» Regeln  betrilTt,  so  fällt  vornehmlich  die  Kühnheit  des  Verf. 
iin  Ergänzen  auf,  in  welcher  er  es  den  stärksten  Ergänzern  alter  und 
neuer  Zeit  noch  zuvorthut.  Es  ist  ein  alter  und  alltäglicher  Misbrauch, 
dafs  man  dasjenige,  was  am  eignen  Verständnis  abgeht,  durch  unbe- 
fugte Gedankenmehrung  beim  Autor  auszugleichen  sucht,  über  wel- 
chen Misbrauch  sich  viel  sagen  Heise;  ich  werde  mich  indes  auf  die 
MittheiUuig  von  ein  paar  Beispielen  besciiränken.  In  bene  est  soll  das 
Adverbium  auf  einem  hinzugedachten  factum  oder  actum  beruhen 
(§.  265),  und  der  Genetiv  bei  plenus  (§.  361)  oder  potiri  (§.  363) 
durch  einen  zu  ergänzenden  Ablativus  bedingt  sein:  litora  hostium 
plena  ^  neml.  multitudine ',  rerum  oder  totiits  Galliae  potiri  ^  neml. 
imperio' ;  ja  selbst  zu  mexplorato  progredi  wird  'etwa  itinere'  er- 
gänzt (§.  370).  Es  bedarf  wohl  kaum  der  Bemerkung  (wenigstens  ist 
es  augenfällig  genug),  dafs  est  bei  bene  'sich  verhält'  bedeutet,  wie 
in  dem  andern  Beispiele,  frater  est  intus,  'verweilt,  beiindet  sich'. 
Hier,  behauptet  Aischefski,  sei  intus  'in  Ermangelung  eines  passenden 
Adjectivs'  gesetzt;  aber  ein  Adj.  tutus,  tulior  mangelt  nicht,  und 
doch  heilst  es  Sali.  Jug.  14,  11:  ut  ubivis  iutius  quam  in  meo  regno 
essem.  Mit  frater  est  intus  ist  nun  wieder  verkehrterweise  non  fru- 
stra  dictator  ero  in  Verbindung  gebracht;  denn  dieses  frusira  gehört 
weder  zu  dictator  noch  ausschliefslich  zu  ero,  sondern  zu  dem  zu- 
sammengesetzten Begriffe  dictator  ero  =:  dictaturam  geram.  Und 
von  solchen  Ungereimtheiten  wimmelt  das  ganze  Buch. 

Zur  Charakteristik  desselben  dürlten  diese  Proben  schon  hinrei- 
chen; doch  bringe  ich  noch  einige  andere  Punkte  zur  Sprache,  wäre 
es  auch  nur  um  sie  der  erneuten  Prüfung  und  Aufmerksamkeit  zu 
empfehlen. 

Der  Dativ  beim  Part.  Perf.  Pass.  für  den  Ablativ  mit  der  Praep. 
a  wird  §.  312  für  einen  Dativ  des  Besitzes  (jnihi  cognilum  est  = 
cognitum  habeo),  in  allen  andern  Fällen  aber  (nemini  intelligor  :=:^ 
a  mil/o)  ohne  weiteres  für  eine  poetische  oder  poetisierendc  Kata- 
chrese  erklärt.  Ich  sollte  meinen,  die  Bedeutung  des  Dalivs  beim 
Part.  Perf.,  wo  dieses  nicht  geradezu  zum  Adjectiv  geworden  ist,  er- 
gäbe sich  am  deutlichsten  aus  der  Vergleichung  mit  dem  Part.  Fut. 
Pass. ;  denn  mihi  susceptum  est  ist  von  mihi  suscipiendum  est  doch 
hauptsächlich  nur  der  Zeit  nach  verschieden;  sonst  wird  sich  der  kei- 
neswegs blofs  dichterische  Dativ  stets  aus  der  eigenthümlichen  Gel- 
tung des  Verbums  erklären.  Intelligi  heifst  in  solchen  Verbindungen 
verständlich  sein,  y^ro/^ar«  annehmbar  sein;  habitari  zum  Wohnsitz, 
fingi  (Ov.  Met.  XIII,  67)  zum  leeren  Vorwand  dienen;  legi  (ad  Att.  I, 
16,  8)  bekannt  werden,  negligi  (Verr.  III,  16)  gleichgiltig  sein;  au- 
diri  zu  Ohren  kommen,  rideri  vor  Augen  sein. 

'Hat  memini  den  Infinitiv  nach  sich'  heifst  es  §.  342  'so 
pflegte  [pflegt]  es  der  des  Praesens  statt  des  Perf.  zu  sein :  memini  me 
dicere,  ich  erinnere  mich  gesagt  zu  haben'.  Aber  memini  me  dicere 
heifst  gar  nicht:  ich  erinnere  mich  gesagt  zu  haben,  sondern:  ich  er- 


Aischefski;  lateinische  Sprachlehre.  27 

innere  mich  dafs  ich  sagte,  und  zwar  ans  dem  Grunde,  weil  das  sog-. 
Praesens  des  Infinitivs,  als  die  Form  dor  Praesens  und  Imperfectum 
unifafscnden  actio  imperfecta ^  nicht  blois  das  Praesens,  sondern 
nolhwendig  aucii,  und  bei  //«'///////gewöhnlich,  das  Iniperfeclum  Vcrbi 
finiti  bezeichnet.  Im  Infinitiv  wird  weder  Tempus  noch  Numerus  noch 
Person  unterschieden;  darum  würde  man  auch  richtiger,  als  von  ei- 
nem Inf.  Praes.  und  Perf.,  von  einem  Inlinitivus  Aclionis  imperfectae 
und  Actionis  perfectae  sprechen.  Nur  die  zukünftige  Zeit  ist  in  die- 
sen Formen  nicht  mit  enthalten;  soll  diese  infinite  bezeichnet  werden, 
so  kann  es  nur  mittelst  der  bekannten  Umschreibung  geschehen. 

Der  Ablativus  comparationis  für  quam  mit  dem  Nominativ  oder 
Accusativ  wird  §.  358  mit  dem  Ablativ  auf  die  Frage  um  wie  viel? 
zusammengeworfen,  obgleich  die  Verschiedenheit  dieser  beiden  Abla- 
tive schon  durch  die  Vergleichnng  des  Griechischen  klar  wird,  wo 
dem  einen  der  Genetiv  (jxsi'^cou  rov  TtaxQog),  dem  andern  der  Dativ 
entspricht  (jtoXXa  ^ei'^iov).  Dieser  nemlich  bezeichnet  das  wieviel 
wodurch  die  Verschiedenheit  gegeben  ist,  jener  den  Gegenstand 
von  welchem  aus  angesehen,  gemefsen,  beurtheilt  ein  anderer  höher 
oder  niedriger  steht. 

Dafs  die  singularischen  Städtenamen  der  1.  und  2.  Decl.  auf  die 
Frage  wo?  im  Genetiv  stehn,  wird  auch  hier  {^.  378)  gelehrt,  und 
doch  ist  es  eine  Regel,  welche  der  grammatischen  Raison  geradezu 
Hohn  spricht,  und  überdies  von  stimmberechtigten  Forschern  längst 
aufgegeben.  Abgesehn  von  vielen  andern  Bedenken  (Reisigs  Vorles. 
§.  347):  wie  will  man  es  begreiflich  finden,  wenn  zu  einem  Genetiv 
ein  Ablativ  als  Apposition  tritt?  Dies  ist  aber  nach  jener  Regel  der 
Fall  in  Beispielen  wie  Antiochiae,  celehri  quundam  urbe  et  copiosa., 
wo  Aischefski  sehr  sonderbarerweise  den  Genetiv  Antiochiae  von 
lü'be  abhängig  sein  läfst  {^.  382).  Was  man  so  lange  für  einen  Gene- 
tiv ausgegeben  hat,  ist  sicher  ein  Ablativus  Graecanicus,  und  dumi 
z.  B.  und  Pkaleri  wird  zu  dem  gewöhnlichen  Ablativ  genau  in  demsel- 
ben Verhältnisse  stehn,  wie  oinoi,  und  0c<hjooi  zu  dem  andern  Dativ 
Der  Verf.  war  also  auf  einer  ganz  richtigen  Spur,  wenn  er  zu  seiner 
Regel  die  Bemerkung  hinzufügte:  'es  ist  die  Annahme  nicht  verwerf- 
lich, dafs  den  Städtenamen  aller  drei  ersten  Declinationen  im  Singula- 
ris  eine  eigene  Endung  auf  /"  für  jene  Frage  zum  Grunde  läge  [liege]: 
Messanai,  Lacedaemoiii,  Carlliaijini  esse,  in  Messana,  Lacedaenion, 
Carlhago  sein.'  Aber  die  Form  Lacedaemoni  lag-  nicht  nur  zum 
Grunde,  sondern  sie  war  da,  wo  auch  ruri  für  rure  gesetzt  wird,  die 
allein  gebräuchliche.  Doch  ich  breche  hier  ab,  um  noch  einen  Blick 
auf  die  Beispiele  zu  werfen,  aufweiche  der  Verf.  mit  Recht  ein  Haupt- 
gewicht legt. 

Diese  sind  sämtlich  aus  den  gelesensten  Schulautoren  entlehnt 
und  zum  Tlieil  sehr  wohlgewälilt.  In  dieser  Beziehung  erwähne  ich 
namentlich  die  Stelle  p.  Rose.  Am.  35,  100,  welche  %.  560  für  den  hin 
und  wieder  verkannten  Unterschied  zwischen  si  und  cum  angeführt 
wird:  Quae,  si  prodierit,  atque  adeo  cum  prodier it  (scio  enim  pro- 


28  Aischefski:  lateinische  Sprachlehre. 

düurum  esse),  audiel.  Solche  Beispiele,  welche  zur  Belehrung  wie 
gemacht  sind  und  deren  es  mehr  gibt,  wenn  man  sie  nur  gehörig 
wahrnehmen  wollte,  sollten  in  keiner  Grammatik  und  in  keiner  Syno- 
nymik und  in  keinem  Lexikon  fehlen. 

Die  Nachweisung  der  angezogenen  Stellen  zu  geben  hat  der  Verf. 
fiir  überllüfsig  oder,  wie  er  sich  ausdrückt,  für  ein  unnützes  Prunken 
gehalten.  Der  Lehrer  wird  nun  zwar  nicht  leicht  auf  eine  unbekannte 
Stelle  slofsen,  wohl  aber  wird  er  sich  alle  Augenblicke  zum  Nach- 
schlagen und  Vergleichen  veranlafst  sehn.  Die  einzelnen  Stellen  sind 
nemlich  höchst  ungenau  wiedergegeben  (Nep.  Them.  9,  1:  scio  ple- 
rosque  ita  scripsisse,  Themtsfoclen  Xerxe  regnante  in  Asiam  trans- 
isse  (§.  298)  ist  das  ita,  Them.  7,4:  deosque  publicos  suosque, 
(so  ist  zu  interpungieren)  patrios  ac  penates,  rtiuris  saepsisse  (§.512) 
ist  nicht  nur  das  längst  recipierte  erste  que  sondern  auch  ac  penates, 
und  Epam.  4,  4:  nisi  id  coiifeslim  facis ,  ego  te  tradam  magistralui 
(§.  565)  ist  das  nicht  unwesentliche  ego  ausgelassen);  die  Inter- 
punction  ist  höchst  mangelhaft  und  inconsequent,  und  die  überall 
hinzugefügte  ITebersetzung  gibt  für  die  Richtigkeit  der  Erklärung  gar 
keine  Bürgschaft. 

Um  Misversfändnissen  vorzubeugen,  wie  sie  dem  Verf.  in  seiner 
Praxis  selbst  bei  der  Erklärung  des  Nepos  und  des  Curtius  vorgekom- 
men sind  von  Leuten,  von  denen  man  es  nicht  hätte  erwarten  sollen, 
und  um  den  Schüler  allmählich  an  eine  geschmackvollere  Auffafsung 
der  alten  Classiker  zu  gewöhnen,  hat  er  neben  die  Beispiele  seine 
Uebersetzung  gestellt,  und  diese  Uebersetzung  hätte  an  der  ganzen 
Arbeit  desselben  das  allerverdiensllichsle  werden  können;  aber  sie 
ist  recht  eigentlich  die  partie  honteuse  des  Buches  geworden. 

Dafs  er  sich  nicht  auf  Eigentliche  Feinheiten  eingelafsen  und 
z.  B.  gar  nicht  daran  gedacht  hat,  §.  319  in  malus  meliusve  die  Allit- 
teration  ('  erheblicheres  oder  erspriel'slicheres ') ,  §.  448  in  ca  tem- 
pestale  den  Archaismus  ('zu  dieser  Frist')  oder  §.  570  in  emori  das 
e  rrtieMSiüM/«  wiederzugeben  ('des  Todes  zu  sterben'):  das  werden 
viele  verzeihlich  finden ,  obwohl  in  einem  solchen  Buche  und  zu  einem 
solchen  Zwecke,  wie  er  ihn  vor  Augen  hatte,  auch  in  dieser  Hinsicht 
das  mögliche  geleistet  werden  muste.  Was  soll  man  aber  dazu  sa- 
gen, wenn  Sali.  Cat.  54,  5:  quo  minus  petebat  gloriam,  eo  magis 
seqtiehatur ,  §.  529  übersetzt  wird:  'je  weniger  er  den  Ruhm  suchte, 
um  so  mehr  suchte  er  ihn',  oder  §.  571  roger  anne  rogem:  'soll 
ich  mich  bitten  lafsen  oder  ihn  noch  ferner  zu  gewinnen  suchen?', 
während  anderwärts,  wie  §.  542  aut  ipsi  in  eorum  f'inibus  bellum  ge- 
riml,  '  oder  in  dem  Lande  derselben  Krieg  führen',  das  Pronomen 
des  Gegensatzes  ganz  unbeachtet  bleibt?  Das  heifst  denn  doch  allzu 
ungebunden  mit  fremden  Gedanken  umspringen,  und  nicht  rücksichts- 
voller werden  die  einzelnen  Begriffe  und  ^^'örter  behandelt.  Da  wird 
«ncirfm  durch 'Leidenschaften'  wiedergegeben  §.340,  delecti  'eine 
Schaar  tapfrer  Männer '  §.  507;  consecfari  (praedones)  'verjagen' 
§.   450,  negligere   {rem  fam.)   'verschwenden'    §.  536,   adcquitare 


Alscliefski :  lateinische  Sprachlehre.  29 

'sich  nähern'  '5^.  543,  effervescere  [Ov.  Met.  I,  71  emporbrausen, 
wie  liakelcnj  '  aufleuclilen '.  Dazu  kommen  Ungeschicktheilcn  wie 
miseret  te  aliornni,  tut  nee  iniseret  nee  pudet:  'du  emplindest  Mit- 
leid mit  andern,  aber  keins  mit  dir,  noch  Scham  über  dich'  §.  338 
(für:  du  hast  Mitleid  für  andere,  für  dich  weder  Mitleid  noch  Scham), 
oder  vereor ,  si  res  expUcure  incipiam  ^  ne  non  vitam  Velopidae 
enarrare^  sed  histuriam  videar  scrihere :  'ich  fürchte,  dafs,  wenn 
ich  die  Verhaltnisse  gehörig-  auseinandersetzen  will,  es  scheinen  wird, 
dafs  ich  nicht  das  Leben  des  P.  erziihlle,  sondern  eine  vollständige 
Geschichte  schriebe' §.  501.  Durch  solche  Uebersetzungen  vermeint 
der  Verf.  den  Schüler  allmählich  an  eine  geschmackvollere  Auffufsung 
der  alten  Classiker  zu  gewöhnen.  Und  um  die  Erfafsung  des  Sinnes 
ist  es  wo  möglich  noch  schlimmer  bestellt.  Nep.  Them.  1,  4  quod  et 
de  instanlibiis  verissime  iudicabat  et  de  futuris  callidissime  coniicie- 
iffMvird  §.  401  übersetzt :  'weil  theils  sein  Urtlieil  über  plötzliche 
Ereignisse  gleich  die  Sache  traf,  trotzdem  dafs  der  Gegensatz  die 
auch  sonst  gewöhnliche  Bedeutung  des  instans  [ivsörcog,  eingetreten, 
gegenwärtig]  aufser  Zweifel  stellt,  und  Lael.  14,  51  opihns  maxi- 
meque  [und  namenllichj  virtute  praeditf\  wo  übrigens  praediti  auf 
einer  sehr  überllüfsigeu  Conjectur  Beiers  beruht,  wird  §.  495  'reiche 
und  vorzüglich  tugendhafte  iMenschen '  gegeben,  als  hiefse  es  maxi- 
maque  virtute  praediti.  Solche  Beispiele  ohne  Beispiel  kann  man  auf 
jeder  Seite  sehn;  ich  erwähne  daher  nur  noch  in  Cat.  I,  2,  6  vires.,  et 
vires  ila^  ut  nunc  viris.,  rnultis  meis  et  firmis  praesidiis  ohsessus., 
Avofür  §.  477  '  du  wirst  leben,  aber  so  leben'  gedollmetscht  wird. 
Auch  Halm  hat  dieses  aber  für  nothw endig  gehalten,  und  deshalb 
nach  einer  Conjectur  von  Weiske  u.  Madvig  sed  vives  ediert.  Wie  ist 
es  aber  möglich,  die  Ironie  zu  verkennen,  mit  welcher  Cicero  sagt: 
'und  zwar  will  ich  dir  nicht  blofs  das  Leben,  sondern  sogar  dein 
gegenwärtiges  Leben  lafsen ',  und  dann  die  A\'irkung  des  aTtQoödom]- 
Tov:  ^rnultis  meis  et  firmis  praesidiis  obsessus ,  ne  commovere  te 
contra  rem  publicam  possis '  ? 

Die  Orthographie  weicht  mehrfach  ab,  wenn  z.  B.  Griechisch 
undHömisch,  dagegen  graecus  et  romaniis  geschrieben  wird,  oder 
'der  Beste  und  Gelehrteste  von  jenen  Jünglingen.'  Auch  allniälig 
und  noch  mehr  allmählig  für  allmählich,  und  Beredtsamkeit  für  Bered- 
samkeit ist  mir  bedenklich ;  jenes  scheint  für  allgemächlich  zu  stehn, 
Beredsamkeit  aber  zu  dem  ungebräuchlichen  Redsamkeit  sich  ebenso 
zu  verhalten,  Avie  eloquentia  zu  dem  seltenen  (oquentia. 

Druckfehler  finden  sich  mehrere:  Enterhacken  S.  21,  misi  für 
mihi  S.  126,  Demarathus  S.  Iö3,  ne  für  nie  S.  203,  scropuloso  für 
scopuloso  S.  284  u.  a.  Am  störendsfen  sind  die  falschen  Quantitäts- 
bezeichnungen ,  w  eiche  sich  vornehmlich  in  den  Paradigmen  der  Pro- 
nomina finden,  aber  auch  sonst  erscheinen :  vvii/o  S.  104,  tantvpere, 
quantüpere  und  maynöpere  S.  121,  itäque  für  itaque  S.  190  und  207, 
Syphäci  S.  210. 

Nach  dem  allen  meinen  wir:  Aischefski  hat  eine  richtigere  Vor- 


30  Die  Geschiclitschreiber  der  deutschen  Vorzeit. 

Stellung  von  dem  Bedürfnis  der  Schule  g-ehaht,  als  die  meisten  Ver- 
fal'ser  alter  und  neuer  Grammaliken,  und  wer  eine  Schulgrammatik 
schreibt,  wird  wohl  daran  tliun,  seinen  Plan  zu  berücksichtigen  und 
zum  Tbeil  zu  befolgen;  für  den  Schüler  aber  ist  das  Buch  unbrauch- 
bar, weil  es  weder  mit  der  Sachkenntnis  noch  mit  der  Sorgfalt  gear- 
beitet ist,  welche  wir  überhaupt  ungern  vermifsen  und  dem  Heraus- 
geber einer  Schulgrammatik  unter  keinen  Umständen  erlafsen. 
Königsberg  in  d.  N.  Carl  Nauck. 


Die  Geschichtschreiher  der  deutschen  Vorzeit  in  deutscher  Bear- 
beitung unter  dem  Schutze  Sr.  Maj.  des  Königs  Friedrich  Wil- 
helm IV.  von  Preussen  herausgegeben  von  G.  H.  Pertz,  J.  Grimm, 
K.  Lachmann,  L.  Ranke,  K.  Ritter,  Mitgliedern  der  k.  Akademie 
der  Wifsenschaften.  Berlin,  Verlag  von  Wilhelm  Besser.  1848  — 
1852.     19  Lieferungen  bis  jetzt. 

Die  'Geschichtschreiber  der  deutschen  Vorzeit'  sind  bereits  zu 
einer  stattlichen  Schaar  angewachsen,  bevor  diese  Jahrbücher  Zeit 
gefunden  haben  sich  mit  ihnen  zu  beschäftigen.  Um  so  mehr  fühlt  die 
Kedaction  sich  gegenwärtig  verpflichtet,  die  Aufmerksamkeit  ihrer 
Leser  für  ein  Unternehmen  in  Anspruch  zu  nehmen ,  welches  vorzugs- 
weise die  Bestimmung  hat,  einem  Bedürfnis  der  Schule  entgegen  zu 
kommen.  Die  Anzahl  der  vorliegenden  Lieferungen  macht  es  uns  frei- 
lich unmöglich,  auf  eine  genaue  Kritik  der  einzelnen  Leistungen  ein- 
zugehn,  aber  sie  setzt  uns  in  den  Stand  die  Art  der  Ausführung  im 
ganzen  beurtheilen  zu  können,  und  macht  eine  Uebersicht  der  schon 
vollendeten  Arbeiten  wünschenswerlh. 

Es  dürfte  wohl  kaum  der  Fall  vorgekommen  sein,  dafs  ein  Leh- 
rer die  römische  Geschichte  vorträgt,  ohne  mit  den  gleichzeitigen 
Quellen  derselben  bekannt  zu  sein,  ohne  aus  den  Schriftstellern  des 
Volkes  selbst  ein  anschauliches  Bild  seiner  Einrichtungen,  seiner  Sitten 
und  Denkweise  gewonnen  zu  haben.  Allein  dasselbe,  was  bei  der 
Geschichte  der  alten  Völker  als  die  natürlichste  Anforderung  an 
den  Lehrer  derselben  betrachtet  wird,  gehört  bei  dem  Vortrage  der 
Geschichte  unsrer  eignen  Vorzeit  zu  den  seltenen  Ausnahmen.  Die 
Folgen  davon  darf  man  leider  nicht  weit  suchen.  Es  ist  unglaublich 
wenig,  was  die  meisten  Deutschen  von  ihrer  eignen  Geschichte  wi- 
fsen,  und  nur  zu  häufig  sind  die  vorhandenen  Vorstellungen  durchaus 
falsch  und  unrichtig.  Wir  sind  weit  entfernt,  davon  einen  Vorwurf 
hernehmen  zu  wollen;  die  Schriftsteller  des  Mittelalters  entbehren  der 
Vorzüge,  welchen  die  alten  Classiker  ihren  Platz  in  ^der  Schule  mit 
vollem  Rechte  verdanken,  und  wenn  ja  die  Liebe  zum  Vaterlande 
jemanden  reizte,  die  Geschichte  desselben  aus  den  Quellen  selbst  zu 


Die  Gcschichlschrcibcr  der  deiitsclieii  Vorzeit.  31 

scliöpfcn ,  so  sliofs  er  auf  Sclnvierigkeileu  und  Hindernisse  aller  Arl. 
Eben  deshalb  aber  hoffen  wir  und  wifsen  es  zum  Theii  schon  aus  wirk- 
licher Erfalirung-,  dafs  die  vorlieg-ende  Samniliing  einer  günsligen  Auf- 
nahme versichert  sein  kihiue,  da  sie  gerade  aus  dem  Bewustsein  jener 
Schwierigkeiten  entsprungen  ist    und  denselben  abzuhelfen  versucht. 

Der  vernachläfsigte  Zustand  unserer  einheimischen  Geschichts- 
quellen veranlafste  den  Freiherrn  v.  S  tein  zu  der  Gründung  der  Ge- 
sellschaft fiir  ältere  deutsche  Geschichtkunde,  deren  Leistungen  erst 
den  Boden  für  die  quellenmäfsige  Erforschung  unserer  Vorzeit  geebnet 
haben;  die  Früchte  dieser  Bemühungen  sind  in  zahlreichen  Schriften 
sichtbar  und  dringen  auch  schon  aus  den  Werken  der  gelehrten  For- 
schung in  Lehre  und  Lehrbücher  ein.  Die  kleinern  Ausgaben  vieler 
der  vorzüglichsten  Schriftsteller,  denen  sich  bereits  manche  Arbeiten 
von  anderer  Seite  anschliefsen ,  haben  die  Beschäftigung-  mit  den  ur- 
sprünglichen Quellen  unserer  Geschichte  erleichtert  und  vielfache 
Verbreitung  gefunden.  Allein  es  blieb  noch  immer  ein  bedeutendes 
Hindernis.  Das  Gew  and  dieser  Quellen  ist  ein  höchst  fremdartiges ; 
die  Sprache  ist  lateinisch,  aber  nicht  das  Latein  der  classischen  Zeil, 
dieselben  Worte  haben  oft  eine  ganz  veränderte  Bedeutung,  andere 
sind  ganz  neu  hinzugekommen.  Nur  eine  anhaltende  Beschäftigung 
mit  dieser  Litleratur,  nicht  mit  den  Schriftstellern  allein,  sondern  auch 
mit  den  Gesetzen  und  Urkunden,  führt  zu  einem  richtigen  und  sichern 
Verständnis  dieser  Ausdrucksweise,  welche  denjenigen,  der  durch 
genaue  Bekanntschaft  mit  der  classischen  Litteratur  verwöhnt  ist,  nicht 
allein  zurückstölst,  sondern  auch  gerade  ihn  am  meisten  zahlreichen 
Misverständnissen  bei  der  Leetüre  unserer  mittelalterlichen  Schrift- 
steller aussetzt.  Diese  Wahrnehmung  sowohl  wie  die  Rücksicht  auf 
diejenigen,  welche  des  Lateinischen  unkundig  sind,  erfüllte  den  Her- 
ausgeber der  Munmnenta  Germaniae  mit  dem  lebhaften  Wunsche,  eine 
Reihe  der  vorzüglichsten  Schriftsteller  in  allgemein  verständlicher 
Form  dem  deutschen  Volke  darbieten  zu  können,  und  nachdem  die 
nothwendige  Vorarbeit  der  lateinischen  Originalausgaben  weit  genug 
vorgerückt  war,  konnte  auch  an  die  Ausführung  dieses  lange  gehegten 
Wunsches  gedacht  werden,  welche  nunmehr  durch  die  bereitwillig 
gewährte  Unterstützung  des  Königs  von  Preussen  nicht  nur  möglich 
geworden,  sondern  auch  in  erfreulichem  Fortschritt  begriffen  ist. 

Die  rasche  Förderung  des  unternommenen  Werks  konnte  nur  da- 
durch bewirkt  werden  ,  dafs  für  die  Arbeit  zahlreiche  Theiluehmer 
gewonnen  wurden,  und  bei  dieser  Einrichtung  war  es  nicht  möglich 
zu  vermeiden,  dafs  der  Werth  der  einzelnen  Lieferungen  ziemlich  un- 
gleich ausfiel.  Die  Aufgabe  ist  eine  ungemein  schwierige,  schon  das 
Verständnis  mancher  Stelle  oft  durch  Dunkelheit  und  Zweideutigkeit 
des  Ausdrucks  erschwert,  und  der  richtige  Ton  nicht  leicht  zu  treffen. 
Denn  weder  darf  durch  zu  ängstliches  Anschliefsen  an  die  Worte  des 
Textes  die  Deutlichkeit  leiden ,  die  Sprache  schwerfällig  werden,  noch 
darf  man  andererseits  durch  zu  freie  Behandlung  die  Färbung  des  Ur- 
bildes ganz  verwischen.    Feste  Regeln  sind  da  nicht  zu  geben,  son- 


32  Die  Geschichlschreiber  der  deutschen  Vorzeit. 

dern  dem  richtigen  Gefühle  des  übersetzenden  mufs  in  jedem  einzelnen 
Falle  die  Entscheidung  überlafsen  bleiben.  Doch  möchten  wir  im  Hin- 
blick auf  manche  der  vorliegenden  Hefte  die  Bemerkung  uns  erlauben, 
dafs  ja  diese  Uebersetzungen  nicht  für  die  eigentliche  wifsenschaft- 
liche  Forschung  über  einzelne  Punkte  bestimmt  sind,  und  daher  be- 
sonders davor  zu  warnen  ist,  dafs  nicht  durch  zu  ängstliche  Genauig- 
keit das  Werk  den  Leser  abschrecke  und  eine  Sprache  vorweise, 
die  weder  alt  noch  neu,  weder  lateinisch  noch  deutsch  ist.  Glück- 
licherweise haben  namentlich  Ab  el  und  Gi  es  ehr  echt  in  sehr  ge- 
lungener Weise  ein  treues  Anschliefsen  an  das  Original  mit  Leichtigkeit 
und  Anmuth  der  Sprache  zu  verbinden  gewust  und  dadurch  ein  rech- 
tes Cluster  aufgestellt,  wie  Aufgaben  dieser  Art  zu  behandeln  sind. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  einer  kurzen  Uebersicht  der  einzelnen 
Stücke,  so  begegnen  wir  leider  gleich  am  Eingange  einem  dicken 
Bande,  von  welchem  nicht  zu  leugnen  ist,  dafs  er  zu  den  weniger  ge- 
lungenen gehört;  auch  hat  er  gleich  bei  seinem  Erscheinen  harten  Ta- 
del erfahren  und  dem  Unternehmen  vielen  Schaden  gethan.  Es  ist 
die  Urzeit,  bearbeitet  von  J.  Horkel,  welcher  mit  den  Berichten 
der  römischen  und  griechischen  Schriftsteller  zu  viel  gelehrte  Unter- 
suchungen und  andere  Zuthaten  verbunden,  und  in  dem  Streben  nach 
Vollständigkeit  ein  etwas  unförmliches  und  wenig  übersichtliches  Vo- 
lumen zu  Stande  gebracht  hat.  Es  kann  nicht  die  Aufgabe  dieser 
Sammlung  sein,  den  Stoff  vollständig  zu  geben;  nie  kann  in  dieser 
Form  der  gesamte  gelehrte  Apparat  vorgelegt  werden.  Um  das  Re- 
sultat der  geschichtlichen  Forschung  kennen  zu  lernen,  liest  man  aus- 
geführte neuere  Darstellungen  der  Geschichte,  diese  Quellen  nur,  um 
den  ungefärbten  Ausdruck  eines  Schriftstellers  der  Zeit  durch  seine 
eignen  Worte  zu  erhalten.  Daher  dürfen  auch  die  Anmerkungen  nicht 
mehr  als  das  zum  Verständnis  nothwendige  enthalten,  und  können 
wir,  nm  das  gleich  hier  zu  bemerken,  es  nicht  billigen,  wenn  Reh- 
dantz  zu  den  Fulder  Annalen  den  Bericht  des  Annalisten  mit  einem 
ergänzenden  und  kritisierenden  Commentar  begleitet.  Uebrigens  fin- 
det der  Leser  in  Hör k eis  Werk,  wenn  wir  auch  dessen  Form  nicht 
billigen  können,  des  nützlichen  viel,  und  manchem  wird  es  will- 
kommen sein,  hier  neben  der  Uebersetzung  der  Germania  und  anderer 
ausführlicherer  Schriften  auch  alle  gelegentlichen  Aussagen  römischer 
Schriftsteller  über  die  Deutschen  gesammelt  zu  finden. 

Nach  Tacitus  ist  noch  eine  Lücke,  welche  bald  ausgefüllt  werden 
wird;  vollendet  aber  liegt  vor  uns,  aus W.  Giesebrechts  gewandter 
Feder,  die  Fränkische  Geschichte  des  G  r  e  g  o  r  i  u  s  von  Tours,  um  so 
schätzbarer,  weil  von  diesem  viel  benutzten  und  genannten,  aber  weit 
weniger  gelesenen  Geschichtschreiber  des  merovingischen  Reichs  noch 
keine  leicht  zugängliche  Ausgabe  vorhanden,  der  Uebersetzung  aber 
der  schon  handschriftlich  berichtigte  Text  zu  Grunde  gelegt  ist. 
Der  Raum  verbietet,  näher  auf  diese  ausgezeichnete  Arbeit  einzugehn; 
wir  bemerken  nur  kurz,  dafs  eine  vortreffliche  Einleitung  den  Leser 
auf  den  Standpunkt  führt,  von  welchem  ein   volles  Verständnis  des 


Die  Gcschichtschreiber  der  deiilschen  VorzeiL  33 

Werkes  inöglich  wird,  dafs  die  Anmerkungen,  oliiie  je  das  Mafs  zu 
überschreiten ,  alles  zur  Erklärung  und  Benutzung  nölliige  enllialtcn, 
und  ein  sorgfältiges  Hegister  die  ßrauclibarkeil  des  Buchs  sehr  eriiöht. 
Beigegeben  sind  dem  Gregor  die  von  ihm  weniger  beachteten  Stamm- 
sagen, welche  sich  im  Fredegar  und  in  der  Chronik  der  Frankenkönige 
(inden.  Hieran  schliefst  sich  unmittelbar  0.  Ab  eis  Frede  ga  r,  nemlich 
der  Theil  der  Chronik,  welcher  über  Gregors  Werk  hinausgeht  und 
daher  als  Quelle  eignen  >\'erth  hat;  auch  hier  fehlt  noch  eine  neue 
Ausgabe  des  lateinischen  Originals,  und  ist  die  Uebersetzung  (wie 
alle  übrigen,  bei  denen  dasselbe  Verhältnis  slalttindel)  nach  dem  be- 
richtigten Texte  gearbeitet.  F^inigc  Auszüge  aus  den  Lebensbeschrei- 
bungen deutscher  Bischöfe  und  Achte  ergänzen  die  dürftigen  Nach- 
richten über  diesen  dunkeln  Theil  der  Geschichte.  Die  barbarische 
Sprache  dieser  Zeit  bot  dem  Uebersetzer  grofse  Schwierigkeiten  dar, 
Meiche  er  aber  sehr  glücklich  überwunden  hat.  Dasselbe  gilt  von 
dem  folgenden  Bande,  welcher  den  Paulus  Diakonus  nebst  den 
übrigen  Gescliichtschrcibern  der  Langobarden  enthält.  Die  schöne  Ein- 
leitung dieses  Bandes  ist  grofsentheils  der  Abhandlung  Bethmanns 
über  die  Geschichtschreibung  der  Langobarden  entnommen;  es  folgt  dann 
das  geschichtliche  Vorwort  zu  dem  Gesetzbuch  König  Rotharis ,  wel- 
ches lateinisch  noch  nicht  vollständig  gedruckt  ist.  An  das  Werk  des 
Paulus  selbst  schliefsen  sich  Auszüge  aus  dem  Leben  der  Päpste  und 
andern  Schriiten,  welche  auch  die  Paulus  noch  fehlenden  letzten  Zeiten 
des  Langobardenreichs  und  die  Sagen,  welche  sich  dem  Untergang' 
desselben  anschloisen,  in  einem  möglichst  vollständigen  Bilde  mit  den 
Worten  einheimischer  Schriftsteller  dem  Leser  darstellen. 

Aufser  der  Geschichte  seines  Volks  hat  Paulus  auch  in  der  Ge- 
schichte der  Bischöfe  von  Metz  die  Herkunft  der  Aruulllnger  beschrie- 
ben ;  dieses  A'N'erk  hat  Abel  mit  den  letzten  Fortsetzern  des  Fredegar 
«nd  Einhards  Jahrbüchern  verbunden;  das  Leben  Kaiser  Karls  von 
Einhard  schliefst  sich  unmittelbar  daran,  und  damit  endigen  die  Bei- 
träge von  Abel,  welche  in  jeder  Hinsicht,  sowohl  durch  die  ungemein 
anziehend  geschriebenen  Einleitungen  ,  als  durch  die  gelungene  Ueber- 
tragung  und  die  sorgfältig  ausgewählten  Beilagen  verwandter  Stücke 
geringern  Umfangs  eine  wahre  Zierde  dieser  Sammlung  ausmachen. 

An  Einhards  Werke  schliefsen  sich  die  volksthümlichen  Erzäh- 
lungen über  Karl  den  Grofsen,  welche  der  Mönch  von  SanctGallen 
uns  aufbewahrt  hat,  vom  Ref.  bearbeitet  und  mit  einigen  kleinern 
Stücken  verbunden,  welche  das  allmähliche  Entstehn  der  Karlsage 
erkennen  lafsen. 

Die  beiden  Lebensbeschreibungen  Ludwigs  des  Frommen, 
Nilhards  Geschichte  des  Bruderkampfes  unter  des  Kaisers  Söhnen, 
und  das  Leben  des  grofsen  Erzbischofs  Bruno  von  Co  In,  der  sei- 
nem Bruder  Kaiser  Otto  I  würdig  zur  Seite  stand,  hat  J.  v.  Jasmund 
bearbeitet.  In  der  Uebersetzung  des  zuletzt  genannten  Stücks  sind 
ihm  kürzlich  von  Hrn.  Wegele  in  sehr  unfreundlicher  Weise  meh- 
rere Flüchtigkeiten  theils  der  Correctur  theils  der  Uebersetzung  nacb- 

A".  Jahrb.  f.  IViil.  ti.  Paed.  Bd.  LXVII.  fift.  1.  3 


34  Die  Gescliichtsclireiber  der  ilei»! sehen  Vorzeit. 

gewiesen  worden,  doch  wird  man  zugeben  niüfsen ,  dafs  solche  Stellen 
nnr  ausnahmsweise  vorkommen;  im  übrigen  aber  hält  sich  die  Ueber- 
tragung  nach  unserer  Ansicht  eher  zu  ängstlich  an  die  Worte  des 
Textes ,  wie  z.  B.  in  der  Ueberselzung  von  villa  Theodonis  durch  'Dorf 
des  Theodo'  statt  Diettenhoven,  wodurch  ohne  ersichtlichen  Nutzen 
das  Verständnis  erschwert  wird  und  der  Lesbarkeit,  welche  doch 
erste  Bedingung  sein  sollte,  Eintrag  geschieht.  So  erkennt  man  auch 
in  den  Worten  *Dich  Gott  loben  wir'  nur  mit  Mühe  den  allbekannten 
Hymnus  'Herr  Gott,  dich  loben  wir'  und  der  deutsche  Text  gibt  des- 
hall)  zwar  die  Worte,  aber  nicht  den  Eindruck  des  lateinischen  Textes 
auf  den  Leser  genau  wieder.  In  weit  höherem  Grade  aber  treffen  diese 
Anssfellungen  die  Uebersetzung  der  A  n  n  a  1  e  n  v  o  n  F  u  1  d  a  und  X  a  n- 
ten,  von  C.  R  eh  da  nt  z  ,  der  es  auch  an  oiTenbaren  Fehlern  nicht  man- 
gelt; wie  wir  vernehmen,  wird  eine  Berichtigung  derselben  noch  nach- 
träglich gegeben  werden,  doch  wird  auch  so  diese  Lieferung  dem 
Plane  des  Unternehmens  am  wenigsten  entsprechen. 

In  die  Zeit  der  fränkischen  Kaiser  greift  bis  jetzt  noch  vereinzelt 
die  Uebersetzung  der  Chronik  Hermanns  von  Heichenau,  des 
Conlracten,  von  K.  Nobbe,  hinüber;  dagegen  liegt  nun  schon  eine  zu- 
sammenhängende Reihe  von  mehr  localen  Geschichtschreibern  der 
sächsischen  Lande  vor.  Der  erste,  Widukind,  welcher  die  Ge- 
schichte des  Sachsenvolks  von  der  ältesten  sagenhaften  Zeit  an  bis 
zu  dem  Tode  seines  gröfsten  Kaisers,  Ottos  I,  mit  der  warmen  Liebe 
und  Begeisterung  eines  echten,  von  dem  hohen  Ruhme  seines  Stam- 
mes ganz  erfüllten  Sachsen  geschildert  hat,  erschien  soeben,  über- 
setzt von  R.  Schottin,  mit  einer  Einleitung  vom  Ref.  versehn.  Daran 
schliefsen  sich  die  höchst  genauen  und  sorgfältigen  Uebertragungen 
des  T  h  i  e  t  m  a  r  v.  31  e  r  s  e  b  u  r  g ,  Adam  v.  Bremen  und  H  e  1  m  o  I  d 
(dem  bald  auch  Arnold  von  Lübeck  folgen  wird),  von  J.  C.  M.  Laurent, 
mit  Einleitungen  von  J.  M.  Lappenberg,  der  seit  vielen  Jahren 
diesen  Schriftstellern  besondere  Aufmerksamkeit  zugewandt  und  die 
Ausgaben  derselben  in  den  Monum.  Germ,  theils  schon  besorgt,  theils 
vorbereitet  hat.  Den  Werth  dieser  Folge  von  ausgezeichneten  Ge- 
schichtswerken wird  niemand  verkennen,  dem  die  Kenntnis  des  alten 
Sachsenlandes  am  Herzen  liegt,  dem  es  Freude  macht  zu  erfahren, 
wie  einst  der  Einllufs  des  deutschen  Namens  über  den  Norden  Euro- 
pas sich  verbreitet  hat,  und  wie  die  früher  von  nachdrängenden  Wen- 
denstämmen besetzten  Lande  gegen  Morgen  durch  harten  Kampf  und 
die  sicherer  und  nachhaltiger  wirkende  friedliche  Colonisation  für 
deutsche  Sprache  und  Sitten  wieder  gewonnen  sind. 

So  ist  es  denn  jetzt  auch  demjenigen,  welchem  die  mühsame  Be- 
schäftigung mit  den  Geschichtschreibern  des  deutschen  ölittelalters  in 
ihrem  ursprünglichen,  oft  abschreckenden  Gewände  fern  liegt,  durch 
diese  Uebersetzungen  möglich  gemacht,  sich  ein  lebendigeres  Bild 
unserer  Vorzeit  zu  verschaffen,  als  es  aus  neuern  Bearbeitungen  sich 
gewinnen  läfst:  denn  der  Gewinn,  welcher  aus  dem  lebendigen  Ver- 
kelir  mit  gleichzeitigen  Berichterstattern  zu  schöpfen  ist,  läfst  sich 


Die  Gescliichlsclireihor  der  deiilsclien  Vorzeif.  35 

durch  nichls  anderes  erselzen.  Vor  allem  al)er  g-laiiben  wir  mit  Sicher- 
heit liotTeii  zu  dürlen,  dals  die  l>elirer  deutscher  Geschichte  an  un- 
sern  Schulen  die  Gele<>enheil  nicht  versäumen  werden  an  dieser  Quelle 
zu  schöpfen;  in  der  deutschen  Spraclie  tritt  uns  die  liigenlhümlichkeit 
des  Schriftstellers  und  die  Gesamlheil  seines  Werkes  reiner  entgegen 
als  in  der  fremdartigen  lateinischen  Form,  wo  unwillkürlich  die  Auf- 
merksamkeit immer  an  den  Einzelheilen  haftet. 

Ein  bedeutender  und  schöner  Tiieil  der  deutsciieu  Geschichte  ist 
nun  schon  auf  diese  Weise  dem  Volke  näher  gebracht;  wenige  Jahre 
werden  auch  die  fränkischen  und  Iiolicnstauüschen  Zeiten  hinzufün-en 
und  so  den  alten  Glanz  und  liulim  der  IJeutscIien,  nicht  ohne  die  deut- 
lich hervortretenden  Ursachen  spätem  Verfalls,  zu  allgemeiner  Be- 
lehrung und  warnendem  Beispiel  ollen  darlegen. 

Die  Verbreitung  und  allgemeinere  Benutzung  der  Sammlung  wird 
wesentlich  davon  abhangen,  wie  es  den  Uebersetzern  gelingt,  ihre 
Schriftsteller  in  einer  Form  und  Sprache  wiederzugeben,  welche  jeder 
mit  Wohlgefallen  und  ohne  Anstofs  lesen  kann,  welche  ihn  vergefsen 
läfst,  dafs  er  nicht  das  Originalwerk  selbst  vor  sich  hat.  Da  früher 
nur  wenige  und  wenig  bekannte  Versuche  der  Art  gemacht  sind,  war 
bei  dem  Beginn  der  Sammlung  die  Gefahr  am  gröfsten,  den  richtigen 
Ton  zu  verfehlen  ;  die  jetzt  vorliegende  Reihe  von  Schriftstellern  läfst 
mit  Leichtigkeit  die  befsern  Muster  auswählen,  und  so  glauben  wir 
schliefslich  die  HolTnung  aussprechen  zu  dürfen,  dafs  die  folgenden 
Lieferungen  nicht  nur  die  Reihe  vervollständigen,  sondern  auch  dem 
Innern  \^  erthe  nach  den  besten  Arbeilen  sich  anschliefsen  werden. 

Berlin.  VV.   Waflenbach. 


Geist  des  römischen  Rechls  auf  den  verschiedenen  Stufen  seiner  Ent- 
wicklung, von  Rudolph  Iherin^.  Erster  Theil.  Leipzig,  Druck 
und  Verlag  von  Breitkopf  und  Härtel.     1852.     VIII  u.  d'dö  S.  8. 

Dieses  Buch  zeichnet  sich  durch  die  Gröfse  und  die  Bedeutsam- 
keit der  gestellten  Aufgabe  sowie  durch  die  Darlegung  und  Durch- 
führung neuer  und  fruchtbarer,  wahrhaft  geistreicher  Ideen  in  glei- 
cher Weise  aus.  Der  Verf.  beabsichtigt  nichts  geringeres  als  eine 
umfafsende  Kritik  des  römischen  Rechts  vom  special -historischen, 
universal -historischen  und  legislativen  Standpunkte.  Der  erste 
Standpunkt  führt  zu  einer  Charakteristik  des  römischen  Rechts  auf 
den  verschiedenen  Stufen  seiner  Entwicklung,  zu  einer  römischen 
Rechtsgeschichte.  Der  vorliegende  erste  Theil  des  ^  Geists  des  römi- 
schen Rechts'  behandelt  die  erste  jener  Entwicklungsstufen,  die  erste 
Periode  der  Rechtsgeschichte.  In  der  Auffafsung  der  Aufgabe  der 
Rechtsgeschichte  weicht  der  Verf.  von  der  gewöhnlichen  Auffafsung 
ab.    Bisher  war  es  Ziel  der  römischen  Rechtsgeschichte,  die  Rechts- 

3* 


36  lliering:  Geist  des  rüinischen  Hechts.     Ir  Tlieil. 

Sätze  und  Rechtsinslilute  dnrzustellen  und  sie  im  Sinne  der  reinen 
rümisclien  Theorie  zu  beleuchten.  Der  Verf.  \veisl  nach,  wie  man 
weder  durch  eine  Reconstruction  der  ausgesprochen  g-ewesenen  Rechts- 
Sätze,  noch  durdi  eine  Reproduction  der  reinen  römischen  Theorie  zu 
einem  Verständnis  der  organischen  Entwicklung  des  römischen  Rechts 
gelangt,  indem  man  den  Fehler  begeht,  die  wirklich  zum  Ausdruck 
gelangten  Rechtssätze  mit  dem  gleichzeitigen  Rechtsbewustsein  über- 
haupt zu  verwechseln,  und  die  Ansichten  der  römischen  Juristen,  de- 
nen der  Sinn  für  die  Auffafsung  organischer  Entwicklung  ebenso  fern 
lag  wie  den  andern  w ifsenschaftlichen  Bestrebungen  des  Alterthums, 
für  die  letzte  erreichbare  Grenze  der  modernen  \Nilsenschaft,  der  doch 
ganz  andere  Mittel  zu  Gebote  stehen,  zu  halten.  Wenn  durch  die  bis- 
herige in  Ziel  und  Mitteln  beschränkte  Behandlung  der  römischen 
Rechfsgeschichte  diese  zu  einer  Hilfswifsenschaft  für  die  dogmalische 
Bearbeitung  des  Rechts,  zu  einem  geschichtlichen  Repertorium  statt 
zu  einer  Geschichte  geworden  ist,  so  will  der  Verf.  nun  die  Rechts- 
geschichte von  ihrer  Abhängigkeit  frei  machen;  er  vindiciert  ihr  wi- 
fsenschaftliche  Selbständigkeit,  indem  er  verlangt,  dafs  sie  die  psy- 
chische Organisation  des  Rechtsorganismus  ■ —  den  Zusammenhang  des 
Rechts  mit  dem  Volksgeiste,  der  mit  dem  Geiste  des  Rechts  eins  ist 
—  in  ihrer  geschichtlichen  Entwicklung,  den  Rechlsorganismus  nicht 
als  logisches  System,  sondern  als  rechtliche  Gestaltung  der  Wirklich- 
keit darstellen  soll  (S.  59). 

Es  ist  leicht  ersichtlich,  wie  sehr  der  Verf.  durch  diese  Formu- 
lierung der  Aufgabe  den  specilisch  philologischen  Aufgaben  in  Betreff 
der  Erkenntnis  des  Lebens  und  Wesens  des  römischen  Volkes  sich 
nähert.  Deshalb  auch  ist  die  Anzeige  dieses  \A'erkes  von  einem  Phi- 
lologen und  in  einer  philologischen  Zeilschrift  gerechtfertigt.  Die 
Aufgabe  der  Rechfsgeschichle  ist  nach  des  Verfalsers  Ansicht  weder 
zu  lösen  durch  die  synchronistische  Methode  Hugos,  der  die  Rechts- 
geschichte nach  äufserlichen  Zeitabschnitten  einlheilt  und  in  jeder  Pe- 
riode die  sämtlichen  Institute  der  Reihe  nach  betrachtet,  um  in  der 
folgenden  Periode  wieder  von  vorn  anzufangen,  noch  durch  die  chro- 
nologische Jlethode,  die  die  äufsere  Rechtsgeschichte  nach  Perioden 
abhandelt,  in  der  Innern  Rechtsgeschichte  aber  eine  Geschichte  der 
einzelnen  Rechtsinstitule  an  die  Stelle  der  Geschichte  des  Rechts  setzt. 
Der  Verf.  folgert  vielmehr  aus  dem  ßegrilTe  des  Rechts  und  aus  dem 
der  Geschichte,  dafs  man  die  Rechtsgeschichte  nach  den  mittelst  in- 
nerlicher Kriterien  zu  erkennenden  Verschiedenheiten  der  Rechts- 
systeme, welche  Stufen  der  Rechtsentwicklung  repraesentieren,  glie- 
dern müfse.  Dem  Moment  der  Zeit  kann  dabei  eine  nur  untergeordnete 
relative  Geltung  beigelegt  werden;  denn  wenn  auch  im  ganzen  und 
grofsen  die  Stufen  der  Rechtsentwicklung  gewissen  zeitlichen  Ab- 
schnitten entsprechen,  so  gedeihen  doch  die  Veränderungen  und  Um- 
gestaltungen auf  dem  Gebiete  der  Rechlsentwicklung  viel  zu  allmäh- 
lich, als  dafs  man  sie  mit  dem  engen  Mafsstabe  eines  Jahres  oder 
Jahrzehends  mefsen  könnte ,  geschweige  denn  dafs  es  möglich  w  äre, 


Ilieriiig:  Geisl  des  löiiiischcn  Rcchls.    Ir  Tlicil.  ,37 

die  Grenze  der  Perioden  selbst  nur  diircli  Angabe  eines  Jalirliiinderls 
ricbtijj  zu  bezeicbnen.    \N  ir   <>laul)en  auf  den    einleitendcin  Abschnill 
des  ßnches,  in  dem  der  Verf.  die  Anlfrabo  und  Methodik  der  IJeehls- 
gescbichte  bespricht,  besonders  aufmerksam  machen  zu  müfsen.      Der 
philologische  Leser   wird   daraus  manchen    nicht   etwa   blols   für  die 
Darstellung  der  römischen  Antiquitäten  beaclitenswerthen  Wink   ent- 
nehmen und   insbesondre   dem  Verf.  fiir  die  geisireiche  Zergliederung 
des  BegrilFes  'Hecht'  dankbar  sein.    Der  Verf.  betrachtet  die  Structur 
des  Rechts  sowohl  anatomisch,  indem  er  die  Verkörperung  des  Hechts 
in  Hechtssiilzen  und  Hechfsinslitulen  von  dem  Geiste  des  Hechts,  der  psy- 
chischen Organisation  desselben  unterscheidet,  als  auch  physiologisch, 
indem  er  an  die  Functionen   des  Hechts    den  Mafsstab   der  materiellen 
und  formeilen  Healisierbarkeit  des  Hechts  legt.   Diese  Darstellung  wird 
auch  für  Juristen  neu  sein;  wir  können  nur  den  Wunsch  aussprechen, 
dafs  die  Leser  sich  nicht  durch  die  Manieriertheit  des  Ausdrucks,   die 
auf  den  ersten  Blick  mitunter  barock  erscheinende  Terminologie,  die 
Dunkelheit  der  Sprache   in  manchen   Partien   mögen   abstofsen  lafsen. 
Es  ist  natürlicii,  dafs,  wer  sich  in  die  sinnlicher  Fafsungskraft  entzo- 
genen Tiefen  des  BegrilFs  vertieft,    vielfach    mit   der  Sprache    ringen 
mufs,  um  ihr  den  passenden  Ausdruck  abzugewinnen,  dafs  er  vielfach 
zu  Bildern  und  Metaphern  greifen  mufs,   wo  ein  kyriologischer  Aus- 
druck  fehlt.      Diese  Fehler,    wenn  es  wirklich  Fehler  sind,  hat  das 
Buch  mit  den  bedeutendsten  und  epochemachendsten  Werken  gemein. 
Unwillkürlich  fühlte  der  Ref.  sich  bei  manchen  Stellen  des  Ihering- 
schen  Buches  an  W.  v.  Humboldts   grundlegendes  Werk  'über   die 
Verschiedenheit  des  menschlichen  Sprachbaues '  erinnert.     Besonders 
interessant  für  philologische  Leser  sind   die  mehrfachen  Rezugnaluneu 
auf  das  gleichartige   in    der   Entwicklung  der   Sprache   mit  der  des 
Rechts.     Es  scheint,   dafs    dem  Verf.   selbst   mancher   Gesichtspunkt 
aus  dieser  Quelle  gekommen  ist.     Sichern  Takt   verräth  es,    dafs  der 
Verf.    für   Parallelen    des  Rechls  und    der  Sprache    sich   auf  die    von 
Pott  ausgesprochenen  Anschauungen   vom  Wiesen   und  Werden    der 
Sprache  beruft. 

Der  Verf.  unterscheidet  in  der  Entwicklung  des  römischen  Rechls 
drei  Systeme:  das  vorrömische,  das  specilisch  römischnaliouale  und 
das  supranationale.  In  dem  vorliegenden  ersten  Theile  stellt  er  das 
vorrömische  System  dar,  dessen  Entstehung  in  die  Urzeit  der  indo- 
germanischen Völker  fällt,  und  aus  dem  sich  während  der  römischen 
Königsherschaft  das  zweite  System  entwickelt.  Die  Vergleichung  mit 
dem  Hechte  der  Germanen,  die  acht  Jahrhunderte  nach  Roms  Grün- 
dung noch  in  diesem  Urzustände  des  Rechts  sich  befanden,  die  Ety- 
mologie von  Wörtern  aus  dem  Kreise  des  Rechtslebens,  in  denen  sich 
träumerisch  unbewust  der  Geist  jenes  ursprünglichen  Hechtszustandes 
ausgeprägt  hat,  Rückschlüfse  aus  den  spätem  Instituten  des  Rechls, 
alles  dieses  macht  der  Verf.  dem  Zwecke  dienstbar,  jenes  ursprüng- 
liche Rechlssysfem  zu  r  econstruieren.  Ich  sage  absichtlich  reconstruie- 
ren;  denn  es  würde  falsch  sein,  das  Bemühen  des  Verfafsers  mit  den 


38  Ihering:  Geist  des  löinischea  Kechfs.    Ir  Tlieil. 

sogenannten  Construclioncn  der  Gescliichte  zu  vergleichen.  Das  Bild, 
welches  er  von  dem  Urzustände  des  Rechts  entwirft,  ist  nicht  auf 
Grund  abstracler  Praemissen,  sondern  auf  Grund  concicler  Thalsachen 
—  sprachlicher  und  rechtsgeschichllicher  —  entworfen.  Es  ist  nicht 
der  mythische  Reflex  späterer  Zustande,  dem  die  alten  ihre  Vorstel- 
lungen von  dem  Urzustände  des  3Ienschengeschlcchls  entnahmen,  es 
ist  nicht  der  speculative  Reflex,  den  die  Theorie  der  Philosophen  ih- 
ren selbslgeschliirenen  Spiegeln  entlockt;  es  ist  vielmehr  ein  solches 
l)ild,  zu  welchem  die  hislorisciie  Forschung,  wenn  sie  überhaupt  im 
Stande  ist,  organische  Entwicklung  zu  begreifen,  nicht  blofs  hier  son- 
dern überall  vordringen  kann.  Was  der  Verfafser  versucht,  damit 
verläfst  er  allerdings  die  ausgetretenen  Wege  der  Wifsenschaft,  er 
überschreitet  aber  nicht  die  Grenzen  der  historischen  Wifsenschaft 
selbst.  Die  gemeinsamen  Bemühungen  vieler,  dem  factischen  Zustande 
der  Sprachen  Schlüfse  über  die  vorgeschichtliche  Entwicklung  der 
Sprachen,  ja  über  den  Ursprung  der  Sprache  selbst  abzugewinnen, 
mögen  dem  Verf.  das  Bewustseiu  geben,  dafs  er  mit  seinem  wifsen- 
schaftlichen  Streben  nicht  ganz  vereinzelt  steht,  wenn  er  auch  inner- 
halb der  Jurisprudenz  gerade  wegen  dieses  Punktes  viele  AngrilTe  zu 
bestehen  haben  wird. 

Zur  Darstellung  der  ursprünglichen  Elemente  des  Rechts  bahnt 
sich  der  Verf.  den  Weg  durch  eine  Kritik  der  Sagen   der  Römer  von 
der  Entstehung  ihres  Rechts  (S.  90 — 98).    Die  Sage  setzt  einen  recht- 
losen, gewaltthätigen  Zustand  als  ursprünglich.     Sie   läfst  denselben 
gebändigt  und  gesittigt  werden  durch   die  königliche  Gewalt  und  die 
Macht  der  Familie.     Während   die  Sage    diese   beiden  3Iächte  in  der 
Person  des  Romulus,  des  ersten  Königs,  darstellt,  läfst  sie  die  Macht 
der  Religion  erst  unter  dem  zweiten  Könige,  unter  Numa  Pompilius, 
■wirksam  werden.      Das  Völkerrecht   betrachtet  die   Sage  als  zuletzt 
entstanden,  indem  sie  es  von  Ancus  Marcius  ableitet.     Diese  Darstel- 
lung der  "^  Kosmogonie  des  Rechts'  ist  rüeksichtlich  des  letzten  Punk- 
tes nicht  ganz  objectiv  richtig.     Der   Verf.    hat   die  Sage  vor  Augen, 
der  Livius  I,  32  folgte.      Aber   das  war   nicht  allgemeingillige  Sage. 
Livius  selbst  Widerspricht   sich,    da   er  schon   I,  24  die   Fetialen  in 
völkerrechtlicher  Wirksamkeit  unter  Tullus  Hostilius  geschildert  hat, 
und  von   diesem  Könige  leitet  denn  auch  Cicero  die  Einführung  des 
Völkerrechts  ab,  während  Dionysius  die  Begründung  auch  des  Felia- 
lencollegiums  dem  Numa  Pompilius  zuschreibt.     Der  Verf.   hätte  also 
nicht  sowohl  auf  die  bestimmte  Fafsung  der  Sage  bei  Livius,    als  auf 
das  Fluctuieren  derselben  den  Schlufs  bauen  sollen,  dafs  das  Völker- 
recht in  der  Entwicklung  des  römischen  Rechtsbewustseins  am  späte- 
sten zur  Anerkennung  gekommen  sei.     Die  innerlich  richtigste  Form 
der  Sage  ist  ohne  Zweifel  die,  welche  Cicero  befolgt.    31it  Recht  hebt 
übrigens    der  Verf.  als   einen   das  römische  Volk   charakterisierenden 
Zug  der  Sage  das  Erscheinen  des  Princips   der  Religion   an  zweiter 
Stelle  hervor. 

In  dieser  römischen  Sage  von  der  Entstehung  des  Rechts  erkennt 


Iliering-:  Geist  des  röiiiisclieii  HecIiLs.     Ir  Tlieil.  39 

der  Verf.  nur  das  volksfliüniliclu!  Ik-slrcben ,  lioin  alles  sich  selbst 
verdanken  zu  lal'sen,  wülircnd  in  der  Tiiiil  die  I'rincipien,  welche  die 
Sage  mythisch  ausdrückt  und  durch  Thalen  der  Könige  repraesenlierl.^ 
iilter  als  das  römische  Volk  sind.  Es  sind  aber,  ihrer  mythischen 
Hülle  entkleidet,  das  Frincip  des  subjectiven  Willens,  das  staalsbil- 
«lende  Princip  der  Familie  und  der  \\  ehrverfafsung,  das  Princip  der 
Keligiosiliil,  welche  als  elementare  Factorcn  der  römischen  Hechlsbil- 
dung  betrachtet  werden  miifsen.  Von  diesen  Principien  ist  das  erste 
der  äufserste  Ausgangspunkt  des  römischen  Hechts,  die  Basis,  auf 
welcher  die  beiden  andern  fortbanen.  Mit  der  Aufstellung  des  ersten 
Princips  erkennt  der  Verf.  also  die  Herleilung  des  jus  ans  der  vis 
an,  d.  h.  nicht  aus  der  Gewalt,  die  den  Gegensatz  des  Hechts  bildet, 
sondern  aus  der  persönlichen  Thatkraft,  die  ihre  moralische  Berechti- 
gung in  sich  selbst  tragt.  In  diesem  Urquell  des  Hechts  sind  die  Ge- 
gensätze von  Jus  und  tis  noch  nicht  dilTerenziert.  Dals  dies  wirk- 
lich die  Entstehung  des  Hechts  sei,  sucht  der  Verf.  theils  aus  der 
.Sprache  tiieils  aus  der  Art  der  spätem  Hechfsinslilute  zu  beweisen. 
\Nir  glauben,  dafs  ihm  der  Beweis  im  ganzen  gelungen  ist,  obwohl 
wir  nicht  mit  allen  spraclilichen  Combinationen  des  Verfafsers  einver- 
standen sein  können.  Ein  nicht  zu  verachtender  sprachlicher  Beweis 
ist  ihm  entgangen.  Dafs  die  vis  Quelle  des  Hechts  sei,  dafür  spricht 
entschieden  der  Gebrauch  jenes  Wortes  von  dem  rechtskräftigen  Volks- 
willen, den  Cicero  in  einer  bekannten  Stelle  (de  rep.  II,  22)  mit  r/'s 
popuU  tittirersa  bezeichnet.  Indem  wir  die  Beurlheilung  der 
figentlich  juristischen  üeductionen  den  Juristen  überlafsen,  wollen 
wir  diese  der  Sprache  entnommenen  Beweise  näher  beleuchten,  be- 
merken jedoch  im  voraus,  dafs  unsre  Ausstellungen  keinen  Tadel  ge- 
gen die  Leistungen  des  Verfafsers  enthalten  sollen,  der  mit  weiser 
Selbstbeschränkung  auf  diesem  Gebiete  kein  eignes  Urlheil  bean- 
sprucht, dafs  sie  vielmehr  im  Interesse  der  vom  Verf.  vertheidigten 
Sätze  selbst  gemacht  werden,  da  wir  dieselben  mit  richtigem  Etymo- 
logien stützen  zu  können  glauben. 

Der  Verf.  meint,  dafs  die  lateinische  Sprache  die  äufsern  Glücks- 
güter als  etwas  göttliches  bezeichne,  indem  sie  sie  bona  und  di- 
ritiae  nenne  (S.  106),  es  sei  aber  nicht  die  Glücksgöttin,  der  man 
sie  verdanke,  sondern  die  fortmia,  die  dem  starken  beistehe,  und 
daher  werde  auch  im  Lateinischen  Heichthum  {opes,  copia)  als  Pro- 
duct  mühseliger  Arbeit  bezeichnet  (opcra);  diesen  Worten  und  anfser- 
dem  noch  optumus,  opulentus^  optare,  opima  (spolid)  liege  eine  und 
dieselbe  Wurzel  zu  Grunde.  Diese  Zusammenstellung  ist  gänzlich  un- 
haltbar. Allerdings  geht  divitiae  auf  die  Wurzel  div  zurück,  von 
welcher  auch  rfec«,  deus  abgeleitet  ist;  aber  zunächst  niufs  man  doch 
bei  divitiae  an  die  Grundbedeutung  jener  ^^'urzel  'glänzen'  denken, 
nicht  an  die  Bedeutung,  die  jene  Wurzel  in  einer  andern  Ableitung 
angenommen  hat.  Die  divitiae  heifsen  vom  'Glänze',  und  nicht  von 
den  Göltern,  die  vielmehr  ihrerseits  auch  vom  Glänze  benannt  sind. 
Das  Adjectivum  bonus  aber  nebst  beare  auf  jene  Wurzel  div  zurück- 


40  Ihering:   Geist  des  röinischeii  Hechts.    Ir  Tlieil. 

zuführen,  ist  an  und  für  sicli  schon  mehr  als  gewagt.  Ehenso  wenig 
hat  nun  aber  auch  trotz  des  Spruches  fortem  fortuna  adjuval  die 
forluna  irgend  etwas  mit  dem  ßegrilfe  der  Starke  zu  tluin.  Gesetzt 
dafs  beide  Wörter  auf  der  ^^'urzei  fer  beruhen,  so  hat  jedes  seine 
specifische  Bedeutungsentwicklung  für  sich  durchgemacht,  indem  dort 
die  Bedeutung  des  Kraft  erfordernden  Tragens,  hier  die  des  zufalligen 
llerbeibringens  (vergl.  fori)  in  den  Mittelpunkt  trat.  Von  den  mit  up 
anlautenden  Wörtern  ist  optumus  jedesl'alls  auszuscheiden,  da  es 
Superlativ  des  Localadverbs  ob  ist;  und  wenn  alle  übrigen  auch  in 
letzter  Instanz  auf  einer  und  derselben  Wurzel  beruhen  sollten,  so 
würde  die  Bedeutung  dieser  ^\'urzel  doch  nicht  in  der  Bezeichnung 
der  Kraft  bestehen,  wie  Ihering  voraussetzt,  sondern  die  Bedeutung 
der  letzterreichbaren  Wurzel  (skr.  äp^  lat.  ap-isci)  ist  die  des  Ge- 
hens, Kommens. 

Aber  Hr.  Ihering  kann  diese  ganze  Combination  getrost  fallen 
lafsen,  da  sie  eigentlich  nur  zur  Einleitung  seines  Ilauptbeweises 
dient,  dieser  aber  unserer  Meinung  nach  unumstöfslich  ist.  Denn  so 
gewis  manu  capere  ^mit  der  Hand  greifen'  heilst,  so  gewis  wird  das 
Eigenthum,  wenn  es  die  Sprache  durch  das  Wort  tnanctpium  bezeich- 
net, von  der  Sprache  als  ein  Ausflufs  gewaltthatiger  Aneignung  be- 
zeichnet. Zum  symbolischen  Ausdruck  eines  Rechtsverhältnisses,  fügen 
wir  hinzu,  kann  nur  das  Volk  die  Hand,  manus^  stempeln,  dem  das 
Recht  in  der  physischen  Obmacht  w  urzelt.  Je  mehr  diese  sich  im  Ver- 
hältnis von  Mann  und  Frau  sichtbar  geltend  macht,  um  so  stärker 
nuiste  gerade  für  dieses  Verhältnis  der  symbolische  Ausdruck  sich 
lixieren,  während  er  in  andern  Verhältnissen  andern  Ausdrücken  Platz 
machte,  die  aber  auch  wieder,  wie  z.  B.  poteslas,  den  Begriff  der 
Macht,  des  physischen  Vermögens  in  sich  schliefsen.  Das  lateinische 
potis^  skr.  pati  'Herr',  griech.  noöig  ^Eheherr',  sind  dieselben  Wör- 
ter. Und  wie  im  Griechischen  die  Hand  i^^Q  heifst,  weil  das  Greifen, 
Nehmen  das  ihr  charakteristische  ist  (vergl.  skr.  hr  ^lehmen'),  so 
dürfte  auch  im  Lateinischen  dieselbe  Bedeutung  in  dem  Worte  munus 
zu  suchen  sein,  das  ohne  Zweifel  von  W^urzel  man  herzuleiten  ist, 
die  zwar  in  ihren  Ableitungen  meist  verschiedene  Arten  geistiger 
Thätigkeit  bezeichnet  (^memini,  mens),  deren  körperliche  Grundbe- 
deutung jedoch  in  iievca,  (lii-iova,  müneo  noch  durchblickt. 

Sehr  mit  Recht  legt  Hr.  Ihering  Gewicht  darauf,  dafs  die  latei- 
nische Sprache  das  Kaufen  als  ein  Nehmen  {emere)  bezeichnet.  Fast 
noch  significanter  ist  es,  dafs  die  lateinische  Sprache  den  Eigenthü- 
mer,  den  Herrn,  geradezu  den  'Nehmer'  nennt.  Denn  hcrus  ist  ohne 
Zweifel  die  einfachste  Nominalableilung  von  Wurzel  Ar,  von  der  die 
griechische  Sprache  ihr  Wort  für  Hand,  xbCq,  herleitete.  Wie  kaufen 
gleich  nehmen  ist,  so  ist  verkaufen  gleich  geben.  Das  zeigt  sich  noch 
im  spätem  venumdare,  vendere;  aber  ursprünglich  war  dare  allein 
hinreichend,  und  davon  heifst  der  (verkaufende)  Eigenthümer  dö- 
tninus,  wie  der  erwerbende  Eigenthümer  h(^rus  heifst.  Beide  Wörter 
zusammen,    heriis  et  dumiiius,    bezeichnen   das   unumschränkte  Ver- 


Ilioriiig:  Gcisl  des  römischen  lieelils.     Ir  Tlieil.  41 

füfi^ungsreelit,  das  jus  emendi  et  veudendi.  Wer  an  dieser  Ableitung' 
von  dominus  zweifeln  sollte,  den  erinnern  wir  rücksiclillicli  des  Suf- 
lixes  an  f'e-mina^  ter-minus^  rüclisiclillieii  der  Verwendung  der  Wur- 
zel an  das  von  derselben  Wurzel  ahf^eleilele  8ovlog^  d.  i.  der  ver- 
kaufte. Mit  döiitus^  ()ojtiot,",  doni-are  ha!  duminus  direel  nichts  zu  Ihtin, 
aber  allcrdiM<>s  berulien  jene  Wörter  auf  einer  \>  urzel  (daiit),  die  als 
weitere  Eulw  ickluny  von  da  betrachtet  ^^er(leM  iiiiifs.  Abgesehen  von 
andern  (iründen  würde  dominus  schon  dcsiiall)  nicht  von  domus  abzu- 
leiten sein,  weil  jenes  in  älterer  Form  duhcnus  hiefs,  wie  der  Excerp- 
tor  des  Festus  ani>ibt,  eine  Form  die  mit  domus  schwerlich,  mit  Wur- 
zel da  sehr  leicht  vermittelt  werden  kann,  da  diese  gerade  in  den 
alterthümlichen  Conjunclivformen  als  du  erscheint  (du-im).  Im  Suflix 
halte  ich  b  für  m  verschrieben,  da  dubenus  in  der  Mitte  von  ^^'örtern 
steht,  die  mit  dum  anfangen*,  mentis  aber  steht  dem  griechischen 
Participialsuflix  (levog  noch  um  eine  Stufe  näher  als  minus.  Hr.  I  be- 
ring gründet  auf  die  Form  duhcnus  die  Vermuthung  (S.  107  Anm.), 
dafs  dominus  mit  honus  verwandt,  also  eigentlich  'der  mit  Glücks- 
giitern  gesegnete'  sei.  Er  hätte  sich  hierfür  auf  die  Auctorität  Ben- 
feys  berufen  können,  der  allerdings  dominus  und  bonus  von  Wurzel 
div  ableitet  (\\'urzellex.  11,207).  So  bedenklich  ich  nun  auch  die 
Vermittlung  beider  \Nörter  auf  diese  Weise  halte,  so  waiirscheinlich 
ist  mir  ihr  Zusammenliang  in  der  Wurzel  du.  Denn  duonus,  die  ältere 
Form  für  bonus.,  würde  als  Participium  Passivi  das  "^gegebene'  be- 
zeichnen, bonum  also  eine  Schwesterform  von  donum  sein.  Die 
ethische  Bedeutung  des  'guten'  würde  sich  aus  jener  Grundbedeutung 
ebenso  leicht  entwickeln,  wie  sie  sich  aus  der  Grundbedeutung  des 
'seienden'  im  griechischen  svg  (von  W.  ig.,  wie  Tjövg  von  Wurzel  ijö) 
entwickelt  hat.  Doch  um  auf  dominus  nochmals  zurückzukommen, 
so  mag  eine  Bestätigung  unserer  Etymologie  in  dem  Worte  dJtio  ge- 
funden werden,  das  als  nomcn  actionis  der  Wurzel  da  (vergl.  super- 
sHtio  von  s<a),  gerade  wie  das  nomen  ai/enlis  jener  Wurzel  dominus 
zu  der  praegnanten  Bedeutung  des  unbeschränkten  Verfügungsrechts, 
der  Botmäfsigkeit,  oder  mit  andern  Worten  zur  Synonymität  mit  po- 
tesfas,  imperium.,  dominium  gelangt  ist. 

Die  Hauptart  gewaltsamer  Aneignung  ist  die  kriegerische  Er- 
beulung.  Gaius  selbst  sagt:  maxime  sua  esse  credebant,  quae  ex 
hostibus  cepissent.  Daher  ist  praedium.,  der  allgemeinste  Ausdruck 
für  Eigenthum  an  liegendem  Grunde,  unverkennbar  mit  praeda  ver- 
wandt, und  die  Eintheilung  der  Sachen  in  res  mancipi  und  res  nee 
niancipi  bezieht  der  Verf.  nach  Puchtas  Vorgang  auf  die  ursprüng- 
lich kriegsrechtliche  Erbeutung  jener.  Daher  ist  denn  auch  der  Speer 
Symbol  des  Eigenthums,  der  Haub  und  die  Scheitelung  des  Haares  der 
Braut  mit  der  haslu  caelibaris  symbolischer  Ausdruck  für  die  Ob- 
macht  und  das  Recht  des  Mannes.  Den  Mann  nennt  die  lateinische 
Sprache  nicht  nach  seinem  Geschlechte,  sondern  nach  seiner  kriege- 
rischen Thätigkeit;  dafs  vir  und  vis  verwandt  sei,  spricht  Hr.  I be- 
ring nur  zu   z\>eifelhafl  aus  (S.  113).     Es  stehen  der  Zusammenslcl- 


42  Ihering:    Geisl  des  lömisclieii  Hechls.     Ir  Theil. 

lung  allerdings  eiiiij^e  Bedenken  entgegen;  diese  lal'sen  sich  indes 
durch  die  Annahme  heseitigen,  dals  von  einer  Wurzel  vi  (die  ver- 
■\vandt  wäre  mit  g'i^  siegen,  g'iv^  lebeii,  «v»o,  nigeo,  griech.  /it'og,  ßla) 
herkäme  einerseits  durch  das  Suflix  ro:  vir  (viro ,  vgl.  skr.  vi7-a^ 
lat.  puer^  por  von  ^^'llrzel  pu),  andererseits  ohne  thematisches  Sufiix 
als  Wurzelsub.slantiv  ris,  in  dessen  pluralische  Decliualion  das  tliema- 
lisciie  Sufiix  is,  er-is  (vergl.  citi-is,  pulvis,  er-is)  eingedrungen  sei, 
um  durch  Peritlosyllabie  die  Declinalionsfähigkcit  überhaupt  zu  er- 
halten (daher  vires  für  vi-eres).  In  dem  Namen  des  Volkes  Quiriles 
kann  ich  übrigens  nicht  eine  Bezeichnung  der  Mannhaftigkeit  oder  der 
kriegerisciien  Tüchtigkeit  finden.  Während  man  gewöhnlich  Quiritcs 
direct  von  quiris,  Lanze,  herleitet,  legt  sich  Hr.  I  bering  mit  Bei- 
behaltung dieser  Herleilung  die  Sache  so  zurecht,  dafs  die  Lanze  des- 
halb (/M/r/s  heifse,  Aveil  sie  Attribut  der  curia,  d.  i.  (nach  Pott)  der 
com-viria,  der  Männergemeinschaft  sei,  wofiir  er  sich  auf  das  deut- 
sche Wort  ^Kunkel'  beruft,  in  dem  in  gleicher  A^  eise  ein  Attribut  der 
Frauen  nach  dem  Namen  der  Frau  (Jivnliela  von  quenä  oder  koiid)  be- 
nannt sei.  Indem  wir  diese  letzte  Parallele  auf  sich  beruhen  lafsen, 
müfsen  wir  uns  entschieden  gegen  die  Erklärung  des  Wortes  curia 
aus  com-riria  erklären,  trotz  der  verführerischen  Analogie  von  de- 
curin  und  centuria.  Wir  verbinden  im  Gegentheil  cTiria  direct  mit 
griech.  kvqicc  £.y.Kh]GLCi  (trotz  Pott  II,  493).  In  der  Wurzel  y.vq^  kolq 
(wovon  v.Oi^c(vog),  lat.  coer  (^coerare  ~-=  curare,  vergl.  griecli.  nv- 
poco),  d.  i.  coir  oder  (juir,  lag  die  Bedeutung  der  endgiltigen  Ent- 
scheidung; davon  heifst  im  Lateinischen  quiria,  coeriu,  curia  (vergl. 
po-moer-itim  zu  muriis,  puina  zu  poena,  I'oeni  zu  Pmiicus),  und  wäii- 
rend  dies  Wort  selbst  in  der  letzlen  Gestalt  üblich  wurde,  sprofsen 
aus  der  altern  Form  die  Ableitungen  Quirites,  d.  i.  die  Curienmäuner, 
die  in  den  Curien  stimmberechtigten  Bürger,  Juno  Quiritis,  Quirinus 
liervor.  Der  Zusammenhang  der  Juno  (Juirifis  mit  den  Curien,  in  de- 
ren jeder  sie  einen  Altar  hatte,  ist  bekannt.  Quirinus  repraesenliert  die 
bürgerliche  Thätigkeit  des  populus  liomanus  Quiritium,  wie  Mars  die 
kriegerische.  Im  Gebiete  der  Götter  sind  Mars  und  Quirinns  diesel- 
ben Gegensätze,  die  in  der  Prosa  des  Lebens  durch  die  stereotype 
Formel  domi  militiaeque  ausgedrückt  werden.  Wie  sehr  aber  diese 
schon  von  Becker  (Handbuch  der  röm.  Alterth.  II,  1,  25)  angedeu- 
tete Erklärung  des  Namens  Quiriles  zum  Gebrauche  dieses  Wortes 
stimmt,  während  sowohl  die  Herleitung  von  quiris  als  die  von  curia 
in  Form  einer  com-viria  dem  Gebrauche  schnurstracks  entgegensteht, 
liegt  auf  der  Hand.  Möglich  ist  nun,  dafs  die  Lanze  von  der  quiria 
</'«<m  benannt  wäre;  aber  denkbar  ist  es  auch,  dafs  römische  Etymo- 
logen das  Wort  quiris  ersannen,  um  (Juirites  abzuleiten. 

Die  Gewalt  ist  nicht  blofs  die  Begründerin  des  Eigenthums- 
rechts,  sondern  auch  die  Schützerin  desselben  gegen  etwaige  Störun- 
gen. Noch  in  den  spätem  Instituten  zum  Schutze  des  Rechts  scheint 
das  Princip  der  Selbsthilfe  und  der  Privatrache  hindurch.  Die  Sprache 
hat  unverkennbare  Spuren  dieses  Zustandes  in  den  Tcrminjlogien  des 


Ihcriiig::   Geisl  des  römisclicn  Rechts.    Ir  Tlieil.  43 

römisdien   Frocesses  erlialtcn.     Der  Verf.   erinnert  an   die  Rolle    des 
mndex\   an  die  Bedeutung-  der  vindicta  (welches  \N'ürt  icii  niciit  wie 
K.  0.  Müller  im  Rhein.  Museum  für  Jurispr.  V,  190  erkläre,  sondern 
aus  vindex  ableite,    wie  scncvta   aus  senex)^    der   vindtvatio,    des 
manum  conserere ^   der  manus  ivjecUo.    Auch  der  ßegrill"  des  römi- 
schen Zeugen  wurzelt  nach  der  Ansicht  des  Verf.  in  der  Idee  eines 
Ihüligen,   das  Recht  mit  verwirkliciienden  Reislandes.     Der  Zeuge  ist 
nicht  beslimml,   um  eine  Thatsache  als  wahr  zu  conslatieren,  sondern 
um  die  Erfüllung  eines  erworbenen  Rechts  zu  garantieren.  Auch  diese 
Auffafsnng  können  wir  gelten  lalsen,   obwohl  wir  weder  den  sach- 
liehen  noch   den  sprachlichen  Reweis   des  Verfafsers    als  völlig   be- 
gründet anerkennen.    Die  Haujtlstütze  des  sachlichen  Reweises  beruht 
nemlich  auf  dem  tcstavientum  in   den  comitiis  ca/atis,   bei  welchem 
nach  der  Ansicht  des  Verfafsers   eine   förmliche  7-Of/alio  an  das  Volk 
gebracht  wurde,  welche  dieses  diircii  seine  beisiimmende  Abstimmung 
zu  einer  lex  curiata  erhoben  hätte.     Aber  das   ist  eben   eine  pelitio 
principii ;    zur  Annahme    einer   förmlichen   Genehmigung   des    Testa- 
ments durch  eine  lex  können  wir  uns  um  so   weniger  versieben,   da 
bei  allen  übrigen  Handlungen,  die  in  den  comitiis  calatis  vorgenom- 
men wurden,   keine  Abslimmung  stattfand,  da  die  Analogie  des  testa- 
t/ienlum  in  procinclii  eine  a  u  s  d  r  ü  ck  1  i  c h  e  Genehmigung  abzuweisen 
scheint,    und   da   der   wirklich   mit  Abstimmung  verbundue   Act    der 
arrogafio  nicht  in  den   comitiis  calatis^   sondern  in  den  comitiis  cu- 
riatis  staltfand.     Nichtsdestoweniger  aber   läfst   sich,    wenn  aus   der 
Gesamtentwicklung  des  römischen   Rechts  jene  Bedeutung  der   festes 
sich  als   die  ursprüngliche  erweist,   die  Stellung  des  Volks  zu   dem 
Willen    des  Testators    vollkommen    analog    auffafsen,    indem    dieses 
dann  stillschweigend  die  Garantie  für  das  vom  pontifex  gebil- 
ligte Testament  überniniint.    Der  Ausdruck  legare  kann  uns  nicht  nö- 
Ihigen,  eine  förmliche  lex  anzunehmen,  da  lex  im  weitern  Sinne  doch 
nur  eine  bindende  Bestimmung  überhaupt  bezeichnet.  Sprachlich  bringt 
Hr.  Ihering  (S.  136)   lestis  mit  te<jere  zusammen,  wofür  er  sich  dar- 
auf beruft,    dafs  die  Schildkröte,   lestudo,   offenbar  ihren  Namen  von 
der  Bedeckung,   die  das  charakteristische  dieses   Thieres  sei,   habe, 
und  dafs   auf  diese  \^'eise  auch  für  das  sonst  schwer  mit  testis  rück- 
sichtlich der  Bedeutung  zu  vereinigende  testiculns  eine  ansprechende 
Analogie    sich  in   dem  Gebrauche  des  deutschen  Wortes   'bedecken' 
von  dem   Zeugungsacte  der  Thiere   darbiete.     Rein   lautlich  ist  jene 
Etymologie  so  gut  wie  unmöglich.     Unbedenklich,  ja  nothwendig  ist 
dagegen  die  Herleitung  aller  dreier  Wörter  von  einer  reduplicierten 
Form  der  Wurzel  sta.  Die  Schwierigkeit  eines  doppelconsonanlischen 
Anlauts  für  die  Reduplicalion  wird  in  den  indogermanischen  Sprachen 
auf  verschiedne  Weise  beseitigt.    Bei  der  genannten  Wurzel  schwankt 
das  Lateinische  ohnehin  schon,  indem  es  neben  der  echt  lateinischen 
Reduplicationsweise  s.'o^  ste-ti  (vergl.  spondco  spopondi)    die  eigent-, 
lieh  griechische  Reduplicationsweise  in  sisto  (vgl.  i(5xri[jii  für  Giörtjfii) 
anwendet.     Warum   sollte  sich  bei  dieser  im  Gebrauch  so  ausgedehn- 


44  Ihering:  Geist  des  römischen  Rechts.    Iv  Theil. 

le»  Wurzel  nicht  auch  die  dritte,  specilisch  sanskritische  Reduplica- 
tionsvveise  (^lishfhdim  von  slhci)  erhalten  haben,  zumal  da  diese  an 
und  für  sich  gleichbedeutenden  Forniunlerschiede  ein  passendes 
Mittel  zu  iiufserlicher  Unterscheidung-  und  zur  Fixierung  bestimmter 
GebrauchsAveisen  darboten?  Mit  dieser  schon  von  Bopp  gegebenen 
Erklärung  des  Wortes  fesfis  vereinigt  sich  testudo,  indem  die  ^^  urzel 
sta  auch  sonst  zur  Bezeichnung  des  ^starren,  uid)e\veglicheu'  ange- 
wendet wird,  und  nicht  minder  leicht  das  Deminutivum  testiculus. 
Ist  nun  hiernach  fesfis  eigentlich  der  (dabei)  stehende,  so  bedarf  es 
in  der  That  nur  der  Hinweisung  auf  die  Bedeutungsentwicklung  unse- 
res deutschen  Wortes  'Beistand',  das  seine  concrete  Bedeutung  in  der 
Anwendung  auf  die  Zeugen  bei  der  Trauung  bewahrt  hat,  um  auch  in 
dem  römischen  testis  nicht  einen  müfsigen  Zuschauer,  sondern  den  zur 
Hilfsleistung  bereiten  Garanten  zu  erkennen.  Heifsen  ja  doch  auch, 
wie  Hr.  Ihering  selbst  angibt  (S.  135),  die  beim  Scheinkampfe  in 
der  rei  vindicatio  von  beiden  Seiten  mitgehenden  Gefährten  siipcr- 
stites  (von  super-sta). 

Auf  das  Princip  des  subjectiven  VN  illens  führt  der  Verf  zuletzt 
auch  das  römische  Richteramt  zurück,  indem  er  die  Entstehung  des- 
selben aus  dem  Schiedsrichteramte  nachzuweisen  unternimmt,  das 
natürlich  seinerseits  seine  richterliche  Gewalt  nicht  vom  Staate,  son- 
dern von  den  Parteien  empfangt,  die  durch  einen  positiven  Vertrag 
dem  Zustande  der  Unverträglichkeit  entsagen. 

Ueber  die  folgenden  Abschnitte  des  Buches  wollen  wir  kürzer 
sein.  Zu  dem  staatsbildenden  Princip  der  Familie  und  der  Wehrver- 
fafsung  geht  der  Verf.  S.  161  über  mit  einer  unumwundenen  Erklärung 
gegen  die  herschende  Ansicht  der  Juristen,  der  zufolge  das  palricische 
Staatsrecht  das  Privatrecht  ausschlöfse  und  dieses  erst  ein  Erzeugnis 
des  erstarkenden  Plebejerlhums  wäre.  Der  Verf.  will  vielmehr  zeigen, 
dafs  der  römische  Staat  von  Anfang  an  die  Kraft  besefsen  habe,  das 
Princip  des  Staatsrechts  und  das  des  Privatrechts  zu  vereinigen.  Aller- 
dings sei  Staatsrecht  und  Privatrecht  ursprünglich  nicht  geschieden, 
aber  das  Staatsrecht  werde  vielmehr  unter  den  Formen  des  Privat- 
rechts aufgefafst,  als  dafs  jenes  dieses  in  sich  absorbierte.  Auch 
ohne  die  Gründe  des  Verf.  ausführlich  zu  entwickeln,  glaube  ich  auf 
die  principielle  Wichtigkeit  dieser  Ansicht  hinweisen  zu  müfsen,  die 
nach  meiner  Meinung  die  einzig  richtige,  im  Gange  der  römischen 
Staats-  und  Rechtsgeschichte  begründete  ist. 

Das  Familienprincip  und  das  Princip  der  Wehrverfafsung  ver- 
halten sich  zueinander  wie  Coordination  und  Subordination.  In  der 
Durchdringung  beider  beruht  das  Wesen  der  ältesten  römischen  Staats- 
verfafsung,  die  in  ihrer  Basis,  den  Geschlechtern,  jenes  Princip,  in 
ihrer  Spitze,  dem  Könige,  dieses  Princip  befolgt.  Wir  versagen  es 
uns  ungern,  in  die  Ausfuhrung  dieser  Gedanken  (S.  162  —  255)  näher 
einzugehen,  müfsen  uns  darum  aber  auch  der  Ausstellungen  im  ein- 
zelnen enthalten  ;  nur  das  sei,  weil  es  mit  einem  oben  berührten  Punkte 
in  Zusammenhang  steht,  bemerkt,  dafs  wir  die  Curieneinllicilung  nicht 


Iliering':  Geist  dos  römisriien  Reclifs.     Ir  Tlicil.  4.'> 

als  einen  Ausflufs  des  niililürisolicn  Princips  belrachlen  können,  dafs 
Avir  sie  vielmehr  geradezu  als  eine  Conseqiienz  des  Princips  der  Co- 
ordination,  das  liier  anl"  die  Gleichslelliing  und  Vereinigung  zweier 
Nalionaliliilen,  der  liamncs  und  Titics^  mit  denen  dann  spiiler  die  I.u- 
ceres  in  gleicher  \^'eise  coürdinierl  wurden,  angewendet  erscheint, 
betrachten  niürscn. 

Am  kürzesten  behandelt  der  Verfafser  das  Princip  der  Religion 
(S.  256  —  281).  Er  geht  hier  vom  Begriire  des  fas  im  Gegensalze  zum 
jus  aus,  und  indem  er  die  Collegien  der  puntifices  und  f'etiales  als 
Träger  der  Idee  des  fus  darstellt,  vindiciert  er  diesen  Behörden  ge- 
radezu richterlichen  Charakter,  und  sucht  namentlich  die  älteste  Pro- 
cessform  der  legis  actio  savramento  als  in  der  gerichtlichen  Praxis 
des  Pontilicalcollegiums  entstanden  und  von  da  auf  die  wellliclieii 
Gerichte  übertragen  zu  erweisen.  AuTserdem  wird  hier  der  Eintlufs 
des  Princips  der  Religion  auf  das  Slrafrecht  gebührend  betont  und 
der  Begrilf  der  Sacertiit  ausführlich  erörtert. 

Nach  Beendigung  der  Besprechung  der  Urelementc  des  römischen 
Rechts  erklärt  sich  der  Verf.  gegen  den  Versuch  Göttlings,  das 
römische  Reclit  aus  ethnisch  verschiedenen  Urbeslandtheilen  entstehen 
zu  lafsen,  und  bespricht  dann  das  Verhalten  des  römischen  Geistes  zu 
den  gegebenen  Ausgangspunkten,  in  welchem  Abschnitle  die  Darstel- 
lung des  römischen  Volkscharaklers  besonders  gelungen  genannt  wer- 
den mufs. 

Referent  bescheidet  sich  gern,  zur  Abgabe  eines  allseitig  be- 
gründeten Urtheils  über  das  besprochene  Buch  nicht  berufen  zu  sein; 
es  kam  ihm  nur  darauf  an,  auf  dasselbe  durch  eine  Anzeige  das  Inter- 
esse des  philologischen  Publicums  hinzulenken,  um  dadurch  die  Ver- 
bindung der  juristischen  und  philologischen  Wifsenschaft,  die  sich 
für  die  Kenntnis  des  römischen  Alterlhunis  schon  so  fruchtbar  er- 
wiesen hat,  zu  befördern. 

Göttingen.  Ludwig  Lange. 


Die  Elemente  der  MalhemaÜh.  Ein  Leitfaden  für  den  mathemati- 
schen Unterricht  auf  Gymnasien  und  Realschulen.  Von  JV.  Gallen- 
kamp,  Lehrer  am  Gymnasium  zu  We.sel  [jetzt  Rector  der  höhern 
Bürgerschule  zu  Mühlheim  an  der  Ruhr].  Mit  zwei  Figurentafeln. 
Wesel  bei  Becker.    1H30.    IV  und  299  S.  gr.  8. 

Sammbmg  trigonomelrischer  Aufgaben  von  dcms.  Verfasser.  Erste 
Abtheilung:    rein  mathematische  Aufgaben.    Ebendas.  1852.   gr.  8. 

Seit  ungefähr  zwei  Jahrzehnten  sind  die  Bemühungen  der  ma- 
thematischen Lehrer  auf  die  Ausbildung  der  Methodik  ihrer  Wifsen- 
schaft gerichtet  und  man  wird,  wenn  man  billig  sein  w  ill,  zugestehen 
müfsen,  dafs  jene  Bestrebungen  manche  schöne  Frucht  gezeitigt  haben. 


46  Gallenkamp :  Elemente  der  Mallicmalik. 

Eine  andere  Frage  wäre  freilich,  wie,  d.  h.  durch  welche  speciellen 
Mittel,  dies  erreicht  wurde,  und  da  zeigt  sich  denn,  dafs,  wie  Sonnen- 
schein und  Regen  in  der  Natur,  so  auch  auf  dem  Gebiete  der  Wifsen- 
schaft  die  geradesten  Gegensätze  zusammenwirken  musten.  Schon  bei 
den  ersten  Elementen  der  Buchstabenrechnung  seilen  wir  zwei  we- 
sentlich verschiedene  Ansichten  unter  den  Lehrern  verbreitet;  wäh- 
rend die  Einen  —  man  könnte  sie  die  Realisten  nennen  —  uuler 
einem  Buchstaben  schlechterdings  nichts  Anderes  als  eine  beliebige 
Zahl  verstehen,  betrachten  ihn  die  Andern  —  die  Nominalisten  —  als 
den  Träger  der  Operationen,  ohne  freilich  näher  anzugeben,  welche 
Bewandtnis  es  mit  diesem,  allgemeiner  als  eine  Zahl  sein  sollenden 
Wesen  eigentlich  hat.  Einer  ähnlichen  Divergenz  begegnen  wir  in 
der  Geometrie:  auf  der  einen  Seite  stehen  die  Anhänger  Euklids,  in 
der  künstlichen  Anordnung  und  dogmatischen  Beweisform  des  Alten 
von  Megara  das  alleinige  Heil  der  Wifsenschaft  erblickend,  auf  der 
andern  Seite  eine  neuere  Schule  mit  natürlicherm  Gedankengange  und 
heuristischer  Darstellung.  Bilden  wir  aus  den  zw  ei  arithmetischen  und 
den  zwei  geometrischen  Parteien  die  möglichen  Combinationen,  so 
entstehen  vier  Classen  von  Lehrern  der  Mathematik,  die  auch  wirklich 
existiren,  M'ie  die  zahllose  Menge  von  Lehrbüchern  der  Elementar- 
mathematik ausweist.  3Ian  sollte  freilich  meinen,  das  sei  kaum  mög- 
lich, weil  unter  jenen  vier  Combinationen  einige  vorkommen,  die  sich 
schlecht  genug  zusammen  vertragen;  indessen  das  menschliche  Ge- 
hirn ist  geduldiger  als  man  gewöhnlich  glaubt,  auch  tröstet  Mancher 
sich  wohl  mit  der  Redensart,  dafs  Strenge  in  der  Arithmetik  und 
Strenge  in  der  Geometrie  zwei  sehr  verschiedene  Dinge  sind.  Um 
jedoch  keine  unerwiesenen  Behauptungen  in  die  Welt  hinein  zu  schrei- 
ben, kann  es  Ref.  nicht  umgehen,  einige  Belege  zu  liefern,  wie  man  sie 
in  einer  3Ienge  von  Büchern  antrilft  und  die  jeder  Leser  in  seiner 
Bibliothek  finden  wird.  Um  eine  Wurzel  der  quadratischen  Gleichung 
x^  -\-  ax  =  b  in  einen  Kettenbruch  zu  verwandeln,  heifst  es,  man 
gebe  der  Gleichung  die  Form 

b 

X  =^   — -j- 

a  -'r   X 

substituire   nacheinander  denselben  Werth  des  o",   bilde  so  der  Reihe 

nach  die  Gleichungen 

b  h 

X  =^  X  ^=. ■ 

b  ,        b  etc. 

a  +    — -- —  a   +   — 

a    -}-   ar  ,        b 

a   +  , 

a   -T  X 

und  setze  dieses  Verfahren  ins  Unendliche  fort;  dies  gibt 

b 


+ 


_6 

a   + 


b 
a   4"    ^^^- 


Giilleiikami):  Klcincnlc  der  Mallioinatik.  47 

Bei  (lieser  Moliiodc  wird  am  Ende  x  wcogelarscn,  ohne  dafs  mau 
eigenilich  vveifs  warum;  mit  andern  Worten :  man  setzt  slilLscIiwei- 
g-end  das  allgemeinere  Theorem  voraus,  dals  die  heiden  Kellonhnirho 

/'.  ,       b, 

und 


«»  +  ^  (t„ 

sich  für  unendlich  wachsende  n  einer  und  derselben  Gren/.e  nähern, 
was  auch  die  Unbekannte  x  sein  möge.  —  Ebenso  häniig  findet  man 
das  Umgekehrte.     Den  Werth  des  unendlichen  Keltcnbruches 

1 

X  =  

2+-^ r- 


2   + 


2    +    etc. 

bestimmt  man  z.  B.  auf  die  Weise,  dafs  man  sagt,  vom  zweiten  Gliede 
ab  ist  der  Kettenbruch  wieder  derselbe  wie  im  Ganzen,  folglich 

X  =  i und      X  z=   ^2  —  1 

2   -h   X  ^ 

Dieser  Rechnung  liegt  die  Voraussetzung  zu  Grunde,  dafs  der  Werth 
des  fraglichen  Ketlenbruches  eine,  wenn  aucli  unbekannte,  doch  we- 
nigstens endliche  und  bestimmte  Gröfse  sei,  denn  nur  mit  einer  sol- 
chen lafsen  sich  die  zur  Auflösung  einer  quadratischen  Gleichung 
nöthigen  Operationen  mit  Sicherheit  ausführen;  will  man  sich  aber 
a  posteriori  von  dem  zweifeliiaften  Werthe  jenes  Verfahrens  über- 
zeugen, so  wende  man  es  z.  ß.  auf  den  Kettenbruch 
3 


2   — 


2  —   etc. 

an  und  das  Ergebnis,  dafs  ein  reeller  Kettenbruch  einen  imaginären 
\\'erfh  haben  soll,  wird  hoffentlich  überzeugend  sein.  —  Derartigen 
arithmetischen  Leichtsinn  lindet  man  aber  sehr  häufig  gerade  bei  sol- 
chen Schriftstellern,  die  in  der  Geometrie  sich  und  Andere  mit  den 
änfsersten  Bemühungen  um  Strenge  abquälen,  und  doch  wird  Niemand 
ableugnen,  dafs  die  in  den  obigen  Rechnungen  liegenden  Hypothesen 
weit  gewaltsamer  und  in  ihren  Consequenzen  viel  bedenklicher  sind, 
als  es  z.  B.  die  axiomatische  Aufstellung  des  vollkommen  anschau- 
lichen Satzes  von  der  Gleichheit  der  correspondirenden  Winkel  jemals 
sein  könnte.     Doch  genug  hiervon. 

Der  vorhin  erwähnten  Einlheiliing  zufolge  gehört  der  Verf.  der 
genannten  Schriften  in  jeder  Bezieiiung  der  neuern  Schule  an  und 
scheint  speciell  ein  Schüler  Jacobis   zu  sein;  sollte  sich  diese  Ver- 


48  Gallenkamp:  Elemente  der  Mathematik. 

muthung  bestätigen  (vielleiclit  durch  eine  bis  jetzt  nicht  erschienene 
Vorrede),  so  würden  die  Bücher  des  Verfafsers  an  Interesse  noch  ge- 
winnen, denn  bis  jetzt  sind,  soviel  Ref.  weifs,  keine  Bearbeitungen 
der  Elementarmathemalik  aus  Jacobis  Schule  hervorgegangen.  Im 
allgemeinen  nach  den  'Elementen  der  Mathematik'  beurtlieilt,  macht 
der  Verf.  den  Eindruck  eines  Mannes,  der  von  Schulstaub  frei,  hoch 
genug  über  seiner  Wifsenschaft  steht,  um  den  Blick  auf  das  Ganze 
fortwährend  zu  behalten  und  sich  nicht  in  einzelne  Details  und  un- 
nütze Spielereien  zu  verlaufen.  Ebendeswegen  hat  er  es  wohl  auch 
bei  einem  M.eitfaden'  bewenden  lafsen,  der  nur  die  Hauptsachen  aus- 
führlicher durchgeht  und  sich  im  übrigen  auf  Andeutungen  beschränkt, 
Avie  denn  überhaupt  das  ganze  Buch  dem  Lehrer  einen  grofsen  Spiel- 
raum überläfst.  Betrachten  wir  nun  die  einzelnen  Abtheilungen  des- 
selben etwas  näher. 

Die  erste  Abtheilung  'die  Arithmetik  und  Algebra'  ist 
in  folgender  Weise  geordnet:  Einleitung,  Cap.  I:  Die  Grundrech- 
nungsarten in  ganzen  Zahlen,  Cap.  II:  Die  Grundrechnungsarten  in 
Brüchen,  Cap.  III :  Die  Grundoperationen  in  algebraischen  Zahlen, 
Cap.  IV:  Potenzen,  Cap.  V:  Logarithmen,  Cap.  VI:  Reihen,  Cap,  VII  : 
Kettenbrüche,  Cap.  VIII:  Combinationen,  Cap.  IX:  Gleichungen,  also 
in  der  gewöhnlichen  Reihe,  gegen  die  sich  nichts  einwenden  läfst. 
Vor  Cap.  IX  bemerkt  der  Verf.,  dafs  es  nicht  seine  Ansicht  sei,  erst 
in  so  später  Stunde  die  Schüler  mit  den  Gleichungen  bekannt  zu  ma- 
chen, dafs  sie  im  Gegentheile  so  früh  als  möglich  Gleichungen  behan- 
deln lernen  sollen  und  dafs  es  nur  eine  systematische  Rücksicht  sei, 
welche  dem  Cap.  IX  die  letzte  Stelle  angewiesen  habe;  auch  dagegen 
ist  nichts  zu  erinnern.  —  Im  Einzelnen  hat  Ref.  folgendes  zu  be- 
merken. 

Der  BegritT  der  Zahl  wird  durch  die  Worte  eingeführt:  'Das 
Resultat  der  Vergleichung  gleichartiger  Gröfsen  ist  ein  Verhält- 
nis, der  Ausdruck  eines  Verhältnisses  die  Zahl.'  Darin  liegt  etwas 
Wahres,  aber  auch  eine  unverkennbare  Unbestimmtheit.  Schon  der 
Begriff  des  Verhältnisses  hat  verschiedentliche  Noth  gemacht,  auch 
der  Verf.  sagt  nicht  eigentlich,  was  ein  Verhältnis  ist,  sondern  nur, 
wo  man  es  herbekommen  kann,  und  so  wird  der  darauf  folgende  nicht 
übliche  Ausdruck  'Ausdruck  eines  Verhältnisses'  in  der  That  ein  un- 
bestimmter Ausdruck.  Ref.  würde  übrigens  dieses  im  Unterrichte  leicht 
zu  beseitigende  Schwanken  der  Definition  nicht  urgirt  haben,  wenn 
daraus  nicht  später  ein  Uebelstand  entsprungen  wäre;  der  Verf.  rech- 
net nämlich,  wie  billig,  die  sogenannten  imaginären  Gröfsen  gleich- 
falls zu  den  Zahlen  (S.  44)  und  hätte  daher  die  Definition  der  Zahl 
auch  so  einrichten  sollen,  dafs  sie  bei  den  complexeu  Zahlen  nicht 
unbrauchbar  oder  undenkbar  geworden  wäre;  wenigstens  begreift 
sich  schwer,  inwiefern  der  Ausdruck  eines  Verhältnisses  unangcbbar 
(imaginär)  werden  kann.  Dieser  Schwierigkeit  war  leicht  zu  ent- 
gehen, wenn  die  Zahl  weder  als  Quantitäts-  noch  als  Verhältnisbe- 
grilT,  sondern  als  Siellenhegriif  (Index  in  einer  Reihe  gleichartiger 


Gallcnkami) :  Klcmcnlc  der  Mallioinalik.  49 

Gröfsen)  frofafsl  wurde,  wie  es  nach  Gatifs  von  Drol)iscIi,  Bretschnei- 
der,  >\  illsleiii  und  dem  Hei",  in  der  2.  Auil.  seiner  algebraischen  Ana- 
lysis  (Einleiliing-  u.  §.  50)  geschehen  ist. —  In  Beziehung-  auf  die  Mul- 
liplicalion  und  Polenzirung  ündet  es  Hef.  lobenswerlh,  dai's  der  Verf. 
sich  gleich  der  allgemeinen  auf  alle  Fälle  passenden  Definitionen  he- 
dicnf;  man  erspart  sich  viel  unnütze  Quälerei  damit.  Potenz  heifsl 
hiernach  eine  Zahl,  welche  aus  einer  gegebenen  Grundzahl  so  durch 
Multiplication  gebildet  worden  ist,  wie  eine  andere  gleichfalls  ge- 
gebene Zahl  (der  Exponent)    durch  Addition  aus  der  Einheit,     üabei 

1 

H 

ergibt  sich  zugleich  die  Bezeichnung  «"  als  die  primitive,  y/^a  als 
die  secundäre.  - —  In  Cap.  VI  findet  sich  aufser  den  arithmetischen 
und  geometrischen  Reihen  und  den  Summenformeln  für  die  zweiten  und 
dritten  Potenzen  der  natürlichen  Zahlen  noch  ein  Excurs  über  die  Con- 
vergenz  der  Reihen,  kurz  aber  gut  und  für  den  ersten  Unterricht  völlig 
ausreichend.  Im  nächsten  Capitel  gibt  der  Verf.  u.  a.  die  Verwand- 
lung der  Logarithmen  in  Kettenbrüche  nach  einem  sehr  einfachen  Ver- 
fahren und  ist  dadurch  in  den  Stand  gesetzt,  die  directe  Berechnung 
der  Logarithmen  beliebiger  Systeme  ausführen  zu  lafsen.  Dafs  die 
Methode  etwas  beschwerliche  Rechnungen  erfordert,  sobald  die  Zahlen 
grofs  sind,  ist  da  von  keinem  Nachtheile,  wo  es  nur  darauf  ankommt, 
die  Möglichkeit  der  Berechnung  an  einigen  Beispielen  zu  zeigen ;  wird 
es  doch  auch  Niemandem  einfallen,  Quadratwurzeln  durch  Ketten- 
brüche auszuziehen  — -  Mit  besonderer  Vorliebe  scheint  der  Verf.  die 
Auflösung  von  n  Gleichungen  ersten  Grades  mit  »  Unbekannten  mit- 
telst der  Determinante  (§.  126)  bearbeitet  zu  haben;  in  der  That  kann 
man  sich  nur  freuen,  dafs  der  Begriff  der  Determinante  endlich  einmal 
anfängt  in  den  Lehrbüchern  Eingang  zu  finden. 

Die  zweite  Abtheilung  umfafst  die  Geometrie  und  zerfällt  in  zwei 
gröfsere  Abschnitte:  Planimetrie  und  Stereometrie.  Die  Anordnung 
des  ersteren  ist  folgende:  Einleitung,  Cap.  I:  Die  Gerade  und  die  La- 
gen gerader  Linien  gegen  einander,  Cap.  II:  Vom  Dreieck,  Cap.  III: 
Viereck  und  Vieleck,  Cap.  IV:  Gröfsenvergleichung  geradliniger  Fi- 
guren, Cap.  V:  Formvergleichung  geradliu.  Fig.,  Cap.  VI:  Der  Kreis. 
Eines  Urlheiles  über  diese  Reihenfolge  mufs  sich  Ref.  enthalten  und 
zwar  aus  dem  Grunde,  weil  sie  völlig  mit  der  Anordnung  seines  eige- 
nen Buches  über  Geometrie  (Grundzüge  einer  wifsenschaftlichen  Darstel- 
lung der  Geometrie.  Eisenach  1849)  übereinstimmt;  Ref.  hat  sich  in 
der  Vorrede  zu  demselben  weitläufig  genug  über  die  Gründe  verbrei- 
tet, die  ihn  zum  Abgehen  vom  gewöhnlichen  Wege  bestimmten,  und 
er  kann  daher  an  dieser  Stelle  nur  seine  Befriedigung  aussprechen, 
dafs  jener,  wie  er  beweisen  zu  können  glaubte,  ebenso  natürliche  als 
wifsenschaflliche  Gedankengang  auch  beim  Verf.  anzutrefTen  ist,  mag 
nun  der  letztere  die  'Grundzüge'  des  Ref.  gekannt  oder  unabhängig 
davon  denselben  Weg  eingeschlagen  haben,  was  sich  bei  dem  Jlangel 
einer  Vorrede  zu  den  'Elementen  der  Mathematik'  nicht  entscheiden 
läfst.      Nur  einzelne  Punkte  will  Ref.  hervorheben.      Der   Verf.   ver- 

IS.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.     Hil.  IXVII,  Hfl.  I.  4 


50  Gallenkanip:  Elemente  der  MathcmatiU. 

gleicht  (übereiiistiinmciul  mit  dem  Ref.)   z\A'ei  Gerade  der  Gröfse  und 
dann  der  Lage  nach  und  sagt  in   letzterer  Beziehung:    ^Zwei    neben- 
einander liegende  Gerade  haben  immer,  unbegrenzt  gedacht,  einen 
Punkt  gemein;    dieser    kann   in  endlicher  oder  in    unendlicher 
Entfernung  liegen;    im  ersten  Falle  heifsen  die  Linien   geneigt,   im 
zweilen  pa  r  a  I  lel ;  im  ersten  Falle  haben  sie  einen  D  u  rch  seh  n  i  tts- 
pnnkt,  im  zweiten  nicht'.     Was   den  Verf.   zur  Herbeiziehnng-  des 
unendlich  entfernten  Punktes  veranlafsl  hat,  ist  dem  Ref.  völlig  klar, 
wenn  er  Hrn.  Gallenkamp  als  Schüler  Jacobis ,  mithin  ganz  selbstver- 
ständlich auch  als  Schüler   Steiners   betrachtet,    und  zu  leugnen  ist 
nicht,  dafs  sich  mit  dem  unendlich  fernen,  zwei  Geraden  gemeinsamen 
Punkte  viel  ausrichten  läfst,  wovon  Steiner  und  neuerlich  Chasles  in 
seiner  Geometrie  superieure  (Paris  1852)  zahlreiche  Beispiele  gelie- 
fert haben.     Gleichwohl   mufs    Ref.  sehr  bezweifeln,   ob   es  geralhen 
sein  möchte  gleich  beim  ersten  Unterrichte  den   unendlich  entfernten 
Punkt  einzuführen  und  um  so  mehr,  als  die  Ausdrucksweise  des  Verf. 
eine  Lücke  läfst,  deren  Ausfüllung  eine  Seltsamkeit  mit  sich   bringt. 
Nach  des  Verf.  Worten  haben  zwei  Gerade  immer   einen  Punkt   ge- 
mein;   im    ersten   Falle    einen  Durchschniltspunkt,    im  zweiten  Falle 
zwar  keinen    Durchschnittspunkt,   aber,    dem  Vorigen  zufolge, 
doch  immer  einen  Punkt,  also  ganz  gewis  einen  Berührungspunkt, 
terlinm  non  dafür.    Das  wäre  nun  zwar,  wenn  man  erst  auf  Steiners 
Höhe  stellt,  gar  nichts  so  Exorbilanfes ;  für  den  Anfang  des  Unterrich- 
tes aber  liegt  darin  eine  Unbegreifliclikeit,    die    zu  vermeiden  war, 
■»enn  die  Geschichte  vom  unendlich   fernen  Punkte  wegblieb  und  das 
Dilemma  Schneiden  oder  Nichtschneiden  allein  beibehalten  wurde." — 
Die  Parallelentheorie  (als  Referent  kann   man  leider  dieses  alte  onus 
nicht  übergehen)    macht    der  Verf.    durch  parallele  Verschiebung    ab, 
nimmt  also  eigentlich  den  Grundsatz  zu  Hilfe,  dafs  Gleiches  mit  einem 
und  demselben  Drillen  verglichen,  gleiche  DilTerenzen  gibt,  indem  er 
ihn  auf  gleiche  Richtungen,  mit  einer  dritten  Richtung  verglichen,  an- 
wendet.   Auch  Ref.  hält  dies  für  völlig  ausreichend.  —  Für  den  Satz 
von  der  Winkelsumme  des  Dreiecks  ist  der  Thibautsche  Beweis  (durch 
Drehung  um  die  Anfsenwinkel)  gegeben,  der  ebenfalls  genügt,  wenn 
man  namentlich  einige  Uebungen  in  parallelen  Verschiebungen  u.  Dre- 
hungen   beim  Unterrichte   vorausgehen   läfst.  ■ —  Die  Congruenzlehre 
geht  von  einer  Seite  und  zwei  Winkeln  aus,  da  man  nach  dem  Vori- 
gen mindestens  einer  Seite  bedarf,  und  stimmt  im  allgemeinen  mit  der 
Darstellung  des  Ref.  überein.   —    In  der  Lehre  von  der  Ausmefsung, 
Theilung  und  Verwandlung  der  Figuren   ist   zu  bemerken,    dafs  dem 
Pythagoreischen  Satze  eine  befsere  Stelle  angewiesen  werden  konnte, 
wenn  der  Verf.  die  '^§.  47  und  4-8  in  umgekehrter  Ordnung  genommen 
hätte.    Jede  Figur  läfst  sich  nämlich  in  ein  Rechteck  verwandeln,  jedes 
Rechteck  in  ein  Quadrat,  und  mithin   können  beliebig   viele  getrennt 
umherliegende  Vielecke  jedes  für    sich    in    ein    Quadrat   transformirt 
werden;  diese  Quadrate  endlich  lafsen  sich  mittelst  des  Pythag.  Satzes 
zu  einem  einzigen  Quadrate  vereinigen.     Will  man  diesen  Gedanken- 


Gallenkamp  ;  EloiiKüifo  clor  MaUioiimlik.  31 

^ang,  (lor  nichts  aiidorcs  als  das  g-eoniolrisclic  Seilcnslück  einer  ge- 
wöhnlichen Flüchcnherechiumg-  ist,  duixlifiiiircn,  so  kommt  es  nur 
darauf  an,  die  Verwandlung  des  Rechtecks  in  ein  Quadrat  vor  dem 
mcfffister  inalhcseos ,  also  unabhängig  von  diesem,  zu  bringen,  was 
keine  besondere  Kunst  ist  und  von  jedem  mit  der  Wifscnschaft  Ver- 
trauten erwartet  werden  kann'^).  —  Die  folgenden  Capitel  von  der 
Aehnlichkeit  geradliniger  Figuren  und  die  Lehre  vom  Kreise  bieten 
keine  besonderen  Eigenlhümlichkeiten  dar,  sie  sind  den  gleichnamigen 
Capileln  in  des  Ref.  'Grundzügen'  ziemlich  ähnlich,  wie  es  bei  der 
gelrolTenen  Anordnung  nicht  anders  zu  erwarten  stand.  - —  Figuren  zur 
Planimetrie  gibt  der  Verf.  nicht  und  beschränkt  sich  auf  Andeutungen 
derselben. 

Die  Stereometrie  ist  in  folgender  Weise  gegliedert:  Cap.  I:  Von 
der  Lage  der  Punkte,  Geraden  und  Ebenen  im  Räume,  Cap.  II:  Von 
den  körperlichen  Ecken  und  sphaerischen  Dreiecken,  womit  sich  der 
erste  Theil,  die  unvollständig  begrenzten  Raumgebilde  enthaltend, 
schliefst;  der  zweite  Theil  der  Stereometrie  gibt  in  Cap.  I:  die  all- 
gemeinen Eigenschaften  der  Polyeder,  Cap.  II:  die  Prismen  und  Pyra- 
miden, Cap.  III:  die  Kugel,  Cap.  IV:  die  regelmäfsigen  Körper.  Die 
BcAveise  des  Verf.  sind  in  ihren  Hauptpunkten  gut  angedeutet  und  nur 
bei  der  Congruenz  und  Symmetrie  der  körperlichen  Ecken  und  sphae- 
rischen Dreiecke  werden  sie  ausführlicher  unter  Zugabe  der  in  einer 
Ebene  ausführbaren  Constructionen  körperlicher  Dreiecke  aus  ihren 
Bestimmungsstücken.  Nach  Crelles  Meinung  (3.  Auil.  der  Ueber- 
selzung  von  Legendres  Geometrie  S.  141)  gehören  zwar  derartige 
Constructionen  in  das  Gebiet  der  descriptiven  Geometrie  und  sollen 
aus  der  Stereometrie  wegbleiben,  Ref.  aber  stimmt  dieser  auch  sonst 
viel  verbreiteten  Ansicht  durchaus  nicht  bei  und  würde  es  im  Gegen- 
theile  sehr  passend  und  für  die  Anschaulichkeit  des  Unterrichts  we- 
sentlich fördernd  halten,  wenn  man  auf  jene  Constructionen  bei  wei- 
tem mehr  Rücksicht  nähme,  als  es  gegenwärtig  der  Fall  ist;  eine 
Schwierigkeit  liegt  in  der  Sache  durchaus  nicht,  denn  die  Methoden 
der  descriptiven  Geometrie  beruhen  auf  so  einfachen  stereomelrischen 
Sätzen,  dafs  sie  sich  mit  völliger  Klarheit  förmlich  popularisiren 
lafsen  (wie  es  ja  in  den  Schulen  für  Bauhandwerker  in  der  That  ge- 
schieht). —  Die  allgemeinen  Eigenschaften  der  Polyeder  entwickelt 
der  Verf.  mittelst  des  Eulerschen  Satzes,  den  er  nach  Steiner  durch 
Projection  des  Körpers  auf  eine  Ebene  begründet;  dabei  erhält  man 
zugleich  den  strengen  Beweis  des  Satzes,  dafs  es  kein  Polyeder  gibt, 
dessen  Begrenzungsfiguren  sämmtlich  mehr  als  fünf  Ecken  haben  könn- 


*)  Die  oben  angedeutete  Betrachtungsweise  hat  Ref.  zuerst  in 
seinen  'Grundzügen'  bekannt  gemacht;  von  da  ist  sie  unter  Ver- 
einfachung des  Beweises  für  den  Hauptsatz  in  die  zweite  Auflage  von 
Prof.  Kunzes  'Lehrbuch  der  Geometrie'  (Jena  1851)  übergegangen; 
nach  der  Vorrede  des  letztern  zu  urtheileu,  scheint  es  Herr  Prof. 
Kunze  zu  ignoriren,  dafs  die  richtige  Stellung  des  Pythagoreischen 
Satzes  von  seinem  ehemaligen  Schüler  herrührt. 


4 


52  Gallenkanip:  Elemente  der  MaHicmatik. 

ten,  der  nachher  den  Betrachtung-en  über  die  regelniäfsig'en  Körper 
zur  Grundlage  dient.  Die  Ausmefsung:  der  Prismen,  Pyramiden  etc. 
ist  in  der  gewöhnlichen  und  strengen  Form  mitgelheilt,  nur  hätte 
Ref.  zu  wünschen,  dafs  hier  auf  Kopp  es  vielfach  brauchbaren  Satz 
vom  Obelisken  Rücksicht  genommen  worden  wäre. 

Der  Trigonometrie  ist  die  dritte  Abtheilung  gewidmet;  sie  zer- 
fällt in  die  drei  Capitel:  Die  trigonometrischen  Functionen,  die  ebene 
Trigonometrie,  die  sphaerische  Trigonometrie.  Der  Verf.  geht  vom 
Begriffe  der  Projection  aus  und  gelangt  damit  zuerst  zum  Cosinus, 
nachher  zum  Sinus  u.  s.  w. ;  dies  ist  völlig  in  der  Ordnung  und  Ref. 
bedauert  nur,  dafs  der  Verf.  den  Gedanken  der  Projection  nicht  noch 
etwas  weiter  ausgebeutet  hat.  Vergleicht  man  nämlich  (den  Ilalbmefser 
der  Einfachheit  wegen  als  Einheit  genommen)  die  Projection  des  sich 
drehenden  Radius  mit  der  Projection  des  von  seinem  Endpunkte  be- 
schriebenen Bogens  nnd  nennt  letztere  den  Sinusversus ,  so  hat  man 
erstlich  die  Beziehung  cos  a  =  1  —  sin  vers  «;  setzt  man  zweitens 
voraus,  dafs  diese  Relation  für  alle  Bögen  dieselbe  bleiben  soll,  so 
folgt  der  Zeichenwechsel  des  Cosinus  mit  No  th  wen  digke  i  t,  da 
nach  jener  Definition  der  Sinusversus  im  zweiten  und  dritten  Quadran- 
ten die  fiänheit  übersteigt.  Dieser  Gedankengang  scheint  dem  lief,  der 
natürlichste  zu  sein;  es  steckt  für  den  Schüler  immer  eine  gewisse 
Willkür  oder  gar  eine  Art  Hokuspokus  darin,  Avenn  der  Gegensatz 
der  Lage  durch  entgegengesetzte  Vorzeichen  ausgedrückt  wird.  — 
An  goniometrischen  Formeln  ist  der  Verf.  sehr  reich,  reicher  als  es 
Ref.  für  nöthig  hält.  Der  trigonometrischen  Behandlung  des  Dreiecks 
folgt  ein  Abschnitt  über  Polygonometrie,  worin  die  Aufgaben  und  Fun- 
damentalformeln (vonLepell)  derselben  kurz  und  bündig  dargelegt 
werden.  Die  sphaerische  Trigonometrie  ist  auf  die  beiden  Fundamen- 
talformeln sin  a:  sin  b  =  sin  a:  sin  ß  und  cos  a  =  cos  b  cos  c  — 
sin  b  sin  c  cos  a  basirt  und  in  eleganter  sorgfältiger  Weise  be- 
handelt. 

Von  des  Verf.  'Sammlung  trigonometrischer  Aufgaben'  liegt  zu- 
nächst nur  das  erste  Heft  (rein  mathem.  Aufgaben)  vor,  klein  an  Umfang 
(6  Bogen),  sehr  reich  an  Inhalt.  Auf  den  ersten  Seiten  findet  man 
eine  Reihe  Zahlenbeispiele  für  die  Berechnung  des  Dreiecks  und  Vier- 
ecks; daran  schliefst  sich  circa  ein  halbes  Hundert  trigonometrischer 
Beziehungen,  die  zwischen  den  Seilen,  Winkeln,  Höhen,  Ilöhenab- 
schnitten,  Berührungskreisen,  dem  Höhendreieck  u.  s.  w.  statt  finden, 
woraus  dann  wiederum  allerhand  verschiedene  Bestimmungen  des 
Dreieckes  hervorgehen.  Als  besonders  gelungen  mufs  Ref.  die  §§.  9 
und  10  bezeichnen,  in  denen  der  Verf.  seine  bisherige  Weise,  blofsc 
Resultate  anzugeben,  verläfst  und  vollständige  Auflösungen  mittheilt. 
§.  9  (S.  25 — 62)  enthält  25  geometrisch-trigonometrische  Aufgaben 
(wie  z.  B.  aus  zwei  Winkeln  und  der  Summe  ihrer  Gegenseiten  ein 
Dreieck  zu  construiren) ;  jede  Aufgabe  ist  dreimal  behandelt:  rein 
geometrisch-constructiv,  trigonometrisch  auf  Grund  der  vorigen  Con- 
gtruction,  endlich  rein  analytisch-trigonometrisch.     In  §.  10  geht  der 


GaUeukamp:  Sainiiiluiig'  Irigonometrisclier  Aufgaben.  53 

Verf.  den  umgekclirten  Weg,  er  löst  nüinlich  15  ähnliclie  Aufgaben 
zuerst  rein  analytisch  und  leitet  daraus  die  geometrische  Construction 
ab.  Bei  dem  Mangel  an  Saainiliingen  in  diesem  Sinne  würde  schon 
eine  schwache  Abhülfe  desselben  Dank  verdienen,  um  so  mehr  der 
Verf.,  der  viel  und  dies  in  sehr  eleganter  Form  gibt.  Den  Beschlufs 
machen  rein  geometrische  und  sphaerisch- trigonometrische  Aufgaben 
in  gleich  gelungener  Darstellung.  —  Hef.  scheidet  vom  Verf.  mit  dem 
^^'unsche,  dafs  den  ^Elementen  der  Mathematik'  die  verdiente  Aner- 
kennung werden  und  dafs  das  zweite  Heft  der  ^trigonometrischen  Auf- 
gaben' baldigst  in  die  Oelfenllichkeit  treten  möge. 

Dresden.  Oskar  Schlönülch. 


Der  nagende  Wurm  der  heutigen  Gesellschaften  oder  das  Hei- 
denlhum  in  der  Erziehung.  Von  J.  Gaumc,  Generalvlcar  von 
Nevers,  Doctor  der  Theologie  der  Universität  zu  Prag,  Mitglied 
der  Akademie  der  kathol.  Religion  in  Korn  und  der  Akademie  der 
Inschriften  und  schönen  Wifsen.schaften  in  Besanfon  u.  s.  w.  Ein 
Gegenbild  zur  Geschichte  der  häu.slichen  Ge.seilschaft  oder  Ein- 
flufs  des  Christe'ithuiii.s  auf  die  Familie.  Eingeleitet  von  Goussct, 
Cardinal  und  Erzbischof  zu  Reims  (sie).  Motto:  Infandorum 
cnim  idolorum  cultura,  oinnis  mali  causa  est,  et  initium  et  finis. 
Sap.  XIV,  27.     Aus  dem  Französischen.     Regensburg  1851.     8. 

Die  schönen  Tage  von  Aranjuez  sind  auch  für  die  Phiiologie 
vorüber;  sie  hat  nicht  nur  aufgehört ,  Vehikel  und  Hebel  zu  höhern 
Staatsämtern  zu  sein,  wie  zu  den  Zeilen,  wo  das  Lateinische  noch 
Hof-  und  Diplomatensprache  war,  sondern  angegrilfen,  verkannt,  ge- 
schmäht, verdächtigt  ist  sie  zum  Ambos  geworden,  auf  den  man  von 
allen  Seiten  losschlägt,  während  sie  Jahrhunderte  lang  Iheilweise  der 
Hammer  war,  und  mit  Maria  Stuart  kann  die  Alterthumswifsenschaft 
sagen:  ^  das  schlimmste  weifs  die  Welt  von  mir;  doch  bin  ich  befser 
als  mein  Huf.'  Von  drei  Seiten  vorzüglich  gehen  die  AngrilFe  aus,  die 
man  gegen  den  flumanismus  richtet,  von  den  Radicalen,  den  Industriel- 
len und  den  Theologen.  Die  Kadicalen  betrachten  sie  als  ein  Haupt- 
hindernis zur  Erreichung  ihrer  unlaulern  Pläne  und  würden,  wejin 
sie  in  dem  verworrenen  Jahre  1848  den  Sieg  davongetragen  hätten, 
die  Leetüre  der  alten  Autoren  nach  kurzem  Processe  völlig  aus  den 
Schulen  verbannt  haben.  Die  feindselige  Stimmung  von  dieser  Seite 
gegen  die  Alterthumswifsenschaft,  die  Gelehrsamkeit  und  das  Profes- 
sorenthum  klingt  wohl  jedem  noch  genugsam  in  den  Ohren ,  so  dafs  es 
der  Zeugnisse  nicb.t  bedarf;  wir  wenden  uns  daher  zu  den  Industriellen, 
die  sich  erst  kürzlich  wieder  aus  Dortmund  vernehmen  liefsen  ,  ein 
Actenstück  welches  die  Elberfelder  Zeitung  ein  amtliches    nennt    und 


54     Gaume:  der  nagende  Wurm  der  heutigen  Gesellschaften  oder 

mit  goldener  Schrift  in  den  vaterländischen  Zeitschriften  abgedruckt 
wifsen  will*).  Da  uns  goldene  Schrift  nicht  zu  Gebote  steht,  so  blei- 
ben wir  bei  unsern  Farben  und  lafsen  dasselbe  schwarz  auf  weifs  fol- 
gen: *  Welche  Schande  für  uns,  dafs  ein  Auslander,  der  das  märkische 
(Grafschaft  Mark)  Kohlengebirge  bereiste,  zuerst  den  Kohleisenstein 
entdeckte,  während  gewisse  Bergbeamte  sich  nun  damit  entschuldigen, 
der  Eisenstein  hier  käme  in  einem  andern  Habitus  vor,  und  wäre  da- 
her nicht  erkannt  worden.  Ja,  es  müfsen  bald  Uevolutionen  in  der 
(s2c)  Erziehung  und  den  Unterricht  kommen,  soll  es  bei  uns  befser 
werden.  Wozu  die  vielen  Studien  an  den  todten  Sprachen,  während 
man  die  lebenden  links  liegen  läfst  und  die  ßrodwifsenschaften:  Che- 
mie, Physik,  Mathematik,  3Iineralogie  u.  s.  w.  vernachläfsigt,  woran 
die  Geisteskräfte  genug  zu  üben  sind'  u.  s.  w.  So  wenig  der  Unter- 
richt im  Stande  sein  wird,  nach  dem  gegenwärtigen,  den  Idealismus 
der  Gymnasialbildung  mit  Recht  festhaltenden  Lehrplane  den  Wün- 
schen dieser  Praktiker  ganz  zu  entsprechen,  so  läfst  sich  doch  nicht 
in  Abrede  stellen,  dafs  etwas  wahres  darin  liegt  und,  so  weit  es  mit 
dem  Zwecke  der  Erziehung  vereinbar  ist ,  dem  auf  den  praktischen 
Nutzen  gerichteten  Bedürfnisse  wird  Rechnung  getragen  werden  mü- 
fsen. Wie  oft  wird  der  naturhistorische  Unterrieht  noch  als  eine  Art 
Ballast  des  Gymnasiums  betrachtet,  welchen  man  der  ersten  besten 
Schulter  aufladen  zu  können  meint,  die  ihn  gerade  zu  tragen  bereit 
ist!  Auch  verdient  der  reale  BildungsstotT,  der  in  den  alten  Autoren 
liegt,  mehr  Berücksichtigung.  Zwar  ist  im  ganzen  anzuerkennen,  dafs 
die  ausschliefslich  formalistische  Behandlung  der  Classiker,  wie  sie 
früher  üblich  war,  einer  geistigern  und  mehr  auf  den  Inhalt  gerichte- 
ten Auffafsung  Platz  zu  machen  anfängt.  Doch  heifst  es  auch  hier: 
naturam  expellas  fiirca,  tarnen  usque  recurret.  Dies  nur  beiläufig, 
um  unsere  Leser  von  neuem  an  die  Forderungen  des  Lebens  zu  erin- 
nern,  die  nur  zu  leicht  vom  Schulstaube  überweht  werden. 

Am  gefährlichsten  aber  können  dem  Studium  der  classischen 
Sprachen  uudLitteraturen  werden  die  neuerdings  von  Seiten  einer  (wie 
man  sagt,  gallicanisch  gesinnten)  Fraction  des  französischen  Klerus 
gegen  die  Leetüre  der  heidnischen  Autoren  erhobenen  Angrilfe.  Die 
Veranlafsung  dazu  gab  das  neue  französische  Unterrichtsgesetz,  wel- 
ches darauf  abzielte,  die  humanistischen  Studien  in  den  französischen 
Gymnasien  zu  beschränken.  Zwar  ist  dasselbe  vorläufig  von  dem  Mi- 
nister des  öffentlichen  Unterriclits  wieder  zurückgezogen  worden,  um 
einigermafscn  modificiert  zu  werden;  das  Princip  des  Gesetzes  aber 
hat  innerhalb  der  katliolischen  Kirche  einen  Streit  hervorgerufen,  des- 
sen Acten  noch  nicht  geschlofsen  sind  und  dessen  Widerhall  in  den 
kirchlichen  Organen  Deutschlands  nur  zu  vernehmbar  ist.  Namentlich 
hat  es  der  Verf.  der  obigen  Schrift  übernommen,  alle  Vorwürfe,  die 
nur  jemals  dem  Humanismus  gemacht  worden  sind  oder  gemacht  wer- 
den können,    zusammenzustellen  und  in  mafsloser  Uebertreibung  Ge- 


0    s.    Schle.si.sche  Zeitung   1852.  Nr.  239. 


(las  IlcidciUliiiiu  in  der  Erziehung.  55 

faiiren  aus  demselben  ahziileileu,  dafs,  wenn  nur  der  liundcrisfc  Tlieil 
davon  walir  wiire  ,    kein  mit  der  .liiyend  und   der  (jesellscliall  es   gut 
meinender   l'aedaf>08e   die  I5eilielial(un<>'   der  classisclien  Studien  wün- 
schen könnte.    Um  dieses  üillieil  zu  hegründen,    \volleu    wir    aus  der 
uns  vorliegenden  Schrift  charakteristische  Stellen   hervorheben,    aus 
denen  die  Ansicht  des  entweder  in  einseiliger  Befangenheit  feslgerann- 
len  oder  von  Parlcitendenzen   blindlings   forlgerifsenen  Verf.    unzwei- 
deutig hervorgellt,  um  dann  ein  Hesunie  des  gefiilirlen  Streites  anzu- 
knüpfen und  schliefslicii  unsere  aus   der  Gescliichle  der  Erziehung  so- 
\>ie  ans    praktischer  Erfahrung   geschöpfte    Ansicht   über   den  Angel- 
punkt der   Controverse    hinzuzufcigen.      Dem  Buche   voran    geht    eine 
Zuschrift  des  Cardinais  T.  Gousset,  Erzbischofs  zu  liheims,  an  diin 
Verf.,  worin  derselbe  seine  volle  Zustimmung  zu  den   vom   Verf.   dar- 
gelegten Ansichteu  erklärt   und  anerkennt,    dafs    der   seit   mehreren 
Jahrhunderten  fast  ausschliefsliche  Gebrauch  der  heidnischen  Schrift- 
steller in  den  Schulen  einen  verderblichen   Einllufs  auf  die  Erziehung 
der  Jugend  und  auf  den   Geist  der  heuligen  Gesellschaflen   ausgeübt 
habe.   Nachdem  der  Verf.  hierauf  in  dem  Vorwort  (S.  I — X)  die  Krank- 
heiten geschildert,    an  denen    die   Gesellschaft    leide   und  die  uns  an 
einen  gähnenden  Abgrund  geführt,    empUehlt   er   in  lebhafter  Darstel- 
lung als  das  einzige  Midel  dagegen  die  Ciirislianisiernng  des  Unterrichls 
und  die  Verdrängung  des  llcidenthums    in  der   Erziehung  durch  das 
Christenthum.    ^Man  mufs  die  Kette  des  katholischen  Unterrichls  wie- 
der anknüpfen,  weiche  olTenbar,  frevelhaft,   unglücklicher  Weise  vor 
vierhundert  Jahren  in  ganz  Europa  zerrilsen  worden.  '      Hierauf  wen- 
det er  sich  zum  eigentlichen  Gegenstände,  den  er    S.  1 — 275  in  drei- 
fsig  Capiteln  behandelt,  und  sucht  den  Beweis  zu  führen,  dafs  das   in 
den  gelehrten  Unterricht  seit  der  Heformalion  aufgenommene  Studium 
der  allen  Autoren  ^  der  nagende  Wurm  der  heuligenGesellschaflen'  sei. 
Zunächst  weist  er  (Cap.  l)  behufs  Feststellung  des  Problems  dar- 
auf hin,  wie  Eluropa  während  der  ganzen  Dauer  des  Mittelalters  sich 
voll  Ehrfurcht  und  Unterwerfung  gegen    die  Kirche  zeige,  mit   dem 
15.  Jahriiundert    dagegen    die   Alleinherschaft   des   Katholicismus  ab- 
nehme und  die  kindliche  Unterwerfung  der   Könige    und  der    Völker 
sich  vermindere.    'Das  16.  Jahrhundert  hat  kaum  begonnen,  so  erhebt 
sich  aus  der  Zelle  eines  deutschen  Mönchs  eine  Stimme,  das  mächtige 
Organ  der  schuldvollen   Gedanken,  die   in   den  Seelen  gähren ;   diese 
Stimme  sagt:  Nationen,  trennt  euch  von  der  katholischen  Kirche,  Hiebt 
Babylon;  Völker,  zerreifst  die  Gängelbänder  eurer  Kindheit,  nunmehr 
seid  ihr  stark  genug,  aufgeklärt  genug,  um  euch  selbst  zu  lenken.' 
Dieser  Bruch   daurc  noch  jetzt  fort,  obwohl   die  katholische  Kirche 
unverändert  in  ihrer  Lehre  von  Bellarmin  bis  Bossuet  bewiesen  habe, 
dafs  sie  immer  die  Quelle    des   Lichts   und  der  Wifsenschaft   sei    und 
das  protestantische  Trincip  samt  den  Gründen,  welche  dem  Bruch  zum 
Vorwaud  dienten,  in  Dunst  aufgelöst  habe.     Da  nun  (Cap.  2  und  ^) 
die  Meinungen  und  die  Sitten    der  Menschen  von   der  Hlrziehung  aus- 
gehn  und  die   unchristliche  llichtung  der   Gegenwart  nur  davon   her- 


56       Gaume:  der  nagende  Wurm  der  heuligen  Gesellschaften  oder 

rühre,  dafs  man  seit  dem  15.  Jahrhundert  die  Kinder  in  einen  lieidui- 
schen  Model  giefse ,  so  könne  die  Gesellschaft  nur  dadurch  gerettet 
werden,  dafs  man  an  die  Stelle  des  heidnischen  Blodels  einen  christ- 
lichen setze.  '^  Seit  dem  Anfange  dieser  Debatte  werfen  die  Univer- 
sität und  der  Klerus  einander  Anklagen  Avie  Kugeln  zu.  Ihr  verderbet 
die  Jugend  mit  eurem  philosophischen  Rationalismus,  sagt  der  Klerus. 
Ihr  verdummt  sie  durch  euren  religiösen  Dogmatismus,  entgegnet  die 
Universität.  Dann  kommen  die  Vermittler,  welche  sagen:  die  Religion 
und  die  Philosophie  sind  Schwestern.  Lafset  uns  die  freie  Untersu- 
chung und  die  Autorität  vereinigen.  Universität,  Klerus,  abwechselnd 
habt  ihr  das  Monopol  gehabt;  theilt  es  und  macht  dem  Streit  ein 
Ende.  Wir  haben  den  ehrwürdigen  Bischof  von  Langrcs  die  Univer- 
sität so  anreden  hören:  Du  hast  uns  die  socialistische  Generation  des 
Jahres  1848  gegeben.  Und  Ilr.  Cremieux  machte  dagegen  schnell  den 
Vorwurf:  Ihr  habt  die  revolutionäre  Generation  des  Jahres  1793  er- 
zogen' (S.  24).  Der  Einwurf  der  Vertheidiger  der  classischen  Stu- 
dien, die  Veränderung  des  3Iodels  sei  nicht  so  vollständig  gewesen, 
wie  er  behaupte,  veranlafst  den  Verf.,  in  Cap.  4.  5.  6  und  7  eine 
kurze  Geschichte  des  Unterrichts  zu  geben.  Er  theilt  diese  Geschichte 
in  drei  Epochen:  l)  von  der  Predigt  der  Apostel  bis  zum  Ende  des 
5.  Jahrhunderts,  während  welcher  der  Kindheit  ausschliefslich  christ- 
liche Bücher  in  die  Hände  gegeben  und  die  Jugend  mit  dem  Lesen  der 
heiligen  Bücher ,  der  Acten  der  Märtyrer  und  der  Briefe  der  Ober- 
hirten genährt  wurde.  Der  Besuch  der  heidnischen  Schulen,  das  Lesen 
der  heidnischen  Werke  begann  erst  in  einem  vorgerücktem  Alter 
nnd  nachdem  das  Kind  mit  besten  Praeservaliven  ausgerüstet  war. 
(Geschieht  dies  nicht  noch  jetzt?)  Für  die  Jünglinge  und  nur  für 
sie  waren  die  heidnischen  Classiker.  (Ist  es  denn  heutzutage  anders  ?) 
Und  welches  war  der  Zweck,  indem  man  den  jungen  Christen  ge- 
stattete, die  Werke  der  Heiden  zu  lesen  und  ihre  Schulen  zu  besu- 
phen?  'Es  handelte  sich  nicht  um  den  kindisclien  Vortheil,  Rhetoren 
oder  Akademiker  zu  bilden,  sondern  darum  l)  die  Geschichte  ihres 
Landes  und  der  übrigen  Völker  kennen  zu  lernen ,  deren  Archive  von 
heidnischen  Händen  geschrieben,  ausschliefslich  in  der  Gewalt  der 
Heiden  Maren;  2)  sich  in  die  Künste,  in  die  physischen,  Natur-, 
medicinischen  Wifsenschaften  einzuweihen;  3)  dem  Christenlhum,  dem 
Erben  aller  Dinge,  die  Wahrheiten  zurückzugeben,  welche  das  Hei- 
denthum,  dieser  verwegene  Usurpator,  sich  angeeignet,  und  die  es, 
ein  ungetreuer  Verwahrer  der  ersten  Traditionen,  entstellt  hatte;  4)  sich 
nachdem  Beispiele  des  heil.  Paulus  der  Grundsätze,  der  Beispiele, 
der  Autorität  der  heidnischen  Dichter,  Weisen  und  Pliilosophen  zu 
bedienen,  um  sich  entweder  zur  Ucbung  einer  Tugend  zu  ermuntern 
oder  die  Wahrheiten  und  Vorschriften  des  Glaubens  der  Vernunft  zu- 
gänglicher zu  machen;  5)  die  Irthümer  der  Heiden,  ihre  Vorurlheile 
gegen  das  Christenthum,  ihre  Beweisführungen  für  die  Abgötterei,  die 
Einwürfe  und  die  Systeme  der  Philosophen  recht  kennen  zu  lernen, 
um  sie  gründlich  zu  widerlegen  nnd  oft  selbst  mit  ihren  cigiien  V.affcn 


das  Heidenlhum  in  der  Krzieliung.  57 

zu  schlagen.'  (Gelten  diese  Motive  i'dr  das  Studium  der  Classiker 
heute  nicht  mehr?)  In  der  zweiten  E|)oche  vom  6.  Jahrh.  bis  zur 
Mitte  des  15.  Jahrh.  habe  man  bei  der  Erziehung  der  Jugend  von  den 
heidnischen  Autoren  nur  auf  eine  sehr  untergeordnete  Weise  Gebrauch 
gemacht.  Drei  grolse  Kiimpfer ,  derb.  Chrysostomus,  der  h.  Iliero- 
nymns,  der  h.  Augustin  gaben  der  Nachwelt  das  Zeichen,  die  Tempel 
der  Wifsenschaften  Griechenlands  zu  verlafsen  und  die  Jugend  aus- 
schliefslich  an  christlichen  Autoren  zu  bilden.  Bei  dieser  Gelegenheit 
preist  der  Verf.  besonders  die  Latinität  Gregors  des  Grofsen,  'die 
sich  so  sehr  durch  Deutlichkeit  und  Klarheit,  durch  Keichthum,  Ein- 
falt, Salbung,  Eleganz  auszeichnet  und  von  der  heidnischen  lateini- 
schen Sprache  ebenso  verschieden  ist  wie  der  Tag  von  der  Nacht.' 
Der  Verf.  sucht  nachzuweisen,  dafs  die  gelehrte  Gesellschaft  im  Mit- 
telalter die  heidnischen  Autoren  kannte,  studierte  und  schätzte;  dafs 
aber  jene  ausgezeichneten  Talente,  welche  während  der  Periode  des 
Mittelalters  und  darüber  hinaus  das  Scepter  der  Gelehrsamkeit  so  hoch 
und  so  fest  gehalten  haben,  die  Sprache,  die  Poesie,  die  Sculptur, 
die  Architectur  der  Heiden  nicht  nachgeahmt  hätten,  "^weil  sie  zu  viel 
guten  Geschmack  hatten,  um  eine  Form  zu  erneuern,  welche  mit 
dem  Gedanken,  den  sie  bekleidet,  sich  abgenutzt  hatte.'  Der  Verf. 
kommt  hierauf  zu  der  dritten  Epoche  der  Erziehung,  der  sogenannten 
Wiedergeburt  der  Wifsenschaften,  'dieser  unerhörten  Revolution, 
deren  unselige  Folgen  wir  noch  heutzutage  erfahren.'  Nach  der  Dar- 
stellung des  Verf.  erscheint  es  geradezu  als  eine  seltsame  Laune 
der  damaligen  Menschen,  denen  die  'in  den  Augen  der  Vernunft  und 
des  Glaubens  so  vollkommen  logische  Ordnung  das  Unglück  hafte  zu 
misfallen',  dafs  sie,  '  die  zu  viel  guten  Geschmack  hatten', 
um  die  alte  Kunst  nachzuahmen,  auf  einmal  mit  begeistertem  Ent- 
zücken den  neuen,  aus  dem  eroberten  Konstantinopel  geflüchteten 
griechischen  Lehrern  lauschen.  '  Man  sieht  nunmehr  die  Heiden  lioms 
und  Athens;  man  verschlingt  ihre  Werke:  man  erhebt  sie  bis  zu  den 
Wolken!'  (Woher  mochte  nur  so 'schlechter  Geschmack',  so  wun- 
derlicher Heifshunger  kommen  in  einem  Zeitalter,  an  dem  der  'Wurm' 
des  Hrn.  Gaume  noch  nicht  genagt,  das  so  ganz  ohne  heidnische  Clas- 
siker erzogen  war?.')  Im  8.  und  9.  Capitel  führt  der  Verf.  Stellen  von 
Kirchenvätern  an,  worin  gegen  die  Lesung  der  heidnischen  Autoren 
mit  der  Jugend  geeifert  wird,  denen  sich  eine  noch  weit  gröfsere 
Blumenlese  von  das  Studium  der  alten  empfehlenden  Aeufserungen 
heiliger  Väter  gegenüberstellen  läfsf,  und  rühmt  den  im  iMittelalter  be- 
obachteten, von  P.  Possevin  bestätigten  Gebrauch,  den  Kindern  nur 
die  Acten  der  Märtyrer,  die  Leben  der  Heiligen,  die  Schrift  und  die 
Väter  in  die  Hand  zu  geben ,  w  onach  sie  unter  der  Leitung  erleuchte- 
ter und  christlicher  Lehrer  nicht  blofs  ohne  Gefahr,  sondern  auch  mit 
Nutzen  die  profanen  Autoren  studieren  könnten.  Hierauf  beleuchtet 
der  Verf.  (Cap.  10  und  11)  den  Einflufs  des  classischen  Ileidcntluims 
auf  die  Litferalur  und  findet,  dafs  diese  nicht  nur  eine  nachlheiligc 
Veränderung  der  Form  erlitten ,  sondern  auch  ihre  Heize  und  ihre  Po- 


58      Gaumc :  der  nagende  Wurm  der  heutigen  Gesellschaften  oder 

pularität  eingebiifst  habe  und  tief  in  ihrem  Geiste  dadurch  verderbt  wor- 
den sei.  ^Zwar  Iiatto  Boccaccio  im  15  Jahrh.  die  schmutzige  Fahne  des 
Heidenduinis  wieder  aufgepflanzt.  Da  er  sich  selbst  mit  den  alten  Au- 
toreu ,  namentlich  mit  Homer  und  Meuander  genährt,  so  hatte  er  in 
ihrer  Schule  heidnisch  leben  gelernt.  Die  aus  iliren  Schriften  ge- 
schöpfte Verdcrblheit  verbreitete  er  stromweise  in  seinen  Werken. 
Doch  der  allgemeine  Einilufs  des  christlichen  Geistes  war  damals  von 
der  Art,  dafs  er,  von  Reue  ergriiren ,  selbst  sein  Decameron  und  seine 
übrigen  schlüpfrigen  Werke  öffentlich  verbrannte.'  Der  heidnische 
Einflufs  zeige  sich  in  der  ganzen  Denk-  und  Ausdrucksweise  der  da- 
maligen Zeit.  Mk'mbo  lafst  in  seinen  Briefen  Leo  X  sagen:  se  deorum 
immovlalium  decrelis  factum  esse  poiitificem.  Anderswo  nennt  er  un- 
sern  Herrn  Jesus  Christus  einen  Heros,  heroein^  und  die  h.  Jungfrau 
deniii  Lduretanam;  den  Glauben  —  Ueberredung,  persiKisionein;  die 
Excommunication  —  iriterdictionem  aquae  et.  ignis.  Andere  nennen 
die  hehre  Maria  spes  deorum;  den  Himmel  Olympus ;  die  Hölle  Erebus; 
die  Seelen  der  gerechten  manes  pios ;  die  Priester  flamines ;  die  Bi- 
schöfe arvhiflamines;  die  grofsen  religiösen  Feierlichkeiten  lectister- 
nia ;  die  Messe  sacra  deüm ;  die  Statuen  der  Heiligen  simulacra 
sancta  deorum.  Sannazar  und  Vida,  die  zwei  ausgezeichnetsten  Lit- 
teraloren  dieser  Epoche,  vermischen  in  ihren  Gedichten  de  Partii  Vir- 
ginis  und  Chrislias  die  erhabensten  Wahrheiten  des  Glaubens  und  die 
Albernheiten  der  Fabel  auf  eine  ebenso  unanständige  als  lächerliche 
Weise.'  Kurz  unter  dem  Einflufs  des  classischen  Heidenlhums  habe 
die  moderne  Litteratur  den  christlichen  und  nationalen  Charakter  ver- 
loren;  statt  originell  und  unabhängig  zu  sein,  sei  sie  eine  knechti- 
sche Nachahmerin;  statt  ein  natürliches  Prodnct  zu  sein,  sei  sie  ein 
Machwerk  ohne  Saft  und  Kraft,  wie  jene  exotischen  Früclite,  die  man 
in  Treibhäusern  ziehe;  statt  das  Organ  des  christlichen  Spiritualismus 
zu  sein,  sei  sie  nur  zu  oft  der  entartete  Apostel  des  Sensualismus. 
Ebenso  nachtheilig  schildert  der  Verf.  den  Einflufs  des  Wiederaufle- 
bens der  classisciien  Studien  auf  die  Sprache  und  die  Kunst  (Cap.  12 
— 16).  Er  zählt  unter  anderm  die  Namen  der  204  Galeeren  auf,  die 
im  Jahre  1571  im  Golf  von  Lepanto  vereinigt  unter  dem  Commando 
der  Seemächte  Europas  die  um  sich  greifende  Macht  des  Isla- 
misnius  auf  dem  Dleere  vernichteten,  und  findet  darunter  nur  zwei 
heidnische  Namen,  Diana  und  Sirene,  während  68  derselben  Na- 
men von  Heiligen  führen.  Von  den  371  SchifTen  dagegen,  welche 
die  französische  Marine  vom  Jahre  1846  zähle,  führe  kein  ein- 
ziges den  Namen  eines  Heiligen,  während  95  eclit  heidnisch  oetauft 
seien.  Kurz  Spraclie,  Kunst  und  Wifsenschaft  hätten  zuglcicii  mit 
der  Litteratur  eine  heidnische  Richtung  genommen  und  selbst  Rom 
habe  die  heidnischen  Götzen  angebetet,  wovon  der  Verfafser  nach 
Winckelmanns  Gcschichle  der  Kunst  ein  Beispiel  anführt,  das  wir  uns 
nicht  versagen  können  herauszuheben,  weil  es  so  grell  mit  der  g-cgen- 
wärligen  Schätzung  der  AKerthuniswifscnschaft  contrasliert:  Maines 
Tages  kündigt  man  an,    dafs    Arbeiter  in  der  Umgebung  der   sieben 


(las  Hcidciilhiim  in  der  Eizieliung.  59 

Säle  citic  Mannorgriippo  von  lii;rliclior  <>riecliischer  ßildliaiierarhcit 
aiirgel'uiulcu.  Bei  dieser  Kunde  eilen  die  Kiinsller  und  die  Gelolirtcii 
in  die  Gärlen  des  Tiliis.  Sie  erkennen  den  Laoivoon,  wie  ilin  Plinius 
besehrieheu:  die  Begeisternno-  lial  ihren  iiöclisten  Grad  erreieiit.  Am 
Abend  läuten  alle  Glocken  der  Kirchen,  um  die  glückliche  Entdeckung 
zu  verkündigen.  Die  Dichter  schlai'en  nicht  während  der  Nacht;  sie 
verfertigen  Sonnettc,  Hymnen,  Canzoni,  um  die  Wiederkehr  des  anti- 
ken Meisterwerks  zum  Lichte  zu  begrüfsen  :  am  andern  Tage  war  ganz 
Rom  in  festlicher  Bewegung.  Die  Statue  zielit  mit  Blumen  und  Grüii 
geschmückt,  beim  Schall  der  Musik  durch  die  Stadt;  die  Damen  sind 
an  den  Fenstern,  klatschen  mit  den  Händen;  die  Priester,  in  Reihen  auf- 
gestellt, entblöfsen  sich  beim  Anblick  des  Meisterwerks:  das  ganze 
Volk  ist  auf  den  Strafsen ,  begleitet  mit  seinen  fröhlichen  Liedern  den 
Laokoon,  der  triumphierend  im  Capitol  einzieht.  Die  Statue  wird  auf 
ihr  Piedestal  gesetzt;  jetzt  zieht  sich  Julius  II  in  seine  Gemächer  zu- 
rück und  nun  beginnt  ein  neues  Fest,  avo  der  Cardinal  Sadolet,  das 
Haupt  mit  Lorbeer  gekrönt,  das  glückliche  Ereignis  in  einer  Ode  be- 
singt, welche  alle  Humanisten  auswendig  können.  Am  Abend  fand 
Sadolet  auf  seinem  Zimmer  ein  schönes  Manuscript  Piatos:  es  war  ein 
Geschenk  des  Papstes.'  In  der  That,  "^  die  reine  Milch,  woran  das 
Mittelalter  sich  genährt  hatte'',  muste  doch  recht  sauer  geworden 
sein,  dafs  sogar  Papst  und  Cardinäle  '^  das  schmutzige  Heidenthum' 
so  schön  fanden,  'das  heidnische  Gift'  mit  solcher  Gier  einschlürf- 
ten. Allerdings  erscheint  uns  jetzt  eine  solche  Begeisterung  übertrie- 
ben, und  wie  alle  Uebertreibung  ist  auch  die  Ueberscbätzung  des  clas- 
sischen  Alterthums,  besonders  weil  sie  sich  gleicligiltig  oder  gar 
feindselig  gegen  das  Christenthum  gebährdeto,  zu  unserer  Zeit  in  ihr 
Gegentheil  umgeschlagen.  Aber  was  läfst  solche  Verehrung  des  clas- 
sischen  Alterthums  bei  den  obersten  Hütern  des  h.  Graals,  hinsicht- 
lich der  voraufgegangenen  Bildungszustände  nicht  alles  voraussetzen, 
auch  wenn  die  Geschmack-  und  Formlosigkeit  der  damaligen  Schola- 
stik (der  wir  übrigens  ihre  religiöse  Tiefe  unverkümmert  lafsen)  nicht 
schwarz  auf  weifs  vor  uns  läge?!  Man  sieht  eben,  dafs  jede  Ueber- 
treibung, wie  alles  Unrecht,  sich  selbst  straft,  und  wenn  Hr.  Gaumo 
einen  Fenelon  tadelt,  weil  er  in  übrigens  ganz  milden  Ausdrücken  die 
griechische  Architektur  über  die  gothische  und  die  griech.  Poesie  über 
die  christliche  stellt  (S.  132),  welche  Rüge  verdient  er  selbst,  der, 
ohne  irgend  ein  Mafs  zu  kennen,  in  crassester  Weise  das  classische 
Alterthum,  welches  Gott  ebenfalls  gewollt  hat,  weil  er  es  zugelafsen, 
schmäht  und  seinen  Einthifs  dermafsen  verderblich  darstellt,  dafs,  wenn 
er  Recht  hätte,  jeder  wohldenkende  Gott  einen  Dienst  zu  tbun  glauben 
müste,  jegliche  Spur  desselben  auszurotten?  Gewis  Hr.  Gaume  be- 
weist eben  nur  in  eigner  hochwürdiger  Person,  wie  sehr  ihm  selbst 
etwas  von  dem  vielgeschmähten  'Heidenthum'  nolh  tliut,  ich  meine 
jenes  griechische  Mafs,  das  jedes  an  seine  Stelle  setzt  und  nach 
dem  Werthe  schätzt,  den  die  göttliche  Vorsehung  in  ihrer  ^^'eisheit 
ihm  verliehn  und  hineingelegt   hat!    Denn  wie  kann  er  es  vor    dem 


60       Gauinc:  der  nagende  Wurm  der  heutigen  Gesellschaften  oder 

Richterstuhle  der  Wahrheit  verantworten,  wenn  er  sagt:  *  alles  kalt- 
blütig und  leidenschaftslos  (?)  geprüft,  war  die  Renaissance  nichts 
anderes  als  die  ^^  iederbelehung  des  Heidenthums  in  der  Kunst  wie  in 
der  Wifsenschaft  und  die  Zerstörung  des  Chrisfenlluims  in  der  Kunst 
wie  in  der  Wifsenschaft;  die  Hächung  des  heidnisclien  Sensualismus, 
der  einst  vom  christlichen  Spiritualismus  überwunden  worden,  ein 
unermefslicher  Rückschritt  und  kein  unermefslicher  Fortschritt;  eine 
Quelle  des  Irthums  und  der  Schande  für  Europa  und  keine  Quelle  des 
Lichts  und  Ruhmes.'  So  weit  haben  wir  es  für  nölliig  gehalten,  den 
Verf.  Schritt  für  Schritt  zu  begleiten;  derselbe  entwirft  nun  noch 
(Cap.  15^ — 25)  ein  crasses  Rild  von  dem  verderblichen  Einfiufs,  den 
das  classische  llcidcnthum  auf  die  Philosophie,  die  Religion,  die  Fa- 
milie und  die  Gesellschaft  geübt  habe,  und  trägt  kein  Redenken,  alle 
Auswüchse,  alle  Krankheiten  und  Uebel,  an  denen  die  Gegenwart 
leidet,  den  Socialismus  und  Communismus  nicht  ausgenommen,  auf 
Rechnung  der  humanistischen  Studien  zu  setzen.  Wir  wollen  unsern 
Lesern  die  schwarzen  Schatten  dieses  grellen  Gemaides  nicht  vorfüh- 
ren, da  es  immer  einen  widerwärtigen  Eindruck  macht,  wenn  man 
einem  einzigen  und  noch  dazu  untergeordneten  3Ioment  Dinge  zu- 
schreibt, die  ihre  letzten  Gründe  in  sehr  vielerlei  und  sehr  verschie- 
denen Ursachen  haben,  zu  deren  Untersuchung  hier  nicht  der  Ort  ist. 
Wir  wollen  nur  eine  christliche  Nutzanwendung  auch  von  dieser  An- 
fechtung machen  und  uns  fragen,  ob  der  Humanismus  solche  Angriffe 
nicht  Iheilweise  selbst  verschuldet  hat?  Wir  müfsen  diese  Frage  mit 
ja  beantworten.  Denn  man  hat  vielfach  die  Vorliebe  für  die  alten 
Classiker  zu  weit  getrieben,  sie  nicht  nur  als  Muster  des  Geschmacks 
und  der  schönen  Form,  sondern  auch  im  ethischen  als  unübertrefilich 
dargestellt,  das  Mittelalter,  dessen  religiöser  Tiefe  nnd  Innigkeit  un- 
ser Zeitalter  nicht  das  Walser  reicht,  sehr  oberflächlich  als  eine  Zeit 
der  Rarbarei  und  Finsternis  und  seine  Litteratur  und  Kunst  unver- 
dienlerweise  in  Vergleich  mit  der  Antike  herabgesetzt.  Und  eben 
deshalb  ist  die  jetzige  Generation  des  Klerus,  welche  zum  grofsen 
Theil  unter  solchen  Lehrern  ihre  Bildung  erhalten  und  nun  zu  befserer 
Erkenntnis  gelangt  ist,  als  die  ihrer  Lehrer  war,  überaus  übel  anf 
die  Philologen  im  allgemeinen  zu  sprechen.  Wir  wollen  über  diesen 
Punkt  uns  nicht  weiter  auslafsen,  da  er  von  uns  bereits  früher  in  die- 
sen Blättern  erörtert  worden  ist*)  und  da  grelle »Verstöfse  in  dieser 
Beziehung,  so  viel  uns  bekannt  ist,  jetzt  nicht  mehr  vorkommen.  Neh- 
men wir  uns  die  ältere  Generation  der  Philologen  vor  Fr.  A.  Wolf 
zum  Muster,  die  gründliche  Wifsenschaft  mit  frommem  Sinne  ver- 
banden und  heidnische  wie  christliche  Classiker  gleichmäfsig  bear- 
beiteten, z.  R.  einen  Vittorino  von  Feltre,  von  dem  Karl  v.  Raumer  ♦*) 
erzählt:  Mlöchst  sorgfällig  überwachte  Vittorino  die  sittliche  Rildiing 
und  Aufführung  seiner  Zöglinge;   unzüchtige  Classiker  durften  nicht 


♦)  Archiv  Bd.   XIII  S.  632  fgg. 
+♦)  Geschichte  der  Paedagogik.     Ir  Thl.  S.  32. 


das  Ilcidenllnim  in  der  Erziehung-.  61 

gelesen  Nverden;  einzelne  scliliipfrise  Siellen  übcrj^ieng  oder  nniscliricl) 
er.  Ein  schlechter  Mensch,  gUuible  er,  könne  nie  ein  vollkoniniencr 
Gelehrter,  noch  weniger  ein  guter  Redner  sein.  Es  liege  überli;iii|>t 
mehr  daran,  gut  zu  leben  als  gut  zu  schreiben.  Den  Religionsunter- 
richt ertheilte  er  selbst,  ermahnte  die  Schüler  zum  Beten  und  be- 
suchte täglich  mit  ihnen  die  Messe.  Mit  ascelischer  Strenge  scblofs 
er  sich  jeden  Morgen  in  sein  Zimmer  und  betete  kniend.  Haulig  beich- 
tete er.  Aul"  alle  Weise  hall"  er  armen  und  kranken,  gleichgiltig  ge- 
gen den  Reichlhum.  Kein  Wunder  wenn  Yillorino  nicht  nur  als  Er- 
zieher, sondern  überhaupt  in  gröfster  Achtung  stand.  Als  Papst  Eu- 
gen IV  von  einem  3Iöuche  gebeten  wurde,  sich  in  Vittorinos  Anstalt 
begeben  zu  dürfen,  entgegnete  er:  Geh  nur,  mein  Sohn!  Gerne  über- 
lafsen  wir  dich  dem  frömmsten,  heiligsten  unter  allen  jetzt  lebenden. 
Bei  grofser  Miifsigkeit  und  unausgesetzten  Leibesübungen,  welche  er 
in  Gesellschaft  der  Zöglinge  anstellte,  blieb  Vittorino  bis  ins  Alter 
stets  gesund.  Er  starb  ohne  Seufzer  und  mit  heiterer  Miene  in  seinem 
68.  Lebensjahre ,  1446.'  Und  um  auch  das  Beispiel  eines  reformierten 
Philologen  anzuführen :  weht  nicht  überall  in  Isaak  Casaubouiis"'  un- 
längst durch  Hrn.  Wiese  in  Deutschland  bekannter  gewordenen  *) 
Tagebuche  der  Geist  wahrer  Gottesfurcht  und  echter  Frömmigkeit,  mit 
welcher  es  ganz  übereinstimmt,  dafs  er  sich  in  den  letzten  Jahren 
seines  Aufenthalls  zu  Genf  vorzugsweise  mit  den  Kirchenvätern  und 
überhaupt  mit  der  Theologie  beschäfligte? 

Doch  um  wieder  zu  unserm  '  nagenden  W^irme'  zurückzukehren, 
so  erhitzt  sich  Hr.  Gaume  im  Fortgange  seines  Werkes  in  seinem  anti- 
humanistischen Eifer  immer  mehr,  sein  Ingrimm  gegen  die  alten  Clas- 
siker  sprüht  zuletzt  Feuer  und  Flammen,  er  würde,  wenn  ihm  die 
Macht  zu  Gebote  stände,  die  ganze  alte  Lilleratur  und  Kunst  mit  allem, 
was  sich  nach  ihr  gebildet,  dem  fanatischen  Omar  gleich  in  den  Ofen 
stecken  und  von  der  nach  Gottes  ewigem  Rathschlufs  vor  sich  gegan- 
genen Entwicklung  des  Menschengeschlechts  nur  das  Mittelalter  ap- 
probieren, wenn  dieses  nicht  die  Classiker  durch  Abschreiben  ver- 
vielfältigt hätte.  Zuletzt  macht  er  der  heutigen  Philologie  und  Pae- 
dagogik  noch  einen  Vorwurf,  der  auch  anderweitig  schon  manchmal 
erhoben  worden  und  zu  wichtig  ist,  um  übergangen  zu  werden.  Er 
sagt  S.258f. :  'Wir  können  nicht  mehr  lateinisch!  das  sagt  die  innerste 
Stimme  leise  einem  jeden  von  uns.  Als  wir  die  Schule  verliefseu, 
konnten  kaum  die  stärksten  eine  Seite  von  Cicero  oder  Tacitus  ohne 
Lexikon  lesen;  gewis  aber  war  kein  einziger  im  Stande,  auch  nur  das 
kleinste  lateinische  Gespräch  zu  führen.  Heutzutage  isfs  noch  schlim- 
mer.  Wir  können  nicht  blofs  nicht  mehr  lateinisch  reden  und 
schreiben,  wir  können  nicht  einmal  mehr  lateinisches  beurtheilen. 
Folgende  Thatsache  ist  in  ganz  Frankreich  bekannt.  Im  Jahre  1823 
entdeckte  der  sehr  gelehrte  Cardinal  Mai,  Bibliothekar  der  Propa- 
ganda, einen  Theil  der  Republik  von   Cicero   und   liefs  ihn  drucken. 


*)  s.  Zeitschr.  für  das  Gymuasialwesen.  V  Jahrg.  1851  S.  273  ff. 


62      Ganme :  der  nagende  Wurm  der  lieuligen  Gesellschaften  oder 

Einige  Exemplare  kamen  nach  Paris.  Unter  andern  Personen ,  denen 
sie  znerst  in  die  Ilande  fielen,  waren  ein  überzähliger  Lehrer  an  einer 
der  grofsen  Schnlen  der  Hauptstadt  und  ein  Familienvater,  dessen 
Sohn  eben  diese  Schule  besuchte.  Nun  hatte  es  der  Lehrer  für  gut  be- 
funden, eine  wiedergefundene  Seite  von  Cicero  französisch  zu  über- 
setzen und  seinen  Zöglingen  als  Aufgabe  zu  geben':  er  war  vollkom- 
men versichert,  dafs  keiner  stehlen  konnte.  Der  Vater  untersucht  zu- 
fällig die  Aufgaben  seines  Sohnes  und  findet  diese  Aufgabe,  erinnert 
sich,  woraus  sie  genommen  ist  und  dictiert  selbst  seinem  Sohne  die 
lateinische  Seite  des  Cicero.  Die  Abschrift  wird  mit  den  übrigen 
Ausarbeitungen  eingesammelt.  Da  der  überzählige  verhindert  ist,  so 
corrigiert  der  ordentliche  Professor  die  Aufgabe,  ohne  zu  wifsen 
woraus  sie  genommen  ist.  Nach  einer  reifen  und  gewifsenhaften  Prü- 
fung erkennt  er,  dafs  fünf  Zöglinge  ein  befseres  Latein  geschrieben 
als  der,  welcher  copiert  hatte;  so  dafs  Cicero  nur  der  sechste  in  seiner 
Classe  ward!'  Man  sieht,  der  Verf.  versteht  es  nicht  nur  die  Classiker 
anzuklagen,  sondern  auch  die  Lehrer  derselben  lächerlich  zu  machen, 
eine  WalFe  die  überall  sehr  wirksam  und  in  Frankreich  in  der  Regel 
tödllich  ist.  Es  konnte  nicht  ausbleiben,  dafs  eine  Agitation  gegen 
die  Leetüre  der  Classiker,  wie  die  von  Hrn.  Gaume  unternommene, 
welche  später  durch  eine  zweite  Schrift:  'Neue  Briefe  des  Abbe  Gaume 
an  den  Bischof  von  Orleans',  in  der  er  alle  Autoren  die  Musterung  pas- 
sieren lälst,  noch  weiter  fortgesetzt  wurde,  in  ganz  Frankreich  Auf- 
sehn erregte,  zumal  da  der  'Univers'  und  der  'Ami  de  la  religion' 
die  Polemik  gegen  die  Classiker  wo  möglich  noch  weiter  als  Hr. 
Gaume  trieben,  und  in  diesem  Streite  den  Bischof  von  Orleans  Du- 
panlup,  einen  Freund  und  Beschützer  der  classischen  Studien,  an- 
grilfen ,  so  dafs  dieser  den  Zöglingen  seines  kleinen  Seminars  die 
Leetüre  des 'Univers'  zu  verbieten  sich  bewogen  fand  und  sich  für 
Beibehaltung  des  bisherigen  Unterrichtssystems  aussprach.  Die  An- 
griffe des  'Univers'  giengen  zum  Theil  auch  in  die  deutschen  Kirchen- 
blätler  über;  wir  heben  daraus  nur  folgende  Stelle  hervor:  'Was  ist 
die  Wifsenschaft  unter  dem  neuen,  so  gerühmten  Einllufse  geworden? 
Die  heutige  Philologie  begnügt  sich  damit,  griechische  und  lateini- 
sche Silben  zu  sortieren,  der  Authenticität  der  Partikeln  den  Krieg 
zu  erklären  und  die  nichtssagendsten  Texte  mit  einer  Legion  von  Va- 
rianten zu  bereichern.  Dies  Treiben  ist  nur  lächerlich,  wenn  man  will; 
ernst  ist  dabei  nur  der  Zeitverlust'  (Schles.  Kirchenblatt  XVIII  Nr.  28 
S.  344).  Dem  Erlafs  des  Bischofs  von  Orleans  trat  der  greise  Bischof 
von  Chartres  bei  und  motivierte  seine  Zustimmung  durch  eine  sehr 
ausführliche  Erörterung,  worin  er  den  Verdacht  ausspricht,  dafs  die 
Agitation  gegen  die  Classiker  mit  den  Lamennaisschen  Verirrungen  in 
geistigem  Zusammenhange  stehe.  Der  Bischof  von  Gap,  Irenaeus,  er- 
klärte sich  in  einem  originellen  Schreiben  für  Einführung  der  christ- 
lichen Autoren  in  einer  billigen  Proportion,  ohne  auf  die  Meisterwerke 
von  Athen  und  Rom  zu  verzichten,  wenn  sie  von  dem  sorgfältig  ge- 
reinigt würden,  was   sie  oft  den  guten  Sitten   und  dem  kalholischeu 


das  Heidenthiim  in  der  Erziehung;.  63 

Gl.iubon  znuideiUiufondes  cnlliiellen.  In  älinliclier  Weise  sprach  sich 
der  Cardiiial-Erzhisciiüf,  Hr.  de  Honald,  über  den  Gebraucii  heidni- 
scher Classiker  aus.  Er  erlilärt  sich  für  BeihehalUing  derselben,  so 
dafs  aus  ihnen  das  unsillliche  entfernt,  das  lieidnische  durch  die  Er- 
klärung berichtigt,  dafs  sie  überliaupt  in  chrisllicheni  Sinne  benützt 
und  dafs  neben  ihnen  auch  cliristliche  Classiker  cing'eführt  uürden. 
Der  gefeierte  Kanzclrcdner,  P.  Lacordaire,  äufserte  sich  in  einem  Briefe 
an  den  Abbe  l.andriot  folsjendermafsen  über  diesen  Slreilpnnkt:  ^^leine 
Meinung  ist,  dafs  das  Studium  der  griechischen  und  lateinischen  Clas- 
siker unter  den  gebräuchlichen  Vorsichtsmafsregeln  zur  Bildung  des 
Geschmacks  nothwendig  ist  und  dafs  es  die  Gefahren  nicht  darbietet, 
die  man  darin  erblickt.  Wenn  eine  christliche  Erziehung  den  classi- 
schcn  Unterricht  begleitet,  zerstört  sie  leicht  die  falschen  Ideen, 
AA'eiche  die  jungen  Leute  aus  dem  heidnischen  Alterthuni  aufnehmen 
könnten,  und  ich  glaube,  dafs  unsere  Generation  ^veit  mehr  durch  das 
Lesen  neuer  Schriftsteller  als  durch  das  der  alten  verdorben  worden  ist. 
Gott  hatte,  wie  es  scheint,  die  Griechen  und  Römer  dazu  bestimmt, 
gleich  den  Juden,  aber  in  anderer  Beziehung,  das  Christenlhum  vor- 
zubereiten, und  immer  ist  mir  der  Umstand  merkwürdig  vorgekom- 
men, dafs  die  auf  das  Kreuz  geheftete  Inschrift  in  den  drei  Sprachen 
abgefafst  Mar,  Avelche  die  Ueberlieferung  der  Kirche  zum  Gebrauche 
der  Christen  beibehalten  hat.  Die  Griechen  und  Kömer  sind  die  ein- 
zigen Völker  der  profanen  Welt,  denen  die  göttliche  Vorsehung  eine 
Einwirkung  auf  die  Kirche  gestattet  hat,  und  ich  meine,  dies  sei  in 
besonderer  Absicht  geschehn,  welche  man  durch  die  Ausschliefsung 
ihrer  Litteralur  verkennen  würde.  Ohne  Zweifel  können  sich  dabei 
Misbräuche  einschleichen  und  Uebelstände  daraus  hervorgehn;  aber 
wenn  man  alles  zerstören  müste ,  was  Uebel  und  Misbräuche  erzeu- 
gen kann,  würde  nichts  auf  Erden  bleiben,  nicht  einmal  die  Reli- 
gion'*). Der  Erzbischof  von  Bordeaux,  Cardinal  Donnet,  richtete 
über  die  Frage  in  Betreff  der  heidnischen  Classiker  an  den  Bischof 
von  Orleans  ein  sehr  ausführliches  Schreiben,  dessen  Hauptinhalt  fol- 
gender ist:  'Nicht  auf  die  \^'ahl  der  Bücher,  nicht  einmal  auf  die  Wahl 
der  Methoden  kommt  das  meiste  an.  Die  wahre  Gefahr  und  das  wahre 
Heilmittel  liegt  in  der  Wahl  der  Lehrer,  welche  die  Bücher  erklären 
und  die  Methoden  anwenden.  Jeder  weifs  das  und  doch  vergifst  man 
es  zu  sehr.  Das  beste  Buch  wird  ein  gefährliches  Werkzeug  in  den 
Händen  eines  schlechten  Lehrers.  Die  beste  Methode  bleibt  unfruciit- 
bar  bei  einem  ungeschickten  Professor.  Der  kluge,  unterrichtete  und 
eifrige  Lehrer  findet  Perlen  im  Ennius.  Von  Bossuet,  Fenelon ,  Rollin, 
Bourdaloue  erklärt,  können  die  heidnischen  Schriftsteller  dazu  mit- 
wirken, ein  gläubiges  und  erleuchtetes  Geschlecht  zu  bilden.  Von 
ungläubigen  Lehrern  erklärt,  würden  die  Kirchenväter  und  die  heilige 
Schrift  selbst  zu  einem  Text  für  Lästerungen  und  Gottlosigkeiten  wer- 
den.   Hat  man  Voltaires  'Die  Bibel   endlich  erklärt'  und   seine  '  Ge- 


*)  Deutsche  Volkshalle  1852.  Nr.  208. 


64      Gaume :  der  nagende  Wurm  der  liciiMgen  Gesellscliaflcn  oder 

schichte  der  Gründung  des  Christcnllunns '  vergefsen?  Behalten  wir 
die  heidnischen  Schriftsteller  für  alles,  was  sich  unanstöfsiges  und 
beredtes  bei  ihnen  findet;  bedienen  wir  uns  der  christlichen  Schrift- 
steller in  allem,  was  sie  einfaches,  grofses  und  erhabenes  enthalten, 
aber  vor  allem  wählen  und  bilden  wir  Lehrer.  —  Die  Jugend  er- 
ziehn,  heifst  die  Zukunft  des  Landes  sichern.  Die  Kinder  lehren,  Gott 
zu  dienen  und  dem  Berufe  zu  genügen,  den  ihnen  die  Vorsehung  an- 
gewiesen hat,  das  mufs  das  Ziel  unserer  Bemühungen  sein,  und  dieses 
steht  über  allem  Streit,  über  allem  Zweifel,  es  ist  allein  nölhig:  in 
iiecessartts  unitas.  Wenden  wir,  um  dieses  Ziel  zu  erreichen,  alles 
an,  was  Gott  dem  Menschen  zur  Verfügung  gestellt  hat,  benutzen  wir 
alle  guten  Methoden,  bedienen  wir  uns  des  profanen  und  des  heiligen, 
des  wahren  überall,  wo  es  sich  findet,  des  schönen,  wo  es  auch  sein 
mag;  lafsen  wir  jedem  Freiheit  in  Bezug  auf  die  Mittel,  wenn  er  nur 
nach  demselben  Ziele  strebt:  in  duhiis  libertas.  Und  bei  diesen  Me- 
thoden, bei  diesen  verschiedenartigen  Bemühungen,  bei  dieser  freien 
Concurrenz  bleiben  wir  vereinigt  durch  die  Bande  der  Liebe,  durch 
aufrichtige  und  gegenseitige  Nachsicht,  durch  echt  christliche  Unter- 
stützung: in  Omnibus  Caritas'  *).  Indem  wir  von  diesen  den  Werth 
und  die  Unentbehrlichkeit  der  classischen  Studien  anerkennenden  Er- 
klärungen erleuchteter  und  frommer  Kirchenfürsten  und  Kanzelredner 
gern  Act  nehmen,  bemerken  wir,  dafs  auch  Hr.  Lenormant  in  Artikeln 
des  'Correspondanl'  und  Hr.  Abbe  Landriot  in  seinen  Conferences  und 
in  seiner  Broschüre  Recherches  litteraires  gegen  Hrn.  Gaume  aufge- 
treten sind.  Sie  bestreiten  zwar  nicht  den  Hauptsatz  desselben,  indem 
auch  sie  mit  Recht  wünschen,  dafs  die  christlichen  Schriftsteller  des 
Alterthums  nicht  von  der  litterarischen  Erziehung  ausgeschlofsen  wer- 
den, dafs  die  heidnischen  Schriftsteller  nicht  die  einzigen  Paedagogen 
der  Jugend  seien.  Der  Streit  ist  nur  der:  Hr.  Gaume  verlangt,  die 
heidnischen  Schriftsteller  sollen  der  Jugend  erst  dann  in  die  Hand 
gegeben  werden,  wenn  sie  schon  im  Christenthum  erstarkt  ist,  und 
die  christlichen  Schriftsteller  sollen  einen  überwiegenden  Anlheil  an 
der  Erziehung  der  christlichen  Generationen  haben.  Die  beiden 
Gegner  aber  wollen  von  den  niedern  Classen  bis  zu  den  höhern  die 
heidnischen  und  die  christlichen  Schriftsteller  neben  einander  her- 
gehen laisen  und  der  historischen  Entwicklung  gemäfs  den  heidnischen 
die  erste,  den  christlichen  Schriftstellern  die  zweite  Stelle  anweisen. 
In  Deutschland  hat  der  in  Frankreich  geführte  Streit  theils  in  Zei- 
tungen theils  in  den  verschiedenen  kirchlichen  Organen  seinen  Wider- 
hall gefunden;  neuerdings  hat  Hr.  Bufs**)  nach  übersichtlicher  Er- 
wähnung der  verschiedenen  über  diesen  Gegenstand  gewechselten 
Streitschriften  seine  Meinung  dahi«  abgegeben:   'Weil  der  Unterricht 


*)  Deutsche  Volkshalle  1852.     No.   162. 
**)  Die   Reform    der  katholischen    Gelehrten -Bildung   in  Deutsch- 
land an  Gymnasien  und  Universitäten;  ihr  Hauptmittel  die  Gründung 
einer  freien  katholischen  Universität   deutscher  Nation.     Schaffhausen 
1852.     S.  72  f. 


das  Heidenlliuni  in  der  Erzicliiing.  65 

nach  den  Allem  des  I-ebcns  crllieill  werden  soll,  so  glaube  ich,  dafs 
von  uiileri  hiiiaul"  die  Parallele  des  clirislliclien  und  des  heidnischen 
Elemenls  g-eführt  >verden  muls.  Die  Hauptsache  ist:  das  heidnische 
Elemenl  muls  von  dem  chrisllichcn  überwunden  werden,  d.  h.  die 
Schönheit  der  Form  soll  aus  der  heidnischen  Lilleralur  gewonnen,  sie 
selbst  aber  soll  mit  christlichem  Inhalt  erfüllt  werden.  —  Das  Studium 
der  herlichen  Denkmale  des  christlichen  Alterthums  ist  daher  als 
sachliches  mit  dem  Studium  des  in  der  Schönheit  vollendete  Formen 
bietenden  heidnisciicn  Alterthums  zu  verbinden.'  Ein  ollenbar  aus 
gewandter  diplomatischer  Feder  gellofsener  Aufsatz  in  den  historisch- 
politischen  Blättern*),  betitelt:  ^Classisches  Alterthum  und  Philologie 
und  ihr  Verhältnis  zu  Christenthum  und  christlicher  Erzieiiung'  er- 
klärt sich  gegen  die  von  den  Gegnern  des  classischen  Alterthums  zu- 
mal in  so  leidenschaftlicher  Art  geltend  ge/nachte  Einseitigkeit,  mit 
welcher  dieselben  einen  Factor  der  neuern  Geschichte  für  das  allein 
bewegende  Princip  nehmen  und  ohne  die  mitwirkenden  Factoren  und 
Umstände  zu  beachten,  mit  und  unter  welchen  die  ^^'elt  der  Griechen 
und  Homer  für  Leben  und  Wilsenschaft  neue  Bedeutung  erhielt,  das 
Alterthum  und  die  Wifsenschaft  desselben  blindlings  verdammen. 
Darauf  hinweisend,  wie  der  altern  Schule  der  Philologen,  einem  Erasmus 
und  Justus  Lipsius  es  nicht  eingefallen  sei,  die  antike  Welt  über  die 
christliche  zu  setzen  und  an  jener  die  Feindschaft  gegen  diese  zu  ent- 
zünden, dieselben  vielmehr  das  Beispiel  geliefert  hätten,  wie  Geist 
und  classische  Bildung  mit  frommer  Gottesverelirung  wohl  vereint  sein 
könne,  datiert  er  die  Ueberschätzung  des  classischen  Alterthums  und 
die  dem  Christenthume  feindselige  Bichtung  der  Philologie  von  Fr.  A. 
Wolf,  dessen  Ansichten  bis  auf  den  heutigen  Tag  sich  fortgepflanzt 
hätten.  Denn  wenn  auch  Böckh  die  Aufgabe  der  Philologie  tiefer  er- 
fafst  und  v.  Lasaulx  die  dunkelsten  und  geheimnisvollsten  Begionen 
der  alten  Welt  mit  der  Fackel  unvergänglichen  Lichtes  erleuchtet  habe, 
so  gehe  doch  die  Mehrzahl  der  Philologen  in  ihrer  Totalanschauung 
der  antiken  Welt  nicht  über  W'oW  hinaus  oder  huldige  wenigstens  in 
Ansehung  der  Hauptfragen  denselben  Principien.  Als  Beleg  wird  ein 
Citat  aus  Bernhardys  Grundrifs  der  griech.  Litteratur  (1.  Th.  S.  126) 
angeführt.  Dessenungeachtet  könnten  bei  tieferer  und  wahrhaft  histori- 
scher Auffafsung  und  Betreibung  des  Alterthums  Theologie  und  Philo- 
logie aus  erbitterten  Feinden  wieder  hilfreiche  Freundinnen  werden. 
'Wie  Berg  und  Thal  zu  einander  gehören  und  eines  Theils  die  Kennt- 
nis der  niedern  Gegenden  erst  durch  den  Ueberblick  von  der  Höhe  wie 
abgerundet  wird,  andern  Theils  aber  die  Aussicht  von  oben  vollen 
Genufs  und  Belehrung  nur  demjenigen  gibt,  der  die  untern  Partien  schon 
durchstreift  hat,  so  wird  auch  die  antike  Welt,  von  der  Höhe  des 
Christenthums  aus  betrachtet,  erst  in  allen  ihren  Beziehungen  dem 
Auge  des  Geistes  erschlofsen  werden,  und  umgekehrt  der  christliche 
Glaube,  der  christliche  Cullus,  die  christlichen  Lebensordnungen  durch 

*)  30.  Band.     2.  Heft.     S.  91  —  105. 
^.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Hd.  LXVII.   Hfl.  I.  5 


66    Ganme:  der  nagende  Wurm  der  heutigen  Gesellscliaften  oder 

die  klar  erkannten  Analogien  und  Gegensätze  des  classisclien  Heiden- 
Ihums  an  Verständnis,  Achtung  uud  Bewunderung  gewinnen.'  Schliefs- 
lich  weist  derselbe  entschieden  das  Vorhaben  zurück,  die  Schriften 
der  heiligen  Vater  an  die  Stelle  der  heidnischen  Autoren  zu  setzen, 
stimmt  jedoch  gern  denen  bei,  welche  jenen  neben  diesen  den 
Zugang  auf  den  Gymnasien  verschaffen  möchten.  Wer  cinigermafsen 
mit  den  heiligen  Vätern  bekannt  sei,  müfse  sie  als  die  vom  heiligen 
Geiste  erlenchteten  und  erfüllten  Interpreten  der  christlichen  Religion, 
als  die  sichersten  Führer  zur  Erkenntnis  ihrer  göttlichen  Wahrheilen 
anerkennen  und  es  von  ganzer  Seele  bedauern,  dal's  Jünglinge,  welche 
der  höchsten  wifsenschaftlichen  Bildung  entgegenstreben,  mitten  in 
der  Kirche  mit  den  Schätzen  der  Kirche  unbekannt  blieben  oder  wohl 
gar  gewöhnt  w  ürden,  mit  vornehmer  Verachtung  an  ihnen  vorüberzu- 
gehn.  Doch  dürfe  man  sich  der  3Ieinung  nicht  hingeben,  die  Schriften 
der  heiligen  Väter  könnten  mit  Nutzen  gelesen  und  nach  Form  und 
Inhalt  der  Jugend  vermittelt  werden,  ehe  dieselbe  an  den  griechischen 
und  römischen  Schriftstellern  die  betreffenden  Sprachen  erlernt  und 
eine  tüchtige  Gymnastik  des  Geistes  erfahren  habe. 

Es  bleibt  uns  noch  übrig,  unsere  Ansicht  über  die  Frage  hin- 
sichtlich des  Gebrauchs  der  alten  Classiker  und  der  Kirchenväter  auf 
den  gelehrten  Schulen  hinzuzufügen,  wobei  wir  uns  kurz  fafsen  kön- 
nen, da  wir  bereits  früher,  ehe  dieser  Streit  in  Frankreich  entbrannte, 
in  diesen  Blättern*)  uns  über  das  Verhältnis  der  antiken  und  der 
christlichen  Bildung  ausgesprochen  haben  und  die  damals  dargelegten 
Ansichten  sich  der  Zustimmung  achtungswerther  Paedagogen  erfreu- 
ten **).  Wir  halten  dafür,  dafs  die  Leetüre  der  alten  Classiker,  wel- 
che viele  alte  und  neuere  ehrwürdige  Väter  der  Kirche  mit  beredtem 
Munde  empfehlen,  zu  gediegener,  auf  historischem  Grunde  ruhender 
und  wahrhaft  christlicher  Durchbildung  unentbehrlich  ist.  Heidenihum 
und  Christenlhum  gehören  zu  einander  wie  Leib  und  Seele,  wie  das 
Diesseits  und  Jenseits,  wie  Erde  und  Himmel;  wie  man  den  Leib  nicht 
zerstören  kann,  ohne  der  Seele  Gewalt  anzuthun,  so  würde  christliche 
Litteratur,  Kunst  und  Leben  ohne  die  Muster  des  Alterthums  allmählich 
zu  einem  fleisch-  und  blutlosen  Schemen,  zu  einem  ascetischen  Ge- 
rippe zusammenschrumpfen,  gleich  jener  mittelalterlichen  Scholastik, 
deren  Inhalt  tief  und  erhaben,  deren  Form  aber  abslofsend  und  ge- 
schmacklos ist.  Das  Heidenthum  ist  gefallen,  weil  seinem  schönen 
Leibe  die  schöne  Seele  abhanden  gekommen  war;  das  Christenlhum 
des  Millelalters  erwies  sich  als  unhaltbar,  weil  seiner  schönen  Seele 
ein  aesthetisches  Aeussere ,  dem  tiefen  Gedanken  die  entsprechende 
Form  fehlte ;  w  ollen  wir  denn  wieder  eins  ohne  das  andere  pflegen, 
da  doch  nur  beide  vereint,    christlicher  Inhalt  in  classischer  Form, 


*)  Archiv  Bd.  XIII  S.  53-2.  581. 
*♦)  Vergl.  Amei.s  in  Magers  paedagog.  Revue  1848.  Augnstheft  S.  125 
und  Aug.  Gladisch:    die  Religion  und   die  Philo.sopliie  in  ihrer  weltge- 
schichtlichen PJntvNicklung.    Rreslau  I8j2.  S.  104. 


(las  Heidcnllium  in  der  Erzicliiing.  67 

oosuiulor  Geist  in  gesundem  Körper,  Beten  nnd  Arbeiten  zusammen 
(l<)s  rielilige  <>el)eii  und  der  von  Gott  <>eselzlen  nalurg-emälsen  Ord 
nuug  entsprechen?  Man  wird  nicht  vollkommener,  indem  man  den 
Gegensatz  vernichtet,  sondern  indem  man  ihn,  gereinigt  und  geläutert, 
in  sich  aufnimmt.  So  hat  das  Christenthum,  indem  es  dem  classischen 
Alterlhum  Eingang  gestattete,  sich  regeneriert  und  ist  dermalen  zu 
neuer  Frische  und  Lebendigkeit  gelangt,  wie  sie  uns  nur  in  den  ersten 
Jahrhunderten  desselben  begegnet.  Und  wir  wollten"  die  griechischen 
und  römischen  Autoren,  denen  das  Christenthum  diesen  neuen  Auf- 
schwung verdankt,  indem  es  sich  das  ihm  verloren  gegangene  Mafs 
aus  jenen  Meislern  in  der  Kunst  des  Ebenmafses  aneignete,  wieder 
fortwerfen?  Das  Christenthum,  ein  edles  dem  Himmel  entstammendes 
Reis,  wurde  einst  auf  den  nur  noch  wilde  Früchte  tragenden,  sonsC 
kräftigen  Stamm  der  griechischen  und  römischen  Welt  gepfropft  und 
trieb  aus  seinen  Aesten  und  Zweigen,  in  denen  die  moderne  Cultur 
nistet,  die  herlichsten  Früchte  gotterfüllten  Sinnes  und  Strebens:  und 
wir  wollten  den  Stamm,  in  den  Gott  selbst  das  edle  Reis  eingesenkt, 
umhauen  und  so  die  ununterbrochene  Kette  der  geschichtlichen  und 
kirchlichen  Ueberlieferung  zerreifsen,  welche  stets,  durch  alle  Jahr- 
hunderte hindurch,  die  drei  an  das  Kreuz  des  Erlösers  gehefteten 
Sprachen  als  nothwendige  Unterlage  für  christliche  Bildung  betrachtet 
hat?  Nimmermehr!  Wir  können  der  heidnischen  Classiker  zu  christ- 
licher Durchbildung  niemals  entrathen,  wohl  aber  können  wir  verlan- 
gen, dafs  die  Classiker  in  christlichem  Geiste  gelesen  und  erklärt, 
mit  dem  Lichte  der  christlichen  Offenbarung  beleuchtet  und  als  Vor- 
stufe des  Christenthums,  nicht  aber  als  non  plus  ultra  der  Bildung, 
am  wenigsten  der  sittlichen,  behandelt  werden.  Wird  dann  noch  bei 
der  Auswahl  der  mit  der  Jugend  zu  lesenden  Werke  und  Abschnitte 
der  alten  Autoren  mit  der  gehörigen  Umsicht  verfahren,  so  tragen 
dieselben  nur  dazu  bei,  die  christliche  Weltanschauung  zu  befestigen 
und  den  Glauben  zu  unerschütterlicher  klarer  Ueberzeugung  zu  er- 
heben. Weil  jedoch  die  neuere  Litteratur  theilweise  einen  unchrist- 
lichen, ja  dem  Christenthume  und  den  von  ihm  geschaffenen  Lebens- 
formen sogar  feindseligen  Geist  bekundet  und  der  antike  Sensua- 
lismus bei  der  materiellen  Richtung  der  Gegenwart  eines  stärkern 
spiritualistischen  Gegengewichts  bedarf,  so  halten  wir  die  Aufnahme 
der  heiligen  Väter  in  den  Kreis  der  Leetüre  der  obern  Gymnasiäl- 
classen  für  nothwendig,  um  durch  die  heranwachsende  Generation 
wieder  eine  von  durchaus  christlichem  Geiste  durchdrungene,  die 
Autorität  und  staatliche  Ordnung  in  jeder  Weise  stützende  Litteratur 
vorzubereiten.  Wir  haben  unsererseits  diese  Ansicht  nicht  erst  jetzt 
in  Folge  des  Angriffs  auf  den  Gebrauch  der  heidnischen  Classiker  ge- 
wonnen, sondern  bereits  seit  Jahren  dem  3Iitgebrauch  der  christlichen 
Classiker  unausgesetzt  das  Wort  geredet  *),  und  erleben  nun  die  Ge- 

♦)  Vergl.  Archiv  Bd.  XIII  S.  547  ff.  Leipzig  1847.  Christen- 
thum oder  Heidenthum,  ein  Votum  in  Sachen  des  Religionsunterrichts 
au  Gymnasien   und   höhern  Bürgerschulen.     Neifse  1H48.     S.   10  ff. 

5* 


68        Gaumc:  der  nageiulo  Wurm  der  heutigen  Gcsellscliaftcn. 

migthuiing-.  dals  von  verscliiedenen  Seilen  die  gewicliliwslen  Stimmen 
sich  für  dieses  von  dem  unterzeichneten  schon  lanj^st*  empfohlene 
Prineip  vernehmen  lafsen.  üer  Versuch,  welchen  der  unterzeichnete 
bereits  in  der  Praxis  damit  gemacht,  hat  ihn  in  seiner  Ansicht  nur  be- 
stärkt; er  las  im  verllofsenen  Jahre  in  der  Prima  neben  Cicero  de  of- 
ficiis  die  gleichnamige  Schrift  des  heiligen  Amhrusius  und  die  zwei 
ersten  Bücher  von  Z.crf/ö«/2MS  Institutioiies  divinae  und  hatte  dieFreude, 
dafs  nicht  nur  die  Arbeiten  durch  und  durch  echt  christlichen  Geist 
athmeten,  sondern  auch  in  formeller  Hinsicht  Aveniger  als  jemals  zu 
verbcfsern  war,  weil  sie  daran  gelernt  halten,  auch  christliche  Be- 
griffe mit  Leichtigkeit  lateinisch  auszudrücken.  Kurz  das  allein  rich- 
tige Ziel  des  Gymnasialunlerrichts :  ^christlicher  Inhalt  in  classischer 
Form"*  war  nach  dem  Mafse  jugendlicher  Kraft  auf  eine  erfreuliche 
Weise  erreicht.  Doch  wolle  man  nicht  glauben,  durch  ausschliefs- 
lichen  Gebrauch  der  heiligen  Väter  oder  durch  Leetüre  derselben  auf 
einer  zu  frühen  Stufe,  noch  auch  durch  das  Lesen  der  christlichen 
Classiker  vor  den  heidnischen,  der  christlichen  Jugend  und  der  christ- 
lichen Sache  einen  Dienst  zu  thun.  Zu  früh  gelesen,  würden  sie  der 
Jugend  unverständlich  bleiben  und  durch  ihre  Schwierigkeit  dieselbe 
abschrecken  statt  anziehen.  Sie  vor  den  heidnischen  Autoren  lesen, 
heifst  der  Jugend  die  Sauce  vor  dem  Braten,  die  Kritik  vor  der  Sache 
geben.  Neben  einander  und  zwar  mit  den  bereits  gereiften  Schülern 
der  beiden  obern  Classen  gelesen,  geben  sie  eine  gesunde,  heilsame 
Kost,  bei  der  die  Jugend  geistig  und  sittlich  gedeiht  und  für  dieses 
und  jenes  Leben  gleichmäfsig  gebildet  wird.  Glück  auf  denn,  Philo- 
logen! Sträubet  euch  nicht  länger,  einzufahren  in  den  reichhaltigen 
Schacht  des  christlichen  Alterthums  und  die  von  euren  Vorfahren  be- 
fser  gewürdigten  Schätze,  die  darin  verborgen  liegen,  zu  liehen;  ein 
neues  Feld  vielseitiger  Arbeit  öffnet  sich,  nemlich  die  heidnischen 
Classiker,  die  Grammatiken,  die  Lehr-  und  Uebungsbücher  zu  reini- 
gen von  allem  unpassenden  und  unchristlichen,  die  christlichen  Classi- 
ker mit  demselben  Fleifse  zu  bearbeiten  und  zu  erklären,  mit  welchem 
die  heidnische  Litteratur  poliert  und  blank  gescheuert  vor  uns  liegt; 
glaubet  mir,  es  wird  euch  nicht  gereuen,  in  diesen  gold-  und  silber- 
haltigen Schacht  eingelaufen  zu  sein,  und  ihr  werdet  mit  dem  Christen- 
thume  und  der  Gegenwart  versöhnt  und  verjüngt  wieder  zu  Tage 
steigen  I 

Neifse.  Dr.  Hoffmann. 


Fr.  Jacobs:   Hellas.  69 

Kürzere  Anzeigen. 


Hellas.  Vorträge  über  Heimath,  Ge-schichte,  Literatur  und  Kuu.st 
der  Hellenen  von  Frudrirh  Jacobs.  Aus  dem  liand.scliriftliclien 
Nachiaf.s  des  Verfal'sers  berausgegeben  von  E.  F.  Jfüstcmann. 
Berlin,  R.  Friedländer  u.  Sohn.    J8J2.     XXXTI  u.  438  S.  8. 

Aus  Jacobs'  Personalien  ist  bekannt,  wie  derselbe  in  den  Jahren 
1808  und  9  dem  damaligen  Kronprinzen  I^udwig  von  Bayern  Vorträge 
über  griechische  Litteratur  und  Geschichte  zu  halten  berufen  wurde. 
Diese  Vorträge  haben  eine  geschichtliche  Bedeutung  erlangt,  indem 
sie  die  Alterthumsliebe  des  Fürsten,  welche  sich  in  so  aufserordent- 
licher  Weise  bethätigt  hat,  und  seinen  Philhellenismus,  der  zur  Rege- 
neration Griechenlands  so  wesentlich  mitgewirkt  hat,  wenn  auch  nicht 
erweckt,  doch  ohne  Zweifel  gehoben  und  geläutert  haben.  Aber  solcher 
Beziehungen  bedarf  es  nicht,  um  einem  nachgelafsenen  Werke  von 
Friedrich  Jacobs,  welches  durch  die  Pietät  eines  seiner  treusten 
Lebensgenofsen  zum  Druck  gefördert  ist,  in  Deutschland  eine  freudige 
und  dankbare  Aufnahme  zu  verschaffen.  Jacobs  war  in  hohem  Grade 
befähigt,  das  menschlich  liebenswürdige  und  sittlich  grofse  im  helle- 
nischen Leben  aufzufafsen  und  es  in  mild  eindringender  Weise  darzu- 
stellen ;  deshalb  war  es  eine  seiner  Eigenthümlichkeit  durchaus  ent- 
sprechende Aufgabe,  für  das  empfängliche  Publicum  der  Nichtgelehr- 
ten einen  Ueberblick  über  die  Cultur  und  Geschichte  der  Griechen 
zu  geben ,  welcher  weder  mit  der  Trockenheit  eines  encyclopaedischen 
Auszugs,  noch  mit  der  Schwerfälligkeit  einer  durch  kritische  und 
chronologische  Untersuchung  gehemmten  Erzählung  behaftet  sein  sollte. 
Sein  Standpunkt  ist  mit  Recht  vorwiegend  der  cnlturgeschichtliche. 
Denn  wenn  auch  jemand  mit  scheinbarem  Rechte  den  wechselvollen 
Schicksalen  und  Parteikämpfen  der  kleinen  Freistaaten  von  Hellas 
ein  unmittelbares  Interesse  für  die  Gegenwart  absprechen  könnte  — 
in  Beziehung  auf  Wifsenschaft  und  Kunst  und  die  gesammte  höhere 
Cultur  des  Geistes  gibt  es  keine  Kluft  mehr,  die  das  antike  und  mo- 
derne, wie  zwei  einander  fremde  Welten,  aus  einander  zu  halten  ver- 
möchte; sie  sind  beide  so  in  einander  verwachsen,  dafs  wir  das 
eigenste  und  nächste  ohne  Kenntnis  des  antiken  nicht  zu  verstehen 
im  Stande  sind.  Von  dic-^er  absoluten  Wichtigkeit  der  hellenischen 
Cultur  geht  Jacobs  aus,  um  den  nicht  philologischen,  sondei'n  uni- 
versalhistorischen Standpunkt  seiner  Vorträge  zu  rechtfertigen. 

Ein  solches  Lebensbild  von  Hellas  muste  mit  einer  Darstellung 
des  Landes  beginnen  ;  denn  so  wenig  auch  Luft  und  Bodenbeschaffen- 
heit die  Geschichte  machen,  die  vielmehr  erst  dann  beginnt,  wenn  die 
bestimmten  Stämme  und  Völker  in  die  für  sie  organisierten  Wohnsitze 
einrücken  —  so  ist  doch  das  Zusammen-  und  Ineinanderwirken  von 
Natur  und  Menschenleben,  die  Verbindung  von  Geographie  und  Ge- 
schichte etwas  für  Griechenland  durchaus  bezeichnendes.  Nach  einer 
übersichtlichen  Periegese  des  Festlandes,  der  Inseln  und  der  Colonien 


70  Fr.  Jacobs:  Hellas. 

folgt  die  politische  Geschichte,  welche  den  lulttlern  Theil  des  Buchs 
einnimmt.  Sie  macht  auf  keine  vollständige  und  gleichniäfsige  Behand- 
lung der  Thatsachen  Anspruch,  sondern  verweilt  vorzugsweise  bei 
solchen  Momenten,  welche  ein  allgemeines  Interesse  zu  erwecken  im 
Stande  sind.  Mit  besonderer  Liebe  ist  der  dritte  Abschnitt  behandelt, 
die  Geschichte  der  Wifsenschaften,  welcher  die  Poesie  In  allen  ihren 
Zweigen  mit  umfafst.  Den  Schlafs  bildet  die  Geschichte  der  Künste, 
welche  eine  Uebersicht  der  Hauptepochen  und  Schulen,  der  von  der 
bildenden  Kunst  aufgestellten  Götterideale  und  endlich  die  Reihe  der 
bedeutendsten  Künstler  in  der  Plastik  wie  in  der  Malerei  enthält. 

Ein  Werk  wie  das  vorliegende  ist  nicht  dazu  geeignet,  eine 
strenge  und  in  das  einzelne  gehende  Kritik  hervorzurufen.  Es  ist 
der  Nachlafs  eines  im  ganzen  Vaterlande  mit  Recht  hochgeehrten 
Mannes;  es  ist  ein  Gelegenheitswerk  zum  Zwecke  mündlicher  Vor- 
träge, die  keinen  wifsenschaftlichen  Charakter  haben  sollten;  es  ist  — 
wenn  auch  in  seinen  Anfängen  vom  Verfafser  selbst  für  den  Druck 
abgeschrieben  —  doch  durchaus  nicht  zu  diesem  Zwecke  vollendet  und 
durchgearbeitet;  an  manchen  Stellen  ist  die  Darstellung  so  skizzen- 
haft, dafs  der  wörtliche  Vortrag  des  aufgezeichneten  nicht  denkbar, 
vielmehr  eine  mündliche  Ausführung  des  angedeuteten  beabsichtigt 
gewesen  zu  sein  scheint.  In  dieser  Gestalt  überliefert,  kann  das  aus 
dem  Anfange  des  Jahrhunderts  stammende  Werk  jetzt  allerdings  in 
keinem  Theile  den  Ansprüchen  der  Alterthumswlfsenschaft  entsprechen. 
Das  Humanitätsprincip,  das  Jacobs  in  seiner  Zeit  so  schön  vertrat, 
die  sittlich -aesthetische  Freude  an  den  Bildern  der  Griechenwelt,  die 
man  an  sich  vorübergleiten  läfst,  wie  ein  Seefahrer  die  Ufergegenden, 
welche  er  nicht  selbst  betritt,  diese  beschaulich -geniefsende  Stel- 
lung dem  Alterthume  gegenüber  hat  einer  strengern,  ernstern  Wifsen- 
schaft  Platz  gemacht,  wie  sie  durch  Niebuhr  und  Böckh  und  deren 
Schule  gestaltet  worden  ist.  Man  mufs  bedenken,  was  in  diesem  hal- 
ben Jahrhundert  gearbeitet  worden  ist ,  um  nicht  ungerecht  zu  sein 
gegen  die  Vorlesungen,  welche  1808  gehalten  worden  sind.  Freilich 
kommen  allerlei  Dinge  vor,  die  man  vor  1808  genauer  wifsen  konnte; 
ich  meine  solche  Flüchtigkeiten  wie  S.  30  'Westlich  von  Phocis  lag 
Boeotien',  S.  33:  Parnass  für  Parnes,  S.  37  die  4i  Parthenonsäulen, 
denen  später  S.  379  noch  4  abgezogen  werden,  die  Pallas  in  Lemnos 
S.  392  u.  dgl.  m.  Trotz  dieser  Mängel ,  welche  theils  aus  der  Zeit, 
theils  aus  der  Entstehungsart  des  Buchs  erklärt  und  beurtheilt  wer- 
den müfsen,  sind  diese  Vorträge  auch  heute  in  hohem  Grade  geeignet, 
zur  ersten  Bekanntschaft  mit  dem  griechischen  Alterthume  benutzt  zu 
werden.  Ist  auch  die  AufTafsung  im  ganzen  durchaus  idealisierend 
und  darum  einseitig,  so  wird  sie  darum  nicht  nachtheilig  einwirken; 
von  jener  milden  Wärme  durchdrungen,  die  Jacobs'  Worten  eigen 
ist,  wird  sie  dort,  wo  Em|)fängHchkeit  vorhanden  ist,  Liebe  und  Be- 
geisterung entzünden  und  die  Gemüther  der  Jugend  für  die  Schönheit 
des  Alterthums  erwärmen. 

B.  E.   C. 


Neigcbaiir :  Dacicii.  71 

Dacien.  Aus  den  Ueberresten  des  klassische»  Altertlitnns  mit  be- 
sondrer Rücksicht  auf  Siebenbiir{;en.  To[)o{;raj)hisch  zusaninieii- 
gestellt  von  Dr.  J.  F.  IScl^cbnur.  Nebst  einer  Uebersichtskarte 
des  Trajanischen  Daciens.  Kronstadt,  Druck  und  Verlag  von 
Job.  Gott.   IH5I.     Xrr  u.  311   S.  8. 

IVliirtin  Opitz  benutzte  seinen  Aufenthalt  in  VVeifsenburg,  wo  er 
in  den  Jahren  1621  und  1622  als  Gymnasiallehrer  angestellt  war, 
Nachrichten  über  die  Alterthümer  Siebenbürgens  zu  sammeln.  In  sei- 
nem Gedichte  Zlatna  (Breslauer  Ausg.  s.  Ged.  1625  S.  19)  ver- 
helfst er: 

die  Namen  so  anitzt 
auf  blofsen  Steinen  stehn  und  sich  fast  abgenützt 
durch  Rost  der  stillen  Zeit,  die  will  ich  dahin  schreiben, 
da  sie  kein  Schnee,  kein  Blitz,  kein  Regen  wird  vertreiben, 
da  auch  der  Gothen  Schaar,  wie  sie  vorweilen  pflag, 
mit  ihrer  Grimmigkeit  zu  schaden  nicht  vermag, 
und  Colerus  in  der  Laudatio  Honori  et  Memoriae  Martini  Opitii  paulo 
post  obitum  eins  a.  1639  in  acta  apud  Vratislavienscs  solcnnitcr  dicta 
(Ausg.  von  Weise.  Lips.  1665.  4.  p.  33  f.)  berichtet:  —  latum  ita 
campum  habuit  cogitandi  de  origine  Gentis  Dacicac,  de  DeccbuU  for- 
midubilis  illic  Ilegis  cladc  et  victoria  Trajani  et  coloniis  illuc  niissis : 
cui  historiae  illustrandae  multas  inscriptiones  Romanas  ex  ruderibus 
corrosis  et  scmesis  lapidum  fragmentis  descriptas  congcssit,  postca  ex 
ingenio  et  ratione  defectus  in  iis  quosdam  supplevit,  falsa  et  dubia 
correxit  et  ad  Grotium,  Gruterum ,  lierneggerum  horum  cimelioruni 
aestiniantissinios  transmisit.  Wiederholt  gedenkt  Opitz  in  Briefen  sei- 
ner Dacia  aiitiqua,  fortdauernd  arbeitete  er  an  ihr,  und  kurz  vor  sei- 
nem Ableben  theilte  er  Freunden  mit,  dafs  dieses  Werk  nun  zu  Ende 
geführt  sei  (Coler.  p.  34).  Seine  Freunde  rühmten  den  grofsen  Fleifs,  den 
Opitz  darauf  verwendet,  und  erwarteten  nach  dem,  was  ihnen  daraus 
bekannt  wurde,  eine  aufserordentliche  Leistung.  Inprimis ,  sagt  Co- 
lerus und  bestätigen  andere,  Dacia  antiqua  ipsuin  totum  habuit,  in 
quo  opere  omneni  famae  suae,  ut  ipsc  scribit,  speni  et  ßduciam  repo- 
suerat,  in  quo  exstruendo  nullis  vigiliis ,  nullis  lucubrationibus  pe- 
percit.  Allein  durch  seinen  frühzeitigen  Tod  1639  gieng  die  ganze 
Frucht  seiner  langen  Arbeiten  verloren,  denn  sein  Nachlafs  wurde 
durch  die  Dummheit  seiner  Verwandten  verschleudert.  Viele  Gelehrte 
gaben  sich  ohne  Erfolg  Mühe,  die  Handschrift  wieder  aufzufinden. 
Ob  Preutten  in  Danzig  sie  wirklich  angekauft  hatte  und  das  Werk 
verheimlichte,  um  es  in  eignem  Interesse  auszubeuten,  ohne  hierzu 
selbst  zu  gelangen,  ob  seine  1642  gemachte  Angabe,  dafs  er  sich 
blüfs  im  Besitz  einer  unbrauchbaren  Nachrichtensammlung  befinde,  in 
Richtigkeit  beruhte,  steht  dahin  und  ist  jetzt  gleichgiltig.  Der  ge- 
lehrte Nüfsler  schrieb  damals:  indiccm  inveni,  qui  fidem  euivis  facerc 
poterit,  quantum  thesaurum  pcrdiderimus.  'Es  ist  vermuthlich  (sagt 
Lindner  in  der  umständlichen  Nachricht  von  des  weltberühmten  Schle- 


72  IScigebaur:  Dacien. 

siers  Martin  Opitz  von  Boberfeld  Leben,  Tode  und  Schriften.  Hirsch- 
berg 1741.  8.  II,  73),  dafs  es  ein  Raub  der  Schaben  worden  oder 
dafs  es  der  Unverstand  zerrifsen  hat  oder  dafs  es  die  Misgunst  ver- 
modern lafsen,  welches  alles  gar  höchst  zu  beklagen  ist,  weil  man  in 
der  gelehrten  Welt  weiter  auf  kein  so  seltnes  Werk  zu  hoffen  hat,  da 
die  alten  siebenbürgischen  Inscriptionen  nun  vollends  zu  Grunde  ge 
gangen  sind,  die  schon  damals  halb  unkäntbar  worden  waren.' 

Die  Aufmerksamkeit  war  indes  in  Folge  des  Ruhmes ,  zu  dem 
Opitz  gelangt  war,  auf  die  Ueberreste  Ungarns  und  Siebenbürgens 
aus  römischer  Zeit  hingelenkt,  und  mit  rühmenswerthem  Fleifse  wen- 
deten sich  viele  Gelehrte  zu  ihrer  Erforschung,  wie  u.  a.  das  Ver- 
zeichnis von  173  bezüglichen  Schriften  bezeugt,  mit  welchem  Hr. 
Neigebaur  sein  Werk  schliefst.  Ein  paar  zu  kurze  Angaben  desselben 
ersetzen  wir  hier  durch  genauere :  M.  Ackner :  die  antiken  Münzen, 
eine  Quelle  der  altern  Geschichte  Siebenbürgens  von  101 — 275  n.  Chr., 
in  Schullers  Archiv  für  die  Kenntnis  von  Siebenbürgen.  Hermannstadt 
1840.  I  S.  69 — 96,  295—331,  und  im  Archiv  des  Vereins  für  sleben- 
bürgische  Landeskunde.  Hermannstadt  18i4.  I.  2.  Heft.  S.  58 — 77, 
ferner:  'Zwei  unedirte  seltene  römisch -dacische  Münzen'  ebend.  I 
S.  130 — 134,  'Abhandlungen  über  Monumente,  Steinschriften,  Münzen 
und  Itinerarien  aus  der  Römerzeit  mit  besonderer  Hinsicht  auf  Da- 
cien', im  Archiv  I.  3  (1845)  S.  1 — 44,  endlich  'Ackner:  Auszug  aus  dem 
Tagebuch  über  neuentdeckte  vaterländische  Alterthümer,  archäolo- 
gische Gegenstände  des  vertiofseneu  Decenniums  1836 — 1845'  im  Archiv 
IV.  1.  S.  18  —  35.  —  Indes  schien  ein  Unstern  über  diesen  Studien 
zu  schweben.  Johann  Seivert  gab  zwar  in  Wien  im  Jahre  1772 
in  Quart  eine  Sammlung  der  hacriptiones  monumentorum  Roma- 
norum in  Dada  mcditerranea  heraus ;  allein  dieses  Werk  war  erst 
kurze  Zeit  gedruckt,  als  sämtliche  vorräthige  Abdrücke  durch  einen 
Brand  zu  Grunde  giengen,  so  dafs  nur  wenige  Exemplare  desselben 
erhalten  sind.  Eine  spätere  Sammlung  von  Katanchich :  Istri  adco- 
larum  Geograjihia  vetus ,  Ofen  1826,  ist  nach  Neigebaurs  Urtheil  un- 
zuverläfsig.  Auch  die  Alterthümer  selbst  waren  einer  fortgehenden 
Zerstörung  ausgesetzt.  Als  Ariosti  1723  siebenbürgische  Alterthümer 
nach  Wien  bringen  sollte,  zerschlugen  die  Bauern  viele  Monumente 
und  ein  mit  Alterthümern  beladenes  Schiff  versank.  Alte  Altäre  wur- 
den zu  Thürstufen  verwendet  (S.  147)  und  mit  Legionsziegeln  Säle 
gepflastert  (S.  194).  S.  17  erfahren  wir,  dafs  Neigebaur  den  1823 
entdeckten  Mosaikfufsboden  in  Varhely  im  Jahre  1845  noch  einiger- 
mafsen  kenntlich,  obwohl  schon  sehr  beschädigt  fand,  und  dafs  er 
denselben  in  der  Mitte  des  J.  1847  dergestalt  zerstört  wiedersah,  dafs 
nur  noch  einzelne  Stücke  von  dem  Rande  sichtbar  waren;  dafs  die 
steinernen  Bänke  des  Amphitheaters  daselbst  verschwunden  sind  u.  dgl. 
Doch  war  viel  in  öffentlichen  Museen  und  Privatcabinetten  geborgen, 
die  Greuel  des  Magyarenkrieges  von  1848  und  die  blinde  Zerstö- 
rungswuth  der  Walachen  (vgl.  S.  229)  betrafen  diese  aber  in  ent- 
setzlicher   Weise.      'Vandalische     Verwüstungen'      berichtet     Ackner 


Neigebaur:  Dacien.  73 

'haben  die  archaeologlsclieii  Saiiiiulmigen  Siebenbürgens,  die  meisten 
bis  zu  ihrer  gänzlichen  Verniclitiing  erlitten.'  Da  geschah  es  grade 
zur  rechten  Zeit,  beinahe  im  letztiuögllchen  Moment,  dafs  Neigebaur 
das  oben  angezeigte  Werk  begann  und  mit  der  ihm  eignen  Rülirig- 
keit  und  jener  Raschheit,  die  gradeswegs  das  Ziel  verfolgt,  ohne  sich 
je  durch  Seitenwege  irre  führen  zu  lafsen,  es  glücklich  zu  Stande 
brachte.  Von  vielen  Alterthümern,  die  heute  nicht  mehr  bestehn, 
lesen  wir  nur  noch  in  diesem  Buche.  Seine  Abschriften  und  Beschrei- 
bungen erretteten  die  Kunde.  Ackner  verbürgt  deren  Treue.  'Ein 
Verdienst,  das  Ritter  Neigebaur  durch  die  gewifsenhafteste  Genauig- 
keit bei  der  Aufnahme  in  höherm  Grade  beansprucht,  als  Graf  Ariosti 
bei  seinen  weniger  kritischen  Abschriften  der  Monumente,  \>  eiche  hier 
auf  Ort  und  Stelle  durch  die  Feuerfiammen  und  die  Wuth  der  Ver- 
wüster vernichtet,  dort  bei  Lippa  und  Szegedin  in  den  Marosch-  und 
Theissfluthen  mit  den  Schiffen  versanken  und  unersetzlich  zu  Grunde 
giengen.'  Dieses  Sachverhältnis  steigert  den  Werth  des  Buches  und 
die  Verdlenstiichkeit  des  Verfafsers.  Aber  auch  Neigebaurs  Werk 
schien  von  dem  Misgeschick,  welches  auf  den  siebenbürgischen  Alter- 
thümern ruht,  betroffen  werden  zu  sollen,  wenigstens  wurde  es  von 
ihm  bedroht.  Neigebaur  hatte  das  fertige  !Manuscript  behufs  weiterer 
Durchsicht  und  der  Leitung  des  Druckes  dem  siebenbürgischen  Ge- 
lehrten Kurz  übergeben;  es  gelangte  Ende  1847  in  die  Presse  und 
sollte  im  Mai  1(S48  erscheinen.  Statt  dessen  verscholl  es  um  eben 
diese  Zelt  und  Neigebaur  befürchtete  seinen  Verlust.  'Kaum  war  das 
Geschäft  durch  mühsame  thätigste  Verwendung  des  Herrn  Anton  Kurz 
in  vollem  Zuge,  so  gerieth  es  durch  die  Drangsale  des  heillosesten 
Bürgerkrieges  ins  Stocken,  und  wenig  fehlte,  dafs  mit  dem  unglück- 
lichen Herausgeber  nicht  zugleich  das  schöne  Werk  von  der  Sturm- 
fluth  des  greulichsten  und  entsetzlichsten  Aufruhrs  mitgerifsen  und  zu 
grofsem  Schaden  der  Wifsenschaft  verloren  gegangen  wäre ;  nur  Zu- 
fall rettete  das  Manuscript.'  Nach  Kurz'  Tode  übernahm  Pfarrer 
Ackner  in  Hammersdorf  die  Fürsorge  und  Ende  1851  erschien  wirklich 
das  Werk. 

In  der  Abfafsung  ist  ein  Grundsatz  befolgt,  den  wir  sehr  loben 
müfsen.  Es  kommt  vor  allen  Dingen  auf  die  vollständige  und  reine 
Vorlage  des  thatsächlichen  an.  Dieses  wird  in  aller  Schlichtheit  aus- 
gebreitet, ohne  Deutungen,  ohne  Ergänzungen,  ohne  Vermuthungen. 
Tief  eingehende  Erklärungen  und  Untersuchungen,  wie  sie  ül)er 
Mainzer  Alterthümer,  über  das  Schwert  des  Tiberius,  den  Grabstein  des 
Blussus  Prof.  Klein  und  Dr.  Becker  gegeben  haben,  erwarte  man  hier  nicht 
zu  finden.  Untersuchungen  würden  das  Buch  unmäfsig  angeschwellt  und 
ihm  sogar  vielleicht  einen  Theil  seines  Werthes  geraubt  haben,  indem 
sie  leicht  das  wirklich  vorgefundene  durch  willkürliche  Annahmen  ver- 
dunkeln; sie  können  sich  erst  an  diese  Vorlagen  anknüpfen.  Die  An- 
ordnung ist  nach  den  Fundorten,  von  denen  122  bestimmt  werden 
konnten.  Nachrichten  über  die  Oertlichkeit ,  Benennungen  und  Lage 
des  Dorfes  oder  der  Stadt,  ihre  Entfernung  von  andern  u.  dgl.  gehen 


74  Neigebaur:  Dacien. 

voran.  Für  Siebeubürger  mögen  dieselben  geringen  Werth  haben,  für 
uns  sind  sie  höchst  nöthig,  wiewohl  manchmal  eher  zu  viel  als  zu 
wenig  bezügliches  aufgenommen  wurde.  Darauf  folgt  die  genaue  An- 
gabe aller  Funde.  Seivert  hatte  274  römische  Inschriften  gesammelt, 
Neigebaurs  Euch  enthält  S.  7—296,  aufser  1235  anderweiten  Beweisen 
des  Römerthums  in  Dacien  (Statuetten,  Säulenschäfte,  Mauerwerk  u.  a.), 
756  Inschriften,  also  fast  die  dreifache  Zahl !  Darunter  sind  Inschrif- 
ten von  21  Zeilen  (S.  286),  von  23  Z.  (S.  120),  35  Z.  (durch  die 
Walachen  bei  der  Zerstörung  des  Collegii  zu  Enyed  vernichtet  S.  229), 
38  Z.  (S.  117  f.),  40  Zeilen  auf  2  Tafeln  (S.  239),  eine  Grabschrift 
von  24  Versen  (S.  109)  u.  a.  Ueber  die  im  lettyer  Bergwerk  zu 
Verespatak  1788  aufgefundenen,  seit  1835  im  ungarischen  National- 
museum aufbewahrten  Wachstafeln,  die  für  echt  zu  halten  sind,  wird 
nach  des  Prof.  Wenzel  Abhandlung  S.  188  — 191  berichtet,  über  die 
angeblich  1807  zu  Thorotzko  gefundenen  Wachstafeln  S.  198  und  über 
ein  paar  um  1820  in  einem  alten  Schachte  des  Bergwerkes  Grofs- 
Kirnik  gefundene,  gleichfalls  beschriebene  Täfelchen  von  Lindenholz 
S.  191 ;  allein  von  beiden  sind  die  Schriftzüge  leider  nicht  mitgetheilt, 
was  wir  als  einen  Mangel  bemerken.  Sehr  vermifst  haben  wir  ferner 
ein  Verzeichnis  der  Personennamen  und  der  Sachen,  welches  geord- 
net etwa  wie  das  Register  in  Steiners  Codex  inscriptionum  Romana- 
rum Rheni  von  besonderer  Brauchbarkeit  wäre  und  den  Nutzen  des 
Buches  erhöhen  würde.  Der  Verf.  achtet  mit  dem  Blick  eines  alten 
Kriegsmannes,  soweit  sich  Gelegenheit  bot,  auf  die  lange  Römerniauer 
(vgl.  S.  8.  16  u.  oft),  die  Befestigungen  der  Römer  (S.  84  f.,  99  f.  u.  a.) 
und  die  Trajansstrafse  u.  a.  Die  Nachgrabungen  haben  gezeigt,  dafs 
die  Römer  in  Siebenbürgen  Bergwerke  bebauten  (S.  9  u.  198),  Theater 
hatten  (S.  17  u.  100),  in  Mehadia  Bäder  gebrauchten  (S.  10).  Beson- 
ders interessant  war  uns  die  Bemerkung  (S.  83),  dafs  in  den  Gebirgen 
Walachen  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  römische  Tracht  erhalten 
haben.  'Die  Männer  gehen  im  Sommer  aufser  ihren  langen  Hosen  in 
einer  weifsen  Tunica,  welche  bis  an  die  Knie  reicht  und  mit  einem 
Gürtel  zusammengehalten  wird,  mit  Sandalen,  die  über  dem  Fufse  ge- 
schnürt sind.  Nehmen  sie  ihre  weifsen  Mäntel  um,  so  hängt  derselbe 
dergestalt  über  die  linke  Schulter,  dafs  er  sich  wie  eine  Toga  drapiert.' 
Ueberblickt  man  diese  zahlreichen  Alterthümer  aus  römischer  Zeit  und 
erwägt  man,  dafs  Dacia  diejenige  Provinz  des  Römerreichs  war,  die 
am  spätesten  erobert  und  am  frühesten  aufgegeben  wurde,  sowie  dafs 
diese  Gegenden  ein  fast  beständiger  Schauplatz  von  Kriegen  gewesen 
sind,  so  erstaunt  man  billig,  dafs  die  Römer  in  so  kurzer  Zeit,  in 
etwa  fünf  Menschenaltern,  dem  Lande  so  viel  Spuren  ihrer  Herschaft 
und  ihres  Lebens  eindrücken  konnten,  die  Zeit  und  Verwüstungen 
überdauerten. 

Das  Verdienst  des  angezeigten  Werkes  beruht  sonach  darauf,  dafs 
Hr.  Neigebaur  die  dacischen  Alterthümer  vollständiger,  als  irgend 
vor  ihm  geschehn ,  sammelte,  dafs  er  viele  zum  erstenmale  beschrieb, 
die  nicht  mehr  beschrieben  werden  können,    und  dafs  er  nicht  Vermu- 


Zaclier:  die  deutschen  Spricliwörtersammlungen.  75 

thungen  mit  Unterlagen  vermengte,  sondern  lediglich  StolV  und  nicht 
subjectives  mittheilte.  Wir  schliefsen  mit  den  Aeufserungen  Ackners 
über  Neigebaurs  Ausgrabungen:  'Bei  weicher  Gelegenheit  ich  in  ihm 
ebensowohl  den  liebenswürdigsten  Gelehrten  hochachten  lernte  als 
dessen  unermüdliches  Streben  in  Erforschung,  kritische  Genauigkeit 
in  der  Aufnahme  der  Alterthümer  und  Inschriften,  welche  unübertreff- 
bar,  und  die  unglaubliche  Gewandtheit  der  bis  zur  Herausgabe  gereif- 
ten Ausfertigung  seines  Werkes  als  Augenzeuge  bewundern  muste.' 
Woran  Opitz  die  Kraft  seines  Lebens  fruchtlos  setzte ,  das  ist  nun, 
nach  einer  Seite  hin ,  vollbracht. 

Leipzig.  Dr.  IL  JVuttke. 


Die  deutschen  Sprichwörtersammlungen  nebst  Beiträgen  zur  Cha- 
rakteristik der  Meusebachschen  Bibliothek  von  Julius  Zacher. 
Leipzig,  T.  O.  Weigel.    1852.     55  S.  8. 

Diese  kleine  Schrift  ist  ein  höchst  werthvoUer  Beitrag  zu  der 
Geschichte  des  deutschen  Schriftthums.  Sie  bietet  in  138  Nummern 
die  Titel  von  234  Büchern,  deren  ältestes  die  Monastica  in  piovcrbia 
sive  paroemias  Germanorum  von  Ant.  Tunichius  1515  sind,  aus  denen 
S.  25 — 30  Proben  mitgetheilt  werden.  Mit  wie  umfafsender  Gelehr- 
samkeit und  mit  welcher  sichern  Methode  Hr.  Zacher  gearbeitet  hat, 
zeigt  die  mustergiltige  Untersuchung  S.  45 — 51,  in  welcher  er  den 
Assessor  des  Reichskammergerichts  Peter  Denais  (geb.  1559,  gest.  1610) 
als  den  Verfafser  der  anonymen  Streitschrift  'Drey  Jesuwiter  Latein 
so  die  zu  Speyr  den  Evangelischen  Praedicanten  daselbst  auffgegeben. 
Auffgesagt  durch  ein  Alt  Dorff  Pfarrerlein  1007 '  nachweist.  Ref.  hat 
es  zweckmäfsig  befunden,  diese  Abhandlung  für  seine  Vorlesungen  so 
zu  benutzen,  dafs  er  an  ihr  den  Studenten  anschaulich  machte,  in 
welclier  Weise  bibliographische  Forschungen  anzustellen  sind.  Sie 
erregt  den  lebhaften  Wunsch,  dafs  Hr.  Zacher  zu  einer  Neubearbei- 
tung des  Kochschen  Compendiums,  die  so  sehr  mangelt  und  zu  der  er 
vor  allen  der  geeignete  Mann  wäre,  in  den  Stand  gesetzt  werden 
möge.  Die  deutsche  Litteraturgeschichte  würde  davon  einen  aufser- 
ordentlichen  Gewinn  ziehen.  Möchte  beherzigt  werden,  was  er  ganz 
wahr  und  treffend  sagt:  'Für  die  Schriftsteller  der  Griechen  und  Rö- 
mer, für  Medicin,  für  Botanik  und  für  manche  sonstige  Gebiete  des 
Wifsens  haben  die  Deutschen  höchst  vollständige  und  gründliche  Ver- 
zeichnisse geliefert,  für  ihre  eigene  Geschichte  aber  haben  sie  nur 
wenig,  und  für  ihre  Litteratur  fast  noch  weniger  gethan.  Wie  man- 
gelhaft mufs  die  Litteraturgeschichte  bleiben,  welche  über  die  Werke 
handelt,  welche  ihren  Zusammenhang  und  ihre  Wechselwirkung  nach- 
weisen soll,  so  lange  noch  sogar  das  Dasein  zahlreicher  Werke  und 
Ausgaben,  ja  ganzer  Reihen  von  Schriften,  die  besondere  Gattungen 
bilden  und  zur  Charakteristik  ganzer  Zeiträume  dienen,  so  gut  als 
vollkommen   unbekannt  ist.' 

Leipzig.  Dr.  //.   Wuttkc. 


76    Lolliholz:  Uebungen  z.  Uebersetzen  a.  d.  Deutschen  ins  Lateinische. 

Uebnngen  z,ufn  Ueberseheti  aus  dem  Deutscheit  ins  Lateinische 
mit  beständiger  Beziehung  auf  Putsches  kleinere  lateinische  Gram- 
matik. Zusammengestellt  von  Dr.  Cr.  Lothholz,  Professor  am 
Gymnasium  in  Weimar.    Jena  1852.    VI  u.    146  S.  8. 

Das  Bedürfnis,  zu  Putsches  kleinerer  lateinischer  Grammatik  Ueber- 
Setzungsbeispiele  zu  haben,  und  der  Wunsch,  das  zeitraubende  Dictie- 
ren  solcher  Sätze  zu  vermeiden,  sind  die  Veraulal'sung  zur  Ausarbei- 
tung dieses  Schulbuchs  geworden.  Seine  Einrichtung  ist  die,  dafs 
erst  Beispiele  über  eine  Reihe  zusammenhängender  Paragraphen,  als 
z.  B.  über  einen  Casus,  gegeben  sind,  und  dann  über  einige  Beson- 
derheiten im  Gebrauche  desselben  wieder  besondere.  Daran  schliefsen 
sich,  in  der  Casuslehre  wenigstens,  gemischte  Beispiele  in  zusammen- 
hängenden Stücken,  welche  jedoch  späterhin  wegbleiben.  Der  Ver- 
fafser  erklärt  in  der  Vorrede,  dafs  ihn  an  der  Ausführung  des  Plans, 
dies  nach  jeder  Lehre  zu  thun,  das  geschriebne  Recht  des  Herrn 
Verlegers  gehindert  habe.  Uns  erscheint  dies  bedauerlich,  und  hätten 
wir  lieber  dafüi-,  namentlich  zu  den  Regeln,  wo  das  Lateinische  wenig 
oder  gar  nicht  vom  deutschen  Gebrauche  abweicht,  die  Zahl  der  Bei- 
spiele verringert  gesehen,  falls  die  Bogenzahl  nicht  zu  sehr  anwachsen 
sollte.  Was  aber  diese  Beispiele  selbst  betrifft,  so  ist  zwar  der 
Uebelstand,  dafs  sie  in  einzelnen  Fällen  die  Kenntnis  späterer  Regeln 
voraussetzen,  nicht  ganz  vermieden,  auch  sind  manche  im  Inhalt  ziem- 
lich leer,  indessen  läfst  sich  beides  im  Anfang  nur  schwer  vermeiden. 
Das  Buch  wird  sich  demnach  allen  Schulen ,  in  welchen  Putsches 
kleinere  lateinische  Grammatik  eingeführt  ist,  als  ein  brauchbares 
Hilfsmittel   zur  Einübung    der  Regeln  derselben   von  selbst  empfehlen. 

Freiberg.  Bcnscler. 


Uebungsbuch  zum  Uebersetzen  ans  dem  Deutschen  in  das  Latei- 
nische für  die  mittlem  und  obern  Classen  in  drei  Cursen,  mit 
Anmerkungen  und  Hinweisung  auf  die  Sprachlehren  von  Bröder, 
Madvig  und  Zumpt  von  J.  F.  Hang,  Professor  in  Heilbronn. 
Heilbronn  1852.     XIV  u.  285  S.    8. 

Das  unterscheidende  dieses  Uebungsbuches  von  ähnlichen  andern 
besteht  besonders  in  der  Wahl  des  Stoffs:  denn  während  er  bei  den 
meisten  andern  mehr  dem  Alterthum  oder  auch  dem  Gebiete  der  Ge- 
scliichte  der  Wifsenschaften  entlehnt  ist,  finden  wir  hier  vorzüglich 
die  Geschichte  der  neuern,  ja  selbst  hie  und  da  der  neusten  Zeit  in 
ihren  hervorragendsten  Thatsachen  und  Männern  berücksichtigt  und 
so  einen  in  der  That  höchst  ansprechenden  Stoff  zu  den  Ueber- 
setzungsstücken  aus  dem  Deutschen  ins  Lateinische  zusammengehäuft. 
Freilich  gab  es  dabei  eine  Klippe  zu  umschiffen,  die  doch  an  einigen, 
wenn  auch  wenigen  Stellen  nicht  überall  umgangen  worden  ist,  ich 
meine  die  religiöse  oder  politische  Parteiansicht  des  Verfafsers.  Ich 
rechne   unter  anderm  hierher  z.  B.  den  letzten  317.  Aufsatz,    wo   vom 


Hang:  Uebungsbuch  z.  Ucberscfzen  a.  d.  Deulschcn  ins  Lateinisclie.    77 

Teufel  und  seinen  KunstgrifFen  die  Rede  ist.  Auch  die  politischen 
Ansichten  Luthers,  z.  B.  S.  121,  würde  ich,  weii  sie  leicht  zu  einer 
übermiithigen  Verachtung  des  Volkes  führen  und  so  den  l)erüchtigten 
Gelehrtenstolz  nähren  können,  weggelafsen  haben.  Was  die  unter 
den  Text  gesetzte  Phraseologie  betrifft,  so  fürchtet  der  Verfafser 
selbst,  dafs  sie  vielleicht  mancher  mehr  beschränkt  sehen  möchte. 
Der  unterzeichnete  gehört  zu  diesen  und  findet  hier  überhaupt  den 
Schüler  nicht  selten  auf  Bücher  verwiesen,  die  ihm  gewöhnlich  nicht 
zur  Hand  zu  sein  pflegen.  So  werden  aus  Horaz  Oden,  Virgils  Georg, 
und  Aeneis,  Cicero  pro  Caelio  im  ersten  Cursus  Stellen  citiert,  aus 
welchen  sich  der  Schüler,  also  der  Quartaner,  das  nöthlge  für  die 
Uebersetzung  der  Stelle  holen  soll.  Im  zweiten  Cursus  kommen  hierzu 
CItate  wie  Cic.  de  nat.  deor..  Sali.  Jug.  Eben  so  wenig  können  Nä- 
gelsbachs lat.  Stilistik  oder  Ruhnken  zu  Veliejus  leicht  von  ihnen 
nachgeschlagen  werden.  Bedenklich  hingegen  erscheint  es,  wenn  aus 
Plinius,  Cicero  u.  s.  w.  ganze  Stücke  aufgenommen  sind,  da  es  leicht 
hilfreiche  Freunde  unter  den  altern  Schülern  gibt,  die  sie  dem  Jün- 
gern in  die  Hände  spielen,  wo  dann  gleich  eine  ganze  Aufgabe  da- 
mit absolviert  werden  kann.  Darum  würde  ich  das  Buch  auch  mehr 
den  Lehrern  empfehlen,  um  daraus  passende  Stücke  zu  entlehnen  (und 
er  findet,  wie  gesagt,  hier  einen  reichen  Vorrath  davon),  als  es  dem 
Schüler  in  die  Hände  geben.  Sehr  angesprochen  haben  uns  die  Stücke 
nach  Nepos  oder  Caesar,  weil  durch  diese  feinere  Art  von  Imitationen 
mehr  für  den  lateinischen  Stil  und  auch  selbst  für  Weckung  der  Lust 
an  dergleichen  Arbeit  bei  den  Schülern  gewonnen  wird,  als  durch  die 
untergesetzten  Phrasen.  Je  öfter  aber  der  Lehrer  sich  genÖthlgt 
sieht,  mit  seinen  Aufgaben  zu  wechseln,  desto  Avillkommner  wird  ihm 
auch  die  Bereicherung  dieser  Litteratur  durch  vorliegendes  Werk  sein. 
Freiberg.  Benscler. 

Uebimgen    im   lateinischen    Stil    für    obere    Gymnasialclassen    von 
Friedrich  Adolph  Heinichen,    Dr.  d.  Phil.,  Lic.  d.  Theol.  u.  Pro- 
rector    des   Gymnasiums    zu   Zwickau.     Zweite,   durchaus   verbes 
serte  und  vermehrte  Auflage.     Leipzig  1852.     XII  u.  163  S.  8. 

In  diesem  Werke  treffen  wir  einen  alten  Bekannten,  nur  dafs  wir 
in  dieser  neuen  Auflage  die  Zahl  der  Aufgaben  um  55  vermehrt  finden. 
Hr.  Heinichen  ist  seinen  Grundsätzen  darin  treu  geblieben,  dafs  er 
nur  ganz  wenige  sogenannte  Uebersetzungswinke  und  noch  weniger 
grammatische,  lexicalische  oder  synonymische  Excurse  beigegeben  hat. 
Statt  dessen  verweist  er  lieber  zu  Anfang  der  Aufgaben  auf  Zumpts 
Grammatik  und  jetzt  auch  auf  sein  Lehrbuch  der  Theorie  des  lat. 
Stils.  Da  das  Buch  in  den  Händen  der  Schüler  sein  soll,  um  das 
lästige  Dictieren  zu  vermeiden,  so  können  wir  uns  mit  diesem  Verfah- 
ren nicht  anders  als  vollkommen  einverstanden  erklären.  Was  aber 
das  Deutsche  betrifft,  welches  in  diesen  Aufgaben  herscht,  so  nähert 
es  sich  allerdings   im  ganzen   mit  Recht   dem  Lateinischen   so  weit  als 


78  Heinichen:  llehnngen  im  lafeinischen  S\\\. 

möglich.  Doch  hat  es  uns  bediinken  wollen,  als  wenn  namentlich  in 
den  letzten  Aufgaben,  wo  doch  schon  grofse  Uebung  vorausgesetzt 
wird ,  das  ganze  hie  und  da  ein  deutscheres  Colorit  hätte  vertragen 
können.  Vielleicht  beachtet  der  Hr.  Verfafser  hei  einer  zu  erwar- 
tenden neuen  Auflage  in  den  letztern  Stücken  diese  Ansicht,  zu  deren 
Begründung  uns  hier  der  Platz  mangelt,  aus  eigner  Ueberzeugung. 
Sein  Wunsch  aber,  dafs  das  Buch  in  seiner  jetzigen  verbefserten  Ge- 
stalt die  alten  PVeunde  sich  erhalten  und  manche  neue  sich  erwerben 
möge,  ist  auch  der  unsrige. 

Preiberg.  lienseler. 


P  r  0  g  r  a  m  m  e  n  s  c  h  a  u. 


[Fortsetzung.] 
In  den  Coniecturae  in  dialogum  de  oratoribus.  Scr.  Dr.  A.  Th. 
Dryander  (Programm  des  Paedagogiuins  zu  Halle  1851.  30  S.  4) 
begegnet  Ref.  dem  unermüdlichen,  sorgfältig  alles  ausforschenden  und 
stets  gründlich  bis  zur  Tiefe  dringenden  Fleil'se  eines  lieben  Univer- 
sitäts-  und  Studiengenofsen.  Jeder  wird  in  den  hier  gegebenen  Ab- 
handlungen über  Stellen  des  bezeichneten  Dialogs  die  musterhafte 
Gründlichkeit  anerkennen  und  den  gemachten  Verbefserungsvor- 
schlägen  das  Lob ,  dafs  man  durch  sie  der  Wahrheit  bedeutend 
näher  geführt  werde,  nicht  versagen,  ja  einige  derselben  geradezu 
evident  finden.  Wir  müfsen  uns  mit  Anführung  der  Stellen  begnügen. 
C.  1  am  Ende  verbefsert  der  Hr.  Verfafser  cum  singuli  diversas  vcl 
casdcm  sibi  probabUcs  causas  adferret,  wobei  er  über  vel  =  vcl 
potius  Beispiele  beibringt.  C.  7  wird  vorgeschlagen:  si  non  in 
proelio  oritur  und  gründlich  verbreitet  sich  der  Hr.  Verfafser  über 
die  vom  Kampfe  hergenommenen  Bezeichnungen  der  Beredtsamkeit. 
C.  21  erkennt  derselbe  in  dem  erwähnten  Attius  den  aus  dem  Pro- 
cesse  des  A.  Cluentius  bekannten  Zeitgenofsen  des  Cicero  T.  Attius 
Pisaurensis,  wie  in  Canutius  mit  anderen  den  in  derselben  Zeit 
lebenden  P.  Canutius.  Nachdem  er  gründlich  die  Nachrichten  über 
deren  Beredtsamkeit  zusammengestellt  und  gezeigt  hat,  weshalb  sie 
hier  erwähnt  werden,  kommt  er  durch  Prüfung  des  grammatischen 
Werthes  der  handschriftlichen  Lesarten  zu  der  Emendation  nee  in 
unius  de  populo  —  Canuti  aut  Atti  —  deformi  ieiunio  aut  ornamcnto 
quique  alius  in  eodem  valetudinario  haec  ossa  et  hanc  maciem  probat. 
Als  Beweis,  wie  eingehend  die  Ansichten  anderer  widerlegt  werden, 
verweisen  wir  auf  die  p.  10  wegen  Silligs  Conjectur  gegebene  Erör- 
terung über  loquor  mit  dem  Accus.  Die  Vertheidigung  des  doppelten 
nisi  in  demselben  Capitel  wird  jedem,  obgleich  schon  Halm  dieselbe 
Ansicht  aufgestellt  hat,  nur  willkommen  sein.  Die  Verbefserung  C.  25: 
?ic  Uli  f/uidem  parti  sermonis  cius   repugno  quominus  favcatur ,    stellt 


Programmenschau.  79 

einen  guten  Sinn  her.  l?ei  Besprechunf;  der  Stelle  C.  26:  praepostera 
scd  tarnen  frcqucns  quibusdum  cxcliitnntio  bereitet  einigen  Zweifel, 
ob  das  in  der  Lesart  des  cod.  Perizonianus  von  Trofs  und  früher 
von  Orelll  selbst  erwähnte  sicut,  in  des  letztern  spätem  Angaben 
(Ind.  lectt.  Turic.  hib.  1846  und  Gesammtausgabe  der  Werke  des 
Tacitus)  nur  durch  ein  Versehen  weggeblieben  sei  oder  nicht.  Die 
für  den  erstem  Fall  vorgeschlagne  scharfsinnige  Emendation  scd 
tarnen  frequens  nimis  clausula  et  exclamatio  wird  von  einer  er- 
schöpfenden Erörterung  des  Gebrauchs  von  clausula  begleitet,  aber 
auch  für  den  zweiten  Fall  hat  der  Hr.  Verfafser  eine  nicht  minder 
ansprechende  frcqucns  Siculis  clausula,  in  Bereitschaft.  Endlich  wird 
noch  C.  37  Ende  mit  andern  die  Lücke  anerkannt  und  vorher  verbes- 
sert: quoque  maior  advcisarius  et  acrior,  cui  (oder  quicum)  pugnas, 
sibi  ipse  desumpscrit.  —  Je  bedeutender  die  Ansichten  über  des  Ta- 
citus religiöse  Anschauung  von  einander  abweichen,  um  so  willkomm- 
ner mufs  eine  neue  Erörterung  der  Frage  sein,  zumal  wenn  dieselbe 
mit  so  scharfem  und  unbefangenem  Urtheile  und  in  so  übersichtlicher, 
klarer  und  lebendiger  [leider  nur  durch  viele  Druckfehler  entstellter] 
Darstellung  unternommen  wird,  wie  von  Hrn.  Dir.  M.  T.  Fabian 
(Programm  des  Gymnasiums  zu  Lyck  1852:  Quid  Tacitus  de  numine 
divino  iudicaverit.  32  S.  4).  Nachdem  derselbe  in  §.  1  die  Stellen, 
welche  unmenschliche  und  abschreckende  Aeufserungen  enthalten 
(Germ.  33.  Agric.  35.  Ann.  II,  85.  XV,  44.  Hist.  V,  3.  5.  8.  13), 
bezeichnet  und  die  hauptsächlichsten  Erscheinungen  der  neuem  Lit- 
teratur  aufgezählt  hat,  wendet  er  sich  in  §.  2  zur  Prüfung  der  An- 
sicht Schlossers  (Alte  Gesch.  III,  1.  S.  412),  dafs  sich  Tac.  des 
Seneca  Philosophie  und  Schreibweise  angeeignet  habe.  Zwar  mufs  er 
Hoffmeister:  die  Weltanschauung  des  Tacitus  S.  214,  in  der  Behaup- 
tung, Tac.  habe  sich  um  Senecas  Schriften  gar  nicht  bekümmert,  den 
entschiedensten  Widerspruch  entgegensetzen,  aber  er  kann  weder  in 
Bezug  auf  den  Stil  noch  auf  die  Philosophie  Schlosser  beistimmen  und 
zwar  1)  weil  Tacitus  über  die  Providentia  divina  mit  Seneca,  dessen 
Ansichten  unter  Bezugnahme  auf  Baarts  Sen.  de  deo  ausführlich  erör- 
tert werden,  nicht  übereinstimmt;  denn  a)  Providentia  steht  bei  ihm 
nur  von  den  Menschen  (Ann.  XIII,  3.  Hist.  H,  18.  IV,  29),  nie  von 
den  Göttern,  und  so  viele  Gelegenheit  er  hatte,  davon  zu  sprechen, 
erwähnt  er  sie  nirgends,  während  er  allerdings  über  den  Begriff  von 
fatum  mit  S.  übereinstimmt.  Dem  kann  nur  Zweifel  an  der  Existenz 
der  Providentia  zu  Grunde  liegen,  b)  in  Bezug  auf  Ann.  VI,  22  ist 
mit  Pabst  eclog.  Tacit.  p.  114,  Süvern  über  den  Kunstcharakter  des 
Tacitus  S.  132,  Kil.  Wolf  de  divina  mundi  moderatione  ex  mente 
Taciti,  gegen  Hoffmeister  p.  114  zu  behaupten,  dafs  T.  nicht  die 
Meinungen  der  Stoiker  und  Epikureer  nur  referiert,  sondern  selbst  ein 
Urtheil  ausspricht  und  dies  ein  zwar  zum  Glauben  an  die  Providentia 
sich  neigendes,  wie  Bötticher  Prophet.  Stimmen  aus  Rom  oder  das 
Christi,  im  Tacit.  II  S.  88.  92  u.  100  richtig  herausgefühlt  hat,  aber 
auch   entschieden   zweifelndes   ist.      c)    über   Ann.  IV ,    18   stimmt  der 


80  Programmenschau. 

Hr.  Verf.  gegen  Bötticher  TI  S.  115  u.  122  Zell  Tacit.  als  Staats 
mann,  Ferienschr.  III.  Samml.  S.  123,  bei,  dafs  T.  hier  nur  Spiel 
des  Zufalls  und  Täuschung,  nicht  eine  göttliche  Vorsehung  sehe, 
ebensowohl  wegen  der  unter  b)  besprochenen  Stelle  und  II,  71,  als 
wegen  des  Gebrauchs  von  ludibrium.  2)  in  §.  3  zählt  der  Hr.  Verf. 
die  schon  von  Kahlert  Tac.  sent.  de  nat. ,  ind.  et  regimine  deor. 
Bresl.  1844  angeführten  von  der  ira  dcorum  sprechenden  Stellen  auf, 
vermehrt  diese  und  widmet  besonders  Ann.  XVI,  33,  in  welcher  Pabst 
S.  202  u.  139  mit  Kil.  Wolf  S.  22  epicureische  Ansicht,  Süvern  zwar 
dasselbe,  aber  Verstimmung  über  die  Schändlichkeit  des  Nero,  lloff- 
meister  S.  101  eine  ableugnende  Ironie,  Bötticher  dagegen  II  S.  94, 
während  er  im  Lex.  Tacit.  aequitas  richtig  als  Gleichgiltigkeit  gefafst 
hat.  Christliches  sieht,  ausführliche  Behandlung.  Das  Resultat  ist, 
dafs  auch  hier  Tac.  im  Gegensatz  gegen  Seneca  die  göttliche  Gerech- 
tigkeit vermifse.  3)  wird  in  §.  4  das  Verhältnis  des  Tac.  zu  den 
Stoikern  überhaupt  erörtert  und  nachgewiesen  a)  dafs  dieser  von  der 
Beschäftigung  mit  der  Philosophie  nicht  viel  halte  (Agric.  4  u.  42) 
und  wo  er  Stoiker  lobe,  sie  nicht  als  Philosophen,  sondern  als  gute 
und  brave  Männer  rühme ;  b)  dafs  er  zwar  mit  den  Stoikern  in  mora- 
lischen Ansichten  übereinstimme,  namentlich  in  der  Verachtung  der 
irdischen  Dinge,  dagegen  aber  auch  in  sehr  wesentlichem  abweiche, 
wie  z.  B.  darin,  dafs  er  Bescheidenheit  und  Gehorsam  für  Tugen- 
den halte  (ausführlicher  wird  Hist.  IV,  5  in  Vergleichung  mit  der 
unter  1,  b  aufgeführten  Stelle  erörtert  und  gegen  Bötticher  II  S.  38 
gezeigt,  dafs  Agric.  c.  44  sich  Tac.  durch  die  Hinzufügung  von  vera 
eben  mit  den  Stoikern  in  Widerspruch  setze) ;  c)  dafs  in  Bezug  auf 
die  divinatio  Tac.  nicht  nur  mit  Seneca  übereinstimme,  sondern  so- 
gar in  Bezug  auf  die  Astrologie  noch  weiter  gehe ,  und  sich  ganz  als 
einen  echten  Römer  zeige,  wobei  Bötticher  II  S.  149  als  willkomme- 
ner Vorarbeiter  anerkannt  wird.  Nachdem  nun  so  neben  Ueberein- 
stimmungen  die  Differenz  über  das  wichtigste  und  wesentlichste  in 
der  religiösen  Anschauung  nachgewiesen  ist,  wendet  sich  in  §.  5  die 
Untersuchung  zu  der  von  Hoffmeister  und  Nissen:  Tacitus  Agricola, 
herausgeg.  von  Lübker  S.  9  u.  10  aufgestellten  Behauptung,  der  grofse 
Geschichtschreiber  sei  ein  Epicureer,  und  weist  auch  hier  mit  Böt- 
ticher Hand  in  Hand  gehend  nach,  wie  derselbe  an  der  Thätigkeit  der 
Götter  gar  nicht  zweifle,  wie  denn  Hoffmeister  selbst  S.  110  der 
Wahrheit  nahe  gewesen  sei;  wenn  er  den  Göttern  i'n/esf um  quid  zu- 
schreibe, dies  aus  der  gerechten  Entrüstung  über  die  Sittenlosigkeit 
der  Römer  hervorgehe,  und  wenn  er  zuweilen  dem  Zufall  zu  viel 
Raum  gebe,  dies  eben  Zweifel  seien,  mit  denen  er,  wie  besonders  aus 
Ann.  XV,  61  hervorgehe,  ringe,  kurz  wie  ganz  unleugbar  er  ein  echter 
Römer  im  Glauben  sei.  In  §.  6  spricht  endlich  der  Hr.  Verf.  sich 
dahin  aus ,  dafs  er  in  Tacitus  ein  Schwanken  der  religiösen  Ansicht, 
auf  der  einen  Seite  ein  Hinneigen  und  Sehnen,  auf  der  andern  Seite, 
wiewohl  seltner,  ein  Zweifeln  nicht  ableugnen  könne,  und  erörtert 
dann  noch  das  Verhältnis    seiner  Ansicht   zu    denen  anderer  Gelehrten. 


Programmenschau.  81 

Zuerst  kann  er  Kahlert  S.  4  nicht  zugestehen,  dafs  Tac.  den  Glauben 
an  einen  Gott  achte,  da  er  Germ.  9  und  Hist.  V,  5  kein  eignes  Ur- 
theil  ausspreche.  Bei  K.  Wolf  findet  er  manches  richtig  erkannt, 
mufs  ihm  aber  über  den  Glauben  an  die  Unsterblichkeit  wider- 
sprechen, indem  er  durch  Vergleichung  von  Agric.  44  mit  46  zeigt, 
dafs  Tac.  keine  persönliche  Fortdauer  nach  dem  Tode  kenne,  sondern 
nur  in  der  Nachwirkung  der  Thaten  und  im  Andenken  die  Unsterb- 
lichkeit sehe.  Fast  ganz  findet  er  sich  mit  Süvern  in  Uebereinstim- 
mung.  Von  Bötticher,  dem  er  übrigens  das  höchste  Lob  ertheilt, 
weicht  er  in  folgenden  drei  Punkten  ab:  1)  leugnet  er  die  allgemeine 
Menschenliebe,  welche  jener  II  S.  148 — 150  behauptet,  unter  Beru- 
fung auf  die  an  die  Spitze  der  Abhandlung  gestellten  Stellen,  und 
während  er  (II  S.  147)  die  Ansicht,  dafs  das  Römerreich  durch  die 
Germanen  zu  Grunde  gehen  werde,  zugesteht,  stellt  er  mit  Süvern 
S.  135  die,  dafs  dadurch  eine  Erneuerung  und  Befserung  des  Men- 
schengeschlechts erfolgen  werde,  entschieden  in  Abrede.  2)  der  Be- 
hauptung, dafs  Tacitus  die  Ahnung  nur  eines  Gottes  gehabt  (II  S.  112 
—  115),  scheinen  ihm  aufser  den  früher  angeführten  die  Stellen  Hist. 
II,  78.  V,  4.  5.  9.  Germ.  9.  34.  40  zu  widersprechen.  3)  tadelt  er 
den  Versuch  Böttichers,  die  Zweifel  über  die  Providentia  divina  hin- 
wegzuräumen, unter  Hinweisung  auf  Böttichers  eigne  Resultate  11 
S.  217.  219.  228.  Entschieden  Recht  hat  der  Hr.  Verf.,  dafs  Tacitus 
nach  dem,  was  er  über  ihn  habe  sagen  müfsen,  noch  grofs  genug  bleibe. 
Sein  Ringen  nach  Wahrheit  erhebt  ihn  hoch  über  die  Heidenwelt, 
sein  Zweifel  beweist,  wo  allein  dessen  Lösung  zu  finden.  — 

Plinius.  Excerptorum  ex  C.  Plinii  Secundi  naturalis  historiae 
libro  XXXV  part.  I  commentario  critico  et  exegetico  instruxit,  Ger- 
manica sermone  interpretatus  est  Dr.  J.  Chr.  Elster  (Programm  des 
Helmstedter  Gymnasiums.  Ostern  1851.  31  S.  4).  Der  Hr.  Verf.  hat 
seit  dem  J.  1811  auf  Heynes  Anregung  sich  fortwährend  mit  dem 
XXXV.  B.  des  Plinius  beschäftigt  und  alles  zu  einer  Bearbeitung  des- 
selben gesammelt.  In  dem  vorliegenden  Programme,  das  dem  Director 
Schulrath  Koken  zu  Holzminden  zu  seinem  50jährigen  Amtsjubilaeum 
gewidmet  ist ,  gibt  er  davon  als  Probe  die  30  ersten  §.?.  desselben. 
Seinem  unermüdlichen  sorgfältigen  Sammlerfleifse  verdanken  wir  in 
dem  Commentare  eine  Menge  sehr  nützlicher  Notizen,  auch  verdient 
die  deutsche  Uebersetzung,  die  sich  sogar  bestrebt,  die  Eigenthüm- 
lichkeiten  des  Stils  möglichst  wiederzugeben,  als  fast  durchaus  wohl 
gelungen  und  das  Verständnis  fördernd,  volles  Lob;  aber  weniger 
können  wir  die  kritische  Behandlung  billigen.  Zwar  konnte  er  nicht 
einmal  die  Separatausgabe  des  XXXV.  B.  von  Sillig  (Dresden  1848), 
zu  welcher  die  Gesammtausgabe  nur  einige  Nachträge  bringt,  genau 
benützen,  allein  es  will  uns  doch  scheinen,  als  hätte,  da  bereits  der 
Werth  der  Bamberger  Handschrift  feststand,  mit  den  vorhandenen 
Hilfsmitteln  mehr  geleistet  werden  können.  Weniger  wundern  wir 
uns,  dafs  §.  2  die  Praeposition  a  vor  regibus  nicht  getilgt  ist,  ob- 
gleich die  Nachweisungen  Sllligs  zu  XXXII,  49.  S.  19  jeden  Zweifel  gegen 
IS.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.   ««/.  LXVfI.    Hft.  1.  6 


82  Programmenschau. 

die  Lesart  der  besten  Handschrift  beseitigen,  aber  dilatantia  §.  3  ist 
so  durch  die  Handschriften  und  den  von  Sillig  nachgewiesenen 
Sprachgebrauch  des  Plinius  geschützt,  dafs  die  Richtigkeit  kaum  an- 
gefochten werden  kann.  Bei  der  Beibehaltung  von  lapide  pingere  hat 
der  Hr.  Verf.  den  Bamb.  für  sich.  Wir  müfsen  freilich  die  ver- 
heifsene  Auseinandersetzung  zu  §.  133  abwarten,  vorläufig  sind  wir 
auch  durch  die  Stelle  Senec.  Ep.  86,  5  nicht  davon  abgebracht  wor- 
den, lapidcm  für  das  richtige  zu  halten.  Mit  Sillig  §.  4  die  Worte 
aurdo  figurarum  discrimine  mit  argenteae  facics  zu  verbinden,  wer- 
den wir  dadurch  bewogen,  dafs  zu  siatuarum  capita  permutantur  ein 
solcher  Zusatz  ganz  überflüfsig  ist,  während  die  Aufstellung  silberner 
Gesichtsbildnisse  an  und  für  sich  nicht  zu  tadeln  ist,  sondern  erst 
dann,  wenn  auf  Aehnlichkeit  der  Umrifse  keine  Rücksicht  genommen 
wird.  Bei  der  Vertheidigung  der  Lesart  furisque  detrahat  laqueus 
hat  allerdings  der  Hr.  Verf.  den  Einwand  Silligs :  es  sei  unpassend, 
das  Zerbrechen  durch  den  Erben  mit  dem  Raub  durch  den  Dieb  zu- 
sammenzustellen, nicht  widerlegt.  Ironisch  wird  das,  was  nach  sei- 
nem Tode  geschieht,  als  Absicht  des  Sammlers  dargestellt.  Mufs  nun 
dieser  das  Stehlen  nicht  schon  bei  Lebzeiten  fürchten  ?  Und  wäre  es 
nicht  ganz  merkwürdig,  dafs  in  den  besten  Handschriften  laqueus  in 
laqucum  verwandelt  wäre?  Freilich  die  Erklärung,  welche  Sillig  da- 
von gibt,  vermögen  wir  nicht  zu  billigen,  einmal  weil  wir  Beispiele 
von  detrahere  mit  Acc.  für  'in  Schatten  stellen'  vermifsen,  sodann 
aber,  wenn  es  auch  solche  gibt,  immer  die  Stelle  dunkel  und  ge- 
schraubt bleibt.  Wir  verlangen  etwas,  was  mit  dem  frangere  in  Zu- 
sammenhang steht,  ein  Motiv  dafür  bildet.  Was  kann  aber  den  Erben 
antreiben,  den  Nachlafs  zu  zerstückeln,  wenn  nicht  die  Furcht  vor 
Dieben?  Es  ist  bekannt,  dafs  durch  que  oft  angereiht  wird,  was  zu 
dem  vorhergehenden  in  Participialverbindung  hätte  treten  können 
(vgl.  d.  Ref.  Bem.  zu  Sal.  lug.  9,  3  p.  72),  und  demnach  glauben 
wir,  dafs  für  detrahat  ein  Wort  zu  suchen  ist  wie  etwa  exhorreat. 
§.  5  ist  et  zu  streichen  und  Epicurios  voltus  aufzunehmen.  §.  7  be- 
gegnen wir  einer  Emendation  des  Hrn.  Verf.:  triumphahantque  etiam 
dominis  mutatis  et  ipsae  domus  et  erat  haec  stimulatio  ingens  [inbel- 
lem  scheint  vor  dominum  nur  durch  ein  Versehen  ausgefallen,  da  es 
die  deutsche  Uebersetzung  wiedergibt].  Allein  es  steht  dann  das  erste 
et  an  falschem  Platze  und  das  zweite  et  ist  dadurch,  dafs  es  der 
Cod.  B.  nicht,  ein  anderer  dafür  eratque  hat,  als  verdächtig,  ja  un- 
echt erwiesen.  Auch  hier  mufs  man  sich  bei  dem  Suchen  nach  dem 
richtigen  an  das,  was  die  besten  Handschriften  bieten,  etme,  halten. 
Von  den  bisher  gemachten  Vorschlägen  genügt  Silligs  tarnen  noch  am 
besten.  Sollte  aber  vielleicht  celse  oder  eximic  darin  versteckt  liegen? 
Die  Stelle  §.  8,  wo  von  der  Adoption  eines  Scipio  die  Rede  ist,  kann 
schwerlich  für  hinlänglich  aufgeklärt  gehalten  werden.  §.  9  möchten 
wir  uns  mit  dem  Hrn.  Verf.  für  v.  Jans  Conjectur  nunc  statt  non 
entscheiden.  Nehmen  wir  den  Satz  als  Frage,  so  hat  er  immer  etwas 
verwickeltes,  wollen  wir  non  für  non  dico  (Hand  Turs.  IV,    282)  er- 


Programmenschau.  83 

klären,  so  vermifsen  wir  einen  Gegensatz.  Die  Bezeichnung  der  Ge- 
genwart aber  im  Gegensatz  gegen  die  Vergangenheit  erscheint  uns 
fast  als  nothwendig.  JJ.  1 1  entscheidet  sich  Hr.  E.  für  ut  pracscntes 
esse  ubique  credi  possent  und  gibt  als  Uebersetzung  davon:  'so  dafs 
an  ihre  Allgegenwart  geglaubt  werden  konnte.'  Wir  gestehen,  dal's 
dieser  Gedanke  für  uns  A\enig  ansprechendes  hat,  da  doch  nichts  auf 
den  Glauben  ,  sondern  auf  das  Fortleben  in  allen  Ländern  ankommt. 
Die  Lesart  der  besten  Handschriften  cludi  macht  ohnehin  credi  ver- 
dächtig. Wir  machen  auf  die  schöne  Eniendation  Hertz bergs  (Denk- 
mäler und  Forschungen  1850,  Nr.  13,  S.  144)  ceu  di  aufmerksam. 
§.  16  verdiente  die  Emendation  Haupts  (Berichte  der  Leipziger  Gesell- 
schaft der  Wifs.  1850,  S.  136)  inlevit  gewis  von  Sillig  aufgenommen 
zu  werden,  wie  wir  denn  auch  kein  Bedenken  tragen  würden,  §.  17 
des  letztern  durantibus  und  recentibus  in  den  Text  zu  setzen.  Auch 
empfehlen  wir  wie  Polionis  §.  10  (Lachmann  ad  Lucr.  I,  313.  p.  33), 
so  §.  19  Pacui  (S.  Ribbeck  Fragm.  trag.  Lat.  p.  278).  In  Bezug  auf  §.  27 
verweisen  wir  auf  L.  Stephan is  Parerga  archaeologica  in  den  Ab- 
handlungen der  Petersburger  Akademie  von  1851,  der  erstens  das  Bild- 
werk selbst  erläutert,  sodann  sehr  wahrscheinlich  emendiert  tabella 
higa  (oder  biiuga)  dependente  Nicias  scripsit  se  inussisse  (vgl.  NJahrb. 
Bd.LXIII  S.  90f,).  Weil  wir  der  Ueberzeugung  waren,  dafs  der  geehrte 
Hr.  Verf.  zur  Erlputerung  des  Plinius  bedeutendes  zu  leisten  im 
Stande  sei,  glaubten  wir  ihn  um  so  mehr  auf  eine  freiere  und  tiefer 
eingehende  Kritik  hinweisen  zu  müfsen,  und  wir  hoffen,  derselbe 
werde  darin  nur  die  Absicht,  die  Wifsenschaft  zu  fördern,    sehen. 

Schon  früher  hat  Hr.  Prof.  Dr.  Frdr.  Leonh.  Enderlein  zu 
Schweinfurt  die  Lesarten  des  Bamberger  Cod.  zu  dem  X.  und  dem 
gröfsten  Theil  des  XI.  Buches  des  Quintiliail  mitgetheilt  (s.  die 
2.  Abthlg.  NJahrb.  Bd.  XL  S.  353).  Das  beistimmende  Urtheil,  wel- 
ches Hr.  Prof.  O  s  a  n  n  darüber  gefällt  (Annotatt.  ad  Quintil.  part.  III), 
hat  ihn  veranlafst ,  seine  Arbeit  in  dem  Programm  seines  Gymnasiums 
Mich.  1852  (Commentationis  de  Bambergensi  codice  institutionum 
Quintiliani  manuscripto  sect.  IV,  undecimi  libri  cap.  tertium  continens. 
17  S.  4)  fortzusetzen.  Er  theilt  hier  die  Lesarten  jener  Handschrift  mit, 
zieht  zuweilen  den  Sarmaticus  Sicardi,  den  Gibson  oberflächlich  ver- 
glichen ,  mit  hinzu ,  weil  er  denselben  seiner  Handschrift  am  nächsten 
stehend  gefunden,  so  wie  den  Pollingianus,  bezeichnet  die  Lesarten, 
welche  von  Spalding  und  Zumpt  auf  die  blofse  Auctorität  andrer 
Handschriften  geändert  oder  beibehalten  sind,  mit  einem  Sternchen 
und  fügt  aufserdem  in  Anmerkungen  kritische  Erörterungen  bei.  Um 
über  den  Werth  des  Codex  ein  sicheres  Urtheil  abgeben  zu  können, 
müste  Ref.  erst  umfängliche  Studien  machen ;  nach  dem  in  dem  vorlie- 
genden Programm  gegebenen  kann  er  indes  wohl  aussprechen,  dafs 
er  ihm,  wie  Hrn.  Bonnell  (Vorr.  zur  Ausg.  des  X.  B.  in  der  Haupt- 
Sauppeschen  Sammlung),  manches  gute  Korn  zu  enthalten  scheint.  Um 
die  Leser  dieser  Blätter  in  den  Stand  zu  setzen,  sich  selbst  ein  Ur- 
theil   zu  bilden,    theilen  wir   hier  diejenigen  Lesarten  mit,   denen  der 

6* 


84  Programmenschau. 

Hr.  Herausgeber  einen  besondern  Werth  beilegt.  §.  1  gibt  der  Cod. 
sed  prius  nomen  a  voce,  scquens  a  gestu  videatur  accipcrc.  Ref. 
kann  sich  hier  von  der  Richtigkeit  des  Coniunctivus  potentialis  nicht 
überzeugen,  da  doch  Q.  gewis  sein  Urtheil  bestimmt  der  bestimmten 
Gewohnheit  der  meisten  entgegensetzen  mufs.  Was  die  Berufung  auf 
Burmann  zu  IX,  4  p.  579  und  auf  IV,  2,  57  solle,  gesteht  er  nicht 
recht  einzusehen.  Dagegen  empfiehlt  sich  quae  sunt  eadem  pronun- 
tiationis  für  eacdcm  durch  den  öfter  bei  Quintilian  vorkommenden 
Gebrauch  des  Neutrums  in  Beziehung  auf  Substantiva  andern  und 
verschiednen  Geschlechts.  Ebenso  erscheint  §.  2:  Affectus  omnes 
[denn  so  mufs  dann  gelesen  werden]  languescant  necesse  est,  nisi  — 
inardescunt  durch  die  Gleichheit  mit  dem  vorausgehenden  Satz  ge- 
stützt. Beiläufig  fordert  der  Hr.  Verf.  auch  III,  6,  17  mit  den 
besten  Handschriften  nisi  —  respondet  und  verweist  auf  Meyer  zu 
I,  4,  5.  §.  8  bestätigt  der  Codex  die  Conjectur  des  Regius  qui  diu 
princeps.  §.  13  bietet  derselbe  mit  andern  Handschriften  für  inter- 
mittere:  summittere  und  Ref.  stimmt  dem  Hi-n.  Verf.  gern  bei,  dafs 
dies  einen  befsern  Gegensatz  gegen  insurgere  et  exclamare  bildet,  als 
jenes.  Beachtung  verdient  jedesfalls  §.  17  non  exprobrantis  sonus, 
dagegen  können  wir  §.  18  daraus,  dafs  der  Cod.  die  Worte  habet  dif- 
fcrentiam  wegläfst ,  nicht  auf  ein  Glossem  schliefsen ;  denn  dann 
würde  er  infinita  haben  (was  in  einigen  Codd.  sich  neben  jenen  bei- 
den Worten  findet),  sodann  finden  sich  in  ihm  viele  gröfsere  und  kür- 
zere Lücken,  wie  sogleich  im  folgenden  die  Worte  quae  nominari 
fehlen ,  endlich  kann  facies  infinita  est  (est  müste  nicht  für  ausgelas- 
sen, sondern  aus  dem  folgenden  heraufzunehmen  gehalten  werden) 
wohl  kaum  bedeuten:  'die  Verschiedenheit  der  Gesichtsbildungen  ist 
unendlich  manigfaltig. '  Ob  §.  19  neglegentia  vel  scitia  berechtigt, 
vel  inscitia  als  echte  Worte  Quintilians  anzusehn,  bezweifelt  Ref.,  da 
der  cura  eigentlich  nur  neglegentia  entgegengestellt  werden  kann, 
mag  sie  nun  aus  dem  Willen  oder  aus  Unwifsenheit  hervorgehen,  und 
mindestens  ist  das  vorausgestellte  et  weniger  kräftig  und  dem  Sprach- 
gebrauche des  Quint.  angemefsen  als  das  Asyndeton.  Sehr  wahr- 
scheinlich ist  die  Verbefserung,  welche  der  Hr.  Verf.  §.  21  aus  der 
Lesart  der  meisten  Codd.  spiritus,  was  auch  der  Bamb.  bietet,  heraus- 
bringt:  quarum  strepitus.  Beachtung  verdient:  ut  nimius  impedit, 
ita  consumtus  destituit.  Auch  §.  26  halten  wir  deficient  für  richtig, 
aber  müfsen  doch  dann  als  den  Werth  des  Cod.  bestimmend  bezeich- 
nen, dafs  derselbe  nicht  auch  quaercnt,  sondern  quaerant  bietet. 
Auch  subsurda  j).  32  beweist  dem  Ref.,  dafs  der  Cod.  die  Corruptelen 
der  meisten  theilt.  Es  kommt  darauf  an ,  ob  surdus  eine  solche  Mo- 
dification  der  Bedeutung,  wie  sie  sub  hinzubringt,  zuläfst  oder  nicht, 
—  darnach  hätte  der  Hr.  Herausgeber  fragen  sollen  —  und  dann, 
ob  eine  'etwas  undeutliche  Stimme'  mit  rudis,  immanis  zusammenge- 
stellt werden  kann,  was  wir  nicht  für  möglich  halten.  Ohne  Beden- 
ken nehmen  wir  das  auch  dem  Hrn.  Herausgeber  gefallende  absurda 
Zumpts   an.      §.  34   ist   dissimulantur  gewis   das   richtige.     §.  36  hal- 


Pro^rammenschau.  85 

ten   wir   in   illud   virum    (Poll,)  ,    worauf  des  Cod.  illum  virum   führt, 
virum  für  einen  erklärenden  Zusatz  und  wenn  im  folgenden  vcniat  die 
richtige  Lesart  ist,  nun  dann  bietet  die  prima  manus  das  falsche  und 
der  Cod.  theilt  auch  hier  die  Corruptelen.     §.  37  ist  finiat  zuverläfsig 
schlechter  als  finiant,  da  ja  distinciionibus  vorausgeht.     §.  40   stimmt 
der    Cod.   in    toto   ut  aiunt  organo  instructa    mit    den   übrigen  Hand- 
schriften überein.     Die  von  dem  Hrn.  Herausg.   §.  45  u.  46  vorgenom- 
mene Transposition:  non  solum  ne  dicamus  —  sed  etiam  ut  in  iisdem 
stellt  einen    recht   guten  Sinn  her,    aber  der  Cod.  fördert  sie,    so  viel 
Ref.  sieht,    eben   so  wenig,   wie   die   übrigen   Handschriften.     Bei   den 
aus  der   Miloniana  §.  47  ff.   angeführten  Stellen  stimmt  derselbe  aller- 
dings  mit   den    besten    Handschriften    des    Cicero    überein.      §.  52    er- 
klärt der  Hr.  Herausg.   richtig   temporibus  praefinitis   als  Ablativi  ab- 
solut!.    Untersuchungen  über  solche  Formen,    wie  mehercule ,  was  der 
Cod.  §.  59  bietet,  können  am  besten  dienen,  seinen  Werth  zu  bestim- 
men.    §.  60  ist  et  sunt  quidam,  wie  auch  Poll.  und  Sarm.  bieten,  das 
richtige,  dagegen  §.  63  Itnior  schwerlich,   da   man   an    dem  folgenden 
lenis  Anstofs  nehmen   mufs.     Während  wir  §.  65   die  Weglafsung  von 
rei  billigen,  können  wir,  dafs  der  Hr.  Verf.  sich  §.  66  für  saltatio  er- 
klärt, obgleich  er  salutatio  selbst  gegen  Burmanns  Verdächtigung  ver- 
theidigt,    nur   seiner   Vorliebe    für   den  Cod.    zuschreiben.     Wenn  der- 
selbe §.  70  aut  non  concedere,  wie  Gryphius  conjicierte,  allein  bietet, 
so  kann   man   darin    die  Hand   eines    denkenden  Correctors   sehen ,   die 
sich  freilich  auch  nicht  gescheut  hat,    das   hexametrische    Mafs   durch 
haud   ego    quidem    zu    verderben.     Wenn   §.    72   hinc,   §.  84    ut  ipsa, 
das    gewünschte  Wort,   geboten   wird,    so   gebührt   das   Verdienst   der 
zweiten   Hand.     Ist   nun    nicht   zu    zweifeln,    dafs   dieselbe   aus    einem 
andern  Codex  die  Aenderungen   gemacht   hat,   so   mufs   das    Verhältnis 
desselben   zu   der    Quelle   der    ersten   Hand    einer   genauen   Erörterung 
unterzogen   werden.     Ob    aut  stupentes   ^.  76   ohne   weiteres    zu  strei- 
chen  oder   der  Ausfall   eines    durch  et  hinzugefügten  Wortes,    wie   die 
Concinnität  fordert,   anzunehmen   sei,    lafsen   wir   dahin   gestellt   sein, 
aber  so  ohne   weiteres   sie   allein  festhalten  können  wir  nicht.     Beach- 
tenswerthe  Lesarten  sind  ferner  §.  79:    renuendi  uo  ratione,   was  den 
Hrn.  Herausg.   mit    Recht    auf  renuendive   hinzuführen   scheint,    §.  89 
sensus,   §.  96  fertur,   §.  99  obliquus  rcponitur ,  §.  104  aliquid,  §.  106 
poni,    wie    Spalding    aus    Conjectur    geschrieben,    §.    112    ancillulae, 
§.    113    ad   sinistram,    §.    116   breves,    §.  124   adloquemur    (dafs   aber 
§.  125  die  Lesart  der  prima  manus  dextera  tlollitur  die  der  Ausgaben 
dextera  aut  tollitur  bestätige,  ist  nicht  anzunehmen;  der  Hr.  Herausg. 
kann  nur  von   der  zweiten  Hand  sprechen)  ,    §.  126   die   Form    Vergi- 
nius,    §.  154    das    etiam   bestätigende   et   tarnen,    §.   177    caput   artis. 
§.  132   erregt   in   dem    von   dem   Hrn.    Herausgeber  wegen   der   Lesart 
des   Cod.   gemachten   Vorschlage:    nisi  plane  iusta  fatigatio ,    est  deli- 
catum  allerdings  auch  uns  das  Fehlen  der  Copula   im  Bedingungssatze 
Bedenken,  das  richtige  ist  wohl:   nisi  plane  iusta  fatigatione ,  est  de- 
licatum.    Grofse  Bedenken  hat  das  §.  183  auch  von  dem  Bamb.  bestä- 


86  Programmenschau. 

tigte  morosam  erregt,  Ref.  kann  weder  inotiosam,  noch  morosam 
(v.  Jan),  noch  motoriam,  was  der  Hr.  Herausg.  vorschlägt,  billigen,  da 
offenbar  von  einem  den  Griechen  entweder  nachgebildeten,  oder  von 
ihnen  geradezu  entlehnten  Worte  die  Rede  ist,  was  auf  keins  der  ge- 
nannten zu  passen  scheint.  Mcohos  bezeichnet  zwar  Verhöhnung,  aber 
wie  Passow  im  Lexicon  hinzusetzt,  besonders  durch  nachäffende  Gri- 
massen. Wäre  mm  wirklich  die  Bezeichnung  einer  pronuntiatio  vol- 
tuosa,  et  gesticulationibus  molesta,  et  vocis  mutationibus  resultans 
als  einer  grimassenhaften  ungereimt?  Und  wäre  es  nicht  ganz  merk- 
würdig, wenn  blofse  Corruptel  zu  einem  solchen  Worte  geführt  hätte  ? 
Wenn  Ref.  noch  nicht  überzeugt  ist,  dafs  der  Cod.  Bamberg,  die 
Grundlage  jeder  Textesrecension  des  Quintilian  bilden  müfse,  so  will 
er  nicht  damit  das  Gegentheil  behaupten,  noch  weniger  aber  die  so 
höchst  dankenswerthe  Arbeit  des  Hrn.  Verf.  herabsetzen,  vielmehr 
fordert  er  denselben  aufs  dringendste  auf,  die  vollständige  Ver- 
gleichung  der  Handschrift  durch  das  ganze  Werk  sobald  als  möglich 
zu  veröffentlichen. 

In  dem  Programm  der  lat.  Hauptschule  im  Waisenhause  zu  Halle 
Mich.  1852  hat  der  Rector  Dr.  P^r.  A.  Eckstein  zwei  rhetorische 
Schriften  Schemata  dianocas  und  Fragmentum  de  barbarismo  (^Anec- 
dota  Parisina  rhetorica.  29  S.  4)  aus  dem  Cod.  Paris.  Nr.  7530 
veröffentlicht.  Die  erstere  war  von  Mommsen  1845  bereits  abgeschrie- 
ben,  dann  an  Bergk  geschickt  und  von  diesem  in  H.  Keils  Hände 
gekommen.  Interessant  sind  beide ,  weil  sie  über  die  rhetorischen 
Studien,  deren  Quellen  und  die  hauptsächlich  dabei  benutzten  Schrift- 
steller Aufschlüfse  bieten,  abgesehen  davon,  dafs  sie  auch  einiges 
neue  enthalten.  Der  Hr.  Herausgeber  hat  sich  ein  besondres  Ver- 
dienst dadurch  erworben,  dafs  er  die  Abschrift  dem  durch  Mommsen, 
Bergk,  Keil  und  ihn  berichtigten  Texte  gegenüber  gestellt  hat,  indem 
dadurch  die  Möglichkeit  geboten  wird,  sich  in  der  Behandlung  hand- 
schriftlicher Ueberlieferungen  zu  orientieren  und  zu  üben.  Es  sind 
auch  noch  einige  corrupte  Stellen  vorhanden,  freilich  von  der  Art, 
dafs  ohne  besondere  Hilfsmittel  schwerlich  das  richtige ,  das  sonst 
jene  Männer  von  so  bedeutendem  kritischen  Scharfblick  gewis  ent- 
deckt hätten,  gefunden  werden  durfte. 

Das  Programm  des  Gymnasiums  zu  Luckau  Ostern  1831  enthält  eine 
Abhandlung:  N.  Bergmanni  de  inscriptone  latina  ad  P.  Sulpicium 
Quirinum  cos.  a.  742  u.  c.  ut  videtur  referenda  comm.  (X  S.  4).  Es 
ist  die  Inschrift,  welche  1764  zu  Tibur  in  der  Mitte  zwischen  der 
villa  Hadriani  und  der  via  Tiburtina  gefunden  und  in  das  Museum 
Vaticanum  gebracht  wurde.  Der  Hr.  Verf.  erhielt  eine  Abschrift  von 
Theod.  Mommsen,  wodurch  er  veranlafst  wurde,  die  früher  von  ihm 
in  der  archaeologischen  Gesellschaft  zu  Berlin  vorgetragenen  Ansich- 
ten fallen  zu  lafsen.  Dieselbe,  mit  den  schönsten  Buchstaben,  wie  sie 
in  Augusts  Zeiten  in  Gebrauch  waren,  geschrieben,  lautet: 


Programmenschau.  87 

^GEM  .  QUA  .  REDACTA   .   IN  POT 
AUGUSTI  .  POPVLIQVK  .  ROMANI  .  SENATV 
SVPPLICATIONES  .  BINAS  .  OB  .  RES  .  PROSP 
IPSI    .     ORNAMENTA    .    TRIVMPP 
PRO    .    CONSVL  ASIAM    .    PROVINCIAMOP 
DIVI .  AVGVSTI  .  ITERVM  .  SYRIAM  .  ET  .  Pt 
Da   deutlich   ist,    dafs   wir   hier    die   Grabschrift   eines   Feldherrn   des 
Kaisers  Augustus  haben,    der    1)    denselben   überlebte   (wegen   DIVI), 
2)  als  Proconsul  Asien  verwaltete ,    und   zu  zwei  verschiedenen  Zeiten 
Syrien    mit   Phoenicien,   einmal    nach    jenem    Proconsulat,    3)   da   vor 
GEM  der  Strich  eines  E  sichtbar,    also  REGEM  gewis  ist,    ein  Volk, 
unter  einem  Könige  besiegte   und    deshalb   die  Ehre  des  Triumphs  zu- 
gestanden erhielt,    so    hat   schon   San  demente    (de   vulgaris    aerae 
emendatione.   Rom  1793)    an    den   P.  Sulpicius  Quirinus  gedacht,    der 
nach  Tacitus  Ann.  III,  48  nach  dem  im  J.  12  v.  Chr.  bekleideten  Con- 
sulat  die   im  westlichen  Cilicien  wohnenden,    unter  Königen  stehenden 
räuberischen  Homonadenser  (Strabo  XII  p.  569  Cas.)  gänzlich  besiegte, 
10  Jahre    später  nach  seinem  Consulate,    also  im  J.  2,    eine   der  dem 
Senate  gelafsenen   Consularprovinzen   Asien  oder  Africa   als  Proconsul 
verwaltet  haben  mufs,  ferner  nach  Joseph.  Ant.  XVIII   init.  6  n.  Chr. 
als  Praefect  Syriens,   aber  zum  zweiten  Male  nach  der  Inschrift,  nach 
des    Königs    Archelaus    Tode     den    römischen    Census    in  Judaea  hielt 
[dadurch    würde  die   Nachricht   des  Evangelisten  Lukas,   dafs    Christ 
Geburt  in  die  Zeit  des  Landpflegers  Quirinus  in  Syrien  falle,  gestützt, 
wenn   schon   wegen   des  Census    sich   die  Schwierigkeiten  nicht  heben. 
Auch  ist  es  wahrscheinlich,   dafs  er  bei  der  ersten  Verwaltung  Syriens 
mit  über  einen  Theil  Ciliciens   gesetzt  war  und  so    die  Homonadenser 
besiegte],  endlich  im  J.  21  n.  Chr.  starb.     Darnach  nun  hat  Mommsen 
die  Inschrift   ergänzt: 

[P.    Sulpicius  —   F.   —    Quirinus   —    cos. leg.    divi 

Augusü  Syriam  et  Phoenicem  rexit  vicit  Homonadensium  gentem  et 
(fugavit  oder  cepit  oder  interfecit)  re]gem  qua  redacta  in  potlestatem 
divi]  Augusti  populique  Romani  senatu[s  dccrevit]  supplicationes  binas 
ob  res  prosp[ere  gestas]  ipsi  ornamenta  triumph[alia]  proconsul  Asiam 
provinciam  op[tinuit  leg.]  divi  Augusti  iterum  Syriam  et  Ph[oenicem 
administravit]. 

Dagegen  erhebt  Hr.  Dr.  Bergmann  folgende  Bedenken :  1)  das 
Wort  iterum  in  der  sechsten  Zeile  zwingt  nicht ,  an  eine  schon  voraus- 
gegangene Verwaltung  von  Syrien  zu  denken,  sondern  kann  auch  von 
verlängerter  Amtsführung  stehen  (Böckh  Corp.  inscr.  II  n.  2870,  10. 
3517,  4  p.  560b  und  p.  844a  und  b  und  einige  andere  Inschriften); 
2)  da  die  Homonadenser  nicht  in  dem  östlichen  Theile  Ciliciens  wohn- 
ten, sondern  im  westlichen,  so  ist  nicht  wahrscheinlich,  dafs  Quirinus 
als  Proconsul  Syriens  dieselben  besiegt  habe,  sondern  zwischen  11  u. 
1  V,  Chr.  als  Propraetor  Galatiens  in  aufserordentlicher  Weise  —  denn 
25  V.  Chr.  war  der  König  der  Galater  Amyntas  im  Kampfe  gegen  die 
Homonadenser  gefallen,   und  Augustus  hatte   zwar  20  das  rauhe  Cili- 


88  Programmenschau. 

cien  dem  König  Archelaus  von  Cappadüclen  zugetheilt,  aber  die  nörd- 
lichen Abhänge  des  Taurus  bei  der  Provinz  Galatien  gelafsen.  3)  Von 
dem  Gesetze ,  dafs  der  gewesene  Consul  nach  10  Jahren  eine  Provinz 
begleiten  muste,  finden  sich  viele  Ausnahmen  (Dio  Cass.  LIV,  30. 
Tac.  Ann.  I,  12.  Ross  Inscript.  gr.  III  n.  312  u.  a.)  und  es  ist  des- 
halb anzunehmen,  dafs  Quirinus  erst  2  n.  Chr.  Syriens  Verwaltung 
antrat.  [Aber  des  Evangelisten  Lukas  Zeugnis  spricht  ja  für  die 
Bedeutung  des  iterum  und  für  die  regelmäfsige  Zeit.  Ueber  den  Cen- 
sus  ist  übrigens  Huschkes  Arbeit  nicht  genannt.]  Schliefslich  äufsert 
derselbe  die  Vermuthung,  es  sei  zu  ergänzen:  domuit  Homonadensium 
gentem  quae  occiderat  Amyntam  regem.  Allein  es  ist  sehr  unwahr- 
scheinlich, dafs  in  der  Inschrift  eine  schon  längst  vergangene  Kriegs- 
that  und  ein  bei  der  Nachwelt  gewis  nur  den  Gelehrten  bekannter 
König  hätte  erwähnt  sein  sollen,  und  die  Beziehung  des  Relativ  qua  auf 
entfernter  stehendes  Substantiv  ist  ja  sogar  bei  den  classischen 
Schriftstellern  nicht  ungewöhnlich  (vgl.  des  Ref.  Anm.  zu  Sal.  Cat. 
48,  1  p.  187),  geschweige  denn  in  einer  Inschrift  unerträglich,  zumal 
wo  das  Genus  jede  Zweideutigkeit  beseitigt. 

(Fortsetzung  folgt.)  D. 


Ein  Nachtrag  zur  Biographie  Karl  Lachmanns  von  M.  Hertz. 


In  meiner  Biographie  Lachmanns  S.  13  habe  ich  nach  einer  gü- 
tigen Mittheilung  des  Hrn.  Director  Dr.  Krüger  zu  Braunschweig 
von  einem  lateinischen  Gedichte  gesprochen  ,  mit  dem  Lachmann  den 
Einzug  des  Herzogs  Friedrich  Wilhelm  von  Braunschweig  in  seine 
Vaterstadt  im  Jahre  1813  begrüfst  habe.  Es  war  aber  weder  Hrn. 
Krüger  noch  mir  gelungen  dasselbe  zu  erhalten,  und  da  ich  nicht 
einmal  sicher  wüste,  ob  es  nicht  nur  handschriftlich  existiert  habe, 
konnte  ich  in  der  Uebersicht  der  litterarischen  Thätigkeit  Lach- 
manns (Beilage  C  S.  XXVII)  nur  die  Bemerkung  machen,  dafs  dieses 
Gedicht  am  Anfange  des  Verzeichnisses  fehle,  wenn  es  gedruckt  wor- 
den sei.  Dieser  Zweifel  ist  durch  die  zuvorkommende  Gefälligkeit  des 
Hrn.  Oberlehrer  Dr.  Lange  zu  Blankenburg  gehoben,  der  mir  ein 
im  Besitze  eines  Coliegen ,  des  Hrn.  Prediger  Dr.  Hoffmeister,  be- 
findliches Exemplar  dieses  Gedichts ,  einer  Elegie  in  einundvierzig 
Distichen,  ein  Heftchen  von  einem  halben  Bogen  in  Octav  bildend, 
mitgetheilt  hat.  Den  Dank,  den  ich  ihm  schulde,  glaube  ich  mir  bei 
vielen  zu  verdienen,  wenn  ich  dies  so  gut  wie  unbekannte  Gedicht 
des  zwanzigjährigen  Jünglings  durch  einen  erneuten  Abdruck  veröffent- 
liche. 


Nachtrag  zu  K.  Lachmanns  Biographie  von  M.  Herlz.  89 

DE   ADVENTU 

SERENISSIMI    DUCIS 

FRIDERICI    GULIE  LMI 

E  L  E  G  I  A 

BRUNOVICI 

CIOIOCCCXIII. 
TYPIS  JOANNl  HENRICI  MEYERI. 
(p.  III)      Haec  erat  illa  dies;  laeto,  Brunsuiga,  tumultu 
Exsulta;  precibus  saepe  petita  tiiis. 
Hanc  celebrare  sacris,  qua  Dux  has  redditiis  oras 

Adspiceret,  magno  non  minor  ille  Patre, 
Hac  dare  tura  focis,  arisque  accendere  odores 

Vovimus ,  hanc  festis  annumerare  diem. 
Vota  cadunt.     Precibus  faciles  adverterat  aures, 

Quisquis  is  est,  nostri  cui  data  cura,  deus. 
Quid  dubito?     Phoebus  fuerat;  nam  praesidet  urbi; 
Hie  pariter  vobis  Mercuriusque  favet. 
(p.  IUI)     At  Phoebus  celeri  petit  Anglica  Htora  passu, 
Principis  et  praesens  adstitit  ante  torum. 
Adstitit,  et  morbo  fessum  medicantibus  herbis 

Excitat ;  hinc  placidos  edidit  ore  sonos : 
Surge,  ait,  6  Juvenis,  studio  dignissime  nostro, 

0,  patriae  merito  maxima  cura  tuae! 

Surge,  age;  te  dudum  revocant,  pia  pectora ,  cives; 

Te  multa  poscunt  cum  prece  saepe  deos. 
I,  tua  quo  te  vota  vocant,  quo  vota  tuorum, 

Cui  scio  nil  patrio  dulcius  esse  solo. 
Cernis?  amica  manus  sedes  iam  pandit  avitas, 

Et  sua  furtorum  praemia  raptor  habet. 
Si  quaedam  et   validis  restant   peragenda  lacertis, 

Jam  tibi  prompta  cohors  arma  parata  subit. 
Non  sine  te  patriae  rediit  decus;  ipse  ego  testis. 

Gratatur  meritis  Teutonis  ora  tuis. 
Haec  memori  justas  animo  laetissima  grates 

(Accipe  sed  placida  debita  fronte)  feret. 
Quin  ego,  ne  timeas,  certo  te  tramite  ducam, 

Avertam  et  strictas  in  tua  fata  manus. 
Sed  quid  ego  haec?     Nullum  scimus  tua  corde  *)  timorem 

Nosse,  neque  ad  magnas  intremuisse  minas. 
(p.  V)        Ergo  age,  vel  mecum  medios  incede  per  enses. 

1,  via  te  populis  iam  feret  illa  tuis. 

His  deus  accendit  dictis,  dextraque  volentem 
Prendit;  nee  comitem  se  negat  ille  deo. 

*)  Sic;  1.  corda. 


90  Nachtrag  zu  K.  Lachmanns  Biographie  von  M,  Hertz. 

En  adsiint.     Ducente  deo  deus  ipse  videris, 

Sic  intras  caram  carus  et  ipse  domuin. 
Et,  Salve!  populi,  Salve!  clamante  corona, 

Accipimus  patriam  patria  turba  Ducem. 
Solvite  Vota  deum.     Non  hac  felicior  ulla  est, 

Aut  precibus  sacris  aptior  ulla  dies. 
Hanc  lucem,  6  cives,  festis   celebrare  choreis, 

Hanc  decet  et  pateris  et  celebrare  mero. 
Orbati  fuimus:  rediit  Pater  ille  suorum ; 

Jam  tu,  libertas  pristina  nostra,  redis. 
Jam  redit  et  Virgo,  redeunt  et  regna  Parentis, 

Cujus  quis  potuit  dignior  esse  loco? 
En,  avus  hie  puerum,  quid  quaerant  gaudia  vulgi, 

Edocet,  augusti  monstrat  et  ora  Ducis. 
lila  dies ,  inquit ,  sedeat  tibi  raente  reposta. 

Hie,  mihi  crede,  urbi,  te  sene  Numen  erit. 
Vocibus  hinc  laeti  juvenes  armisque  salutant, 

Quis  animos  patriae,  quis  tuus  addit  amor, 
(p.  VI)       Nos  parte  ex  alia,  bellis  minus  apta  Juventus, 

Pacis  opus  superi  quos  coluisse  volunt. 
Nos  quoque  fida  tibi,  Dux,  pectora  dedimus  omnes. 

Dulce  est  pro  patria  vivere,  dulce  mori. 
At  vos,  nascentes  hilari  quos  lumine  Musae 

Viderunt,  docti  praeses  et  ipsi  chori, 
Principis  in  nomen  nova  dicite  carmina,  vates; 

Nunc  graviore  sono  percutienda  lyra  est. 
Hie  fera  bella  canat,  quos  Lipsia  docta  triumphos 

Vidisti,  exiguus  culta  vel  Emma  loquor. 
Hie,  antiqua  sui  repetenti  ut  tecta  Parentis 

Exseruit  virides  Occarus  amne  comas : 
Hac  ito ;  excipient  laeto  te  pectore  cives; 

Venalem  hac  turbam,  perfida  corda,  doma. 
Ille  canat  Gallos,  indigna  caede  feroces, 

Jam  nullos  celeri  terga  dedisse  fugae. 
Ille  suis  ut  se  tandem ,  Brunsuiga,  ferentem 

Sedibus  accipias  ore  favente  Ducem. 
Hie  Ventura  ferat  Saturnia  saecula  mundo, 

Inque  aurum  populos  iam  rediisse  vetus. 
Hie  doceat  pueros,  hie  instruat  arte  puellas, 

Concepisse  pia  Candida  vota  prece: 
(p.  VII)     Justa  date,  ö  divi,  quae  poscimus.     O,  sit  in  aevum 

Hoc  Caput,  haec  Caroli  pignora  cara  Patris! 
Aut  tu  cede,  sacris,  Elegeia,  cede  poetis: 

Materia  ista  tuo  non  satis  apta  pedi. 
Te  decet  aut  dominae  juvenes  ad  limen  amantes, 

Liberave  a  multo  vina  referre  mero. 


Nachtrag  zn  K.  Lachmanns  Biographie  von  M.  Hertz.  91 

Zugleich  benutze  ich  die  Gelegenheit  einige  Versehen  zu  berichti- 
gen, die  trotz  alles  Strebens  nach  Genauigkeit  sich  in  meine  Dar- 
stellung eingeschlichen  haben. 

Schon  in  der  Vorrede  bedarf  die  Bemerkung,  dafs  Hr.  Professor 
Schmidt  in  Stettin,  Lachmanns  Kriegskamerad,  dem  ich  schätzbare 
Mittheilungen  über  seine  Betheiligung  am  Feldzuge  verdanke,  mit  ihm 
in  derselben  Section  gedient  habe,  einer  Berichtigung:  Schmidt  ge- 
hörte zur  ersten.  Lachmann  zur  zweiten  oder  dritten  Section. 

S.  38.  45.  46  ist  Nicolovius,  der  Vorsitzende  der  Geistlichen- 
und  Schuldeputation  der  Ostpreussischen  Regierung,  der  als  Praesi- 
dent  in  Danzig  gestorben  ist,  mit  dem  gleichnamigen  Mitgliede  des 
Unterrichtsministeriums  in  Berlin  fälschlich  identificiert  worden.  S.  48 
ist  der  letztere  gemeint. 

S.  59.  Lachmann  war  nicht  auf  der  Hinreise,  sondern  bei  der 
Rückkehr  von  St.  Gallen  in  Cassel  und  wohnte  einige  Wochen  bei  den 
Brüdern  Grimm,  um  die  Casseler  Handschrift  von  Ulrich  von  Tür- 
heims Wilhelm  zu  vergleichen. 

S.  115.  Die  Darstellung  des  Verhältnisses  von  Bergmanns  Ar- 
beit über  Ulrich  von  Lichtenstein  zu  Lachmanns  Ausgabe  ist  im  Aus- 
druck nicht  genau :  ersterer  hat  nur  das  Frauenbuch  vorher  abdrucken 
lafsen. 

S.  211.  Von  den  Mitgliedern  der  griechischen  Gesellschaft  bei 
Lachmanns  Eintritt  in  dieselbe  ist  nicht  nur  Immanuel  Bekker 
noch  am  Leben.  Auch  Böckh  und  Johannes  Schulze  gehörten 
ihr  damals  an.  Hossbach  dagegen,  und  muthmafsHch  auch  Kle  nze, 
fand  Lachmann  nicht  schon  in  der  Gesellschaft  vor,  sondern  sie  tra- 
ten erst  später  hinzu.  Auch  Hofrath  H.  Ritter  in  Göttingen  hat 
derselben  angehört:  Süvern  und  Ideler  aber  waren  schon  vor  Lach- 
manns Eintritt  aus  der  Gesellschaft  geschieden. 

In  der  Uebersicht  von  Lachmanns  litterarischer  Thätigkeit  fehlt 
seine  Recension  von  Wilhelm  Grimms  erster  Ausgabe  der  goldenen 
Schmiede  Konrads  von  Würzburg  in  der  Jen.  Litteraturztg.  1818  Nr. 
57.  Auch  dafs  in  R.  Köpkes  Otto  I  eine  Recension  des  Leichs  von 
den  beiden  Heinrichen  von  Lachmann  steht,  ist  nachzutragen.  Bei 
der  zweiten  Vorlesung  über  die  Ilias  ist  S.  XXIX  das  Datum  (11  Merz 
1841)  fortgelafsen  worden*). 

Aufserdem  sind  folgende  Fehler  im  Druck  zu  berichtigen:  S.  16 
letzte  Zeile  lies  sagacem   —  S.  17   Z.    13  1.   Manilius  —   S.  23   Z.    11 


'')  Nach  der  Absendung  des  vorstehenden  sind  auch  die  S.  135  f. 
(Beilage  S.  XXVII)  besprochenen  nachgelafsenen  Abhandlungen  über 
die  römischen  Feldmefser  in  die  Oeffentlichkeit  getreten.  'Die  Schrif- 
ten der  römischen  B'eldmefser  herausgegeben  und  erläutert  von  F. 
Blume,  K.  Lachmann  und  A.  Rudorff.  Zweiter  Band.  Erläu- 
terungen und  Indices.'  (Berlin  1852.  8.)  S.  79-96  (über  die  dem  Boe- 
thius  zugeschriebenen  agrimensorischen  Stücke)  und  S.  97—142  (über 
Frontinus,  Baibus,  Hyginus  und  Aggenus  Urbicus).  M.  H, 


92  Nachtrag  zu  K.  Lachmanns  Biographie  von  M.  Hertz. 

2.  Februar  —  S.  29  Z.  6  1.  verstorbenen  —  S.  111  Z.  15  I.  vierhun- 
dertjährigen —  S.  114  Z.  6  V.  u.  1,  Karajan  —  S.  127  Anm,  Z.  1  1. 
edere  —  S.  185  Z.  9  1.  Matthissons  —  S.  216  Z.  14  1.  den  —  S.  228 
Anm.  I.  S.  104  statt  S.  99. 

Die  Bekanntmachung  der  Elegie  wird  diese  kleinen  Nachträge  wohl 
auch  bei  denen  entschuldigen ,  die  sie  sonst  pedantisch  finden  würden. 

Berlin.  M.  Hertz. 


Bericht  über  die  vom  29.  September  bis  zum  2.  October  1852 

in  Gott  in  gen  abgehaltene  dreizehnte  Versammking 

deutscher  Philologen  und  Schulmänner. 


Die  dreizehnte  Versammlung  der  deutschen  Philologen,    Schul- 
männer und  Orientalisten  wurde  am  29.  September  1852  in  Göttingen 
durch   den   auf  der   vorjährigen   Versammlung   in  Ei'langen    erwählten 
Praesidenten  Professor  Dr.  K.  Fr.  Hermann  in  der  Aula  der  Univer- 
sität eröffnet.     Die  Mitglieder,  deren  Zahl  sich  nach  dem  Schlufs  der 
Liste   auf  186   belief,    hatten   bei    dem    Empfange    ein   Programm    des 
Praesidenten:    Defensio  disputationis  de  Graeciae  post  captam  Corin- 
thum   conditione   (22  S.  4)   und    eine  Schrift  des  Assessors  Dr.  Lud- 
wig   Lange:     'Das    System    der    Syntax    des    Apollonios    Dyskolos' 
(44  S.  8)   zum  Geschenk  erhalten.     Der    Praesident    wies   im   Anfange 
seiner  Eröffnungsrede  darauf  hin,  dafs  Göttingen,  der  diesmalige  Ver- 
sammlungsort, zugleich  die  Geburtsstätte  des  vor  fünfzehn  Jahren  da- 
selbst  gegründeten   Vereins    sei.     Er   wolle   hier  gegenüber   der  Kurz- 
sichtigkeit, welche  der  jetzigen  Philologie  die  rechte  Lebendigkeit  ab- 
spreche  und  sie   beschuldige,    nur   das   auszuführen,    was    die  Meister 
begonnen  und  angegeben  hätten,  die  Fortschritte  schildern,  welche 
die  Wifsenschaft  in  den  letzten  fünfzehn  Jahren,  der  Zeit  des 
Bestehens   dieses  Vereins,   auf  den  vier  Hauptgebieten  der  Antiqui- 
täten, Archaeologie,    Grammatik  und  Exegese  gemacht  habe. 
In  der  Geschichtsforschung  seien  jetzt  manche  Gebiete  zum  erstenmale 
gründlich  dargestellt  worden,  so  die  Geschichte  Alexanders  des  Grofsen 
und    die   römische   Kaiserzeit,    Werke,    wie   sie   getrost  ausländischen 
Bearbeitungen  an  die  Seite  gestellt  werden  könnten.    Die  Wifsenschaft 
der  griechischen  und  römischen  Antiquitäten  sei  intensiv  uud  extensiv 
weiter   geführt    (der   Name   W.  A.   Becker   verdiene   ganz   besonders 
erwähnt  zu  werden),    so   wie   auch  die  auf  Gewichte,    Münzfufse  und 
Mafse    bezüglichen    Forschungen.     Die    Mythologie    sei    auf   dem    von 
K.  O.   Müller  eingeschlagenen   Wege   fortgegangen,    und   wie  in  der 
vorigen  Periode  dieses  Zweiges  über  die  überlieferte  Mythengeschichte 
die   Symbolik   der   Naturreligion    und   ihres   mythischen   Ausdrucks  im 
ganzen   und   einzelnen   gesetzt   sei,   so    habe  in   der  jetzigen  auch  das 
ethische    Moment    des    alten   Volksglaubens    und    seine    Modificationen 
durch  Phantasie  und  Reflexion  der  Dichter  und  Künstler   die  rechte 


Ber.  ü.  d.  XIII.  Versammlung  deutscher  Pliilol.  u.  Schulmänner.    93 

Würdigung  zu  ßnden  begonnen.  Bedeutend  seien  auch  die  Fortschritte 
der  monumentalen  Alterthumsforschung,  wie  schon  auch  äufserlich  die 
archaeologischen  Zeitschriften  und  Gesellschaften  beurkunden.  Epigra- 
phik  und  Numismatik  Griechenlands  und  Italiens  habe  vorzugsweise 
unter  den  Deutschen  Forscher  gefunden,  so  wie  auch  ganz  besonders 
die  Topographie  des  griechischen  Bodens,  wenn  auch  Kleinasien  und 
die  entfernteren  Länder  mehr  von  Ausländern  erforscht  seien.  In  der 
Architektur  habe  auch  der  ionische  Stil  sein  Recht  auf  selbständige 
Betrachtung  gewonnen,  so  namentlich  durch  die  neuen  Entdeckungen 
über  das  Erechtheion  in  Athen  und  auf  Veranlafsung  der  in  Lykien  und 
Phrygien  gefundenen  Denkmäler.  Nicht  geringer  sei  die  Bereicherung 
hinsichtlich  der  bildenden  Kunst  durch  die  Ausgrabungen  in  Lykien 
und  die  Ausbeute  an  Gefäfsen  auf  etruskisohem  Boden;  selbst  diesseit 
der  Alpen  sei  mancher  schöne  Fund  gemacht  worden.  —  Auf  dem  Ge- 
biete der  Sprachforschung  bestehe  der  Fortschritt  mehr  in  der  Inten- 
sität als  in  der  Ausdehnung  ihrer  Resultate.  Die  Lexikographie  habe 
durch  Betrachtung  der  Eigennamen  an  Zuwachs  gewonnen ,  über  die 
griechischen  Dialekte  und  die  mittel-  und  unteritalischen  Sprachen 
sei  mancher  neue  Aufschlufs  gefunden.  Namentlich  aber  gelange  die 
Sprachvergleichung  zu  immer  gröfserer  Anerkennung.  Auch  der  logi- 
sche Theil  der  Sprachlehre  sei  durch  Beobachtungen  des  Sprachge- 
brauchs bereichert  und  in  seinen  Principien  und  deren  Anwendung 
noch  über  die  Höhe  der  vorigen  Periode  hinausgeführt  worden.  Zwi- 
schen Form-  und  Satzlehre  sei  noch  die  Semasiologie  gestellt,  reiche 
Monographien  über  Casus,  Modi,  Partikeln  u.  dgl.  verdanke  die  Wifsen- 
schaft  dieser  Periode.  Die  lateinische  Stilistik  sei  zu  einem  Lehrge- 
bäude entwickelt,  das  in  der  Erscheinung  das  innere  Gesetz  und  das 
Walten  des  Sprachgenius  verfolge.  —  Auf  dem  Gebiete  der  Exegese  sei 
der  Fortschritt  der,  dafs  man  im  ganzen  und  einzelnen  Wort  und 
Sinn  der  Schriftsteller  in  möglichst  organischer  und  zusammenhängen- 
der Ursprünglichkeit  darzustellen  gestrebt  habe,  so  dafs  Text  und 
Sinnesverständnis  gefördert  sei.  Eine  wifsenschaftliche  Geschichte 
der  griechischen  und  römischen  Litteratur  werde  auch  dem  letzten 
Zeiträume  verdankt,  nachdem  K.  O.  Müller  mit  seinem  leider  unvoll- 
endeten Werke  den  Anfang  gemacht  habe.  Die  Kritik  habe  durch 
Lachmanns  Methode  eine  ganz  neue  Gestalt  gewonnen,  die  Exegese 
sei  theils  an  ganz  neu  entdeckten  Schriftstellern  wie  Hyperides,  Ba- 
brios,  Hippolytos,  theils  an  wichtigen  Schriftstellern,  wie  Aristoteles, 
jetzt  zum  erstenmale  recht  geübt  worden.  Mehrfache  Sammlungen  von 
Fragmenten  seien  veranstaltet.  Die  Philologie  sei  in  dem  Bestreben, 
ihre  Ergebnisse  praktisch  und  zum  Gemeingute  der  Nation  zu  machen, 
hinter  keiner  andern  Wifsenschaft  zurückgeblieben;  die  deutsche  Sprache 
gewinne  für  Uebersetzung  und  Erklärung  immer  gröfsere  Bedeutung, 
und  für  das  heranwachsende  Geschlecht  würden  von  den  besten  Kräf- 
ten in  diesem  Gewände  die  Schätze  ihres  Wifsens  ausgegeben.  —  Und 
in  diesem  Punkte  verschmelze  gerade  die  classische  Philologie  aufs 
innigste  mit  dem  dritten  Factor  der  Versammlung,  dem  paedagogischen^ 


94   Ber.  i\.  d   XIII.  Versammlung  deutscher  Philol.  u.  Schulmänner. 

und  bilde  so  die  mittlere  Proportionale  zwischen  Paedagogon  und 
Orientalisten.  Aufser  dem  historischen  und  sprachlichen  Elemente 
habe  die  Philologie  noch  ein  höheres  sittliches  und  geistiges  Element, 
das  exemplarische  und  in  diesem  das  paedagogische.  Die  beiden  ersten 
Factoren  theile  sie  mit  den  Orientalisten,  aber  die  Aufgabe  der  Phi- 
lologie bestehe  nicht  blofs  in  der  historischen  oder  sprachwifsenschaft- 
lichen  Forschung.  In  den  Werken  des  classischen  Alterthums  seien 
absolute  Bildungselemente  enthalten,  die  als  dauernde  Errungenschaft 
der  Menschheit  zu  betrachten  seien  und  ihren  Kennern  und  Hütern 
die  Verpflichtung  auferlegen,  sie  nicht  blofs  um  ihrer  selbst  willen  zu 
erhalten  und  zu  pflegen,  sondern  auch  zum  gemeinen  Besten  nutzbar 
und  fruchtbringend  zu  machen.  So  müfse  der  Philolog  entweder 
selbst  Jugendbildner  sein  oder  solche  bilden,  und  das  höchste  Ziel  des 
philologischen  Studiums  könne  darin  allein  liegen,  sich  oder  andere 
zu  Jugendbildnern  zu  befähigen.  Wenn  auch  der  ganze  Inbegriff  des 
philologischen  Wifsens  jetzt  nicht  mehr  ausreiche,  dem  heutigen  Men- 
schen die  Kenntnisse  mitzutheilen,  die  Vaterland  und  Welt  von  ihm 
fordern,  so  solle  doch  gerade  das,  was  im  Alterthum  naiSsia  war,  jetzt 
Vorbildung,  Propaedeutik,  sein  und  dadurch  werde  der  Philolog  zum 
Vorbildner  der  heutigen  Menschheit,  wie  die  Kenntnis  des  Jugend- 
alters der  Menschheit  die  beste  Vorschule  des  Paedagogen  sei.  Jedes- 
falls  sei  die  in  einer  frühern  Versammlung  ausgesprochne  Ansicht  zu 
verwerfen,  dafs  ein  Philolog,  der  zugleich  ein  guter  Lehrer  sei,  dies 
ungeachtet  seiner  Philologie  sei,  vielmehr  müfse  jeder,  der  sich  mit 
Bewustsein  und  innerem  Berufe  der  Philologie  zugewendet  habe ,  bis 
zum  Beweise  des  Gegentheils  als  geborner  Paedagog  gelten.  Denn 
dazu  befähige  ihn  die  Harmonie  der  Stimmung,  die  aus  dem  künst- 
lerischen Geiste  des  Alterthums  auf  seine  Pfleger  übergehe. 

Nach  dieser  Eröffnungsrede  und  nachdem  der  Praesident  noch  drei 
an  das  Praesidium  eingegangene  Schreiben,  nemlich  Bewillkommnungen 
des  Vereins  von  Seiten  der  Universitätsbehörde  und  des  Stadtmagi- 
strats ,  und  ein  huldvolles  Schreiben  des  K.  Hannoverschen  Cultus- 
ministers  von  Reiche  Exe. ,  worin  dieser  sein  Bedauern  der  Ver- 
sammlung nicht  persönlich  beiwohnen  zu  können  und  sein  Interesse 
für  die  Zwecke  des  Vereins  aussprach,  verlesen  hatte,  wurde  das 
Bureau  gebildet,  wozu  auf  Vorschlag  des  Praesidiums  der  Conrector 
Schöning,  Assessor  Dr.  Lange  und  Schulamtscandidat  Schmidt, 
sämmtlich  von  Göttingen,  sodann  Professor  Dr.  Caesar  aus  Marburg 
und  Gymnasiallehrer  Fleck  eisen  aus  Dresden  berufen  wurden. 
Der  Praesident  kündigte  noch  einige  der  Versammlung  zur  Vertheilung 
übersandte  Schriftchen  an  und  brachte  ZAvei  Adressen  zur  Sprache, 
die  an  Geh.  Justizrath  Mi  ts  c  h  e  rlic  h  in  Göttingen,  der  leider  durch 
Unwohlsein  verhindert  wurde,  an  den  Sitzungen  der  Versammlung 
persönlich  Theil  zu  nehmen,  und  an  Geh.  Regierungsrath  Lob  eck  in 
Königsberg  mit  Beziehung  auf  dessen  im  Lauf  des  vorhergehenden 
Sommers  begangenes  fünfzigjähriges  Doctorjubilaeum  erlafsen  werden 
mochten.     Die    Versammlung    erklärte   sich    mit   beiden  Anträgen  ein- 


Ber.  ü.  d.  XIII.  Versammlung;  deutscher  Philol.  u.  Schulmänner.  95 

verstanden  und  ermächtigte  den  Professor  Dr.  Wüstemann  aus  Gotha 
zur  Abfafsung  des  an  Mitscherllch  in  lateinischer,  den  Praesidenten 
zur  Abfafsung  des  an  Lobeck  in  deutscher  Sprache  zu  richtenden 
Sendschreibens. 

Die  Reihe  der  wifsenschaftlichen  Vorträge  begann  am  zweiten 
Tage  der  Versammlung  unter  dem  Vorsitze  des  Vicepraesidenten  Pro- 
fessors Dr.  Schneidewin  mit  dem  Vortrage  des  Professors  Dr. 
Gerlach  aus  Basel  'über  die  älteste  Bevölkerung  Italiens.' 
Hrn.  Gerlachs  Auffafsung  vorhistorischer  Zeiten  ist  bekannt  genug; 
auch  dieser  Vortrag  war  eine  Probe  davon.  Nach  einer  allgemeinen 
Betrachtung  geographischer  EinHüfse  auf  die  Entwicklung  der  Natio- 
nen,  auf  die  der  Schlufs  gebaut  wurde,  dafs  die  Bewohner  beider 
Halbinseln,  Griechenlands  und  Italiens,  im  ganzen  zu  einer  gleichar- 
tigen Entwicklung  praedestiniert  gewesen  seien,  nur  dafs  dieselbe  in 
Italien  durch  äufsere  Umstände  länger  zurückgehalten  sei,  gieng  der 
Redner  auf  eine  Kritik  der  Sagen  ein.  Die  griechischen  Einwande- 
rungen vor  dem  trojanischen  Kriege  stehen  ihm  als  historische  Facta 
fest;  die  Identificierung  der  Aboriginer  und  Oenotrer  weist  er  zurück, 
es  seien  beides  verschiedene,  aber  griechische  Stämme.  Diese  griechi- 
sche Einwanderung  fand  vor  Sikeler,  Osker,  Umbrer;  namentlich  die 
letztern  beiden  haben  der  Graecisierung  Italiens  einen  gröfsern  Wider- 
stand geleistet  als  die  vorderasiatischen  Völker  den  dortigen  griechi- 
schen Colonien.  Aufserdem  kam  nach  Italien ,  vielleicht  von  Tyros 
über  Lydien  ein  wesentlich  hellenisches  Mischvolk,  die  Tyrrhener, 
welche  sich  in  Etrurien  niederliefsen,  die  Umbrer  dort  verdrängten, 
und  von  denen  die  Werke  der  Kunst  abstammen,  in  denen  sich  die 
Mischung  hellenischer  und  asiatischer  Kunst  zeigt.  Diese  wurden 
unterjocht  von  den  Rasenas,  die  der  Redner  für  germanisch  hält, 
und  von  denen  er  die  auf  nordischen  Ursprung  hinweisenden  Elemente 
der  etruskischen  Religion  ableitete.  Da  Gerlach  die  Sikeler  für  Kelten 
erklärte,  so  hatte  er  allerdings  in  das  älteste  Italien  alle  Nationalitäten 
hineingebracht,  durch  deren  Unterjochung  innerhalb  und  aufserhalb 
Italiens  Rom  später  seine  Weltherschaft  gründete. 

An  diesen  Vortrag  knüpfte  Geh.  Reg.  Rath  Böckh  aus  Berlin 
einige  Bemerkungen  über  den  rein  mythischen  Gehalt  des  Namens  der 
Oenotrer  und  Peuketier,  und  Professor  Dr.  Petersen  aus  Hamburg 
suchte  darauf  einen  festen  Punkt  für  die  Bestimmung  des  Verkehrs 
zwischen  Griechenland  und  Italien  zu  gewinnen  durch  den  Nachweis 
der  Identität  des  griechischen  und  italischen  Zwölfgöttersystems  und 
durch  die  chronologische  Bestimmung  der  Entstehung  dieses  Systems, 
wobei  der  Umstand,  dafs  Hestia  oder  Vesta,  eine  verhältnismäfsig 
junge  Gottheit,  im  Zwölfgöttersysteme  enthalten  sei,  besondere  Be- 
achtung verdiene. 

Hierauf  betrat  Professor  Dr.  Ernst  Curtius  aus  Berlin  die 
Rednerbühne,  um  einige  'Bemerkungen  über  die  Topographie 
der  Umgegend  Athens'  der  Versammlung  vorzutragen.  Er  zollte 
in  einem  eben  so  geschmackvoll  entworfenen  als  ernst  und  würdig  ge- 


96  Ber.  ü.  d.  XIII.  Versammlung  deutscher  Philol.  u.  Schulmänner. 

haltenen  Vortrage  dem  Andenken  seines  Lehres  Karl  Otfried  Mül- 
ler, in  dem  auch  noch  viele  andere  der  anwesenden  ihren  Lehrer  ver- 
ehrten, den  schuldigen  Tribut  der  Pietät,  indem  er  die  Versammlung  an 
des  dahingeschiedenen  Grabstätte  bei  Athen  führte  und  über  die  Lage 
derselben  so  wie  über  die  auf  die  dortige  Gegend  bezüglichen  Worte  des 
Sophokleischen  Oedipus  auf  Kolonos  sprach.  Es  ergab  sich  aus  diesem 
Vortrage  zunächst,  dafs  die  gewöhnliche  Angabe ,  wonach  Müller  in 
der  Akademie  ruhe,  irrig  sei.  Denn  der  Name  der  Akademie,  den  jetzt 
die  ganze  Niederung  des  Kephisos  führt,  ist  auf  einen  Theil  derselben 
einzuschränken;  Müllers  Grab  befindet  sich  aber  nicht  einmal  inner- 
halb des  Bereiches  jener  Niederung,  sondern  auf  einer  dieselbe  im 
Norden  begrenzenden  Höhe,  dem  Kgytjg  KoXmvöq.  Nach  einer  genauen 
Beschreibung  des  in  Frage  kommenden  Terrains  gab  der  Redner  einige 
abweichende  Interpretationen  zu  dem  Chorgesang  Soph.  Oed.  Col.  668  ff., 
w^o  in  dichterischer  Form  eine  Schilderung  desselben  Terrains  gegeben 
ist.     Es  waren  besonders  die  Worte  V.  685  ff. : 

ou5'  avnvoi  KQrjvcii  (iivv&ovaiv 
Ki^cpiGov  vouädsg  QSs&Qcav,  uXl'  cctiv  tn    ijfiaTi 

(OKVZOKOg    TCSdlCOV    STllvCodiXUL 

GTBQVOVXOV  j;'9^ovos  ■ 
welche  einer  nähern  Beleuchtung  unterzogen  wurden.  Der  Redner 
verwarf  die  Erklärung  von  i^ofiäStg  'umherirrend,'  und  übersetzte  vo- 
[idSsg  Qsi&Qcov  als  Apposition  zu  x^^vott:  'die  Vertheilerinnen  des 
Wafsers,'  wodui-ch  offenbar  die  Construction  viel  einfacher  wird.  Die 
Gebirgsquellen  vertheilen  ihr  Wafser  in  die  vielen  Canäle,  welche  die 
F'elder  bewäfsern.  Der  KrjcpLodg  heifse  cJhvtoios  wegen  seiner  steten 
Frische  im  Gegensatz  zu  stagnierenden  Gewäfsern,  So  sei  der  jugend- 
lich stürmische  Orontes,  welcher  in  der  bildenden  Kunst  mit  der 
Stadtgöttin  Antiochia  verbunden  erscheint,  als  ein  cö^vroKog  dargestellt. 
Die  niSia  axs^vovxov  x^ovög  will  der  Redner  weder  einfach  als  Ebene 
erklärt  wifsen,  noch  die  Erinnerung  an  Fruchtbarkeit  darin  finden. 
Vielmehr  sei  durch  das  Epitheton  avBQVOvxog  Bezug  genommen  auf  die 
beiden  flachen  Felshöhen,  den  cl^y/iS  Kolcovög  und  den  nQOGÖxpiog  na- 
yog  der  JrnijjzrjQ  svxXoog  (Vs.  1600),  dessen  Lage  im  Norden  des 
KoKcovög  festgestellt  wird.  Der  Kephisos  besucht  also  die  Niederung, 
aus  welcher  sich  jene  Felshöhen  hervorheben.  —  Zum  Schlufs  wies 
der  Redner  noch  auf  die  Vortheile  hin,  welche  die  Kenntnis  des  clas- 
sischen  Bodens  für  die  richtige  Erklärung  einzelner  Stellen  der  alten 
Schriftsteller  darbiete. 

Auf  diesen  Vortrag  folgte  der  von  Professor  Dr.  Schömann  aus 
Greifswald:  'über  einige  Stellen  in  Aeschylos  Agamemnon.' 
Auf  der  voijälirigen  Erlanger  Philologenversammlung  hatte  bekannt- 
lich Nägelsbach  (s.  diese  NJahrb.  Bd.  LXV  S.  100  f.)  die  Frage 
nach  dem  Ausgangspunkte  der  Fabel  in  der  Aeschyleischen  Orestie 
aufgeworfen  und  die  von  Schömann  früher  gegebene  Beantwortung 
dieser  Frage    als    ungenügend    und    inconsequent  abzuweisen  versucht, 


Ber.  ü.  d.  XIII.  Versammlung  deutscher  Pliilol.  u.  Schulmänner.  97 

ohne  inzwischen  selbst  zu  einem  ihn  befriedigenden  Resultate  zu  ge- 
langen. Der  Redner  nahm  hiervon  Veranlafsung,  seine  früher  aufge- 
stellte Ansicht  gegen  Nägelsbachs  Bedenken  und  Einreden  zu  ver- 
theidigen;  es  sprach  sich  in  seinen  Krörterungen  die  ganze  logische 
Schärfe  und  besonnene  Klarheit  des  Urtheils  aus,  die  von  Schömann 
zu  erwarten  war.  Zuvörderst  stellte  er  die  Frage  anders,  als  Na- 
ge 1  s  b  a  c  h  gethan  hatte.  Dieser  hatte  gefragt  nach  der  Ursache, 
weswegen  Artemis  so  furchtbar  zürne,  dafs  sie  den  Agamemnon  zur 
Sühne  dieses  Zornes  die  eigne  Tochter  zu  opfern  zwinge.  Schömann 
dagegen  fragte:  was  ist  der  Grund,  weswegen  Artemis  den  unter  An- 
führung der  Atriden  unternommenen  Kriegszug  gegen  Troja  so  sehr 
misbilligt,  dafs  sie  die  Abfahrt  des  Heeres  durch  widrige  Winde  ver- 
hindert und  sie  nur  unter  der  Bedingung  zuläfst,  wenn  der  Anführer 
sich  entschliefse  die  eigne  Tochter  zu  opfern?  Nur  zu  dieser  Frage 
sei  man  nach  den  von  Aeschylos  selbst  (Vs.  69  ff.  122  if.)  gegebenen 
Andeutungen  berechtigt.  Die  erste  Andeutung  sei  so  allgemeiner  Art, 
dafs  sie  weder  Artemis  als  zürnende  noch  Agamemnon  als  das  Object 
des  Zorns  bezeichne,  sondern  nur  übeihaupt  von  dem  Zorn  der  Götter 
wegen  unfrommer  Gesinnung  uud  versäumter  Opfer,  der  durch  nichts 
besänftigt  werden  könne,  spreche.  Insofern  sei  sie  also  für  die  Ent- 
scheidung der  Frage  gleichgiltig.  Denn  es  sei  Willkür  in  den  Worten 
KTivQcov  iSQCiiv  OQydg  ein  Verbrechen  des  Agamemnon  angedeutet  zu 
finden,  da  der  Dichter  ganz  allgemein  sage:  ovQ''  vTio-Klaiiov  ovd'' 
vnoXsLßcov  —  naQuO^sl^SL ,  mit  Anwendung  des  Participiums  von  unbe- 
stimmter Person;  und  eben  so  willkürlich  sei  die  Annahme,  dafs  heili- 
ger Opfer  Versäumnis  nicht  verbrecherisch  genug  sei ,  um  als  eine 
unsühnbare  Schuld  aufgefafst  zu  werden.  Somit  falle  auch  die  von 
Nägelsbach  behauptete  Nothwendigkeit,  hier  an  das  Opfer  der  Iphi- 
genia  zu  denken,  fort;  es  sei  dieser  Gedanke  nicht  einmal  möglich, 
weil  in  der  ganzen  anapaestischen  Partie  die  Aeufserungen  allgemein 
gehalten  seien  und  keine  auf  Agamemnon  speciell  bezügliche  Andeutung 
vorkomme.  Entscheidend  für  die  Beantwortung  der  Frage  sei  dem- 
nach nur  die  zweite  Stelle  Vs.  122  ff.,  in  welcher  die  Deutung  ent- 
halten sei ,  welche  der  Seher  dem  Zeichen  der  Zerfleischung  einer 
trächtigen  Häsin  durch  zwei  Adler  gegeben  habe.  Der  Redner  findet 
in  dieser  Deutung  nur  die  Vergleichung  jenes  Zeichens  mit  der  Zer- 
störung Trojas  durch  die  beiden  Atriden;  diese  bevorstehende  Zer- 
störung Trojas  sei  der  Grund  des  Zornes  der  Artemis.  Nägelsbach 
dagegen  hatte  zwar  die  Beziehung  der  beiden  Adler  auf  die  beiden 
Atriden  zugegeben,  wollte  aber  zugleich  eine  Andeutung  auf  das 
Thyesteische  Mahl  finden,  um  des  willen  Artemis  dem  Hause  der 
Atriden  zürne.  Berechtigt  zu  dieser  Annahme  hielt  er  sich  wegen 
der  doppelseitigen  Natur  des  Zeichens,  das  zugleich  ein  siegver- 
heifsendes  und  ein  unheildrohendes  sei,  jenes  für  die  beiden  Atriden, 
dieses  für  das  Haus  der  Pelopiden  überhaupt.  Diese  doppelseitige 
Natur  des  Zeichens  leugnete  Schömann  nun  allerdings  nicht,  son- 
dern bezog  darauf  mit  Recht  auch  die  Worte  Ss^ia  (isvy  ■HKzdiioficpce  di 
IS,  Jahrfj.  f.  Phil.  u.  Paed.  Rd  LXVII.  Hft.  1.  7 


98  Ber.  ü.  d.  XIII.  Veirsammlung  deutscher  Philo!,  u.  Schulmänner. 

cpccGfiaTa.  Aber  er  entnimmt  aus  den  Worten ,  durch  die  Aeschylos 
den  Seher  das  Zeichen  deuten  läfst,  die  Deutung,  dafs  Artemis  über 
die  bevorstehende  Zerstörung  Trojas  eben  so  zürne,  wie  sie  als  Be- 
schützerin des  Wildes  über  die  Zerfleischung  der  trächtigen  Häsin 
zürne.  Dagegen  sei  kein  Grund  mit  N.  den  Zorn  der  Artemis  nicht 
gegen  die  beiden  Atriden,  sondern  gegen  das  Haus  (wegen  des  Thye- 
steischen  Mahles)  gerichtet  zu  glauben.  Denn  entweder  müfse  oi'ii(p 
mit  Scaliger  und  Schütz  in  oinzo)  verwandelt  werden,  so  dafs  das 
Mitleid  mit  dem  Wilde  der  Grund  des  Zornes  der  Artemis  gegen  die 
Adler  sei  (vergl-  Suppl.  370  H.),  oder,  wenn  man  otJtM  festhalten 
wolle ,  so  würde  dieses  doch  immer  nur  auf  die  zeitigen  Häupter  des 
Hauses,  nicht  auf  frühere  Generationen  zu  deuten  sein.  Ohnehin  wifse 
N.  selbst  keinen  Grund  dafür  anzugeben,  weswegen  gerade  Artemis 
wegen  des  Thyesteischen  Mahles  zürnen  solle.  Das  Factum  dieses 
Zorns  der  Artemis  werde  nur  aus  der  fraglichen  Stelle  geschlofsen, 
während  die  Annahme  des  Zorns  der  Artemis  über  die  Zerstörung  Tro- 
jas ihre  Rechtfertigung  nicht  blofs  in  der  fraglichen  Stelle  nach 
Schümanns  Auffafsung,  sondern  auch  in  der  Sage  finde,  die  Ar- 
temis allgemein  als  Beschützerin  Trojas  hinstelle.  Wenn  nun  freilich 
die  Worte  rocaov  nsQ  ivcpQfov  a  kccIcc  mit  N.  so  verstanden  werden 
müsten,  dafs  Artemis  den  Zeus  trotz  ihres  Zornes  über  die  Zerflei- 
schung der  Häsin  bitte,  das  Zeichen  zu  vollenden,  so  würde  das  aller- 
dings gegen  die  von  Schümann  gegebene  Auffafsung  des  Zeichens 
sein,  da  Artemis  nicht  um  die  Ausführung  der  Zerstörung  Trojas  bit- 
ten könne,  wegen  deren  sie  ja  eben  zürne.  Aber  diese  Stelle  enthalte 
in  den  Worten  xsQnvcc  rovrcav  alzst  ^vfißoXa  KQavat.  eine  Corruptel ; 
denn  Zeus  könne  nicht  als  Object  von  ccCrst  und  Subject  von  ngävai, 
angenommen  werden;  vielmehr  müfse  man,  die  Richtigkeit  der  über- 
lieferten Lesart  vorausgesetzt,  Artemis  selbst,  wie  sie  Subject  von 
txlrsi  ist,  so  auch  als  Subject  von  y.Qccvca  auffafsen.  Dem  widerspre- 
che aber  der  Gebrauch  von  ccIxhv,  das  ein  an  einen  andern  gerich- 
tetes Verlangen  bezeichne ,  welcher  nothwendig  genannt  sein  müfse. 
Daher  schreibt  Schümann  xpaWt  mit  dem  Mediceus,  als  Optativ,  wie 
auch  schon  Schneidewin  (Philologus  HI  S.  531)  gethan  hatte,  und 
verändert  alxsi,  wie  schon  sonst  emendiert  worden  ist,  in  alza  (während 
Schneidewin  ({!%■£  vorgeschlagen  hatte).  Das  so  sich  ergebende  xs^- 
■Kvu  xovtav ,  alxä,  ^viißoloc  KQavai  heifst:  'möge  sie  (die  Artemis) 
auf  günstige  Weise,  das  bitte  ich,  das  Zeichen  vollenden!'  d.  h.  möge 
sie  es  in  Erfüllung  gehn  lafsen  ohne  die  von  ihrem  Willen  abhängige 
unerwünschte  Zuthat  des  Zorns.  Hiernach  befinden  sich  also  die  Worte 
röaaov  svq)Q(ov  etc.  nicht  mit  der  Schömannschen  Auffafsung  des  Zei- 
chens in  Widerspruch,  sondern  vielmehr  im  besten  Einklänge,  wäh- 
rend Schümann  mit  Recht  bemerkte,  dafs  nicht  einzusehn  sei,  was 
für  ein  Gedankenzusammenhang  im  ganzen  heraus  komme,  wenn  man 
mit  N.  an  das  Thyesteische  Mahl  denke  und  zugleich  die  späteren 
Worte  so  wie  er  erkläre.  Zum  Schlufs  besprach  der  Redner  noch 
die  Constituierung  des  Textes,  die  G.  Hermann  den   letzten  Worten 


Ber.  ü.  d.  XIII.  Versammlung  deulscher  Philol.  ii.  Schulmänner.    99 

gegeben  hat.  Er  hat  hinter  oßQiyidlois  die  Praeposition  k'ni  aus  Con- 
jectiir  eingeschohen ,  verbindet  Tf qtzvk  mit  oßQLHciloig  ini:  'die  sich  an 
den  Jungen  erfreut',  und  schreibt  mit  Beibehaltung  von  ccIxbl  y,Qivcci, 
was  auf  die  Deutung  durch  den  Seher  gehe,  eine  Textesconstitution,  die 
in  der  That  der  Schömannschen  gegenüber  gewaltsam  genug  ist  und 
keinen  passenden  Gedankenzusammenhang  hervorbringt.  In  dem  letzten 
Verse,  wo  Hermann  cpccaficcTL  tä  GtQOV&uiv  schx'eibt  (statt  (pcccfiatcc 
GTQOvd'wv),  nimmt  auch  SchÖmann  eine  Corruptel  an;  aber  er  bil- 
ligt weder  die  Hermannsche  Aenderung ,  weil,  wenn  überhaupt  hier 
an  das  Sperlingszeichen  der  Ilias  gedacht  werden  und  dieses  als  ein 
ungünstiges  dem  günstigen  gegenübergestellt  werden  könne,  doch  nur 
dieses  Sperlingszeichen,  nicht  aber  das  günstige  y.cczdiiofi(fov  genannt 
werden  dürfe;  noch  die  dem  Sinne  nach  erträgliche  von  Franz,  der 
cpccGnaz'  dijtcöv  schreibt,  sondern  erklärt  sich  geneigt,  eine  ihm  mit- 
getheilte  Conjectur  cpccaiicct'  'jxQSi'Saiv  für  das  richtige  zu  halten,  so 
dafs  also  das  Zeichen  zugleich  günstig  und  ungünstig  für  die  Atriden 
genannt  werde. 

In  der  dritten  Sitzung,  am  1.  October,  wurden  die  bereits 
oben  erwähnten  Adressen  an  Mit  s  eher  1  ic  h  und  Lob  eck  von  ihren 
Verfafsern  vorgelegt  und  von  der  Versammlung  in  unveränderter  Pa- 
fsung  angenommen.  Wir  glauben  uns  den  Dank  unserer  Leser  zu  ver- 
dienen, wenn  wir  dieselben  nach  authentischen  Abschriften  hier  in 
unsern  Bericht  einschalten.     Die   erstere  lautet: 

Philologi  Gottingam  congregati 

Chrisiophoro     Guilelmo     ITIitschei'Iich 

S. 

Quae    verba    grande    olim    Georgiae    Augustae  decus,  Christianus 
Gottl.  Heyne   Tibi  cecinit,    Vir  summe  venerabilis,  quum   Tu,  qui 
ipse  Ausoniae  Musae  penetralia  servas 
antistes 
recens  esses  ab  editis  eclogis  recentiorum  poetarum, 

at  Tibi  docta  cohors  pracmia  digna  feret, 
haec  verba  quam  verum  habuerint  vatem ,  quum  omni  tempore  satis 
est  declaratum,  tum  hodiernus  dies  luculenter  Tibi  coraprobat.  Nam 
qui  frequentes  his  diebus  ex  tota  Germania  Gottingam  convenerunt  phi- 
lologi,  in  qua  ipsa  urbe  ante  hos  XV  annos  felicissimis  auspiciis  pri- 
mum  consilia,  quibus  exoptatissimus  respondit  eventus,  agitata  sunt 
de  conventibus  a  nostri  ordinis  hominibus  quotannis  habendis,  simul- 
atque  inter  se  consalutaverunt,  neque  prius  neque  antiquius  quic- 
quam  habend  um  esse  ad  unum  omnes  censuerunt,  quam  ut  Tibi,  Vir 
maxime  venerabilis,  quem  animo  vegetum  a  suis  rebus  non  aiienum 
esse  gaudent,  aetate  gravem  a  conventibus  suis  abesse  dolent,  sum- 
mum  cultum  suum  atque  venerationem  his  ad  T  e  datis  litteris  testi- 
ficarentur. 

Ac  plurimi  quidem,  quibus  contigit  olim  in  hac  litterarum  univer- 
sitate  optimis  studiis  operam  dare,  Tua  institutione   atque   disciplina 

7* 


100  Ber.  ü.  d.  XIII.  Versammlung  deutscher  Pliilol.  ii.  Schulmänner. 

nos  usos  esse  prae  nobis  ferimus ;  omnes  autem  ex  plurimis,  quos  doc- 
trinae  Tuae  testes  apud  posteros  extare  voluisti,  plurimum  nos  pro- 
fecisse  grati  profitemur.  Umis  praeter  ceteros  omnes  loquitur  vates 
Venusinus,  qiii  quid  Tui  ingenii  acumini,  quid  doctrinae  abundantiae 
atque  elegantiae  debeat,  nemo  est  bis  litteris  vel  leviter  tinctus ,  qui 
ignoret.  Sed  quod  verendum  nobis  est,  ne  Tibi,  qui  per  omnem  "vi- 
tam  ingenuam  simplicitatem  secutus  quodvis  tributum  Tibi  praeco- 
uium  aspernatus  es,  molesti  simus  in  ea  veneratione  nostra  declaranda, 
quae  aut  ex  egregiis  Tuis  in  litteras  meritis  aut  ex  aliis  virtutibus 
Tuis  proficiscitur ,  in  eo  cultu  Tibi  testando  acquiescere  volumus, 
quae  e  solo  pietatis  fönte  manat.  Quae  quidem  res  et  Tibi  et  nobis 
gratissima  esse  debet,  quod  cum  ipsius  numinis,  a  quo  tot  ac  tanta 
in  Te  conlata  sunt  beneficia,  veneratione  coniuncta  est.  Quodsi  ho- 
niines  iis  qui  aetate  sunt  provectiores  reverentiam  praestandam  esse 
arbitrantur,  quanta  debetur  Tibi,  qui  Nestorios  annos  egressus  om- 
nes, quotquot  in  Germania  huinanitatis  studia  profiteri  novimus,  ae- 
tate longe  superas?  Tu  unus  superstes  es  ex  doctoribus,  qui  iidem 
utraque  huius  Academiae  sollemnia  et  seniisaecularia  et  saecularia  vi- 
derunt;  Tu  quod  unuin  doctoris,  de  quo  eiusdem  Academiae  annales 
referunt,  es  exemplum ,  qui  per  LXVl  annos  professorio  niunere  func- 
tus  es,  et  ita  functus  es,  ut  Tuae  laudes  ab  ipsius  Academiae  lau- 
dibus  separari  non  possint.  Haec  tam  longa  vitae  continuatio  ut  ra- 
rum  in  homine  est  Dei  beneficium ,  ita  singulare  est  habendum,  ubi 
quüd  Tibi  concessum  fuit  temporis  diuturnitati  rerum  prosperitas  re- 
spondet.  Tua  autem  iucidit  aetas  in  auream  huius  Academiae  aeta- 
tem ;  Tu  Christianum  Hey  nium,  Tu  Ludolphum  Dissenium,  Tu 
Odofredum  Muellerum  optimos  in  munere  obeundo  habuisti  collegas, 
fidos  in  omni  vitae  conditione  amicos,  exoptatos  virtutum  Tuarum 
testes.  T  u  quam  fortunata  huius  Musarum  sedis  sub  regibus  Britan- 
niarum  fuerit  conditio  et  expertus  es  ipse  et  per  sex  et  viginti  an- 
nos orator  Academiae  constitutus  facundo  ore  praedicavisti;  Tu,  post- 
quam  tota  Germania  aliquamdiu  Gallorum  dominatione  oppressa  fuit, 
bis  tempestatibus  superstes  patriam  in  libertatem  vindicatam  vidisti; 
Tibi  iam  novum  sidus ,  quod  nova  stirpe  regia  Hannoveranis  divinitus 
concessa  iniucescere  coepit,  affuLsit.  Denique  quod  summae  felicitatis 
est  documentum,  Tu  infirmitati  quam  ingravescens  aetas  plurimis  af- 
ferre  solet  non  succubuisti,  sed  crudam  et  viridem  adeptus  seuectutem 
animi  vigore  etiam  corporis  vires  sustines.  Hanc  valetudinis  prospe- 
ritatem  ut  Dens  Tibi  conservet  et  ut  vitam  usque  ad  extremos  hu- 
manae  conditionis  terminos  Tibi  continuet,  pia  quae  ex  intimo  animo 
proficiscuntur  facimus  vota. 

Dabamus  Gottingae  d.  XXX  Sept.  MDCCCLII. 

(Folgen    die    Unterschriften    sämtlicher    Theilnehmer   der 

Versammlung.) 

Das  vom  Praesidenten  Professor  Dr.  Hermann  abgefafste  Sendschrei- 
ben an  Lob  eck  lautet  so: 


Ber.  ü.  d.  XIII.  Versammlung  deulschcr  Philol.  ii.  Schulmänner.  101 

Hochgeehrter  Herr  Geheimerrath, 

Der  Verein  deutscher  Philologen  und  Schulmänner,  der  .sich  die 
Vertretung  und  Vermittlung  der  manigfachen  Interessen  classischer 
Wifsenschaft  im  Geiste  der  Wahrheit  und  Eintracht  zum  Ideale  ge 
setzt  hat,  glaubt  in  dieser  doppelten  Beziehung  alle  Mitarbeiter  an 
der  grofsen  Aufgabe  höherer  Menschenbildung  geistig  mit  sich  ver- 
bunden denken  zu  dürfen  und  dehnt  den  Gesichtskreis  seiner  Zusam- 
menkünfte gern  auch  auf  die  fernen  Bannerträger  und  Vorkämpfer  sei- 
ner grofsen  Zwecke  aus.  Viel  lieber  freilich  hätten  wir,  sei  es  im- 
mer, sei  es  wenigstens  in  diesem  Jahre,  uns  auch  Ihrer  leiblichen  Nähe, 
Hochverehrter  Mann ,  zu  erfreuen  und  den  gefeierten  Namen  Lob  eck  in 
das  Album  unsers  Vereins  einzeichnen  zu  können  gewünscht;  zu  eini- 
gem Ersätze  dafür  erlauben  Sie  uns  jedoch  Ihnen  unsern  Hnldigungs- 
grufs  aus  der  Ferne  darzubringen,  und  diesen  gerade  an  denselben 
Umstand  anzuknüpfen,  der  uns  vielleicht  des  Glückes  Sie  persönlich 
zu  begrüfsen  beraubt.  Mit  inniger  Theilnahme  haben  wir  erfahren, 
was  die  unermüdliche  Jugendfrische  Ihrer  Thätigkeit  Ihre  Verehrer 
sonst  so  leicht  hätte  vergefsen  lafsen,  dafs  Sie  in  gegenwärtigem 
Jahre  bereits  das  fünfzigjährige  Gedächtnis  der  ersten  Schritte  ge- 
feiert haben,  mit  welchen  Sie  an  der  Schwelle  des  Jahrhunderts,  ein 
neuer  Priester  den  Tempel  Apolls  betraten;  und  je  unbescheidener  es 
deshalb  gewesen  sein  würde,  dem  Jubelgreise  die  Beschwerden  dieser 
weiten  Reise  anzumuthen ,  desto  freudiger  gewahren  wir  in  Ihnen  die 
stets  wiederholte  Bestätigung  der  alten  Lehre,  dafs  das  Auge  des  Gei- 
stes um  so  heller  zu  blicken  anfängt,  je  mehr  sich  die  Schärfe  des 
leiblichen  ihrem  Ende  zuneigt.  Was  die  Gewifsenhaftigkeit  Ihrer  For- 
schung, der  Umfang  Ihrer  Studien,  die  Strenge  Ihrer  Methode  dem 
frühern  Geschlechte  nur  in  seltenen ,  wenn  gleich  vollendeten  Meister- 
werken hat  zukommen  lafsen,  das  strömt  uns  jetzt  aus  Ihrer  reichen 
Fülle  in  einem  Schatze  von  Aufschlüfsen  und  Beobachtungen  zu  ,  der 
der  Zukunft  der  Forschung  ganz  neue  Fernsichten  öffnet,  und  wenn  bei 
irgend  einem  der  Meister  unserer  Wifsenschaft,  bei  Ihnen  den  Wunsch 
rechtfertigt,  dafs  der  Himmel  Ihre  Tage  verdoppeln  möge,  um  auch 
von  dieser  Aussaat  noch  recht  reiche  Früchte  zu  erblicken.  Wohl 
umgibt  Sie  schon  jetzt  ein  blühender  Kreis  treuer  Schüler ,  der  in 
das  Geheimnis  Ihrer  Forscherkunst  eingeweiht  für  das  Bestehn  und 
Wachsthum  Ihrer  Forschungen  Gewähr  leistet;  aber  gerade  in  deren 
Sinne  hoffen  wir  zu  sprechen,  wenn  wir  auch  Ihr  persönliches  Vorbild 
so  lange  als  möglich  vor  unsern  Augen  leuchten  zu  sehn  wünschen. 
Wohin  Ihr  Blick  fällt,  wird  es  licht;  und  doch  sind  der  dunkeln  Stel- 
len im  Alterthum  noch  so  viele ;  genehmigen  Sie  deshalb  neben  diesem 
Ausdruck  unserer  aufrichtigsten  Huldigung  zugleich  die  Bitte  um  Ihre 
fernere  Belehrung,  und  empfangen  dafür  im  voraus  den  ehrfurchts- 
vollen Dank,  den  Ihre  hohen  Verdienste  bereits  zu  sehr  rechtfertigen, 
als  dafs  wir  ihn  erst  den  spätem  Geschlechtern  überlafsen  könnten. 

Göttingen    den  1.  October  1852. 

Die  dreizehnte  Versammlung  etc. 


102  Ber.  ü.  d.  XIII.  Versammlung  deutscher  Philol.  u,  Schulmänner. 

Ersteres  Begrüfsungsschreiben  wurde  nun  durch  eine  Deputation, 
bestehend  aus  dem  Praesidenten,  dem  Verfafser  Prof.  Dr.  Wüste- 
mann und  noch  zwei  andern  ehemaligen  Schülern  des  gefeierten,  Prof. 
Dr.  Ger  lach  aus  Basel  und  Gymnasialdirector  Dr.  Schwecken- 
dieck  aus  Emden,  demselben  im  Namen  der  Versammlung  in  seine 
Wohnung  überbracht.  Der  letzte  der  genannten  erstattete  darauf  an 
die  Versammlung  Bericht  über  die  Aufnahme,  die  die  Deputation  bei 
dem  ehrwürdigen  Greise  gefunden  hatte. 

Hierauf  befürwortete  Privatdocent  Dr.  Hertz  aus  Berlin  den  Plan 
eines  dort  zu  errichtenden  Denkmals  zu  Ehren  des  verewigten  unver- 
gefslichen  Karl  Lach  mann  und  forderte  zu  Beiträgen  für  dasselbe 
auf.  Sodann  erstattete  der  Praesident  Bericht  im  Namen  der  zur  Be- 
stimmung des  nächsten  Versammlungsortes  niedergesetzten  Commission. 
Man  hatte  sich  für  Altenburg  entschieden  und  die  Versammlung  ge- 
nehmigte den  Vorschlag ,  wie  auch  die  Wahl  der  Gymnasialdirectoren 
Dr.  Fofs  daselbst  und  Dr.  Eckstein  in  Halle  zu  Praesidenten  und 
Vicepraesidenten  und  die  des  Geheimenraths  Dr.  Cononvon  der  Ga- 
be lentz   in  Altenbxirg  zum  Praesidenten  der  orientalistischen  Section. 

Die  wifsenschaftlichen  Vorträge  eröffnete  an  diesem  Tage  Gym- 
nasialdirector Dr.  Ahrens  aus  Hannover  mit  einem  Vortrage  'über 
die  gemischten  Dialekte  der  griechischen  Lyriker.'  Diese 
der  griech.  Litteratur  einzig  und  allein  eigenthümliche  Erscheinung  sei 
nicht  etwa  aus  dem  subjectiven  aesthetischen  Ermefsen  des  Dichters 
hervorgegangen,  auch  nicht  der  Art,  dafs  die  geographische  Berüh- 
rung der  Dialekte  von  Einflufs  erscheine.  Die  Art  der  Dialektmischung 
sei  überall  von  dem  Entwicklungsgange  der  griech.  Litteratur  in  ihren 
Verhältnissen  zu  den  verschiedenen  Stämmen  abhängig.  Li  der  lyri- 
schen Poesie,  die  hier  im  weitern  Sinne  zu  nehmen  sei,  schliefse  sich 
die  Elegie  nach  Inhalt  und  Form  des  Rhythmus  eng  an  die  episch- 
didaktische Poesie  an,  ebenso  auch  in  Hinsicht  auf  den  Dialekt,  und 
zwar  in  derjenigen  Gestalt,  wie  sie  in  lonien  die  übliche  gewesen. 
Die  Elegiker  hätten  sich  jedoch  der  veraltet  und  fremdartig  erschei- 
nenden Formen  der  epischen  Sprache  enthalten ,  andererseits  den  epi- 
schen Dialekt  auch  mit  Formen  ihrer  Zeit  und  ihres  heimatlichen 
Dialekts  vermischt.  Bei  dem  Epigramme,  ursprünglich  eine  Spie- 
lerei der  Elegie,  habe  auch  das  Object  der  Inschrift  auf  den  Dialekt 
Einflufs  geübt,  namentlich  nehme  z.  B.  Simonides  darauf  Rücksicht, 
für  wen  das  Epigramm  bestimmt  sei,  und  lafse  in  den  für  Dorier  be- 
stimmten Epigrammen  eine  Einmischung  des  dorischen  Dialektes  statt- 
finden, wie  auch  schon  Schneidewin  nachgewiesen  habe.  Doch 
bilde  der  epische  Dialekt  überall  die  Grundlage,  die  durch  den  Dia- 
lekt des  Objects  oder  der  Auftraggeber  nur  mäfsige  Färbung  ange- 
nommen habe.  Ganz  anders  stehe  die  i  ambische  Poesie,  die  in 
viel  stärkerem  Mafse  die  persönlichen  Gesinnungen  darlege  und  in  der 
Sprache  zunächst  den  Dialekt  des  ionischen  Stammes  wiedergebe,  unter 
welchem  sie  aufblühte.  Zu  einer  Beimischung  aus  einem  andern  Stamm- 
dialekte oder  auch  aus    der   epischen    Sprache   sei    keine   Veranlafsung 


Ber.  ii.  d.  XIII.  Versammlung  deutscher  Philol.  u.  Schulmänner.  103 

gewesen,  wie  dies  die  iambischen  und  choliambischen  Ueberreste 
der  ionischen  Dichter  zeigten.  Bei  dein  Attilcer  Solon  "finde  sich 
der  ionische  Dialekt  mit  dem  attischen  des  Dichters  gemischt.  In  den 
trochaei  sehen  Gedichten  des  Solon  und  Archilochos  kämen  noch  zu 
dem  in  den  iambischen  Gedichten  gebrauchten  Dialekte  einige  Zu- 
thaten  aus  dem  epischen  Dialekte  hinzu.  Das  komme  daher,  dafs,  wie 
schon  O.  Müller  bemerkt,  die  Trochaeen  in  der  Mitte  zwischen  Ele- 
gie und  lamben  stehn.  In  der  melisehen  Poesie  seien  zuerst  die 
aeolischen  Dichter  zu  betrachten,  Terpander  zeige  in  den  lyri- 
schen Hexametern  epischen  Dialekt  mit  geringen  Abweichungen,  die  dem 
aeolischen  Dialekte  angehören.  Alkaeos  und  Sappho  haben  den  reinen 
aeolischen  Dialekt,  der  Grnnd  davon  liege  in  der  entschiedenen  Sub- 
jectivität  der  lesbischen  Melik,  welche  für  den  Ausdruck  der  eigen- 
sten Gefühle  auch  die  eigenste  Mundart  verlange.  Anakreon  habe  sei- 
nem ionischen  Dialekte  manches  aus  dem  aeolischen  beigemischt,  weil 
seine  Kunst  auf  der  lesbischen  Melik  fufse,  aber  nichts  aus  der  epi- 
schen Sprache,  aus  der  auch  Alkaeos  und  Sappho  nichts  genommen 
haben.  In  den  Werken  der  andern  melisehen  Dichter  finde  sich  letz- 
teres wohl  und  das  zeige,  dafs  ihre  Melik  objectiver  und  dem  Epos 
verwandter  sei;  so  bei  der  Boeoterin  Korinna,  so  auch  bei  den 
dorischen  Dichtern.  In  Tyrtaeos  erscheine  der  epische  Dialekt 
durch  Dorismus  temperiert,  ebenso  bei  Stesichoros,  dessen  innige  Bezie- 
hung zum  Epos  bekannt  sei.  Auch  bei  den  Dithyrambikern  hersche 
eine  Mischung  der  Sprache  aus  epischem  und  dorischem  Dialekte,  doch 
das  erstgenannte  Element  sei  viel  stärker.  Diese  Temperierung  finde  sich 
nicht  nur  bei  den  dorischen  Dichtern  dieser  Gattung,  sondern  auch 
bei  den  andern,  und  weil  dieselbe  schon  früh  ihren  Hauptsitz  in  Athen 
gefunden,  so  habe  sich  an  ihren  Dialekt  die  Sprache  der  lyrischen 
Theile  des  Drama  angeschlofsen.  Das  stärkere  Hervortreten  der  dori- 
schen Sprache  bei  Philoxenos  erkläre  sich  daraus,  dafs  in  dem 
ästnvov ,  als  einer  Schilderung  aus  dem  täglichen  Leben,  der  Volks- 
dialekt mehr  berücksichtigt  sei.  Alkman  habe  viel  aeolische  Formen, 
trotz  seiner  dorischen  Heimat;  sie  seien  auf  den  grofsen  Einflufs  des 
Terpander  von  Lesbos  in  Sparta,  seiner  zweiten  Heimat,  zurückzu- 
führen; das  habe  noch  länger  fortgedauert.  Dorische  Lyriker  aus  an- 
dern Landschaften  haben  aeoHsches  Element  nur  in  sehr  zweifelhaften 
Fällen.  Den  vier  Dichtern  Ibykos,  Simonides,  Bakchylides  und  Pindar 
habe  man  bisher  dorischen  Dialekt  zugeschrieben,  doch  könne  er  nicht 
einmal  im  modificierten  Sinne  dorisch  genannt  werden,  sondern  sei  eine 
Mischung  aus  epischem,  dorischem  und  aeolischem.  Bei  Ibykos  liege 
die  dorisch-epische  Sprache  des  Stesichoros  zu  Grunde,  von  der  durch 
Einmischung  einiger  Aeolismen  und  freiere  Benutzung  des  Gemein- 
schatzes der  epischen  Sprache  abgewichen  sei.  Bei  Simonides  sei 
das  epische  Element  höchst  überwiegend,  sehr  wenig  Dorisches  und 
AeoHsches;  selbst  auffallendere  Formen  des  homerischen  Dialektes 
seien  vermieden.  Ganz  ähnlich  sei  es  bei  seinem  Landsmann  Bak- 
chylides.    Bei  beiden  möge  man   nicht  nach   Spuren  ihres  Mutter- 


104   Ber.  ü,  d.  XIII.  Versammlung  deutscher  Philol.  u.  Schulmänner, 

dialektes  suchen,  der  Dialekt  des  Stesichoros  (episch-dorisch)  sei  auch 
von  ihnen  benutzt,  mit  Vermeidung  der  auffallenden  Formen ;  die  Ein- 
mischung von  Aeolischem  lafse  auf  Einflüfse  von  Seiten  der  lesbischen 
Melik  schliefsen.  Pin  dar  zeige  vermischt  epischen,  aeolischen  und 
dorischen  Dialekt,  einzelnes  finde  sich  nur  bei  wenigen  Zweigen  des 
dorischen  Dialektes,  namentlich  im  delphischen,  und  daher  sei,  bei 
dem  Verhältnis  des  Dichters  zum  Tempel,  diese  Erscheinung  auch 
abzuleiten.  Dafs  Pindar  epischen  und  dorischen  Dialekt  gemischt 
habe,  sei  nicht  zu  verwundern,  da  er  in  Athen  von  den  dithyrambi- 
schen Dichtern  Unterricht  erhielt.  Alles  andere  finde  sich  im  delphi- 
schen Dialekte  und  zwar  allein  in  diesem  vereinigt  (dafs  solche  For- 
men Hesiodos  ebenfalls  daher  bekommen  habe,  hatte  der  Redner  vor- 
her ausführlich  nachgewiesen).  Gerade  Pindar  habe  in  jeder  Beziehung 
dem  delphischen  Tempel  und  Cultus  sehr  nahe  gestanden.  Die  Aeo- 
lismen  lafsen  sich  erklären,  wenn  mau  den  Einflufs  des  Terpander 
auch  hier  bei  den  musischen  Agonen  betrachte.  —  So  beruhe  die 
Mischung  der  Dialekte  in  der  lyrischen  Poesie  der  Griechen  also  kei- 
neswegs auf  einer  subjectiven  Willkür  der  Dichter,  sondern  auf  den 
litterarhistorischen  Verhältnissen  theils  des  alten  epischen  ,  theils  der 
verschiedenen  Stammdialekte.  Am  musterhaftesten  —  denn  man  müfse 
nach  dem  Takt  und  der  künstlerischen  Einsicht  der  Dichter  einen 
Unterschied  machen  —  stehen  Archilochos,  Simonides  und  Pindar  da. 
Es  beruhe  diese  Dialektmischung  der  griechischen  Dichter  darauf,  dafs 
dem  griechischen  Volke  häufig  die  Gelegenheit  geboten  worden  sei, 
fremde  Dialekte  in  Dichtungen  eines  bestimmten  Charakters  zu  hören. 
Anfangs  seien  dadurch  unwillkürliche  Mischungen  veranlafst,  allmäh- 
lich aber  ein  bewustes  Kunstmittel  daraus  entstanden,  ohne  dafs  in 
der  altern  Zeit  jemals  der  histoi'ische  Boden,  auf  dem  der  Gebrauch 
erwachsen,  mit  subjectiver  Willkür  verlafsen  worden  sei. 

Auf  diesen  Redner  folgte  Oberbibliothekar  Hofrath  Dr.  Prell  er 
aus  Weimar,  um  auf  besondern  Wunsch  der  Versammlung  einige 
'Mittheilungen  über  seine  Reise  nach  Griechenland' 
vorzutragen.  Er  sei  in  Begleitung  des  Geh.  Hofrath  Dr.  GÖttling  und 
Prof.  Dr.  Hettner  aus  Jena  über  Triest  nach  Athen  gereist.  Einen 
schmerzlichen  Eindruck  machen  die  überall  sichtbaren  Spuren  der 
Zerstörung,  so  dafs  man  fast  mit  Recht  gesagt  habe,  in  Griechenland 
habe  die  Geschichte  einen  Sprung  von  Epaminondas  auf  Kolokotroni 
gemacht.  Die  deutschen  Gelehrten  seien  durch  die  letzte  Revolution 
beseitigt;  zwischen  den  beiden  Hauptgelehrten  Athens,  Ran  gäbe  und 
Pittakis,  hersche  eine  sehr  störende  Eifersucht,  die  namentlich 
auch  das  Wirken  der  archaeologischen  Societät  hemme.  Die  Samm- 
lungen seien  natürlich  sehr  reich,  aber  die  Orte  dafür  alle  proviso- 
risch, namentlich  sehr  viel  im  Theseion,  in  der  Burg,  dem  Museum, 
der  Stoa  Hadriani,  oder  ganz  unter  freiem  Himmel.  Die  Ausgrabun- 
gen haben  manche  hübsche  Resultate  geliefert,  doch  mehr  gelegentlich 
beim  Häuserbau,  so  das  ßov?.£vtriQi.ov ,  das  zwar  noch  nicht  ganz  er- 
wiesenermafsen ,    aber    doch    höchst    wahrscheinlich    aufgefunden    sei. 


Ber.  ü.  d.  XIII.  Versammlung  deutscher  Philol.  u.  Schulmänner.  105 

Sehr  fruchtbar  sei  auch  die  Gegend  beim  königlichen  Schlofs ,  wo  der 
Park  liege.  In  den  langen  Zügen  alter  Grundmauern  habe  man  das 
Lykeion,  Göttling  das  Kynosarges  finden  wollen;  der  Redner  liefs 
die  Bestimmung  unentschieden  und  gab  zu  bedenken ,  dafs  Hadrian 
viel  da  gebaut  habe.  Befser  sei  es,  systematisch  zu  graben:  die 
archaeologlsche  französische  Gesellschaft  habe  Stufen  zur  Burg  ge- 
funden, doch  seien  es  fast  lauter  türkische  Reste,  tiefer  unter  der 
jetzigen  Treppe  seien  ausgehauene  Stufen.  Interessant  sei  das  Amphia- 
reion  bei  Oropos,  das  noch  nicht  lange  ausgegraben  sei;  Athen  habe 
jedoch  das  Hauptinteresse  dargeboten.  Otfried  Müllers  Grab, 
mit  einer  blendend  weifsen  Stele  geschmückt,  habe  eine  beneidens- 
werthe  Stelle  und  schimmere  überall  aus  dem  Grün  hervor,  die  Bauern 
nennten  es  das  Denkmal  des  ÖLSdaiialog.  Es  stehe  auf  einem  Unter- 
satz von  4  Stufen  die  Stele ,  auf  welcher  sich  ein  Aufsatz  mit  Pal- 
mettenverzierung befinde ;  an  der  Stele  sei  die  Inschrift  in  griechi- 
scher Sprache.  —  Ihre  Reise  sei  dann  von  Athen  nach  Eleusis,  Megara, 
Argos,  Tirynth,  Nauplia,  dem  Lernaeischen  Sumpfe  und  Arkadien  ge- 
gangen. Sie  haben  Tripolizza,  Megalopolis  besucht;  die  Nächte  seien 
sehr  kalt,  die  Locale  und  Nachtquartiere  reich  an  Ungeziefer  und 
Unsauberkeit  gewesen,  was  man  indessen  bei  dem  Ritt  durch  die 
herlichen  Gegenden  vergefsen  habe.  Von  Arkadien  seien  sie  nach 
Messenien  und  Elis  gereist,  von  da  wieder  durch  Arkadien,  über 
Kloster  Megaspilion  in  Achaja,  Sikyon  und  Korinth  nach  Athen  zu- 
rück. Dann  sei  der  Redner  mit  Hettner  nach  Rhamnus,  Oropos, 
durch  die  Ebene  des  Asopos  nach  Theben,  dem  Kopaischen  See  und 
endlich  nach  Delphi  gereist,  wo  er  in  derselben  Wohnung  wie  Mül- 
ler gewesen  sei.  Die  Leute  haben  sich  noch  seiner  erinnert,  auch 
noch  Spuren  seiner  Arbeiten  seien,  vorhanden;  verschiednes  sei  seit 
der  Zeit  gefunden  worden ,  namentlich  in  den  letzten  10  Jahren. 
Etwas  bestimmtes  über  die  Spuren  der  Ringmauer,  verschiedne  Seu- 
lenstücke  u.  dgl.  anzugeben,  sei  sehr  schwierig.  Nach  der  Rückkehr 
seien  sie  noch  acht  Tage  in  Athen  geblieben,  dann  nach  traurigem  Ab- 
schiede über  Constantinopel  zurückgefahren ;  vor  der  Bergfahrt  auf 
der  Donau  sei  jedoch  wegen  der  ungemeinen  Langweiligkeit  zu 
warnen. 

Den  Beschlufs  der  heutigen  Vorträge  machte  der  des  Professor 
Dr.  Weil  aus  Besanyon:  'ein  Wort  über  den  antiken  Wort- 
accent  in  Bezug  auf  Metrik'.  Der  Accent  sei  in  den  modernen 
Sprachen  viel  bedeutender  als  in  den  antiken,  er  behersche  und  ver- 
dunkle sogar  die  Quantität.  Diese  Veränderung  liege  in  einer  Verän- 
derung der  Natur  des  Accents  selbst  begründet.  Der  Accent  könne 
doppelt  aufgefafst  werden,  entweder  so  dafs  die  betonte  Silbe  mit  gröfse- 
rerEnergie  gesprochen  werde,  oder  auch  so  dafs  die  Tonsilbe  eine  höhere 
musikalische  Note  erhalte.  Das  könne  natürlich  auch  verbunden  sein, 
aber  es  sei  nicht  nothwendig,  wie  die  Musik  zeige,  wo  der  gute 
Takttheil  recht  wohl  eine  tiefere  Note  bekommen  kann.  In  den  mo- 
ernen    Sprachen   hersche  die    erste  Auffafsung   des  Accentes    vor,    er 


106  Ber.  ü.  d.  XIII.  Versammlung  deutscher  Philol.  u.  Schulmänner. 

habe  die  gröfste  Aehnlichkeit  mit  dem,  was  die  Musiker  den  guten 
Takttheii,  die  neuern  Metriker  die  Arsis  nennen.  —  Die  Betonung 
in  den  alten  Sprachen  sei  wesentlich  musikalisch  gewesen ,  worauf 
TtgocaSia,  o^sia,  ßccQSiU  hinweise.  Auch  Dionys.  Hai.  de  comp,  verb» 
c.  11  beweise  das,  wenn  er  auf  die  Frage,  ob  die  Musiker  genöthigt 
seien,  auf  oxytonierte  Silben  höhere  Noten  zu  legen  als  auf  barytonierte, 
antworte,  dafs  diese  Beschränkung,  welche  alle  Musik  unmöglich 
mache,  nicht  stattfinde.  Das  sei  für  die  Verschiedenheit  des  antiken 
und  modernen  Wortaccents  sehr  bedeutend  und  es  handle  sich  nur 
darum,  diesen  Unterschied  entschieden  festzuhalten.  Verwische  man 
den  Unterschied,  so  gehe  beim  Lesen  des  griechischen  Hexameters  der 
Rhythmus  verloren.  Wesentlich  musikalische  Wortaccente,  die  nach- 
zuahmen wir  freilich  nicht  mehr  im  Stande  seien,  brauchten  mit  den 
metrischen  Hebungen  nicht  zusammenzufallen,  hätten  dem  antiken 
Verse  einen  besondern  Reiz,  eine  vom  Rhythmus  unabhängige  Harmonie 
gegeben.  —  Der  Accent  der  Römer  scheine  etwas  steiferes  gehabt  zu 
haben,  doch  sei  es  bei  der  grofsen  Entfernung  der  Zeiten  mifslich, 
auf  feinere  Nuancen  einzugehen,  man  müfse  sich  mit  den  Hauptzügen 
zufrieden  geben.  Da  sei  klar,  dafs  die  lateinische  Verskunst,  wenig- 
stens seit  dem  Zeitalter  des  Augustus,  Accent  und  Ictus  wohl  getrennt 
habe.  Dagegen  könne  höchstens  ein  Bedenken  erhoben  werden,  nem- 
lich,  dafs  Virgil  und  seine  Nachfolger  vermeiden,  einen  Hexameter 
mit  einem  Worte  zu  schliefsen,  das  ein  lonicus  a  minori  sei.  Die  Er- 
klärung G.  Hermanns,  dafs  dies  aus  dem  Streben  hervorgegangen  sei, 
in  den  beiden  letzten  Versfüfsen  Wortaccente  und  metrische  Hebun- 
gen zusammenfallen  zu  lafsen,  befriedige  ihn  nicht.  Denn  die  altern 
Dichter,  bei  denen  ein  bedeutender  Einflufs  des  Wortaccents  ange- 
nommen werde,  beachten  diese  Regel  nicht,  ferner  vermeiden  Virgil 
und  die  andern  Dichter  selbst  Ausgänge,  wo  Wortaccent  und  Ictus 
zusammentreffe.  Endlich  komme  da  auch  der  iambische  Trimeter  in 
der  Kaiserzeit  in  Betracht.  Bei  Seneca  schliefsen  die  allermeisten 
lamben  mit  einem  oder  auch  zwei  zweisilbigen  Worten,  in  der  Weise 
des  Ovidischen  Verses:  servare  potui,  perdere  an  possim  rogas.  Diese 
Erscheinungen  im  Trimeter  und  Hexameter  seien  offenbar  analog  und 
doch  scheinen  sie  vom  Gesichtspunkte  des  Wortaccentes  wider- 
sprechend ,  denn  beim  Schlufs  des  Hexameters  stimme  Accent  und 
Ictus,  bei  dem  lambus  nicht.  Bei  beiden  habe  der  Dichter  eine  grö- 
fsere  Uebereinstimmung  der  Worte  mit  den  Versfüfsen  gesucht  und 
eine  gewaltsame  Caesur  am  Ende  des  Verses  vermieden.  Die  Ver- 
schränkung der  Worte  mit  den  metrischen  Füfsen  am  Anfange  der 
Verse  habe  beim  Trimeter  Accent  und  Ictus  häufig  auf  dieselben,  im 
Hexameter  auf  verschiedene  Silben  gebracht.  Die  gröfsere  Ueberein- 
stimmung der  Worte  mit  den  metrischen  Füfsen  am  Schlufse  habe  im 
Hexameter  die  Uebereinstimmung  des  Accents  und  Ictus,  im  Trimeter 
das  Auseinanderfallen  derselben  bewirkt.  —  Für  die  altrömischen  Dra- 
matiker wolle  der  Redner  seine  Ansicht  nicht  so  bestimmt  aussprechen, 
gegenüber  den  bedeutendsten  Autoritäten  seit  Ben  tley,  doch  lafse  sich 


Ber.  ü.  d.  XIII.  Versammlung  deutscher  Philol.  u.  Schulmänner.  107 

die  überraschende  Erscheinung  nicht  leugnen,  dafs,  wenn  man  belie- 
bige griechische  lamben  nach  den  Gesetzen  der  Jatein.  Aussprache 
betone,  die  Vershebungen  mit  diesen  angenommenen  Wortaccenten  eben 
so  häufig  zusammenfallen  wie  bei  Plautus  und  Terentius.  Es  frage 
sich  deshalb,  ob  nicht  die  Thatsachen,  nach  welchen  man  den  latein. 
Dramatikern  einen  accentierenden  Versbau  zuschreibe,  eine  zufällige 
Folge  der  Caesuren  sei  und  ob  nicht  die  bisherige  Erklärung  dersel- 
ben auf  einer   unserm  modernen  Ohre  natürlichen  Täuschung  beruhe. 

Die  Vorträge  des  vierten  Tages  eröffnete  der  Vicepraesident 
Prof.  Dr.  Schneidewin,  indem  er  'über  einige  Stellen  in 
Sophokles  Elektra'  sprach.  Die  besprochenen  Stellen  Avaren 
V.  359  ff.  185 ff.  495  ff.  In  der  ersten  Stelle  schlug  er  Vs.  363  vor  zu  lesen 
inoi  yocQ  f'azco  tov(18  [i^  iTJysiv  yocov  statt  Xvnsiv  (lovov  und 
rechtfertigte  diese  dem  Sinne  gewis  allein  entsprechende  Verbefserung 
durch  eine  ausführliche  Zurückweisung  der  bisherigen  Erklärungsver- 
suche. In  der  zweiten  Stelle  schlug  er  Vs.  192  statt  KSvaig  S'dfi- 
cpiOTixfiai  TQccTii^aLg  vor  zu  schreiben  ^Bvaig.  In  der  dritten  Stelle 
endlich  emendierte  er  mit  evidenter  Richtigkeit  Vs.  495  jtqo  tävd' 
STOifi'  f'x^i,  statt  TtQO  rciöv  ds  roi  fi'  f'x^t  und  etwas  gewagter  Vs.  497 
HcctptTtsg  statt  dipEysg.  Nach  Beendigung  dieses  frei  gesprochenen 
und  äufserst  klar  disponierten  Vortrags  erhob  sich  Director  Dr.  Lüb- 
ker  aus  Parchim,  um  einige  Einwendungen  gegen  die  erste,  zweite 
und  vierte  Conjectur  vorzubringen,  während  er  die  Richtigkeit  der 
dritten  anerkannte.  Schneidewin  replicierte  darauf,  und  namentlich 
waren  Schneidewins  Argumente  für  die  erste  Conjectur  von  dem  Op- 
ponenten wohl  nicht  ganz  richtig  aufgefafst. 

Hierauf  hielt  Dr.  L.  Lange,  Privatdocent  und  Assessor  der  phi- 
losophischen Facultät  in  Göttingen,  einen  Vortrag,  den  er  als  'An- 
deutungen über  Ziel  und  Methode  der  syntaktischen 
Forschung'  angekündigt  hatte.  Derselbe  bezeichnete  die  histo- 
rische Auffafsung  der  Syntax  als  ein  nothwendiges  Ergebnis  der 
Entwicklung  der  Sprachwifsenschaft  in  den  letzten  Decennien  und 
suchte  nachzuweisen,  nachdem  er  sich  mit  Haase  für  die  Scheidung 
des  syntaktischen  Stoffes  in  eigentliche  Satzlehre  und  in  Wortbedeu- 
tungslehre (Semasiologie)  entschieden  hatte,  dafs  sowohl  jene  als  diese 
eine  historische  Betrachtung  erfordere.  Zu  dem  Ende  zeigte  er  das 
Factum  der  historischen  Entwicklung  der  Satzformen  an  den  Ver- 
hältnissen des  einfachen  Satzes,  während  er  sich  für  das  Factum  der 
historischen  Entwicklung  der  Formen  des  zusammengesetzten  Satzes 
auf  Thiersch  und  G.  Curtius  berufen  konnte.  Die  Nothwendig- 
keit  historisch -comparativer  Methode  für  die  Wortbedeutungslehre 
wies  er  in  der  Weise  nach,  dafs  er  sowohl  die  Ansicht,  welche  eine 
Uebereinstimmung  der  Bedeutungskategorien  der  Sprache  mit  den  Be- 
deutungskategorien des  logischen  Denkens  annimmt,  als  auch  die  An- 
sicht, welche  die  Entwicklung  der  Bedeutungskategorien  als  ein 
durchaus  national  eigenthümliches  auffafst,  widerlegte,  und  dann  po- 
sitiv   die    Analyse    der    Sprachformen    und    die    genauste    statistische 


108  Ber.  ü.  d.  XIII.  Versammlung  deutscher  Philol.  u.  Schulmänner. 

Beobachtung  des  Usus  derselben  in  den  verschiedenen  Zeiten  und  in 
den  unter  sich  verwandten  Sprachen  als  das  Mittel  zur  Erkenntnis 
der  historischen  Entwicklung  der  Bedeutung  empfahl. 

Nachdem  Professor  Dr.  G.  Curtius  aus  Prag  die  von  Lange 
ausgesprochenen  Grundsätze  für  sehr  beachtenswerth  erklärt  hatte, 
hielt  Dr.  E Hissen,  Bibliothekssecretär  in  Göttingen,  einen  Vortrag 
'zur  Befürwortung  der  nationalgriechischen  Aussprache 
in  ihrer  Anwendung  auf  das  Altgriechische.'  Das  we- 
sentliche dieses  Vortrags  bestand  in  dem  Nachweis ,  dafs  die  von 
beiden  Seiten  angeführten  Argumente  eigentlich  keine  beweisende 
Kraft  weder  für  das  eine  noch  für  das  andere  hätten ,  und  dafs  man 
deshalb  sich  an  die  jetzige  nationalgriechische  Aussprache  halten 
müfse,  zumal  da  die  Tradition  vom  Alterthum  her  bis  auf  die  jetzige 
Zeit  keineswegs  so  gestört  sei  durch  fremde  (slavische)  Elemente,  als 
Fallmerayer  annehme.  Eine  Opposition  gegen  diesen  Vortrag  er- 
folgte nicht,  weil  die  Zeit  schon  abgelaufen  war;  sonst  würde  sicher 
als  Hauptargument  gegen  die  jetzige  griechische  Aussprache  das  Ver- 
hältnis der  altgriechischen  Aussprache  einerseits  und  der  neugriechi- 
schen Aussprache  andrerseits  zu  dem  geschichtlichen  Ausgangspunkte 
der  griechischen  Sprache  überhaupt  geltend  gemacht  worden  sein,  da  hier- 
nach ohne  Frage  die  etacistische  Aussprache  die  einer  älteren  Entwick- 
lungsstufe ist  und  nur  darüber  Zweifel  bleiben  kann,  von  welchem 
Zeitpunkte  des  classischen  Alterthums  an  die  Degeneration  des  Itacis- 
mus  begonnen  habe. 

Die  Schlufsrede  hielt  der  Vicepraesident  Prof.  Dr.  Schneide- 
win.  Er  hob  den  Nutzen  des  persönlichen  Verkehrs  für  die  Kräfti- 
gung des  wifsenschaftlichen  Sinnes  und  Strebens  hervor.  Er  mahnte 
mit  ernsten  und  eindringlichen  Worten,  festzustehn  und  den  Gefahren, 
welche  den  classischen  Studien  drohten,  zu  begegnen.  Ein  Blick  auf 
die  trüben  Verhältnisse  Schleswig-Holsteins  führte  den  Redner  zu 
einer  allgemeinen  Betrachtung  Deutschlands,  die  mit  einem  Hoch  auf 
das  gemeinsame  Vaterland  schlofs,  in  das  die  Versammlung  begeistert 
einstimmte. 

[Der  Bericht  über  die  Verhandlungen  der  paedagogischen  Section 
folgt  in  einem  der  nächsten  Hefte.] 


Auszüge  aus  Zeitschriften. 


Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  auf  dem  Gebiete 
des  Deutschen,  Griechischen  und  Lateinischen  herausgegeben  von 
Theodor  Auf  re  cht  und  Ad  albert  Kuhn.  Erster  Band. 
Berlin,  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung  1852.  Erstes  Heft.  I.  Ab- 
handlungen. Ueber  deutsche  Volksetymologie,  von  E.  Förstemann 
(S.  1 — 25:  an  einer  Reihe  von  Beispielen  wird  gezeigt,  wie  das  Volk 
ihm  unverständlich  gewordene  Ableitungen  und  aus  fremden  Sprachen 


Auszüge  aus  Zeitschriften.  109 

aufgenommene  Wöi'ter  sich  auf  seine  Art  durch  Aufstellung  näher  lie- 
gender Ableitungen  praktisch  zu  erklären  gesucht  habe).  —  Ver- 
mischte Etymologien,  von  G.  Curtius  (S.  25 — 36:  I.  Verbalformen. 
1)  Der  erste  Aorist  des  Passivs.  Dessen  Endung  d'rjv,  von  gleicher 
Wurzel  wie  das  9  in  nlrj&ca ,  iSico^ud'ov ,  sei  =  9s  +  tjv  =  aor.  I 
pass.  von  W.  &s:  'ich  gieng  ins  Thun,  wurde  gethan',  da  rjv  Prae- 
teritum  der  W.  £  =  skr.  ja,  so  dafs  iyQccfprjv  =r  'ich  gieng  ins  Schrei- 
ben'; die  activen  Endungen  rechtfertigen  sich  dadurch,  dafs  das 
passivische  schon  in  den  Lauten  r]  und  ^rj  Hege;  ähnliches  gelte 
von  fio.  2)  Die  iterativen  Praeterita  auf  ayiov.  Diese  seien  die  Prae- 
terita  der  praesentischen  Bildungen  auf  gkco  =  skr.  sjdmi,  der  En- 
dung des  Futurum  'ich  gehe  sein',  danach  ffxov  :=r  sjam,  der  Endung 
des  Conditionalis ;  die  Bedeutung  der  Praesentia  auf  cmco  als  Deside- 
rativa  vorausgesetzt  sei  der  Uebergang  vom  Wollen  zum  Geneigtsein 
nur  eine  Stufe.  II.  Wortdeutungen.  1)  lavco :  reduplicierte  Praesens- 
form  der  W,  äf,  uv ,  als  deren  Aorist  dsaat  :=:  äfiaai  gelten  könne; 
W.  af  sei  'wehen',  davon  auch  arj^i,  uvqcc ,  ä{f)rjQ  und  in  der  Be- 
deutung des  Schwebens  a(f)oQ,  d{f)st6s,  avis.  2)  rjliog  und  sol : 
dßsliog ,  d.  i.  dj^sXiog,  dor.  dtXiog  verhalte  sich  zu  sabin.  ausel  (Au- 
rel-ius ,  etr.  Usil)  wie  lakon.  dßcoQ  (a.FcJs)  zu  ausosa  (aujora) ,  von 
der  W.  skr.  ush  oder  vas  'brennen,  leuchten',  durch  Zulaut  und  das 
Suffix  lo  y  Xio  gebildet.  Sol  aber  sei  damit  nicht  verwandt,  sondern 
mit  goth.  savil  zusammenzuhalten,  von,  der  W.  skr.  svar  'glänzen', 
woher  griech.  ZsiQiog  =  ZfSQwg  (svarjas),  das  ursprünglich  auch 
die  Sonne  bedeute.  3)  Kdaig ,  yf.aoiyvrizog:  von  der  W.  skr.  kam  'He- 
ben', identisch  mit  kan  ^  splcndere ,  amare\  woher  cdrus  für  camrus, 
cömis,  KOfisiv ,  HOfii'^siv  'Hebend  hegen',  v.dcig  von  kan  wie  tdaig  von 
tan.  KecaadvdQu  aber  r=;  KccolccvSqu  sei  entweder  'mit  dem  Bruder 
vermählt'  oder  'mannliebend.'  4)  y.ai.v6g:  von  W.  y.cc8  'zieren,  putzen', 
skr.  cand,  lat.  candere;  wie  in  Kccivv^ai.  sei  der  Ausfall  des  d  durch 
Dehnung  des  a  in  ort  ersetzt,  also  Kccivog  =  'geputzt,  blank',  lat. 
cänus  =  casnus  'hell,  lichtgrau'.  5)  mare :  von  W.  skr.  mri  'ster- 
ben', woher  fiagceivco ,  marceo ,  bedeute  das  Meer  als  das  unfrucht- 
bare, den  Tod  der  Vegetation,  während  dXg  es  als  die  Salzfllut,  9d- 
laaaa  (rccQdaaco)  als  das  erregte,  nilayog  als  das  Gewoge,  növzog 
(vergl.  Tzdrog,  pons)  als  Weg  (vygcc  ^iksv^cc)  bezeichne.  6)  oig ,  Oi- 
Xsvg.  "Oig,  ofig  von  W.  skr.  av  'helfen,  schützen',  griech.  6f ,  heifse 
'der  Schützling',  'O'CXevg  'der  Volkshüter.'  7)  inrjsravög:  aus  in-r^fg- 
ravög  'für  immer  da,  immerwährend',  von  dfi,  cclst  einer  Dativbil- 
dung von  ciiog,  alfog,  aevum,  dessen  naktes  Thema  a^f's  sei,  und  dem 
Suffix  ravog  z=  lat.  tinus  in  pristinus.  8)  Troische  Namen.  Diese 
werden  bei  Homer  theils  als  einheimische  theils  als  griechische  Ueber- 
setzungen  jener  betrachtet,  wie  IJdQig  'Kämpfer'  von  dem  in  den 
Veden  vorkommenden  prit ,  pritanä  'Schlacht'  ~  'AU^av$Qog  'Wehr- 
mann'; EiircüQ  'Halter'  aber  sei  die  Uebertragung  eines  ähnlich  wie 
daq-qg  lautenden  troischen  Namens ,  von  dem  altpers.  Stamm  dar,  skr. 
dhri,  zend  dare  'halten').  —    Vocaleinfügung    im   Oskischen,   von  A. 


110  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Kirch  ho  ff  (S.  36 — 46:  es  wird  gezeigt,  dafs  in  manchen  oskischen 
Wörtern  zwischen  gewissen  Consonanten  regelmäfsig  sich  ein  Vocalein- 
satz  und  zwar  allemal  des  Vocals  der  vorhergehenden  Stammsilbe  finde 
{Alafaternum  röm.  Mfaternorum,  tcremniss  röm.  terniinus  u.  ä.)  und 
dafs  zwischen  Stamm  und  Suffix  oder  im  Suffix  ein  solcher  stattfinden 
könne,  während  das  Lateinische  in  einigen  Fällen  consequent  synco- 
piere:  patrem,  in  andern  auch  die  nicht  syncopierte  Form  habe:  pe- 
ricluni  neben  periculum).  —  Ueber  Consonantenverbindung  im  An- 
laut in  den  indogermanischen  Sprachen  mit  besonderer  Berücksichti- 
gung des  Römischen,  -von  Ag.  Benary  (S.  46—79:  stellt  als  Haupt- 
gesetze folgende  drei  auf,  die  aber  im  einzelnen  kleine  Modificationen 
erleiden:  1)  Consonantengemiuation  im  Anlaut  ist  unstatthaft;  2)  die 
vorlautende  Verbindung  einer  Semivocalis  aufser  s  mit  jeder  Muta  ist 
unstatthaft;  3)  alle  Mutae  können  sich  mit  allen  Semivocalen  anlau- 
tend verbinden).  —  SCADO,  von  Jacob  Grimm  (S.  79-83:  Zu- 
sammenstellung aller  von  diesem  ursprünglich  etwas  persönliches  be- 
zeichnenden Namen  abgeleiteten  Wörter  in  den  indogermanischen  Spra- 
chen). —  II.  Anzeigen.  I)  Ritschi:  Plautinische  Excurse  IV  (Rhein. 
Mus.  f.  Phil.  VII  S.  472  ff.),  von  Th.  Aufrecht  (S.  83— 86:  die  En- 
dung der  Adverbia  auf  im  wie  illim,  istim,  alterim,  exim  sei  aus  einem 
frühern  i-fim  (illifim,  istifim)  entstanden,  also  mit  dem  griech.  qpiv 
und  umbr.  fem  identisch  und  gebe  den  Ausgangsort  an ;  von  den  fei- 
nere Raum-  und  Modalverhältnisse  bezeichnenden  Casusendungen  der 
altitalischen  Sprachen  habe  das  Umbrische  und  Oskische  die  meisten 
getreu  bewahrt,  das  Lateinische  andere  Wendungen  gewählt  und  nur 
einige  in  Resten  ei'halten ;  jenes  ausgefallene  /  in  ifim  (das  auch  im 
Dat.  und  Abi.  Plur.  der  A-  und  O-Declination  —  is  aus  ifis  —  ge- 
schwunden sei)  sollen  dagegen  die  ursprünglich  gleichen  ,  nachher  viel- 
leicht in  Folge  des  Bestrebens  nach  Unterscheidung  entfremdeten  Ge- 
schwister jener  Formen  mihi  (für  mifi) ,  tibi,  sibi,  ubi,  ibi  erhalten, 
aber  das  auslautende  m  verloren  haben;  die  Schwächung  des  thema- 
tischen o  in  illim  etc.  von  den  Themen  illo  etc.  wird  auf  gleiche  Stufe 
mit  den  Compositen  laniger  u.  ä.  gestellt).  —  2)  Die  oskische  In- 
schrift von  Agnone,  von  demselben  (S.  86 — 91:  Zusammenstellung 
der  durch  die  Bemühungen  von  Henzen ,  Mommsen  und  Knötel  gewon- 
nenen Ergebnisse  zur  Deutung  dieser  Inschrift  mit  eignen  Bemerkun- 
gen). —  III.  Miscellen.  Die  Wurzel  KAD,  von  A.  Kuhn  (S.  91— 
96:  dem  skr.  ^ä^ad  als  Causativ  der  W.  ^ad  'fallen,  schwinden'  ent- 
spreche das  latein.  caedo ,  das  mit  Holtzmann  als  aus  cäcado  (cdcdo) 
entstanden  erklärt  wird.  Aus  der  griech.  Sprache  gehöre  als  Spröfs- 
ling  zur  W.  ^ad  das  Homerische  KtHcca^iai ,  dor.  yisKadfiaL ,  aus  der 
Bedeutung  des  Ueberwältigens  in  die  des  Uebertreffens  übergehend, 
indem  die  Reduplication  der  Wurzel  die  transitive  Bedeutung  gegeben 
habe;  neben  dieser  transitiven  laufe  die  intensive  Bedeutung  in  dem 
Homer.  ^SKCcSovro  'weichen,  sich  zurückziehn',  womit  zu  verbinden 
lat.  cedo ,  entstanden  aus  cecado  oder  cecido  wie  feci  aus  fefaci.  Eben- 
so wird  erklärt,  aber  einer  weitern  Bedeutungsentwicklung  zugewiesen 


Auszüge  aus  Zeitschriften.  111 

KtjSco;  KSKceScov  habe  aus  der  causalen  Bedeutung  des  Ueberwältigeiis 
die  des  Beschädigeus,  Beraubens,  Kummerhervorbringens  erhalten). 
—  Ueber  eine  ahd.  Abkürzungsweise,  von  Jacob  Grimm  (S.  96:  wo 
nicht  der  Anlaut,  sondern  der  Auslaut  des  abgekürzten  Wortes  ge- 
setzt sei,  z.  B.  ta  statt  weinöta). 

Zweites  Heft.     I.    Abhandlungen.      Die    Zusammensetzung    alt- 
deutscher   Personennamen,    von    E.    Förstern  an  n    (S.    97 — 1J6).   — ■ 
Der  Dat.  plur.  nuf  saai,  von  Aufrecht  (S.   117  f.:  als  älteste   Form 
des  gi'iechischen  Dativaffixes  sei   ggi  aus   cfi    anzunehmen;   dieses   sei 
in  der  A-  und  O-Declination  dergestalt  angetreten,  dafs   in  der  Regel 
«  und  0  durch   Einflufs   des    schliefsenden  t    in   ai    und   ot,   umgelautet 
wurden,  worauf  wegen  der  Länge  des  Vocals  das  eine  ff  wegfiel.     Bei 
consonantischen  Themen  sei  als  Bindevocal  gewöhnlich  s,  in  dem  Do- 
rischen  der  Tafeln  von  Heraklea  o;  zwischengetreten.     Allmählich  habe 
sich  aai,  s-aai  zu  ai,  s-oi  geschwächt  und  dadurch  sei  der  Bindevocal 
selbst  bei  consonantischen  Stämmen  in  Abnahme  gekommen).  —    Zwei 
corcyraeische    Inschriften,    von    demselben    (S.    118—121:   die   von 
Franz  in  der  archaeolog.  Zeitung  1846  Nr.   48    hergestellten;    bespro- 
chen wird  das  in  ihnen  im  Inlaut  sich  vorfindende  Digamma  :  TXaai'a- 
fo,  itQO^svfog,   QOJ^aCai  ,  otovofeaaav). —  Die  lateinischen  Zahladver- 
bien auf  iens,  von  demselben  (S.  121 — 123:  die  Endung  lens  scheine 
das  neutrale  Comparativaffix   zu    sein,    welches    an   Adjectiven   in   der 
Form  ius,  ios  auftrete;    dasselbe    sei   aus    ions ,    skr.    iyans   hervorge- 
gangen und  zwar  so ,  dafs  das  Griech.  das  v  (ioj/)  ,  das  Latein,  das  s 
gerettet  habe;  in  iens  =  ions  sei  beides,  n   und   s,    bewahrt   worden. 
Durch  diese  Endung  werde  das    allmähliche   Durchlaufen,    das    Ueber- 
schreiten  der  eins,  zwei  u,    s.    w.   bis   zum   Endpunkt   einer   gewissen 
Zahlenreihe  bezeichnet.     Auch  für  bis  (dvis),  ter  (tris) ,    quater  (qua- 
tors)  seien  als    ursprüngliche   Formen   dviens,   triens ,    quadriens  vor- 
auszusetzen; semel   dagegen   sei    wahrscheinlich    Neutrum    eines   unus 
bedeutenden  Adjectivs).  —     Die  Wurzel  GAP,   GAMF ,  von  A.  Kuhn 
(S.  123—141:    als    Bildungen   der   griechischen   Sprache   von   der   skr. 
ursprünglich  gambh  lautenden  Wurzel  mit  der  intransitiven  Bedeutung 
'gähnen'  und  der  transitiven  'fafsen,  packen'  ergeben  sich  folgende :  yafi- 
tpriXai   'Kinnbacken,    Rachen';    yoficpi'og,    der    im    Rachen   befindliche 
'Zahn',    nach    Suidas    der   Vorderzahn,   nach  andern   der  Backenzahn  • 
yöiicpog  'Zahn',  dann  'Nagel';    yäfiqiai  'Rachen'  (in  yoficpog  sei  das  a 
der  Wurzel   durch  Erweichung   des   y    zu   yf  in   o    übergegangen,   wie 
skr.  svapnas  lat.  somnus).     Durch  die  Entwicklung  der  Bedeutung  im 
Deutschen  zu  kampo  'gezahntes  Werkzeug,  Kamm,  gezackte  Erhebung 
Bergrücken'    ergibt    sich    als    zu    derselben    Wurzel    gehörig    yitpvgai 
'Damm'    und   yicpvqai   TtzoXiiioio    'Wahlstatt'   bei   Homer,    erst  später 
'Brücke',    mit  dem  Ableitungssuffix  vQog;    die  yi(f)VQai  moXffioio  wer- 
den als  die  beiden  wie  zwei  Dämme  den  Kampf  auf  beiden  Seiten  ein- 
schliefsenden   Schlachtreihen    erklärt;    zugleich   zeige    sich   in    yswvga 
der  Begriif  des  Ueberwölbens   wie   in  einigen  Wörtern  englischer  Dia- 
lekte,  zu  erklären  aus  der  Grundbedeutung  des  Gähnens.    Im  weitern 


112  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Verlauf  wird  die  Vergleichung  von  goth.  haubith  mit  lat.  caput, 
yifcpaXi} ,  skr.  kapdla  abgewiesen,  haubith  zu  dem  vedischen  kakubha 
'Kopf  gehalten,  n^cpalrj  aber  zu  dem  Homerischen  KSKUcprjcog ,  zusam- 
menhängend mit  KCCTcca,  %anv(o ,  xasTtco ,  KUTtt] ,  Kanävt} ,  K^nog).  — 
Germanisch  und  slawisch,  von  Schleicher  (S.  141 — 144).  —  Ue- 
ber  eine  Construction  des  Imperativs,  von  Jacob  Grimm  (S.  144 
— 148:  behandelt  eine  syntaktische  Aehnlichkeit  zwischen  dem  Grie 
chischen  und  Althochdeutschen:  der  attischen  Beugung  ola&'  cag  noi'r}- 
aov ,  olad'  o  Sqccgov  entspreche  die  mhd.  wizze  waz  du  tuo ,  ich  sage 
dir  wie  du  tuo  u.  ä.,  eine  später  als  das  dreizehnte  Jahrhundert  aus- 
gestorbene Redeweise.  Sie  leitet  einen  zu  ertheilenden  Rath  ein ,  der 
in  einem  gewöhnlich  nachher  folgenden  weitern  Imperativ  bestimmt 
ausgespi'ochen  wird.  Die  Bentleysche  Deutung  durch  ein  umgekehrtes 
ÖQccGov ,  oia&'  0  scheine  nicht  die  richtige;  die  Sprache  gehe  aus  der 
indirecten ,  abhängigen  Rede  höchst  rührsam  in  den  unmittelbaren 
Imperativ  über.  Bemerkenswei'th  sei  die  Feinheit  der  griech.  Sprache, 
dal's  sie  für  solchen  Imperativ  nach  ola&cc  den  ersten  Aorist  for- 
dere)*). —  Gothische  Etymologien,  von  H.  Schweizer  (S.  148 — 159: 
über  die  Wurzelformen  DAD,  STATH  und  ID;  agls ;  ahma;  aihan, 
aigan;  vulthus;  fagrs  und  faheds ;  fairguni;  guth).  —  Das  Affix  tijt, 
tat,  von  Aufrecht  (S.  159 — 163:  dasselbe  sei  ein  Doppelaffix,  tä  und  ti, 
die  beide  schon  für  sich  allein  Abstracta  bilden ;  das  schliefsende  i  in  dem 
ursprünglichen  täti  sei  sehr  frühzeitig  abgeschliffen  worden).  —  Nu- 
merische Lautverhältnisse  im  Griechischen,  Lateinischen  und  Deut- 
schen, von  E.  Forste  mann  (S.  163 — 179:  einige  der  Resultate  sind: 
in  Hinsicht  auf  das  Mischungsverhältnis  der  Laute  stehn  sich  das 
Griechische  und  Lateinische  am  nächsten,  das  Lateinische  und  Go- 
thische  ferner,  am  fernsten  das  Griechische  und  Gothische;  für  die 
Vocale:  die  lat.  Sprache  gebraucht  die  Diphthonge  nur  ^  so  viel  als 
die  griech.,  nur  Jg  so  viel  als  die  gothische;  am  gleichmäfsigsten  sind 
die  fünf  Vocale  vertheilt  im  Lateinischen;  das  i  ist  in  dieser  Sprache 
der  häufigste  Vocal,  das  Griechische  bevorzugt  den  e-  und  o-Laut  auf 
Kosten  der  drei  andern,  im  Gothischen  bildet  das  a  mehr  als  ein 
Drittel  sämtlicher  vocalischen  Laute;  in  allen  drei  Sprachen  überwie- 
gen die  beiden  hellen  Vocale  an  Umfang  die  beiden  dunkeln ;  für  die 
Consonanten:  in  allen  drei  Sprachen  sind  die  Liquidae  weit  häufiger 
als  die  Mutae;  diese  liebt  am  meisten  das  Griechische,  am  wenigsten 
das  Gothische;  am  häufigsten  sind  in  allen  die  Zungenlaute  u.  s.  w.). 
—  ar^sxij'ff,  ^slyco,  Ttl^iv ,  von  A.  Kuhn  (S.  179 — 187:  dzQS-ni^q  wird 
abgeleitet  von  W.  rqsx,  skr.  druh,  ahd.  triugan,  sonach  seine  Bedeu- 
tung 'untrüglich,  unfehlbar';  zu  derselben  Wurzel  stelle  sich  &ily€a 
'bezaubern'    und  zwar  sowohl  (ursprünglich)  in  bösem  Sinne    'trügen, 


*)  Die  von  dem  verehrten  Verfafser  gelegentlich  herangezogene 
Plautinische  Stelle  Rud.  IJI,  5,18:  tange,  scd  sein  quomodo?  entbehrt 
in  dieser  Fafsung  der  handschriftlichen  Beglaubigung;  die  Ueberlie- 
ferung  führt  vielmehr  auf  tanges,  at  sein  quomodo?  wie  ich  in  mei- 
ner Ausgabe  (Vs.  797)  in  den  Text  gesetzt  habe.  ^.  F. 


Auszüge  aus  Zeitschriften.  ÜJL9 

betrügen'  als  auch  in  gutem  'besänftigen,  mulcerc'),  —  II.  Anzeigen. 
Einige  oskische  Verbaiformen  (Momuisen  unterital.  Dial.  S.  234  ff.), 
von  Aufrecht  (S.  188 — 190:  eituns  =  cunto ;  censamur  tr:^  ccnsetor; 
eebnust  :=:  iuraverit).  —  III.  Miscellen.  Lateinische  Ktymologien,  von 
demselben  (S.  190  f.:  viscre:  Desiderativform  mit  Abfall  der  Re- 
duplication,  vis  =  skr.  vivits.  —  boarc,  boere :  bovare  sei  ein  Deno- 
minativum,  boere,  urspr.  bovere  enthalte  die  reine  Wurzel,  nemlich 
skr.  g-u,  auf  vs'elche  auch  ßovg,  bos  'Brüller'  zurückzuführen  und  die 
in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt  in  yoo  aus  yoJfOy  yociv  erhalten  sei). — 
oh  OS,  vinum,  venas,  wein,  von  A.  Kuhn  (S.  191  f.:  von  der  Wurzel 
skr.  ven  'lieben,  begehren,  günstig  sein',  also  ein  liebliches,  berau- 
schendes Getriänk;  überraschende  Berührung  zwischen  dem  indischen 
Soma-  und  griechischen  Dionysosmythos). 

Drittes  Heft.  I.  Abhandlungen.  Telxi'v,  9^lya),  von  A.  Kuhn 
(S.  193—205:  der  Verf.  weist  den  Zusammenhang  griechischer,  indi- 
scher und  nordischer  Mythologie,  welchen  derselbe  auch  für  andere 
Kreise  mythologischer  Vorstellungen  schon  dargethan  hat,  hier  in  Be- 
zug auf  die  Teichinen  nach.  Den  griechischen  Teichinen  (Lobeck 
Agiaoph.  p.  1182  ff.),  welche  verderbenbereitende  Bosheit  mit  über- 
menschlichem Zauber  und  Kunstfertigkeit  vereinen  (W.  &sly ,  skr. 
druh  'Bosheit,  zauberischer  Trug',  wozu  auch  goth.  liugan,  nhd. 
lügen  gehöre  mit  nicht  ungewöhnlichem  Lautwechsel ,  und  Suffix  tv 
•-=:  skr.  vin  'begabt  mit',  also  Tfi;utV,  das  auch  als  Adjectiv  in  Ge- 
brauch war,  t=z  mit  Bosheit,  Trug,  Zauber  begabt)  entsprechen  die 
indischen  schwarzen  Raxasas,  den  Göttern  feindliche  Wesen,  die 
durch  Lüge  und  Trug  den  Menschen  von  der  Wahrheit  abwenden, 
die  zauberischen  weiblichen  Druhs ,  die  den  Devas  auch  feindlichen 
Rudras  und  Maruts,  die  aber  auch  kunstfertig  und  in  Anwendung  von 
Heilmitteln  erfahren  sind,  nach  dem  Epos  in  der  Unterwelt  wohnen 
und  von  rother  Farbe  sind,  ferner  die  nordischen  braunen  Elfen,  die 
schadenden,  aber  in  Schmiedearbeit  und  Heilkunde  wohlerfahrnen 
Zwerge.  Der  Name  des  indischen  Stammes  Druhyu  mache  wahrschein- 
lich,  dafs  wirklich  in  der  Urzeit  ein  derartiger  Volksstamm  existiert 
habe,  der  auch  noch  nach  der  Vernichtung  seine  Verfolgungen  fort- 
setzend und  vorzugsweise  das  Volk  der  bösen  Geister  bildend  gedacht 
wurde).  —  Sägara.  Kolähala,  von  Jacob  Grimm  (S.  206 — 211: 
durch  Zusammenstellung  mit  dem  ags.  gärsccg  'Ocean',  ahd.  saccari 
'Scheiterhaufen'  (aus  Rohr  und  Binsen  geflochten),  griech.  gukxocq 
u.  a.  wird  als  ursprüngliche  Bedeutung  des  skr.  sägara  'Ocean'  die 
von  'Schilfrohr'  vermuthet.  Kolähala  sei  vielleicht  'Eberpflug').  — 
Die  Veränderung  lateinischer  Eigennamen  im  Griechischen,  von  Pr. 
Strehlke  (S.  211—224:  dieselbe  sei  nach  folgenden  Gesetzen  einge- 
treten: 1)  die  lateinischen  Laute,  welche  im  Griechischen  fehlen, 
wurden  durch  die  ihnen   am  nächsten  verwandten  des  Griech.  ersetzt ; 

2)  jeder  latein.  Name  erhielt,  um  in  den  einzelnen  Casus  mit  Be- 
quemlichkeit   gebraucht    werden     zu    können,     eine    griech.    Endung; 

3)  manche   Veränderungen  waren  Folge  der    allgemeinen  Lautgesetze 
iV.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Bd.  LXVH.   I/ft.  1,  8 


114  Auszüge  aus  Zeilschriften. 

der  griech.  Sprache  (Synkope,  Vocalwechsel,  Verdoppelung  oder  Ver- 
einfachung der  Liquidae  und  einiger  Mutae);  4)  noch  andere  giengen 
aus  dem  Streben  hervor,  den  zu  graecisierenden  Worten  einen  griechi- 
schen Sinn  oder  wenigstens  einen  Anklang  an  ein  griech.  Wort  zu 
geben).  —  Das  lateinische  j  im  Inlaut,  von  Aufrecht  (S.  224 — 234: 
Bekämpfung  der  in  Uebereinstimmung  mit  den  alten  Grammatikern 
heutzutage  geltenden  Meinung,  dafs  das  im  Inlaut  zwischen  zwei  Vo- 
calen  stehende  j  die  Kraft  habe ,  gleich  einem  Doppelconsonanten  Po- 
sition zu  bewirken,  und  Nachweis,  dafs  der  dem  j  voraufgehende 
Vocal  in  jedem  Falle  von  Natur  lang  sei.  Das  Affix  e/o,  hauptsäch- 
lich zur  Bildung  von  Eigennamen  verwandt,  aufserdem  in  plebejus, 
sei  eigentlich  aijo ,  was  durch  das  Oskische  und  Sanskrit  erwiesen 
wird,  das  c  also  wegen  seiner  ursprünglich  diphthongischen  Natur 
lang;  in  ajo,  major,  mejo,  j>ulcjum,  Seja,  Vcji  sei  in  Folge  des  Aus- 
falls eines  Consonanten  der  vorhergehende  Vocal  gedehnt  (eigentlich 
agio,  magior,  migio,  pulegium,  Segia,  Vehii) ;  Gajus  hervorgegangen 
aus  Gävius  von  der  in  gävisus  hervortretenden  Form  der  Wurzel  von 
gauderc ;  über  ejus,  cujus,  hujus  s.  unten*);  die  noch  übrigbleiben- 
den lat.  Wörter,  deren  Ursprung  noch  nicht  aufgeklärt  sei,  stellt  der 
Verf.  zum  Behuf  weiterer  Untersuchung  zusammen:  bajulus ,  caja, 
cajare,  jejunus ,  majalis,  pejor,  Bajae,  Trajanus).  —  Der  ahd. 
Diphthong  OA,  von  E.  Förstemann  (S.  234—244).  —  Deutsches 
und  Slavisches  aus  der  deutschen  Mundart  Schlesiens,  von  K.  Wein- 
hold  (S.  245—257).  —  Vermischtes,  von  G.  Curtius  (S.  258—270: 
1)  der  griechische  Accusativus  pluralis  :  mehrere  bisher  räthselhaft  da- 
stehende Formen  dieses  Casus  werden  klar,  sobald  man  von  der  durch 


*)  Ich  gebe  des  Verf.  Ansicht  über  diese  Genetive  etwas  aus- 
führlicher, um  eine  Bemerkung  daran  zu  knüpfen.  Nach  Abweisung 
der  Erklärungsversuche  von  Härtung,  Bopp  und  Benfey  vermutet  Auf- 
recht, die  Genetivendung  tus,  ursprünglich  ijus,  sei  identisch  mit  dem 
Possessiva  bildenden  skr.  Affix  lya  (ija),  so  dafs  ist-ijus,  altus  'die- 
sem, einem  andern  gehöi'ig'  heifse  (vgl.  das  latein.  Pronominaladjectiv 
cujus- a-um  'wem  gehörig';  das  auslautende  s  sei  das  masculine  No- 
minativzeichen, welches  die  übrigen  Geschlechter  mit  vertrete,  wie  es 
auch  bei  den  Passivformen  auf  mini  =^  fiivoi  und  sonst  der  Fall  sei). 
'Dieses  ijus''  fährt  A.  fort  'trat  dann  an  den  Wortstamm  unmittelbar 
an:  isto  -ijus ,  ipso -ijus ,  i-ijus,  quo -ijus,  ho -ijus,  woraus,  da 
o  +  i  im  Lateinischen  sowohl  t  als  ü  und  ö  (olvog  —  vinum,  com- 
moinis  —  communis,  bonoi  —  bono)  geben  kann,  istijus,  ipsijus,  ijus 
(später  ejus),  quojus  —  cujus,  hujus  entstanden.  Die  zweisilbigen 
Formen  scheinen  nur  deshalb  das  j  nicht  verloren  zu  haben,  weil 
sonst  in  der  Aussprache  die  beiden  Vocale  zusammengeflofsen  wären.' 
Nun  ist  es  aber  eine  schon  durch  Bentley  erwiesene  und  von  niemand 
angezweifelte  Thatsache,  dafs  eben  die  drei  zweisilbigen  Genetive 
dieser  Gruppe  ejus  quojus  hujus  von  den  alten  dramatischen  Dichtern 
ebenso  oft  einsilbig  wie  zweisilbig  gebraucht  worden  sind,  und  Lach- 
mann zu  Lucr.  p.  26  f.  weist  wenigstens  für  cujus  und  ejus  die  ein- 
silbige Mcfsung  noch  bei  den  daktylischen  Dichtern  Lucilius,  Lucre- 
tius  und  sogar  Cicero  (in  seiner  Uebersetzung  des  Aratus)  nach.  Ist 
daher  Aufrechts  Erklärungsversuch  (der  übrigens  nach  seiner  eignen 


Auszüffo  aus  Zeitschriften.  115 

Bopp  erwiesenen  ursprünglichen  Endung  desselben  vg  ausgehe. 
2)  Die  Verstärkungen  im  Praesensstamme :  dieselben  beruhen  sowohl 
auf  dem  Streben  nach  lautlicher  Fülle  als  auch  auf  dem  Triebe  nach 
Unterscheidung  der  Bedeutungen,  der  dann  die  verschiednen  Formen 
der  Verba,  die  Classenunterschiede ,  hervorbringen  half,  was  an  meh- 
rern Beispielen  nachgewiesen  wird.  3)  Die  historische  Grammatik  und 
die  Syntax:  es  wird  auf  den  Gewinn  hingewiesen,  der  aus  einer  auf 
historischer  Betrachtung  der  Sprache  beruhenden  Anordnung  der  Syn- 
tax für  das  tiefere  Verständnis  hervorgehn  würde,  insbesondere  die 
Unzulänglichkeit  der  bisherigen  abstracten  Satztheorie  nachgewiesen; 
Relativsätze  seien  z.  B.  ursprünglich  nur  lose  angereihte  Demonstra- 
tivsätze gewesen ;  überhaupt  scheine  die  Unterordnung  eines  Satzes 
unter  den  andern  etwas  in  allen  Sprachen  späteres  zu  sein,  erst 
allmählich  aus  der  Nebenordnung  hervorgegangen;  der  Weg  zu  einer 
richtigen  Einsicht  werde  von  der  ältesten  Sprachperiode  beginnen 
müfsen.  4)  absurdus:  zurückzuführen  auf  W.  sur,  die  in  susurrus 
deutlicher  erkennbar  und  mit  skr.  svr  'tönen'  und  griech.  a^')Q-ly^  zu- 
sammenzustellen sei ;  das  Suftix  dus  ohne  Bindevocal  angefügt  wie  in 
tar-dus,  for-da;  die  ursprüngliche  Bedeutung  also  'abtönend,  mistönend'. 
5)  post,  pone:  das  von  Ritschi  auf  dem  Wege  diplomatischer  Kritik  ge- 
fundene pos  (umbrisch  pus)  als  ursprüngliche  Form  von  post  werde 
durch  skr.  pas ,  litth  pas-kuy  ' postea''  bestätigt;  daraus  entstehe  zu- 
nächst posti  mit  dem  in  postidea  erhaltnen  Ablativ  postid  und  hieraus 
poste  (ebenso  sei  anti  älter  als  ante) ;  pone  sei  entstanden  aus  posne). 
—  Ueber  das  alte  S  und  einige  damit  verbundene  Lautentwicklungen,  von 
A.  Kuhn  (S.  270 — 277:  das  indische  s  sei  bereits  in  älterer  Zeit  mehr- 
fältig  aus  t  hervorgegangen  ,  sowohl  in  einzelnen  Wörtern  wie  dem  Prono- 
men skr.  sa,  sä,  goth.  sa,  so,  griech.  o,  rj,  dessen  Neutrum  und  Casus 
obliqui  das  t  bewahren ,  als  auch  in  ganzen  Wortclassen ,  wie  den  Voca- 
tiven  der  mit  den  Suffixen  mat  und  vat  zusammengesetzten  Wörter  auf 
mos  und  vas ,  womit  gleichgestellt  wird  das  Suffix  der  Participia  perf. 
uows,  deren  schwächere  Form  vat,  schwächste  ush  lautete,  ursprüng- 
lich vant,  das  auch  im  Griech.  neben  dem  ursprünglichen  z  in  den  Ca- 
sibus  obl.  masc.  und  neutr.  die  schwächere  Form  in  den  durch  Ausfall 
des  c  entstandenen  Formen  des  Femin.  (vtcc  aus  vaia)  zeige).  —  II.  An- 
zeigen. Panzerbieter  quaestiones  Umbricae  (Meiningen  1851)  ang.  von 
Aufrecht  (S.  277—284:   der  Verf.    habe  sich  zu  streng  an  die  Analo- 


Aussage  keinen  Anspruch  auf  Evidenz  machen,  sondern  nur  als  Ver- 
such betrachtet  werden  soll)  wirklich  richtig,  so  braucht  man,  um  die 
einsilbige  Aussprache  jener  drei  Genetive  zu  erklären,  nicht,  wie 
Lachmann  gethan  hat,  italienische  Dichter  und  deren  Licenzen  herbei- 
zuziehen, sondern  sie  ist  die  naturgemäfse  Consequenz  von  der  Anwen- 
dung der  mit  ipsijus  und  istijus  vorgenommenen  Aenderung  auf  ejus 
quojus  hujus,  also  eus  quous  huus  {hous).  Zu  dieser  Ausstofsung 
des  j  passt  denn  auch  sehr  gut  die  von  Lachmann  an  einer  andern 
Stelle  seines  Commentars  zu  Lucretius  (p.  160  f.)  nachgewiesene  pyr- 
richische  Mefsung  von  ejus  und  hujus  bei  Terentius  und  Turpilius, 
wo  er  selbst  eus  und  ho-us  gesprochen  wifsen  will.  A.  F. 

8* 


116  Auszüge  aus  Zeilschriften. 

gie  des  Lateinischen  gehalten;  weil  er  die  neuere  vergleichende  For- 
schung unberücksicht  gelafsen  habe,  leiden  seine  Erklärungen  der  Mehr- 
zahl nach  an  grolser  Willkürlichkeit  und  Verkennung  längst  gefundner 
Sprachgesetze,  was  an  vielen  Einzelheiten  nachgewiesen  wird). —  CA. 
Holmboe  om  pronomen  relativum  (Christiania  1850)  ang.  von  dem- 
selben (S.  284 — 288:  nachdem  gezeigt  worden  ist,  wie  die  indoeuro- 
paeischen  Völker  durch  das  Demonstrativpronomen  hindurch  zum  Relati- 
vum gelangten,  daneben  aber  auch  eine  zweite  Weise  bestand,  wonach 
das  Fragpronomen  zum  Relat.  führte,  folgt  eine  eingehende  Inhaltsan- 
gabe des  genannten  Universitätsprogramms).  —  III.  Miscelle.  nsog,  von 
demselben  (S.  288:  statt  nieog  wie  jtenis  aus  pes-nis ,  bestätigt  durch 
skr.  piisaSf  was  eine  Wurzel  skr.  pas ,  gr.  nia ,  lat.  peserc  voraussetze, 
zusammenhängend  mit  mhd.  viseliin(pe7iis),  nhd.  faseln  (prolificum  esse)). 
Viertes  Heft.  I.  Abhandlungen.  Starke  und  schwache  Formen 
griechischer  und  lateinischer  Nomina,  von  H.  Ebel  (S.  289—300:  es 
werden  die  Reste  doppelter  Formen  der  Wortbildungssuffixe  in  den 
clussischen  Sprachen  nachgewiesen.  Entweder  war  die  starke  Form 
dem  Nomin.  sing,  allein  zugewiesen,  in  welchem  Falle  sie  im  Griechi- 
schen als  einfache  Verlängerung  der  Suffixe  (fg  —  r;s,  ^q — rjQ  u.  s.  w.) 
erscheint,  im  Lateinischen  fast  gar  nicht  vorhanden  ist;  oder  es  trat 
eine  Scheidung  der  Casus  in  starke  und  schwache  ein ,  die  im  Sanskrit 
consequent  durchgeführt,  im  Griechischen  und  Lateinischen  nur  in  Re- 
sten, bisweilen  nur  in  Ableitungen  erkennbar  erhalten  worden  ist;  die 
einzelnen  Fälle  werden  durchgegangen  unter  den  Rubriken :  Vocalverän- 
derung,  Nasalierung,  Vocalveränderung  und  Nasalierung  vereint).  — 
Griechische  Wortdeutungen,  von  demselben  (S.  300 — 304:  1)  asva 
gehöre  zur  W.  skr.  cyu  'fallen',  im  Vedischen  auch  'erregen',  zu  der- 
selben Wurzel  vielleicht  auch  kj'üj,  cio ,  cieo.  2)  sniaacci  und  (ihccGaai 
seien  Adjectivfeminina  von  dem  im  Skr.  aus  Praepositionen  und  Adver- 
bien Adjectiva  bildenden  Suffix  tya,  wozu  auch  gehören  propitius,  vitriog, 
TifQiaaog.  3)  nozijg  und  Tiivvtrjq  seien  entstanden  aus  itotözrig  und  nivv- 
xötrig.  4)  TccTtrig  und  xansivog  von  W.  skr.  tvac  mit  Veränderung  des 
Palatals  in  den  Labial  wie  in  nenwv  zu  skr.  pac).  —  Lateinische  Wort- 
deutungen, von  demselben  (S.  304 — 308:  1)  Nomina  auf  -es-etis; 
Zurückführung  der  zwölf  Wörter  dieser  Endung  auf  ihre  Wurzeln.  2) 
Nero  und  nerio  seien  Ableitungen  von  skr.  nar  =;  griech.  ävrjg,  nerio 
r=  virtus ;  in  Betreff  der  Declination  wird  nerio  zusammengestellt  mit 
Anio:  man  habe  wegen  des  vorhergehenden  i  nicht  sagen  können  Anit- 
nis ,  neritnis ,  sondern  Anienis,  nerienis ,  später  aber  aus  Unkunde  über 
den  Entstehungsgrund  dieser  ungewöhnlichen  Formen //«j(Jn/s ,  nerienis 
gemefsen''').  3)  denique  und  demum :  deniquc  sei  =  dene  +  que  und 
dcne  verhalte  sich  zu  de  wie  pone  (posne)  zu  pos(t),  superne  zu  super, 
de  bezeichne  die  F^olge,  que  den  Schlufs;  demum  sei  Superlativform  von 
de  wie  primum  von  prae,  das  letzte  zunächst  als  unterstes  bezeichnend). 

^)     Eine  schlagende  Analogie  hierzu    liefert    das  Subst.  licn   (Gen. 
eigentlich  lUnis  wie  carmen   carminis),  dessen   Casus    obliqui  wie   auch 


Auszüge  aus  Zeitschriften.  117 

—  Plattlateinisch  und  Romanisch,  von  Pott  (S.  309—350.  385—412: 
eine  Menge  mittelalterlichen  und  romanischen  Sprachstoffs,  Formen  und 
Wendungen  ergebe  sich  nicht  als  blofse  neologische  Fortbildung  des  al- 
ten classischen  Latein ,  sondern  auch  als  archaistische  Fortführung  bald 
alter  speciell  lateinischer,  aber  aus  dem  Dunkel  des  gewöhnlichen  Le- 
bensverkehrs nie  oder  selten  ans  Licht  der  Schrift  hervorgetretener,  bald 
nur  von  Zeit  zu  Zeit  in  dasselbe  eingedrungener,  zunächst  italischer 
Provincialausdrücke ,  Formen  oder  auch  hie  und  da  Wendungen  von 
gleichfalls  älterm  Datum.  Besprechung  des  salischen  Gesetzes  rück" 
sichtlich  der  Sprache),  —  Deutsche  Wortdeutungen,  von  Aufrecht 
(S.  360-367.  470—474:  1)  altn.  vär  'Frühling'  =  lat.  vcr,  griech. 
}'aQ  für  saccQ  (wie  ver  aus  vcrer)  haben  zur  W.  skr.  vas  '  leuchten,  bren- 
nen'; der  Frühling  sei  als  ein  Erglänzen  der  Natur,  gleichsam  ein  Auf- 
brehen  der  Morgenröthe  nach  langer  Winternacht  gefafst  worden;  von 
der  gleichen  zu  us  zusammengezogenen  Wurzel  komme  lat.  uro,  griech. 
avco  und  aus  den  deutschen  Sprachen  Osten  (austan).  2)  goth.  saihvan 
'sehen'  komme  von  W.  skr.  sac  (sequi,  snsad'ai.)  ;  das  Sehen  sei  als  ein 
Nachgehen,  Nachfolgen  gefafst;  noch  kühner  habe  das  Lateinische  die- 
sen Begriff  auf  die  Thätigkeit  der  Sprache  übertragen:  inseccre  =  di- 
ccre  (Gell.  XVIII,  9)*);  scio  hänge  damit  nicht  zusammen,  sondern 
komme  mit  der  W.  skr.  ki  ^noscere^  überein,  die  sich  dazu  verhalte  wie 
pa^  zu  specio ,  plihan  zu  GnXrjv.  3)  goth.  thagkjan  'denken'  ent- 
spreche genau  dem  lat.  tongere  bei  F'est.  p.  356;  auch  sei  damit  zusam- 
menzustellen das  oskische  Fem.  tangino  =  iussus ,  decretum.  4)  agna: 
goth.  ahana,  ahd.  agana  'Spreu,  Aehrenabfall'  stimme  zu  lat.  acus  von 
W.  acu-ere;  agana  bedeute  aber  auch  zugleich  'Aehre'  und  entspreche 
so  dem  lat.  agna  (für  aknd)  bei  Paul.  Festi  p.  211.  5)  goth.  sigis 
'Sieg'  sei  =  skr,  sahas  *vigor''  von  W,  sah  (=  fjjm)  'stark  sein,  be- 
siegen', 6)  goth.  rimis  ricvxCa  von  W.  skr.  rata  'ruhen',  woher  auch 
goth.  rasta  und  ahd.  resii.  7)  skildus ;  wie  lat.  scutum ,  gr.  cxtJros 
von  W.  sku  'tegere^  herkomme  und  wie  clipeus  (clupeus)  durch  das  alt- 
nordische hlifa  'tueri"  Licht  erhalte,  so  sei  auch  skildus  durch  eine 
Wurzel,  welche  'decken'  heifst,  zu  deuten,  möge  es  dem  skr.  chandus 
von  W.  chad,  chand  (protegens)  oder  einem  skr.  chardu  von  W,  chrid 


lienosus  bei  Plautus  (Cure.  220.  240.  Cas.  II,  6,  62)  ganz  richtig  mit  kur- 
zem e  gebraucht  werden,  während  Serenus  Samonicus  Vs.  418.  429  den- 
selben Vocal  lang  mifst,  eine  Erscheinung  die  bereits  G.  Hermann 
in  seiner  Epist.  ad  Fr.  Ritschelium  vor  der  Ausgabe  der  Bacchides  p. 
VI  durchaus  richtig  beurtheilt  hat.  A.  F. 

*)  Der  Verf.  hätte  für  diese  Bedeutung  des  Stammes  sec  oder  seq 
sich  auch  auf  die  Glosse  des  Paulus  Festi  p.  111  insexit,  dixerit  beru- 
fen können;  ja  auch  das  Simplex,  für  welches  der  Verf.  auf  das  umbri- 
sche  prusicurent  =  declaraverint  hinweist,  findet  sich,  und  zwar  in 
der  Deponentialform  ,  noch  bei  Plautus  Mil.  glor.  1220,  wo  das  von  allen 
Büchern  überlieferte  cum  ipso  pol  sum  secuta  nicht  hätte  gegen  lo- 
cuta  vertauscht  werden  sollen.  Sollte  nicht  auch  das  nur  bei  Ovidius 
(Met.  VI,  36.  VIII,  865.  XIII,  749)  und  nur  in  dieser  Form  vorkom- 
mende resecuta  dazu  gehören?  A.  F. 


HS  Auszüge  aus  Zeitschriften, 

(chardis  'Haus,  Schutz')  entsprechen.  8)  nord.  hvat-r  und  hvass  \on 
der  W.  hva,  skr.  ^a  'schärfen',  entsprechend  dem  lat.  *c«rf,  dessen 
Part,  cätus  ursprünglich  =  acutus  (Varro  L.  L.  VII ,  46) ,  dann  über- 
tragen auf  alles  die  Sinne  scharf  berührende ,  schneidende ,  und  auf  die 
eindringende  Schärfe  des  Verstandes;  eine  Substantivableitung  dersel- 
ben Wurzel  sei  cös ,  wie  dös  von  däre).  —  Ueber  das  alte  S  und  einige 
damit  verbundene  Lautentwicklungen.  Zweiter  Artikel.  Die  Neutra 
auf  as,  von  A.  Kuhn  (S.  368—381:  auch  hier  wird  ein  Uebergang 
von  t  in  s  nachgewiesen;  ursprüngliche  Theniaform  sei  ant,  dessen 
Schwächung  at  (im  Sanskrit  auch  an)  den  Neutris  auf  as  und  ar,  ccg 
und  «9,  (OQ  zu  Grunde  liege;  die  griech.  Neutra  zeigen  noch  meist 
dieses  az  in  der  Declination;  es  haben  indes  manche  eine  schwächere 
Form  auf  og  entwickelt,  andere  dagegen  das  q  in  die  Declination  und 
Ableitung  eindringen  lafsen ;  überhaupt  werde  ein  Absterben  der  Flexion 
an  ihnen  sichtbar,  was  auch  im  Latein,  durch  Uebergang  in  andere 
Declinationen  sich  zeige.  Die  Verschiedenheit  der  dem  skr.  «  entspre- 
chenden Vocale  a,  cc,  w,  o,  s  wird  als  Folge  der  Wandlung  dieser  gan- 
zen Wortclasse  erklärt.  Nach  einer  Hinweisung  auf  die  betreffenden 
Ableitungen  deutscher  Worte  vermittelst  t  wird  der  besprochene  Ueber- 
gang von  t  in  s  als  Folge  einer  starken  Aspiration ,  die  sich  dem  t  bei- 
gesellte, aufgefafst).  —  II.  Miscellen,  von  demselben  (S.  381 — 384: 
ßccQßocQog,  barbara;  die  Inder  bezeichnen  mit  dem  Worte  barbara  ein 
ganz  bestimmtes  Volk ,  wie  die  Griechen  wohl  zunächst  von  der  Sprache; 
daher  werde  ßuQßccQog  am  passendsten  zu  balbus  gestellt,  indem  sich 
aus  dem  Begriffe  des  Stammeins  und  Stotterns  leicht  der  der  rauhen 
und  harten  Aussprache  entwickeln  konnte.  —  ahd.  anko  'Butter'  stamme 
von  W.  anj  'salben',  lat.  unguo;  anko  stimme  vollkommen  zu 
unguen). 


Gelehrte  Anzeigen,  herausgeg.  von  Mitgliedern  der  kön.  bayeri- 
schen Akademie  der  Wissenschaf ten.  1852.  Erster  Band.  Januar  bis 
Juni.  Vortrag  des  Prof.  Dr.  Seh  melier  über  die  Vorarbeiten  und 
Herstellung  eines  cimbrischen  Wörterbuchs,  d.h.  von  der  deut- 
schen Sprache  der  VII  und  XIII  Communi  auf  den  Alpen  von  Vicenza 
und  Verona  (Nr.  4  —  6:  das  der  philosophisch -philologischen  Classe 
der  Akademie  vollständig  vorgelegte  Wörterbuch  wird  durch  die  kaiserl. 
Akademie  zu  Wien  herausgegeben  werden  und  auch  die  früher  schon 
in  den  Denkschriften  der  Münchner  Akademie  im  J.  1838  erschienene 
cimbrische  Grammatik  Schmellers  in  neuem  Abdruck  enthalten).  — 
Rec.  von  J.  B.  Friedreichs  Realien  in  der  Iliade  und  Odyssee  (Er- 
langen 1851),  von  Fr.  Thiersch  (Nr.  8.  9:  im  ganzen  empfehlend; 
gerügt  wird,  dafs  die  griechisch  angefühi-ten  Worte  ohne  Accent  und 
selbst  ohne  Spiritus  geschrieben  seien,  und  wo  die  Erklärung  des  sach- 
lichen von  der  Erklärung  dunkler  Worte  und  Redensarten  abhänge, 
der  Verfafser  auf  diese  nicht  eingehe ,  sondern  sich  in  der  Regel  be- 
gnüge die  Meinungen  anderer  darüber  anzugeben.    Als  besonders   ge- 


■^'v. 


Auszöge  aus  Zeitschriften.  119 

lungeii  wird  der  Absclinitt  über  Mineralien,  Pflanzen  und  Tliiere  (der 
Verfafser    ist  Professor  der  Medicin)  hervorgehoben).  —  Reo.  v.  Jos. 
Hillebrand:    die   deutsche   Nationallitteratur   seit   dem  Anfange  des 
18.  Jahrhunderts.  2.  Aufl.  Bd.  1  und  2   (Hainb.  und  Gotha  1850  —  51) 
(Nr.   33  —  35:    der  ungenannte    Rec.    bezeichnet   den  kritischen  Stand- 
punkt des  Verf.  gegenüber  von  Vllmar  mit  den  Worten:     'Bei  Vilmar 
stört  die  Absichtlichkeit  der  conservativen  Tendenzen ,   bei  Hillebrand 
die  Ueberschätzung  des   formellen  Freiheitsbegriffes ;  wenn  V.  beklagt 
dafs   Klopstock    die    Anfänge   der  Revolution    mit   Jubel  begrüfst,    be- 
dauert  H,   dafs   er  ihren  Fortgang  nicht    verstanden;   wenn  jener  von 
Friedrich  II  besonders  hervorhebt,    was    im  Urtheil  der  Deutschen  zu 
seinem  Nachtheil  gereicht,  sieht  dieser  in  dem  philosophischen  Könige 
den  eigentlichen  Reformator  des  deutschen  Geistes;  wenn  jener  unge- 
achtet aller  Lobpreisungen  mit  Lessing   zu  sympathisieren  unfähig  ist, 
will  es  ungeachtet  des  reinsten  Willens   diesem  nicht  gelingen  Jacobis 
Eigenthümlichkeit   zu    begreifen.      Indessen    bei    aller    dieser  Verschie-  . 
denheit    haben    beide   Schriftsteller  denselben  schriftstellerischen  Cha- 
rakter;   beide    sind,    wie    Gervinus,   kritische,  nicht  darstellende  Ge-' 
Schichtschreiber,    nur   dafs   H.  dieses  Verfahrens   sich    bewust   ist  und 
es  von  der  Geschichte  fordert,  V.  aber  eben  dasselbe  befolgt,  ohne  es» 
sich    zu    gestehen.'      Als   störend   auf   die   Darstellung   des  Verf.  wird 
seine  Vorliebe  zu  theoretischen  Ii''ormulierungen  und  Abstractionen  be- 
zeichnet,   die   besonders    im   ersten   Theile   hervortrete,    während    im 
zweiten   Goethe,    Schiller    und    die    verwandten    Geister   umfafsenden 
Theile  der   kritische  Frost   von    dem   warmen    Hauche    einer'Hiinigern 
Liebe    hinweggethaut    sei.      Näher    eingehend   bespricht   der  Rec.  die 
Charakteristiken  von  Klopstock,  Wieland,  Hamann,  Lessing  und  Her- 
der. —  Rec.  von:  Legis  Rubriae  pars  superstes.     Ed.  Fr.  Ritsche- 
lius  (Bonnae  1851),  von  Fr.  T  hier  seh.     Erster  Artikel.   (Nr.  52— 
54  :  der  Rec.  die  kritischen  Verdienste  des  Herausgebers   anerkennend, 
durch    welche    bis    auf  wenige  untergeordnete   Punkte   alle    kritischen 
Zweifel  beseitigt  seien,   untersucht  eingehend   die  B^rage.,  mit  welchem 
Rechte  man  das  Gesetz  lex  Ruhria  genannt   habe,   wobei    er    die   An- 
nahme  zu   begründen   sucht,    dafs   die  ältere   lex  Ruhria  aus  der  Zeit' 
des  C.  Gracchus  in  ihren  Vorkehrungen  über  den  Wechsel  des  Grund- 
besitzes und  die  dabei  der  Natur  der  Sache  nach  sich  häufenden  Fälle 
des  damnum  infectum,  ferner  nuntiatio,   reinomissio ,    satisdatio  auch 
auf  Gallia  cisalpina  ausgedehnt  worden  sei.     Das  nähere  über  die  Er- 
mittelung der  Zeit  und  Bestimmung  des  Gesetzes  wird  für  einen  zwei- 
ten Artikel  verheifsen).  —     Rec.  von  :  Aristotelis  Eudemia.     Ed.  A  d. 
Theod.    Herm.   F'ritzschius    (Ratisbonae    1851),   von   L.    Spen- 
gei  (Nr.  54—56:  anerkennende  Beurtheilung;  das  schwierige  Problem, 
welchem   der   beiden    ethischen  Werke   die   Bücher  IV  V  VI,    die   mit 
den   Nikomachien    V   VI   VII   identisch    sind,    angehören,    wird    einer 
neuen    von    den    Resultaten   des  Herausgebers  abweichenden  Untersu- 
chung  unterworfen:    'Es   hindert  nichts   das   vorhandene   als   von   der 
Hand  des  Aristoteles  und  das  Original  dessen   anzuerkennen,  was  Eu- 


120  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

demus  benutzt  hat,  uns  aber  nicht  erhalten  ist.'  'Sind  die  'H&iita  Ev- 
dr](isia  die  Aristotelische  Ethik,  die  sein  Schüler,  der  Rhodier  Eude- 
mus,  umgearbeitet  hatte,  wer  steht  dafür  dafs  die  'H^i-nä  NiKOiiäx^Lcc 
nicht  eben  so  gut  die  von  einem  Nikomachus  umgearbeitete  Form  seien, 
zwar  näher  stehend  dem  ursprünglichen  Werke  als  jenes  ,  aber  doch 
nicht  dieses  selbst?'  Sodann  wird  an  einer  Reihe  von  Stellen  gezeigt, 
wie  viel  noch  für  die  kritische  Verbefsening  der  drei  Bücher,  welche 
der  Endemischen  und  Nikomachischen  Ethik  gemeinsam  sind,  zu  lei- 
sten sei).  —  Rec.  von  Fr.  Wolfg.  Ullrich:  Beiträge  zur  Kritik 
des  Thukydides.  le  und  2e  Abtheilung  (Hamburg  1850.  1851),  von  G. 
M.  Thomas  (Nr.  56.  57:  sehr  lobend;  der  Rec.  weicht  nur  an  weni- 
gen Stellen  von  den  Resultaten  des  Verf.  ab:  I,  70  wird  ini^slSsiv 
für  i^sl^siv  vermuthet;  IV,  72  tsXsvrrjoavtsg  vor  dns-HQi&rjaav  als  Glosse 
bezeichnet).  —  Rec.  von :  Coniectaneorum  Byzantinorum  libri  duo. 
Scr.  F.  G.  A.  Mullachius.  (Berol.  1852)  (Nr.  57  —  59:  da  sich  die 
kritische  Schrift  des  Herausg.  aufser  mit  verschiedenen  neugriechi- 
schen Gedichten  mit  dem  Historiker  Dukas  und  dem  Chronicon  breve 
hinter  der  Geschichte  des  Dukas  beschäftigt,  so  verbreitet  sich  der  unge- 
nannte Rec,  in  dem  jedoch  die  Hand  des  kundigen  Byzantinologen 
Tafel  leicht  zu  erkennen  ist,  zuerst  über  die  Leistungen  I.  Bekkers 
als  Herausgeber  des  Dukas,  Georgius  Phrantza  und  Laonikos  Chal- 
kokondylas,  über  die  er  ein  scharfes  Urtheil  fällt;  kürzer  ist  die  Be- 
sprechung der  Mullachschen  Schrift,  deren  Verdienstlickeit  nicht  in 
Abrede  gestellt  wird,  wenngleich  über  eine  ziemliche  Zahl  der  behan- 
delten sUllen  abweichende  Ansichten  und  Berichtigungen  mitgetheilt 
werden),  —  Rec.  von:  Ciceronis  scripta  quae  manserunt  omnia.  Recogn. 
Reinh.  Klotz.  Vol.  I.  (Lips.  1851),  von  C.  L.  Kays  er  (Nr,  59— 
62 :  das  Verdienst  der  Texteskritik  bestehe  vorzüglich  im  strengern 
Festhalten  der  überlieferten  Lesarten ;  auch  fehle  es  nicht  an  anspre- 
chenden Emendationen;  aber  nicht  zu  rechtfertigen  sei,  dafs  der  Her- 
ausgeber die  Schrift  auf  dem  Titel  und  in  der  Vorrede  wieder  der 
handschriftlichen  Tradition  folgend  dem  Cicero  zu  vindicieren  ver- 
sucht habe.  Dieser  Umstand  veranlafst  den  Rec,  die  vielbestrittene 
Frage  über  den  Verfafser  der  Schrift  einer  ausführlichen  Erörterung 
zu  unterwerfen,  in  der  er  nach  Widerlegung  der  aufgestellten  ver- 
schiedenen Hypothesen  die  Ansicht  zu  begründen  sucht ,  dafs  die 
Schrift  einem  Cornificius,  aber  nicht  dem  bekannten  Jugendfreunde 
Ciceros,  sondern  dessen  Vater  zuzuschreiben  sei).  —  Rec.  von:  De- 
mosthenes  ausgewählte  Reden  vouxilb.  DoberenzII.  HI  (Halle  1851), 
Fr.  Franke  ed.  H  (Lips.  1850)  und  Ant.  We  sterra  ann  I.  II  (Leipz. 
1850,  51),  Demosthenes  Werke  griechisch  und  deutsch  mit  Anm.  2r  Th. 
(Leipz.  bei  W.  Engelmann  1851),  von  L.  v.  Jan  (Nr.  62.  63.  75.  76: 
der  Ref.  charakterisiert  zuerst  das  gegenseitige  Verhältnis  der  drei 
Schulausgaben,  und  hebt  sodann  eine  Anzahl  von  Stellen  hervor,  in 
denen  er  mit  den  Herausgebern  oder  dem  einen  von  ihnen  nicht  ein- 
verstanden ist.  An  der  Ausgabe  von  Doberenz  wird  die  oft  ungeeig- 
nete Anwendung  von  Fragen  und   die  Ueberflüfsigkeit  mancher    seich- 


Auszüge  aus  Zeitschriften.  121 

ten  Bemerkungen  gerügt.  Die  Uebersctzung  wird  als  ihrer  Bestimmung 
für  Nichtphilologen,  die  noch  nach  der  Schulzeit  Demosthenische  Re- 
den lesen  wollen,  entsprechend  bezeichnet  und  das  Unternehmen  zu 
diesv'm  Behufe  empfohlen).  —  Zur  Kritik  des  zweiten  Buches  der  Na- 
turalis Historia  des  Plinius,  vorgelegt  der  philosophisch-philologischen 
Classe  der  kön.  Akademie  von  Prof.  L.  v,  Jan  (Nr.  70-73:  eingehende 
Behandlung  ron  27  kritisch  schwierigen  Stellen  des  genannten  Buches). 


Schul-    und    Persoimlnachrichteii,    statistische  und   andere 
Mitlheiknigen. 


Amberg.  Die  Lehrstelle  der  2.  Classe  der  latein.  Schule  erhielt  ihr 
bisheriger  Verweser  Priester  Sebastian  Schrembs. 

Ansbach.  Der  bisherige  Lehrer  der  4.  Classe  der  latein.  Schule 
Jacob  F^riedr.  Maurer  wurde  zum  Professor  der  2.  Gymnaslalclasse 
ernannt. 

Aschaffenburg.  Die  Lehrstelle  der  untersten  Classe  der  latein. 
Schule  wurde  dem  Candidaten  Georg  Englert  übertragen. 

Berlin.  An  der  Universität  hat  Prof.  Geizer,  wie  schon  früher 
Prof.  Hub  er,  seine  Stelle  niedergelegt  und  sich  nach  Basel  zurückge- 
zogen. 

Bernburg.  Nachdem  derDirector  des  Karls-Gymnasiums  Dr.  Herbst 
gestorben,  ist  in  seine  Stelle  der  Conrector  Dr.  L.  Franke  befördert 
worden. 

Bozen.  Im  Lehrkörper  des  k.  k.  Obergymnasiums  (s.  Bd.  LXV 
S,  335)  finden  wir  während  des  Schuljahres  1861 — 52  den  ordentlichen 
Lehrer  A.  M.  Schmuck  ausgeschieden,  dagegen  P.  Max.  Holaus  als 
Lehrer  des  Griechischen  in  IV  und  VII  und  des  Latein  in  IV  neu  ein- 
getreten. Als  ordentliche  Lehrer  wurden  die  Supplenten  P.  W,  Kiechl, 
P.  Flav.  Orgler  und  P.  J.  P.  Ehrenberger,  der  letztere  unter 
Erlafsung  der  Lehramtsprüfung  anerkannt.  Den  zwei  geprüften  Lehrern 
Schöpf  und  Holaus  ward  das  laufende  Schuljahr  als  vorschriftsmäfsi- 
ges  Probejahr  angerechnet.     Schülerzahl: 

I      II     III    IV     V     VI   VII  VIII  8». 
Anf.  d.  Schulj.  1850/51  .     .     34    44    39    40    29    28    21     —    235 
Ende  desselben      ....     36     30     28     34     40    32     20     19    239 
Ende  d.  Schulj.  1851/52     .     45     26    28    26    30    36    26     17    234 
Im  Monat  Juli  1851    hatten    19  öffentliche  und  4  Privatschüler  (Franzis- 
kanerkleriker)   die   Maturitätsprüfung   bestanden    und    das  Zeugnis    der 
Reife  erworben. 


122  Schul  -  und  Personalnachrichten, 

Breslau.  Am  Marien  -  Magdalenengymnasiuni  ward  der  Schulamts- 
candidat  Dr.  The  od.  Beinling  als  College  angestellt. 

Brieg.  Der  Oberlehrer  am  Gymnasium  H,  E.  H.  Hinze  hat  das 
Praedicat  Professor,  die  ordentlichen  Lehrer  Dr.  Tittler  und  Dr.  Dö- 
ring das  Praedicat  Oberlehrer  erhalten. 

Bromberg.  Am  Gymnasium  haben  der  Oberlehrer  C.  P.  S.  Breda 
das  Praedicat  Professor,  der  ordentliche  Lehrer  Krüger  des  Praedicat 
Oberlehrer  erhalten. 

DiLiNGEN.  Die  erledigte  Professur  der  Mathematik  am  Gymnasium 
wurde  dem  bisherigen  Assistenten  am  Wilhelmsgymnasium  zu  München, 
Martin  Viller,  übertragen. 

Erlangen.  Der  aufserordentliche  Prof.  in  der  philosophischen  Fa- 
cultät  Dr.  P.  Spiegel  ist  zum  ordentliciien  Prof.  der  orientalischen 
Sprachen  in  derselben  Pacultät  ernannt  worden,  desgl.  der  aufserordentl. 
Prof.  Dr.  K.  L.  W.  Heyder  zum  ordentlichen  Prof.  der  Philosophie. 

Friedland.  Nach  Michaelis  1851  wurde  eine  engere  Verbindung 
des  Gymnasial-  und  Real  -  Unterrichtes  ermöglicht,  berechnet  einerseits 
darauf,  den  höhere  Ausbildung  suchenden  künftigen  Gewerbtreibenden 
Gelegenheit  dazu  zu  geben,  andererseits  aber  die  blofse  Abrichtung  und 
ein  blofses  Anhäufen  von  Material  zu  verhüten,  weshalb  denn  auch  das 
Lateinische  als  nothwendiger  Bestandtheil  in  den  Realunterricht  aufge- 
nommen wurde.  Zwar  wurden  die  lateinischen  Stunden  für  die  drei  un- 
tern Classen  verringert  (V:  7,  IV:  7,  III:  W.  9,  S.  8),  aber  die  Quarta 
für  die  lateinischen  und  griechischen  Lectionen  in  zwei  Coetus  zerlegt. 
Der  französische  Unterricht  beginnt  seitdem  schon  in  V  (2  St  )  und  ist 
für  die  am  Griechischen  nicht  theilnehmenden  Realisten  in  IV  und  HI  ein 
doppelter  englischer  Cursus  (2  und  3  St.)  eingerichtet  worden.  Die  Com 
bination  der  beiden  letzten  Classen  für  die  Religionsstunden  hat  aufge- 
hört und  ist  nun  auch  der  geschichtliche,  mathematische  und  naturwifsen- 
schaftliche  Unterricht  durch  alle  Classen  hindurch  geführt,  während  in 
den  beiden  untern  der  Zeichenunterricht  Aufnahme  gefunden  hat.  Diese 
Einrichtung  wurde  dadurch  ermöglicht,  dafs  am  21.  April  1852  Dr.  G. 
Michaelis  (bis  1849  Lehrer  an  der  Handelsschule  in  Magdeburg,  dann 
auf  Reisen  in  Prankreich  und  Italien)  in  die  neu  gegründete  6.  Lehrer- 
stelle eingeführt  ward,  der  Cantor  Pfitzner  an  der  Bürgerschule  einige 
Lectionen,  der  1.  Lehrer  der  Bürgerschule  dagegen  Hegebarth  den 
lateinischen  Unterricht  in  Quinta  übernahm.  Die  Schülerzahl  betrug  83 
(I*:  1,  1":  8,  11":  5,  H'':  7,  IIP:  8,  IIP:  9  [in  HI  6  Realschüler],  IV»:  8, 
IVh;  15  [in  IV  11  Realschüler],  V»:  12,  V»:  9).  Zu  Michaelis  1851  und 
Ostern  1852  wurde  je  ein  Schüler  zur  Universität  entlafsen. 

Halle.  Von  der  lateinischen  Hauptschule  im  Waisenhause  zu  Halle 
haben  wir  aufser  dem  schon  Bd.  LXV  S.  337  berichteten  Aufrücken  des 
Collab.  Dr.  O eh  1er,  den  Mich.  1851  erfolgten  Austritt  des  Schulamts- 
candidaten  Dr.  Ackermann,  welcher  eine  Hilfslehrerstelle  am  Gymna- 
sium zu  Duisburg  übernahm,  zu  melden.  Der  als  Adjunct  Mich.  1851 
eingetretene  Candidat    Dr.  Chr.  H.  F.  W.   Wolterstorff  rückte  im 


p    Ib 

II« 

Mich.  1861      31     22 

40 

Ostern  1852    27     24 

43 

Via 

VI' 

S'. 

41 

26 

414 

51 

26 

438 

(s. 

Bd. 

LXV 

an 

das 

Gym- 

statistisclio  und  andere  Mittheiiungen.  123 

August  1852  in  die  Stelle  des  pensionierten  Coilaborator  Tannenberger 
ein.  Der  Coilaborator  Dr.  M.  Jahn  folgte  Mich.  1852  einem  Rufe  zu 
einer  ordentlichen  Lehrerstellc  an  der  höhern  Bürgerschule  zu  Cüstrin. 
An  der  Stelle  des  an  die  Realschule  in  Stolp  berufenen  Turnlehrers  B'ah- 
land  übernahm  der  CoUab.  Dantz  den  Unterricht  im  Turnen.  Schü- 
lerzahl : 

m    IIP  III''  IV^  IV"    V«    V" 
31    38    44    39    30    42     29 
36    39    35    33    48    35    41 
Abiturienten  Ostern  1852  16,  Mich.  1852  16. 

KÖLN.  Vom  königl.  Friedrich- Wilhelms -Gymnasium 
S,  223)  schied  noch  im  Herbst  der  Hilfslehrer  Sauerland, 
nasium  zu  Emmerich  berufen.  Der  an  seine  Stelle  von  der  Realschule 
zu  Siegen  berufene  Dr.  Meigen  erhielt  bald  eine  andere  Anstellung 
(s.  Bd.  LXV  S.  438  unter  Cöln).  Auch  der  zu  Uebernahme  seiner 
Stelle  bestimmte,  schon  früher  an  der  Anstalt  thätige  Schulamtscan- 
didat  Kruse  ward  an  das  Gymnasium  seiner  Vaterstadt  Stralsund  be 
rufen.  Nachdem  die  Pensionierung  des  Gymnasiallehrer  Schumacher 
erfolgt  war,  rückten  der  Oberlehrer  Haentjes  und  Gymnasiallehrer 
Propst  in  die  höhern  Stellen  ein,  die  3.  und  4.  ward  den  Hilfsleh- 
rern Dr.  Eckertz  und  Feld  übertragen.  Einen  neuen  Verlust  erlitt 
das  Lehrercollegium,  indem  mit  Ende  des  Schuljahres  1852  der  Ober- 
lehrer Dr.  Backes  zum  Director  der  Provincial  -  Gewerbschule  de- 
signiert wurde.  Der  Schulamtscandidat  Schulte  war  übrigens  zu  Ab- 
haltung seines  Probejahrs  eingetreten.     Die  Schülerzahi  betrug 

im  Winter        P     P     IP     11'^  III^  III'>  IV^  IV'   V^     V'  VP  VI"     S«. 
51-52      .     23    33    37    47    40    40    33    32    43    42    49     49    468 
imSommer52  20    33    37    45    35    37    29    31     41    40    55     51     454 
Unter  der  letzten  Zahl  waren  339  Katholiken,  106  Evangelische,  9  Israe- 
liten.   Abiturienten  wurden  am  Schlufse  des  Schuljahrs  15  als  reif  ent- 
iafsen,    aufserdem    erwarben  sich  3  auswärtige  das  Zeugnis  der  Reife. 
KÖNIGGRÄTZ.     Die  provisorische  Anstellung  des  Directors  des  k.  k. 
Gymnasiums,  Jos.  Padi'ra,  wurde  in  definitive  verwandelt. 

Kurhessen.  Protokoll  des  kurfürstl.  Ministerium  des  Innern:  'Die 
§§.  1,  3  und  8  der  Dienstanweisung  für  die  Gymnasiallehrer  vom  22. 
Nov.  1849  werden  aufgehoben  und  durch  folgende  ersetzt :  §.  1.  Die 
Amtsführung  der  Gymnasiallehrer  soll  im  allgemeinen  geregelt  werden 
durch  die  Vorschriften  und  Ordnungen  der  christlichen  Kirche  des  Be- 
kenntnisses, welchem  der  betreffende  Lehrer  angehört.  §.  3.  Der  Gym- 
nasiallehrer ist  vermöge  seines  Berufes  nicht  allein  zu  einer  steten  wi- 
fsenschaftlichen  und  paedagogischen  Vervollkommnung,  sowie  zu  einem 
vorsichtigen  Benehmen  im  äufsern  Leben,  sondern  auch  vor  allem  zur 
Achtung  und  Ehrerbietung  gegen  die  Ordnungen  der  Kirche,  welcher 
er  angehört,  verpflichtet.  §.  8.  Die  Schuldisciplin  ist  lediglich  als  eine 
christliche  Zucht  aufzufafsen,  für  deren  gewifsenhafte  Handhabung  die 
Gymnasiallehrer     ebenso    Gott,     wie     der    Kirche    und    der    Obrigkeit 


124  Schul-  und  Personalnachrichlen, 

verantwortlich  sind.  Die  Herre»  Gymiiasialdirectoren  haben  den  sämt- 
lichen Lehrern  der  Gymnasien  von  diesen  Bestimmungen  Kenntnis  zu 
geben  und  sie  demnächst  auf  dieselben  handpflichtig  zu  machen.  Denn 
es  mufs  verlangt  und  soll  darauf  gesehen  werden,  nicht  allein  dafs  die 
betrefTenden  Gymnasiallehrer  nichts  gegen  die  evangelische  Kirche  un- 
ternehmen, sondern  dafs  sie  sich  auf  das  bestimmteste  verpflichten,  ihre 
Schüler  für  die  Bekenntnisse  und  Ordnungen  der  evangelischen  Kirche 
zu  erziehen.  Die  Gymnasiallehrer  sind  vor  der  Vollziehung  des  von 
ihnen  zu  leistenden  Handschlags  hiervon  genau  zu  unterrichten  und  wird, 
falls  in  der  Zukunft  von  irgend  einem  im  Amte  stehenden  evangelischen 
Gymnasiallehrer  nach  diesen  Bestimmungen  nicht  sollte  gehandelt  wer- 
den, Seitens  der  Gymnasialdirectoren  untor  persönlicher  Verantwortlich- 
keit alsbald  Anzeige  erwartet.' 

Laibach.  Am  k.  k.  Gymnasium  ist  der  bisherige  prov.  Director 
des  Gymnasium  zu  Eger,  Joh.  Necasek,  zum  wirklichen  Director  er- 
nannt worden. 

Leutschau.  Zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  am  dasigen  Gymna- 
sium ist  der  Supplent  am  Gymnasium  zu  Pisek,  Joh,  Lukas,  ernannt 
worden. 

LuCKAU  (s.  Bd.  LXVI  S.  102).  Zum  Director  des  Gymnasiums  wurde 
der  vorherige  Oberlehrer  am  Gymnasium  zum  grauen  Kloster  in  Berlin, 
Dr.  Below,  ernannt,  der  Conrector  Dr.  Vetter  erhielt  das  Praedicat 
Professor  und  die  Anstellung  des  Candid.  Dr.  Schlesicke  als  Mathe- 
maticus  und  des  Candid.  Bauermeister  als  Subrector  wurde  höchsten 
Orts  genehmigt. 

MÜNCHEN.  In  die  kön.  Akademie  der  Wifsenschaften  sind  gewählt 
worden:  L  als  Ehrenmitglieder:  Se.  k.  Höh.  Prinz  Johann  von  Sach- 
sen und  Staatsrath  Frhr.  von  Straufs;  TL  als  ordentliche  Mitglieder 
der  historischen  Classe :  Prof.  Dr.  Kunstmann  und  Bibliothekscustos 
Dr.  Föringer  in  München;  UL  als  a.  o.  Mitglied  derselben  Classe: 
der  Reichsarchivkanzlist  K.  A.  Muffat;  IV.  als  auswärtige  Mitglieder: 
a)  der  philos.  -  philolog.  Classe:  Prof.  Dr.  Göttling  in  Jena,  Wil- 
helm Grimm  in  Berlin,  Dr.  Günther  in  Wien,  Prof.  Dr.  Theo- 
dor Mommsen  in  Zürich,  Prof.  Dr.  Movers  in  Breslau,  Prof.  Dr. 
Rud.  Roth  in  Tübingen,  Hofrath  Dr.  Hermann  Sauppe  in  Wei- 
mar; b)  der  mathem.-physik.  Classe:  Director  J.  F.  Enke  in  Berlin, 
Landgerichtsarzt  Dr.  Franz  Hefsler  in  Wemding,  Prof.  J.  D.  For- 
bes  in  Edinburgh;  c)  der  histor.  Classe:  Prof.  J.  E.  Kopp  in  Lu- 
zern  und  Graf  J.  N.  Mailäth  in  Pesth;  V.  als  correspondierende  Mit- 
glieder :  a)  der  mathem.-physik.  Classe:  Leibarzt  Dr.  Seb.  Fischer 
in  Petersburg,  Dr.  J.  D.  Hook  er  in  London,  Prof.  Franc.  Zante- 
deschi  in  Parma;  b)  der  histor.  Classe:  Archivdirector  Mone  in 
Carlsruhe,  Prof.  der  Rechte  Dr.  Roth  in  Marburg,  Dr.  W.  B.  Wenk 
in  Leipzig,  Oberlieutenant  J.  Heilmann  in  Ingolstadt. 

MÜNCHEN.  Am  Maximiliansgyranasium  wurde  der  Professor 
der  2.  Gyranasialclasse  Ignaz  Müllbauer  in  Ruhestand  versetzt.    In 


slatistischo  und  andere  Miltheilungen.  125 

seine  Stelle  rückte  vor  der  Prof.  der  1.  Gymnasialciasse  F'ranz  Stei- 
ninger,  dessen  bisherige  Stelle  dem  Prof.  am  Ludwigsgymnasiiim  zu 
München  Michael  Dausen  d  übertragen  wurde.  In  dessen  Stelle 
wurde  der  Studienlelirer  an  der  4.  ("lasse  der  lat.  Schule  des  Maxi- 
miliansgymnasiums Dr.  Barth.  Gofsmann  befördert,  die  Stu<lienlehrer 
Dr.  Alex.  Schöppner,  Jos.  Rott  und  Jos.  Wolf  rückten  auf  nnd 
die  so  erledigte  unterste  Lehrstelle  des  genannten  Gymn  erhielt  der 
Assistent  am  Gymnasium  zu  Bamberg  Anton  Linsmayer.  Der  Personal- 
stand der  ordentlichen  Lehrer  am  Maximiliansgymn.  ist  demnach  gegen- 
wärtig folgender:  Rector  Halm,  Conrector  Dr.  Beil  hack,  die  Profes- 
soren Stein  inger,  Dause  nd,  Dr.  Minsinger  (Mathem.),  Dr.  Fi- 
scher (kath.  Religion  u.  Gesch.  am  Gymn.),  Preger  (protest.  Relig. 
u.  Gesch.),  die  Studienlehrer  Dr.  Schöppner,  Rott  Wolf,  Lins- 
mayer, Praefect  Mall  (kath.  Relig.  u.  Gesch.  an  der  latein.  Schule), 
Schreiblehrer  U  h  1  m  a  n  n.  Dazu  kommen  als  Lehrer  des  Hebräischen: 
Prof.  Worlitscheck,  als  Lehrer  des  Französischen:  Prof.  Häring 
und  D.  J.  Bedat,  als  Lehrer  des  Englischen:  L.  Richelle,  des  Ita- 
lienischen L.  Carrara,  Musikdirector  Kahl,  Musiklehrer  Schön- 
chen, Gesanglehrer  P acher  und  Zeichenlehrer  Weishaupt.  —  Die 
Schülerzahl  betrug  am  Schlufs  des  Schuljahres  1851 — 52  im  Gymna- 
sium 126  (IV:  36,  IH:  28,  II:  20,  I:  42),  in  der  latein.  Schule  217 
(IV:  49,  III:  45,  II;  60,  1:  73),  Gesamtsumme  343. 

MÜNSTER.  Der  Director  des  Gymnasiums  Dr.  Stieve  wurde  zum 
katholischen  Provincialschulrath  in  Breslau  ernannt. 

OsTROWO.  Im  Anfang  des  Schuljahres  1850—51  trat  an  die  Stelle 
des  an  das  Mariengymn.  in  Posen  berufenen  Oberlehrers  Dr.  Milewski 
als  Lehrer  der  Mathematik  und  Physik  Dr.  Sikorski  und  wurden  neu 
angestellt  Dr.  Görlitz  und  Schulamtscandidat  Regentke;  mit  dem 
Beginn  des  Sommersemesters  1851  wurde  dem  Gymnasium  als  Lehrer 
überwiesen  Dr.  von  Bronikowski  und  der  Schulamtscandidat  Dr. 
Zwolski  trat  sein  Probejahr  an;  am  19.  April  1852  wurde  der  Schul- 
amtscand.  Kotlinski  als  Hilfslehrer  eingeführt.  Am  1.  Mai  1852  starb 
der  Oberlehrer  Joseph  Peterek  (geb.  1805).  Das  Lehrercollegium 
besteht  demnach  gegenwärtig  aus  dem  Director  Dr.  Enger,  den  Ober- 
lehrern Dr.  Szostakowski  und  Dr.  Jerzykowski,  dem  Religions- 
lehrer Polcyn,  den  Gymnasiallehrern  Polster,  Stephan,  Dr.  Si- 
korski, Martens,  Dr.  Görlitz,  Regentke,  Dr.  von  Broni- 
kowski, Dr.  Zwolski,  dem  Hilfslehrer  Roil,  Rector  Schubert 
und  Schulamtscand.  Kotlinski.  Die  Schülerzahi  des  Gymnasiums  be- 
trug am  Schlafs  des  Schuljahres  18*9—50:  204,  1850—51:  246,  1851— 
52:  260,  unter  welcher  letzter  Gesamtsumme  sich  182 Katholiken,  48Evan- 
gelische  und  30  Juden  befanden,  nach  den  Classen  folgendermafsen  ver- 
theilt:  I:  21,  II:  37,  IIP:  22,  IIP:  18,  IV':  24,  IV^:  17,  V»:  35,  V: 
19,  VI":  49,  VI'':  18.     Abiturienten  Mich.  1851:  9,  1852:   10. 

Paris.  Durch  Decret  vom  23.  Nov.  1852  ist  der  Lehrstuhl  für  Ge- 
schichte der  alten  Philosophie  an  der  dortigen  Litteraturfacultät,  wel- 
chen Hr.  Cousin  eingenommen  hatte,   aufgehoben  und  mit  dem  Lehr- 


126  Schul-  und  Personalnachrichten, 

stuhl  der  neuen  Philosophie  unter  dem  Titel  'Curs  der  Geschichte  der 
Philosophie'  vereinigt.  An  die  Stelle  des  Lehrstuhls  für  Geschichte  der 
alten  Philosophie  tritt  ein  Lehrstuhl  für  vergleichende  Grammatik  der 
drei  classischen  Sprachen  und  ist  an  Hrn.  C.  B.  Hase,  Mitglied  der 
Akademie  der  Inschriften,  übertragen. 

PiiAG.  Der  k.  k.  Schulrath  u.  Director  des  Gymnasiums  in  der  Klein- 
seite Weltpriester  Frz.  Effenberger  ist  provisorisch  an  des  ver- 
storbenen Dr.  Joh.  Silhavy  Stelle  zum  Gyranasialinspector  für  Böh- 
men ernannt  worden. 

Presseurg.  Am  k.  k.  katholischen  Gymnasium  wurden  zu  wirklichen 
Gymnasiallehrern  ernannt  Dr.  Frz.  Hochegger,  Supplent  am  Gym- 
nasium in  der  Josephstadt  und  Privatdocent  an  der  Universität  in  Wien, 
Ig  n.  Honig,  Supplent  am  k.  k.  Gymnasium  zu  Olmütz,  Frz.  Stanek, 
Supplent  am  k.  k.  theresianischen  Gymnasium  in  Wien  und  der  Lehr- 
amtscandidat  Dr.  Ant.  Schmid. 

l'UTBU.s.  Zum  Director  des  Paedagogiums  wurde  der  Director  des 
Gymnasiums  zu  Anclam  Gottschick  berufen, 

Schweinfurt.  Am  Gymnasium  Ludovicianum  ward  an  die  Stelle 
des  quiescierten  (f  27.  März  1852)  Prof.  der  Mathematik  K.  Frdr.  Hen- 
nig dessen  Verweser,  der  Lehramtscandidat  B^rdr.  Hartmann,  am  8. 
Sept.  1851  berufen.  Den  Unterricht  des  zum  Landtage  einberufenen  Leh- 
rers Christoph  besorgten  die  Schullehrer  Schubert  und  Koch.  An 
der  Stelle  des  verstorbenen  Stadtpfarrers  D  ü  r  i  n  g  übernahm  der  in 
dessen  Stelle  beförderte  Stadtcaplan  Helm  sauer  den  Geschichts-,  an 
der  Stelle  des  zu  einem  andern  Amte  abberufenen  Caplan  Mey  der  Ca- 
plan  Debon  den  Religionsunterricht.  Schülerzahl:  Gymn.  IV;  7  (1  Ho- 
spitant), III:  9,  II:  8,  I:  11,  S^  35,  latein.  Schule:  IV:  15,  III:  18, 
II:  17,  1:20,   S».  70,   Gesamtsumme  105. 

TiiORN.  Das  hiesige  Gymnasium  hatte  im  Schuljahr  Mich.  1851  — 
Mich.  1852  im  LehrercoUegium  keine  Veränderung  erlitten.  Die  Fre- 
quenz betrug  vorher  247,  im  3.  Semester  252  (I:  20,  II:  39,  III;  64, 
IV:  64,  V:  44,  VI:  21).  Mit  dem  Zeugnisse  der  Reife  wurden  7  zur 
Universität  entlafsen.  Den  Schulnachrichten  sind  drei  Reden  des 
Director  Dr.  L.  M.  Laub  er  beigegeben,  eine  Entlafsungsrede  9.  April 
1851:  Die  Erkenntnis  gebiete  der  Natur  und  Geschichte  und  ihre  Be- 
ziehung zur  Gotteserkenntnis,  eine  desgl.  vom  29.  Sept,  1851:  Der 
Wcrth  der  Wissenschaften  vom  sittlichen  Standpunkte  aus  gewürdigt, 
und  zur  Geburtstagsfeier  des  Königs  15.  Oct.  1851.  Frommer  Sinn, 
Fafslichkeit  bei  aller  Tiefe  der  Gedanken  und  herzliche  Sprache  zeich- 
nen dieselben  vortheilhaft  aus. 

Straubing.  Auf  die  Lehrstelle  der  2.  Gymnasialclasse  wurde  der 
bisherige  Studienlehrer  zu  Aschaffenburg  Franz  Xav.  Enzenberger 
befördert. 

Stuttgart.  Dem  Professor  Gustav  Rümelin  ist  die  Stelle  eines 
Ministerialassessors  bei  dem  Ministerium  des  Kirchen-  und  Schulwesens 
mit  dem  Titel  und  Rang  eines  Oberstudienraths  verliehen. 


stalislisclie  und  andere  Mittheilungen.  127 

Ulm.  Die  erledigte  Lehrstelle  der  Mathematik  und  Physik  an  dem 
dortigen  Obergymiiasiuin  ist  dein  Professor  Dr.  Oft  erdinger  in  Tü- 
bingen übertragen. 

Weutheim.  Der  Director  des  Lyceums  Hofrath  Föh lisch  ist  unter 
dem  27.  Juli  1852  zum  Geheimen  Hofrath  3.  Classe  ernannt  worden. 

Wien.  Dr.  Eitelberger  ist  zum  aufserordentlichen  Professor 
der  Kunstgeschichte  und  Kunstarchaeologic  an  der  dortigen  Hochschule, 
Dr.  A.  V.  P^t  1  i  n  gs hausen  zum  ordentlichen  Professor  der  Physik  an  der 
Hochschule  und  zum  Director  des  physikal.  Cabinets  an  die  Stelle  des 
aus  Gesundheitsrücksichten  entlafsenen  Dr.  Chr.  Doppler  ernannt. 

WiTTENBEiiG.  Am  dasigen  Gymnasium  sind  der  Hilfslehrer  Heff- 
ter  und  der  Schulamtscandidat  Gottl.  Stier  als  Adjuncte  angestellt 
worden. 


Todesfälle. 


Am  18.  Mai  1852  starb  zu  Elbing  der   seit   1843   pensionierte  Director 
Mund,  geb.  1773. 

Am  4.  Aug.  ebenda  der  seit  1845  pensionierte  erste  Oberlehrer  des  Gym- 
nasiums Prof,  Christ.  Theod.  Kelch. 

Am    14.  Oct.    zu  Gleiwitz    der  Oberlehrer   am  Gymnasium   Dr.  Böbel 
Ritter  des  R.  A.  O.  4.  Classe. 

Am  17.  Nov.  zu  Kirchheim  an  der  Lech  der  als  philosophischer  Schrift- 
steller wohlbekannte  Prof.  v.  Eschenmayer,  84  J.  alt. 


In  unserm  Verlage  ist  so  eben  erschienen: 

JULI  FLORI 

epitomae 

de  Tito  IilTio 

belloruni  omnium  annornni  DCC. 

libri  II. 

Recensiiit   et   emendavit 

OTTO  JAHN. 

gr.   8.     broch.      Preis    1    Thlr. 
Leipzig.  IVeidmann'sche  Buchhandlung. 

3in  ^Bevlage  i?on  (5.  *?(.  Schwetfc^fc  «.  <2>ol)u  (9)1.   ©vufin)  in  Söiaun^ 
fAwcig  fiiib  fü  eben  erf^iencn  nnJ>  burrf;  alte  33urf;f)ant'{un9cn  jn  beiiel^cn: 

für  tm 

9?cbft 

9lufgaben  ju  münblidjeii  unb  fcl)rlftli(^cn  Hebungen  unb  einem 
beutfdjen  SBortregiftev. 

a3on 
Dr.  Corl  fcttmer, 

(Sofiaborator  am  Satfjarlncum  ju  Sübecf. 
8.    fteif  bvofdjtrt.    10  e^r. 


SittüButtö  bet  rateiuifd)ett  ^otmcnlt^tt. 

3m  ^infc^lup  an  ben  getüof^nlidjeu  @nng  bev  ©rammattf. 

a3on 

1.  ßurfuö.    gv.  8.    fteif  brofd)irt.    6  egr. 

2.  6urfuö.    gv.  8.    fteif  brofd)iri.  18  @gr. 

3Bir  eni^jfet)len  biefe  tüdjtigen  €cl;nlbüd)cr  bcr  geneigten  Scarijtnng  afier 
^cl;ulvorftet»cr  unb  ^Jt>itoIogen  anflcleiientlidjft.  ©at?  Sud^lein  von  !l)ettmer, 
nad;  einer  neuen  aJ?etf)obe,  äi^nlid)  beni  rül)uilid)(l  befannten  lateinifd;cn  33ü; 
cubularium  bcö  >&errn  *|)rofe)'for  I)cberlein  bearbeitet,  Unrb  ftdj  in  ber  ^rari« 
n)ic  bicfeö  bcnial;ren. 


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PHILOLOGIE  UND  PAEDAGOGIK. 


Begründet 

von 

M.  Johann  Christian  Jahn. 

Gegenwärtig  herausgegeben 
von 

Reinhold  Klotz  Rudolph  Dletsch 

Professor   in   Leipzig  Professor  in    Grimm i 

und 

Alfred  Fleckeisen 

Gymnasiallehrer   in   Dresden. 


Siebenundsechziffster  Band.     Erstes  Hefl. 


Ausgegeben  am  4.  Januar  1853. 


Inhalt 

'con  des  siebenundsechzigsten  Bandes  erstem  Hefte. 

Seite 

Kritische  Beurtheilungen 3—69 

Ahrens:  Griechische  Formenlehre  des  Homerischen  und 
Attischen  Dialektes.    —     Von  Professor  Dr.  G.  Curtius 

zu  Prag 3—21 

Aischef ski.  Lateinische  Sprachlehre  für  Schulen  und  zum 
Privatgebrauche.     —    Von   Director   Dr.    C.    Nauck   zu 

Königsberg  in  der  Neumark 21 — 30 

Die  Geschichtsschreiber  der  deutschen  Vorzeit  in  deutscher 

Bearbeitung.  —  Von  Dr.  W.  Wattenbach  zu  Berlin.  30 — 35 

Ihering:     Geist   des   römischen  Rechts.   —    Von   Assessor 

Dr.  L.  Lange  zu  Göttingen 35 — 45 

Gallenkamp :     Elemente  der  Mathematik.  —  Von  Professor 

Dr.  0.  Schlömilch  zu  Dresden.         .      .      .      .      .      .      .  45 — 53 

Gaume :  Der  nagende  Wurm  der  heutigen  Gesellschaften 
oder  das  Heidenthum  in  der  Erziehung.  —  Von  Ober- 
lehrer Dr.  Hoffmann  zu  Neisse 53 — 68 

Kürzere  Anzeigen 69 — 78 

Jacobs:     Hellas.  —   Von  Prof.  Dr.  E.  Curtius  zu  Berlin.  69 — 70 

Neigebaur :    Dacien.  —  Von  Professor  Dr.  H.   Wuttke  zu 

Leipzig 71 — 75 

Zacher:    Die  deutschen  Sprichwörtersammlungen.  —  Von 

Demselben 75 

Lothholz :  Uebungen  zum  Uebersetzen  aus   dem  Deutschen 

ins  Lateinische.  —  Von  Dr.  Benseier  zu  Freiberg.  .      .  76 

Hang:    Uebungsbuch  zum  Uebersetzen  aus  dem  Deutschen 

in  das  Lateinische.  —  Von  JDemselben 76 — 77 

Heinichen:  Uebungen  im  lateinischen  Stil.  —  Von  Dem- 
selben   77 — 78 

Programmenschau.  —  Von  Prof.  Dr.  R.  Dietsch  zu  Grimma.  78—88 

Dryander:  Coniecturae  in  dialogum  de  oratoribus.      .      .  78 — 79 

Fabian:  Quid  Tacitus  de  numine  divino  iudicaverit.        .  79 — 81 

Elster:  Excerptorum  ex  C.  Plinii  Secundi  naturalis  histo- 

riae  libro  XXXV.  part.  1 81—83 


%. 


Seite 
Enderlein:    Commentationis  de  Bambergensi    codice  insti- 

tutionum  Quintiliani  manu  scripto  sect.  IV.        .      .      .         83 — 86 

Eckstein  :  Anecdota  Parisina  rhetorica 86 

Bergmann :  De  inscriptione  Latina  ad  P.  Sulpicium  Quiri- 

num  COS.  a.  742.,  ut  videtur,  referenda  comment,    .      .         86—88 
Ein  Nachtrag  zur  Biographie  K.  Lachmanns  von  M.  Hertz.         88—92 
Bericht  über  die  vom  29.  September  bis  zum  2.  October  1852 
in    Göttingen    abgehaltene    dreizehnte   Versammlung 

deutscher  Philologen  und  Schulmänner 92 — 108 

Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Aufrecht  and  Kuhn:  Zeitschrift  für  vergleichende  Sprach- 
forschung auf  dem  Gebiete  des  Deutschen,  Griechischen 
und  Lateinischen.     Erster  Band.   L— IV.  Heft.    .      .      .     108—118 
Gelehrte   Anzeigen,    herausgegeben    von   Mitgliedern    der 

königl.  bayerischen  Akademie  zu  München 118 — 121 

Schul-  und  Personalnachrichten ,  statistische  und  andere  Mit- 
theilungen         121 — 127 

Amberg  S.  121.  Ansbach  121.  Aschaffenburg  121.  Ber- 
lin 121.  Bernburg  121.  Bozen  121.  Breslau  122.  Brieg 
122.  Bromberg  122.  Dilingen  122.  Erlangen  122. 
Friedland  122.  Halle  122  u.  123.  Köln  123.  König- 
grätz  123.  Kurhessen  123  u.  124.  Laibach  124.  Leutschau 
124.  Luckau  124.  München  124  u.  125.  Münster  123. 
Ostrowo  125.  Paris  125  u.  126.  Prag  126.  Press- 
burg 126.  Putbus  126.  Schweinfurt  126.  Thorn,  Lau- 
fte»-: Drei  Reden.  S.  126.  Straubing  126.  Stuttgart 
126.  Ubn  127.  Wertheim  127.  Wien  127.  Witten- 
berg 127. 
Todesfälle 127 


Leipzig, 

Druck    und  Verlag   von   B.  G.   Teubner. 
1S53. 


Kritische  Beurtheilnngen. 


Aeschjlos''  Prometheus.  Grieclusch  mit  metrischer  Uebersetzting  und 
prüfenden  und  erklärenden  Anmerkungen  von  J.  A.  Härtung. 
Leipzig,  Verlag  von  W.  Engelinann.     1ÖJ2.     176  S.  8. 

Hr.  Hartling,  dessen  Betriebsamkeit  uns  in  dem  kurzen  Zeit- 
raum von  fünf  Jahren  Ausgaben  von  siebzehn  Stücken  des  Euripides, 
und  daneben  von  sänimtlichen  Stücken  des  Sophokles  saninit  den  Frag- 
menten, alle  mit  metrischer  Ueberselzung  und  kritischen  und  erklä- 
renden Anmerkungen  geliefert  hat,  beginnt  mit  dem  gegenwärtigen 
Bande  auch  den  Aeschylus  in  gleicher  Ausstallung  ans  Licht  zu  stellen, 
und  wir  dürfen,  wenn  nach  der  bisherigen  Rüstigkeit  des  Herausge- 
bers zu  schliefsen  erlaubt  ist,  uns  der  HolTiiung  erfreuen,  auch  jenes 
Dichters  sämmtliche  Ueberreste  von  Hrn.  H.  emendiert,  übersetzt  und 
nach  seiner  Weise  illustriert  in  kürzester  Frist  zu  erhalten.  Bei  der 
Raschheit,  mit  der  Hr.  H.  seine  Sachen  zu  Tage  fördert,  — •  mögen 
der  Herausgabc  immerhin  auch  mehrjährige  Vorarbeiten  vorausgegan- 
gen sein  ^ —  darf  es  uns  nicht  allzusehr  wundern,  wenn  sie  manche 
Spuren  von  Flüchtigkeit  und  Uebcreilung  an  sich  tragen,  die  der 
gelehrte  und  scharfsinnige  Mann  selbst  bei  etwas  langsamerer  Arbeit 
und  bedachtsamerer  Ueberlegung  ohne  Zweifel  wahrgenommen  und 
getilgt  haben  würde;  indessen  billige  Beurtheiler  liefsen  sich  dadurch 
nicht  abhalten,  auch  das  gute,  was  er  darbot,  gern  anzuerkennen,  und 
mancher  glücklichen  Verbefserung,  mancher  IrelTendon  Bemerkung  den 
verdienten  Beifall  zu  zollen.  Wenn  Hr.  H.  mit  etwas  stark  ausgespro- 
chenem Selbstgefühl  auftrat,  und  diejenigen,  denen  er  sich  zu  wider- 
sprechen veranlafst  fand,  nicht  immer  mit  gebührendem  Glimpf,  son- 
dern oft  mit  etwas  schulmeisterlichem  Uebermuth  behandelte,  —  eine 
Behandlung  die  er  namentlich  bei  Bestreitung  von  G.  Hermanns  An- 
sichten in  Anwendung  zu  bringen  liebte,  —  so  konnte  man  das  nur 
um  seiner  selbst  willen  bedauern,  und  die  wohlwollende  Mahnung,  die 
sein  früherer  Lehrer  Tili  er  seh  ihm  bei  Beurtheilung  einer  seiner 
Arbeiten  ertheilte,  ihn  an  das  Pindarische  yivoL  olog  ißöl  fia&cov  er- 
innernd, war  gewis  allen,  die  es  mit  Hrn.  H.  gut  meinten,  aus  der 
Seele  gesprochen.  Dagegen  hat  dieser  selbst  in  der  Vorrede  zum 
achten  Bande  seines  Sophokles  jene  3Iahnung  zurückgewiesen,  seinen 
Ton  für  eine  Folge  des  Unwillens  über  die  Befangenheit  der  vielen 
Nachtretcr  Hermanns  und  ihre  Unduldsamkeit  gegen  anders  den- 
kende erklärt,  den  mahnenden  Freund  aber  daran  erinnert,  dafs  er  ja 

A.  JaMi.  f.  Phil.  u.  Paed.   Bd.  LXVII.   Ilft.  2,  9 


130  llarlung":  y\cscliylos  Prometheus. 

dessen  Schule  längst  entwachsen  und  läng-st  schon  in  das  reife  Man- 
nesalter vorgerückt  sei.  Ich  denke  aber,  eben  um  so  mehr  hätte  er 
jene  Mahnung-  beherzigen  und  dergleichen  VcavLev^ata^  von  denen 
seine  Bücher  voll  sind,  als  des  gereiften  .Mannes  unwürdig  vermeiden 
sollen.  Leider  jedoch  beweist  die  neuste  Arbeit  des  Hrn.  H.,wie 
schwer  es  sei,  üble  Sitten,  an  die  man  sich  einmal  gewöhnt  hat,  ab- 
zulegen. Die  Ueberschälzung  seiner  selbst,  das  übermäfsige  Ver- 
trauen zu  seiner  allein  richtigen  Einsicht,  die  hochfahrende  und  schul- 
meislcrnde  Abfertigung  anderer  treten  in  ihr  ebenso  grell  wie  in  den 
frühern  hervor  und  fallen  um  so  widerwärtiger  auf,  je  weniger  uns 
gerade  hier  Hr.  H.  durch  befseres  entschädigt.  Vielmehr  des  guten, 
welches  er  bietet,  ist  so  gar  wenig,  die  Blöfsen,  die  er  gibt,  sind  so 
zahlreich  und  so  auffallend,  dafs  man  in  der  Tliat  bewundern  niufs, 
wie  derselbe  Mann,  der  gegen  fremde  Fehler,  oder  was  er  für  Fehler 
hält,  so  unduldsam  ist,  und  der  die  Gelegenheit,  avo  er  glaubt  einen 
zurechtweisen  zu  können,  so  gern  benutzt  und  bisweilen  gleichsam 
mit  den  Haaren  herbeizieht,  g^egen  seine  eignen  Mängel  und  Verslöfse 
so  blind  sein  könne.  —  lieber  die  von  Hermann  uns  hinterlafsene 
Ausgabe  des  Aeschylus  s}iricht  Hr.  H.  sein  Urtheil  dahin  aus,  dafs 
von  den  brennenden  Schäden  die  wenigsten  geheilt,  einige  neue  aber 
hinzugekommen,  und  so  manche  treffliche  Bcfserungen  anderer  theils 
übergangen  theils  nacligestellt  seien.  Und  gewis  auch  Hermanns 
eifrigste  Verehrer  werden  nicht  in  Abrede  stellen,  dafs  seine  Ausgabe 
nicht  in  allen  Theilen  von  gleichem  Werihe  sei.  Hat  doch  der  ver- 
ewigte selbst  an  keines  der  Stücke,  mit  Ausnahme  der  Schutzflehen- 
den, die  letzte  Hand  g-elegt;  zu  den  andern  aber  seine  Conjecturen 
und  Bemerkungen  sciion  vorlängst  entworfen,  dann  aber  nicht  weiter 
als  nur  theilweise  und  vorübergehend  wieder  vorgenommen.  Aber 
dennoch  ist  es  gewis,  dafs  noch  kein  einzelner  jemals  für  den  Ae- 
schylus, im  Verhältnis  zu  der  Schwierigkeit  der  Aufgabe  und  zu  den 
Leistungen  der  Vorgänger,  mehr  und  gröfseres  geleistet  habe  als 
Hermann,  und  wer  von  den  auch  seiner  Leistung  anklebenden  Män- 
geln und  Fehlern  redet,  der  sollte  doch  auch  die  grofsen  Vorzüge 
nicht  verkennen,  die  Hermanns  Ausgabe  des  Aeschylus  zu  einem 
für  alle  künftigen  Zeiten  hoch  zu  schätzenden  Vermächtnis  des  dahin- 
geschiedenen Kleisters  machen.  Auch  Hr.  H.,  davon  sind  wir  über- 
zeugt, verkennt  diese  Vorzüge  nicht;  es  schien  ihm  nur  hier  nicht  am 
Orte,  auch  davon  zu  reden.  —  Was  übrigens  das  Verhältnis  seiner 
Arbeit  zu  Hermanns  Ausgabe  betrilFt,  so  erklärt  Hr.  H.,  dafs  jene 
schon  fertig  gewesen  sei,  bevor  diese  erschienen;  was  indessen  nur 
dahin  zu  verstehen  ist,  dafs  Hr.  H.  seine  Handschrift  schon  vorher 
fertig,  doch  aber  noch  in  Händen  gehabt  habe,  so  dafs  es  ihm  mög- 
lich war,  vordem  Abdrucke  noch  Hermanns  Ausgabe  zu  berück- 
sichligen  und  zu  benutzen,  wovon  denn  auch  mehrere  Stellen  der  An- 
merkungen, theils  unter  dem  Text  theils  hinter  demselben,  Zeugnis 
geben. 

Unsere  Bcurtheilung  der  Leistung  des  Hrn.   H.  glauben  wir  am 


Hartling:  Acscliylos  Proiiiellioiis.  131 

schickliclisten  mit  ßcsprocliiing-  soldior  SloHen  zu  hcginiieii ,  wo  beido 
Herausgeber  überciiistininicii ,  aus  deren  Zalil  zunächst  solelie,  über 
die  wir  für  jetzt  nichts  zu  bemerken  linden,  Alois  angedeutet  werden 
mögen,  üahin  gehört  gleich  Vs.  2  äßfjorov  für  äßarov.  Vs.  28  imjv- 
Qco  für  a7C}]VQCü.  Vs.  49  inaxd-fj  für  iTtQajjd-)].  Vs.  155  Q'  Alöov  für 
r  Atdov.  Vs.  158  jiiijTf  für  i^yTiorE.  Vs.  159  iyeyrj^^si,  für  iTtsyij&ei. 
Vs.  175  ovtE  für  üvxoi  oder  üvtc.  Vs.  186  diöia  d  für  öiötu  yaQ. 
Vs.  202  avaaaoi  für  avaGG'rj.  Vs.  252  Tta-udorg  für  mavGa.  Vs.  359 
Jtaöt  cl  civxeOT)]  für  ndaiv  og  uvricxi].  Vs.  385  ögJvdicoi'Ta  für  GcpQC- 
ycovra.  Vs.  424  TTuAwg  für  nekag.  Vs.  437  ß^-'vo^yTwy  für  ayvoQQV- 
Tcov.  Vs.  44t)  ag  aq)cig  für  cog  6q)äg.  Vs.  468  yivuivd-  fiir  ^eVojkO' , 
und  i^go  a^^uo;  t  für  vq)  ag^av .  Vs.  533  SlKeavoi  für  Äxcßi'ofo.  Vs. 
588  ysyvnvccaaßLv  für  ysyv^väzaö .  Vs.  600  Tt  ^ij'/ßQ  für  rt  jitt^  ;(^t/. 
Vs.  675  aicpvldia  für  cdcpvlÖLog.  Vs.  756  Tt^og  o:i;ro^  aiirot)  für  ßvrog 
7r()og  avxov.  Vs.  770  öavxijg  y  für  6avxi]g.  Vs.  823  yccneda  für  (Ja- 
TTfd«.  Vs.  976  toffre  7rKic)a  jU,£  für  co,-  rcaid'  övxa  ^s  —  und  vielleicht 
noch  anderes,  was  anzuführen  niciit  der  Mühe  werth  ist.  Auch  von 
dem  angeführten  dürfen  wir  nicht  unbemerkt  lafsen,  dafs  nicht  wenige 
der  von  beiden  Herausgebern  aufgenommenen  Lesarten  schon  längst 
von  andern  empfohlen,  zum  Theil  auch  in  eine  oder  die  andere  Aus- 
gabe aufgenommen  waren.  —  Von  den  Stellen,  wo  wir  gegen  die 
von  beiden  in  den  Text  gesetzten  Lesarten  Bedenken  hegen,  mögen 
folgende  herausgehoben  werden.  Vs.  216  f.  haben  die  Handschriften: 
cog  ov  Kax  lO'/jvv  ovoe  TtQog  xo  aagxeQOV 

XQSti]  (5oAcO    ÖE  XOVg  V7tEQ£%0VXCCg   KQCiXciV, 

zwei  Pariser  vTtEQEOyovxag.  JNichfs  lag  näher,  als  mit  Porson  vtieq- 
6%6vxag  7A\  schreiben;  Hermann  aber  hat  v%EQXiQOvg  gesetzt,  aus 
keinem  andern  Grunde,  als  weil  ihm  die  in  einigen  Handschriften  bei- 
geschriebenen Erklärungen  ^EyaXovg  oder  xovg  fieydlovg,  xovg  ^el- 
t,ovag  vielmehr  auf  dieses  Adjectiv  als  auf  das  Particip  vnEQöyovxag 
zu  deuten  schienen,  indem  auch  sonst  von  den  Glossatoren  vni^xEQog 
durch  (itf'yßg  oder  vnEQE%(ov  erklärt  sei.  Ueberzeugend  scheint  uns  dieser 
Grund  nicht;  indessen  wenn  wir  uns  auch  vnsqxEQOvg  gefallen  lafsen, 
so  ist  doch  Hr.  H.  entschieden  im  Irthum,  Menn  er  zwar  die  Lesart 
von  Hermann  annimmt,  gegen  die  von  diesem  angegebene  Con- 
struction  aber  Einwendungen  macht,  weil,  wie  er  meint,  der  Sinn 
ganz  einfach  dieser  sei:  wer  die  überhand  gewinnen  will, 
mufs  durch  List,  nicht  durch  Gewalt  den  S  i  e  g  er  r  i  ngen. 
Dagegen  ist  ganz  einfach  zu  bemerken,  dafs  VTTSQXEQog  nur  denjenigen 
bedeutet,  der  schon  die  überhand  hat,  nicht  aber  den,  der  sie  nur  erst 
gewinnen  will. —  Vs.  227  schreibt  Hr.  H.  nach  Hermanns  Vor- 
gange KCCKalöi  XLfA,atg  xuloÖe  ft'  avxi]^£Cipccxo ,  für  das  handschrifliiche 
Ttoivalg^  weil  jenes  eine  bittere  Ironie  enthalte,  während  bei  noivuig 
auch  YM'jiaiöt  nichtssagend  stehn  würde.  Bekanntlich  ist  aber  txolvyi 
keineswegs  blol's  Strafe,  wie  Hr.  H.  zu  glauben  scheint,  sondern 
Vergeltung,  Belohnung  überhaupt,  und  Aeschylus  selbst  sagt 
Eum.  621    ayuQ-cig  ayaO-^v  noLväg.     Ual's  ein  Scholiast  rifKüQiag  als 

9* 


132  Harhing:  Aeschylos  Proinollieiis. 

Erklärung  gibt,  kann  nichts  beweisen;  denn  aus  Hesycliius  u.  tl, 
W.  TtOLvr'}  ist  zu  ersehn,  wie  die  Glossatoren  auch  dies  durch  rifiaQUi 
zu  erklären  pflegten.  —  Vs.  250  schreiben  beide  Herausgeber  %ccl 
fi-tju  q)iXoi6t,v  OLKTQog  sIgoqku  iyo)^  für  das  herkömmliche  cpCloig  ikeivog, 
weil  in  einigen  Handschriften  cpiXoiGiv^  in  allen  aber  iXsuvog  steht, 
und  dies  das  gewöhnliche  Glosseni  für  oinxQÖg  ist.  Aber  umgekehrt 
ist  auch  otKTQog  ein  gewöhnliches  Glossem  für  iXsstvog,  wie  Hesychius 
u.  d.  W.  zeigt;  und  dafs  iXeeivog  von  den  Abschreibern  für  ilstvog 
gesetzt  worden,  ist  ja  ein  oft  genug  vorkommender  Fehler.  —  Vs.  383 
ipvxfjg  voöovötjg  eiölv  iazQol  Xöyoi,  für  das  handschriftliche  OQyrjg. 
Dafs  einige  Schriftsteller  bei  Anführung  dieser  Sentenz  in  der  Tliat 
il^v%rjg  für  ogyyjg  gesetzt  haben,  kann  natürlich  nichts  beweisen,  da 
sie  entweder  den  Vers  nur  aus  dem  Gedächtnis  citierten  oder  auch 
absichtlich  ihrem  Zweck  gemäfs  variierten.  Bei  Stobaeas  XX,  13  steht 
mit  anderer  Variation  OQy^g  naraiag  siölv  al'noi  köyoi^  und  OQyfjg 
wird  auch  durch  die  Uebersetzung  dieses  Verses  bei  Cicero  Tuscul. 
in,  31  bestätigt:  mederi  posse  rationem  iracundiae.  *Aber'  sagt  Hr, 
H.  ^ OQyrj  voöovßa  ist  nicht  allein  ein  eisernes  Eisen,  sondern  auch  in 
anderer  Hinsicht  unmöglich:  denn  die  o^yi^  ist  nie  gesund,  und  kann 
somit  auch  gar  nie  geheilt  werden.  Es  müste  OQyf]  voGovvrcov  hei- 
fsen.'  Dafs  die  OQyt]  nie  gesund  sei,  kann  wohl  ein  stoischer  Philo- 
soph behaupten,  dem  alle  Leidenschaften  Krankheiten  sind;  aber  an- 
dere Leute  reden  doch  auch  von  gerechtem,  selbst  von  heiligem  Zorn, 
um  gar  nichts  davon  zu  sagen,  dafs  doch  ogyi^  und  Zorn  keine  ganz 
congruenten  Ausdrücke  sind,  sondern  ogyr]  ^  wie  OQyäu,  in  etwas  all- 
gemeinerer Bedeutung  vielmehr  unserm  Ei  fe  r  entspricht,  was  ja  auch 
häufig  in  die  Bedeutung  von  Zorn  übergeht.  Und  behaupten,  dafs 
ein  Praedicat  wie  voöEti/,  was  freilich  eigentlich  dem  zürnenden  oder 
leidenschaftlich  eifernden  zukommt,  nicht  auch  dem  Zorn  oder  Eifer 
selbst  beigelegt  werden  könne,  hiefse  doch  wohl  dem  Dichter  die 
Freiheit  des  Ausdrucks  etwas  allzu  peinlich  beschränken.  Ich  gestehe 
deswegen  mich  von  der  Unzuläfsigkeit  der  handschriftlichen  Lesart 
nicht  überzeugen  zu  können,  und  ich  sehe,  dafs  auch  Meineke  in 
seiner  so  eben  erschienenen,  sich  meist  an  Hermann  anschliefsen- 
den  Ausgabe  OQyrjg  beibehalten  hat.  —  Ob  Vs.  421  die  Lesart  des 
Guelf.  ixccxatg  axqzöroi  wirklich  der  des  Med.  ^layccg  vorgezogen  zu 
werden  verdiente,  scheint  uns  sehr  zweifelhaft.  Den  Genetiv 
schützen  doch  Beispiele  wie  8Cy,ag  acpcßtjtog  wohl  hinlänglich;  auch 
Aesch.  Pers.  51  ^oy^)];  aKfxoveg ,  d.  h.  anixijvsg ,  gehört  hieher;  denn 
aK^oveg  als  Substantiv  zu  nehmen  und  für  Ambofse  zu  erklären  ist 
doch  gar  thöricht.  Der  Singular  aber  ist  nicht  auffallender  als  z.  B. 
bei  Soph.  "E^cog  avinaxE  ^ayjuv.  —  Vs.  567  war  ebenfalls  kein  trif- 
tiger Grund,  Kvvayel  ^egan  alle  Handschriften  für  nvvriyexal  oAev  kv~ 
vayexet  zu  schreiben,  da  lamben  unter  Dochmien  gemischt  nichts  sel- 
tenes sind.  —  Ebenso  wenig  verdiente  Vs.  955  die  Conjectur  xaxov- 
Qiöng  der  Lesart  einiger  Handschriften ,  wie  des  Guelf.,  Ka&coQi^ißag 
vorgezogen  zu  werden.     Was  andere  Ilandschr.   haben    Kcc&cooqaas^ 


Ilarlung:  Aescliylos  Promelheus.  183 

Kad'coQOvöag ,  xad-coQißag,  ist  wenigslens  diesem  nicht  unahiiliclier  als 
jenem,  und  was  Hermann  sagt:  vix  credi  polest  si  hoc  (^Ka'&coiJi-u- 
6ag)  scr/psisset  poela  ^  tatdam  esse  fluctuationem  excitatam.,  lielse 
sich  mit  gleichem  Hechte  auch  uniffckehrt  von  KaxovQiGccq  sagen.  — 
Vs.  1003  haben  sich  beide  Herausgeber  in  den  Sinn  der  von  allen 
Handschr.  festgehaltenen  Lesart  ovdsvog  fiei^ov  od-ivet  nicht  finden 
können,  und  deswegen  nach  Stanleys  Conjectur  ^istov  geschrieben. 
Da  Halms  Vertheidigung  der  handschriftlichen  Lesart  Hrn.  H.  nicht 
überzeugt  hat,  so  mag  ihn  vielleicht  überzeugen,  was  Teuffei  im 
Hhein.  Mus.  111  (1845)  S.  621  f.  darüber  sagt,  wo  auch  eine  ganz  ähn- 
liche Parallelstelle  aus  Demosthenes  Olynth.  11  §.  17  angeführt  ist: 
ovöivav  eial  ßeXrlovg. 

Bisherhaben  wir  Hrn.  H.  mit  Hermann  einstimmig  gefunden; 
jetzt  wollen  wir  einige  Stellen  betrachten ,  wo  er  seinen  eignen  Weg 
einschlägt,  der  uns  denn  leider  meisfentheils  nicht  der  richtige  zu  sein 
scheint.  Vs.  13  haben  die  Handsciiriften  alle  Tiovdev  eiA.7tod(ou  J'r/,  nur 
Guelf.  setzt  vor  an  noch  (.larijv  hinzu,  und  ein  Paris,  hat  eben  die- 
ses mit  übergeschriebenem  eri.  Dadurch  hat  sich  auch  Hermann  zu 
einer  Conjectur  verleiten  lafscn  ,  die  wir  gegen  Hrn.  H.  zu  verlheidigen 
keineswegs  geneigt  sind;  aber  was  Hr.  H.  schreibt,  xovöev  i[.i7Toöcoi', 
fiatäv,  scheint  uns  noch  weit  weniger  annehmlich.  Wir  sollen,  sagt 
er  in  der  Anm.,  vor  ^'aräv  ein  üßre  hinzudenken,  dafs  der  Sinn  sei: 
es  steht  dir  nichts  mehr  im  Wege,  das  dich  säumen 
und  zögern  machte.  Allein  die  Worte  könnten  schwerlich  etwas 
anders  bedeuten  als;  es  hindert  dich  nichts  zu  säumen.  Denn 
dafs  nach  i^TCoöiov  der  Infinitiv,  welcher  die  gehinderte  Handlung  be- 
zeichnet, nicht  nolhwcndig  mit  jitr/  verbunden,  sondern  auch  ohne 
dies  stehe,  darf  doch  wohl  als  bekannt  vorausgesetzt  werden.  Zum 
Ueberflufs  verweisen  wir  auf  Xenoph.  Cyneg.  c.  13,  16  und  Plat. 
Euthyd.  p.  305  D.  Woher  das  ^atnjv  in  den  beiden  angeführten  Hand- 
schriften gekommen  sein  möge,  darüber  sich  den  Kopf  zu  zerbrechen 
lohnt  nicht  die  Mühe.  Die  Vulgata  aber  gibt  den  angemefsensten  Sinn  ; 
nur  niufs  man  ifiTCodtov  nicht  als  itnpedimentum  oder  obslaculum 
fafsen,  sondern  in  der  allgemeinem  Bedeutung  eines  vorliegenden, 
wo  es  denn  also  auch  ein  vorliegendes  Geschäft  sein  kann.  —  Vs,  41 
schreibt  Hr.  H. : 

avYiK0v6xHv  8e  xav  JtaxQog  loycov 
noiov  ri;  nag  ov  xovro  dEifiaCi'eig  nkiov; 
statt  des  handschriftlichen  olovxe  neig;  oder  olovxe;  nüg —  .  *  Denn' 
sagt  er  *  dafs  Ungehorsam  gegen  Zeusens  Gebot  möglich  sei ,  das  be- 
weist Prometheus.'  Allerdings;  aber  dafs  man  nicht  auch  bei  solchen 
Dingen,  die  man  wirklich  vor  Augen  sieht,  dennoch  sollte  fragen 
können:  wie  ist  das  möglich?  wird  doch  Hr.  H.  wohl  nicht  im  Ernste 
leugnen  wollen.  Und  gesetzt  er  thäle  es  wirklich  ,  so  würde  auch 
jeder  fragen  können:  so  allbekannte  Dinge  zu  leugnen,  wie  ist  das 
möglich?  Wenn  er  aber  hinzusetzt,  auch  die  Stellung  des  oIovxe  vor 
Ttwj  hätte  Bedenken  gegen  die  überlieferte  Lesart  erregen  sollen,  so 


134  Härtung:  Aeschylos  Prometheus. 

wäre  dem  ganz  leicht  durch  geänderte  Interpunction  abzuhelfen  ge- 
wesen. Aber  das  Bedenken  selbst  ist  ganz  nichtig,  und  die  gleiche 
Stellung  Vs.  263  d6E,eL  6e  nag;  hat  aucli  Hru.  H.  kein  Bedenken  er- 
regt. — ^  Vs.  42  haben  die  Herausgeber  seit  Kobortcllus  für  das  aeC 
re  öl]  in]f^')^g  Gv  des  Med.  und  mehrerer  anderer  Handschr.  ati  yB  öi]  — 
geschrieben.  Hr.  H.  verwirft  dies  und  schreibt  ael  av  ör]  vtjh'jg  rs — , 
weil  er,  wie  er  sagt,  nicht  woifs,  was  yi  hier  bedeuten  könne.  Als 
Verfafser  eines  zweibändigen  Buches  über  die  griechischen  Partikeln 
wird  er  nun  freilich  von  uns  keine  Belehrung  darüber  annehmen  wol- 
len. Wir  andern  aber  wifsen,  dafs  ye  örj^  etwa  wie  im  Deutschen  ja 
fr  e  i  li  ch  ,  in  Erwiederungen  auch  dann  gebraucht  wird,  wenn  man 
andeuten  will,  dafs  einem  die  Uede  des  andern  natürlich  und  begreif- 
lich vorkomme,  und  zugleich  den  Grund  angibt,  warum  dies  der  Fall 
sei.  Also  sagt  auch  hier  Hephaestos,  dafs  ihm  die  harte  Bede  des 
Kratos ,  der  nur  den  Befehl  des  Zeus  vollführt  und  jede  Regung  des 
Mitleids  verbannt  wifsen  will,  ganz  mit  seiner  bekannten  harten  Ge- 
sinnung übereinstimmend  und  daher  nicht  befremdend  sei.  — ■  Vs.  46 
ttÖvcou  yaQ  ^  ojg  anlco  loyco,  tcov  vvv  TtaQOvzcau  ovöev  alxia  ti%v)]. 
Dies  ag  ccTtloi  loya  will  Hr.  H.  nicht  dulden.  So  habe  kein  Mensch  je 
gesagt,  noch  könne  es  für  richtig  gehallen  werden:  denn  man  müfse 
noch  ein  Verbum  dabei  haben.  Was  für  ein  Verbum,  sagt  er  uns 
nicht,  ohne  Zweifel  aber  meint  er  einen  Inlinitiv,  wie  (pQciaca:  denn 
er  corrigiert  ag  aitlag  cpQaGcd  ^  würde  also  auch  wohl  an  (ag  anX(p 
loya  cpQaScii  keinen  Anstofs  nehmen.  Wie  mag  er  sich  denn  nun  aber 
diesen  Iniiniliv  erklären?  Etwa  als  abhängig  von  ag'I  Diese  schüler- 
hafte Ansicht  dürfen  wir  ihm  doch  nicht  zutrauen.  Wenn  nun  aber 
nicht  wg  die  Ursache  ist,  weswegen  der  Infinitiv  gesetzt  wird,  und 
wenn  anlco  loyv)  auch  ohne  oig  gesagt  wird,  warum  sollte  denn  der 
Infinitiv  bei  log  U7tX(p  loyco  uncrläfslich  sein?  Wie  erklärt  sich  ferner 
Hr.  H.  Ausdrücke  wie  o5g  £fif/  doiij  oder  ag  ifxf,  yi'couj/  und  dergl.? 
worüber  Heindorf  zu  Plat  Soph.  p.  336  zu  vergleichen.  Der  Dativ 
freilich  hat  in  diesen  Formeln  eine  andere  Bedeutung  als  in  jener; 
aber  die  Auslafsung  eines  Infinitivs  ist  in  beiden  gleich  unerklärlich 
oder  gleich  erklärlich.  —  Vs.  ül  verschmäht  Hr.  H.  sehr  mit  Unrecht 
die  einzig  richtige  Schreibung  k'yvco^ia  rotöds,  kovösv  avxeiitEiv  l'jjo), 
und  setzt  dafür  lyvana  roLßöi  y  ovdsv  a.  e.  Jenes  andere,  meint  er, 
gebe  keinen  passenden  Sinn.  Warum  aber  Hephaestos  auf  die  vorher- 
gehende Bede  des  Kratos  nicht  schicklich  sollte  antworten  können: 
das  i  s  t  w a  h r ;  i c h  b  i  n  e s  a  n  dem,  was  hier  vorgeht,  i n n e 
geworden — ,  das  verschweigt  uns  Hr.  H.  —  Vs.  55  laßcov  viv 
a}i(pl  xsQßlv  lyKqcael  Gd'ivEi  gaiörrjot  &£lvs.  So  leicht  auch  die  von 
Stanley,  wiewohl  zweifelnd,  vorgeschlagene  Aenderung  ßalcov  für 
Xaßcov  ist,  so  unnöthig  ist  sie  doch.  Denn  Hrn.  H.s  Behauptung,  dafs 
Hephaestos  die  Handschellen  nehmen  solle,  könne  nicht  gesagt  wer- 
den, nachdem  derselbe  soeben  Vs.  54  gesagt,  dafs  er  sie  in  der  Hand 
halte,  beruht  lediglich  auf  der  falschen  Meinung,  dafs  TtQOXEL^a  nur 
golche  Dinge  seien,  die  man  in  der  Hund  halle.     Jedes   gute   Wörter- 


Ilarlitng-:  Aescliylüs  Proinellieiis.  13.') 

buch  Iiäüe  lehren  können,  dafs  es  Dinffe  bedenle,  die  man  zur  Hand 
hat,  und  deswegen  nelinien  kann  sobald  man  will.  Mal  nun  llepliae- 
stos  die  F'efseln  schon  zur  Hand  neben  sich  liegen,  so  kann  ihn  Kra- 
los  sehr  wohl  auriordern,  sie  nun  auch  wirklich  zu  nehmen  und  dem 
Prometheus  anzulegen.  Dal's  aber  a^q)i  xsQßl  &uvs  deswegen  nicht 
halte  sollen  gesagt  werden  können,  weil  &SLuei,u  nicht  eigentlich 
schlagen,  sondern  vielmehr  stol'sen  oder  hauen  bedeute,  ist  eine 
Behauptung,  zu  deren  Widerlegung  wir  kein  Wort  verlieren  mögen. 
—  Vs.  Ö6  schreibt  Hr.  H.  avxov  yüq  os  öal  TtQOfDj&tag  für  das  in  allen 
Handschr.  stehende  und  auch  anderweitig-  bezeugte  7r^oftj;9^£'co^,  nach 
einem  von  Elmsley  gelegentlich  (zu  Eur.  Baccli.  50H)  vorgebrachten 
Einlall.  Ich  denke,  jeder  muls  erkennen,  wie  der  Hohn  viel  bitterer 
ist,  wenn  der  redende  den  Namen  des  verhöhnten  selbst  in  appella- 
tiver Bedeutung-  anwendet.  • —  Vs.  112  erklärt  Hr.  H.  die  Lesart  aller 
Handschriften  TOiaaöe  noivag  afxnXuTiijfiavoov  xivoa  für  ein  Verselin  ge- 
dankenloser Abschreiber,  und  setzt  dafür  roiavÖE^  wie  auch  schon 
andere  vor  ihm  gewollt  hatten,  non  satis  perspcctu  Graecorum  vsii, 
um  Hermanns  ^^'orte  z.  d.  St.  zu  wiederholen.  Dafs  Hrn.  H.  diese 
Ausdrucksweise  immer  noch  nicht  einleuchten  will,  ist  nicht  unsere 
oder  des  Dichters  Schuld;  der  3Iühe  aber,  ihn  darüber  befser  zu  ver- 
ständigen, glauben  wir  uns  überheben  zu  dürfen.  —  Vs.  116  schreibt 
Hr.  H.  riq^iov  für  xeqiiÖvlov:  etwa  weil  ihm  das  seltnere  Wort  an- 
slöfsig  war,  oder  weil  ihm  das  Metrum  nicht  g-eliel?  Er  belehrt  uns 
nicht  darüber.  Ebenso  wenig  erfahren  wir  die  Gründe,  die  ihn  ver- 
mocht haben  Vs.  121  £iGOi%vcvGt,  mit  der  gewöhnlichen  Form  staat'/^- 
vovGi,  und  Vs.  6iO  Ttcokevixepca  mit  nokovti£vuL  zu  vertauschen.  — 
\'s.  145  gibt  uns  Hr.  H.  ein  Beispiel ,  welcher  Gewinn  sich  auch  aus 
den  schlechtesten  Scholiasten  für  die  Kritik  ziehn  lafse.  Der  her- 
kömmliche Text  lautet  so:  levGGco^  IlQo^ij'd'ev'  (poßcqa  d'  i^utaiv  oa- 
aoLg  ofiixla  TtQOGy^e  7ilt]Q)]g  öukqvcov.  Ein  Scholia&t  schreibt  dazu : 
ßXinco,  ü)  IIqoj.i}i&cV  ^  a  naQ^ug  goojSc^a,  tp/ovv  q)6ßov  a^ca ,  elöi'jX&s 
öe  roig  i^olg  oq)&cd[ioi:g  vcopih]  Tch]Q)]g  da-/,QV()iv.  Daraus  schliefst 
Hr.  H. ,  dafs  dieser  Scholiasl  nach  cpoßsQa  interpungiert,  und  dann 
natürlich  auch  ij^iOLoi,  d  oaaoLg,  nicht  ö'  eiiulGlv  ooaoig  gelesen  habe. 
Diesem  ganz  zu  folgen,  dazu  besitzt  Hr.  H.  doch  zuviel  Kenntnis  des 
metrischen;  aber  i^oißi,  d  oGöoig  hält  er  für  richtig,  und  schreibt  nun 
q)oßcQOLg  i^otoc  d  ööGoig ,  und  zwar  um  so  zuversichtlicher,  weil  er 
überzeugt  ist,  dafs  g^oßtQa  o^d'/Xu  von  den  durch  Furcht  erregten 
Thränen  nicht  gesagt  werden  könne,  sondern,  wie  man  (poßsQu  (pQrjv 
sage,  so  auch  cpoßcQotg  'ößöoig  gesagt  werden  müfse.  Gegen  der- 
gleichen Raisonnement  läfst  sich  denn  freilich  nichts  sagen.  —  Weiter- 
hin Vs.  160  wird  ein  bisher  von  den  Kritikern  verachtetes  Wort  durch 
Hrn.  H.  wieder  zu  Ehren  gebracht.  Die  Handschriften  lafsen  hier  den 
Prometheus  sagen:  vvv  Ö  ai&£Qi,ov  %ivvy^  o  xcclag  i'i&QOLg  ini^uQxa 
TteTtow&a:  da  jedoch  Hesychius  das  ^^'ort  '/Juvy^a  gar  nicht  aufführt, 
dagegen  aber  y.^juvyfxa  hat,  mit  der  Erklärung:  xo  kevov  xov  ßcojxaxog 
(d.  h.  xo  ciö(0(iazov)  ^  oloi^  qy,iu  ymI  d'öo)lQV,  (pduxc(0(i.c<  c<G&£V£g  '/.cd 


136  Hartling:  Aescliylus  Prometheus. 

u^Qstov^  so  hält  Hr.  H.  dies  für  das  richtige,  zumal  da  es  auch  kein 
Verbnm  Kivvaoco  gebe,  wovon  HLvvy^a  herkommen  könne,  und  da 
ein  so  fest  angeschmiedeter  Leib,  wie  der  des  Promethens,  kein  xi- 
vvy(ia  oder  oiivrj^a  genannt  werden  könne.  Dafs  es  auch  kein  xij~ 
vvöaco  gibt,  macht  ihn  nicht  irre:  er  schafft  auch  dies  herbei:  in  den 
Choephoren  Vs.  196  ist  fiir  OTtcog  äicpoovvtg  ov6a  (ii]  xivvaöofirjv  viel- 
mehr das  von  den  Handschr.  dargebotene  yir)vvß66jA.r}v  zu  lesen,  was 
kurzsichtige  Kritiker  bisher  ebenso  wie  jenes  Krjvvy^cc  fiir  einen  leicht 
erklärlichen  Irthum  gehalten  haben.  Das  Wort,  meint  Hr.  H.,  möge 
mit  ö/vta,  awp't]  und  obscurus  verwandt  sein.  Dürfen  wir  uns  gegen 
diese  Belehrung  einen  bescheidenen  Zweifel  erlauben,  so  möchten  wir 
daran  erinnern,  dafs  von  alten  Grammalikern  mvvyf.ia  mit  ccl'd-vynoi  und 
aixccQvyiA.a  zusammengestellt,  und  allen  dreien  die  Bedeutung  eines 
körperlosen  flatternden  Schemens  zugesprochen  werde,  dem  letzten  na- 
mentlich die  eines  hellen  und  glänzenden.  Ist  nun  'Avvvy^a  ein  solches 
nichtiges  körperloses  Wesen,  wie  ein  flatternder  Schemen,  ein  aaO'evlg 
vmI  a%QcLOv  (fävTciö^ici  ^  öalaö^a^  ndakov^  so  konnte  es  auch  wohl, 
ohne  Rücksicht  auf  die  der  Abstammung  nach  allerdings  ihm  ursprüng- 
lich beiwohnende  Bedeutung  der  Bewegung,  allgemeiner  angewandt 
werden,  um  eben  nur  die  Schwäche  und  das  Unvermögen,  gleich  der  ei- 
nes körperlosen  Schattens,  zu  bezeichnen.  —  Zu  Vs.  272  f.  lehrt  Hr.  H., 
was  weder  H  e  r  m  a  n  n  noch  andere  untergeordnete  Grammatiker  erkannt 
haben,  die  herkömmliche  Lesart  ov  jLtTji/  tt  TtoLvalg  y^  uo^rjv  rolaiGt 
fis  KanöxvapeLa'&at  sei  ungr  ieohi  seh:  das  Pronomen  müfse  gestri- 
chen und  dafür  das  jetzt  hinter  TtOLvatg  stehende  yi  gesetzt  werden, 
wobei  dann  zugleich  auch  Vs.  274  tvicov  für  rv'j(^oux  zu  schreiben  sei, 
Unserm  Danke  für  die  Belehrung  erlauben  wir  uns  nur  die  Bitte  hin- 
zuzufügen, uns  nun  auch  z.  B.  11.  XX,  360  ov  i^i  zt  cpri^L  ^E&tjGiiiEv, 
Eur.  Ale.  641  kul  jh'  ov  vo/Ltt^w  TtatÖa  6ov  TtEcpvKSPai,^  und  ähnliche  in 
linsern  Texten  noch  vorkommende  ungricchische  Stellen  gelegentlich 
zu  corrigieren.  —  Dafs  Hr.  H.  an  dem  Ausdruck  Vs.  318  tov  vvv  %6lov 
TtaQovia  ^öy^d'üiv  Anstofs  genommen,  wundert  uns  nicht,  da  auch  an- 
dere als  er  Anstofs  daran  genommen  haben;  wohl  aber  darf  es  wun- 
dern, dafs  er  auch  die  Erklärung  des  Ausdrucks,  nemlich  der  Grimm 
der  Qualen  bedeute  soviel  als  der  Grimm,  der  sich  in  den  dem  Pro- 
metheus auferlegten  Qualen  otTenbare,  nicht  verstehn  kann  oder  will, 
und  deswegen  jene  Ueberselzung  schilt,  obgleich  er  selbst  den  we- 
sentlich ähnlichen  Ausdruck  Vs.  449  all''  av  ÖiöcoK  evvoi.au  i'^rjyov- 
ju.fl/og,  Avo  das  Wohlwollen  meiner  Gaben  soviel  ist  als  das 
Wohlwollen  das  sich  in  meinen  Gaben  offenbart,  unbe- 
anstandet läfst,  und  übersetzt  die  Wohl t hat  meiner  Gaben.  Was 
würde  er  sagen,  wenn  jemand  ihn  deswegen  schelten  wollte,  als  habe 
er  fälschlich  der  evvoi^a  den  Begrifl"  der  evsQyeöia  untergeschoben? 
—  Was  aber  das  von  Dö  derlei  n  vorgeschlagene  und  von  Hrn.  H, 
in  den  Text  gesetzte  o^lov  für  %6lov  betrilft,  so  scheint  uns  diese 
Aendernng  nicht  allein  unnöthig,  sondern  auch  abgesehen  davon  an 
sich  ganz  unzuläfsig,  weil  'öxlog  zwar  Belästigung,  Unbequemlichkeit, 


Härtung:  Aeschylos  Prometheus.  137 

verdriefsliche  Störung  bedeutet,  für  die  Martern  aber,    die  dem  Pro- 
metheus auferlegt  sind,  ein  solcher  Ausdruck  olfenbar  nicht  passend 
ist.  —  Auch  an  TiQog  iöniQOvg  zoTiovg  Vs.   354  nimmt  Hr.  H.  Anstofs, 
und  schreibt  dafür  nQog  eoneQoig  xonoig,  in  der  3Ieinung,  dafs  ngog 
TOTtoig  soviel  sei  als  iv  ronoig ,  eine  Meinung  die  freilich  auch  andere 
wohl  gehegt  haben,  worüber  ich  auf  31ätzner  zu  Antiphon  p.  269 
verweisen,  übrigens  aber  mich  begnügen  will,  diese  Probe  von  Hrn. 
H.s  genauerer  Sprachkenntnis  hier  einfach  angezeigt  zu  haben.  —  Mit 
dem  Zijvog    ixyQvnvov  ßiXog  Vs.  363,  was   Hr.  H.  nach   dem   Guelf. 
und  einer  andern  Handschr.  in  ayqiov  ß.   verändert,   versöhnt  er  sich 
doch  vielleicht,  wenn  wir  ihm  ein  nvQ  axoli.irjtov  (Plut.  Camill.  c.  20), 
ein  TtvQ  eyQ}]yoQ6g  (Arisloph.  Lysislr.   306),  einen  viyil  ignis  (Verg. 
Aen.  IV,  200),  und  umgekehrt  ein  tcvq  evöov  (Lycophr.  Vs.  1363)  und 
sop/tos  Hjnes  (Verg.  Aen.  V,  743)  nachweisen.  —  Auch  Vs.  376 ,  wo 
er  mit  ßlomfield  anXaxov  für  otttAi/ötoi;  schreibt,  wäre  es  befser 
gewesen,  auf  Hermanns  Abmahnung  zu  hören.    Oder  sollte  es  wirk- 
lich so  schwer  zu  fafsen  sein,  wenn  ein  alles  verzehrendes  Feuer  ein 
unersättliches  genannt  wird?  —  Vs.  400  verwirft  Hr.  H.  die  von  Her- 
mann   und  andern   aufgenommene  Lesart  äöiievog  6e  tau  özad^ixoig 
iv  oi%cLoi6i  Kauijjeisv  yovv,   und  schreibt  mit  3Ied.  und  andern  Hand- 
schriften ö    ex    äv  — ,  weil  er,  wie  er  versichert,  nicht  einzusehn 
vermag ,  was  roi  hici  bedeuten  könne.     Es  ist  kaum  zu  glauben,  dafs 
es  ihm  mit  dieser  Versicherung  wirklich  Ernst  sei :  gewis  wenigstens 
M'ird  er  bei  besonnener  Ueberlegung  wohl   zu  der  richtigen  Einsicht 
gelangen,  und   dann  auch  vielleicht  einiges  Bedenken  in  ihm  aufstei- 
gen, ob  ein  so  allein  stehendes  l'ri  wirklich  bedeuten  könne,  was  er 
meint,  noch  vor  Einbruch   der  N  a  cht ,  wofür  man  etwa  7),afpag 
txi  (seil.  ov6ijg)  erwarten  sollte.     Aber  Hr.  H.  scheint  das  \^  Örtchen, 
dem  er  Vs.  13  die  gebührende  Stelle  nicht  gönnte,   dadurch  entschä- 
digen gewollt  zu  haben,  dafs  er  es  anderswo  an  Stellen  hinsetzte,  auf 
die  es  mindestens  ein  zweifelhaftes  Recht  hat,  wie  hier  und  Vs.  921, 
924  und  1011.  —  In  dem  Stasimon  Vs.  403  If.  schreibt  Hr.  H.  §adt- 
vau  —  TtciQiLav^  weil  weder  QCiÖivmv^  wie  die  meisten  Handschr.  ha- 
ben, ein  passendes  Epitheton  zu  offffcov  sei,   noch  auch  qc(6i,vov,  wie 
einige  andere  lesen,  mit  oiog  verbunden  werden  könne,  in  ähnlichem 
Sinne  wie  xigev  dciy.ovov  gesagt  wird,  was  Hermann  meinte.     Dies 
letztere  möchten  wir  nun  nicht  so  zuversichtlich  verneinen,  wie  Hr.  H. 
es  thut;  indessen  da  wir  die  Sache  doch  nicht  zur  Evidenz  erweisen 
können,  lafsen  wir  sie  lieber  auf  sich  beruhen.     Davon  aber  sind  wir 
überzeugt,  dafs  Hr.  H.  Unrecht  gethan  hat,  lußo^iva,  was  alle  Hand- 
schriften haben,    mit  Heath    zu    streichen,    und  hsy'ga  Vs.  406  in 
'dxEy'E,B  zu  verwandeln.     Dafs  das   Participium  von  Abschreibern  oder 
Correctoren  herrühren  sollte,  ist  ganz  unglaublich,   da  sich  gar  kein 
Grund  erdenken  läfst,   der  sie   zu  solchem  Zusatz   hätte  veranlafsen 
können.     Viel  glaublicher  ist  es,  dafs  in  der  Gegenstrophe  ein  Wort 
ausgefallen  sei,  z.  B.  öuy.QV'iUL^  was  Hermann  vor  GxivovGa  Vs.414 
eingerückt  hat.   Was  ferner  Hr.  H.  Vs.  407  geschrieben  hat,  Zivg  d\ 


138  Härtung:  Aeschylos  Proniclheus. 

ist  nur  Conjectur  von  Rob  or  tel  1  u  s :  die  Handschr.  haben  das  ö 
nicht,  und  dals  sich  die  Worte  a^iya^xa  yaQ  rdöe  Zevg  n^arwet,  un- 
bedenklich zusammen  construieren  hWsen,  wird  iioircntlich  Ilr.  II.  selbst 
nicht  in  Abrede  stellen.  Einen  andern  Grund  für  die  handscliriflliche 
Lesart,  nenilich  dafs  dann  nicht  am  Ende  der  Reihe  und  mitten  im 
VersCurse  ein  neuer  Satz  beginne,  will  er  freilich  nicht  gelten  lafsen, 
und  beruft  sich  auf  viele  Beispiele,  wo  dergleichen  doch  vorkomme. 
Das  hat  aber  auch  niemand  geleugnet;  die  Frage  ist  nur  die,  was 
befser  sei.  —  Vs.  410  wird  das  übel  lautende  ivöecKiwei  ali^av  eini- 
ger Handschriften  dem  von  andern  dargebotenen  evÖHY.vvGiv  vorgezo- 
gen, blofs  um  aus  den  ionischen  Versen  den  Epitrit  zu  culferneu,  der 
Hrn.  H.  hier  unerhäglich  vorkommt,  und  den  er  auch  Vs.  419  durch 
die  kecke  Aenderung  kcI^vovG  cI^lu  ■Q-uatoi  für  ßvyKCiiA.vovöi  &i>caoL 
beseitigt,  obgleich  er  Vs.  552  den  gleichen  Versausgang  nicht  nur 
duldet,  sondern  selbst  durch  seine  Conjectur  Xe^iiov  acav  v^evalovv 
für  %al  Xi%og  6ov  v^ievalow  herstellt.  —  Vs.  416  wird  für  das  von 
allen  Handschr.  gebotene  onoöOL  x  enotKov  (dafs  einige  eitoiKOL  ha- 
ben,  thut  nichts  zur  Sache)  ayvag  ÄGuig  eöog  vifiovxai  geschvicbeii 
onoGOi  naxoi'Kov  ayv.  A.  EÖ.  vi^i.  ^  augeblich  deswegen,  weil  nicht 
von  Anwohnern,  sondern  von  Einwohnern  Asiens  die  Rede  sein 
niuste.  Wäre  dies  wirklich  der  einzige  Grund,  so  würde  es  ja  viel 
näher  gelegen  haben,  evoiKOv  zu  schreiben;  aber  dies  konnte  Ilr.  H. 
nicht  gebrauchen,  weil  er  dann  auch  die  Copula  nach  bnoGoi  hätte 
stehu  lafsen  müfsen,  die  sich  mit  seiner  übrigen  willkürlichen  Con- 
slituierung  dieser  ganzen  Stelle  nicht  vertrug.  Anstatt  nemlich  mit 
Hermann  anzuerkennen,  dafs  Vs.  414  ein  Verbum,  wie  öaKQviisi, 
ausgefallen  sei,  worauf,  wie  wir  gesehn  haben,  die  Vergleichung  mit 
dem  strophischen  Verse  führt,  und  dafs  das  GxävovGt  in  mehreren 
Handschriften  nur  eine  durch  den  Ausfall  jenes  Verbi  veranlafste  Cor- 
rectur,  die  richlige  Lesart  aber  GxivovGu  sei,  hält  er  vielmehr  Gxe- 
vovGl  fest,  und  ist  deswegen  genölhigt,  nicht  nur  die  Co|)ula  nach 
OTtoGoi  zu  beseitigen,  sondern  Vs.  418  allen  Handschr.  zum  Trotz  (.is- 
yakoGrovoi  re  für  ^sycdoGxovoi.Gt.  zu  schreiben.  Was  übrigens  das 
k'noiKov  ayvag  ^ÄGiag  söog  betrifft,  so  ist  dies  um  so  weniger  anstöfsig, 
wenn  man  bei  der  ayva  Aglu  nicht  sowohl  an  das  Land  als  an  die 
Göttin  denkt,  von  welcher  das  Land  den  Namen  hat,  und  welche  be- 
kannllich  eine  Schwester  der  Ükeaniden  ist.  Diese  hat  dort  ihren 
Sitz,  und  die  Menschen  um  sie  her  sind  ihre  fVroixot  oder  haben  neben 
ihr  ein  iTiotKOv  söog.  —  Plausibler  ist  Vs.  424  A^Cag  für  Afjußlag 
geschrieben;  weiiigslens  gewis  befser  als  Hermanns  ZaQ^axäv:  und 
Vs.  432  kann  ich  wohl  damit  zufrieden  sein,  dafs  Hr.  H.  nach  einer 
Conjectur,  in  der  er  mit  mir  zusammengetroffen  ist,  das  Particip 
cpEQOiv  hinzugesetzt  hat.  Nur  dies  möchte  ich  mir  bei  dieser  Gele- 
genheit zu  bemerken  erlauben,  dafs  doch  das  von  Hermann  vermu- 
thete  vnoGxeyd^et  (für  vTCoGxei'ä'^et.}  nicht  so  geradezu  für  unmöglich 
hätte  erklärt  w  erden  dürfen,  ^^'enu  Aeschylus  andersw  o  den  llimmels- 
trägcr  Atlas  ov<jai'oGxeyi'ig  genannt  hat,  woran  doch  wohl  aucli  Hr.  H. 


Ilarlung:  Acschylos  Prometheus.  139 

nicht  zweifeln  wird,  so  konnte  er  »nch  das  Verbum  v7T0ßr£yc4^Ecv  von 
ihm  g-cbranchen.  Es  wäre  das  allerding-s  eine  freiere  und  ungenaue 
Anwendung-  des  Ausdrucks ;  aber  dergleiciien  ist  denn  doch  nicht  so 
unerhört:  und  etwas  ähnliches  haben  wir  oben  bei  nCvvy^a  bemerkt. 
—  Vs.  441  bereichert  Hr.  II.  die  Sprache  mit  einem  neugemachlen 
Worte,  TtQovKskBii' ,  was  von  te^o  und  oxfAfii^  (aus  oxekkciv)  herkom- 
men ,  und  we  g  s  c  h  me  i  fs  e  n  ,  zerschellen  1  a  fsen  bedeuten  soll. 
Gesetzt  es  könnte  dies  sein:  würde  denn  ein  solcher  Ausdruck  hier 
passen?  Ist  Prometheus  blol's  als  unnütz  'weggescbmifsen' :  ist  er  nicht 
vielmehr  als  Rebell  mit  den  härtesten  Strafen  belegt,  und  gefefselt 
fortwährend  der  Gewalt  seines  Peinigers  preisgegeben?  Freilich  ist 
über  das  räfhselbafte,  in  den  Ilandschr.  und  bei  Grammatikern  ver- 
schieden geschriebene  Wort  schwer  aufs  reine  zukommen,  und  es 
gilt  hier  das  akademische,  dafs  es  leichter  sei  zu  sagen,  was  nicht 
wahr,  als  was  wahr  sei.  Wahrscheinliciier  aber  als  Hrn.  II. s  ttqov- 
nsXetv  ist  ohne  Zweifel  Hermanns  in  der  Anmerkung  zu  dieser 
Stelle  sehr  ausführlich  begründetes  TCQoaGalelu.  —  Dafs  Vs.  461  oöovg 
dem  handschriftlichen  ^DCift?  und  dem  von  Hermann  gesetzten  q)v- 
oeig  vorgezogen  ist,  können  wir  nur  billigen.  Hermann  selbst  hatte 
dies  früher  empfohlen,  und  schon  vor  ihm  der  Rec.  der  Schützischen 
Ausgabe  in  der  Bibliotb.  d.  a.  L.  u.  K.  I  S.  112.  Ebenso  billigen  wir 
Vs.  466  das  von  Pau>i'  vorgeschlagene  und  auch  von  Schütz  aufge- 
nommene Gay^iaöLv  für  (Jco^uaffn^.  Ob  aber  Vs.  464  (iviii-Ltju  &  anavTcou 
^ovGoi.f)'jro2  ioycivrjv  (^od.  foyartt")  wegen  des  vorhergegangenen  yQajx- 
fiKTCov  T£  övv'd-eaLV  uoünx endig  in  (iv)']ix)]g  andvxiov  zu  ändern,  oder 
wenigstens  [ii'ri^i]^  ohne  Copula  zu  schreiben  gewesen  sei ,  so  dafs 
diese  Worte  als  Apposition  zu  yQa^ficawv  GvvQ-tOiv  ständen,  möch- 
ten wir  bezweifeln.  Auch  wenn  die  Sciirift  zu  nichts  anderem  diente, 
als  die  Erinnerung  des  geschehenen  aufzubewahren,  —  was  doch  nicht 
der  Fall  ist  —  konnte  dies  immerhin  neben  yQajxfiaTojv  avv&EGiv, 
und  mit  der  Copula,  hinzugesetzt  werden.  Es  würde  das  in  das  weit- 
schichtige  Gebiet  der  Figur  fi/  Ölu  övolv  gehören,  deren  die  Allen 
sich  so  oft  bedienen.  —  Ganz  verfehlt  aber  ist  Vs.  475  die  Conjectur 
TxiiiovQ'aq  £i%og  7t))^ia  für  cii%ig.  Denn  nicht  das  kann  der  Chor  sa- 
gen wollen,  dafs  dem  Prometheus  ganz  recht  gescbehn  sei,  weil  er 
sich  nicht  zu  helfen  gewust,  und  dafs  er  also  sein  Schicksal  wohl 
verdient  habe,  sondern  nur,  es  sei  ein  schlimmes  und  einem  so  klugen 
Geiste  nicht  anständiges  Uebel ,  dafs  er ,  wie  er  so  eben  selbst  erklärt 
hat,  kein  Mittel  zu  finden  wifse ,  sich  aus  seiner  gegenwärtigen  Qual 
zu  befreien.  Damit  deutet  der  Chor  schon  an,  dafs  es  doch  wohl  ein 
solches  Mittel  geben  dürfte,  nemlich  eben  dasselbe,  das  auch  Okea- 
nos  Vs.  312  ff.  jenem  andeutete,  als  er  ihm  Sinnesänderung  empfahl, 
und  was  auch  späterhin  Vs.  1027  der  Chor  ebenfalls  anräth,  mit  dem 
Zusätze:  itid'ov'  GocpM  yag  aLG'/QOv  it,a^iaQTavELv.  Ganz  ebenso  wie 
hier  aiGyoov,  ist  an  unserer  Stelle  das  cd-Keg  nrjfia  zu  verstehen.  Den 
nächsten  Tlieil  der  Rede  des  Chors  hat  Hr.  H.  richtig  gefafst,  ohne 
sich  durch  Hermann  irre  machen  zu  lafscn;  was  wir  mit  gebühren- 


140  Härtung:  Aescliylos  Prometheus. 

dem  Lobe  anerkennen.  Aber  wenn  er  Vs.  478  die  Construction  ßeav- 
Tou  ovK  e'%£ig  evQiiu  onoloig  (paQjxccKoig  laßLfiog  für  ungriechisch  er- 
klart, weil  noch  ein  Verbuni,  also  £^,  nolhwendig  sei,  und  denen,  die 
das  nicht  eingesehn  haben,  d.  h.  allen  bisherigen  Herausgebern  ohne 
Ausnahme,  den  Uath  ertheilt,  noch  ein  bischen  mehr  griechisch  zu 
lernen,  so  fürchten  wir  sehr,  dal's  man  vielmehr  ihm  diesen  lialh  zu- 
rückgeben werde.  —  Dafs  Vs.  483  ovt£  naOTou  concinner  wäre 
als  ovT£  niörov ,  ist  richtig,  und  auch  schon  von  andern,  z.  B.  von 
Meineke  Fragm.  com.  IV  p.  380  bemerkt.  Wenn  aber  Hr.  H.  meint, 
es  könne  überhaupt  kein  niGrog  (in  diesem  Sinne)  geben,  weil  sich 
kein  niiriß^ai  finde,  so  geht  er  olfenbar  zu  weit.  Wir  erinnern  ihn 
an  Lobecks  Worte:  Graeci  in  derivandis  vocabulis  non  semper  ad 
id  quud  dictum  est,  sed  ad  id  quod  dici  potuit  animum  dirigunl 
(Proleg.  pathol.  p.  8ö).  Und  überdies  kann  es  ja  wohl  ein  reiner  Zu- 
fall sein,  dafs  sich  TceTiiö^iai.  in  den  erhaltenen  Sprachdenkmalen  nicht 
findet.  Gleich  übereilt  verdammt  Hr.  H.  Vs.  884  das  Wort  i^aorsv- 
6ai,  weil  es  sich  anderswo  nicht  linde,  obgleich  es  ein  ganz  analog 
gebildetes  ist:  derselbe  Hr.  H.,  der  uns  unbedenklich  Worte  wie 
TCQOvxeletv  und  K'}]vvy(ia  in  den  Text  gesetzt  hat.  —  Vs.  499  schreibt 
er  övv  X  ctKQCcv  oGcpvv  für  y.ai  fiaxQav  oßcpvv.  Den  Circumilex  neh- 
men Avir  gern  an;  aber  gegen  die  ci-nqu  oGcpvg^  das  blofse  Steifsbein, 
können  wir  unser  Bedenken  nicht  unterdrücken.  Hr.  H.  verlangt,  dafs 
ihm  gezeigt  werde,  was  denn  die  ft«K^a  oöcpvg  zum  Unterschiede  von 
io%ia,  i'E,vg  u.  s.  w.  sein  könne.  Damit  hoffe  ich  ihm  dienen  zu  kön- 
nen. 'H  Q^xig,  sagt  Elym.  M.  p.  636,  23,  tgetg  mavvjXLag  t%£i,  uv- 
Xt]V,  i^vij,  6(j(pvg.  Was  avxrjv  sei,  weifs  Hr.  H.  wohl:  wegen  der 
andern  beiden  verweise  ich  ihn  auf  Schol.  Od.  V,  231:  l'^vg  ro  avco^ 
oöcpvg  zo  zarco,  oder,  wenn  noch  genauere  Angabe  verlangt  wird,  auf 
Eustath.  p.  1531,  1:  Qci'/^ig  y.alelxai.  t]  auf-intf^ig  rcijv  kd  otpovövlcov, 
ü)v  OL  TtQcaroi  mxa  ovinil)]oovGi,v  ccvio  rou  XQapjkoi',  ot  de  xeXivxaloi 

ÖEX«     Kdl    7C  ivXE    X)]V    OGCpVV^    OL  ÖS  ^EGOt  ÖioÖcKCC  XOV  VttXOV  ^    OV 

it,vv  0  TtODjxfjg  liyeL.  Die  oGcpvg  ä'KQa  oder  das  Sleifsbein  opferten 
wohl  nur  die  gemeinsten  Knauser;  anständige  und  frommgesinnte  Leute 
opferten  ein  lang  ausgeschnittenes  Stück,  eine  (.lanQu  oGcpvg,  d.  h. 
ein  gutes  Theil  des  unteren  Rückgrates.  Hermann  hat  noch  den 
Schwanz  zugelegt;  natürlich  nur  für  Hrn.  H.  zum  Spafs.  —  Vs.  507 
ovöeig,  Gacp^  oida ,  [.d]  f.idxtji'  cplvGca  '&ekcov ,  ändert  unser  Kritiker  in 
Ccüp^  old\  £1  ^7]  fidxijv  q)kvGciL  &  eloL,  aus  Besorgnis  nemlich,  dafs 
die  Zuhörer  das  Participium  nicht  auf  ovöelg,  sondern  auf  den  reden- 
den selbst,  d.  h.  den  Prometheus,  bezogen  haben  würden.  Was  für 
Zuhörer  er  sich  doch  wohl  gedacht  haben  mag!  —  V.  512  schreibt  er 

für  EVEkTtLg  ElfXL  XCOvÖi  (T'   £%  ÖSG[A.äv  e'xL  kv&EVXK  IXrjÖhv  IIELOV  lG^vGelv 

Jiog,  mit  geänderter  Wortstellung  und  Interpunction:  EVEkmg  el(i  in 
XMi'ÖE,  x(av  öcGiKöv  ö'  EXL  Kxk. ,  was  entschieden  verkehrt  ist,  wenn 
auch  vielleicht  ein  Scholiast  so  gelesen  haben  mag.  Denn  abgesehn 
von  der  durch  diese  Interpunction  gebotenen  unnatürlichen  Trennung 
des   xwvÖE  von   dem  gleich  daneben  stehenden  Genetiv,    ist  es  auch 


Ilarliing:  Aescliylos  Proincllicns.  141 

schwer  zu  glauben,  dafs  der  Chor  ix  rüvös,  d.  Ii.  aus  den  Woliltlia- 
ten,  die  Prometheus  den  Mcnsclicn  wider  den  Willen  des  Zeus  erwie- 
sen, und  durch  die  er  eben,  als  Hebell,  den  Zorn  de«selben  auf  sich 
geladen  hat,  die  Hoffnung  schöpfen  könne,  jener  werde  von  seinen 
Fefseln  erlöst  werden.  —  Was  Hr.  H.  Vs.  542  für  das  handschriftliche 
iöia  yvco^cc  schreibt  l&icc  yvcojitß,  ermangelt  sowohl  was  die  Form 
als  was  die  Bedeutung  betrilTt,  der  erforderlichen  Begründung.  Da 
löici  an  sich  ganz  unanstöfsig  ist,  und  nur  wegen  der  Nichtüberein- 
stimmung des  Verses  mit  dem  strophischen  Bedenken  entstehen,  so 
lag  es  sehr  nahe,  den  Fehler  in  der  Strophe  zu  suchen,  was  Her- 
mann erkannt,  und  hier  aXkcc  für  fiaXa  geschrieben  hat,  worin  übri- 
gens schon  Bergk  vorangegangen  war  in  der  Rec.  von  Dindorfs 
Foetae  scenici,  Zeistchr.  f.  d.  Alterthumswifs.  1836  S.  46.  —  Auch 
Vs.  547  und  554  ist  in  den  Handschr.  die  Responsion  zwischen  Strophe 
und  Gegenstrophe  gestört.  Um  sie  herzustellen  setzt  Hr.  H.  in  der 
Strophe  yaQ  nach  ovTtore  hinzu,  und  verwandelt  in  der  Gegenstrophe 
den  Aorist  ccyaysg  in  ein  der  Sprache  der  Tragiker  fremdes  augment- 
loses  Imperfect  (iysg.  Jenes  yaQ  hat  auch  Bergk  a.  a.  0.  vorgeschla- 
gen ,  aber  dazu  noch  rot,  w obei  denn  ciyaysg  zu  andern  nicht  nöthig 
war.  Wenn  aber  Hr.  H.  sich  einbildet,  dafs  auch  der  Sinn  d«>s  Im- 
perfect fordere,  so  wird  es  genügen  ihn  einfach  auf  irgend  ein  Hand- 
buch der  griechischen  Antiquitäten,  Capitel  von  den  Hochzeilgebräu- 
chen, und  speciell  von  den  Epithalamien ,  zu  verweisen.  —  Dafs 
Vs.  557  für  rtvog  cc^TiXaKiag  noivag  okixsi  mit  Stephanus  notvci 
6  oAe'xei  geschrieben  ist,  wollen  wir  nicht  tadeln ;  aber  Hermanns 
Bemerkung:  gravius  verbum  oXeKSi  coniprehendit  in  se  riveig ,  durfte 
doch  nicht  so  verächtlich  mit  einem:  was  soll  man  dazu  sagen? 
abgefertigt  werden;  denn  sie  ist  vollkommen  wahr  für  jeden,  der  sie 
richtig  versteht.  —  Vs.  563  schreibt  Hr.  H.  aXvco,  cpsv  6ä^  für  das 
handschriftlich  am  besten  begründete  aXev^  d  da.  und  streicht  cpoßov- 
^ai,  was  alle  Handschriften  mit  Ausnahme  zweier  unbedeutender 
W^iener  festhalten.  Das  hat  freilich  auch  Hermann  gestrichen;  aber 
schwerlich  mit  Recht.  Nicht  übel  ist  im  nächsten  Verse  die  Conjectur 
&oXcQOv  OjUftor  für  doXiov  Ojti/xo;,  und  auch  Vs.  570  kann  sich,  wem 
Schützens  Vertheidigung  der  Vulgata  vTtvoöorav  vojxov  nicht  ge- 
nügt, Hrn.  H.s  vnvoXerav  wohl  gefallen  lafsen.  Dafs  aber  Vs.  583 
der  Chor  sein  Mitgefühl  für  die  gepeinigte  lo  nicht  habe  im  lyrischen 
Rhythmus  aussprechen  können,  wenn  er  nicht  ebenfalls  von  der  Bremse 
gestochen  oder  von  der  Tollheit  der  lo  angesteckt  war,  ist  einer  von 
den  Kraftsprüchen  unseres  Kritikers,  durch  die  er  seine  Meinungen 
in  Ermangelung  von  Gründen  geltend  zu  machen  liebt.  Ich  denke, 
in  Fragen  dieser  Art  mnfs  zunächst  die  urkundliche  Ueberlieferung 
beachtet  und  von  dieser  nur  wenn  zwingende  Gründe,  nicht  vorgefafste 
Meinungen,  entgegenstehn,  abgewichen  werden.  Hier  nun  schreiben 
alle  Handschriften  soviel  ich  weifs  ohne  Ausnahme  diesen  Vers  dem 
Chor  zu;  und  wenn  dieselben  weiter  unten  vor  dem  entsprechen- 
den Verse  602  die  Parepigraphe  weglafsen,    so  ist  dies  viel  wahr- 


142  Härtung:  Aeschylos  Prometheus. 

scheinlicher  für  ein  Versehen  zu  nehmen,  als  das  Gegentheil,  lieber- 
dies  spricht  aucli  noch  ein  grammatischer  Grund  dafür,  dafs  die  Im- 
perative öei'^ov  und  nachher  &QoeL^  f^Qc^le  nicht  von  derselben  Person 
gesprochen  seien.  Auf  diesen  Grund  ein/.ugelia  hat  Hrn.  H.  nicht  be- 
liebt: er  kann  aber,  was  im  Commentar  zum  Isaeus  p.  233,  6  nur  kurz 
angedeutet  ist,  weitlauftiger  begründet  linden  in  einem  Aufsalz  von 
Mo  II  er  in  Schneidewins  Philologus  VI  S.  115  ff.  —  Zu  Vs.  597  sieht 
sich  Hr.  H.  wieder  veranlafst,  allen  frühern  Herausgebern  einen  Ver- 
weis zu  geben,  dafs  sie  nicht  gewust  haben,  eine  Verbindung  wie 
TLveg,  0?  —  sei  ungriechisch.  Ich  meines  Theils  gestehe  trotz  dieses 
Verweises  auch  jetzt  noch  es  nicht  zu  wifsen,  und  fürchte,  dafs  nicht 
Avenige  sich  in  gleicher  Unwifsenheit  belinden.  —  Ebenso  lehrt  uns 
Hr.  H.,  Prometheus  dürfe  Vs.  616  nicht  sagen  toaovtov  ciQKco  öot  Gu- 
(p}]vi6cii  (.lövop ,  wie  alle  ihn  bisher  haben  sagen  lafsen,  sondern  es 
niüfse  ciQ'/.H  geschrieben  werden.  Mit  a^jcco,  meint  er,  würde  Pro- 
metheus sich  selbst  widersprechen,  da  er  ja  das  Gegentheil  so  eben 
durch  die  That  bewiesen  habe.  Ich  gestehe  diesen  Grund  nicht  zu 
verstehn.  Prometheus  vermag  der  lo  nicht  mehr  zu  sagen,  weil  er 
es  nicht  über  sich  gewinnen  kann,  ihr  zu  wiederholen,  was  er  schon 
A'orher  dem  Chor  ausführlich  vorgetragen  hat,  wie  er  ja  auch  Vs.  609 
diesen  Grund  andeutet.  —  Ob  Vs.  62-t  f.ia6(jov  co;  ifiol  yXv/.v  wirklich 
so  ganz  unerträglich  sei,  wie  Hr.  H.,  und  freilich  auch  sehr  ehren- 
werthe  jMänner  aufser  ihm,  gemeint  haben,  ist  eine  Frage,  die  sich  in 
der  Kürze  nicht  beantworten  läfst ;  ich  gedenke  aber  diesen  ganzen 
Gegenstand  nächstens  im  Zusammenhange  zu  besprechen  in  meines 
CoUegen  Hoefer  Zeitschrift  für  die  AVifsenschaft  der  Sprache.  — 
Vs.  633  schreibt  Hr.  H.  evrcw&  OTtov  (.lelhj  xig  ol'ßeß&ai  öay.QV  für 
OTT)]  (.liXXsi,  — .  Die  erste  dieser  Aendcrungen  ,  die  auch  schon  El- 
len dt  Lex.  Soph.  II  p.  328  empfohlen  hat,  ist  nicht  zu  tadeln,  die 
zweite  aber  ganz  unnöthig.  Ebenso  unnölhig,  oder  vielmehr  ganz 
thöricht  wird  Vs.  764  für  ov  6)Jtc(  nh]v  ayoiy'  av  ek  Ssö^atv  Xv&clg 
geschrieben  iya  avrog ,  indem  Hr.  H.  sich  einbildet,  dafs  wegen  der 
Bestimmtheit,  mit  welcher  Prometheus  vorher  von  seiner  künftigen 
Befreiung  gesprochen,  hier  äv  nicht  statthaft  sei.  Auch  Vs.  766  ist 
Tcov  öcov  xiv  avTTJg  iy.yovav  elvca  %Qcäv^  für  uvxov^  eine  Aen- 
derung,  die  uns,  wenn  wir  in  Hrn.  H.s  Ton  zu  reden  geneigt  wären, 
zu  dem  Rathe  an  ihn  veranlafsen  könnte,  erst  noch  etwas  befser  grie- 
chisch zu  lernen  und  sich  genauer  zu  unterrichten,  unter  welchen  Be- 
dingungen die  Griechen  den  Genetiv  von  uvxog  mit  dem  Possessivpro- 
nomen zu  verbinden  pllegen.  ■ —  Weswegen  Vs.  777  das  von  Elms- 
ley  zu  Soph.  Oed.  Col.  50  vorgeschlagene  {.iiiö  axL^iaa^jg  Xoyov 
dem  handschriftlichen  Xöyovg  vorgezogen  sei,  ist  uns  nicht  klar;  und 
wegen  des  Vs.  785  unbedenklich  in  den  Tezt  gesetzten  Imperativs 
Oxcßsc  möchten  wir  Hrn.  H.  rathen,  sich  über  das  Verbum  crri/iea)  etwa 
bei  Lob  eck  Technol.  p.  148  zu  erkundigen.  Unserm  Kritiker  aber 
hilft  nun  dieser  Imperativ  glücklich  aucli  über  die  Lücke  hinweg,  die 
wir  andern  hinter  diesem  Verse  angenommen  haben,  und  lo  wird  von 


Harliitig:  Acscliyl().s  Pronicllieiis.  14.J 

dem  tlirakisdicn  Bosporus,  wofür  llr.  II.  selbst  das  ()etd-Qoi'  iinsiQuv 
Öqov  erkannt  hat,  mit  einem  gewalligen  Sprunge  zu  den  Graeen  und 
Gorgonen  versetzt,  die  am  persischen  Meerbusen  hausen.  Denn  hier 
sind  die  iteöia  KLG6lvi]c,  wie  Hr.  H.  auf  meine  Veranlafsung  für  Ki- 
a&ijvrjg  gesclirieben  hat.  —  Vs.  801  schreibt  er  rrjXnvQuv  de  yrjg  für 
y'ijv  nacli  Elmsleys  Vorschlag;  in  den  Anmerkungen  aber  verwirft 
er  auch  dies,  und  will  weder  yijv  noch  yrjg.  Was  er  aber  denn  wolle, 
erfahren  wir  nicht.  —  Vs.  829  wird  geschrieben :  7TQoG)jyoQev&i]g  1] 
^Log  oiXsLin]  daf^iaQ  —  7}  dij  jxax  ai  q  ,  ei  rüvde  n^oGGcdvEL  Gere, 
für  ^iXXovG  sGeG&  ,  ei  tüvds — ,  weil  die  Worte  ^iklovG  eGe- 
G&ai,  jedesfalls  unerträglich  seien.  Unerträglich  aber  sind  sie  Hrn. 
H.  wahrscheinlich  deswegen  vorgekommen,  weil  er  die  lo  nicht  als 
erst  künftige  Gattin  des  Zeus  gedacht  wilsen  will,  sondern  schon  jetzt 
in  ihrer  verwandelten  Gestalt  von  ihm  geschwängert,  wie  es  aller- 
dings in  den  Schutzflehenden  dargestellt  wird,  wäiirend  in  unserer 
Tragoedie  AeschyUis  davon  nichts  sagt  oder  andeutet,  sondern  sie  erst 
in  Aegypten  durch  die  Berührung  des  Zeus  schwanger  werden  läfst, 
Vs.  843,  welchen  Vers  freilich  Hr.  H.  für  unecht  erklärt,  nicht  ohne 
dabei  einige  Streiche  zu  führen,  theils  gegen  Hermann,  der  vor  die- 
sem Verse  eine  Lücke  annahm,  theils  gegen  mich,  weil  ich  mich  nicht 
von  der  Nothwendigkeit  der  von  Wieseler  vorgeschlagenen,  übri- 
gens allerdings  sehr  einschmeichelnden  Aenderung  yivvi]^  acpMv  für 
yEvv^llicafov  überzeugen  konnte.  —  Vs.  853  ist  freilich  das  hand- 
schriftliche TleXctGyia  81  öi'^erac  schwerlich  richtig;  aber  was  Hr. 
H.  dafür  setzt,  nXdy'^erat,  gewis  ebensowenig.  Denn  abgesehn  von 
dieser  sonst  gar  nicht  nachweisbaren  Form  für  xXdy'E,ci,  ist  es  doch 
nicht  wohl  denkbar,  dafs  das  Land,  in  welches  die  Aegyptossöhne 
feindselig  und  gewaltsam  eingedrungen  waren,  nachher  über  ihren 
Tod  grofse  Klage  erhoben  haben  sollte.  —  Sehr  unbedacht  ist  Vs.  865 
die  Lesart  des  Med.  und  Roh.  ro'^oiGi  nXeivoig,  für  KXeivog,  aufge- 
nommen worden.  Denn  mit  seinem  Bogen  erschofs  Herakles  nur  den 
Adler,  der  an  der  Leber  des  Prometheus  frafs.  Das  konnte  aber  Pro- 
metheus hier  nicht  meinen,  wenn  er  ttovcov  i%  xmvö  if.iE  Xvgsl  sugle, 
da  zu  den  gegenwärtigen  Qualen  der  Adler  nicht  gehörte,  sondern 
erst  lange  nachher  ihn  peinigte,  als  er  nach  langer  Haft  im  Tartarus 
wieder  an  die  Überwelt  herauf  gekommen  war.  —  In  dem  folgenden 
Chorgesange  streicht  Hr.  H.  Vs.  879  die  Worte  ?}  Goq)og  rjv ,  und  in 
der  Gegenstrophe  Vs.  885  das  zweite  fn^Ttors,  füllt  aber  die  hier  vor- 
handene Lücke  des  folgenden  Verses  durch  ein  zugesetztes  nowica 
vor  MoiQca  aus.  Weit  einfacher  war  es,  mit  Hermann  die  Lücke 
nach  MoiQCiL  anzuerkennen,  und  durch  ein  passendes  Epitheton,  wie 
etwa  öiavraiai,  (vgl.  Eum.  320)  auszufüllen,  wo  es  denn  keines  Aus- 
streichens weder  in  der  Strophe  noch  in  der  Gegenstrophe  bedurfte. 
—  Vs.  891  hat  Hr.  H.  richtig  eingesehn ,  dafs  ov  öiäui  nicht  vom 
Aeschylus  geschrieben  sein  könne ;  aber  er  hätte  auch  einsehn  sollen, 
dafs  eine  Aenderung  wie  aXXa  didia  nicht  die  mindeste  Wahrschein- 
lichkeit habe,   und  dafs  das   einzig  richtige  sei,   01;   deöia  als  vom 


144  Hartling:  Aescliylos  Promelheiis. 

Rande  in  den  Text  gerathene  Erklärung  von  ucpoßog  ganz  zu  beseiti- 
gen. Ebenso  ist  richtig  eingesebn,  dafs  zu  Anfang  dieses  Verses  ort 
fiiv  falsch  sei;  aber  es  hätte  auch  eingesebn  werden  inüfsen,  dafs 
diese  Worte  schwerlich  durch  irgend  einen  Corrector  in  den  Text  ge- 
setzt, sondern  nur  statt  anderer  verschrieben  seien.  Dafs  Hr.  H. 
weiterhin  sich  in  die  Worte  ■d^säv  EQCog  äcpvKTOv  ö^^a  nQocSqÜKOL  (iE 
nicht  zu  finden  weifs,  und  deswegen  l'Qcog  herauswirft,  darin  hat  er 
Schütz  zum  Vorgänger,  und  mag  also  entschuldigt  werden.  Aber 
dafs  er  auch  ontoqa  TioQtfiog  nicht  vertragen  kann,  und  deswegen  6 
TtoQog  anoQifiog  schreibt,  ist  kaum  noch  zu  entschuldigen.  Wenn  er 
aber  gar  auch  in  den  Worten  ovk  l'xco  xig  dv  yevoL^av  sowohl  an  dem 
Indicativ  als  an  dem  rig  Anstofs  nimmt,  und  deswegen  schreibt  ovk 
k'xoi^  av  oTi  yevoiiiav,  so  ist  er  wegen  des  rtg  auf  Schäfers  Me- 
let.  crit.  p.  98,  wegen  des  Indicativs  aber  an  seine  eigne  reiflichere 
Ueberlegung  zu  verweisen,  die  ihn  hoffentlich  das  richtige  Verhält- 
nis dieses  Satzes  erkennen  lafsen  wird. 

Ich  denke  diese  Proben  werden  vollkommen  genügen,  um  die 
Beschaffenheit  der  Kritik,  die  Hr.  H.  an  dem  Texte  des  Aeschylus  ge- 
übt hat,  zu  charakterisieren,  und  ich  will  deswegen,  mit  Ueber- 
gehiing  vieler  ähnlicher,  nur  noch  einer  Stelle  gedenken,  wo  er  sich 
sowohl  in  dem,  was  er  selbst  wählt,  als  in  der  Art,  wie  er  andere 
beurtheilt,  gleich  glänzend  darstellt.  Vs,  1003  geben  die  Handschrif- 
ten ri  yaq  iklemei  ^i]  na^anaieLV  i^rovö  £vxv%fi  oder  ei  xad 
£vxv%i\  oA&v  si  xad  £vxv%Ei  o*ie.v  elta  8  evxviij^  und  es  hat 
nicht  an  manchen  mehr  oder  weniger  verfehlten  Verbefserungsvor- 
schlägen  gefehlt.  Ob  der  meinige,  el  xaö  eTtav^st;  probabel  sei, 
mögen  andere  beurtheilen;  Hr.  H.  aber  wählt  den  schlechtesten  von 
allen,  7]  xovöe  xvm^  von  dem  Hermann  mit  Reclit  sagt:  hac  senfen- 
tia  nihil  alienius  est.  Denn  das  Benehmen  des  Prometheus  ist  keine 
xv%r)^  sondern  eine  aiinkaKia ^  zumal  in  den  Augen  des  redenden,  des 
Hermes.  Die  folgenden  Worte,  xL  %ala  (xavtcau;  übersetzt  Hr.  H.: 
w^  a  s  gebricht  ihm  an  M  u  t  h  ?  und  straft  in  der  Anm.  sowohl  D  r  o  y- 
s  ens  Uebersetzung:  wie  vergäfs  er  der  Wutb?  als  die  des  Rec. : 
wie  zähmt  er  die  Wuth?  'Ein  Beispiel  von  hunderten' ruft  er 
aus  'wie  hübsch  von  erleuchteten  Philologen  die  Sprache  der  Tragi- 
ker verstanden  werde.'  Offenbar  aber  beruht  seine  Strafrede  ledig- 
lich darauf,  dafs  er  selbst  nicht  verstanden  hat,  Mas  y^aXäv  xtvog  be- 
deute. Seine  Uebersetzung  verräth,  dafs  er  xi  für  den  Nominativ 
genommen  hat.  Den  Vers  also  lüla  xi  xovös  xov  iiaxijv  (pQOvq^a- 
xog  würde  er  zu  verstehen  und  zu  beherzigen  ganz  aufser  Stande  sein. 

Da  einmal  der  Uebersetzung  des  Hrn.  H.  gedacht  worden  ist,  so 
mögen  bei  dieser  Gelegenheit  auch  darüber  noch  ein  paar  Worte  ge- 
sagt werden,  obgleich  es  anfangs  meine  Absicht  war,  sie  ganz  mit 
Stillschweigen  zu  übergehen.  Dafs  ein  strenges  Mafs  an  diese  Art 
von  Leistungen  unseres  rüstigen  Schreibers  nicht  gelegt  werden  dürfe, 
ist  ja  wohl  jedem  bekannt.  Wer  aber  auf  künstlerische ,  dem  Ton 
und  Charakter  des  Originals  etwanig  entsprechende  Nachbildung  keinen 


Härtung':  Aeschylos  Prometheus.  145 

Anspruch  macht,  sondern  sich  begnügt,  den  Sinn  im  ganzen  gram- 
malisch und  lexilogisch  richtig  auf  der  gegenüberstehenden  Seite  an- 
gegeben zu  finden,  dem  mögen  auch  solche  Ueberselzungen  nicht  un- 
willkommen sein.  Indessen  dürfte  das  Publicum,  dem  dergleichen 
genügt,  zum  grofsen  Tlieil  wohl  nur  aus  denen  bestehn,  die  überhaupt 
nach  Ausgaben  der  Classiker  mit  gegenüberstehender  Ueberselzung, 
wie  sie  von  speculi-erenden  Sosiern  der  liehen  Jugend  zur  Erleich- 
terung ihrer  Studien  in  die  Ilünde  gespielt  werden,  zu  greifen  pfle- 
gen. Und  es  gibt  argwöhnische  Leute,  welche  nicht  abgeneigt  sind, 
auch  Hrn.  H.s  Ausgaben  zu  dieser  Classe  zu  zahlen,  und  das  Beiwerk 
von  prüfenden  und  erklärenden  Anmerkungen  eben  auch  nur  als  Bei- 
werk anzusehen,  um  den  eigentlichen  Hauptzweck  zu  verdecken,  zu- 
gleich aber  auch  den  Herausgeber  in  den  Augen  seines  Publicums  zu 
heben,  als  einen  gewaltigen,  zum  Praeceptor,  nicht  blofs  seines  Gym- 
nasii ,  sondern  sämmtlicher  Philologen  berufenen  Meister.  Ich  jedoch 
bin  fest  überzeugt,  dafs  mit  solchem  Argwohn  dem  Hin.  H.  das  gröfste 
Unrecht  gelhan  werde;  ich  zweifle  durchaus  nicht  daran,  dafs  er  der 
Meinung  sei,  durch  seine  Arbeiten  unsere  Litteralur  wesentlich  be- 
reichert und  andern  ein  Vorbild  gegeben  zu  haben,  dem  sie  nach- 
eifern sollen.  So  werden  denn  auch  die  Uebersetzer  der  alten  Dich- 
ter sich  manche  theils  ausdrücklieh  theils  stillschweigend  gegebeneu 
Belehrungen  und  Winke  zu  Nutze  zu  machen  haben.  So  z.  B.  kön- 
nen sie  von  ihm  lernen,  wie  man  neue  Wörter  oder  Wortformen  zu 
bilden,  wie  man  ungebräuchliche  Verbindungen  zu  gebrauchen  oder 
gemeine  Ausdrücke  zu  adeln  habe.  Ich  gebe  einige  Proben  per  sn- 
turom,  wie  sie  mir  beim  Durchblättern  in  die  Augen  fallen.  Stählne 
Bande  für  stählerne  Vs.  6;  wetterstur me  Kluft  Vs.  15;  Bar- 
m  e  n  für  Erbarmen  Vs.  36 ;  den  schwebigen  Sitz  Vs.  283 ;  w  e  i  t- 
streckige  Bahn  Vs.  289;  selbschaffne  Grotten  Vs.  306;  gen 
den  Stachel  löken  (weil  ja  doch  gen  Osten,  gen  Westen  ge- 
sagt wird)  Vs.  328;  angstzittrige  Wangen  Vs.  406;  ei  gen  rich- 
tiger Sinn  Vs.  542;  s  tache  1  w  ü  th  i  ge  Aengsten  Vs.  575  und  das 
stach  elwüthge  Mädchen  Vs.  584,  welches  biesend  fortrennt  Vs. 
830;  ein  ungeladner  Fleischerknecht  Vs.  1014,  der  dem  Prome- 
theus die  Leber  zerfleischt,  und  dergleichen  vieles.  Auch  auf  dem 
Gebiete  der  formellen  oder  syntaktischen  Figuren  stellt  Hr.  H.  nach- 
ahmungswürdige  Muster  auf,  z.  B.  Apokopen  wie  das  endentschei- 
dend Schicksal  Vs.  514  (worin  sich  zugleich  ein  feines  Ohr  für 
den  Wohlklang  offenbart ,  Avie  in  Vs.  851  erscheinen  einen  mei- 
denswerthen  Ehgenufs);  das  übrig  Leiden  Vs.  737;  Auslafsung 
des  Artikels,  wie  Vs.  85:  mit  falschem  Namen  wirst  du  Vorbedacht 
genannt  von  Geistern  (d.  h.  von  den  Göttern,  wie  auch  Vs.  203 
die  Geister-Mächte  in  Groll  gerathen,  233  Zeus  den  Geistern 
Rechte  austheilt),  und  Vs.  357:  auch  sah  ich  mit  Bedauern  dort  K  i- 
likjens  Hö  hl  enwohner,  hundertköpfigen.  Der  Artikel  macht 
allerdings  den  Uebersetzern  nicht  selten  grofse  Unbequemlichkeit,  und 
sie  werden   es  Hrn.  H.  Dank  wifsen,  dafs  er  sie  lehrt,  wie  sie  sich 

.-V.  J(i/irh.  f.  Phil.  u.  I'ueil.    Bil.  LXVII.    Hft.  1.  10 


146  Härtung:  Aeschylos  Prometheus. 

dessen  entledigen  können.  Auch  das  können  sie  von  ihm  lernen,  wie 
man  in  Fällen,  wo  die  Worte  den  Vers  nicht  füllen  wollen,  diesem 
Mangel  dadurch  abhelfen  kann,  dafs  man,  was  im  Original  einmal  ge- 
sagt ist,  in  der  Uebersetzung  zweimal  sagt,  wie  Vs.35  iür  xQu^vg  ge- 
streng und  hart,  Vs.  93  für  6iaKvai.6(ievog  gequält  und  gemar- 
tert, Vs.  112  i\\r  a^TtXaxij^arav  die  Schuld,  der  Frevel,  Vs. 
204  für  ördöig  Zwietracht  und  Hader,  Vs.  310  f.  GvyKaraörrj- 
öavra  gründen  und  aufrichten  half,  Vs.  463  f.  yQafiiidxcov  <3vi>- 
'd'iöstg  Laut-  und  S  ylb  ens  ehr  i  ft,  wobei  freilich  die  Frage,  was 
es  denn  im  Alterthum  für  eine  Sylbenschrift  neben  der  Lautschrift  ge- 
geben haDen  möge,  nicht  wird  aufgeworfen  werden  dürfen.  Auch 
sonstige  Muster  von  geistreich  treuer  Uebersetzung  fehlen  nicht,  unter 
welchen  namentlich  eins  bemerkt  zu  werden  verdient,  Vs.  501,  wo 
Prometheus  die  Flammenzeichen,  die  vom  Staar  behaftet 
waren,  sehend  erst  gemacht;  da  man  sonst  wohl  dergleichen 
treue  Uebersetzung  als  eigentlich  ungetreu  zu  tadeln  pflegt.  Dafs  es 
auch  im  prosodischen  und  metrischen  nicht  an  belehrenden  Beispielen 
fehle,  versteht  sich  wohl  von  selbst;  ganz  besonders  aber  machen  wir 
auf  die  geschickte  Nachbildung  des  dochmischen  Rhythmus  aufmerk- 
sam ,  wie  Vs.  570 :  schwirret  schlaftödtende  Weisen,  laut- 
schallend, o  weh,  0  Gott!  Vs.  588:  Rede,  wie  ward  dir  mein 
Vater,  der  Name  kund?  Vs.  589:  Sag  es  mir  Dulderin! 
Wer,  0  Unseliger,  bist  du  der  —  Vs.  597 :  Die  mich  ver- 
folgt mit  ra  chs  ü  eh  t  igem  Her  zen,  wo  leidet  je  solcher- 
lei Qual  ein  Unglückseiger,  solche  Martern?  in  welchen 
Versen  man,  um  den  Rhythmus  herauszuhören,  blofs  in  einigen  Wör- 
tern die  gewöhnliche  Betonung  ein  Menig  zu  ändern,  und  tödtende, 
schallend,  rede,  Vater,  süchtigem,  und  für  solcherlei 
wahrscheinlich  mit  einer  unschuldigen  Synkope  solchlei  zu  lesen 
braucht.  Auch  noch  eine  andere  interessante  Belehrung  ist  aus  eben 
dieser  Partie  zu  entnehmen.  Vs.  583  nkveig  (pd^iy^a  rag  ßovnsQco 
7tciQ&£vov;  lautet  in  der  Uebersetzung:  Du  hörst  doch  den  Ruf 
hier  der  rind  förmigen  Jungfrau?  wo,  wie  man  sieht,  die 
Jungfrau,  mag  sie  nun  als  Jungfer  trochaeisch,  oder  mag  sie  iam- 
bisch  oder  spondeisch  zu  mefsen  sein,  jedesfalls  das  Mafs  überschrei- 
tet; dagegen  die  Uebersetzung  des  entsprechenden  Verses,  602,  ^Qoei, 
(pQtt^s  ra  övaTtXova  na^d-ha,  lautet  so:  Sag'  an,  sprich  zur  irr- 
sePgen  Jungfrau,  wo  die  Jungfrau  zwar  spondeisches  Mafs  hat, 
aber  daneben  auch  noch  einen  ganzen  fehlenden  lambus  mit  vertreten 
mufs.  Wahrscheinlich  hat  uns  der  Uebersetzer  nur  an  diesem  Bei- 
spiel zeigen  wollen,  wie  man  bei  respondierenden  Versen,  was  man 
dem  einen  zulegt,  dafür  dem  andern  abziehn  müfse. 

Hr.  H.  würde  sich  mit  Recht  beschweren  können,  wenn  wir  nun 
nicht  auch  noch  auf  seine  erklärenden  Anmerkungen  einen  Blick  wür- 
fen. Einzelnes  daraus  ist  allerdings  schon  oben  gelegentlich  erwähnt 
worden ;  aber  es  gibt  des  erwähnenswerthen  so  vieles ,  dafs  wir, 
wenn  auch  das  meiste  des  Raumes  wegen  übergangen  werden  mufs. 


Harlimg:  Aeschylos  Prometheus.  147 

(loch  einiges  wenigstens  herauszuheben  uns  verpfliclilel  fühlen.  Also 
7.U  Vs.  12  bemerkt  Hr.  IL,  dafs  man  Unrecht  lljue,  Kqcxrog  und  Bia 
für  zwei  Personen  zu  halten.  Es  sei  nur  eine  Person  unter  beiden 
Namen  zu  verstehn,  und  das  ßcpau,  was  die  Handschr.  in  jenem  Verse 
haben,  entweder  in  aoi  la  verwandeln,  oder  auch  anzunehmen ,  dafs 
Ehrenhalber  die  eine  Person  im  Dualis,  als  einem  nianerus  maieslati- 
cus^  angeredet  werde.  — ■  Zu  Vs.  74  und  79  stimmt  Ilr.  H.  denjenigen 
bei,  welche  den  die  Rolle  des  Prometheus  spielenden  Schauspieler 
in  einem  Bilde  —  einem  Futteral,  sagt  Hr.  H.  —  verborgen  sein 
lafsen,  und  wir  verkennen  nicht,  wie  schwer  das  Gewicht  seiner  Zu- 
stimmung in  die  Wagschale  falle.  Nur  darüber  können  wir  unser  Be- 
denken nicht  verhehlen,  wie  er,  der  dem  im  Futteral  steckenden  Pro- 
metheus allerhöchstens  eine  Bewegung  des  Kopfes  zugesteht,  ihn 
doch  Vs.  J60  sagen  lafst,  dafs  er  als  Gespenst  in  der  Luft  schwe- 
be, und  Vs.  95  dafs  er  sich  winde  in  Qual,  —  in  diesem  Fut- 
teral? denkt  man  unwillkürlich  dazu.  Und  ferner  wenn  in  den  Worten 
des  Kratos  an  Hephaestos,  %cÖqei,  kccvco,  die  Riesengröfse  des  angena- 
gelten Gottes  angedeutet  sein  soll,  so  mufs,  deucht  mir,  auch  ange- 
nommen werden ,  dafs  der  annagelnde  Gott  beträchtlich  kleiner  gewe- 
sen sei.  Ob  diese  Annahme  wahrscheinlich  sei ,  mögen  andere  ent- 
scheiden. — •  Zu  Vs.  21i  erklärt  sich  Hr.  H.  mit  Recht  gegen  die  Mei- 
nung derer,  die  in  diesem  Verse  Fcda  nur  als  einen  andern  Namen  der 
im  vorhergehenden  Verse  genannten  Themis  angesehn  haben;  aber  er 
selbst  weifs  nun  nichts  anders  mit  jenem  Verse  anzufangen,  als  ihn 
für  unecht  zu  erklären,  worin  ihm  schon  Schütz  vorangegangen  ist. 
Dies  ist  nun  zwar  eine  leichte  Art,  sich  mit  einem  unbequemen  Verse 
abzufinden,  aber  schwerlich  kritisch,  insofern  einerseits  sich  nicht 
recht  absehn  läfst,  Avas  einen  Interpolator  bewogen  haben  sollte,  den 
unechten  Vers  einzuschwärzen,  andererseits  aber  auch  die  Gründe, 
weswegen  die  Worte  des  Prometheus  nicht  den  Sinn  haben  könnten, 
den  andere  darin  gefunden  haben ,  nemlich  dafs  sowohl  seine  3Iulter 
Themis  als  auch  Gaea,  die  Mutter  der  Themis,  ihm  den  Ausgang  ge- 
weissagt habe,  wenig  stichhaltig  sind.  Hrn.  H.  freilich  scheint  "^  die 
Betrachtung  des  Verbi  Tt^ovred-eöTtiKei ,  im  Singular,  allein  schon  zu 
genügen,  um  diese  Deutung  zu  widerlegen.'  Diesen  Grund  hat  schon 
Schneider  als  nichtig  erwiesen,  und  ich  könnte  dem  von  diesem 
angeführten  noch  einiges  hinzufügen,  wenn  es  mir  hier  der  ölühe  werth 
schiene.  Hr.  H.  behauptet  ferner,  Gaea  für  sich  allein  habe  nie  die 
Gabe  der  Weissagung  besefsen,  sondern  wenn  sie  weissagen  sollte, 
müste  sie  mit  der  Themis  ein  Wesen  sein,  und  wenn  es  heifse,  dafs 
Themis  das  (delphische)  Orakel  von  der  Gaea  überkommen  (Eumen. 
zu  Anf.),  so  beziehe  sich  das  theils  auf  derartige  Orakel,  wie  das 
des  Trophonios  war,  —  wie  dies  möglich  sei,  gestehe  ich  nicht  zu 
begreifen  — ■  theils  auch  auf  die  Erdkluft  zu  Delphi,  aus  welcher  der 
begeisternde  Hauch  hervorquoll.  Zur  Widerlegung  solcher  Einbildung 
genügt  es  auf  die  Hesiodische  Theogonie  zu  verweisen,  wo  Vs.  463.475 
Gaea  mit  Uranos  dem  Kronos  ganz  ebenso  das  bevorstehende  vorher- 

10* 


148  Härtung :  Aeschylos  Prometheus. 

sagt  wie  jetzt  dem  Prometheus,  und  Vs.  494,  wo  sie  der  Rhea  die  Art 
und  Weise  angibt,  wie  Zeus  zu  erhalten  sei,  oder  Vs.  625,  wo  sie 
dem  Zeus  den  Sieg  weissagt,  wenn  er  die  Heltatoncheiren  zu  Mitstrei- 
tern habe.  Hrn.  H.s  dritter  Grund  endlich,  die  Erde  sei  ja  so  eben 
in  Verbindung  mit  den  Titanen  genannt  worden  (er  meint  Vs.  209 
TLXcii'sg  Ovquvov  te  Kctl  X&ovog  xiKva)^  und  wenn  sie  also  Ralh  er- 
theilen  wollte,  so  hätte  sie  befscr  gethan  ,  sich  an  diese  ihre  Sühne 
unmittelbar  zu  wenden :  dieser  Grund  bedarf  ja  wohl  kaum  einer 
ernsthaften  Widerlegung.  Mag  Gaea  immerhin  sich  auch  unmittelbar 
an  ihre  Söhne  gewandt  haben;  dies  zu  berichten,  war  für  den  Prome- 
theus ganz  unnöthig,  da  es  ihm  nur  darauf  ankam,  die  ihm  ertheilte 
Weissagung  zu  erwähnen,  durch  die  er  zu  seiner  Handlungsweise  be- 
stimmt war.  —  Zu  Vs.  514  bemerkt  Hr.  H.,  die  Construction  sei  diese: 
ovitoo  MoiQcc  reXeßcpOQog  nenQanat ^  coGrs  ravra  rccvri]  ugavcci.  Sehr 
oft  finde  sich  so  ein  activer  Infinitiv  gebraucht,  wo  man  einen  passi- 
ven erwartete.  Dabei  wird  der  Rec.  getadelt,  dafs  er  dies  übersehend 
auf  den  Einfall  gerathen  sei ,  7T£7tQ(orat  sei  hier  als  Medium  (will  sa- 
gen Activum ,  berichtigt  Hr.  H.)  zu  fafsen.  Ich  gestehe,  dal's  es  mir 
nicht  möglich  ist ,  aus  diesen  Worten  die  eigentliche  3Ieinung  des  Er- 
klärers zu  erkennen.  Seine  Ucbersetzung  ^  Noch  hat  das  endentschei- 
dend Schicksal  dieses  nicht  der  Art  beschlofsen'  scheint  zu  verrathen, 
dafs  auch  er,  als  er  so  übersetzte,  ninqaxai  als  Medium,  oder,  wenn 
er  dies  lieher  will ,  als  Activum  genommen  habe.  Nachher  hat  er  sich 
denn  freilich  eines  andern  besonnen ;  und  allerdings  niitQcoTat,  als 
Activum  zu  nehmen  war  ebenso  unnöthig  als  unzuläfsig.  Als  Medium 
aber  haben  doch  wenigstens  das  Participium  Trengco^ivi]  wohl  diejeni- 
gen genommen,  welche  die  Moira ,  als  Person  und  Göttin  der  Schick- 
salsfügung, auch  UenQCOfiei'r}  nannten,  wie  z.  B.  Pausan.  VHI,  21,  2. 
Denn  passiv,  durch  irgend  eine  höhere  Macht  zur  Fügung  des  Schick- 
sals bestimmt,  dachten  sie  doch  diese  Gottheit  wohl  schwerlich,  son- 
dern als  sich  selbst  so  oder  so  bestimmend.  Was  nun  aber  Hrn.  H.s 
Erklärung  betrifft,  so  ist  mir  darin  nur  soviel  klar,  dafs  er  niTTQcorac, 
da  er  es  weder  als  Medium  noeh  als  Activum  gelten  lafsen  will,  für 
das  Passivum  genommen  habe:  und  daran  hat  er  denn,  wie  ich  jetzt 
glaube,  auch  nicht  Unrecht  gethan.  Aber  dann  durfte  er  auch  Moiqu 
nicht  als  Person  betrachten ;  denn  eine  passive  Moira  ist  nicht  denk- 
bar. Was  er  aber  nun  über  KQuvai  hinzufügt,  sehr  oft  werde  so 
ein  activer  Infinitiv  gebraucht,  wo  wir  einen  passiven  erwarteten, 
das  würde,  wenn  er  das  so  weggelafsen  hätte,  eine  bekannte  und 
unleugbare  Wahrheit  enthalten,  die  aber  gar  nicht  hicher  gehört;  mit 
dem  s  0  ist  es  eine  Unwahrheit.  Hr.  H.  hätte  mit  den  meisten  andern 
Auslegern  iioiQa  als  Loos  oder  Schicksalsfügung,  nicht  als  Person, 
nehmen  müfsen,  ohne  sich  durch  das  xE\Ea(p6Qog  irre  machen  zu  la- 
fsen; von  der  die  Sache  zum  Ziel  führenden  Schicksalsfügung  aber,  der 
^olqa  xsXeöcpoQog ,  konnte  der  Dichter  sehr  wohl  sagen,  dafs  sie  die- 
selbe so  oder  so  vollende,  gleichsam  die  KQavxeiQCi  sei.  —  Was  Hr. 
n.  über  die  Irren  der  lo  vorträgt,  dürfen  wir  uns  um  so  mehr  mit 


Härtung :  Aescliylos  Protnelheus.  149 

SUIlschvveigen  zu  iiber^^elin  cilaiihcn,  da  er  selbst  keinen  Werth  dar- 
aiil'  legi.  Nur  eins  wollen  wir  im  Vorbeigelin  bemerken:  daTs  nemlich 
nnler  ZaX^vdriala  yvaO'og  Vs.  720  die  Symplegaden  verstanden  wer- 
<len  sollen,  deutlich  bezeichnet,  meint  Hr.  H.,  als  zusanimcnsciilagcnde 
Kinnbacken.  Wir  erlauben  uns  dagegen,  ihn  an  die  Eselskinnbacken 
an  der  lakonischen  Küste  zu  erinnern  und  zugleich  auf  Lobecks 
Proleg.  palhol.  p.  149  zu  verweisen.  Auch  hinsichtlich  der  vom  Dich- 
ter als  uKQayilq  Kvvsg  bezeichneten  (ireifen  Vs.  797  dürfte  es  rälhli- 
cher  gewesen  sein,  den  früheren  Erkliirern ,  zu  denen  noch  Dindorf 
Tom.  II!  der  Oxforder  Ausg.  praef.  p.  XVIII  und  Lob  eck  Pathol.  elem.  I 
p.  36  genannt  werden  mögen,  Geliör  zu  geben,  als  sich  zu  der  wun- 
derlichen Vernuilhung  verlocken  zu  lafsen,  dafs  das  Wort  von  Kqri- 
yvov  herkomme  oder  doch  mit  ihm  einerlei  Stammes  sei.  Weit  wun- 
derlicher aber  als  diese  Vermuthung  ist  die  Entdeckung,  die  uns  zu 
Vs.  lOlö  mitgelheilt  wird,  dafs  rinaq  das  Herz  sei  und  nicht  die  Le- 
ber. Anfangs  schmeichelten  wir  uns  mit  der  Hoffnung,  Hr.  H.  wolle 
uns  nur  darüber  belehren,  dafs  die  Alten  oftmals  die  Leber  als  den 
Sitz  der  Leidenschaften  und  Begierden  nennen,  wo  wir  das  Herz  zu 
nennen  pflegen,  und  dafs  daher  an  solchen  Stellen  ein  Uebersetzer 
wohl  thue,  diesen  Ausdruck  für  jenen  zu  setzen,  wie  denn  er  selbst 
auch  in  seiner  Uebersetzung  das  dunkelblutge  Herz  statt  des 
v,£hxiv6ßQ(orov  yinuQ  zerfleischt  w  erden  läfst.  Indessen  da  uns  Hr.  H. 
auf  seine  Note  zu  Soph.  Trach.  899  verwies,  so  durften  wir  nicht  un- 
terlafsen,  uns  hier  nach  näherer  Belehrung  nmzusehn:  und  da  fanden 
wir  denn  zu  unserer  Beschämung,  wie  sehr  wir  uns  geirrt  hatten. 
'H-jxciQ  ist  das  Herz,  heifst  es  hier,  Kagöia  dagegen  (ist  nicht  das 
Herz  sondern)  der  Magen.  Für  dies  letztere  citiert  Hr.  H.  als  Be- 
weisstelle Thucyd.  II,  49;  es  hätte  aber  eines  so  gelehrten  Citates 
wohl  kaum  bedurft;  denn  dafs  Kardia  bisweilen  auch  die  Magengegend 
(die  Herzgrube),  auch  den  Magenmuud,  auch  sogar  den  Magen  über- 
haupt bedeute,  lehrt  ja  wohl  jedes  beliebige  Lexikon;  dafs  aber  naQ- 
diK  nur  der  Magen,  nicht  das  Herz  sei,  diese  Entdeckung  war  Hrn.  H. 
vorbehalten.  Demgemäfs  werden  also  seine  Schüler,  wenn  sie  etwa 
bei  einem  Tragiker  to  taXatva  xaQÖLa  lesen,  dies  als  eine  Klage  über 
Magenweh  aufzufafsen  haben ,  und  wenn  sie  bei  Homer  Ausdrücke  fin- 
den wie  a&evog  (OQßev  SKccGto)  ■KaqSii]^  daraus  entnehmen  können,  dafs 
den  Homerischen  Helden  Muth  und  Kraft  im  Magen  gesefsen  habe. 
Ihr  Herz  dagegen  müfsen  diese  Helden  nicht  dort  gehabt  haben,  wo 
es  den  heutigen  Menschen  sitzt,  sondern  mehr  im  Unterleibe,  unter- 
halb des  Zwerchfells;  denn  es  heifst  ja  oft  genug  rptaq  vtio  TCQani-' 
dcov.  Vor  solcher  Anatomie  möchte  denn  doch  dem  Lehrer  selbst 
bange  werden.  Zu  seiner  Beruhigung  wollen  wir  ihm  mittheilen,  wo 
er  sich  über  diesen  ihm  noch  so  dunklen  Gegenstand  Aufklärung  ver- 
schaffen kann,  nemlich  bei  Plato  im  Timaeus,  wo  p.  70  B  von  der  kc<q- 
dici  und  p.  71  B  von  dem  rptaQ  gehandelt  und  auch  angegeben  wird, 
weswegen  man  die  Leber  als  den  Sitz  der  Leidenschaften  und  Begier- 
den angesehn  habe. 


150  Härtung:  Aeschylos  Prometheus. 

Fast  hätte  ich  vergefsen,  auch  die  Anmerkung  zu  Vs.  661  noch 
zu  berücksichligcn ,  wo  Hr.  H.  die  Uebersetzung  von  acpexog  durch 
gott geweiht  nicht  gelten  lafsen  will.  Sein  Grund  ist  leicht  zu  er- 
kennen. Er  hat  bei  Blomfield  gelesen,  acperog  werde  gesagt  de 
iis  animalibus,  quae  in  templorum  usum  a  ceteris  segrcf/ata  li- 
bere  vacjari  paliehontur ^  was  ihn  an  Schlachtung  und  Opfermahlzeiten 
zu  denken  verleitet;  und  da  nun  lo  doch  nicht  geschlachtet  werden 
sollte,  so  kann,  schliefst  er,  acpsrog  auch  hier  nicht  gottgeweiht 
bedeuten.  Einem  Griechen  indessen  muste  es  gewis  sehr  nahe  liegen, 
in  diesem  Zusammenhange,  wo  von  einem  göttlichen  Befehl  die  Rede 
ist,  auch  das  acparog  in  Beziehung  zu  der  Gottheit  zu  denken,  von 
welcher  der  Befehl  ausgegangen  war.  Uebrigens  ergeht  es  der  armen 
lo  durch  Hrn.  H.s  scharfsinnige  Erklärungsweise  sehr  schlimm;  schlim- 
mer noch,  als  in  der  alten  Fabel  durch  den  Groll  der  Hera.  Denn 
hier  verliert  sie  doch  nur  ihre  Gestalt  und  mufs  von  der  Bremse  ver- 
folgt irr  und  unstet  umherschweifen;  bei  jenem  verliert  sie  Zucht  und 
Scham,  und  mufs,  wenn  anders  mit  ihrer  Gestalt  nicht  auch  ihre  Sitte 
umgewandelt  ist,  als  Kuh  nicht  blofs  b lesen,  wie  es  Vs.  830  heilst, 
sondern  auch  rindern.  Sie  ist  neinlich,  wie  die  Anm.  zu  Vs.  898 
besagt,  Svegen  ihrer  Verliebtheit  vom  Vater  aus  dem 
Hause  gestofsen  worden',  und  die  Einleitung  gibt  S.  17  darüber 
folgende  nähere  Erklärung.  Iowarein  'vollsaftiges  Mädchen, 
die  ohne  zu  wifsen  wie  ihr  geschah  verliebte  Träume 
hatte';  aber  sie  wollte  zugleich  mit  ihrer  Verliebtheit  gar  hoch  hin- 
aus, ihre  Begierden  waren  nicht  auf  irgend  einen  sterblichen,  sondern 
auf  keinen  geringern  als  den  Zeus  selbst  gerichtet.  Hir  Vater  fand 
sich  deswegen  bewogen,  bei  dem  Gott,  'von  dem  die  Dirne 
träumte,  die  Bestätigung  solcher  Traumgebilde  einzu- 
holen, und  nicht  eher  das  Mädchen  hinauszulafsen,  um 
in  Wald  und  Feld  umherzuschweifen  und  dem  geträum- 
ten, in  irgend  eine  Gestalt  verwandelten  Sponscn  zu 
begegnen.'  So  schmutzig  wird  unter  Hrn.  H.s  Händen  das  Bild, 
das  uns  der  alte  Dichter  mit  grofser,  freilich  für  Ausleger  dieses 
Schlages  allzu  grofser  Zartheit  hingestellt  hat.  Bei  jenem  ist  lo  so 
weit  von  verliebten  Gelüsten  entfernt,  dafs  sie  vielmehr  der  ^^  erbung, 
die  der  Gott  im  Traum  an  sie  ergehn  läfst.  Sträuben  und  AViderstre- 
ben  entgegensetzt;  bei  diesem,  der  zu  aufgeklärt  ist,  um  nicht  zu 
wifsen,  dafs  Träume  nicht  von  einem  Gotte  gesandt  werden,  sondern 
aus  dem  Blute  kommen,  sind  natürlich  auch  los  Träume  nichts  anders  als 
eine  Folge  ihrer  verliebten  Complexion.  Bei  Aeschylus  wird  sie  durch 
ihre  Traumgesichte  geängstet,  und  diese  Angst  treibt  sie  an,  dem 
Vater  davon  zu  sagen;  nach  Hrn.  H.  ist  ihre  Verliebtheit  so  mafs-  und 
schamlos,  dafs  sie  sich  deswegen  nicht  entblödet,  ihren  Vater  anzu- 
gehn,  um  von  ihm  die  Freiheit  zu  erhalten,  der  Befriedigung  ihres 
Gelüstes  nachzulaufen.  Bei  Aeschylus  gebietet  der  Gott  unter  Dro- 
hungen, die  lo  als  ein  ihm  geweihtes  Eigenthum  aus  dem  Hause  zu 
entlafsen,    und  ungern  nur  gehorcht  nicht  blofs  der  Vater,  sondern 


Härtung;  Aeschylos  Prometheus.  1.51 

auch  sie  selber  dem  Gebote;  nach  Hrn.  H.  mufs  wenigstens  sie  selber 
gern  gehorcht  haben,  »eil  sie  ja  so  die  Erfüllung  ihrer  Liebesträume 
erwarten  und  holTen  konnte  'dem  geträumten,  in  irgend  eine  Gestalt 
verwandelten  Sponscn  baldigst  zu  begegnen.'  Und  so  ist  denn  auch 
die  aars(}'yc(i'coQ  TTaQd-si'La  ^  von  welcher  der  Chor  Vs.  888  singt,  nach 
Hrn.  H.  in  der  That  nichts  anderes,  als  eine  nur  besonders  modifi- 
cierte  Art  von  Mannstollheit.  Der  richtigen  Deutung  dieses  Ausdrucks, 
die  auch  Hermann,  wie  sich  erwarten  liefs ,  vertheidigt  hat,  sucht 
er  durch  die  Ausilucht  zu  entgehn,  dafs  damit  nur  Abneigung  gegen 
sterbliche  Jlänner ,  nicht  gegen  Männer  überhaupt  gemeint  sei,  weil  ja 
bekanntlich  oft  genug  die  ävÖQeg  den  'd'soig  entgegengesetzt  werden. 
^Hermann'  sagt  er  S.  170  *  übersetzt  das  Wort  durch  non 
amans  alic  uius  viri;  wir  aber  durch  non  amans  viro- 
r  um  mor  ta  iium.  Wie  w  i  1 1  e r  uns  das  w  ehren?'  —  Wir 
wahrlich  wollen  es  ihm  nicht  wehren,  wenn  es  ihm  denn  doch  einmal 
so  beliebt.  Wir  würden  ihm  auch  das  nicht  wehren ,  wenn  er  Vs.  666 
ciKovöav  in  ixovoav  verwandelte.  Oder  ist  dies  äzovßav  vielleicht 
noch  ein  Rest  von  Scham,  der  die  verliebte  Dirne  abhielt,  ihre  wahre 
Herzensneigung  zu  gestehn ,  womit  sie  aber  doch  einen  Kenner  wie 
Hrn.  H.  nicht  täuschen  kann? 

Nach  dieser  Probe  von  Hrn.  H.s  Auffafsung  werden  unsere  Leser 
schon  von  selbst  erratiien,  wie  er  sich  in  den  Sinn  und  die  Bedeutung  der 
ganzen  Tragoedie  hineingefunden  haben  möge,  worüber  er  sich  in  der 
Einleitung  vernehmen  läfst.  Von  einer  zusammenhängenden  Irilogi- 
schen  Behandlung  der  Prometheischen  Fabel  darf  natürlich  keine  Rede 
sein,  und  damit  ist  denn  auch  jede  Möglichkeit  abgeschnitten,  unsere 
Tragoedie  in  Uebereinstimmung  mit  derjenigen  Weltanschauung  und 
Behandlungsart  der  Götterfabel  aufzufafsen ,  die  uns  in  allen  übri- 
gen Stücken  des  Aeschylus  ohne  Ausnahme  entgegentritt.  Hr.  H.  weifs 
hiervon  so  wenig,  dafs  er  ganz  naiv  den  Standpunkt  des  Aeschylus 
mit  dem  des  Homer  identificiert  und  diejenigen,  die  dem  Tragiker 
einen  höhern  Standpunkt  anweisen,  beschuldigt,  dafs  sie  ihn  zum  hal- 
ben Christen  machen  wollen.  Es  war  zu  erwarten,  dafs  wir  die  alte 
Leier  wieder  zu  hören  bekommen  würden.  Wenn  aber  Hr.  H.  hinzu- 
setzt 'zum  halben  Christen,  will  sagen  Deisten',  so  möchte 
ich  doch  wifsen,was  er  sich  eigentlich  unter  einem  Christen,  was 
unter  einem  Deisten  denke,  und  in  wiefern  er  den  polytheistischen 
Glauben  des  Aeschylus  durch  mich  gefährdet  achte.  Aeschylus  ist  und 
bleibt  auch  bei  mir  ein  Polytheist  und  ein  Heide;  aber  das  macht  ihn 
mir  so  vor  allen  andern  griechischen  Dichtern  bewundernswürdig,  dafs 
bei  keinem,  ohne  Ausnahme  bei  keinem,  sich  ein  so  reiner  und  inni- 
ger religiöser  Sinn  und  solche  Weisheit  in  der  Behandlung  der  mythi- 
then  Dinge  diesem  Sinne  gemäfs  findet,  wobei  denn  freilich  zugestan- 
den werden  mufs,  dafs  er  sich  unmöglich  ganz  von  dem  Standpunkte 
seiner  Nation  und  seiner  Zeit  zu  erheben  vermochte.  —  Ich  habe  mir 
erlaubt,  diese  schon  vor  mehreren  Jahren  geschriebenen  Worte  hier 
zu  wiederholen ,  weil  ich  von  ihrer  Wahrheit  je  länger  desto  mehr 


152        Zell:  Handbuch  der  römischen  Epigraphik.    Ir  Theil, 

überzeugt  bin.  Auch  Hrn.  H.  davon  zu  überzeugen,  darf  ich  freilicli 
nicht  hoffen,  ebenso  wenig  als  ich  hoffen  darf,  durch  diese  Recension 
ihn  davon  überzeugt  zu  haben,  dafs  er  zum  Herausgeber  und  Ausleger 
des  Aeschylus  nicht  berufen  sei.  Und  so  wird  er  denn  wohl  auf  sei- 
nem Wege  weiter  gehn  und  fortfahren,  den  Dichter,  zu  dem  er  sich 
nun  einmal  nicht  erheben  kann,  zu  sich  herunter  zu  ziehn. 

Greifswald.  Schümann. 


Handbuch  der  rötnischen  Epigraphik  von  Carl  Zell,  Prof.  an  der 
Universität  zu  Heidelberg,  grofsh.  bad.  Geh.  Hofrath,  Ritter  des 
Zähringer  Löwenordens.  Erster  Theil:  Auswahl  römischer  In- 
schriften. Heidelberg,  Universitätsbuchhandlung  von  Karl  Winter. 
1850.  XIV  und  480  S.  8.  mit  dem  besondern  Titel:  Delectus 
inscriptionum  Romanarum  cum  momimentis  legalibus  fere 
Omnibus.)   edidit  Car.  Zell,  Prof.  univ.  Heidelberg. 

Wenn  es  nöthig  wäre,  würde  die  geehrte  Redaction  dem  Ver- 
fafser  dieser  Anzeige  bezeugen  können,  dafs  derselbe  erst  auf  wie- 
derholtes Ansinnen  von  diesem  Werke  Bericht  zu  erstatten  übernom- 
men hat,  und  zwar  glaubte  derselbe  von  einer  solchen  Arbeit  aus 
manchen  Gründen,  vornehmlich  aber  aus  Berücksichtigung  des  Ura- 
standes  abstehen  zu  müfsen,  dafs  es  mifslich  sei,  über  ein  Werk  ein 
Urtheil  auszusprechen,  von  welchem  erst  der  erste  Theil  erschienen, 
und  gerade  der  Inhalt  des  versprochenen  zweiten  erst  den  richtigen 
Mafsstab  zur  Würdigung  des  ganzen  und  überhaupt  geleisteten  ab- 
zugeben vermag.  Jedoch  überwog  alle  Bedenken  am  Ende  das  wi- 
fsenschaftliche  Interesse,  welches  für  ein  Werk  wie  das  vorliegende 
in  einem  um  so  höhern  Grade  vorausgesetzt  werden  muste,  als  jeder 
Versuch  überhaupt,  die  Epigraphik  den  in  der  Regel  enger  begrenz- 
ten philologischen  Studien  näher  zu  bringen,  als  eine  willkommene 
Erscheinung  auf  dem  Gebiete  der  alten  Litteratur  angesehen  werden 
mufs.  In  diesem  Sinne  begrüfsen  auch  wir  diese  Frucht  mühseligen 
Fleifses  als  ein  Förderungsmittel  zur  Belebung  und  Verbreitung  latei- 
nischer Epigraphik,  welche  nur  mit  Mühe  sich  die  Bahn  zu  der  recht- 
mäfsigen  Stellung  in  dem  Kreis  der  philologischen  Disciplinen  brechen 
zu  können  scheint.  Wenn  man  die  Früchte  erwägt,  welche  den  ge- 
sammten  Theilen  der  Alterthumswifsenschaft  durch  das  neu  belebte,  zu- 
nächst durch  die  Herausgabe  des  Corpus  inscriptionum  Graecarum  getra- 
gene Studium  der  griechischen  Epigraphik  zu  gute  gekommen  sind,  so 
wird  dasselbe  in  nicht  geringem!  Grade  von  einer  sorgfältigem  Beschäf- 
tigung mit  lateinischen  Inschriften  erwartet  werden  dürfen,  zumal 
wenn  das  unglückselige  Fatum ,  welches  alle  die  verschiedenen  Ver- 
suche und  Anläufe  zur  Herausgabe  einer  vollständigen  Sammlung  der 
lateinischen  Inschriften  bisher  vereitelt  hat,  endlich  versöhnt  werden 
sollte.  Wenn  nun  bei  der  jetzt  noch  so  erschwerten  Ueber»icht  des 
ßo  reichlich  vorhandenen  Materials  und  bei  der  vielen  unmöglich  ge- 


Zell:  Handbuch  der  römisclieii  Eitigraphik.     Iv  Tlieil.  153 

machten  Benutzung  der  gröfseren  Saninilung^cn  lateinischer  Inschriften 
(von  Unbequemlichkeit  des  Gebrauchs  rede  ich  absichtlich  nicht,  in- 
dem wifsenschaftlicher  Ernst  vor  dergleichen  Hindernissen  nicht  zu- 
rückschreckt) die  OrcUische  Cüllcclio  ihre  beabsichtigte  grofse  Wir- 
kung nicht  verfehlen  konnte ,  so  wird  auch  dem  vorliegenden  Werke 
in  dieser  Hinsicht  ein  gutes  Augurium  gestellt  werden  müfsen,  trotz- 
dem dafs  gerade  das  Bemühen  des  Herausg.  demselben  durch  ßeque- 
mung  an  ein  durch  leichtere  Studien  verwöhntes  Publicum  einen 
wesentlichen  Nutzen  entzogen  haben  sollte.  Auch  wird  es  dem  vor- 
liegenden Werke  in  seinem  Verhältnis  zu  dem  Orellischen  keinen 
Eintrag  Ihun,  dafs  dieses  5076  Inschriften  enthält,  jenes  nur  1974 
(man  hat  in  Bausch  und  Bogen  die  Zahl  sämmtlicher  vorhandenen  In- 
schriften in  neuerer  Zeit  auf  60000  berechnet),  da  die  Aufnahme  in 
der  Zellschen  Sammlung  durch  bestimmte  Grundsätze  bedingt  ist, 
durch  deren  Befolgung  die  Aufstellung  eines  epigraphischen  Systems 
bezweckt  wird,  was  in  derselben  Weise  bei  jenem  Werke  nicht  beab- 
sichtigt war.  Aufserdem  sind  nach  Hrn.  Zells  Plan  die  christlichen  In- 
schriften ausgeschlofsen,  was  bei  Orelli  nicht  der  Fall  ist.  Uebrigens, 
abgesehen  von  der  Wichtigkeit  der  Unternehmung  an  sich,  gerade 
weil  der  Gegenstand  auf  einen  wifsenschaftlichen  Standpunkt  von 
vorn  herein  gestellt  wird,  wird  man  zu  um  so  gröfseren  Ansprüchen 
an  Gediegenheit  der  Leistung  sich  berechtigt  erachten  dürfen,  welche 
sich  durch  den  Umstand  noch  um  so  höher  steigern,  dafs  der  Hr. 
Herausg.,  wie  er  uns  in  der  Vorr.  S.  VI  selbst  erzählt,  sich  mit  dem 
Gedanken  an  die  Herausgabe  eines  solchen  Werkes  schon  vor  vielen 
Jahren,  als  er  noch  eine  Professur  in  Freiburg  bekleidete,  beschäf- 
tigt*) und  diese  Studien  auch  unter  veränderten  Verhältnissen  nie  aus 
den  Augen  verloren  hat.  In  wie  weit  nun  ein  unter  solchen  Umstän- 
den entstandenes  und  eine  bestimmte  Stellung  in  der  Wifsenschaft  an- 
sprechendes Werk  gerechten  Erwartungen  entspreche,  wird  die  fol- 
gende Beurtheilung  darzuthun  sich  bemühn,  welche  um  so  unbefange- 
ner sein  kann,  als  ihr  Verfafser  nie  den  Gedanken  an  die  Herausgabe 
eines  ähnlichen  Werkes  gehabt  hat. 

Das  ganze  auf  zwei  Bände  berechnete  Werk,  von  welchem  jetzt 
der  erste  vorliegt ,  der  andere  aber  in  kürzester  Zeit  nachfolgen  soll, 
beabsichtigt  nach  dem  in  der  Vorrede  ausgesprochenen  Zweck  nicht 
sowohl  in  der  Mittheilung  auserwähller  Inschriften  Proben  von  den  ver- 
schiedenen Formen,  in  welchen  sich  die  lateinische  Epigraphik  be- 
wegt, zu  liefern,  als  vielmehr  durch  Mittheilung  dieser  eine  Ueber- 
sicht  der  Epigraphik  selbst  zu  geben,  wornach  dieser  erste  Theil  zu 
dem  zweiten  eigentlich  nur  in  das  Verhältnis  einer  Materialiensamm- 
lung zu  stehen  kommt.      Neque  cero  ^  heifsl  es  S.  V,  solum  emsmodi 


*)  Vergl.  auch  die  von  ihm  jetzt  nicht  angeführte  Comin.  de 
Claud'd  imp.  oratione  super  civitate  Gallis  danda  (Freiburger  Lec- 
tionsverz.  Sommerhalbj.  1833),  welche  jetzt  jedoch  nicht  eingesehen 
werden  kann. 


154        Zell :    Handbuch  der  römischen  Epigraphik.     Ir  Theil. 

inscriptiotmm  delectiis  apud  710S  desiderabatur,  sed  etiam  opus  nli- 
quod^  qtio  litterarum  sludiusis  via  ad  duclrinam  epkiraphicae ,  quae 
dicitiir,  Romanae  percipiendam  patefteret  et  munirelur,  quäle  in 
Graecis  litteris  Franzio  nunc  debemns,  womit  zu  verbinden  S.  VI: 
Continet  igitur  hoc  enchiridium  bina  voIumina^  qnorum  priiis  Vo- 
lumen Romanarum  inscriptionum  delectum  includit,  altemm  volumen 
brevi  subsecuturum  succinctam  earundem  intelliijeudurum  et  expli- 
canduvum  doctrinam  continet^  qtiam  abhinc  aliquot  annis  alio  loco 
deliueatam  proposui^  nemlich  in  einem  längeren  Artikel  in  Paulys 
Realencyclopaedie  d.  class.  Alterlliumsw.  1845  unter  ^  hiscripliones 
Laliuae'  S.  184,  wo  im  Eingange  der  hier  in  Hede  stehende  Gegen- 
stand näher  dahin  bezeichnet  wird:  'Die  römische  Epigraphik  be- 
greift denjenigen  Theil  der  classischen  Alterthumskunde,  welcher  das 
Verständnis,  die  Beurtheilung  und  die  Anwendung  der  aus  dem  römi- 
schen Alterlhum  übrigen  Aufschriften  und  epigraphischen  Urkunden 
lehrt.'  Unmittelbar  vorher  wird  ebendaselbst  bemerkt,  die  Inschrif- 
ten seien  theils  Aiifschriften ,  und  somit  nur  untergeordnete,  erklä- 
rende Zugaben  zu  den  Gegensländen ,  auf  und  an  welchen  sie  ange- 
bracht seien,  oder  sie  seien  für  sich  bestehende,  selbständige  epi- 
graphische Urkunden  (Inschriften  im  engern  Sinne  des  ^^'ortes);  fer- 
ner theils  für  die  Dauer  und  zu  bleibendem  Gebrauch  bestimmt,  Iheils 
nur  zu  vorübergehenden  Zwecken  (^inscr.  temporariae^;  das  AVesen 
der  Inschriften  werde  demnach  durch  das  Material  des  schriftlichen 
Denkmales  bestimmt  und  zugleich  durch  ihren  Zweck  und  Inhalt. 
\N'enn  nun  der  Hr.  Herausg.  diese  Auffafsung  der  römischen  Epi- 
graphik selbst  als  diejenige  bezeichnet,  nach  welcher  er  seine  Auf- 
gabe bearbeitet  habe,  so  dürfen  wir  auf  den  Inhalt  des  jetzt  noch 
fehlenden  zweiten  Bandes  im  voraus  einen  sichern  Sclilufs  ziehen, 
gewinnen  aber  auch,  >>  as  zunächst  gewünscht  werden  mufs,  jetzt 
schon  einen  Mafsstab  zur  Beurtheilung  des  vorliegenden  ersten,  in 
sofern  dieser  jenen  zu  Grunde  gelegten  Principien  nach  Inhalt,  Anord- 
nung und  Bearbeitung  entsprechen  mufs.  Was  nun  der  Hr.  Herausg. 
in  diesem  Bande  zu  leisten  beabsichtigt  habe,  spricht  er  S.  VII  in 
den  Worten  aus:  primum  ut  totum  inscriptionum  ambituni  com- 
plecteretur ;  deinde  ut  aptissima  quaeque  exempla  ex  tarn  inijenti 
copia  promeret,  porro  ut  aptissimo  ordine  disponeret ;  postremum  ut 
usuni  harum  inscriptionum  accessariis  subsidiis  instrueret  et  externa 
tibri  conformatione  iuvaret.  Zu  zeigen,  in  wie  weit  diesen  Punk- 
ten, deren  Triftigkeit  anerkannt  werden  mufs,  vom  Hrn.  Verf.  genügt 
worden  sei,  darin  besteht  die  Aufgabe  gegenwärtiger  Beurtheilung, 
und  wir  wenden  uns  ohne  weiteres  sogleich  zur  Betrachtung  des 
ersten. 

Bei  dem  ungeheuren  Vorrath  des  epigraphischen  Materials  scheint 
bei  Herausgabe  einer  Inschriftensammlung  die  Aufgabe,  einer  relati- 
ven Vollständigkeit  nachzustreben  ,  fast  leichter  zu  sein ,  als  aus  die- 
sem Material  die  geeigneten  Exemplare  auszuwählen.  Wenn  hierbei 
Hr.  Zell  mit  Recht  den  Grundsatz  als   leitend  in  Anwendung  zu  brin- 


Zell:   Haiidbuch  der  rüinisclicri  EpigTiiphik.     Ir  Tlieil.        15.') 

^en  sucht,  von  allen  besonderen  Arien  der  inschrifdiclicn  Ueberlie- 
lerung-  Beispiele  zu  geben,  so  dals  keine  Classe  derselben  unvertreten 
bleibe  (vgl.  Vorr.  S.  VII),  so  \viirde  es  sich  zunächst  um  die  Frage 
handeln,  in  wie  weit  die  in  jedem  einzelnen  Falle  getrolfeMe  Wahl 
eine  angeniefsene  zu  nennen  sei.  Allein  dies  ist  ein  P'eld  der  Con- 
troverse,  auf  welches  wir  dem  Hrn.  Heransg.  um  so  weniger  folgen 
mögen,  als  bei  dem  demselben  im  allgemeinen  nicht  zu  verweigern- 
den Zugeständnis,  dafs  unter  Benutzung  der  früheren  Zusammenstel- 
lungen des  zusammengehörigen  Materials,  namentlich  der  ürellischen 
Sammlung,  im  allgemeinen  billigen  Forderungen  genügt  worden  sei, 
die  Erhebung  einer  Conlroverse  über  einzelne  aufgenommene  oder  ab- 
gewiesene Urkunden  theils  zu  kleinlicli ,  theils  auch  bei  der  Ver- 
schiedenheit der  Ansicht  über  das  mehr  oder  weniger  bezügliche  meh- 
renlheils  erfolglos  bleiben  würde.  Eine  andere  Frage  aber  ist,  ob 
der  ganze  Schatz  der  Ueberlieferung  so  ausgebeutet  worden,  dafs 
keine  Proben  der  einzelnen  Arten  vermifst  werden.  Dafs  Ilauptclas- 
sen  vom  Hrn.  Herausg.  übergangen  sein  könnten,  war  weder  zu  er- 
warten, noch  kann  es  als  ein  Verdienst  angerechnet  werden.  Es  mufs 
aber  in  einem  Werke,  welches  bestimmt  ist,  eine  Beispielsammlung 
zur  systematischen  Aufstellung  einer  ganzen  Doctrin  zu  bilden,  auch 
solchen  Gattungen  Uechnung  getragen  werden,  w  eichen  dem  Anschein, 
ja  selbst  ihren  epigraphischen  Bezügen  nach  nur  eine  geringere  Be- 
deutung zugestanden  werden  kann.  In  dieser  Beziehung  vermifsen 
wir  bei  der  in  neuerer  Zeit  so  reichlich  angewachsenen  Classe  der 
Tesserae  theatrales  und  gladiatoriae,  welche  S.  60  ff.  berücksichtigt 
werden,  Beispiele  von  Inschriften,  welche  Pferden,  die  bei  Wett- 
rennen den  Sieg  davon  getragen  hatten,  gesetzt  worden.  Vgl.  Le 
Bas  Monuments  de  l'antiquite  liguree.  II  p.  237  IT.  Eine  daselbst  an- 
geführte Inschrift  erscheint  an  einer  andern  Stelle  unter  Nr.  879. 
Wenn  ferner  den  ^Tilulis  honorariis  in  stiiluis  aliisque  monumentis 
honorariis'  auch  eine  ausführliche  Behandlung  in  einem  besondern 
Abschnitt  eingeräumt  worden  ist,  so  vermifsen  wir  eine  besondere 
Classe  derjenigen  Inschriften,  welche  verdienten  und  berühmten  Män- 
nern in  später  Zeit,  oft  lange  nach  ihrem  Ableben,  errichtet  wurden, 
und  schon  im  Alterthum  unter  dem  Namen  Elof/ia  bekannt,  unter  dem- 
selben auch  von  neuern  Epigraphikern,  wie  Morcelli  (dessen  Werke 
ich  leider  bei  dieser  Arbeit  nicht  zur  Hand  habe)  selbst  von  Hrn. 
Zell  in  einer  besondern,  mir  jetzt  nicht  zugänglichen  Abhandlung 
(vgl.  auch  denselben  in  Pauiys  Realencycl.  a.  a.  0,  S.  196)  berück- 
sichtigt worden  sind.  Vgl.  Sylloge  iuscr.  p.  520.  Diese  ganze  Gat- 
tung ist  aber  von  um  so  gröfserem  Interesse,  als  manche  dieser  In- 
schriften in  die  Classe  der  unechten,  untergeschobenen  verwiesen 
worden  sind,  mit  welchem  Rechte,  wird  seine  Erledigung  in  einer  be- 
sondern Schrift  finden,  welche  eine  Untersuchung  über  die  ältesten 
epigraphischen  Denkmäler  der  lateinischen  Litteratur  in  sprachlicher 
Beziehung  enthält,  und  bald  dem  Druck  übergeben  werden  wird. 
War  der  Ausschlufs  jener  Gattung  von  Inschriften  ein  absichtlicher. 


156        Zell:  Handbuch  der  römischen  Epigraphik.     Ir  Theil. 

in  sofern  der  Hr.  Heraus^,  sich  von  der  absoluten  Unechtheit  dieser 
Urkunden  überzeugt  hielt,  so  dürfte  er  sich  eines  wesentlichen  Mate- 
rials entäufsert  haben,  das  zur  geeigneten  Behandlung  eines  der  wich- 
tigsten, aber  auch  schwierigsten  Theile  der  Epigraphik  dienen  konnte, 
iienilich  der  Kritik  der  echten  und  unechten  Inschriften.  Ueberhaupt 
ist  zu  bedauern,  dafs  der  Hr.  Herausg.  diesen  Punkt  in  der  jetzt  vor- 
liegenden Beispielsammlung  entweder  wenig,  oder  doch  nicht  auf 
diejenige  Weise  berücksichtigt  hat,  durch  welche  theils  seiner  Theorie 
bereits  vorgearbeitet  werden  konnte,  theils  auch  dem  richtigen  Ge- 
brauche des  Delectus  für  sich  genügt  werden  muste.  So  erfahren 
wir  weder  bei  der  Col.  Duillia  (Nr.  1560)  noch  bei  den  Grabschrif- 
ten der  Scipionen  irgend  ein  ^^'ort  über  die  gegen  die  relative  Echt- 
heit einiger  dieser  Monumente  erhobenen  Zweifel ,  welche  dem  Hrn. 
Herausg.  nicht  unbekannt  geblieben  sein  können ,  und  der  unkundige 
erhält  als  haare  Münze,  was  sich  beim  Ausgeben  vielleicht  als  falsch 
erweist.  Steht  die  Ansicht  über  die  eigentliche  Beschaffenheit  der  ge- 
nannten und  anderer  verwandten  Monumente  auch  noch  nicht  fest,  so 
muste  jedesfalls  von  dem  Herausgeber  eines  die  Epigraphik  in  ihrem 
ganzen  Wesen  umfafsenden  ^^'erks  eine  auf  genauste  Untersuchung 
gegründete  Ueberzeugung  vorausgesetzt  werden,  welche  den  Hrn. 
Zell  jetzt  schon  in  den  Stand  setzte,  die  erforderliche  Auskunft  jeder 
einzelnen  Inschrift  beizufügen. 

Zu  den  erhobenen  Desiderien  füge  ich,  immer  von  dem  Stand- 
punkt, welchen  der  Hr.  Herausg.  selbst  gewählt  hat,  ausgehend  noch 
hinzu,  dafs  ich  auch  eine  namhafte  Berücksichtigung  der  sog.  hiscr. 
hiUngues^  auch  solcher  vermifse,  in  welchen  der  lateinische  Text  mit 
griechischen  Buchstaben  geschrieben  ist.  Endlich  gehört  hierher  auch 
der  ^^'unsch,  es  möchte  dem  Hrn.  Herausg.  gefallen  haben,  die  er- 
weislich ältesten  )Ionumente  der  lateinischen  Epigraphik  zu  geeigneter 
Uebersicht  in  getreuen  Facsimiles  zusammen,  und  am  besten  an  die 
Spitze  des  ganzen  Werks  in  der  Weise  zu  stellen,  in  welcher  das- 
selbe mit  so  auffälligem  Nutzen  in  dem  Corpus  inscr.  Graec.  geschehn 
ist.  Diese  Methode  gab  den  besten  Ausgangspunkt  für  eine  Epigra- 
phik, welche,  wenn  sie  sich  nicht  auf  das  chronologische  Jloment 
stützt,  ihr  Wesen  verkennt  und  nur  Stoff  für  andere  Disciplinen  lie- 
fert. Der  Ausführung  des  angedeuteten  Planes,  wodurch  allein  die 
Eigenthümlichkeit  der  ältesten  und  überhaupt  der  lateinischen  Epi- 
graphik in  ihrer  unmilfelbaren  Beschatfenheit,  nach  Sprache,  Schrift, 
Orthographie  und  Ai)fafsung,  zur  klaren  Anschauung  gebracht  worden 
wäre,  trat  der  vom  Hrn.  Herausg.  in  unglücklicher  Stunde  gefafste 
Gedanke  entgegen,  den  Text  der  Inschriften  in  moderner  Schrift,  ohne 
Berücksichtigung  ihrer  äufserlichen  Beschaffenheit  und  Form,  ab- 
drucken zulafsen,  ein  Grundsatz,  aufweichen  ich  weiter  unten  zu- 
rückkommen  mufs. 

Hier,  wo  es  sich  im  allgemeinen  darum  handelt,  in  wieweit  die 
Aufnahme  des  Stoffs  dem  Plane  des  Delectus  entspreche,  mufs  noch 
zweier  Punkte  gedacht  werden.    Der  erste  betrifft  den  grofsen  \^'erth, 


Zell :  Handbuch  der  römischen  Epigraphik.    Ir  Tlicil.         157 

welchen  der  Hr.  Herauso^.  auf  die  relativ  vollständige  Aufnahme  der 
Legaiinscliriften,  wie  er  sie  nennt,  legt,  woniher  es  p.  VII  heilst: 
lam  in  hoc  nosiro  delectu  quidquid  Hauholdus  et  Spangenhergius 
praeb»nt  legum  ^  senaliisconsultorum  ^  denique  tnonumen forum  07nne 
genus  eodem  pertinentiuvi  coniungi  mvenies^  eaque  omnia  non  uno 
loco  castigala  et  pluribus  monumentis  aucta.  Tantum  de  iis  monu- 
mentorum  legalium  generibus,  in  quibus  nihil  fere  nisi  eaedetn  for- 
mulae  soUemnes  mutatis  nominibus  propriis  repetuntur  ^  non  omnia 
recepi  nee  integra  ^  sed  specimina  selegi,  ut  in  tabulis  honestae  mis- 
sionis .,  in  tobulis  hospitalibus ,  in  tabula  alimentaria  Traiana.  Sed 
reliquorum  generum  monumenta  legalia,  ut  leges,  senatusconsulta^ 
acta  publica  magistratuum  urbanorum  et  municipalium,  etiam  colle- 
qiorum  dedi  omnia,  undique  conquisita  et  optimorum  subsidiorum 
ope  recognita.  Die  besondere  Berücksichtigung,  welche  diese  Ciasso 
von  Monumenten  erfahren  hat,  rechtfertigt  sich  durch  ihre  Wichtig- 
keit selbst,  obwohl  vom  epigraphischen  Standpunkte  aus  keiner  ein 
Vorzug  vor  der  andern  zugestanden  werden  kann,  und  es  wird  diese 
Zusammenstellung  namentlich  den  Juristen  willkommen  sein.  Aber 
wenn  einmal  diese  Classe,  man  kann  wohl  sagen  bis  zur  Beeinträch- 
tigung anderer,  mit  solcher  Ausführlichkeit  behandelt  werden  sollte, 
dann  müste  der  Schritt  bis  zur  Vollständigkeit  gethan  werden,  und 
kein  bezügliches  Monument  ausgeschlofsen  werden,  was  nun  aller- 
dings der  Fall  ist.  Wurde  der  Begriff  der  ^  Acta  collegiorum  non 
sacrormn'  soweit  ausgedehnt,  dafs  Schenkungen  von  Privaten  an 
Collegien  darunter  aufgenommen  wurden,  wie  dies  der  Fall  mit  Nr. 
1772  und  1773  ist,  so  wird  der  Hr.  Herausg.  selbst  zugestehn,  dafs 
manche  Monumente  dieser  Art  übergangen  worden  sind.  Ja  selbst 
was  die  Legalinschriften  im  engern  Sinne  des  Worts  angeht,  niufs  es 
eine  Inconsequenz  genannt  werden,  dafs,  da  hier  und  da  Monumente 
aufgenommen  worden,  welche  nicht  mehr  im  Original  vorhanden,  son- 
dern uns  nur  durch  gelegentliche  Aufbewahrung  bei  alten  Schriftstel- 
lern bekannt  geworden  sind ,  diejenigen  Fragmente  der  XII  Tafeln, 
deren  Text  wörtlich  citiert  wird,  ausgeschlofsen  worden  sind. 

Die  letztere  Bemerkung  führt  von  selbst  auf  die  Erörterung  des 
andern  Punktes,  bei  welchem  ich  mich  in  entschiedener  Meinungsver- 
schiedenheit mit  dem  Hrn.  Herausg.  befinde.  Wenn  nemlich  hier  und 
da,  wohl  zur  Vervollständigung  solcher  Gattungen,  für  welche  der 
Vorrath  von  Steinschriften  zufällig  nicht  ergiebig  ist,  Urkunden  auf- 
genommen werden ,  welche  nicht  unmittelbar  von  Steinen  herrühren, 
sei  es  dafs  diese  jetzt  nicht  mehr  vorhanden,  oder  auf  uns  nur  durch 
die  Nachrichten  bei  alten  Schriftstellern  gekommen  sind  (vergl.  vor- 
nehmlich S.  298  ff.),  so  mufs  ich  gegen  die  Aufnahme  letzterer  in  einem 
der  Epigraphik  gewidmeten  Werke  protestieren  ,  weil  diesen  gerade 
dasjenige  Kennzeichen,  welches  sie  zu  epigraphischen  Monumenten 
macht  und  zu  epigraphischem  Gebrauche  befähigt ,  abgeht.  Ur- 
kunden dieser  Art  mögen  und  können  als  Auf-  und  Inschriften  exi- 
stiert haben,  obwohl  dies  nicht  einmal  in  allen  Fällen  nachweisbar  ist; 


158         Zell:  Handbucli  der  römischen  Epigraphik.    Ir  Tlieil. 

allein  die  Art  der  Ueberlieferung-  entzieht  ihnen  das  epigraphische  JIo- 
ment, indem  man  sich  mittelst  derselben  wohl  über  den  Inhalt  einer  sol- 
chen Urkunde,  auch  über  die  Form  des  gewähllen  Ausdrucks,  falls  im 
glücklichen  Falle  derselbe  durch  die  Handschriften  fehlerlos  und  rein 
wiedergegeben  wird,  niemals  aber  über  die  äufserliche  BeschalTen- 
heit,  in  welcher  das  3Ionuinent  existierte,  nach  Schriftweise,  Anord- 
nung des  ganzen  und  Gestaltung,  unterrichten  kann.  Der  Inhalt  einer 
Inschrift  steht  zur  Epigraphik  in  keiner  Beziehung:  der  Ausdruck  ist 
Sache  der  Sprache  und  des  Stils.  Die  Epigraphik  als  solche  ist  aber 
nicht  im  Besitz  eines  besondern  Ausdrucks ,  sondern  sie  bedient  sich 
der  Sprachmittel,  welche  überhaupt  zur  Bezeichnung  des  Ausdrucks 
für  die  Mittheilung  dieses  oder  jenes  Gedankens  gefunden  und  über- 
all vorkommenden  Falls,  glcichgiltig  ob  etwas  epigraphisch  zu  be- 
handeln war  oder  nicht,  in  Anwendung  gebracht  wurden.  Gerade  alles 
dasjenige,  was  zu  den  Eigenthümlichkeiten  der  Epigraphik  gehört  und 
oft  durch  die  Mitlei  der  Darstellung,  deren  sie  sich  bedient,  bedingt 
ist,  wie  z.  B.  Abkürzungen  der  Wörter,  Verzierungen  und  anderes, 
geht  in  solchen  Abschriften  verloren,  und  es  ist  eine  Unmöglichkeit 
sich  die  Originalgestalt  einer  solchen  Urkunde  wieder  zu  vergegen- 
wärtigen. Im  Gegentbeil  da  im  Verlauf  der  Ueberlieferung  die  Texte 
nicht  nur  vielfach  verdorben  worden,  sondern  die  Schriftsteller  bei 
ihrer  Anführung  in  der  Kegel  ganz  andere  Zwecke  hatten,  als  uns  ein 
epigraphisches  Instrument  zu  überliefern,  so  sind  diese  Urkunden  ge- 
wöhnlich in  einer  incorrecten ,  überarbeiteten,  selbst  absichtlich  oder 
unabsichtlich  verslümmelten  Gestalt  auf  uns  gekommen,  von  welcher 
die  Epigraphik  in  der  Regel  keinen  oder  nur  einen  sehr  bedingten 
Nutzen  zichn  kann.  Wollte  man  dieser  Art  der  Ueberlieferung  Auclo- 
rität  beimefsen,  so  würde  man  sich  rücksicbllich  der  ursprünglichen 
Form  jedes  einzelnen  Monuments  grofser  Täuschung  aussetzen,  wie 
wenn  man  z.  B.  annehmen  wollte,  dafs  das  Senatusconsultum  de  phi- 
lusuphis  et  de  rhetori/nts  bei  Sueton  dar.  rhet.  1  und  Gellius  XV,  11, 
welches  unter  Nr.  1698  mitgetheilt  wird,  uns  vollständig  überliefert 
wäre;  vielmehr  theillen  jene  Schriftsteller  aus  dem  SC.  den  zur  Sache 
gehörigen  Theil  auszugsweise  mit,  um  den  vollständigen  AV'ortlaut 
der  Urkunde  unbekümmert.  Wozu  soll,  fragt  man  billig,  die  Millbei- 
lung  eines  Stücks  der  Praefatio  von  dem  Tifulus  triumpbalis  des  Cn. 
Pompejus  bei  Plin.  N.  H.  VII,  27  dienen ,  da  wenigstens  Morcelli  durch 
den  vorgeschlagenen  Wiederherslcllungsversuch  andeutet,  dafs  der 
\\'orllaut  der  Urkunde  von  Flinius  umgeslallet  worden  sei?  Und  wenn 
nun  diesem  Stücke  noch  die  Worte  C».  Pompems  Cn.  F.  Macinus  reip. 
als  Ergänzung  hinzugefügt  werden ,  so  Aveifs  man  mit  diesem  Zusatz 
gar  nichts  weiter  anzufangen,  ganz  abgesehn  davon,  dafs  das  Monu- 
ment einen  solchen  Anfang  nicht  liaben  konnte.  Ein  anderer,  densel- 
ben Pompejus  betreffender  Titulus,  welchen  unmiltelbar  vorher  Plinius 
aufführt,  wird  unter  Nr.  70  mitgeliieill,  wobei  wir  aber  nicht  erfahren, 
dafs  es  die  Aufschrift  eines  der  Minerva  ^  ex  manuhiis^  errichteten 
delubrnm  war,   was  zur  Rechtfertigung  der  Stellung  dieser  Inschrift 


Zell :  Handbuch  der  römischen  EpigraphiU.    Ir  Theil.         159 

an  diesem  Orte  erforderlich  g-ewesen  wäre.  So  erhalten  wir  unter 
Nr.  1836  das  aus  Suelon  hekannle  Veni  Vidi  Vici,  das  nicht  in  der 
geringsten  Beziehung  zur  Epigraphik  steht  und  nur  Interesse  für  Cae- 
sar und  die  Kenntnis  der  Triumphalgebräuche  hat.  Endlich  warum 
wurde  übergangen,  wenn  einmal  Urkunden  dieser  Art  nicht  ausge- 
schlofsen  wurden,  die  in  geographischer  Beziehung  so  wichtige  ^in- 
scriptio  e  tropaeo  Alpium'  bei  Plin.  111,  20,  deren  Echtheit  nicht  be- 
zweifelt wird? 

Gehn  wir  jetzt  zu  dem  zweiten  Hauptpunkt  über,  welcher  die 
Disposition  der  einzelnen  Inschriften  und  Anordnung  des  ganzen  Ma- 
terials betriirt,  so  äufsert  sich  der  Hr.  Verf.,  nachdem  er  das  unge- 
nügende in  den  frühern  Sammlungen  berührt  hat,  über  die  von  ihm 
selbst  eingehaltene  neue  Methode  p.  VIII  also:  Primum  quod  ad 
oraliuiüs  f/enus  attmet,  omnes  inscripliones  aut  prosa  oratione  aut 
versihus  conscriptae  sunt,  ut  continuo  in  has  binos  partes  segregen- 
tur.  Utriusque  autetn  partis  inscr/pttoncs^  si  sunimum  argnmenli  et 
propositum  cuiusque  spectamus ,  aut  ad  sacras  res  perttnerif ,  aut  ad 
prufauas:  profanae  inscriptiones  aut  publicae  sunt  ^  id  est,  ad  rem 
puhlicam  pertinentes  et  publica  auctoritate  conscriptae,  aut  privatae, 
id  est,  ad  vitam  privatam  pertinentes,  et  a  privatis  profectae.  In- 
scriptiones publicae  r^irsus  aut  ad  civilia  rei  publicae  instituta  aut 
ad  mililaria  spectant;  ideoque  civiles  sunt  aut  miiitares.  Unum  quod- 
que  horum  generum  suas  sibi  species  stibiectas  continet,  pro  rerum 
varietate  diversas.  Singula  autem  et  genera  et  species  has  binas 
sectiones  complectuntur ,  titulorum  et  tabtilarum,  quum  omnes  in- 
scriptiones rel  aliis  rebus  tanquam  accessiones  et  appendices  addan- 
tur ,  ut  aedificiis,  sfatuis,  vasis;  vel  per  se  conslent  et  sola  scriptura 
duriori  materiae  insculpta  contineantur ;  quarum  priores  titulos,  po- 
steriores tabulas  vocamus.  Dieser  lichtvollen  Auseinandersetzung, 
welche  ganz  auszuschreiben  Mir  nicht  umgehn  konnten,  wird  niemand 
im  allgemeinen  seine  Anerkennung  versagen  können,  und  wenn  der 
Hr.  Herausg.  bemüht  gewesen  ist,  nach  jener  natürlichen  Beschaffen- 
heit des  Stoffs  die  Anordnung  des  Ganzen  nach  seinen  Theilen  zu 
treffen,  so  Avird  dieses  Streben  nur  Lob  verdienen.  Nur  möchte  der 
streng  beobachtete  Unterschied  zwischen  tabula  und  tilulus,  der  nicht 
einmal  nach  dem  Sprachgebrauch  ganz  fest  steht,  in  jenes  Ordnungs- 
princip  nicht  überall  passen,  wie  er  nun  auch  durch  Zerreifsung  sonst 
zusammengehöriger  und  verwandter  Monumente  manigfache  Störung, 
wie  sich  zeigen  wird,  hervorgebracht  hat.  Betrachten  wir  aber  nun, 
wie  jene  Anordnung,  welche  nur  die  allgemeinsten  Lineamente  des 
Ganzen  enthält,  in  der  Wirklichkeit  zur  Ausführung  gebracht  worden 
ist.  Es  wird  sich  hierbei  zeigen,  dafs  ein  a  priori  construiertes  Sy- 
stem, wie  das  des  Hrn.  Verf.  ist,  wenn  es  zur  Anwendung  auf  das 
einzelne  kommt,  weder  consequent  durchgeführt  werden  kann,  noch 
der  Aufgabe,  in  gesichteter  Ordnung  den  gesammten  Stoff  zu  vertheilen, 
entsprechend  ist. 


160         Zell:  Handbuch  der  römischen  Epigraphik.    Ir  Theil. 

Ehe  wir  zur  Sache  selbst  übergehn,  wird  die  Bemerkung  zur 
Charakterisierung  der  Sorgfalt,  mit  welcher  überall  die  Vertheilung 
der  einzelnen  Inschriften  geschehn,  nicht  überllüfsig  sein,  dafs,  wenn 
mit  Recht  die  poetischen  von  den  prosaischen  ausgeschieden  und  jene 
in  einem  zweiten  besondern  Theile  ihre  Stelle  gefunden  haben,  dies 
Verfahren  doch  nicht  streng  eingehalten  worden  ist,  indem  Nr.  706 
Nardu  poeta  Pudens  hoc  tegitur  tumulo ,  welche  dem  prosaischen 
Theile  zugewiesen  ist,  aus  einem  Pentameter  besteht,  welcher  als 
solcher  schon  aus  dem  abgekürzten  Nardu  sammt  der  ganzen  Wort- 
stellung erkannt  werden  konnte,  und  auch  als  solcher  längst  aner- 
kannt worden  ist.  Es  würde  dieses  Versehn  vermieden  worden  sein, 
wenn  es  der  Hr.  Herausg.  der  Mühe  werth  erachtet  hätte,  sich  über 
den  genannten  Dichter  Pudens  Nardus  näher  zu  unterrichten  und  na- 
mentlich zu  berücksichtigen ,  was  der  Verf.  dieser  Anzeige  schon  im 
J.  1828  in  diesen  Jahrb.  Bd.  VUI  S.  65  f.  über  diese  Inschrift  commen- 
tiert  hat.  Es  würde  derselbe  darauf  keinen  Werth  legen  und  die  Sache 
unberührt  gelafsen  haben,  wenn  nicht  die  damals  ausführlichst  ent- 
wickelte Ansicht  bei  andern,  namentlich  bei  Weichert  volle  Anerken- 
nung gefunden ,  welcher  es  für  angemefsen  erachtet  hat,  dieselbe  in 
vollständigem  Auszuge  in  seine  Schrift  De  Domitio  Marso  poeta 
(Poet.  Latinor.  reliq.  p.  254)  aufzunehmen.  Vergl.  Gervasio  Osservaz. 
sulp  iscrizione  di  Mavorzio  Lolliano  p.  33. 

Dafs  die  Inscripliones  sacrae  die  erste  Abtheilung  bilden,  wird 
niemand  misbilligen.  Das  erste  Capitel  enthält:  ^  Tituli  in  aedihus 
locisque  sacris ,  aj'is ,  siynis  donariis'',  das  zweite  Tabulae ^  im  Ge- 
gensatz der  Tituli.  Diese  Capitel  zerfallen  nun  wieder  in  Unterab- 
theiliuigen,  von  welchen  §.  1  des  zweiten  üedicationes ^  namentlich 
von  nrae  enthalten,  ganz  wie  dergleichen  §.  4  des  ersten  Capitels 
vorkommen.  Zu  dieser  Unterscheidung  mag  den  Hrn.  Herausg.  der  an- 
genommene Unterschied  von  (abulae  und  tiluli  bewogen  haben ,  und  es 
scheint  derselbe  die  Inschriften  361  und  362  für  tabulae  gehalten  zu 
haben,  während  diese  Inschriften  recht  gut  als  Aufschriften  der  ge- 
weihten arae  angesehn  werden  können,  und  Nr.  361  zugleich  der  arae 
und  der  tituli  Erwähnung  geschieht.  So  wird  also  was  zusammenge- 
hört auseinandergerifsen.  Das  dritte  Capitel,  welches  in  13  §§.  zer- 
fällt, enthält  die  ^Tituli  sepulcrales',  und  §.  12  sogar  ^Animalium 
epifaphia.'  Aus  welchem  Grunde  diese  ganze  Classe  den  hiscr.  sacris 
zugetheilt  worden,  vermag  ich  um  so  weniger  einzusehn ,  als  ein 
grofser  Theil  dieser  Inschriften  aufser  aller  Beziehung  auf  göttliche 
Dinge  steht.  Das  Begraben,  wenn  es  nicht  ein  funus  publicum  war, 
war  in  der  Hegel  Sache  eines  Privaten  und  gehörte  lediglich  zu  den 
rebus  domesticis^  wobei  die  Empfehlung  an  den  Schutz  einer  Gottheit, 
wenn  eine  solche  stattfand,  nur  ein  secundäres  Moment  abgab.  — 
Zu  dieser  Classe  noch  die  Bemerkung.  Den  Heigen  des  §.  4  '  Profes- 
sionuui  liberalium  et  opißcum'  der  Sepulcralinschriften  eröffnet  der 
Hr.  Herausg.  mit  der  pisaurischen  Inschrift  684:  S.  Accii  Pisaur. 
einer es^    in   operculo    civerario.     Fragt    man    nach    dem    leitenden 


Zell:  naiuUnich  der  römisclieii  Epigraphik.    Ir  Tlieil.         101 

Grundsatz,  welchem  dielnsohrift  diese  Stelle  verdankt,  so  wird  man  dar- 
über aus  einer  von  Ür(dli  enllehnlen  Anmerkung  belehrt:  Oliverius  halte 
nemlich  den  erwähnten  Aceius  für  den  gleichnamigen  Hedner  gehalten, 
^  sed  hoc  incerlissimum^  ivaxime  prupler  (jenitivurn  in  duplex  i  exe- 
imtem',  wie  hinzugefügt  wird.  Wenn  nicht  andere  Gründe  vorhanden 
wären,  würde  letztere  Bemerkung  Mcnig  austragen;  wenn  es  aber 
nun  wirklich  so  ungewis  ist,  hier  den  Hedner  anzuerkennen,  wie  soll 
die  Aufnahme  dieser  Inschrift  gerechtfertigt  werden,  in  welcher  nicht 
einmal  eine  Andeutung  enthalten  ist,  dafs  sie  zur  Classe  der  professio- 
tiiim  liberalem  gehören  könne?  \^  enn  es  sicii  um  Aufführung  sol- 
cher 3Ionumente  handelte  ,  konnte  Ilr.  Zell  um  augcmefseuere  Beispiele 
nicht  in  Verlegenheit  sein. 

Die  Inscr.  profanae ,  welche  auf  die  sacrae  folgen,  zerfallen  in 
die  Hauptabtheilungen  publicae  civil.es,  publicae  viilitares  und  priva- 
tae ,  deren  jede  wieder  aus  verschiedenen  Unterabtheilungen  besteht. 
Diese  Abtheilung,  welche  den  Hauptbestaudtheil  der  ganzen  Sammlung 
ausmacht,  wird  wiederum  nach  dem  mit  demselben  Erfolge  in  Anwen- 
dung gebrachten  Unterschiede  der  tabulae  und  tituU  angeordnet,  was 
nicht  genug  beklagt  werden  kann.  Um  das  Material  eines  Gegenstan- 
des übersehn  zu  können,  wird  man  genölhigt,  dasselbe  von  verschie- 
denen Stellen  herbeizuschaffen.  Ferner  wird  innerhalb  der  einzelnen 
Sectionen  wieder  ungehöriges  zusammengemengt  und  einzelnes  ohne 
Ordnung  durcheinander  geworfen.  Zum  Beleg  dieser  Behauptung  mag 
nur  des  ersten  Capitels  {^  Tituli  operum  publicortim  nun  sacioru?n') 
§  1  (m  urbe)  verglichen  werden,  wo  in  die  Mitte  von  Inschriften, 
welche  sich  auf  die  Wiederherstellung  von  Wafserleitungen  beziehn, 
fremdartiges  eingeschoben  wird,  wie  Nr.  1187  (Aufschrift  eines  Obe- 
lisken), und  ebenso  gleich  in  der  Folge.  Ueberhaupt  in  Betreff  der 
Wafserbauten,  über  welchen  Gegenstand  unsere  Quellen  gerade  sehr 
reichlich  fliefsen,  mufs  das  zusammengehörige  von  allen  Enden  zusam- 
mengesucht werden:  eine  Uebersicht  derselben  wird  dadurch  sehr  er- 
schwert, dafs  nach  der  vom  Hrn.  Herausg.  beliebten  Anordnung  die 
aedificia  Sacra  von  den  non  sacris  unterschieden  werden.  Betrachten 
wir  ferner  desselben  Capitels  §.  2,  wo  schon  die  Ueberschrift  dessel- 
ben: '/w  aedificiis  publicis  Italiae  et  provinciauim ;  tituli  respectu 
getieris  aedificiorum  non  habilo ;  filuli  sectindum  aedific/orum  publi- 
corum  genera  dispositi'  eine  leichte  Uebersicht  des  Stoffes  nicht  er- 
warten läfst.  Abgesehn  davon,  dafs  die  durch  ^respectu  non  habitd' 
angedeutete  Unterscheidung  nicht  recht  angemefsen  erscheint,  b'eginut 
der  §.  mit  2  Inschriften  1237  und  1238,  aus  deren  Inhalt  nicht  zu  er- 
sehn ist,  ob  sie  sich  überhaupt  aui'  aedificia  bezogen  haben:  sie  kön- 
nen ebenso  gut  blofs  den  Erwerb  von  Localitäten ,  Grundstücken  be- 
treffen, wie  namentlich  das  in  der  erstem  befindliche  emerunt  zu 
deuten  erlaubt  ist  nach  Nr.  1327.  Die  darauf  folgenden  Inschriften  be- 
ziehn sich  nun  allerdings  auf  Baulichkeilen:  wer  wird  aber  nun  von 
Nr.  1249  an  Ziegeln  aus  Sumlocene  mit  der  Aufschrift  SVMLOC  oder 
C,  SVMLOCENE  erwarten,  inmitten  der  Aufführung grofser  und  eigeat- 

iV.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Pued.  Brf.  LXVU.  Uft.  2.  11 


162         Zell:  Ilandhucli  der  römischen  Epigrapliik.     Ir  Tlieil. 

lieber  Bauwerke?  Sollte  der  Ziegeln  liier  Erwäliiuing  g-eschelin,  so 
hätten  sie  doch  wohl  am  Schlufs  des  §.  eine  geeignetere  Stelle  ge- 
funden. 

Das  zweite  Capitel ,  welches  unter  der  allgemeinen  Rnhrik  *  7*«- 
bnlae''  in  verschiedenen  Ablheilungen  die  sog.  Legalinschriften  um- 
fafst,  gestaltete  eine  leichtere  Anordnung,  indem  Leges  im  engern 
Sinne,  von  welchen  ausgegangen  wird,  tienafus  consuHa .,  Edicta^  Re- 
scripla,  Decreta,  Senlentiae  etc.  geschieden  werden.  Nur  möchte  es 
die  Uebersicht  erschweren,  dafs  zu  den  ^'sij.  l  und  2,  in  welchen  die 
Leges  und  Senatus  cotisnlta  enthalten  sind,  im  §.  3  eine  ''Appendix 
legum  et  senatus  consultorttm  in  codicihns  Ms.  separalim  vel  opud 
veter  es  scriptores  servalorvm'^  falls  solche  Monumente  nun  einmal 
aufgenommen  werden  sollten,  nachgeschoben  wird,  was  auch  wieder 
zu  dem  "J^.  4,  welcher  die  ^Edicta  imperatornm  et  Eescriptn'  enthält, 
in  'i^.  6  geschieht.  Sollte  aber  durch  Aufnahme  solcher  Urkunden, 
welche,  weil  sie  nur  in  unsichern  Texten  vorliegen,  epigraphischen 
Zwecken  wenig  dienen,  den  Ansprüchen  auf  Vollständigkeit  für  anti- 
quarische und  juristische  Zwecke  genügt  werden,  dann  würde  meines 
Erachtens  eine  Anordnung  aller  einschlägigen  Monumente  nach  der 
Zeit  innerhalb  jeder  Classe  angemefsener  gewesen  sein.  Mit  welchen» 
Rechte  übrigens  mitten  unter  den  Senatusconsulten  p.  294  des  Kaiser 
Claudius  oratio  de  cicitate  Gallis  davda  eine  Stelle  gefunden  hat, 
vermag  ich  nicht  einzusehn.  Ferner  Avenn  schon  oben  beklagt  wurde, 
dafs  nach  der  zu  fein  zugespitzten  Anordnung  so  manches  dem  Gegen- 
stand nach  zusammengehörige  voneinander  gerifsen  worden,  so  fühlt 
man  diesen  Uebelstand  in  dieser  Classe  am  meisten.  So  werden  die 
beiden  von  Sneton  dar.  rhet.  1  und  Gelliiis  XV,  11  mitgelheilten  Vor- 
bote gegen  die  Philosophen  und  Khetoreu,  weil  das  eine  ein  senatus 
consulfum,  das  andere  ein  edietum  censorium  ist,  an  zwei  weit  aus- 
einander liegenden  Stellen  mitgelheilt,  Nr.  1698  und  1725.  Ebenso, 
ans  gleichem  Grunde,  die  lex  Quinctia  Nr.  1697  und  die  senatus  con- 
sulta  ad  aquarum  curam  pertinentia  1702,  beide  aus  Frontin  entlehnt. 
Und  will  man  dazu  das  denselben  Gegenstand  betrelfcnde  Gesetz  aus 
Venafrum,  eigentlich  die  einzige  Urkunde,  welche  im  Original  aus 
dieser  Classe  vorliegt,  vergleichen,  so  mul's  man  es  unter  den  ^  Actis 
pub/icis  municipioruni'  unter  Nr.  1756 aufsuchen.  Zu  dieser  Inschrift  ist 
beiläufig  zu  bemerken,  dafs  sie  bei  Hrn.  Zell  nur  unvollständig  so  weit 
mitgetheilt  worden,  als  sie  im  Jahre  1846  bekannt  war,  da,  um  sie  zu 
vervollständigen,  der  Jahrgang  1850  des  Bull.  delP  inst,  arch.,  wo  sie 
p.  44  ganz,  so  weit  es  die  Beschalfenheit  des  Steines  erlaubt,  ver- 
ölfenllicht  wird,  wohl  beim  Druck  des  Werks  noch  nicht  in  die  Hände 
des  Heransg.  gekommen  war.  Endlich  da  der  Hr.  Herausg.  grofsen 
Werth  auf  eine  möglichst  vollständige  Uebersicht  und  Zusammenstel- 
lung aller  Legalinschriften  legt,  so  wäre  der  unter  den  Inscr,  sacris 
aufgeführten  lex  collegii  Dianae  et  Antinoi  Nr.  382  eher  hier  ihre 
Stelle  zu  gönnen  gewesen. 

Es  würde  zu  weit  führen  den   übrigen  Theil  des  ersten  (prosai- 


Zell:  Handbuch  der  romiscluMi  Epigrapliik.     Ir  Tlicil.  168 

sehen)  Hauptabschnittes  nach  allen  seinen  Unlerablheilungen  zu  verfol- 
gen, und  wir  gönnen  lieber  dem  zweiten,  poetischen  Theile  noch  einige 
Worte.  Bei  der  gar  nicht  in  Zweifel  zu  stellenden,  vorwiegenden 
Wichtigkeit  vornehmlich  der  ötrentlichen  Slaalsurkunden,  welche  in 
dem  ersten  Theile  behandelt  worden,  wird  doch  schon  die  jedem 
gleich  in  die  Augen  fallende  Thatsaciie,  dafs,  während  dieser  ganzen 
Classe  429  Seiten  gewidmet  sind,  jene  mit  13,  sage  dreizehn  abgefer- 
tigt wird,  auffallend  erscheinen.  Müfsen  auch  in  den  gegenwärtigen 
Zeitläuften  die  Musen  sich  an  eine  stiefmütterliche  Zurücksetzung  ge- 
wöhnen und  sich  noch  bedanken,  dafs  man  sie  nicht  ganz  im  Staate 
zur  Thür  hinausweist,  so  sollte  ihnen  doch  ihr  Recht  in  einem  Werke 
nicht  verkümmert  werden ,  das  ja  zunächst  für  solche  geschrieben  ist, 
welche  die  Beschäftigung  mit  der  Psyche  des  Menschen  höher  als  die 
mit  der  Materie  stellen.  So  arm  und  unergiebig  ist  die  epigraphische 
Poetik  der  Lateiner  doch  nicht,  dafs  man  glauben  könnte  der  Sache 
zu  genügen,  wenn  man  53  Inschriften  auffüiirt,  gegenüber  1921  der 
andern  Abtheilung.  Sollten  buchhändlerische  Rücksichten  diese  Be- 
schränkung veranlafst  haben ,  so  können  wir  diese  Entschuldigung  um 
so  weniger  annehmen,  als,  wenn  es  an  Raum  gebrach,  dieser  recht  gut 
durch  Weglafsung  mancher  prosaischen  Inschrift  hälfe  gewonnen  wer- 
den können.  Der  Hr.  Herausg.  wird  gewis  dieses  MisverhäUnis  selbst 
fühlen  und  bei  seiner  Kenntnis  von  dem  Umfange  der  epigraphischen 
Litteratur  am  wenigsten  um  eine  Vermehrung  des  Materials  verlegen 
sein.  Das  Princip,  wonach  das  nun  jetzt  gegebene  geordnet  wird, 
ist  dasselbe  wie  in  der  ersten  Abtheilung,  und  namenilich  begegnen 
wir  hier  unter  den  Inscr.  sacris  wieder  den  sepulcralilms ,  w eiche 
nach  den  Anfangsbuchstaben  alphabetisch  geordnet  sind ,  jedoch  so, 
dafs  die  Grabinschriften  der  Scipionen  für  sich  zusammengefafst  wer- 
den. Letztere  konnten  in  einer  Sammlung,  wie  die  vorliegende  ist, 
allerdings  nicht  übergangen  werden,  obwohl  sie  in  vielen  Abdrücken 
zugänglich  sind  und  selbst  ihren  Platz  in  Grammatiken  gefunden  haben  : 
es  wäre  aber  diesen  Monumenten  bei  ihrer  aus  vielen  Gründen  ganz 
besondern  Wichtigkeit  eine  eingreifendere  Behandlung  zu  wünschen 
gewesen,  worüber  ich  hier  mich  zu  erklären  unterlafse,  da  sich  dazu 
bald  anderswo  Gelegenheit  finden  wird.  Angemefsen  ist  die  gleich- 
zeitige Aufnahme  mehrerer  der  ältesten  Inschriften  dieser  Classe, 
einiger  in  saturnischem  Versmafs  (1922.  1923),  nur  dafs  auch  hier 
wieder  eine  selbständige  und  genauere  Bearbeitung  derselben  ver- 
mifst  wird.  Auch  diese  Inschriften  lafsen  wir,  wie  die  der  Scipionen, 
aus  demselben  Grunde  unberührt,  und  bedauern  vielmehr,  dafs  es  der 
Hr.  Herausg.  verschmäht  hat,  der  ausgearteten  Poetik  in  späterer  Zeit 
ihr  Recht  wiederfahren  zu  lafsen,  wovon  einige  Proben  die  Uebersicht 
dieser  epigraphischen  Gattung  in  ihrem  allmählichen  Verlauf  zum  Ab- 
schlufs  gebracht  haben  würden.  Audi  linde  icii  unberührt,  wenigstens 
nicht  ausdrücklich  vertreten,  eine  Form  des  poetischen  Sepulcralaus- 
drucks,  welche  wegen  ihrer  Eigenthümlichkeit  besondere  Aufmerksam- 
keit verdient  und  als  eigne  Classe  behandelt  werden  konnte,   insofern 

11^ 


164         Zell:  Handbuch  der  römischen  Epigraphik.    Ir  Theil. 

sie  den  epigraphischen  Ausdruck  auf  eine  neue  Weise  charakterisiert, 
nemlich  solche  Inschriften,  welche  ebenso  sehr  der  poetischen  als  der 
prosaischen  Form  angehören,  indem  beide  Ausdrucksweisen  miteinander 
vermischt  sind,  und  während  sie  eigentlich  vielleicht  als  Werke  der 
Prosa  gelten  sollten,  dennoch  metrische  Elemente  in  sich  aufgenom- 
men haben,  welche  als  zum  Theil  übliche  Formeln  des  poetischen  Se- 
pulcralausdrucks  sich  wie  von  selbst  darboten.  Als  Beispiel  gelte 
Nr.  700,  wo  sich  die  Schlufsworte  von  selbst  in  einen  ianibischeu  Se- 
nar  zusammenfügen : 

Bene  valeat  is  qui  hoc  titulum  perlegü  meum, 
eine  Phrase ,  welche  ich  in  derselben  Fafsung  mich  auch  anderswo 
entsinne  gelesen  zu  haben.  Es  ist  auch  wohl  nicht  Zufall,  dafs  sich 
der  vorhergehende  Text  der  Inschrift,  wenn  man  nur  keine  strenge 
Metrik  verlangt,  sich  auch  dabei  einen  Siebenfüfsler  gefallen  läfst 
(nicht  ungewöhnlich  zwischen  iambischen  Senaren)  in  Verse  derselben 
Gattung  auflöst: 

sine  Ute  sine  rixa  sine  conlroversia 

sine  aere  alieno ,  amicis  fidem  bonam  praestiti^ 

peculio  pauper,  animo  divitissimus. 
Jedesfalls  nuiste  der  metrische  Anklang  dieser  Inschrift  an  seiner 
Stelle  nicht  unangemerkt  bleiben.  Freilich  ist  diese  Composilion  der 
Inschrift  auch  Orelli  entgangen,  aus  welchem  der  Hr.  Herausg.  wohl 
die  Inschrift  ohne  weiteres  Bedenken  entnommen  haben  mag.  Ein  ob- 
wohl viel  geringerer  metrischer  Anklang  ist,  beiläufig  gesagt,  in 
der  im  Bull.  delP  inst.  arch.  1850  p.  153  veröffentlichten  (wenn  nur 
echten)  Inschrift  nicht  zu  verkennen. 

Wir  kommen  zu  dem  letzten ,  bei  gegenwärtiger  Anzeige  in  Be- 
tracht zu  ziehenden  Punkt,  nemlich  zu  der  BehandUnigsweise,  welche 
bei  der  Mittheilung  des  Textes  jeder  einzelnen  Inschrift  zu  Grunde  ge- 
legt worden  ist,  und  wenden  uns  zuerst  zu  der  äufsern  Form,  in  wel- 
cher die  Inschriften  vorgelegt  worden  sind.  Kaum  traut  man,  wenn 
man  das  Buch  aufschlägt,  seinen  Augen,  wenn  man  den  Text  der  In- 
schriften in  3Iinuskelschrift,  in  fortlaufender  Schrift,  ohne  Absetzung 
nach  den  Zeilen,  ja  selbst  ohne  Andeutung  eines  Zeilenabsatzes,  was 
doch  selbst  Orelli  für  nöthig  erachtet  hatte,  ohne  Angabe  aller  son- 
stigen Beschalfenheit  und  Eigenthünilichkeit  jedes  einzelnen  Monuments 
wiedergegeben  sieht,  und  zwar  in  einem  Werke,  welches  sich  die 
Aufgabe  gestellt  hat,  eine  lateinische  Epigraphik  nach  Art  des  Franzi- 
schen Werks  über  griechische  Epigraphik  zu  sein.  Noch  unbegreif- 
licher aber  ist  es ,  wenn  mau  dieses  schon  oben  gerügte  Verfahren  als 
die  richtige  Methode,  welche  bei  dem  Wiederabdruck  von  Inschriften 
einzuhalten  sei,  gerechtfertigt  sieht.  Sed  haec  ipsa  res,  sagt  Hr. 
Zell  p.  IX ,  mihi  qnidem  et.  ad  rectam  rationein  et  ad  usum  accom- 
niodata  esse  nidehatur.  Nempe  ornnino  duplex  est  exemplorum  Co- 
dices et  monumenta  iitterata  reddentium  genus ,  prent  vel  accurutae 
critices  subsidia  et  rationes  vel  commnneni  legentium  cotnnioditatem 
et  populärem  iisum  respexeris ;  quorum  all  er  um  oriyinariam  scrip- 


Zell:  Handbuch  der  römischen  Ej)ig:raphrk.    Ir  Theil.         lö.') 

hirnm  exacta  imitafione  expr/mat  nccesse  est  ^  nllerum  verhornni  et 
lillerarum  substantium  fide/iler  reädere  satis  habet  etsi  cumiuunibus 
et  consuelis  lyporum  formis.  Tertium  genus  medium  quod  exacta 
scripturarum  imitatione  careat  idemque  a  communi  formarum  con~ 
suetudt'ne  recedat ,  ueufri  parti  satisfacil:  nam  iieque  criticae  sub- 
tiiitati  inservit  et  a  populari  legentium  usu  et  commoditale  alienmn 
est.  lam  hoc  ipsnm  tertium  genus  neulri  parti  accommudatum  ple- 
rumque  in  antiquis  inscriptionibus  edendis  usurpatur^  dum  litterarum 
maiuscularum  sive  capitulium  furmas  typographicas  adhibent,  quae 
neque  ipsnm  mounmentoriim  svripturam  plane  exprimant  et  legentium 
ocu/os  murentur.  Deswegen  verwirft  der  Hr.  Herausg-.  die  Anwen- 
dung dieses  drillen  Genus,  ^  alter i  huius  o,  eris  vo/umini  tabulas  li- 
thographicas  additurus ,  quibus  antiquae  diversorum  generum  et  ae- 
tatum  inscriptiones  accuiatissime  ad  archetijpum  expressae  reprae- 
sentarentur.*  Diese  Zugabe,  welche  jenem  Uebelstande  abzuhelfen 
bestimmt  ist,  wollen  wir  mit  Dank  annehmen,  glauben  aber,  es  wäre 
für  die  Bequemlichkeit  der  Leser,  welche  dem  Hrn.  Herausg.  so  mafs- 
gebend  gewesen  ist,  befser  gesorgt  gewesen,  wenn  diese  Tafeln 
gleich  dem  ersten  Bande  beigegeben  worden  wären.  Auch  fürchten 
wir,  wenn  dieselben  ein  genaues  Facsimile  der  einzelnen  Inschriften 
enthalten  sollen,  wie  ja  verheifsen  wird,  es  dürfte  die  Zahl  bei  der 
Schwierigkeit,  die  Originale  selbst  benutzen  zu  können,  so  gering 
ausfallen,  dafs  der  gröfste  Theil  der  ganzen  Sammlung  leer  ausgehn 
werde.  Wenn  aber  auch  dem  Hrn.  Herausg.  in  dieser  Beziehung  be- 
deutendere Mittel,  als  wir  annehmen  zu  dürfen  glauben,  zu  Gebote 
stehn ,  so  wird  man  sicii  dennoch  bei  der  grofsen  Mehrzahl  der  in  die 
Sammlung  aufgenommenen  Inschriften  mit  dem  Texte  begnügen  müfsen, 
welcher  in  dem  ersten  Bande  geliefert  worden  ist,  was  für  einen  gro- 
fsen Uebelstaud  gehalten  werden  mufs.  Jede  Copie  soll  ja  nur  ein 
Mittel  abgeben,  das  Original  so  treu  als  möglich  vor  unsere  Anschau- 
ung zu  bringen;  durch  Hrn.  Zells  Methode  wird  aber  dem  Monumente 
gerade  dasjenige  charakteristische  entzogen,  was  dasselbe  zum  Ge- 
genstand der  Epigraphik  macht.  Es  bleibt  unserer  Kenntnis  entzogen, 
in  welcher  Form  die  Inschrift  abgefafst,  in  welche  Zeilen  der  Text 
verthcilt,  ob  die  Schrift  einer  Zeile  gröfser  als  die  andere,  ob  und 
wie  die  einzelnen  \^'orfe  voneinander  getrennt,  ob  durch  Interpunc- 
tion ,  und  durch  w  eiche ,  wovon  sehr  oft  die  Annahme  oder  Abwei- 
sung von  Lücken  abhängt,  ob  einzelne  Buchstaben  zu  einem  Zug  ver- 
schlungen sind,  und  was  sonst  alles  für  verschiedene  Eigenheiten  der 
äufserlichen  Beschalfenheit  die  Inschrift  charakterisieren,  alles  Punkte, 
welche  wesentliche  Theile  der  Epigraphik  ausmachen,  und  ohne  deren 
Kenntnis  das  Urtheil  über  einzelne  Monumente  sehr  erschwert,  unter 
Umständen  ganz  unmöglich  gemacht  wird.  Allerdings  wäre  zu  wün- 
schen,  dafs  von  jeder  Urkunde  ein  Facsimile  gegeben  werden  könnte, 
damit  dem  ersten  Genus,  das  der  Hr.  Herausg.  aufstellt,  genügt  wer- 
den könne.  Dies  verbietet  sich  aber  schon  aus  dem  Grunde  von  selbst, 
dafs  von  unendlich  vielen  Inschriften,  und  selbst  solchen,  welche  den 


160         Zell:  Handbuch  der  römischen  Epigrapliik.    Ir  Theil. 

bedeutendem  zugezählt  werden  niiifsen,  die  Originale  gar  nicht  mehr 
vorhanden  sind.  \>  eun  man  also  einmal  sich  früher  gemachter  Copien, 
welche  die  Inschriften  nur  nach  ihrer  allgemeinen  BeschalTenheit  wie- 
dergeben, bedienen  nuil's ,  so  wird  es  auch  bei  unbedeutendem,  wenn 
auch  die  Steine  noch  vorliegen,  nicht  überall  auf  eine  absolut  genaue 
Nachbildung  des  Originals  ankommen,  und  der  etwas  mit  der  Epigra- 
pliik  vertraute  wird  im  Stande  sein,  aus  einer  leidlich  getreuen  Co- 
pie  in  Lapidarschrift  in  den  meisten  Fällen  sich  ein  Bild  von  dem 
Original  insoweit  entwerfen  zu  können,  als  es  zur  Beurtheilung  des 
Monuments  erforderlich  ist.  Kann  man  nun  auch  nicht  das  höchste  er- 
reichen, so  wird  sich  doch  hier  der  Wahlspruch  erweisen,  die  Hälfte 
sei  befser  als  das  Ganze,  und  es  kommt  nur  auf  eine  geschickte  Be- 
handlung an,  um  dem  Auge  vieles  zu  vergegenwärtigen,  was  derje- 
nige, welcher  Inschriften  gebrauchen  will,  kennen  mufs.  Zur  mög- 
lichst genauen  Wiedergabe  der  Schriftzüge,  Siglen  und  mancher  ver- 
wandter Eigenheiten  w  ürde  der  gesammte  Vorrath  der  Monumente  nach 
gewissen  Classen  zu  ordnen  sein,  und  was  längst  für  die  griechische 
Epigraphik  geschehn  und  namentlich  im  weitesten  Umfange  im  Corpus 
inscr.  Gr.,  auch  in  dem  Franzischen  Werke  zur  Anwendung  gebracht 
worden,  für  diese  Classe  verschiedene  Schriftarten  zu  beschaffen  sein, 
w  ovon  manche  charakteristische  sich  selbst  schon  in  den  Officinen  be- 
finden. ^^  ird  freilich  hierdurch  die  Ausführung  einer  solchen  Unter- 
nehmung schwieriger,  w  eilschichliger ,  kostspieliger,  so  liegt  dies 
eben  in  der  Natur  eines  Werks  dieser  Art,  und  wer  sicli  der  Heraus- 
gabe eines  solchen  unterzieht,  hat  zu  berathen,  ob  die  zur  Ausführung 
unumgänglich  erforderlichen  Mittel  vorhanden  sind.  Wenn  übrigens 
Hr.  Zell  zur  Rechlfertiguug  der  von  ihm  eingeschlagenen  Methode  sich 
auf  das  ältere  Werk  von  Fleetvvood  (1661)  bezieht,  welclies  als  Vor- 
bild für  eine  ähnliche  zu  veranstaltende  Sammlung  ja  ^^'olf  empfohlen 
habe  (p.  X),  so  hat  dabei  Wolf,  welcher  die  tabula  alimentaria  und 
das  marmor  Ancyranum  und  andere  epigraphische  Monumente  wohl- 
weislich in  Majuskelschrift  herausgegeben  hat,  gew  is  nicht  die  von 
dem  genannten  Engländer  in  Anwendung  gebrachte  Minuskelschrift  im 
Sinne  gehabt,  was  auch  aus  den  p.  V  angeführten  Worten  Wolfs  gar 
nicht  hervorgeht.  Mit  scheinbarerem  Erfolg  hätte  sich  der  Hr.  Ilerausg. 
auf  dasselbe  Verfahren  berufen  können,  welches  3Iai  bei  Veröffent- 
lichung der  christlichen,  von  Marini  gesammelten  Inschriften  einge- 
schlagen hat  Coli.  Vatic.  T.  V,  wenn  nicht  der  Herausgeber  selbst 
p.  XVI  ff.  dasselbe  mehr  als  eine  Sache  der  Noth,  Aveil  es  an  einer 
liinlänglichen  Menge  der  erforderlichen  Typen  gefehlt  habe,  darstellte 
und  gewissermafsen  zu  entschuldigen  suchte.  Wenn  endlich  Hr.  Zell 
sich  auf  die  Bequemlichkeit  der  Leser  und  auf  den  usus  popularis  be- 
ruft, so  ist  meiner  Ansicht  nach  die  Sache  bei  einer  Disciplin,  wel- 
che für  Dilettanten  gar  nicht  vorhanden  ist,  vielmehr  umzudrehn,  in- 
dem gerade  ein  solches  Werk,  wenn  es  so  treu  als  möglich  die  Mo- 
numente wiedergibt,  im  Stande  ist,  nicht  nur  auf  den  Ernst  solcher 
Studien  schon  durch   den   äuFseru  Eindruck    aufmerksam  zu   machen, 


Zell :  Handbuch  der  rümisclieti  EpigrapJiik.    Iv  Tlieil.         167 

sondern  zugleich  das  Auge  des  Antangers  an  die  Art  und  Meise  zu 
gewöhnen,  in  \velciier  röniisciie  Sclirit'twerke  iiberliau))l ,  und  in  den 
verschiedenen  Zeiten  römischer  Sprache  und  Liltoratur  abgefalst  wor- 
den sind.  Die  Kränze,  welche  bei  Studien  dieser  Art  dem  verdienten 
ausgesetzt  werden,  sind  nicht  ohne  Dornen;  aber  gerade  diese  er- 
höhen den  Werlh  eines  erworbenen  Kranzes. 

In  Bezieliuiig  auf  die  äiifserliche  Einrichtung  der  Sammlung  werde 
noch  bemerkt,  dal's  natürlich,  wo  es  möglich,  der  Fundort  oder  doch 
der  gegenwartige  Aufbewahrungsort  jeder  einzelnen  Inschrift  angege- 
ben wird,  ersteres  jedocii  nicht  immer  (s.  Nr.  1706.  J7J3.  1714.  1906, 
über  welche  wichtige  Inschrift  jetzt  Otto  Jahn:  über  die  Ficoronisclie 
Cista  S.  41  ff.  zu  vergleichen  ist  *)),  wobei  jedoch  zu  bedauern,  dafs 
nicht  immer  durch  den  Ausdruck  zwischen  jenen  beiden  unterschieden 
und  einer  Verwechslung  beider  vorgebeugt  w  orden  ist.  Auch  w  äre 
zu  wünschen  gewesen,  es  habe  dem  Hrn,  Herausg.  gefallen,  bei  ein- 
zelnen 3lonumenten  von  Bedeutung  das  3Iaterial,  in  welches  die 
Schrift  eingegraben,  so  weit  solches  bekannt  ist,  anzugeben,  was  in 
der  Hegel  nur  dann  geschehn,  wenn  der  Stolf  nicht  Stein,  sondern 
Erz  ist.  Wie  wichtig  aber  selbst  die  Kenntnis  der  gewählten  Steinart 
ist,  werden  diejenigen  wifscn,  welche  sich  mit  den  Grabschriften  der 
Scipionen,  bei  welchen  eine  Angabe  dieser  Art  bei  Hrn.  Zell  ver- 
mifst  wird,  beschäftigt  haben. 

Rücksichtlich  der  eigentlichen  Bearbeitung  der  einzelnen  In- 
schriften sah  der  Hr.  Herausgeber  als  seine  Aufgabe  an,  die  Worte 
^  quam  emeiidafissima  et  ex  vptimis  fontihus  petita  dare'  (p.  VIII). 
Ferner  sagt  derselbe  p.  IX;  Cummentarios  addere  ivscriptionihus 
non  erat  ex  inslltuti  operis  consilio,  sed  tantumtnodo  nutarum  st're 
siglorum  explicatiunes  ^  variaruin  lectioiium  delectum  et  praettiissa 
maioribus  inscriptionihtis  arcjumenta.  3Ian  sieht,  die  Thätigkeit  des 
Hrn.  Herausg.  concentrierte  sich  auf  zwei  Punkte,  den  Text  der  In- 
schriften so  rein  und  richtig  als  möglich  zu  geben,  unter  Benutzung 
der  besten  Abschriften  und,  wie  das  Werk  bezeugt,  selbst  mittelst 
Conjecturalkritik,  und  zweitens  unter  Ausschlufs  eines  Commentars, 
welcher  auch  hier  nicht  an  seiner   Stelle  gewesen  sein  würde,  das 


*)  Wenn  ich  ans  dieser  Inschrift  früher  einen  Dlautius  herausge- 
lesen habe,  so  würde  Jahn  a.  a.  O.  sich  des  Urtheils  enthalten  haben, 
dafs  ich  mich  über  diese  Inschrift  'seltsam'  geäufsert  hätte  (denn  dar- 
auf bezieht  sich  doch  wohl  dieses  Urtheil),  wenn  er  nemlich  das  allein 
von  mir  gehrauchte  nnd  angeführte  Facsimile  der  Inschrift  nachge- 
schlagen hätte,  welches  ein  D  zeigt,  kein  P,  wie  die  jetzt  genauer 
mitgetheilte  Abschrift  allerdings  darbietet.  Dieser  Fall  eines  unver- 
schuldeten Irthuins  kann  von  neuem  zeigen,  wie  der  Epigraph  ohne 
genauste  Berücksichtigung  alles,  was  zur  äufsern  Erscheinung  eines 
Monuments  gehört,  nur  zu  leicht  auf  Irrungen  verfällt.  Um  sich  von 
dein  wirklich  hohen  Alterthum  der  in  Rede  stehenden  Inschrift  voll- 
ständig zu  üherzeugen,  bedarf  es  einer  Ansicht  der  Schriftzüge  selbst, 
welche  nun  erst  möglich  geworden  ist.  Aus  der  ZeUschen  Mittheilung 
kann  man  sich  kein  sicheres  Unheil  bilden. 


1Ö8         Zell:  Handbuch  der  römischen  Epigraphik.    Ir  Theil. 

Geschäft  des  Erklärers  auf  die  Deutung  der  Siglen,  die  Angabe  der 
wesentlichen  Varianten  und  die  Zugabe  einiger  Argumente  zu  be- 
schränken. In  wie  weit  der  Hr.  Herausg.  nun  dieser  seiner  Aufgabe 
genügt  iiabe,  wird  sich  am  besten  aus  der  Betrachtung  einiger  In- 
schriften ergeben,  welche  ich  mehr  aufs  Gerathewohl  als  aus  besondern 
Absichten  herausgreife,  und  zwar  zunächst  um  das  Urlheil  über  den 
ersten  Punkt  festzustellen. 

1948  ist  auf  eine  Weise  wiedergegeben,  durch  welche  sich  der 
Epigraph  nicht  befriedigt  fühlen  wird.  Wir  setzen  sie  nach  Zell  her, 
da  sie  kurz  ist: 

Protogenes  Clul.  suavei  heicei  situst  mitmis, 
Plouruma  qiie  fecil  populo  soveis  gaudia  nuges. 
D a fs  s«//s  —  tiugis  zu  verstehn  sei,  hatte  schon  Muratori,  welcher 
diese  Inschrift  den  ältesten  (?)  lateinischen  Schriftdenkmälern  zurech- 
net, eingesehn,  wohl  auch,  dafs  que  als  qui  zu  fafsen  sei,  wie  auch 
ürelli  angibt,  nicht  erst  3Ieyer  Anlhol.  Lat.,  der,  wie  Hr.  Zell  angibt, 
qui  geschrieben  wifsen  will,  während  e  hier  statt  ei  steht  wie  in 
nuges.  Schwierigkeit  macht  Clul,  wozu  Hr.  Zell  bemerkt:  ^uunt 
C  luentii  mit  Cluvii  Hb  er  tu  s?  Murat.  Corruplum  videtur 
Oreliio.'  Aber  auf  dem  Steine,  wie  ihn  Muratori  gibt  und  Ürelli  rich- 
tig wiederholt,  steht  vielmehr  CLOVL.  Ferner  sind  auf  dem  Stein, 
was  Muratori  als  Anzeichen  von  hohem  Alterthum  hervorhebt,  einzelne 
Wortgruppen  durch  horizontale  Striche,  gleich  einer  Inlerpunction, 
voneinander  geschieden,  wie  bei  Orelli  eingesehn  werden  kann,  wo- 
von aber  in  dem  Zellschen  Abdruck  keine  Spur  zu  linden  ist.  Ferner 
soll  nach  Muratoris  Angabe  der  Buciistab  P  die  Gestalt  des  griechi- 
schen 77  (wohl  7^)  haben,  was  natürlich  in  dem  neusten  (auch  im 
Orellischen)  Abdrucke  fehlt.  Wenn  endlich  die  in  ihrer  Art  ganz  ein- 
zige Form  heicei  vom  Hrn.  Herausg.  durch  kicce  nach  Muratoris  Vor- 
gange erklärt  wird,  so  ist  dies  im  allgemeinen  richtig,  nur  dafs  es 
hätte  liice  (^heice)  heifsen  müfsen,  zu  vergleichen  mit  HINGE  und  ähn- 
lichen Formen,  worüber  gehandelt  worden  Comm.  de  pron.  tert.  per- 
sonae  is  p.  ö8  ff.  Hierdurch  wird  aber  heicei  grammatisch  noch  nicht 
vollständig  gerechtfertigt,  da  der  Auslaut  desselben  im  Dunkel  bleibt. 
In  der  Voraussetzung,  dafs  sich  hier  kein  Fehler  eingeschlichen,  fafse 
ich  das  lange  i  am  Ende  als  ein  demonstratives,  wodurch  die  Kraft 
dieses  demonstrativen  Pronomens  erhöht  wird,  wenn  ich  auch  jetzt 
aufser  Stande  bin,  diesen  Gebrauch  durch  andere  Beispiele  genauer 
nachzuweisen.  Man  sieht,  Hr.  Zell  hat  uns  weder  einen  diplomatisch 
genauen  Text  geliefert,  noch  diesem  eine  angemefsene  Behandlung  zu 
Theil  werden  lafsen,  zugleich  auch  wie  sich  die  Anwendung  der  Mi- 
nuskel rächt,  die  einmal  beliebt,  über  manches  hinaussehn  läfst,  was 
der  Epigraph  nicht  entbehren  kann. 

16S8.  SC.  de  Bacc/ionrilihus ,  nach  dem  übereinstimmenden  Ur- 
theil  aller  kundigen  unstreitig  eins  der  allerwichtigsten  Monumente 
der  Epigraphik,  nicht  allein  wegen  seiner  fast  unversehrten  Erhaltung 
und  Bcdeulung  dos  Arguments,  sondern  vornehmlich  dadurch,  dafs  die 


Zell:  Handbuch  der  römischen  Epigraphik.    Ir  Thcil.         169 

Zeit  seiner  Enistehiuig  (56H),  wodurch  es  für  die  Kciinlnis  der  Spra- 
che, ürlhographie  für  die  f^enannle  Zeit  und  andere  epigrapiiischen 
Beziehungen  gewisserniarsen  zu  einem  Itegulativ  wird,  genau  bekannt 
ist.  üie  Zeitangabe  Fehlt  in  der  Zellschen  Bearbeitung  der  Inschrift, 
und  wir  werden  gleicli  selin,  in  wie  weit  wir  durcli  dieselbe  ein  zu- 
verliifsiges  und  brauclibares  Document  erhalten  haben.  Gleich  der 
erste  Buchstab  des  Zellschen  Abdrucks  ist  zweifelhaft,  nemlich  die 
nach  dem  Vorgang  anderer  aufgenommene  Ergänzung  des  Vornamens 
|0J,  welchen  Göttling  ausgefallen  behauptet,  'weil  gerade  an  dieser 
Stelle  ein  überdies  ausgerifsenes  Loch  für  einen  Nagel  angebracht 
war,  um  die  Tafel  festzuhalten.'  Dieser  Behauptung  widerspricht 
aber  das  mit  der  gröfsten  Sorgfalt  augefertigte  Facsimile  Endlichers, 
indem  auf  der  Tafel  vor  MAHCIVS  jetzt  noch  ein  leerer  Baum  vorher- 
geht, welcher  für  das  Q  zum  Theil  hinreichend  gewesen  sein  würde, 
ferner  auch  die  beiden  für  die  Nägel  bestimmten  Löcher,  wie  jetzt 
aus  dem  Bruch  noch  deutlich  erkannt  wird,  weiter  oben  über  der  er- 
sten Zeile  auf  beiden  Seiten  angebracht  waren.  —  Zeile  3  läfst  es 
der  Hr.  Herausg.  in  Uebereinslimmung  mit  Götlling  ungewis  ,  ob  SA- 
CANAL,  wie  auf  der  Tafel  steht,  für  einen  Fehler  des  Graveur  oder 
für  S.  (sacra)  BACANALIA  zu  halten  sei.  Ich  halte  letzlere  Meinung 
für  unzuläfsig,  weil  wenn  eine  förmlichere  und  vollständigere  Be- 
zeichnung dieser  Feste  durch  den  Zusatz  Sacra  beliebt  worden  wäre, 
dies  wohl  da  geschelin  sein  würde,  wo  der  Name  des  Festes  zuerst 
erwähnt  wird.  Aus  demselben  Grunde  ist  auch  die  vom  Hrn.  Herausg. 
nachgeschriebene  Vermulhung  Göltlings,  Z.  7  BACAS  könne  vielleicht 
eine  Abkürzung  von  BACANALIA  SACBA  sein,  abzulehnen.  Dafs  BA- 
CAS für  BACCIIAS  zu  fafsen  sei,  ist  gar  nicht  zu  bezweifeln.  Un- 
leugbar hat  sich  aber  der  Graveur  dergleichen  Versehn  an  andern 
Stellen  schuldig  gemacht.  Dahin  kann  gleich  Z.  5  der  angebliche  Feh- 
ler VTBA  statt  VEHBA  gerechnet  werden.  Wie  dieser  aber  entstan- 
den,  erfährt  man  durch  Hrn.  Zell  nicht  nur  nicht,  sondern  wird  auch 
durch  die  Bemerkung  zu  dieser  Stelle:  ^tabula  metidose:  utra'  irre- 
geleitet. Auf  der  Tafel  steht  nemlich  VTH  A,  und  zwar  das  A  durch 
einen  leeren  Zwischenraum  getrennt,  welcher  gerade  für  ein  B  hin- 
reichte. Es  ist  leicht  einzusehn,  dafs  der  Graveur  im  Original  das 
Wort  nicht  deutlich,  den  vierten  Buchstaben  gar  nicht  lesen  konnte 
und  daher  einen  Haum  für  denselben«  offen  liefs.  —  Z.  6  steht  auf 
der  Tafel  NDSTEß,  wiederum  ein  offenbarer  Fehler,  der  aber,  wie 
einige  andere  die  wir  übergehn  ,  namhaft  gemacht  werden  muste,  um 
eine  Handhabe  zur  Beurlheilung  anderer  zweifelhafter  Fälle  zu  haben, 
wie  ja  auch  vom  Hrn.  Herausg.  Z.  ll  NEOVE  statt  NEQVE  besonders 
angemerkt  wird.  Uebrigens  die  eben  erwähnte,  auch  sonst  vorkom- 
mende Verwechslung  des  D  und  0  (s.  Boissonade  Comm.  epigr.  post 
Holslenii  Epistolas  p.  436)  halte  mir  nach  Ansicht  der  Endlicherschen 
Copie  Z.  6  COSDLEBETVR  längst  die  Augen  über  die  richtige  Lesart 
dieses  Worts  geöffnet,  welche  nun  durch  Götlling  bestätigt  ist,  ob- 
wohl derselbe  darin  irrt,  wenn  er  CüSüLEBETVR  als  wirklich  auf 


170        Zell:  Handbuch  der  römischen  Epigraphik.    Ir  Tlieil. 

der  Talel  vorhanden,  was  Ilr.  Zell  nachschreibt,  besonders  angibt. 
—  Z.  ö  merkt  Gottling  ausdrücklich  die  Auslafsung  des  I  in  SENA- 
TORBVS  an,  wie  auch  bei  Endlicher  steht,  wovon  aber  bei  Hrn.  Zell 
keine  Erwähnung-  geschieht. —  Z.  15  ^  oquoltod  (pro:  uccullo) 
Güttliny  e  tabula;  Hauhold:  DQVÜLTÜD.'  Aus  der  obigen  Bemer- 
kung über  die  Verwechslung  von  0  und  D  wird  man  vermulhen  mü- 
fsen,  dafs  Haubold  Hecht  habe:  und  so  ist  es  auch  nach  Endlichers 
Copie.  Für  wen  werden  denn  aber  so  kostbare  und  mühevolle  Ar- 
beiten, wie  dieses  Facsimile  ist,  veranstaltet,  wenn  sie  nicht  von  den 
Männern  von  Fach  benutzt  werden? —  Z.  J6  bei  Hrn.  Zell  preeivatod, 
wohl  nur  ein  Druckfehler,  da  PKEIVATOD  sowohl  bei  Göttling  als 
Endlicher  steht.  Bei  einem  Monumente  von  so  besondern  Spracheigen- 
Ihümlichkeiten  nuisle  jedem  Fehler  dieser  Art  mit  der  gröl'slen  Sorg- 
falt vorgebeugt  werden.  — ■  In  der  letzten  Zeile  werden  die  Sclilufs- 
worte  IIN  AGRÜ  TEVKANO  bei  Hrn.  Zell  unmittelber  mit  dem  vorher- 
gehenden zusammengenommen  und  syntaktisch  verbunden,  während 
die  Stellung  jener  Worle  auf  der  Tafel,  abgesehn  von  den  gröfseren 
Schriftzügen  derselben,  welche  Hr.  Zell  selbst  anmerkt,  ihn  hätten 
überzeugen  müfsen,  dafs  diese  Worte  als  eine  Notiz  für  sich  aufge- 
fafst  werden  müfsen,  die  auch  in  dem  Conlext  des  SC.  gar  nicht  Platz 
haben  konnte. 

Wollte  man  in  derselben  Weise  noch  einige  andere  Inschriften 
von  ähnlicher  Bedeutung,  wie  z.  B.  die  der  Scipionen,  das  Edicium 
Dioclellani  de  pretiis,  das  TestJimentumüasumii  etc.  durohmusfern,  so 
würde  es  an  ähnlichen  Ausstellungen  und  Nachträgen  nicht  fehlen.  Im 
Weitergehn  werde  nur  in  dieser  Beziehung  die  Duillische  Inschrift 
Nr.  1360  kurz  erwähnt,  wo  die  Kellermannsche  neuste  Copie  bei  ürelli 
Anal,  epigr.  p.  35  unberücksichtigt  geblieben  ist.  3Ian  wird  sich  aus 
vorstehenden  Bemerkungen  überzeugt  haben ,  dafs  weder  die  vorhan- 
denen Hilfsmittel  genau  benutzt  und  der  Text  darnach  richtig  bear- 
beitet worden,  noch  dafs  überhaupt  diejenige  Sorgfalt  und  Genauigkeit 
zur  Anwendung  gekommen  sei,  welche  die  Behandlung  di|)lumalischer 
Urkunden  verlangt:  endlich  auch,  dafs  Selbständigkeit  des  Urlheils 
und  eigne  Thätigkeit  nur  zu  sehr  vermifst  wird.  An  den  schwierigem 
Stellen  läfst  uns  der  Hr.  Herausg.  nur  zu  oft  im  Stiche,  oder  begnügt 
sich,  die  abweichenden  Meinungen  anderer  anzuführen,  ohne  selbst 
sein  Urtheil  hinzuzufügen,  wodurch  jedoch  das  verdienstliche  einiger 
wahrscheinlichen  Conjecturen,  wie  p.  277  si  quid  is  und  Nr.  176:3  p. 
■ib'iiiiliistrium  nicht  geschmälert  werden  soll.  Zum  weitern  Beleg  die- 
ses nur  mit  Widerstreben  ausgesprochenen  Urtheils  im  einzelnen  mö- 
gen noch  einige  nachträgliche  Bemerkungen  über  einige  einzelne  In- 
schriften folgen. 

1683  p.  28i  (Lex  Rubria  de  Gallia  cisalpinä)  war  die  richtige, 
auch  von  Hrn.  Zell  anerkannte  Lesart  famüiae  herciscunda  schon 
von  Carli  vorgeschlagen  und  ist  zum  Pompon.  de  orig.  iur.  p.  123 
aufser  Zweifel  gesetzt  worden. 

Zu  den  Grabschriflen  der  Plaulii  893  und  898,  welche  ohne  Noth 


Zell:  Handbuch  der  römisclicii  Epigraphik.    Ir  Tlieil.         171 

Vüiieiiiiuuler  getreiiiil  ersclieineii,  koiiiileii  die  Variaiileii  vergliclieii 
werden,  welche  nach  Melelliis  ,  welcher  das  Momiinenl  im  sechzehn- 
ten Jahrhundert  sah,  zu  ronipon.  p.  121  niilgelheill  worden  sind. 

1(390.  Senutus  coiisti fluni  de  Ascicpiude  L'luzomeiiio  suciisque. 
Zu  welchem  Zwecke  wird  hier ,  fragt  man,  die  Ergänzung  der  sehr 
verstümmelt  auf  uns  gekonimeneu  Urkunde  von  Sigonius,  welche  kein 
epigraphisches  Interesse  haben  kann,  milgelheilt,  da  sie  nach  der 
dem  lateinischen  Texte  hinzugefiiglen  noch  vorhandenen  griechischen 
Uebersetzung  abgcfalst  ist?  Dafür  wäre  letztere  gewis  um  so  will- 
kommener gewesen,  als  man  dadurch  zugleich  ein  sehr  alles  Beispiel 
einer   inscriptio  bilinguis  erhallen  haben  würde. 

1971  ist  ^  ex  schedis  Salniasian.',  d.  h.  doch  wohl  aus  der  be- 
kannten Pariser  Handschrift  in  die  Anthologie  übergegangen  und  lau- 
tet nach  Zell : 

Faiista  novum  domini  condens  Fortuna  lavacrum 

Inväat  fessos  huc  properare  viros. 
Laude  operis  fruilur  capif  et  siia  (/audia  pracsul, 

Hospes  duhiflua  dum  recreatur  aqua. 
Condentis  monsirant  versus  primordia  nomen 

Auctoremque  facit  littera  prima  lec/i. 
Lnstrent  pontivagi  Cumani  Htoris  antra; 

Indigeiiae  placeant  plus  mihi  deliciae. 
Da  der  Stein  nicht  mehr  vorliegt,  so  ist  der  kritischen  Behandlung 
dieser  nur  handschrifllich  überlieferten  Inschrift  ein  gröfserer  Spiel- 
raum gestattet,  der  aber  von  uns  zu  nichts  anderm  als  zur  Tilgung 
eines  einzigen  Buchslaben,  von  dem  freilich  ein  Hauptlbeil  des  Ver- 
ständnisses des  3Ionumenls  abhängt,  benutzt  werden  soll.  Die  Ver- 
suche Burmanns  und  Wernsdorfs,  den  Namen  des  Verfafsers  dieses 
Epigramms  zu  ermitteln,  führt  der  Hr.  Herausgeber  an,  ohne  selbst 
darüber  eine  Meinung  abzugeben ,  und  so  ist  die  Untersuchung  olfen 
geblieben,  da  die  aufgestellten  Vermuthungen,  welche  nicht  einmal 
dem  Sinn  der  bezüglichen  Worte  in  dem  Epigramm  entsprechen,  von 
Hrn.  Zell  selbst  schwerlich  gebilligt  worden  sind.  Man  bat  hierbei 
zu  wenig  den  Inhalt  des  sechsten  Verses  berücksichtigt:  sonst  würde 
man  eingesehn  haben  ,  dafs  der  Name  des  Verfafsers  akrostichisch  in 
den  ersten  Buchslaben  jedes  Verses  enthalten  sein  müfse,  nach  einer 
Art  poetischer  Spielerei,  welche  wir  aus  vielen  und  selbst  schon  sehr 
alten  Beispielen  kennen.  Vergl.  Zeilschrift  für  die  Alterthumsw.  1849 
S.  198.  Dachte  man  wohl  auch  bieran,  so  gab  man  aber  diese  Me- 
thode auf,  weil  man  aus  FlLHCALl  keinen  Eigennamen  herausfand, 
ihn  aber  gefunden  haben  würde,  wenn  man  sich  hospes  ohne  Aspi- 
ration geschrieben  gedacbt  hätte,  woraus  nun  der  Nanie  des  Verfafsers 
Filocali,  angemefsen  im  Genitiv,  hervorgeht.  Also  stand  auf  dem  Steine 
OSPES,  was  in  den  Handschriften  umgestaltet  wurde.  Vermag  ich 
auch  nicht  diese" Form  durch  ein  anderes  Beispiel  nachzuweisen,  so 
ist  doch  das  Schwanken  in  der  Orthographie  dieses  Wortes  durch 
Apulcjus  de  adspir.  23  p.  109  bezeugt  und  es  lindet  die  Weglafsung  der 


172         Zell:  Handbuch  der  römischen  Epigraphik.    li-  Theil. 

Aspiration  ihre  Rechtfertigung  durch  viele  verwandte  Fälle,  vergl. 
zu  Cic.  de  rep.  p.  432.  Die  Frage,  wer  dieser  Filocalus  oder  Philo- 
calus  gewesen,  inufs  ganz  auf  sich  beruhn  bleiben,  obwohl  die  In- 
schriften öfters  diesen  Namen  bringen,  ohne  dafs  jedoch  eine  Bezie- 
hung mit  unserm  Dichter  zu  ermitteln  ist:  nur  zeigen  diese  Beispiele, 
dafs,  was  sich  schon  aus  dem  Namen  vernuithen  liefs ,  diese  Philocali 
dem  Stande  der  Sklaven  oder  Freigelafsenen  angehört  haben,  was 
auch  für  den  unsrigen  sich  aus  dem  Text  der  Inschrift  selbst  ergibt. 
Uebrigens  der  Gebrauch  des  f  statt  ph  weist  dem  Monument  eine 
späte  Zeit  der  Entstehung  an,  s.  zu  Cic.  de  rep.  p.  454. 

362.  Eine  längere,  wichtige  dedicatio  arae ,  zu  deren  Text  be- 
merkt wird:  partim  novo  in  mar more^  partim  veteri.  De  recentio- 
ribus  tarnen^  auctore  MorceUio^  non  dubita?idum,  quam  Cyriacus 
Anc.  aliique  integram  inscriplionem  ante  descripserint  quam  ad 
Ramnusios ,  eiusdem  domitios,  perferrelur ,  wörtlich  nach  Orelli, 
nur  dafs  daselbst  vor  perferretiir  das  für  den  Sinn  unentbehrliche 
mutila  eingeschoben  ist.  Aufserdem  unterscheidet  Orelli  den  neuen 
Theil  der  unstreitig  erst  nach  Abschriften  in  neuer  Zeit  wieder  er- 
gänzten Inschrift  durch  verschiedenen  Druck.  Das  hat  der  Hr.  Her- 
ausgeber für  unnöthig  erachtet,  hat  dadurch  aber  auch  seiner  Copie 
allen  kritischen  Gebrauch  entzogen.  Ob  übrigens  dieser  neue  Theil 
überhaupt  aufser  allem  Zweifel  sei,  vermag  ich,  da  MorcelH  mir  nicht 
zur  Hand  ist,  leider  nicht  zu  beurlheilen. 

1238.  Nicht  dederond,  wie  Hr.  Zell  drucken  läfst,  sondern  de- 
deront  steht  bei  Maffei,  eine  bei  einem  so  interessanten  und  so  alten 
Monument  wichtige  Variante.  Ob  Hr.  Zell  seine  Lesart  aus  dem  von 
ihm  angeführten  3iorceIli  entnommen  hat,  kann  ich  nicht  ermitteln. 
Gibt  dieser  seine  Lesart  nach  nochmaliger  Vergleichung  der  Inschrift, 
so  wäre  diese  Berichligung  als  solche  namhaft  zu  machen  gewesen, 
indem  für  den  Leser,  wie  die  Sache  jetzt  steht,  der  Zellsche  Text  für 
sich  allein  unbrauchbar  ist. 

1720  schwankt  die  Lesart  in  dem  Namen  des  Praefecfus  urbis 
zwischen  Ecfesius  und  Ecdesitis,  und  wird  vor  der  Hand  auch  schwan- 
kend bleiben.  Wenn  der  Hr.  Herausg.  jenen  gebilligt  hat,  so  hätte 
er  denselben  aus  dem  Regionarium  aus  Einsiedeln  (Archiv  f.  Philol. 
u.  Paed.  Bd.  V  S.  12j),  wo  dieselbe  Inschrift  wiederholt  wird,  unter- 
stützen können.  Aufserdem  werde  bemerkt,  dafs  dieselbe  Inschrift 
nach  Fabretti  auch  von  Mai  Coli.  Vatic.  T.  V  p.  320  wiederholt  wird. 

1968  aus  Plin.  N.  II.  XXXI,  2,  wo  der  dritte  Vers  geschrieben 
wird: 

atqüe  academicae  celebratum  nomine  villam, 
wo  alle  mir  zugänglichen  Ausgaben  academiae  haben,  worüber  das 
nölhige  schon  zu  Cic.  de  rep.  p.  478  bemerkt  worden  ist.    Wenn  aca- 
demicae nicht  ein  Druckfehler  ist,  so  mufs  dasselbe  schon  aus  proso- 
di sehen  Gründen  abgewiesen  werden. 

Dafs  der  Hr.  Herausg.  die  von  mir  nach  den  Originalen  wieder- 


Zell:  Ilandbucli  der  römisclion  Epigrapliik.    Ir  Tlieil.         173 

gegebenen  Texlo  in  so   vielen  Fällen  zu  berücksicliligen  iinferlafsen 
hat,  kann  ich  ihm  nicht  übel   deuten,  da  dasselbe  auch  in  Bezieliiing- 
auf  die  Mitlheilung-  anderer  gilt.    Ob  dies  aber  dem  Werke   zum  Vor-- 
tbeile  gereicht  habe,  muls  bezweifelt  werden,  wie  die  eine   Nr.  1G20 
lehren  kann,    ^^'enn  er  die  von  mir  veröirenliiclile  Copie  Syll.   inscr. 
p.  542  verglichen  hätte,  so  würde  er  gefunden  haben,  dafs  über  der 
Inschrift  auf  der  Basis  noch  CÜNCESSIANI  stellt,  was  aucii  in  den 
früheren    mir   bekannten   Texten    fehlt,    übrigens    durch     einen    epi- 
grapbischen  Gebrauch  erklärt  wird,  welcher  gerade  in    einem  Werk, 
wie  das  vorliegende,  nicht  übergangen  werden  durfte.     Vergl.  über 
diesen  Genetiv,  welcher  aufserhalb  der  Inschrift  auf  einer  Plinthe  über 
derselben   und  zwar  zur  Bezeichnung   der  darüber  belindlichen  Por- 
traitslatue  angebracht  ist,  Syll.  p.    546,   und  noch  dazu  zwei  andere 
Beispiele  desselben  Gebrauchs  bei  Mai  Coli.  Vat.  T.  V  p.  208  Nr.  3  und 
p.  281  Nr.  2.   Auch  würde,  um  auf  die  obige   Inschrift  zurückzukom- 
men,  eine  Vergleichung   meiner  Bemerkung   über  OB  OVE  den  Hrn. 
Herausg.   vor  seiner  w  underlichen  Erklärung  ob  vetera  geschützt  ha- 
ben.    Ein  anderes   Beispiel   derselben  Vernachläfsigung  ist  Nr.  1943 
wahrnehmbar,,  wo    Syll.   inscr.   p.  529   (Add.    p.    592)    beachlungs- 
werthe  Varianten  dargeboten  haben  würde;  namentlich  findet  sich  da- 
selbst am  Scblufse  das  hier  fehlende  »o/e,  was  ich  auch  bei  Gruter 
und  Orelli  (die  andern  von  Hrn.  Zell  angeführten  Gewährsmänner  kann 
ich  nicht  vergleichen)  vermifse.    Auch  steht  bei  mir  noch  als  Ueber- 
schrift  D  M,  worauf  jedoch  kein  Gewicht  zu  legen  ist.    Aber  das  nuifs 
ein  schlimmer  Zufall  genannt  werden,  dafs  bei  Hrn.  Zell  hinter  locat 
eine  ganze  Verszeile  ausgefallen  ist.    Von  den  vielen,  nicht  unerheb- 
lichen Varianten  der  ganzen  Inschrift  nach  den  verschiedenen  reich- 
lichen Abschriften  erfährt  man   gar  nichts    und   nuifs  also  annehmen, 
dafs  z.  B.  Z.  4  sovotn  richtig  stehe,  während  bei  Orelli  sich  SVOM 
findet  (vergl.  auch  zu  Cic.  de  rep.   p.  441);  bei  welcher  Stelle  wir 
doch  auch  begierig  wären  den  Grund  zu  erfahren ,  warum  in  dem  an- 
geführten Worte  das  u  eckig  v  geschrieben  wird,  während  diese  Me- 
thode bei  dem  Diphthong  au  in  Claudiam  unangewendet  bleibt.    Hier 
und  da  begegnen  wir  derselben  Schreibweise,  und  zwar  bei  Inschrif- 
ten gröfseren  Umfangs  ohne  Consequenz,  wie  Nr.   1692.     3Ian  könnte 
veranlafst  werden,  dahinter  ohne  allen  Grund  irgend  eine  epigraphi- 
sche Singularität  zu  vermuthen,  wozu  aber   die  Originale   keine  Ver- 
lafsung  geben.    Endlich,  um  auch  das  noch  nachzutragen,  ist  dem  Hrn. 
Herausg.  entgangen,    dafs  statt  suo  Axt  zu  Vestrit.  Spur.  p.  57  pio  zu 
lesen  vorschlug,  dessen  wir   uns  freilich,  wie  ich  glaube,  entrathen 
können. 

Was  endlich  noch  einer  Betrachtung  verbliebe,  die  Art  und 
Weise  näher  zu  bezeichnen,  wie  der  Hr.  Herausg.  ohne  einen  Com- 
nientar  zu  liefern  sich  dem  Geschäft  des  Erklärers  unterzogen,  kann 
mit  wenigen  Worten  abgethan  werden,  zumal  da  aus  den  vorstehen- 
den Bemerkungen  man  sich  entnommen  haben  haben  wird,  dafs  auch 
hier  das  Werk  vieles  zu  wünschen  übrig  lafse.    Es  ist  anzuerkennen, 


i74         Zell:  Handbuch  der  römischen  Epigrapliik.    Ir  Theil. 

dafs  sich  der  Hr.  Heransg.  durch  kurze  Anmerkungen  und  Erklärung 
derSiglen  um  das  Verständnis  des  Textes  vielfach  verdient  gemacht  hat; 
zugleich  ist  es  aber  auch  zu  bedauern,  dafs  er  vielleicht  aus  zu  gro- 
fsem  Streben  nach  Kürze  da  ,  wo  man  gern  Aufschlufs  gewünscht  hätte, 
den  Leser  im  Stich  läfst ,  oder  zu  leicht  über  die  Schwierigkeiten  hin- 
wegeilt. Denn  z.  B.  was  soll  man  bei  der  alten,  so  interessanten  In- 
schrift 48  mit  der  einfachen  Erklärung  der  so  schwierigen  Form  APO- 
LO>'ES  durch  Apollini  macheu?  Eine  Rechtfertigung  dieser  Erklä- 
rung konnte  hier,  wie  an  manchen  andern  Stellen  nicht  umgangen 
werden,  im  Interesse  des  Werkes  selbst,  wenn  dieses  dadurch  auch 
an  Umfang  zunehmen  muste,  und  man  würde  gewis  auf  die  Mittheilung 
mancher  in  mehrern  ähnlichen  Beispielen  aufgenommenen  Inschrift  lie- 
ber Verzicht  geleistet  haben.  Wie  aus  übel  angebrachter  Kürze  in 
der  Beschreibung,  zumal  bei  solchen  Monumenten,  wo  die  Inschrift 
von  bildlicher  Darstellung  begleitet  ist,  die  Inschrift  selbst  dunkel 
und  fast  unverständlich  wird,  davon  gibt  Nr.  879  Zeugnis,  wenn  man 
die  Beschreibung  des  Monuments  bei  Le  Bas  Mon.  de  l'antiquite  figu- 
ree  II  p.  239  vergleicht.  Ebenso  wird  schon  bei  mehrern  obigen  Be- 
merkungen eine  zu  grofse  Sparsamkeit  in  der  Vorlage  des  kritischen 
Materials  fühlbar  geworden  sein,  und  wenn  es  darauf  ankäme 'mit 
Stillschweigen  übergangene  Varianten  anzuführen,  über  welche  die 
Entscheidung  noch  olTen  steht  oder  schwankend  ist  (von  einer  voll- 
ständigen Mittheilung  des  ganzen  kritischen  Apparats  ist  natürlich 
ganz  abzusehn) ,  so  würde  vieles  nachzutragen  sein.  Auf  die  Erklä- 
rung der  Siglen  hat  der  Hr.  Herausg.  grofse  Sorgfalt  verwendet,  so 
dafs  selbst  die  Erklärung  der  trivialsten  häufig  wiederholt  wird.  Bei 
den  schwierigem  aber  (z.  B.  p.  219  bei  m  .  n)  vermifsen  wir  oft  die- 
selbe Sorgfalt,  wo  es  wohl,  zumal  wenn  die  Lesart  zweifelhaft  ist, 
einer  Bemerkung  bedurft  hätte,  wie  es  z.  B.  Nr.  879  der  Fall  ist,  wO 
über  die  Erklärung  von  N  .  K  hinter  Aquilo,  dem  Namen  eines  Pfer- 
des ,  auf  Le  Bas  a.  a.  0.  p.  239,  welcher  niger  kaesius  (von  der  Farbe, 
wie  ähnliches  in  Nr.  878)  deutet,  verwiesen  werden  konnte.  —  End- 
lich ist  bei  einem  Werke  dieser  Art  auch  nach  der  Correctheit  des 
Drucks  zu  fragen.  Ich  habe  darauf  nur  wenig  Aufmerksamkeit  ge- 
richtet, mufs  aber  bekennen,  dafs  mir,  wo  ich  genauer  zusah,  man- 
che Druckfehler  begegnet  sind,  zu  deren  Beseitigung  die  Corrigenda 
et  Addenda  p.  XI  und  XII  nicht  ausreichen.  Wenn  ich  einige,  selbst 
der  trivialsten  Art  anführe,  so  geschieht  dies,  weil  dergleichen  von 
dem  Hrn.  Herausg.  selbst  namhaft  gemacht  worden  sind,  und  man  dar- 
aus Schlüfse  zu  ziehn  berechtigt  ist.  In  den  Anmerkungen  findet  sich 
p.  148  Cruf  statt  Grut;  p.  162  lovonim  statt  locoruin;  p.  86  Agrelis 
statt  Agnetis;  p.  103  fecinndo  statt  feriundo.  Auf  derselben  Seite  ist 
bei  Nr.  892  die  Ziffer  690  falsch,  da  sich  die  Inschrift  an  der  ange- 
führten Stelle  nicht  findet.  P.  194  mufs  bei  Nr.  1620  die  Grutersche 
Seitenzahl  vielmehr  439  heifsen.  Dergleichen  Versehu  finden  sich  nun 
leider  auch  im  Text  der  Inschriften  selbst.  Nr.  19i6  steht  exempla  st. 
exem/>/o;  Nr.  1947  ist  7' statt  F wohl  auch  ein   Druckfehler,  da  Orelli 


Fabri  tiiKniccrwagon  :  Tili  I,i\ii  a.  ii.  c.  lihri  XXI  et  XXII.        IT.") 

nacli  Lanzi  riclilis'  [F]  ffibt.  Wenn  Orelli  daselbst  4839  citiert  wird, 
so  mul's  es  beifsen  4830.  Ferner  Nr.  1925  und  1941  invenis^  derselbe 
Felder  stall  iuvenis.  Den  Scbluls  des  g-anzen  ^^■erkes  machen  reichli- 
che Indices:  I.  notaruni.  II.  {feo(/rap/i/c?is.  III.  hisloricus.  IV.  de- 
orntn.  V.  mvnernm  sacrorum.  VI.  vicujislrotiuim  etc.  VII.  alainm, 
cohortium,  legiomim  etc.  VIII.  eornm  quae  ad  orthoijrnphiam  et  om- 
uino   ad   rem   f/rammaticam  specfant.     IX.  rerum   et  latinitatis. 

Am  Scbluls  dieser  Anzeige,  deren  Ausfiibriiclikeit  durcli  dio 
Wichtigkeit  des  Gegenstandes  gerechtfertigt  erscheinen  mag,  wird  es 
überllüfsig  sein,  ein  allgemeines  Unheil  über  den  Werth  des  Werks 
auszusprechen,  zumal  ich  weit  entfernt  bin  durch  ein  solches  dem  ge- 
ehrten Hrn.  Verf.  webe  thun  zu  wollen.  Es  galt  hier  nur  zu  zeigen, 
in  welchem  Verhältnis  dasselbe  zu  den  Anforderungen  stehn  möchte, 
die  nach  meiner  Ansicht  an  eine  solche  Unternehmung  von  Seiten 
der  Wifsenschaft  gestellt  werden  nuifsen.  Wäre  dasselbe  so  sehr  hin- 
ter allen  Erwartungen  zurückgeblieben ,  dafs  es  als  ein  unbrauchbares 
hätte  bezeichnet  werden  niüfsen,  dann  würde  eine  kurze  Abweisung 
oder  gänzliches  Schweigen  genügt  haben.  Allein  weil  wegen  man- 
chen Nutzens,  welchen  das  Werk  unzweifelhaft  stiften  wird,  zu  er- 
warten steht,  dafs  eine  zweite  Auflage  desselben  werde  begehrt 
werden,  so  habe  ich  m'ch  über  die  einzelnen  Gesichtspunkte,  von  wel- 
chen bei  Bearbeitung  eines  solchen  Werks  meiner  Meinung  nach  aus- 
gegangen werden  mufs,  ausführlich  auszusprechen  veranlafst  gefun- 
den, und  werde  für  das  schmerzliche  Gefühl  der  Selbstverleugnung, 
welches  ich  über  mich  gewinnen  muste,  um  der  Walirheit  durch  otTene 
Darlegung  meiner  Ansicht  gerecht  zu  werden,  mich  belohnt  erachten, 
wenn  meine  Bemerkungen  von  dem  Hrn.  Herausg.  auch  in  diesem  Sinne 
aufgefafst  und  bei  einer  neuen,  wie  wir  hoffen,  gänzlichen  Ueberar- 
beitung  benutzt  werden  sollten. 

Giefsen.  F.  Osann. 


Tili  Limi  ab  nrbe  condita  Ubri  XXI  et  XXII.  Mit  Anmerkungen 
von  Dr.  Ernst  Wilhelm  Fabri.  Neu  bearbeitet  von  Dr.  Heinrich 
Wilhelm  Heerwagen ,  Prof.  am  königl.  bayr.  Gymnasium  zu  Bay- 
reuth. Nürnberg  bei  J.  L.  Schräg.  1852.  XVI  u.  428  S.  XXXVI 
S,  Register,     gr.  8. 

Da  die  Bearbeitung  mehrerer  Bücher  des  Livius  von  Fabri  so- 
wohl durch  Sachkenntnis,  Geschmack  und  richtigen  Takt  vor  den  mei- 
sten Ausgaben  dieses  Scbriflslellers  sich  auszeichnet  als  auch  geeignet 
ist  in  ein  gründliches  Studium  desselben  einzuführen,  so  kann  das 
Bedürfnis  einer  neuen  Aullage  des  ersten  Bandes  nur  als  eine  erfreu- 
liche Erscheinung  betrachtet  werden:  nicht  minder  aber,  dafs  gerade 
Hrn.  II  e  erw  age  n,  der  schon   durch   seine   frühern   Leistungen    eine 


176    Fabri  u.  Ileerwagen:  Tili  Livü  a.  n.  c.  libri  XXI  et  XXII. 

genaue  Bekanntschaft  mit  der  Sprache  und  Darstellung  des  Livius  und 
dem  was  besonders  in  neuerer  Zeit  für  denselben  g-eschehn  ist,  be- 
urkundet und  sich  als  besonnenen  und  scharfsinnigen  Kritiker  bewährt 
bat  die  Besorgung  der  neuen  Ausgabe  übertragen  und  von  ihm  mit 
eben  so  grofser  Sorgfalt  als  Umsicht  und  Gründlichkeit  ausgeführt 
worden  ist.  Die  Aufgabe  des  Herausgebers  war,  ungeachtet  der  Ver- 
dienste Fabris,  da  dem  von  diesem  geleisteten  die  gebührende  Ach- 
tung erhalten,  der  ursprünglicbe  Plan  des  Werkes  nicht  aufgegeben 
und  doch  der  bedeutende  Fortschritt,  welchen  die  Texteskritik  des 
Livius  seit  dem  Erscheinen  der  ersten  Ausgabe  besonders  durch  Al- 
schefskis  Forschungen  gemacht  hat,  Berücksichtigung  finden  sollte, 
keine  leichte:  aber  er  hat  dieselbe  so  geschickt  und  umsichtig  gelöst, 
dafs  beide  Zwecke  gleichmäfsig  erreicht  Morden  sind  und  die  neue 
Ausgabe  die  Vorzüge  der  ersten  und  zugleich  die  Resultate  der  neue- 
ren Forschungen  vereinigt  enthält. 

Da  es  sich  Fabri  zur  Aufgabe  gemacht  hatte,  den  Sprachge- 
brauch des  Livius  und  die  Eigenthümlichkeit  seiner  Diction  darzu- 
legen, und  hierin  das  bedeutendste  seiner  Leistung  besteht,  so  durfte 
der  neue  Herausgeber,  ohne  das  besondere  und  auszeichnende  des 
"Werkes  zu  verwischen,  von  den  in  dieser  Beziehung  befolgten  Grund- 
sätzen nicht  abgehn.  Er  hat  daher  die  reichen  Sammlungen  desselben, 
die  für  den ,  welcher  Livius  genauer  kennen  lernen  will,  in  hohem 
Grade  belehrend  sind,  zum  Theil  unverändert  beibehalten,  zumTheil  ent- 
weder nach  Bemerkungen,  welche  Fabri  in  ein  Exemplar  seiner  Ausgabe 
eingetragen  hatte,  oder  auch,  und  dieses  noch  häufiger,  aus  eignen 
Mitteln  ergänzt  und  erweitert,  vieles  ganz  umgearbeitet  und  tiefer  be- 
gründet oder  neu  hinzugefügt.  In  beiden  Beziehungen  erscheint  der 
Herausgeber  als  selbständig  und  gibt  eine  Beihe  von  Bemerkungen, 
welche  entweder  geeignet  sind  das  Verständnis  der  einzelnen  Stellen 
zu  fördern,  oder  überhaupt  belehren  und  den  Sprachgebrauch  erläu- 
tern. So  wird,  um  nur  einiges  zu  erwähnen,  XXI,  1,  2  vincere;  16,  4 
tumultuari  cum  aliquo ;  18,  2  de f ender e  factum;  25,  9  emergere; 
XXII,  6,  3  noscitare;  12,  10  der  persönliche  Gebrauch  von  paenitere; 
13,  4  circumspicere;  22,  7  spectare  mit  und  ohne  ad;  27,  8  commu- 
nicare;  29, 2  ej^^or^were  ,•  ^.brestare;  ^O^^prosequi  genauer  als  früher 
oder  erst  jetzt  erklärt;  ferner  XXI,  3,  3  der  häufige  Gebrauch  des  In- 
dicativs  in  orat.  obl.  bei  Livius;  XXII,  18,  8  der  häufige  Wechsel  der 
Tempora  in  derselben ;  XXI,  2,  6  die  Bedeutung  des  Perfects  in  Folge- 
sätzen; XXII,  33,  10  der  Dativ  bei  Passiven;  49, 10  die  Nebeneinander- 
stellung zweier  Imperative;  XXI,  45,  9  die  Verbindung  von  substanti- 
vischen Participien  mit  eigentlichen;  XXII,  28,  1  die  des  Ablat.  abs. 
mit  Participien.  Zu  XXI,  4,  9  ist  auf  die  Umschreibung  negativer  Ei- 
genschaften durch  non  oAernullus;  62,  5  auf  den  substantivischen  Ge- 
brauch des  Abi.  von  ullus;  18,  13  auf  »/er  als  Relativum;  XXII,  8,  7 
auf  den  Unterschied  von  alter  und  alteruter ;  XXI,  62,  6  auf  den  pro- 
leptischen  Gebrauch  von  ceteri;  XXI,  50,  9  auf  die  Formen  von  conatus 
und  conata  hingewiesen.     Nicht  minder  sind  zu  beachten  die  Bemcr- 


Fabri  u.  Heerwagcn:  Tili  Livii  a.  u.  c.  libri  XXF  et  XXII.     177 

kungen  über  proinde  XXI,  30,  11;  über  die  "N^'ortstellung  zuniicbst 
XXI,  II,  1  bei  Eigennamen;  XXII,  2,  1  bei  dat  operam ;  ib.  §.  4  ut 
est;  XXI,  13,  4  vestra  vos ;  ib.  21,  3  credo  ego ;  XXII,  23,  4  fcrrum 
ignemqne ;  XXI,  13,  6  ex  magna  parte  ;  der  Adverbia  XXII,  6,  9;  28, 
3;  den  Cbiasmus  XXII,  18,  14  ii.  a.  Nur  an  wenigen  Stellen  wird  man 
eine  Erklärung  vcrniilsen  oder  durcb  die  vom  Herausgeber  gegei)ene 
sieb  nicbt  befriedigt  sebn.  So  konnte  XXI,  21,  6  bemerkt  werden, 
warum  prinio  i^ere  ^  bald  darauf  wie  c.  5,  5  vei-e  prinio  stebe.  Ib.  10, 
1  war  wobl  darauf  hinzuweisen,  dal's  in  den  Worlen:  itaque  praeter- 
quam  quod  admissi  auditique  sunt  ea  qtioque  vana  —  legatio  fuit  die 
Partikel  quoque  sich  nicht,  wie  es  sonst  nach  praetcrquain  der  Fall 
ist,  auf  den  durch  dieses  eingeleiteten  Gedanken,  sondern  auf  c.  9,  3 
bezieht.  An  derselben  Stelle  ist  id  de  quo  richtig  nach  der  Analogie 
von  id  quod  erklärt;  allein  c.  57,  4  dürfte  id  quod  am  Anfange  des  Salzes 
durch  die  beigebrachten  Stellen  schwerlich  gerechtl'erligt  und  des- 
halb das  Punkt  vor  id  in  ein  Komma  zu  ändern  sein;  XXII,  10,3  wäre 
nicht  allein  facere  zu  erklären  sondern  auch  genauer  anzugeben  ge- 
wesen, wie  lovi fieri  sich  Hfl  dotum  duit  anschliefsen  könne;  XXil, 
22,  7  konnte  neben  corpus^  welchem,  da  vile  utque  infame  hinzuge- 
fügt ist,  ein  ^herabwürdigender  NebenbegrüT'  nicht  beigelegt  zu  wer- 
den braucht,  auch  auf  die  Bedeutung  des  voranstehenden  unum  hin- 
gewiesen werden,  s.  Hand  Lehrbuch  des  latein.  Stils  §.  82,  die  Er- 
klärer zu  Hör.  A.  P,  32.  XXI,  5,  3  wird  mit  Hecht  niagis  von  polius 
geschieden,  aber  die  beiden  Gebrauchsweisen  des  ersleren  wären  nach 
Hand  Tursell.  III,  554  und  Haase  zu  Reisigs  Vorlesungen  S.  398  ge- 
nauer zu  sondern  gewesen.  Ib. 9,3  konnte  bemerkt  werden,  dafs  Livius 
überhaupt  zu  Städtenamen  im  Abi.  regelmäfsig  «  oder  ah  setze,  s. 
Ellendt:  de  praepositionis  a  cum  nominibus  urbium  iunctae  apud  Liviuni 
usu.  1843;  diese  NJahrb.  Bd.  XLIIIS.  207.  Die  XXI,  30,  10;  2,4;  XXIX, 
19,  12  angenommenen  Bedeutungen  von  haud  sane  hätten  sich  bei  ge- 
nauerer Beachtung  von  sa7ie  wohl  auf  eine  zurückführen  lafsen,  s. 
Hand  Tursell.  III,  24.  Der  XXII,  59,  12  angegebene  Unterschied  von 
emere  und  redimere^  dafs  jenes  abkaufen,  dieses  loskaufen  be- 
deute, wird  wenigstens  nicht  überall  festgehalten,  s.  XXVI,  27,4: 
servorum  opera  ^  qui  in  publicum  redempti  ac  manumissi  sunt.  In 
Bezug  auf  die  nach  c.  57  gekauften  Sklaven  konnte  übrigens  bemerkt 
werden ,  dafs  dieselben  nach  Appian  de  hello  Hannib.  27  und  Florus 
II,  6,  23  ehe  sie  den  Kriegsdienst  antraten  freigelafsen  sein  sollen. 
XXI,  33,  9  scheint  es  bedenklich  in  den  Worten:  vidit  periciilum  esse^ 
ne  exutum  impedimenlis  exercitum  nequiquam  incolumem  traduxis- 
set  das  Plusquamperfectum  traduxisset  für  ein  Fut.  exact.  zu  hallen, 
welches  der  Ausdruck  sei  für  ein  künftiges  Resultat  des  vergangenen, 
da  so  der  Charakter  des  Fut.  exact.  wesentlich  alteriert  würde  und  an 
unserer  Stelle  mehr  ein  hypothetisches  Verhältnis  stattzufinden 
scheint.  In  exnlum  liegt  nemlich  die  Bedingung ,  unter  der  erst  das 
nequiquam  incolumem  fraduxisse  eintreten  würde;  auch  wenn  ne- 
nicht  vorausgienge,  würde  es  heifsen  können :  si  exutum  impedimenlis 

iS.Juhrb.f.  Phil.  u.  Paed.  Rd  LXVII.  Hft.2  12 


178     Fabri  u.  Heerwag-en:  Titi  Livii  a.  u.  c.  libri  XXI  et  XXII. 

exercifum  haberem,  nequiquam  incolumem  traduxissem:  es  wäre 
dann  so  gut  als  ob  er  das  Heer  vergeblicli  wohlbehalten  hinüber  ge- 
führt hätte.  Auch  XXVI,  47,  7:  magnopere  vereri.,  ne  perdilis  rebus 
serum  ipse  auxilium  venisset  ist  wohl  kein  künftiger  Erfolg  zu  den- 
ken, sondern  Hasdrubal  fürchtet  jetzt  schon  zu  spät  gekommen  zu 
sein ,  da  bereits  alles  verloren  wäre. 

In  den  ersten  beiden  Büchern,  welche  Fabri  bearbeitet  halle, 
war  er  vorzüglich  bemüht  einzelne  Worte  und  Constructionen  zu  er- 
klären; erst  in  dem  zweiten  Bande  hat  er  mehr  auf  die  stilistischen 
Eigenthüm.lichkeiten  im  Satz-  und  Periodenbau  Rücksicht  genommen, 
auf  die  bei  Livius  gewis  eine  besondere  Autmerksamkeit  zu  richten 
ist,  da  er  gewöhnlich  in  einer  Zeit  gelesen  wird,  wo  dem  Schüler  die 
Form  und  Manigfalligkeit  der  historischen  Periode  am  zweckmäfsig- 
sten  gezeigt  wird,  s.  Seylfert  in  der  Einleitung  zu  seinem  Uebungs- 
buche  zum  Uebersetzen  für  Secunda.  Wenn  Hr.  H.  selten  Gelegenheit 
genommen  hat  dieses  Gebiet  zu  betreten,  so  ist  es  wohl  nur  geschehn, 
um  den  von  seinem  Vorgänger,  wie  es  scheint,  beabsichtigten  Fort- 
schritt in  der  Behandlung  and  das  Verhältnis  der  beiden  Bände  zuein- 
ander nicht  zu  stören.  Dagegen  läfst  es  sich  wohl  mit  dem  Zwecke 
des  ersten  Bandes  vereinigen,  dafs  der  Herausgeber  auf  die  Erklärung 
des  Sinnes  und  Zusammenhanges  einzelner  Stellen  und  verschiedener 
Sätze  mehr  eingegangen  ist,  als  dieses  von  Fabri  geschehn  war. 
Zwar  knüpfen  sich  diese  Erklärungen  häufiger  an  die  kritischen  Be- 
merkungen, finden  sich  aber  auch  sonst  zuweilen,  wo  es  nöthig  ist, 
z.  B.  XXI,  5,  10  equilibus  praecepit ;  ib.  8,  4  et  non  sufßciebant;  9, 
3  effrenalarum;  10,  2  senatum  obtestans  etc.;  11,  12  ad  piaciihim;  12, 
^  sub  condicionibiis^  wo  jedoch  die  Erklärung  nicht  sicher  ist,  dafs 
der  blofse  Ablativ  gebraucht  werde  bei  dem  freien  Uebereinkommen, 
sub  bei  der  Unterwerfung  unter  gewisse  Bedingungen  ,  da  das  einfache 
condicionibus  ebenfalls  die  letzte  Bedeutung  hat,  s.  XXIX,  12,  1 :  qui- 
bus  iioluit  condicionibus  ad  petendam  —  subegit  pacem;  XXX,  16, 
13 :  his  condicionibus^  inquit ,  placeulne  pax  Iriduum  ad  consullan- 
dum  dabitur  u.  s.  w. ;  14,  3  imperium  crudele;  25,  5  id  qnoque  dubiuin 
es<;  26,  8  inchoantes  cavabant;  32,  2  progressos ;  41,  5  incidisse ; 
43,  4  ist  habentibus  mit  Recht  als  Dativ  gefafst;  nur  dürfte  wohl  nicht 
an  ein  allgemeines  Subject  zu  denken  sein,  wie  sonst  bei  diesem  Abi. 
des  Part,  praes.,  da  gerade  die  gegenwärtige  Lage  der  Punier  ge- 
schildert werden  soll,  und  sogleich  folgt:  vix  integris  vobis.  Eine 
Umstellung  der  Worte  nullam  —  habentibus  nach  circumdederif,  wie 
sie  Kleine:  Noiae  criticae  in  Livii  Annal.  p.  22  vorgeschlagen  hat,  ist 
theils  zu  kühn,  Iheils  würde  es  so  den  Schein  gewinnen,  als  ob  die 
Gefangenen  zu  Schiff  enlfliehn  könnten.  62,  5:  mnltis  locis  hominum 
specie  procul  Candida  veste  visos  wird  mit  Recht  auf  den  kühnen  Ge- 
brauch von  specie  hingewiesen;  doch  möchte  es  leicht  zu  einem  31is- 
verständnis  führen,  wenn  dieser  Abi.,  da  sogleich  Candida  veste  folgt, 
für  einen  Eigenschaftsablaliv  erklärt  wird,  und  leichter  der  Begriff  zu 
gewinnen  sein,  wenn  man,  wie  es  von  Nägelsbach  geschieht,  övzag 


Fabri  u.  Heenvagen:  Tili  Livii  a.  u.  c.  libri  XXI  et  XXII.     179 

ergänzt  und  specie  als  dessen  Bestimmung  betrachtet.  Dann  hätte  aucli 
XXII,  4,  4  bei  ab  tcrgo  etc.  auf  diese  Bemerkung  verwiesen  werden 
können.  Dagegen  wird  passend  erklärt  XXII,  12,  6  et  prudeniinm  qui- 
dem ;  15, 1  pariter  intcr  snos  hand  minus  quam  in  hosles  mtentus ;  24, 4 
quod  minime ;  25,  19  inslilorem;  38,  2  miiites  tum;  49,  4  quam  mal- 
lem. Nicht  ganz  sicher  scheint  XXII,  26,  3  quacstura  quaque.,  da  nach 
dem  vorangehenden  honores  der  Zusatz  mit  qnoque  immer  auffallend 
bleibt,  und  es  den  Anschein  gewinnt,  als  ob  die  Quaestur  zu  den  ho- 
nores noch  hinzukomme,  nicht  zu  denselben  gehöre.  So  wird  auch 
die  Erklärung  der  schwierigen  Stelle  XXII,  39,  10:  Nee  eventus  modo 
hoe  dueet  —  sed  eadem  ratio ,  quae  fuit  futuraque ,  donec  res  eae 
dem  manebunt,  immutabilis  est  nicht  ganz  klar,  da  Hr.  II.'  ratio  für 
Berechnung  hält,  'deren  Resultat  jetzt  und  so  lange  die  Umstände 
sich  nicht  ändern,  dasselbe  bleiben  wird.''  Denn  so  wird  nicht  deutlich, 
wie  dem  eventus  nicht  die  rat/o  überhaupt  entgegengestellt  ist,  und 
wie  zu  dieser  eadem  hinzugefügt  wird,  obgleich  die  Beziehung  dieses 
BegrilTs  auf  eine  andere  Zeit,  nach  Hrn.  H.  die  Gegenwart,  so  dafs 
eadem  ratio  .siß^^  für  ratio  quae  nunc  eadem  est  quae  fuit  stände, 
nicht  angedeutet  ist.  Ob  Livius  eadem  ratio  in  dieser  Weise  gebraucht 
habe  oder  eadem  aus  der  folgenden  Zeile,  wo  der  Put.  res  eadem\\9.{., 
in  die  vorhergehende  gekommen  sei,  bedarf  wohl  noch  genauerer 
Untersuchung.  Auch  die  Bemerkungen  von  Fischer:  Commentafionum 
Livianarum  part.  I  p.  8  reichen  nicht  aus  die  Schwierigkeiten  zu 
beseitigen. 

Wie  in  dieser  Beziehung  ist  Hr.  H.  auch  in  der  Sacherklärung 
zuweilen  weiter  gegangen  als  sein  Vorgänger,  und  hat  an  manchen 
Stellen  beachtungswerthe  Erläuterungen  gegeben,  theils  geschichtliche 
theils  antiquarische,  während  die  geographischen  wie  früher  in  einem 
besondern  Index  zusammengestellt  sind.  So  wird  namentlich  an  meh- 
reren Stellen,  s.  XXI,  21,  2;  ib.  31,  9;  32,  6  auf  die  Abweichung  des 
Livius  von  Polybius  hingewiesen ,  was  vielleicht  auch  XXI ,  4,  9,  wo 
von  dem  Charakter  Hannibals  die  Rede  ist,  hätte  geschehn  können, 
s.  Polyb.  IX,  22.  26;  XXI,  6,  3  über  das  Jahr  in  welchem  der  Krieg 
begonnen  wurde,  über  das  erst  c.  15,  6  eine  kurze  Bemerkung  folgt; 
über  die  Einnahme  Sagunts;  das  Bündnis  Hasdruhals  ;  22,  6  über  das 
von  Maharbal  angeblich  gemachte  Versprechen  u.  a.  a.  0.  Dafs  Livius 
in  der  Schilderung  des  Alpenübergangs  der  Punier  sehr  unklar  sei, 
wird  mit  Recht  XXI,  35,  8.  38,  6  bemerkt  und  dafs  dieses  seinen  Grund 
in  der  ungenauen  Benutzung  oder  der  Zurücksetzung  der  Nachrichten 
des  Polybius  gegen  andere  Berichte  habe,  nachgewiesen.  Vielleicht 
hätte  auch  angedeutet  werden  können,  dafs  Liv.  XXI, 38  schwerlich  den 
Cincius  genau  und  richtig  verstanden  habe,  s.  Lachmann  de  fontibus 
Livii  II,  16.  80.  Auch  die  Auffafsung  dieser  ganzen  Stelle,  in  welcher 
Hr.  H.  Fabri  folgt,  dürfte  immer  noch  denselben  Bedenken  unterliegen, 
welche  Ref.  schon  in  der  Anzeige  der  ersten  Ausgabe,  s.  Zeitschrift 
für  die  Alferthumswifsenschaft  1837  S.  1205  f.,  geltend  gemacht  hat. 
XXI,  40,6.  41,  15  wäre  auf  den  scheinbaren  Widerspruch  mit  dem,  was 

12* 


180     Fabri  u.  tieerwagen :  Tili  Livii  a.  u.  c.   lihri  XXI  et  XXIi- 

c.  1,  5  über  die  Wegnabme  Sardiniens  gesagt  ist,  hinzuweisen  ge- 
wesen, vergl.  XXII,  54.  XXX, 22.  Auch  die  schwierige  Stelle  XXII, 3, 6 
laeva  relictu  hoste  Faesulas  pctens  medio  Elrnriae  ogro  praedatuvi 
profectus  etc.,  an  welcher  schon  Chi v  er  mit  Recht  Anstofs  nahm, 
liätte  wohl  eine  Bemerkung  verdient,  da  es  kaum  zu  glauben  ist,  dafs 
Livius  in  dieser  ihm  wahrscheinlich  bekannten  Gegend,  und  bei  dem 
klaren  Berichte  des  Polybius  111,82  in  den  Irfhum,  welchen  jene 
Worte  enthalten,  habe  verfallen  können,  s.  Lachmann  a.  a.  0.  II,  89. 
Ganz  angemefsen  sind  die  Bemerkungen  über  die  praerogativa  XXI, 
3,  1;  über  die  Zeit  der  Comilien  ib.  53,  6;  über  die  Dictatur  XXII,  23, 
7;  den  Soldateneid  XXII,  38,  2;  die  Verhältnisse  der  Kitter  XXI,  59, 
9  und  XXII,  14,  15  u.  a.  An  andern  Stellen  könnte  man  ähnliche  Er- 
läuterungen verniilsen  ,  z.  B.  XXII,  J,  5:  qiiod  enim  Uli  mstum  impe- 
rium  quod  auspicium  esse  über  das  Verhältnis  des  Imperium  und  der 
Auspicien  zu  den  an  der  Stelle  berührten  Opfern  und  Feierlichkeilen, 
s.  Huschke :  die  Verfafsung  des  Servius  Tullius  S.  408;  Rubino:  Unter- 
suchungen über  die  römische  Verfafsung  S.  54.  69;  Becker:  Handbuch 
der  röm.  Alterthümer  II,  2,  60,  64;  ein  Wort  über  die  Wichtigkeit  der 
Wahl  des  Flaminius  und  Terentius  Varro  für  die  Beurtheilung  der  Ver- 
hältnisse der  beiden  Stände  in  Rom  zur  Zeit  des  zweiten  pnnischen 
Krieges;  XXII,  9,  8  und  57,  6  über  die  libri  fatales,  deren  Identität 
mit  den  sibyllinischen  an  der  zweiten  Stelle  wenigstens  zweifelhaft 
ist,  vergl.  Müller:  Etrusker  II,  34;  Niebuhr:  röm.  Geschichte  I,  564; 
Klausen:  Aeneas  und  die  Penaten  S.  269.  Auch  hätte  wohl  kurz  etwas 
über  die  hier  erwähnten  Menschenopfer  bemerkt  werden  können,  s. 
Rein:  Criminalrecht  der  Römer  S.  34.  41.  Mit  Recht  wird  XXII,  42,  8 
nMiitiari  m  Schutz  genommen,  doch  konnte  statt  auf  X,  40  auf  Cic. 
Phil.  II,  32,  81:  non  enim  nuntiafiunem  solum  habemus:  constiles  et 
reliqni  magisiratus  etiavi  spectionem  verwiesen  werden.  Für  diese 
und  ähnliche  Bemerkungen  hätte  vielleicht  Raum  gewonnen  Merden 
können,  Avenn  die  Zahl  der  wörtlich  angeführten  Parallelslellen  hier 
und  da  etwas  beschränkt  worden  wäre ,  da  für  den  Schüler  oft  auch 
einige  schon  ausreichen,  der  aber,  welcher  sich  genauer  mit  dem 
Sprachgebrauche  des  Livius  bekannt  machen  will ,  doch  in  der  Regel 
die  Stellen  nachschlagen  wird. 

Indes  ist  die  Interpretation,  welche  durch  Fabri  bereits  bedeu- 
tend gefördert  war ,  das  untergeordnete  Moment  der  neuen  Ausgabe. 
Mit  Recht  betrachtete  es  Hr.  H.  als  seine  Aufgabe  die  reichen  Schätze, 
welche  durch  Aischefski  für  die  Kritik  des  Livius  eröffnet  sind,  sorg- 
fältig für  seine  Bearbeitung  zu  benutzen,  und  nicht  selten  die  Quellen, 
denen  er  folgt,  anzuführen,  so  dafs  der  kritischen  Seite  ein  bedeu- 
tenderes Gewicht  und  gröfsere  Ausdehnung  gegeben  werden  nuiste, 
als  ihr  Fabri  wenigstens  im  ersten  Bande  (denn  in  dem  zweiten  ist 
auch  er  schon  häufiger  auf  kritische  Fragen  eingegangen)  einräumen 
wollte.  Der  Text  hat  dadurch  natürlich  eine  wesentlich  verschiedene 
Gestalt  erhalten,  und  man  kann  es  nicht  tadeln,  dafs  Hr.  H.  oft  die 
Gründe ,  welche  ihn  bestimmten   von  Fabri   abzuweichen ,   angegeben 


I 


Fahri' u.  Hcorwagen:  Tili  Livii  a.  ii.  c.  libri  XXI  et  XXII.     181 

lial ,  wen»  auch  darüber  vielleiclit  die  Ansichten  verschieden  sein 
kiMinen,  ob  an  allen  Siellen,  \>  o  es  geschehn  ist,  diese  Angabe  er- 
fordert werde,  und  nichl  an  manchen  andern  es  wünschenswerlh  ge- 
wesen wäre  die  handscliriflliche  Lesart  angeführt  zu  sehn.  Da  Hr.  II. 
selbst  darüber  schwankt,  ob  er  hier  überall  das  rechte  Mafs  gehalten 
iiabe,  so  scheint  es  zweckniiilsig  einige  Capitel  durchzugehn,  um  das 
Verfahren  desselben  prüfen  und  beurtheilen  zu  können.  Wir  wählen 
dazu  den  Anfang  des  XXII.  Buches,  wo  c.  1,2  bemerkt  ist,  dafs  statt  des 
mit  Uecht  aufgenommenen  niderent  gewöhnlich  triderunt  gelesen  wor- 
den sei,  aber  dafs  der  Anfang  des  Capitels  nur  auf  einer  Verbefse- 
rung  Vallas  beruhe,  dafs  §.  2  und  3,  eine  Stelle  die  durch  Schwer- 
liilligkeit  und  Härte  der  Structuren  auffällt,  nicht  ganz  so  in  den 
IJandschr.  gelesen  werden,  wie  sie  im  Texte  stehn,  dafs  statt  des  hier 
schwachen  autem  in  den  Handschriften  aifdes  sich  linde,  und  manche 
sinnehmen ,  dafs  darin  der  Name  eines  Ortes  verdorben  sei,  nicht 
angegeben  wird.  Im  folgenden  ist  §.  9  bemerkt,  dafs  Drakenborch 
statt  lapides  vermuthet  habe  hiwpades.  §.  10  im  Put.  nicht  Antii 
sondern  in  Antii^  was  die  Conjectur  Gronovs  m  Anllati  als  nicht  un- 
wahrscheinlich erscheinen  läfst,  dann  ac  simahicra  nicht  ad  simulacra ; 
statt  divis  aber  divinis,  was  bis  jetzt  noch  nicht  genügend  verbefscrt 
ist  (Haupt  in  den  Berichten  der  k.  sächsischen  Gesellschaft  der  Wi- 
fsenschaften  1850  S.  104  vermuthet  esse  d/ris  carniina)^  sich  finde,  §.  20 
bei  Salurnalia — •clamalum  auf  das  handschriftliche  S.  —  clamalam 
aufmerksam  gemacht,  aber  §.  18  unde  Feronine  statt  inde  F.  still- 
schweigend gebilligt,  ebenso  c.  2,  1  pervenisse  statt  des  von  Al- 
?chcfski  aufgenommenen  praevenisse.  Schwerlich  mit  Recht  ist  §.  3 
et  onine  veterani  robur  exercitus  beibehalten  und  das  handschriftliche 
erat  entfernt,  da  die  Veränderung  von  et  in  id  oder  nach  Hrn.  H.s 
Conjeciur  et  id  gewis  weit  leichter  ist  als  die  Annahme,  dafs  erat 
nur  eine  Verschreibung  sei.  Ebenso  ist  §.  6  unsicher ,  ob  durch  die 
angeführten  Beispiele  neque  —  puterant  aul  corpora  etc.  hinreichend 
geschützt  werde,  da  keine  dieser  Stellen  ein  in  sich  abgeschlofsenes  ne- 
que —  neque ^  wie  die  vorliegende  es  darbietet,  enthält.  §.  9  ist 
stillschweigend  cubile  statt  des  von  Aischefski  künstlich  vertheidigten 
CMÖi/i  hergestellt;  dann  aber  tarnen  statt  tandem  als  Lesart  des  Put. 
bezeichnet.  C.  3,  2  wird  mit  Recht  in  rem  erat  der  Vorzug  vor  dem 
handschriftlichen  m  rew«  erff»<  gegeben ,  die  Unsicherheit  des  Lesart 
§.  9:  sicjnumque  —  cum  dedisset  bemerkt,  §.  13  vetant  vertheidigt 
und  obtorpuerit  als  Lesart  des  Put.  bezeichnet,  aber  nicht,  dafs  §.  7 
fast  alle  Handschr.  nee  qnieto  quidem  haben.  C.  4,  2  ist  die  Unsicher- 
heit der  gewöhnlichen  Lesart:  montes  Corfonenses  Trasumennus  subif 
angezeigt,  nicht  aber,  dafs  die  besten  Handschr.  colles  adinsurgnnt 
haben  ,  was  bei  der  Vorliebe  des  Livius  für  Decomposita  entweder 
beizubehalten  scheint,  oder,  wenn  Livius  sich  anders  genau  an  die 
Schilderung  des  Polybius  III,  83  gehalten  hat,  als  eine  Andeutung  zu 
betrachten  ist,  dafs  etwas  ausgefallen  sei.  §.  4  ist  angegeben,  dafs 
statt  cepere  in  den  besten  Handschr.  deceptae  stehe  ,   nicht  aber  dafs 


182     Fabii  u.  Heerwagen :  Tili  Livii  a.  u.  c.  libri  XXI  et  XXII. 

qua  cuiqiie  sich  auf  die  Autorität  Priscians  gründe.  C.  5,  1  ist  uc 
Stare  et  piKjnare  statt  ac  pucjnare  ^  §,  4  mixtas  statt  mixto  still- 
schweigend mit  Recht  beibehalten  ;  dagegen  sieht  man  keinen  Grund, 
warum  Hr.  H.  §.  8  ardor  animorum,  das  er  statt  ardur  arniorum 
durch  passende  Parallelstellen  in  Schutz  genommen,  nicht  auch  in  den 
Text  aufgenommen  hat.  Kurz  vorher  hiitten  in  Rücksicht  aufdieVor- 
anstelliing  der  principes  die  Bemerkungen  von  Iluschke  a.  a.O.  S.  450 
berücksichtigt,  und  zu  der  ganzen  Schilderung  als  Parallele  Tac. 
Hist.  II,  41  exlr.  angeführt  werden  können.  Cap.  6,  '6  ist  facie  quo- 
que  noscitans^  Consulen,  inquit  etc.  beibehalten,  obgleich  der  Put. 
consulem  hat,  und  die  angeführten  Stellen  neben  noscilare  oder  co- 
gnoscere  in  ganz  ähnlichen  Fällen  ein  Object  zeigen,  auf  das  sich  dann 
ein  Pronomen  bezieht ;  endlich  der  Ehrenname  coiisul  in  dem  Munde 
des  erbitterten  Feindes  weniger  passend  erscheint.  §.  7  ist  nicht  be- 
merkt, dafs  fessi  tada  retro  aer/errime  repetebant  von  Gronov  so  ver- 
befsert  ist,  §.  6  dafs  in  den  Ilandschr.  capUtbus  umeribns  (Put.)  oder 
capäibus  nmei'is  sich  findet,  während  capitibiis  humerisque  beibehal- 
ten ist,  obgleich  Hr.  H.  sonst  ziemlich  harte  Asyndeta  zuläfst,  z.  B. 

XXI,  28,   2:  naiiftrinn  militum;    ib.  46,  4:   tot  hominnm   equurum ; 

XXII,  13,  1:  tot  indignitatibus  cladibus;  ib.  9,  4:  Praelutiamtm  Ha- 
drianum  agrum ;  22,  19  graves  superbos;  61,  3  cum  mugtiis  ßetibus 
questibus.  Sollte  an  unserer  Stelle  das  Asyndeton  zu  hart  sein ,  so 
liegt  umerisve  wohl  näher  als  humerisque ,  s.  Hrn.  H.  zu  XXII,  11,  1. 
C.  7,2  wird  diversis,  duo  milia^  utrimque  in  Schutz  genommen; 
§.  12  complexu  mit  Recht  gebilligt,  aber  nicht  bemerkt,  dafs  caesa 
sunt  unsicher  sei,  dafs  c.  8,  6  die  Handschr.  dictatorem  populns  crea- 
vif  haben  sinll  prod/ctatore?n .,  wo  zugleich  auch  die  Bedeutung  dieser 
A^'ahl  kurz  angedeutet  werden  konnte,  s.  Rubine  a.  a.  0.  S.  101.  Ib. 
§.  7  ist  mit  Recht  pro  vrbe  ac  penalibus  gebilligt;  c.  9,  1  Spoletium 
als  Lesart  des  Put.  bezeichnet;  dagegen  das  unpassende  Vcri  sacrum 
stillschweigend  beseitigt.  C.  10,  1  wird  die  handschriftliche  Lesart 
consuletite  coUegio  praetorum  beibehalten,  obgleich  es  auffallen  mufs, 
dafs  ein  Praetor  beauftragt  wird  etwas  zu  thun,  was  nicht  zu  sei- 
nem Geschäftskreise  gehört,  das  ganze  CoUegium  der  Praetoren  ohne 
einen  solchen  Auftrag  handelt;  dafs  der  beauftragte  für  den  schleuni- 
gen Vollzug  der  Anordnungen  sorgen  soll,  das  Collegium  aber  erst 
anfragt,  welche  Anordnungen  getroffen  werden  sollen;  dafs  nicht,  wie 
der  Senat  bestimmt  hat,  das  PriestercoUegium,  sondern  nur  der  Pon- 
tifex  maximus  die  Feierlichkeiten  festsetzt.  Da  nun  überdies  in 
der  Schreibung  der  Magislratsbezeichnungen  so  oft  gefehlt  wird, 
und  auch  an  unserer  Stelle  im  Med.  praetor is  sich  findet,  so  dürfte 
die  Vermuthung  von  Lipsius  immer  noch  eine  neue  Prüfung  verdienen, 
zumal  der  Praetor  Aemilius  auch  später,  s.  c.  33,  in  religiösen  Ange- 
legenheiten thäfig  ist.  Bei  dieser  Gelegenheit  hätte  wohl  bcmeikt 
werden  können,  dafsLivius  erstXXXIlI,44  den  Praetor  Cornelius  3Iam- 
mula  als  den  nenne,  welcher  das  rer  sacrum  gelobt  habe.  Im  folgen- 
den wird  die  Versetzung  der  Worte  quod  ducllum  —  sunt  mit  Recht 


Fabri  u.  Heerwageu:  Titi  Livii  a.  u.  c.  libri  XXI  et  XXll.     183 

i^ebilligt  (es  halle  bemerkt  werden  können,  dafs  auch  sonst  im  l'iil. 
sulche  Umstellungen  sich  linden,  s.  Aischefski  zu  XXII,  32  p.  463); 
lerner  die  Worte  sicut  velim  eam  etc.  als  unsicher  bezeichnet,  und 
oegen  die  Vermuthung  des  Ref.,  dafs  stet  ut  velim  zu  lesen  sei,  gel- 
tend gemacht,  dafs  neben  stet  nicht  wie  an  ähnlichen  Stellen  eodem 
statu  sich  linde.  Indes  konnte  hier  wohl  kaum  der  Wunsch  ausge- 
sprochen werden,  dafs  sich  nach  5  Jahren  noch  der  Staat  in  dersel- 
ben traurigen  Lage  helinden  möge,  in  der  er  damals  war,  und  an  jenen 
Stellen  steht  nicht  uf  velim  neben  stare,  wie  hier.  §.  2  ist  das  un 
passende  (/uive  eis  A/pes,  dann  c/epset  stillschweigend  beseitigt;  aber 
>;j.  5  bemerkt,  dafs  suppUcatinn  iere  cum  eine  Verbefserung  Gronovs  ; 
tditum  nicht  durch  die  Handschr.  bestätigt  sei.  C.  11,  4  ist  ut  ii  als 
Verbefserung  Gronovs  statt  w/e,  progredientem  als  statt  des  hand- 
schriftlichen prodientem  gesetzt  angegeben.  §.  8  hätte  in  Rücksicht 
auf  die  Aushebung  der  Hbertini  wohl  Huschke  a.  a.  0.  S.  219  beachtet 
werden  können.  C.  12,  1  ist  mit  Recht  quo  diem  beibehalten ;  §.  4 
die  Unsicherheit  der  Worte  victos  tandem  Martios  animos  bemerk- 
lich gemacht,  und  Ilr.  H.  ist  nicht  abgeneigt  Jenickes  Vermuthung  p. 
tandem  antiquos  Martios  animos  zu  billigen,  während  Haupt  tandem 
illos  Martios  vorschlägt.  §.  5  wird  das  schon  von  Fabri  in  Schutz 
genommene  cura  animum  incessit  beibehalten,  §.  7  obsistebat  ver- 
worfen,  was  allerdings  nur  durch  die  Annahme,  dafs  obsistere  be- 
deute *  sich  zum  Kampfe  bereit  aufstellen'  vertheidigt  werden  kann. 
§.  8  ist  necessario  beibehalten,  da  aber  der  Put.  usus  necessari  co- 
ijeret  bietet,  so  ist  vielleicht  usus  necessarii  cogerent  zu  lesen,  s. 
Cic.  OIT.  I,  8,  25:  expelantur  diritiae  ad  usus  vilae  necessarios. 
|Ilaupt  conjicierte:  usus  neccssarius  cogeret,  unter  Vergleichung  von 
Caes.  B.  C.  III,  96:  cui  semper  omnia  ad  necessarium  usum  defuis- 
sent.]  Bald  darauf  scheint  die  Schreibung  des  Pul.  receptu  quae  dar- 
auf hinzudeuten,  dafs  ein  ähnliches  Substantiv  ausgefallen  sei. 

Aus  dem  bemerkten  geht  hervor,  dafs  Hr.  H.  im  ganzen  mit 
Umsicht  die  Punkte  gewählt  hat,  deren  Erörterung  zweckmäfsig  war, 
und  nur  hier  und  da  etwas  erwähnt  oder  nicht  berührt  hat,  wo  man 
es  erwarten  könnte,  dafs  er  mit  Besonnenheit  und  richtigem  Takte  die 
Resultate  der  Alschefskischen  Forschungen  benutzt  und  verarbeitet, 
dem  Puteanus  und  den  diesem  am  nächsten  stehenden  Handschr.  die 
ihnen  gebührende  Autorität  eingeräumt,  zugleich  aber  dem  Sprachge- 
brauche wie  dem  Sinne  und  Zusammenhange  sein  Recht  hat  widerfah- 
ren lafsen,  so  dafs  seine  Bearbeitung  der  beiden  Bücher  schon  von 
dieser  Seite  betrachtet  als  ein  Fortschritt  in  der  Kritik  des  Livius  zu 
betrachten  ist.  Namentlich  ist  es  nur  zu  loben,  dafs  er  Lesarten  wie 
das  eben  erwähnte  praevenisse;  Veri  sacrum;  XXI,  19,  9  rociius  ho- 
slis  prodidil ;  ib.  35,  3  praecedehatit  u.  ä.  wieder  entfernt  und  die  frü- 
here Lesart  hergestellt  hat.  In  der  Natur  der  Sache  selbst  aber  liegt 
es,  dafs  man  dennoch  an  manchen  Stellen  eine  andere  Ansicht  hegen 
kann  als  die  vom  Herausgeber  vertretene.  So  scheint,  um  im  XXII. 
Buche  fortzufahren,  c.  12,  12  statt  prcmevdoque  leichter  et  premendo 


1S4      Fabri  ii.  Heerwag-en :  Tili  Livii  a.  u.  c.  libii  XXI  et  XXII. 

hergestellt  werden  zu  können ;  c.  13,  6  ist  wohl  Caiatinumque  statt 
Calatinutiujne  zu  lesen,  s.  Stier  in  d.  Zeitschrift  für  die  Alterthnms- 
wifsenschaft  1852  S.  207  [diese  ISJahrb.  LXVI  S.  202];  14,  1  steht  se- 
ditione  accensi  der  handschriftlichen  Lesart  vielleicht  näher  als  se- 
ditio  accensa ;  ib.  §.  7  ist  laeti^  wie  es  scheint,  nicht  stärker  als  im 
Anfange  der  Rede  ad  rem  fruendam  ocuUs  und  deshalb  nicht  gerade- 
zu zu  verwerfen.  15,  7  ist  ad  caslra  prope  ipsum  cum  fatigatione 
equornm  afqiie  hominnm  pertraJtere  ohne  Bemerkung  beibehalten,  ob- 
gleich der  Gegensatz  von  ipsum  nicht  deutlich  ist ,  weshalb  Ref.  ad 
castra  prope  ipsa  eum  etc.  vorschlug.  16,  4  würde  für  die  Vermu- 
ihang  perhorridas  siU-as  sprechen,  dafs  in  jener  Gegend  die  berüch- 
tigte üiha  Gallinaria  war,  s.  Forbigers  Handbuch  der  alten  Geogra- 
phie III,  739.  Bald  darauf  ist  es  immer  hart,  wenn  zu  collecfae,  um 
praeliganturque  zü  veüen ,  sunt  ergänzt  werden  soll,  und  Ref.  hält 
es  daher  immer  noch  für  wahrscheinlich,  dafs  ein  zu  fasces  gehöriges 
Praedicat  ausgefallen,  etwa  praeparantur  alliganiurque  zw  lesen  sei. 
Aehnlich  wird  dcligari  für  dieselbe  Sache  von  Ouinlilian  Inst.  orat.  II, 
17,  19  gebraucht.  Dieser  sagt  nemlich:  Hannibal,  cum  /iiclusus  a  Fa- 
hio  sarmentis  circa  cornua  boum  deligatis  incensisque  per  noctem  in 
adversos  muufes  agens  armeiita,  speciem  host/  abeuntis  exercitus  de- 
dit,  was  vielleicht  zu  einer  Bestätigung  der  Annahme  des  Ref.  dient, 
dafs  §.8,  da  der  Put.  ut  primis  tenebris  noclem  hat,  auch  bei  Livius 
per  noctem  zu  lesen  und  primis  tenebris  als  aus  dem  folgenden  Ca- 
pitel  hierher  versetzt  zu  betrachten  sei.  Hr.  H.  glaubt  zwar,  die  Wie- 
derholung der  \^'orte  lafse  sich  dadurch  rechtfertigen,  dafs  so  der  Ue- 
bergang  von  dem  Befehle  zur  Ausführung  angedeutet  werde:  allein 
eine  Differenz  zwischen  beiden  Momenten  läfst  sich  doch  nicht  in  Ab- 
rede stellen,  da  es  einmal  heifst ,  dafs  schon  primis  tenebris  die  Och- 
sen gegen  die  Berge  getrieben  werden  sollen;  dann  aber  hinzugefügt 
wird,  dafs  um  dieselbe  Zeit  das  Heer  aufbrechen  und  erst  nachdem 
dieses  vielleicht  längere  Zeit  marschiert  ist,  das  Manoeuvre  ausgeführt 
werden  soll.  Zudem  war  zu  fürchten ,  dafs,  wenn  die  Ochsen  schon 
primis  tenebris  vorrückten,  die  List  leicht  entdeckt  werden  konnte; 
und  nicht  zu  übersehn  dürfte  sein ,  dafs  nach  Polyb.  III,  93,  7  der  Auf- 
bruch des  Heeres  erst  gegen  das  Ende  der  dritten  Nachtwache  erfolgt 
ist.  Für  die  Beurlheilung  der  Darstellung  des  Livius  konnte  auf  die 
Abhandlung  von  Schneider:  über  Haunibals  Entkommen  aus  der  Ein- 
schliefsung  bei  Casilinum,  Rücksicht  genommen  werden.  C.  20,  5  ist 
iniuncla  beibehalten;  aber  die  handschriffl.  Lesart  incompta  ist  viel- 
leicht einfacher  aus  einer  Umstellung  der  Buchstaben  von  coniuncta 
zu  erklären,  s.  I,  44,  4.  Auch  das  folgende:  nee  continentis  modo 
proiectas  oras  praefervecta  ist,  Avie  Hr.  H.  selbst  einräumt,  sehr  un- 
sicher, da  die  Handschr.  nur  nee  continentis  modo  periectas  oras  ha- 
ben, und  es  nicht  wahrscheinlich  ist,  dafs  die  Flotte  nur  an  den  vor- 
ragenden Küstenpunkten  vorbcigesegelt  sei.  Dadurch  dafs  sie  an  der 
ganzen  Küste  hinfuhr  ohne  Widerstand  zu  finden,  war  schon  bewie- 
sen  ,  dafs  sie  jetzt  das  Meer  in  jener    Gegend  behersche.     An  einer 


Fabri  ii.  Heei'Mag-eii :  Tili  Livii  a,  u.  c.  libri  XXI  et  XXII.      185 

dem  Inhalle  nach  ähnlichen  Stelle  XXI,  49,  2  viginti  quinqueremes  — 
missae,  novem  Lipnras^  octo  ad  insulam  Vulcani  tenuerunt  hat  Hr. 
H.  die  handschriftliche  Lesart  dadurch  zn  erklären  versucht,  dafs  er 
annimmt,  teuere  focum  bedeute  *  einen  Ort  erreichen^,  tenere  ad  lo- 
cum  'irgendwo  anlegen,  weil  etwas  die  weitere  Verfolgung-  des  ei- 
gentlichen Reiseziels  unterbreche.'  Indes  sclieint  es  bedenklich,  diesen 
feinen  Unterschied  hier  gellen  zu  lafscn,  da  auf  der  einen  Seite  auch 
die  nach  Liparae  verschlagenen  Schilfe  durch  den  Sturm  verhindert 
wurden  das  Ziel  ihrer  Fahrt  zu  verfolgen ;  auf  der  andern  die  Ent- 
fernung der  insula  Vulcani  von  Lipara  nicht  so  grofs  ist,  dafs  man 
sagen  könnte,  die  dorthin,  nicht  aber  die  hierhin  auf  einer  Fahrt  nach 
Italien  gelangenden  wären  von  ihrem  Curs  verschlagen,  und  dieses 
durch  einen  besondern  Ausdruck  zu  bezeichnen  nötliig  hätte.  End- 
lich scheint  tenere  ad  locuni,  wenn  man  anders  aus  den  wenigen  Stel- 
len etwas  folgern  darf,  mehr  als  tenere  focum  einen  freien  I^utschlufs 
an  einen  Ort  gelangen  zu  wollen  anzuzeigen,  und  würde  auch  deshalb 
an  unserer  Stelle  nicht  ganz  angemefsen  sein.  Daher  bleibt  es  immer 
noch  wahrscheinlich,  dafs  hier  ein  Fehler  obwalte.  XXII,  20,  10  hat 
Hr.  H.  qui  Hiberum  incolunt  nach  den  Handschr.  aufgenommen}  doch 
scheinen  die  Stellen,  welche  angeführt  sind,  diesen  Gebrauch  nicht 
ganz  zu  beweisen,  da  neben  dem  Flufse  auch  ein  Ort  genannt  ist.  Bei 
Polyb.  III,  42  hat  Bekker  naqoi'novvxcig  statt  xaroLKOuvra'^  in  den  Text 
genommen.  C.  23,  9  wo  im  Pul.  in  usuin  horreorum  caitcalegi  qua 
erat  ratecta  in  stitiiiseserant  gelesen  wird,  dürfte  die  Verbefserung 
Gronovs  pauca  reliquerat  tecta  nicht  ganz  sicher  sein,  da  nach  Po- 
lybius  III,  106  ein  grofser  Theil  der  Stadt  erhalten  wurde,  so  dafs 
man  eher  haud  pauca  tecta  erwarten  sollte. 

Dagegen  ist  es  nur  zu  billigen,  dafs  Hr.  H.  an  manchen  Stellen 
die  handschriftliche  Lesart,  selbst  wo  sie  von  Aischefski  aufgegeben 
war,  wieder  hergestellt  hat,  z.  B.  XXII,  22,  6  soUertia;  ib.  25,  13 
magister  equitum;  XXI,  3,  13  vetant;  ib.  32,  15  exercitus  u.  a.,  an 
anderen  zum  grofsen  Theil  sehr  zweckmäfsige  Verbefserungsvor- 
schläge  macht,  von  denen  mehrere  bereits  in  der  Recension  der  Al- 
schefskischen  Ausgabe,  s.  Münchner  Gelehrte  Anzeigen  1847  Nr.  97  IF., 
mitgetheilt  sind.  Einige  derselben  sind  so  evident,  dafs  sie  Hr.  H. 
mit  Recht  in  den  Text  aufgenommen  hat,  z.  B.  XXI,  5,  10  impedilum 
agmen  statt  peditum  agmen ,  eine  Verwechslung  die  wahrscheinlich 
auch  XLII,  59,  8  stattfindet;  XXII,  30,  5:  /«,  quaeso ^  placatus  me 
magistrn77i  equitum,  hos  ordinihus  suis  qnemque  t ender e  iuheas, 
wodurch  alle  Schwierigkeiten,  welche  das  handschriflliche  tenere 
veranlafst,  am  leichtesten  beseitigt  werden  und  ein  ganz  angemefsener 
Sinn  geworden  wird;  XXII,  50,  12  wo  quod  in  qnus  verändert  ist;  ih. 
38,  12  sind  die  Worte  tJii/ites  iussu  consulum  convenfuros  neque  in- 
iussu  abitvros  durch  neue  Gründe  als  unecht  erwiesen  und  eingeklam- 
mert worden.  Andere  Conjecluren,  obgleich  sie  zum  Theil  sehr  tref- 
fend sind,  hat  Hr.  H.  nicht  aufgenommen,  z.  B.  XXI,  30,  7  wo  pervias 
i'aucis  esse  exercitibus  statt  pervias  paucis  vermuthet  wird;  ib.  36,  7 


186     Fabri  ii.  Heerwagen:  Tili  Livii  a.  u.  c.  libri  XXI  el  XXII. 

taetra  ibi  luctatio  erat  ita  hibrica  glacie  non  revipiente  etc.  statt  iil 
u  hibrica^  was  sich  jedoch  vielleicht  durch  die  von  Hand  Turs.  I,  54 
gegebene  Erklärung  schützen  läfst.  Bedenklich  dagegen  kann  XXI, 
5,  16:  fi  tanto  pavore  reciperent  aniinos  die  Zusetzung  der  Praeposi- 
lion  erscheinen,  da  nicht  allein  an  dieser  Stelle  a  in  den  Hss.  fehlt, 
sondern  auch  XLIV,  10,  1;  ib.  13,  3  im  cod.  Vindob.  sich  nicht  findet. 
XXI,  36,  8  ist  interdum  etiam  infimam  ingredietitia  nivem  geschrie- 
ben und  das  störende  tarn  oder  tarnen  entfernt,  vy^iewohl  es  noch  zwei- 
felhaft sein  kann,  ob  nicht  ein  anderes  Wort  darin  verdorben  ist. 
Sehr  wahrscheinlich  ist,  dafs  XXI,  41,  4  bei  neque  ref/ressus  ad  naves 
erat  ein  anderes  Glied  übersprungen  sei ;  ib.  56,  8  nach  reliquum  etwa 
sauciorum;  XXII,  27,  4  vor  secuttirumque  ein  anderes  Participium 
fehle.  XXI,  40,  7  schlägt  Hr.  H.  vor:  quo  plures  paene  perierint, 
wo  allerdings  quo  dem  handschriftlichen  qui  näher  steht  als  die  ge- 
wöhnliche Lesart  cum;  paene  aber  immer  störend  bleibt,  da  es  Sci- 
pio  nicht  darauf  ankommen  kann  seine  Behauptung  zu  mildern,  viel- 
mehr dieser  ganze  Theil  der  Rede  nur  darauf  berechnet  ist  die  Schwä- 
che der  Feinde  in  das  grellste  Licht  zu  setzen.  Der  scliwierigen  Stelle 
XXI,  49,  7:  ante  omnia  Lilijbaeum  teneri,  ad  apparatnm  belli  ediclo 
proposifo  —  perqtie  oninem  oram  qui  —  classem  si?nul  glaubt  Hr.  H. 
dadurch  zu  Hilfe  zu  kommen,  dafs  er  zu  lesen  vorsclilägt:  Li/ybaeum 
teneri  para/um  hello  ^  dann  nach  oram  oder  statt  si7nul  ein  Verbum 
dimissi  oder  disposili  zu  setzen.  Die  erste  Veränderung  ist,  da  im 
Put.  teneri  apparatum  belli  sich  findet,  nicht  bedeutend,  und  der  Sinn 
der  Worte  an  sich  ganz  angemefsen ,  doch  erscheint  es  störend,  dafs 
unter  die  Anordnungen  des  Praetors  ein  historisches  Factum  (teneri 
wird  nemlich  als  Iniin.  histor.  betrachtet)  eingeschoben  wird,  wäh- 
rend man  auch  in  diesem  Satze  eine  Aufforderung  oder  einen  Grund 
erwartet,  wie  XXVII,  28,  4.  Die  erstere  hat  Kleine,  aber  durch  eine 
zu  kühne  Conjectur,  zu  gewinnen  gesucht,  indem  er  tcnerent  adpa- 
ralu  belli  (dieses  nach  Med.  2)  liest.  Ref.  möchte  deshalb,  da  teneri 
sich  in  den  besten  Ilandschr.  findet,  und  Ausdrücke  wie  legati  mittun- 
tur  auch  sonst  nicht  selten  so  gebraucht  werden,  dafs  dabei  der  Be- 
fehl, den  sie  überbringen,  gedacht  wird,  /^«er/ beibehalten ,  und  es 
von  legati  tnissi  abhängig  denken  (eine  Ergänzung  wie  necesse  esse^ 
die  Aischefski  annimmt,  dürfte  sich  schwerlich  rechtfertigen  lafsen); 
dann  aber,  da  allerdings  das  nakte  teneri^  wenn  man  es  nicht  etwa  im 
Sinne  von  peli,  nemlich  ab  hostibus,  s.  XXX,  25,  11,  nehmen  will,  auf- 
fallen mufs ,  mit  Hrn.  II.  paratum  bello  oder  appara tu  belli  hinzufü- 
gen^ um  so  mehr  als  die  Erklärung  von  adparatum,  wenn  es  mit  dem 
folgenden  verbunden  Avird,  wie  Hr.  H.  zeigt,  nicht  gelingen  kann.  In 
Bezug  auf  die  zweite  Conjectur  mufs  man  Hrn.  II.  beistimmen,  wenn 
er  die  Ergänzung  von  niissi  zu  per  umneiu  oram  sehr  hart  llndet,  und 
Avird  um  so  mehr  geneigt  sein  ihm  beizustimmen,  da  der  Put.  nicht 
smul  sondern  simili  hat,  und  durch  die  Entfernung  von  simnl  der 
folgende  Satz  mehr  abgerundet  wird.  C.  57,  1  wird  statt  y««,  was 
im  Put.  sich  findet,   nicht  qtio  sondern  befser  quo  a  vorgeschlagen; 


Fahri  u.  HccrNvagcn :  Tili  Livii  a.  ii.  c.  libri  XXI  et  XXII.      1S7 

XXII,  14,  14  et  descendas  ^  was  sich  jedoch  zu  weit  von  dem  Iiaiid- 
schriftlichen  et  deditcetidas  entfernen  dürfte;  ib.  18,  10  wo  im  Put. 
ac  7-espirasse  steht,  cladihtis  accep/is  reapirasse  statt  der  Vulgata  cla- 
dihiis  res])irasse ;  Hcf.  vormuthele  hier  cladilnts  acqvievisse  ac  respi- 
rasse,  s.  Sali.  Cat.  4,  1.  Selir  wahrscheinlich  ist  XXII,  21,  8  ad  quin- 
decim  milia  ^  wo  im  Put.  ac  vor  qnindecim  steht,  was  gewöhnlich 
nicht  beachtet  wird;  XXI,  20,  9  exspectatione  ereclam,  \s'0  der  Put. 
m  exspectatione  hat  und  bisher  gelesen  wurde  in  exspeclationem. 
XXII,  19,  10  vermuthet  Hr.  H.  statt  des  unpassenden  eveherentur, 
welches  Alsch.  aufgenommen  hat:  erccti  haerent^  was  sich  allerdings 
mehrfach  findet,  vgl.  aufscr  den  vomHerausg.  angeführten  Stellen  Tac. 
Ann.  II,  23:  non  adhaerere  ancoris;  allein  an  unserer  Stelle  scheint 
die  Endung  tir  darauf  hinzudeuten,  dafs  ursprünglich  ein  anderes 
Verbum,  etwa  erecti  oder  eve/ientes  tencnfur  {niGrantur^  hier  ge- 
standen habe.  Auch  kurz  vorher  ist  die  Lesart  keineswegs  sicher ,  da 
im  Put.  nicht  das  schwache  e  terra  sich  findet,  sondern  fugientium 
marjis  elerrarum,  so  dafs  man  vermuthen  könnte,  in  eterrarum  liege 
ein  anderes  mit  fugietUiuin  durch  et  verbundenes  Particip.  Statt  der 
auffallenden  Verbindung  XXII,  30,  4:  quod  exercifihnsqiie  kis  ttiis 
wird  exercitibus  tilrisque  bis  tiiis  vorgeschlagen;  doch  ist  vielleicht 
nach  exercitu  ein  zweites  Substantiv  ausgefallen.  Ib.  45,  6  vermuthet 
Hr.  H.,  sich  genau  an  die  Lesart  des  Put.  anschliefsend:  atque  ita  in- 
strtrmit  cunctam  aciem.  ■ —  An  anderen  Stellen  ist,  wenn  auch  keine 
Verbefserungsvorschläge  gemacht  werden,  wenigstens  auf  die  Fehler 
des  Textes  hingewiesen,  z.  B.  XXI,  22,  1  wo  hatid  vor  minus  wohl 
befser  als  unecht  eingeklammert  worden  wäre.  ib.  28,  8  wo  im  Colb. 
und  Med.  sich  findet:  ut  cum  elephanfi  per  stabilem  ralem  —  acti 
vhi  in  minorem  adpUcatain  transgressi  siirit,  was  Alsch.  in  den  Text 
aufgenommen,  nur  ut  in  et  verändert  hat,  vermuthet  Hr.  H. ,  dafs  ent- 
weder ut  cum  verdorben  oder  nach  diesen  Worten  etwas  ausgefallen 
sei,  was  der  Bemerkung  des  Polyb.  III,  46,  4  entsprochen  habe.  Auch 
die  Stelle  3,  1:  in  Hasdruhafis  locum  etc.  wird  mit  Recht  als  unsicher 
bezeichnet,  da  sowohl  die  abgerifsene  Construction  als  die  hand- 
schriftlichen Lesarten  nicht  zweifeln  lafsen,  dafs  hier  ein  tieferes 
Verderbnis  zu  Grunde  liege.  Doch  möchte  dieses  weniger  in  ein- 
zelnen Worten  als  in  einer  Lücke  nach  qtiin  praerogativa  militaris 
zu  suchen  sein,  indem  vielleicht  hinzugefügt  war,  dafs  die  Soldaten 
für  sich,  ohne  die  Beschlüfse  von  Karthago  abzuwarten,  einen  An- 
führer zu  wählen  entschlofsen  gewesen  seien;  oder  dafs  man  von  ih- 
nen die  Wahl  erwartet  habe,  wie  es  Polyb.  III,  13  bericlitet.  An 
nicht  wenigen  Stellen  bringt  Hr.  H.  für  bereits  aufgenommene  Les- 
arten oder  Conjecturen  neue  Gründe  bei,  z.  B.  XX\.  9,  ^  effcrafarum ; 
ib.  10,  12  ad  piaculvm  (kurz  vorher  konnte  vielleicht  auch  die  Con- 
jectur  Madvigs:  vicerunf  ergo  dii  homines  erwähnt  werden,  die  je- 
doch nur  dann  zuläfsig  erscheinen  könnte,  wenn  L.  gegen  seine  An- 
sicht in  ähnlichen  Fällen  den  Römern  selbst  alles  Verdienst  hätte  ab- 
sprechen wollen);    XXT,  12,  2  aliquatifum;   14,  6  corpora  resirc; ; 


188  SelTcr:  Elementarblich  der  hebräischen  Sprache. 

17   9  eodem  tiersa,  obgleich  das  Neutrum  hier  immer  anstöl'sig  blei- 
ben wird;  21,  11  Afri  in  Hispanin;  '27,  6  svperpositis  n.  a. 

Besondere  Sorgfalt  hat  der  Herausg.  auch  auf  die  Interpuncliou 
verwendet,  die  allzugrofse  Sparsamkeit  Aischefskis  vermieden,  und 
mehrere  Stellen,  die  vorher  verdächtig  oder  unverständlich  waren,  pas- 
send hergestellt.  So  ist  XXII,  23,  6  in  permutandis  captivis  zu  dem 
folgenden  Satze  gezogen  worden,  während  es  sonst  zu  dem  vorher- 
«'^ehenden  genommen  wurde ,  hier  aber  eine  unpassende  Stelle  ein- 
nahm; ib.  29,  3  ist  das  Komma  vor  ad  auxilium  entfernt,  da  diese 
Worte  zu  demissa  gehören;  47,  2  ist  geschrieben:  in  directum  iitrim- 
que  nitentes  stantibus  ac  cunfeilis  postremo  turba  equis  etc. ,  wo- 
durch die  Worte  in  —  nitentes  erst  einen  guten  Sinn  und  ihre  Be- 
ziehung zu  postremo  erhalten,  während  sie  zum  vorhergehenden  ge- 
zogen die  Schilderung  nur  verdunkeln.  Noch  erwähnen  wir,  dafs  Hr. 
H.  die  zahlreichen  Citate  nachgeschlagen  und  mehrfach  nach  neueren 
Texten  berichtigt,  an  wichtigen  Stellen  zu  den  früher  citierten  Gram- 
matiken die  von  Krüger  und  Madvig  hinzugefügt,  endlich  das  geo- 
graphische Register  geprüft  und  vervollständigt  hat.  Aus  allem  die- 
sem geht  hervor,  dafs  sich  Hr.  H.  nicht  allein  um  die  Ausgabe  Fabris 
sondern  auch  um  den  Text  und  die  Erklärung  des  Livius  entschiedene 
Verdienste  erworben,  dem  Werke  die  Gestalt,  welche  der  jetzige 
Standpunkt  der  Texteskritik  wünschen  liefs ,  gegeben,  und  so  die 
Brauchbarkeit  desselben  für  Schüler  und  alle,  die  den  Sprachgebrauch 
und  die  Darstellung  des  Livius  genauer  kennen  lernen  wollen,  noch 
erhöht  und  erweitert  hat.  Die  äufscre  Ausstattung  ist  sehr  empfeh- 
lenswerth. 

Eisenach.  W.  Weissenborn. 


Elementarbuch  der  hebräischen  Sprache,  von  Dr.  Seffcr.  Leipzig, 
1845.  Steinacker. 

Den  genauem  Titel  und  eine  vorläufige  allgemeine  Anzeige  die- 
ses Schulbuchs,  das  sich  mehr  und  mehr  Bahn  zu  brechen  scheint, 
geben  diese  NJahrb.  Bd.  LXIV  S.  310.  Hier  soll  nun  zum  Frommen  des 
Buchs  selbst,  für  den  Fall,  dafs  es  in  zweiter  Auflage  erscheint,  so 
wie  im  Interesse  des  fraglichen  Spracliunterrichis  überhaupt  mehr  in 
einzelnes  eingegangen,  zuvor  aber  über  einige  allgemeine  Gesichts- 
punkte gesprochen  werden,  um  die  es  sich  hierbei  handelt. 

NVer  heutzutage  den  hebräischen  Gymnasialunterricht  zu  behan- 
deln hat,  wird  es  leichter  finden,  hinsichtlich  des  Ziels,  zu  dem  er 
die  Schüler  bringen  möchte,  mit  sich  ins  reine  zu  kommen,  als  über 
die  Wege  zu  diesem  Ziel,  näher  bezeichnet  über  die  Lehrbücher,  an 
deren  Hand  er  den  lernenden  führen  solle.  Das  Ziel  nemlich  kann 
kein  anderes  sein,  als  eine  solche  Ausstattung  des  Schülers  mit  gram- 


Scll'cr:  Elemcntarhuch  der  hehräischcri  Sprache.  189 

malischen  Keiiiilnisseii ,  ilals  er  beim  Al)gaiig-  zur  Universität  im 
Stande  sei,  seine  iici)raiscUe  Bibel,  auch  die  sciivverern  ßüclier  der- 
selben, ohne  sonderliche  Mühe  zu  vcrsteiui,  und  zwar  nach  dem  der- 
maligen Standpunkte  der  hebräischen  Spraclnvilsenschaft  zu  vcrsteiin, 
» ie  solcher  durch  das  ausführliche  Lehrbucii  der  hebräischen  Sprache 
von  II.  Ewald  repraosentierl  ist. 

lliermil  erscheint  vielleicht  manchem  das  Ziel  hinsichtlich  des  zu 
bewältigenden  Stoires  zu  hoch  gestellt,  indem  sich  nach  dem  Mafs 
der  dem  hebräischen  Unterricht  im  Gymnasium  zugetheilten  Zeit  nicht 
mehr  verlangen  lal'sc,  als  dafs  der  Schüler  die  historischen  Stücke 
des  A.  T.  und  leichtere  Psalmen  und  Sprüche  gründlich  verstehn  lerne, 
das  übrige  müfsc  der  Universität  vorbehalten  bleiben.  Wir  können 
dies,  so  wie  die  Dinge  dermalen  stehn,  unter  gewissen  Umständen 
zugehen,  wenn  andererseits  eingeräumt  und  darauf  hingestrebt 
wird,  dafs  es  befser  kommen  sollte,  dafs  als  Aufgabe  des  Gymna- 
siums betrachtet  werde,  die  Schüler  auch  im  Hebräischen  auf  die 
Stufe  zu  bringen,  welche  mit  ihrer  Kenntnis  der  classischen  Sprachen 
auf  gleicher  Höhe  steht.  Warum  dies  eine  ebenso  nothwendige  als 
billige  Forderung  ist,  habe  ich  in  einer  kleinen  Abhandlung  im  ersten 
Jahrgang  der  Gyninasial-Zeitung  von  Blützell  nachzuweisen  gesucht. 
Aber  auch  zugegeben,  das  Ziel  müfse  hinsichtlich  des  Stoffes 
für  den  Gymnasialunterricht  um  der  Herzenshärtigkcit  willen  vor  der 
Hand  niedriger  gestellt  werden,  indem  man  sich  meistentheils  statt  ei- 
nes vierjährigen  Cursus  mit  einem  zw  eijährigen ,  statt  vier  wöchent- 
licher Lehrstunden  mit  zweien  genügen  läfst;  so  ändert  sich  damit  der 
Hauptsatz,  um  den  es  uns  vornehmlich  zu  thun  ist,  nicht,  dafs  nem- 
lich  der  Schüler  schon  bei  dem  ersten  Unterricht  im  Gymnasium  so 
geleitet  werden  müfse,  dafs  er  jedesfalls  in  seinen  weiteren  alttesta- 
mentlichen  Studien  ohne  Schwierigkeit  und  mit  Lust  und  Liebe  in  das 
genannte  Ewaldsche  Lehrbuch  sich  einarbeiten  kann.  Denn  es  darf 
als  Thatsache  angenommen  werden,  dafs,  so  wenig  auch  leider  Einig- 
keit in  den  Geistern  herscht  hinsichtlich  des  geschichtlichen  oder  lehr- 
haften Inhalts  des  A.  T. ,  doch  Bibelforscher  der  verschiedensten  Par- 
teien in  ihren  Commentaren  zu  den  biblischen  Büchern  und  wohl  auch 
die  Universitätslehrer  auf  dem  Katheder  fast  durchweg  eben  das  ge- 
nannte Lehrbuch  als  letzte  Instanz  in  grammatischen  Dingen  betrach- 
ten und  sich  auf  dessen  Ausspruch  als  endgiltigen  Bescheid  berufen. 
Ebenso  gewis  ist,  dafs,  um  solche  Citate  gehörig  verstehn  und  be- 
nützen zu  können,  ein  oberflächliches  Nachschlagen  nicht  genügt,  son- 
dern ein  gründliches  Studium  der  Ewaldschen  Sprachwerke  nothwen- 
dig  ist,  dafs  es  aber  in  dem  Mafse,  als  es  bei  dem  durch  und  durch 
eigenthümlichen  Gange  und  Ausdrucke  dieses  Sprachforschers  erfor- 
derlich ist,  bei  den  wenigsten  dazu  kommt,  wenn  sie  die  ersten 
Grundlagen  hebräischer  Sprachkenntnis  an  der  Hand  von  Lehrbüchern 
gelegt  haben,  die  nicht  oder  nur  nothdürftig  auf  dem  Standpunkt  der 
neueren  hebräischen  Sprachwifsenschaft  stehen.  Die  natürliche  und 
am  Tage  liegende  Folge   ist  ein  gleichgiltiges  und  unsolides  Studium 


190  Seffer:  Elementarbuch  der  hebräischen  Sprache. 

des  A.  Testaments,  welches  mit  daran  schuld  ist,  dafs  es  selbst  über 
die  klarsten  biblischen  Fragen  unter  den  Theologen  unserer  Zeit  so 
schAver  zu  der  erwünschten  Verständigung  kommt ;  um  davon  nicht  zu 
reden  welcher  Schade  der  kirchlichen  Geireinschaft  dadurch  er- 
wächst, dafs  die  Diener  des  göttlichen  Worts  ihr  A.  T.  so  selten  mit 
selbständigem  Urtheil  und  gehöriger  freudiger  Vertiefung  in  seinen 
herlichen  Inhalt  zn  handhaben  wifsen. 

Um  nun  aber  das  selbst  für  die  Wifsenschaft  und  Kirche,  wie 
man  sieht,  wünschenswerthe  Ergebnis  herbeizuführen  und  das  oben  be- 
zeichnete Ziel  zu  erreichen ,  bedarf  der  Lehrer  für  den  hehr.  Elemen- 
tarunterricht ein  Buch,  das  sich  schon  vom  ersten  Anfang  an  zur  Auf- 
gabe macht,  den  Schüler  auf  den  gegenwärtigen  Standpunkt  der  he- 
bräischen Sprachforschung  zu  erheben  und  es  ihm  möglich  zu  machen, 
dafs  er,  ohne  in  Conllicte  zu  gerathen,  unmittelbar  zum  Studium  der 
Originalwerke,  wir  meinen  das  genannte  ausführliche  Lehrbuch  von 
Ewald,  übergehn  könne.  Die  Miebräische  Sprachlehre  für  Anfänger 
von  Ewald'  läfst*)  bei  allem  trefflichen,  was  sie  enthält,  vieles  zu 
wünschen  übrig  und  mufs ,  um  Schulbuch  werden  zu  können ,  in  vielen 
Stücken  umgearbeitet,  mufs  vor  allem  correcter  und  leserlicher  ge- 
druckt werden ,  erfordert  aber  jedesfalls  ein  ihr  zur  Seite  gehendes 
Lesebuch;  die  fleifsige  Arbeit  des  leider  nun  verewigten  Schwarz: 
*  Hebräisches  Lesebuch  mit  Beziehung  auf  Ewalds  hehr.  Sprachlehre 
für  Anfänger'  nebst  drei  sehr  schätzenswerthen  Anhängen  bietet  ge- 
rade für  die  allerersten  Anfänge  des  Unterrichts  im  Hebräischen  nichts 
und  läfst  eine  Lücke,  die  durch  ein  weiteres  Uebungsbuch  ausgefüllt 
werden  mufs,  an  dessen  Hand  das  Lesen  und  die  Formenlehre  zu  ler- 
nen ist.  Eine  umsichtige  und  gediegene  Arbeit  für  diesen  Zweck  ist 
das  'hebräische  Lesebuch  von  Klaiber',  müste  aber,  da  es  ganz  nur 
auf  die  Grammatik  von  Gesenius  basiert  ist,  wesentlich  umgeändert 
werden,  um  den  dermaligen  Ansprüchen  völlig  zu  genügen.  Der  prak- 
tische Cursus  über  die  hehr.  Formenlehre  von  Maurer  ist  gleichfalls 
fleifsig  gearbeitet  und  enthält  sehr  viel  brauchbaren  Stoff,  und  zwar 
nach  Ew aidschen  Grundsätzen  geordnet,  eignet  sich  aber  mehr  für 
die  Hand  des  Lehrers  als  für  die  des  Schülers  und  bietet  keine  Uebun- 
gen  für  die  Lautlehre.  Wir  bedürfen  ein  Buch  das  alles  enthält,  was 
der  Schüler  auf  der  ersten  Lernstufe  bedarf,  und  worin  Grammatik, 
Lese-  und  Elementarbuch  vereinigt  und  von  dem  aus  sofort  der  Weg 
zu  dem  gröfsern  Ewaldschen  Sprachwerk  geebnet  ist. 

Ein  solches  Werk  verspricht  nun  der  Hr.  Verf.  des  vorliegenden 
Buchs  zu  geben,  'eine  für  den  Schulunterricht  berechnete  Bearbeitung 
der  hebräischen  Grammatik  auf  ihrem  gegenwärtigen  Standpunkt,  wie 
er  durch  die  neueren  Forschungen  ausgezeichneter  Orientalisten  unse- 
rer Zeit  gewonnen  und  so  vornehmlich  den  unschätzbaren  Leistungen 
Ewalds  auf  diesem  Gebiet  zu  verdanken  ist.'    Und  dieser  Zusage  ist 


*)    Man    vgl.    die    Beurtheilung    dieser    Schuigrammatik    in    diesen 
NJahrb.  Bd.  LVII  S.  4. 


.■;Seffer:  Elcmeiilarbiicli  der  liobräisclien  Sprache.  191 

in  der  Tliat  die  lleifsige  Arbeit  in  vielen  Bezieiiiingen  naclig-ckommcn  ; 
wir  haben  daran  eine  popularisierte  Ewaldsche  Grammatik,  welche  im 
allgemeinen  dem  Plan  und  der  Anlage  nach  dem  angedeuteten  Be- 
dürfnis in  erfreulicher  Weise  entspricht.  An  der  Hand  dieses  Bnchs 
kann  der  Anfanger  lesen  und  übersetzen  lernen,  bat  gehörigen  Uebungs- 
stolT,  selbst,  wenn  der  Leiirer  ihn  zu  benutzen  weifs,  für  die  nach  un- 
serem Dafürhalten  auf  der  ersten  Lernstufe  meist  uncrläfsliche  Com- 
posiliun  *)  ,  bekommt  alle  wichtigen  Grammatiealien  in  gehöriger  Voll- 
ständigkeil, in  einer  im  ganzen  richtigen  Aufeinanderfolge,  und,  was 
besonders  zu  beachten  ist,  in  einer  Fafsung,  dafs  er  sich  damit  nach- 
gehends  ohne  Anstand  in  den  vollständigeren  neueren  Sprachwerken 
zurechtfindet.  AVir  glauben  daher  versichern  zu  können,  dafs ,  wenn 
überall  im  hebr.  Elementarunterricht  dieses  Buch  zu  Grunde  gelegt 
würde,  wenigstens  einmal  in  dieses  Gebiet  deutscher  Wifsenschaft 
ein  einheitlicher  Gang  käme,  während  leider  auch  der  Schulunterricht 
unserer  Tage  in  deutschen  Landen  so  vielfach  darunter  zu  leiden  hat, 
dafs  das  elg  y.oiQapog  l'örco  je  länger  je  mehr  und  in  mancherlei  Be- 
ziehung, besonders  aber  auch  hinsichtlich  der  Lehrbücher  der  Schüler, 
unbeachtet  bleibt. 

Im  Interesse  dieses  letztgenannten  Wunsches  geschieht  es  aber 
auch,  dafs  wir  nicht  blofs  auf  die  dankenswerthe  Arbeit  des  Hrn.  Seffer 
nachdrücklich  aufmerksam  machen,  sondern  auch  im  nachfolgenden 
dazu  beitragen  möchten,  diesem  Buche  für  den  Fall  einer  neuen  Auf- 
lage die  möglichste  Vervollkommnung  zu  geben,  damit  es  des  Platzes 
immer  würdiger  werden  möge,  den  wir  ihm  anzuweisen  uns  gedrun- 
gen fühlten.  Da  nicht  blofs  Kritiken  sondern  auch  Studien  gegeben 
werden,  so  möge  man  eine  umfangreichere  Besprechung  zunächst  der 
ersten  36  Paragraphen  zuguthalten.  Wenn  wir  es  an  Wünschen  und 
Ausstellungen  nicht  fehlen   lafsen,  so  geschieht  es  wahrlich  nicht  aus 


*)  Es  möge  erlaubt  .sein,  einige  Proben  einer  solchen  Benutzung 
des  vorliegenden  Buchs  zu  Compositionsübungen  beizufügen,  wie  ich 
sie  meinen  Schülern  nach  6-8  wöchentlichem  Unterricht  gegeben  habe. 
Streng  sich  anschliefsend  an  die  Uebungsstücke  5  —  17  wurden  zu  Be- 
festigung des  über  Artikel,  Numerus,  Genus  unveränderlicher  Nomina, 
der  Verbalformen  und  der  Suffixen  am  Nomen  und  Verhum  sowie  über 
das  Vav  copulativum  erlernten  folgende  Beispiele  zum  Uebersetzen  ge- 
geben :  'Die  grofse  Weisheit.  Der  arme  Mensch.  Der  rechte  Weg.  Der 
weise  König.  Diese  guten  Gebote.  Jenes  Thal.  —  Der  Herr  macht 
grofs  sein  Volk  und  macht  es  stark  im  Krieg.  Herr,  deine  Stimme 
zerschmettert  die  Cedern  des  Libanon  und  wer  sie  hört,  fürchtet  sich. 
Mein  Herz  sucht  dich,  Herr,  und  du  richtest  mich  in  Gerechtigkeit. 
Herr,  deine  Satzungen  .sind  gut  und  ich  bewahre  sie  mit  Freude. 
Mein  Vater,  sprach  Rehabeam,  hat  euch  mit  Peitschen  gezüchtiget, 
aber  ich  will  euch  mit  Skorpionen  züchtigen. '  Es  versteht  sich  von 
selbst,  dafs  aufser  diesen  schriftlichen  Uebungen  die  fraglichen  Gram- 
maticalien  fort  und  fort  durch  ähnliche  Beispiele  im  mündlichen  Un- 
terricht eingeübt  werden  müfsen.  Auch  mag  zugegeben  werden,  dafs 
bei  einer  kleineren  Anzahl  von  Schülern,  welche  den  erforderlichen 
Eifer  und  Sprachsinn  haben,  schriftliche  Compositionen  ganz  ent- 
behrt werden  können. 


192  Seffer :  Elementarbucli  der  hebräisclien  Sprache. 

Kleiiimei&tcrei  und  Tadclsuclit,  sondern  um  damit  dem  Buche  selbst 
und  dem  hebräischen  Sprachunterricht  nützlich  zu  werden;  dem  Hrn. 
Verf.  aber,  dessen  strenger  Untersuchung  und  Beurtheilung-  mit  aller 
Offenheit  die  nachfolgenden  Bemerkungen  hiermit  unterstellt  sein  mö- 
gen, rufen  wir  zu: 

—  si  quid  nociSti  reclius  istis, 
Candidus  imperli;  si  non ,  his  utere  mecuni. 
Um  mit  einer  Ausstellung,  die  das  Ganze  betrifft,  zu  beginnen, 
so  sind  wohl  alle  sachkundigen  darüber  einig,  dafs  es  sich  bei  einem 
Buche,  wie  das  vorliegende  ist,  wie  bei  jeder  Schulgrammatik  um 
zweierlei  handelt,  einmal,  dafs  die  sprachlichen  Thatsachen,  soweit 
sie  allgemeine  Giltigkeit  und  Anwendbarkeit  haben,  in  der  erforder- 
lichen Vollständigkeit  mitgetheilt,  sodann,  dafs  dieselben  zugleich 
auch  auf  feste  allgemeine  Grundsätze,  Regeln  zurückgeführt  werden, 
als  das  Ergebnis  der  Einzelbeobachtungen ,  als  Canones  der  ^Analo- 
gia  linguae',  wie  Caesar  so  treffend  seine  grammalischen  Studien  be- 
zeichnet hat.  ^^'ährend  ein  tiefgründigeres  Sprachwerk  noch  einen 
Schritt  weiter  gehn,  überall  wo  möglich  die  letzten  Gründe  einer 
Spracherscheiunng  aufzeigen  und  daher  mitunter  in  subtile  Höhen, 
selbst  in  die  Region  der  Hypothesen  sich  erheben  mufs,  hat  ein  gram- 
matisches Buch  für  den  Schulgebrauch  eine  gewisse  Mittelstellung 
einzunehmen,  es  hat  jene  Hölien  zu  meiden,  darf  aber  andererseits 
nicht  versäumen,  die  allgemeinen  Gesichtspunkte,  unter  die  die  vie- 
len Einzelheiten  jedesmal  sich  begreifen  lafsen,  in  dem  gesetzgebe- 
rischen Tone  des  sie  volo  sie  jubeo ^  mit  anderen  Worten,  bündig  ge- 
fafste  Regeln  zu  geben.  Eine  wifsenschaftliche  Sprachlehre  mufs  die 
Gesetze,  eine  Schulgrammalik  die  Regeln  der  Sprache  verzeichnen, 
immerhin  mit  Hinweisung  auf  das  gesclzmäfsige  derselben,  so  weit 
dasselbe  ganz  unzweifelhaft  und  verständlich  ist.  Dieser  allgemeine 
Satz  findet  im  vorliegenden  Falle  seine  volle  Anwendung.  Ewalds 
Ireflliche  Arbeiten  über  grammatische  Dinge  erheben  sich  alle  zu  der 
genannten  oft  sogar  schwindelnden  Höhe  und  selbst  seine  Grammatik  für 
Anfänger  hat  namentlich  in  der  Lautlehre  diesen  Charakter;  die  Sprach- 
erscheinungen werden  bis  auf  die  tiefsten  Wurzeln  hinab  verfolgt  und 
die  schaffende  Sprachkraft  in  ihrer  geheimnisvollen  Arbeit  belauscht. 
Für  den,  der  die  Sprache  schon  kennt  oder  wenigstens  mit  derartigen 
Forschungen  in  andern  Sprachen  vertraut  ist,  mufs  es  ebenso  genufs- 
reich  als  belehrend  sein,  an  der  Hand  eines  solchen  Führers  die  Spra- 
che gleichsam  aufs  neue  vor  seinen  Augen  entstehn  zu  sehn;  für  Schü- 
ler und  Anfänger  aber,  wie  sie  weitaus  der  Mehrzahl  nach  zur  Er- 
lernung einer  Sprache  herankommen,  wäre  dieser  rein  genetische 
Weg  ein  ermüdender  Umweg.  Wollte  ein  Lehrer  den  Sprachunterricht 
damit  be""innen,  ganz  an  der  Hand  dieser  Grammatik  seine  Schüler  zu 
führen,  so  würde  in  den  meisten  Fällen  seine  Mühe  so  wenig  sich 
lohnen,  als  wenn  einem  Kinde,  das  die  ersten  Sprach  versuche  macht, 
die  Beschanenheit  der  Sprachwerkzeuge  und  die  Gesetze  der  Lautlehre 
beigebracht    werden    sollten.     Eine   Schulgranimatik   mufs    derberes, 


Seffer:  Elementarbuch  der  hebräischen  Sprache.  193 

handgreiflicheres  bieten,  niiifs  das  reine  Mclall  in  Scheidemünze  ge- 
prägt verwerthen;  aber  >vie  gesagt,  an  Icslen  liegein,  so  zusagen  an 
eingeschlagenen  festen  Nägeln,  woran  das  einzelne  mit  sicherem  Halt 
anhaften  kann,  darf  sie  es  nie  und  nirgends  feiilen  lafsen. 

Die  altern  hebräischen  Graniiiiatilvcr  z.  B.  Schröder,  aber  auch 
Gesenius  haben  dieses  Schulbediirfnis  gar  woiil  erkannt  und  be- 
friedigt. Dasselbe  nun  aber  auf  dem  nunmehrigen  Standpunkt  der  he- 
bräischen Sprachwifsenschaft  zu  thuu,  mit  Vermeidung  der  früheren 
MisgritTe  hinsichtlich  der  Sachen  selbst  und  mit  Benutzung  der  neu 
gewonnenen  Schätze  das  für  die  Schule  brauchbare  Material  in  der 
dem  Schüler  mundgerechten  Form  mitzuliieilen,  das  ist  die  Aufgabe 
einer  noch  fehlenden  hebräischen  Schulgrammatik  für  die  jetzige  Ge- 
hei*atiön.  Unser  Elemenlarbuch  ist  ein  guter  Anfang  dazu,  aber  auch 
nur  ein  Anfang;  die  Aufgabe  ist  schwierig  und  gelingt  kaum  auf  den 
ersten  Wurf.  Zwar  hat  unser  Verf.  allerdings  in  einzelnen  Thcilen 
und  zwar  gerade  bei  schwierigeren  Punkten  z.  B.  in  der  Elementar- 
lehre wünschenswerlhes  geleistet;  manches  andere  aber  läfst,  so  gern 
wir  die  tleifsige  Zusammenstellung  des  einzelnen  und  den  guten  Takt 
in  Ausscheidung  des  unwesentlichen  anerkennen,  die  nöthige  Schärfe 
und  zusammenfafsende  Kraft,  das  Organ  bündige  Kegeln  zu  bilden, 
empfindlich  vermifsen.  Die  Einzelheiten,  die  Masse  zu  beherschen, 
das  wesentliche  in  festen  und  klaren  Umrifsen  zusammenzustellen,  fei- 
nere Unterscheidungen  in  Anmerkungen  zu  verweisen  ist  gar  nicht 
immer  so  gelungen  ,  wie  man  nach  dem  guten  Anfang  zu  erwarten  be- 
rechtigt war.  In  der  nun  folgenden  Erörterung  soll  neben  Bezeich- 
nung dessen,  was  da  und  dort  im  einzelnen  zu  ändern  und  zu  befsern 
sein  dürfte,  namentlich  darauf  hingewiesen  werden,  nicht  blofs  wo  es 
an  dieser  Schärfe  in  Fafsung  grammatischer  Cardinalpunkte  zu  man- 
geln scheint,  sondern  auch,  wie  etwa  eine  solche  zu  gewinnen  und 
für  eine  neue  Umarbeitung  des  Buchs  nutzbringend  zu  verwenden 
wäre. 

Im  ersten  Capitel  der  Elementarlehre,  das  vom  Alphabet  handelt, 
erregt  mir  die  Bezeichnung  des  Buchstaben  '^  als  =  th  Bedenken.  In 
den  LXX  ist  dieser  Buchstab  fast  immer  durch  t  wiedergegeben,  und 
dadurch,  dafs  er  kein  Dagesch  lene  annimmt,  ist  deutlich  angezeigt, 
dafs  es  nicht  aspiriert  gesprochen  wurde  ,awie  denn  auch  Ewald  im 
Lehrb.  §.  30  d  ausdrücklich  sagt,  i:  und  P  lauten  straffer  und  härter 
als  n  und  3,  nemlich  so,  dafs  das  Organ  wie  krampfhaft  zusammen- 
gezogen wird,  um  den  Laut  dann  rasch  desto  gedrückter  und  dunkler 
auszustofsen.  Ewald  will  den  Buchstaben  durch  t  bezeichnet  wilsen ; 
sagen  wir  lieber,  um  auch  für  das  Sprechen  einen  Anhaltpuukt  zu 
geben,  ^  ist  ein  härteres  t,  n  aber  kann  eine  Aspiration  annehmen 
und  nähert  sich  dem  th,  aber,  wie  es  ja  auch  die  jetzigen  Juden  spre- 
chen, mit  Annäherung  an  s,  ähnlich  dem  englischen  th,  so  dafs  wir 
im  Verzeichnis  der  Buchstaben  es  am  ehesten  so  aufnehmen  würden: 
nistanch  =  t  (a  bereiner  lispelndenAspiration  fähig). 
Es  als  =  th  ohne  weiteres  nach  der  älteren  Weise  gelten  zu  lafsen, 

A.  Jalirb.  f.  I'hii.  u.  Paed.  Bd.  LXVII.  Hß.  2.  13 


194  Seffer :  Elementarbuch  der  licbräisclicn  Sprache. 

hindert  der  Umstand,  dafs  die  Griechen  es  ja  deutlich  auch  als  t  aHf- 
fafslen,  s.  Ewald  a.  a.  0. 

S  als  Spiritus  lenis  zu  bezeichnen,  ist  gleichfalls  gewagt;  eher 
sage  man,  es  sei  ein  schwacher  Spiritus  asper  mit  Annäherung  an  g 
(man  vgl.  die  Schreibart  der  betreffenden  Eigennamen  in  den  LXX), 
von  uns  jedoch  gewöhnlich  gar  nicht  gehört. 

§.  2  sagt  der  Verf.;  '3Ian  theilt  die  Consonanten  ein  l)  nach  der 
Beschaffenheit  ihres  Lautes,  2)  nach  den  Organen  der  Aussprache.' 
Ich  getraue  mir  nicht,  über  die  auch  durch  Ewald  noch  nicht  ganz 
sicher  festgeslellte  Eintheilung  der  hebräischen  Consonanten  etwas 
völlig  genügendes  zu  geben,  und  möchte  nur  auf  wiederholte  Erwä- 
gung, wie  die  Sache  am  besten  zu  fafsen  wäre,  so  wie  auf  die,  wie 
mir  scheint,  von  Krüger:  Griechische  Sprachlehre  §.  2  treffend  ge- 
wählte Bezeichnung  hinweisen,  dafs  die  Consonanten  sich  unterschei- 
den nach  ihrer  Sprech  barkeit.  Denn  offenbar  ist  der  mehr  oder 
weniger  von  den  Selbstlautern  sich  entfernende  Charaiiter  der  Mitlau- 
ter wie  überall  so  besonders  imHebräischen  ein  vornehmlich  zu  beach- 
tender Eintheilungsgrund,  der  besonders  auch  in  der  Lehre  vom  schwa- 
chen Verbum  von  Bedeutung  ist.  —  Mit  dem  Uebungsstück  1  zu  §.  2 
werden  die  wenigsten  Lehrer  etwas  anzufangen  wifsen ,  es  kann  füg- 
lich entbehrt  werden. 

§.  4  ist  alles  wesentliche  über  die  Vocalzeichen  recht  gut  zu- 
sammengestellt, nur  wäre  in  der  S,  5  gegebenen  Regel  etwa  beizu- 
fügen: in  allen  übrigen  Fällen,  also  namentlich  im  Anfang  ei- 
nes Wortes,  sind  diese  Buchstaben  wirkliche  Consonanten,  somit 
ii:2  =  Jesch.  —  Ob  l""-;  ohne  weiteres  aw  (und  nicht  vielmehr  ajw, 
Avie  "«DiiO  r;=  sHsaj)  laute,  möchte  zu  bezweifeln  sein.  Wenigstens  ist 
in  "^-r  das  Jod  offenbar  Consonant,  sonst  würde  nicht  nach  demselben 
Dag.  lene  folgen. 

Nach  §.  5  S.  6  unten  könnte  man  vermuihen ,  das  zweite  Schwa 
in  Piü;^  sei  als  Schwa  mobile  zu  betrachten,  was  wohl  nicht  wird  be- 
hauptet werden  können. 

S.  7  sollte  die  Aufgabe  zum  Uebersetzen  litt,  a  erst  nach  der 
Leseübung  stehen.  Dafs  übrigens  gleich  zum  Anfang  Uebersetzungs- 
stücke  vorkommen,  ist  ein  glücklicher  Takt  des  Verf.;  man  merkt 
daran  den  praktischen  Scliiilmann ,  der  aus  Erfahrung  weifs,  wie  auch 
im  Unterricht  der  Satz:  suininum  ins  summa  iiiiuria  seine  Anwendung 
findet,  sobald  man  nemlich  mit  pedantischer  Aengstlichkeit  streng  nur 
nach  der  Schnur  der  Grammatik  gehn  und  dem  Schüler  nichts  mitthei- 
len will,  was  nicht  genau  aus  dem  gegebenen  folgt.  Ein  anderes  ist 
Mathematik  lehren,  ein  anderes  Sprachen  lehren. 

S.  8  in  der  Mitte  wird  der  Name  Mappik  durch  producens  sc.  lil- 
teram  erklärt,  befser  ist  wohl  statt  dessen  zu  sagen  proferens,  pro- 
metis  Uli.;  denn  das  chaldäische  pE3  heifst  ja  promuhjare,  promere., 
und  producere,  das  sonst,  als  Gegensatz  von  corrtpere,  in  der  Be- 
deutung von  Verlängern'  gebraucht  wird,  erweckt  eine  schiefe  Vor- 
stellung. 


Seiter:  Elemeiitarbucli  der  lichr;iischen  Sprache.  19.') 

S.  8  unleli  ist  der  Zusatz  zu  maclien:  das  Dag.  conjunct.  steht 
gewöhnlich  nur  nach  einem  A  oder  E-Laul.  — ■  §.  7,  a  ist  im  AnFang 
»ohl  statt  'oft'  zu  sagen  '^auch'. 

Gegen  die  S.  9  nach  dem  Vorgang  Kwalds  und  anderer  ange- 
nommene Neuerung,  nur  im  S  olinc  Dag.  die  Aspiration  hören  zu  ia- 
fsen,  nicht  aber  in  2  und  3,  die  lel/Jeren  also  durchaus  als  b  und  k 
auszusprechen,  möchte  ich  im  Interesse  der  Consequenz  wie  um  der 
Erleichterung  des  Unterrichts  willen  Verwahrung  einlegen.  Wenn 
doch  die  Sprache  3"]  und  c-^an  durch  ein  bestimmtes  Zeichen  unter- 
scheidet und  wenn  hinwiederum  die  Hegel  so  entschieden  sagt,  durch 
das  Dag.  wird  die  Aspiration  aufgehoben,  warum  sollen  wir  nicht  das 
einemal  rabbim,  das  anderemal  ral'  sprechen?  dals  wir  bh,  wenn  gleich 
dem  w  annähernd,  kaum  anders  denn  als  schwaches  f  hörbar  ma- 
chen können,  ist  ein  Uebelstand,  der  bei  jeder  Uebertragung  frem- 
der Laute  in  die  Muttersprache  wiederholt  eintritt.  Ultra  passe  nemo 
obligatnr  gilt  auch  hier,  und  die  deutlichste  Fafsung,  wenn  sie  nur 
nichts  falsches  enthält,  ist  offenbar  derjenigen  vorzuziehen,  die  zu 
ängstlich  jedes  Misverständnis  vermeiden  will,  zuletzt  aber  dann  neue 
erzeugt. 

Die  Regel  vom  Eintreten  des  Dag.  lene  S.  9  würde  wohl  passender 
und  dem  Verständnis  zugänglicher  erst  nach  Erörterung  der  Bemerkun- 
gen über  die  zwei  Arten  von  Silben  4^.  10  zur  Sprache  gebracht  werden. 

Es  wird  nölhig  sein,  in  der  Bemerkung  zu  Uebungsst.  4,  S.  10 
kurz  zu  sagen,  in  welchen  Fällen  statt  "i  die  Formen  i  und  =1  gesetzt 
Verden  müfsen,  da  die  Sache  gleich  im  folgenden  Uebungsstück  in 
Anwendung  kommt.  —  Ibid.  in  der  Mitte  ist  statt  ^'i'n  zu  lesen  l^i, 
und  in  der  Leseübung  nach  iynnn  der  doppelte  Horizontalstrich  mit 
einem  einfachen  zu  vertauschen.  Auch  ist  in  den  Worten  S.  10:  *Die 
hier  —  vorkommenden  Verba'  u.  s.  w.  doch  etwas  deutlicher  anzu- 
deuten, wie  die  Sache  gemeint  ist. 

S.  12  mufs  gesagt  werden,  dafs  die  Accenle  mit  Ausnahme 
einiger  wenigen  (postpositivi ,  praeposilivi)  immer  bei  der  Ton- 
silbe stehn.  —  Die  Regel  S.  12  unten  ist  vielleicht  schärfer  —  wohl 
befser  aber  erst  nach  §.  10,  da  dort  erst  die  Lehre  ganz  verständ- 
lich gemacht  werden  kann  —  so  zu  fafsen:  '  3Ieteg  (iTO  =  Zaum) 
ist  wohl  zu  unterscheiden  vom  Silluk,  der  immer  nur  bei  der  letz- 
ten Tonsilbe  steht,  während  Meteg  im  Anfang  oder  der  Mitte  der 
Wörter  ein  Verweilen  der  Stimme  bei  dem  betreffenden  —  kurzen 
oder  langen  —  Vokal  anzeigt  und  bedeutet,  dafs  die  so  bezeichnete 
Silbe  eine  einfache  ist,  s.  §.  10.  Derselbe  steht  besonders  bei  einfa- 
chen Silben,  welche  die  drittletzten  vor  dem  Tone  sind,  z.  B.  ^.^I^, 
und  bei  solchen,  auf  welche  ein  Schwa  (mobile)  folgt,  z.  B.  inrs"' 
Ganz  nothwendig  ist  auch,  im  Lesebuch  selbst  gerade  diese  letzte  Re- 
gel streng  einzuhalten,  was  zu  grofsem  Nachtheil  in  unserem  Buche 
so  oft  unterlalsen  ist*).    Am  besten  wird  aber  wohl  die  Lehre  vom 


*)  Ich  habe  mir  von  S,   1  —  58   folgende  Auslafsungen  des  Metegs 

13* 


196  Seffer:  Elcmeiilarbiich  der  Iicbrüischcii  ^fpraclie. 

Meteg  vollständig  erst  §.  12  gegeben,  wie  es  aucb,  aber  nicht  in  ge- 
nügender Falsung  im  Zusatz  des  Paragraphen  versucht  ist. 

Die  Anmerkung  über  die  Acc.  conjunct.  S.  12  muls  entweder  voll- 
sländiger  sein  oder  ganz  weggeiafsen  werden,  je  nachdem  man  vor- 
liegende Grammatik  als  ausreichend  auch  bei  dem  Lesen  der  Bibel  im 
ganzen  Gymnasialunterriclit  betrachtet  und  anwendet,  oder  aber  für 
nothwendig  erachtet,  etwa  nach  zweijährigem  Unterricht  den  Schülern 
das  Ewaldsche  Lehrbuch  in  die  Hände  zu  geben,  worüber  später  ge- 
sprochen werden  soll.  Für  das  unserm  Buche  angehängte  Lesebuch 
ist  das  über  die  Conjunctivi  gesagte  ein  Luxus,  da  sie  in  demselben 
nicht  vorkommen. 

üie  Hegel  von  den  vier  Arten  der  Puncfation  des  Artikels  sollte 
S.  13  oder  25  in  einer  Anm.  scharf  gefafst  und  vollständig  zusammen- 
gestellt sein,  etwa  in  folgender  Weise:  1)  das  regelmäl'sige  ist  ii  mit 
Pafach  und  folgendem  Dag.  forte;  2)  folgt  eine  Gutturalis  oder  ^,  so 
wird  zum  Ersatz  der  Verdoppelung  gewöhnlich  das  Patach  in  Kamez 
verwandelt,  z.  B.  DTNfi ;  3)  vor  n  und  n,  hie  und  da  auch  vor  5,  un- 
terbleibt aber  diese  Verlängerung,  z.  B.  ^InH  aber  immer  D''!i"bxn, 
NB.  Xijnn  aber  Dn?i;  4)  folgt  jedoch  eine  Gutturalis  kamezata,  d.  h. 
mit  Kamez  oder  auch  Chatef  Kamez,  so  wird  Segol  gesetzt,  und  zwar 
a)  vorn  immer  c:nn  ,  snn,  b)  vor  ü  und  S  meistens  C"''^?jn  (aber 
Inn  und  3-i?'"7),  cj  vor  X  und  "i  aber  nie:  V^^vJ,  D'^^'^n- 

Die  Erörterung  der  BcschalTenheit  der  Silben,  §.  10,  stünde 
vielleicht  heiser  vor  den  Begeln  über  das  Dagesch  §.  7.  In  •i:j.  10,  2 
sollte  bei  %Man  theilt  die  Silben'  u.  s.  w.  Nr.  3  stehn  und  eine  neue 
Zeile  beginnen. 

S.  15  ist  statt  jair(r)de  wohl  jar(^)dc  zu  sagen. 

Sehr  wünschenswertb  wäre  in  dem  Abschnitt  über  die  lose  zu- 
sammengesetzten Silben  ein  Verzeichnis  der  einzelnen  Haupt- 
fälle, wo  diese  Art  von  Silben  eintritt,  um  so  mehr,  da  die  Sache  zu- 
letzt mehr  auf  dem  Usus  als  auf  einer  ganz  klar  zu  fufsenden  Regel  be- 
ruht und  dem  Schüler  viel  zu  schaffen  macht.  Im  weitern  Verlaufe 
der  Grammatik  könnte  dann  immer  auf  diesen  Abschnitt  verwiesen 
werden,  während  die  bisherigen  Lehrbücher  und  auch  das  vorlie- 
gende den  Leser  nöthigen,  die  verschiedenen  Fälle  da  und  dort  sich 
zusammen  zu  lesen.  Ich  würde  die  Hegel  etwa  so  fafsen:  lose  zusam- 
mengesetzte Silben  entstehn  l)  selten  bei  Stammbildungen,  z.  B.  Xl-i< 
WDP^  ^l'nS.  2)  häufig  aber  bei  Umbildungsformcn  a)  wo  ein  Vocal 
sich  aufgelöst  hat  ■•2^^  (aber  is^^)  Ons  ^-(^y^  b)  bei  lose  hinzu<!v 
fügten  Vor-  oder  Nachsilben,  namentlich  den  Sulf.  ?]  und  C3  ^S,  z.  li. 
^^,1^.  (selbst  ^3n3)  oder  Praeflxen,  z.  B.  inra.  Derlei  Einzelfälle 
sollten  aber  hier  und  anderwärts  so  gefafst  und  gedruckt  werden,  dafs 
der  Anfänger  zunächst  im  Paragraphen  selbst  nur  die  allgemeine  He- 


notiert,  wo  dasselbe  nicht  fehlen  darf:  S.  17  m.  bei  12n3  und  ibtS; 
Uebungsst,  17  Vs.  2.  4.  5  bei  i:£3ps  '^S'^^  DSa"!'' ;  Uebungsst.  18  Vs. 
4  und  5.  20  Vs.  2  und  4.     21  Vs.  5. 


SelTer:  Elemctilarl)iicli  der  liobraisclicn  Sprache.  197 

jyel  mit  einem  o(1(M-  zwei  Beispielen  eriiiiilerl  als  dasjenige  vor  sieli 
liätle,  was  gleich  zu  lernen  ist,  dagegen  die  beslimmt(!re  Aiiüahe  der 
einzelnen  sublilereu  Falle  in  einer  Anmerkung  heigefiigt  würde.  Jede 
Schulgrammalik  soUle  den  dü|)pel(en  Zweck,  dals  sie  ein  Bucii  zum 
Lernen  und  ein  Buch  zum  Nachschlagen  ist,  nicht  nur  immer  im  Auge 
haben,  sondern  auch  im  Druck  bemerklich  machen,  und  daher  sollte 
immer  zunächst  in  gröfserem  Druck  alles  wesentliche,  was  unumgäng- 
lich zu  lernen  ist,  sobald  man  an  die  betrelFende  Sache  kommt,  kurz 
und  scharf  angegeben,  dann  aber  in  Anmerkungen  feiner  gedruckt  mit 
erforderlicher  Vollständigkeit  beigefügt  werden,  theils  die  einzetneit 
Fälle,  wo  die  Kegel  in  der  Sprache  zur  Erscheinung  kommt,  theils  die 
Ausnahmen  von  der  Hegel,  theils  mitunter  auch  die  tiefere  Begrün- 
dung derselben.  Gesenius  hat  in  dieser  Hinsicht  im  Durchschnitt 
viel  praktischen  Sinn  gezeigt,  während  Ewalds  Bücher  deshalb  für 
den  Anfänger  so  schwer  zu  handhaben  sind,  weil  darin  das  gewöhn- 
liche und  seltnere,  Spracherscheinung  und  Begründung  in  einem  Flufse 
wie  aus  einem  Schmelzofen  kommt.  Es  ist  gerade  wie  in  den  histo- 
rischen Arbeiten  desselben  Verfafsers,  wo  gleichfalls  das  Ineinander- 
llielsen  von  thafsächlichem  und  sieherm  mit  dem  blofs  erschlofseneii 
oder  problematischen,  kurz  von  objectivem  und  subjectivem,  nicht 
allen  Lesern  erwünscht  ist. 

Das  eben  bemerkte  gilt  insbesondere  von  §.  11,  der  meines  Er- 
achtens  einer  Umarbeitung  bedürftig  ist  in  der  Art,  dafs  nur  das  we- 
sentliche über  die  Betonung  der  Silben,  wozu  vor  allem  der 
ganz  weggelafsene  Cordinalsatz  gehört:  zusammengesetzte  und 
zugleich  tonlose  Silben  müfsen  immer  kurze  Vocale 
haben,  in  grofsem  Druck  vorangestellt,  das  feinere  in  Anmerkungen 
gegeben  werde.  Dahin  rechne  ich  namentlich  die  Kegel  über  die  Be- 
tonung der  vorletzten  Silbe,  wo  sich  nicht  etwas  durchweg  giltiges 
aufstellen  läfst,  sondern  nur  etwa  folgende  Fafsung  möglich  ist:  'die 
vorletzte  Silbe  kann  (nicht  mufs,  man  vergl.  ^ns)  den  Ton  nur 
haben:  l)  wenn  die  letzte  einfach  ist,  2)  oder,  wenn  dieselbe  eine 
zusammengesetzte  ist,  a)  einen  kurzen  Vocal  (nameallich  Hilfsvocal, 
S.  §.  10,  2)  hat  und  zugleich  b)  einer  einfachen  folgt. "^ 

In  Betreff  des  Vor  tons  sind  vielleicht  auch  folgende  Bemerkun- 
gen einer  Prüfung  werlh  und  theilweise  in  die  Grammatik  aufzuneh- 
men: l)  Der  Vorton,  vielleicht  auch  das  aus  zwei  Schwa  entstehende 
Chirek  ist  gleichfalls  eine  Art  Hilfslaut,  wie  das  Segol  in  den  soge- 
nannten Segolatformen;  2)  auch  csb  und  ähnliche  Formen  sind  durch 
Annahme  eines  Vortonkamez  zu  erklären;  3)  es  gibt  Fälle,  wo  der 
Vorton  unterbleibt,  z.  B.  b^23. 

Es  ist  immer  gut,  wenn  eine  Regel  durch  Analogien  erläutert 
wird,  so  dafs  z.  B.  das  Vortonkamez  nicht  als  blofse  Einzelerschei- 
nung dasteht.  Gleichermafsen  liefse  sich  bei  dem ,  was  über  Verände- 
rung des  Tones,  Pausa  ■ —  wobei  dieses  Wort  auch  noch  genauer 
durch  *  Ruhe  des  Satzes'  zu  verdeutlichen  ist  —  gesagt  wird  §.  11,3, 
auf  die  dem  Schüler  schon  bekannte  Veränderung  des  Tones  im  Laufe 


198  ScITer:  Elementarbucli  der  hcl)rüisclien  Sprache. 

des  Satzes  durch  das  Vinculum  Makkef,  §.  9,  hinweisen.  Das  Ler- 
nen wird  um  ein  gutes  erleichtert,  wenn  eine  Grammatik  solclie  Ver- 
kniipfung'en  verwandter  Erscheinungen,  die  nicht  jedem  Lehrer  immer 
gegenwärtig-  sind,  wenigstens  andeutet.  Auch  kurze  llinweisungen 
auf  älinliclies  im  Deutschen,  Lateinischen,  Griechischen  sind  hie  und 
da  am  Platze.  Die  Fafsung  der  Regel  vom  Zurückziehn  des 
Tons  auf  die  vorletzte  Silbe  in  Folge  der  Pausa,  S.  17,  2,  ist  nicht 
scharf  genug  gefafst.  Liefse  sich  nicht  etwa  so  sagen:  'Diese  Zurück- 
ziehung tritt  ein  a)  wenn  ein  Schwa  mob.  vor  der  letzten  Tonsilbe 
steht,  das  bei  der  Flexion  durch  Ausfallen  des  ursprünglichen  Vocals 
entstanden  ist,  dieser  tritt  dann  wieder  ein,  sans";!  wird  1303';'  häutig 
in  verlängerter  Gestalt,  12"3  wird  ''^^s.  =i3>-3;a,  pl.  von  ymi  wird  rJXitq. 
h)  sonst  wird  ein  solches  Schwa  mob.  gern  in  das  dem  lautbaren 
Schwa  am  nächsten  stehende  Segol  verwandelt,  ^lüxHwird  ^^i<i,  '''m 
wird  ■'■1^  (■'^n  »atürlich  "'^n).  Anmerkung;  selten  sind  Fälle  wiennx 
aus  '"inx.' 

Die  Regel  von  den  unwandelbaren  Vocalen  würde  ich  so 
fafsen:  '  l)  Unwandelbar  sind  a)  die  Vocale,  auf  welche  ein  Halb- 
vocal  folgt  (plene — )  oder  folgen  sollte  (defectiv  geschriebene); 
b)  auf  welche  ein  Dag.  forte  folgt  oder  folgen  sollte;  c)  die  Vocale 
in  eng  zusammengesetzten  Anfangssilben  mehrsilbiger  Wörter.'  Das 
in  §.  i-2,  2  gesagte  mufs  zum  gröfsern  Theil  als  blofse  Anmerkung 
gefafst  werden,  während  die  allgemeine  Regel  bündiger  zu  geben  ist. 
Das  gleiche  gilt  von  §.  12,  5.  Dagegen  fehlt  §.  12,  3  die  Cardinalre- 
gel :  in  der  drittletzten  Silbe  vor  dem  Ton  darf  nie  ein 
wandelbarer  langer  Vocal  stehn;  bei  §.  12,  4  wäre  etwa 
deutlicher  zu  sagen:  wenn  im  Anfang  des  Worts  zwei  Schwa  in  einer 
Silbe  zusammenkämen,  so  wird  das  erste  derselben  in  €hirek  ver- 
wandelt. Der  Zusatz  zu  §.  12  gibt  zu  wenig  und  zu  viel.  Ich  möclile 
vorschlagen  die  Sache  so  zu  fafsen:  M(amez  ist  nicht  A-  sondern  kur- 
zer 0-Laut  (Kamez  chatuf):  1)  in  zusammengesetzten  und  zugleich 
tonlosen  Silben  nach  §.  11.  Somit  a)  besonders  vor  Schwa  quiescens 
rT2:n  und  wenn  der  Ton  von  der  letzten  auf  die  vorletzte  gezogen  ist 
na^l;  b)  vor  Makkef  "Ss,  s.  ^.  9;  c)  vor  Dagesch  forte  nTia.  2)  In 
unbetonter  Silbe,  wenn  ein  anderes  Kamez  chatuf  nachfolgt  ^S^S, 
poolcha  aber  3123^'  wajjaschof.  Desgleichen  3)  wenn  ein  Chatef  Kamez 
nachfolgt  >^y^p^.'  Was  der  Verf.  über  Meteg  beifügt,  gehört,  und 
zwar  in  kürzerer  und  schärferer  Fafsung,  in  eine  Anmerkung  etwa  des 
Inhalts:  MVenn  die  Silbe  als  einfache  bezeichnet  werden  soll,  steht 
nach  §.  9  bei  einem  Kamez  ein  Meteg,  und  dann  ist  es  meist  (aber 
nicht  immer)  nicht  0-  sondern  A-  Laut,  z.  B.  ^3^3  aber  i^'Q  pÖöli 
nach  Nr.  3.'  NB.  Meteg  wird  nemlich  in  genauem  Druck  immer  vor 
einem  Chatefvocal,  der  auf  einen  kurzen  folgt,  gesetzt  —  was  viel- 
leicht i^.  9  schon  bemerkt  sein  sollte.  Bei  "J^.  12  sollten  eine  oder 
zwei  Leseübungsstücke  über  die  im  ^  erörterten  Fälle  nicht  fehlen. 

Die  Regeln  über  die  Halbvocale,  §.  13,  sollten  nach  Ewald 
§.  3i  IT.  vollständiger  und  klarer  gefafst  sein;  §.  13,  2  erweckt  zudem 


SelTcr;  Eloiiienlmhucli  der  iicbrüiäclicii  Sprache,  199 

in  dem  Schüler  die  Meirum«?  ,  als  ob  Schwa  eine  Silbe  bildete,  f^eg^eii 
§.  10.  • —  In  der  Note  l  S.  21  ist  wohl  slalt  Substantiv  genauer  zu 
sagen:  das  gezählte  Nomen. 

Zu  §.  14,  2,  a  wäre  etwa  aul"  das  lateinische  illustris,  cessi,  fas- 
SMS,  passus  stall  infustris,  cedsi  etc.  zu  verweisen.  In  der  Anm.  zu 
§.  14:  würden  Beispiele  wie  S23  noa  die  Sache  deutlich  machen. 

Auch  die  Lehre  von  den  Gutturalen  §.  15  erfordert  eine  Umar- 
beitung, um  kürzer  und  zugleich  vollständiger  zu  werden.  Ich  möchte 
folgende  Fafsung  zur  Prüfung  vorlegen:  M)ie  Gutturale  erfordern 
1)  einen  Vocal  in  ihrer  unmittelbarsten  Nähe,  daher  wird  a)  Schwa 
mobile  immer,  b)  Schwa  quiescens  aber  (aufser  bei  dem  n)  nur  wenn 
es  V  0  r  dem  Ton  steht  (dagegen  wenn  es  i  n  oder  nach  dem  Ton  steht, 
60  bleibt  es  unverändert),  man  vergl.  tWi''  und  ?]i3yn';';  und  zwar 
lieben  sie  2)  vorzugsweise  den  A-Laut,  nemlich  a)  immer,  wenn 
die  Gutturalis  nachfolgt,  mag  der  Ton  auf  der  Silbe  mit  der  Guttura- 
lis  selbst  oder  auf  der  vorangehenden  Silbe  ruhn,  z.  ß.  n^tt?"  statt 
nbc'] ,  ra^'y  statt  ns^v 

Anm.  1.  Diese  Wirkung  hat  bisweilen  auch  "1,  z.  B.  X":;^!  st.  X'^'^V 

Anm.  2.  Läfst  der  Vocal  der  Silbe  sich  nicht  verdrängen,  weil  er 
unwandelbar  oder  gedehnt  ist,  so  setzt  man  wenigstens  Patach  furtiv. 
z.  B.  i^TOiä,  Stjir:  (dagegen  n^ty  neben  rkä  im  Perf.  Picl). 

Anm.  3.  \>'enn  ein  Schwa  simplex  vor  einem  Schwa  conipos.  in 
einer  und  derselben  Silbe  zu  stehn  käme,  so  wird  das  erstere  in  den 
kurzen  Vocal  verwandelt,  der  in  dem  zusammengesetzten  enthalten 
ist,  z.  B.  ntS';!  statn^-?";. 

Anm.  4.  Umgekehrt:  wenn  ein  Schwa  simplex  auf  ein  composit. 
folgt,  so  wird  aus  dem  letzteren  der  einfache  Vocal,  der  darin  ent- 
halten ist,  z.  B.  f\iV'J1  statt  ^i^?,\ 

b)  In  allen  andern  Fällen,  also  namentlich  wenn  die  Gutt.  vor- 
ausgeht, tritt  bald  die  Verwandlung  eines  veränderlichen  Vocals  in 
den  A-Laut  ein  bald  nicht,  z.  B.  h'"'0'',  und  ^y^.?. 

Anm.  1.    Ebenso  ist  es  bei  1,  z.  B.  T\'2^  und  Tpa. 

Anm.  2.  Bei  5<,  auch  bei  fi  und  n  findet  sich  in  diesem  Falle  ge- 
wöhnlich Segol,  z.  B.  ~n=x  i'syx. 

3)  Die  Gutt.  und  ebenso  "i  sind  einer  starken  Verdoppelung  nicht 
fähig,  haben  nie  ein  Dagesch  forte;  a)  gewöhnlich  findet  deshalb  dann 
eine  Verlängerung  des  vorangehenden  Vocals  statt,  z.  B.  7"!5<rj  (man 
vergl.  das  schwäbische  'ßahl,  Wahl'  statt  Ball,  Wall);  b)  häufig  und 
zwar  bei  M  und  n  gewöhnlich,  bei  X  hie  und  da,  unterbleibt  jedoch 
diese  Verlängerung,  man  nennt  diese  eine  schwache  Verdoppelung 
oder  sagt,  es  stehe  hier  ein  Dag.  forte  iniplicitum. 

4)  X  und  n  verlieren  nicht  selten  völlig  ihre  Bedeutung  als  Con- 
sonanten  und  werden  als  ruhende  Buchstaben  behandelt  (z.  B.  "i^X^ 
nicht  i^n;:;).' 

Die  verschiedene  Vocalisation  des  fi^,  je  nachdem  das  folgende 
Wort  mit  einem  starken  Consonanten  oder  einer  Gutt.  anfängt,  §.  Ib,  l 


i200  Seffer:  Eleineufarbuch  der  hebräischen  Sprache. 

liefse  sich  etwa  so  fafsen:  '^!T2  wird  im  Durchschnitt  ganz  wie  der 
Artikel  hehaiidelt,  z.  B.  5<-i-irn?D  üDX  n^  can  n^.' 

Ueber  Tnx  wäre  in  einer  Anm.  zu  S.  28  zu  sagen,  dafs  diese 
Form  nur  einmal  im  A.  T.  (in  einer  andern  Lesart  derselben  Stelle 
lautet  es  lt\i5<),  dagegen  njnx  viermal  vorkomme. 

Zur  Verdeutlichung  wäre  §.  19,  1  auf  ähnliche  Erscheinungen  im 
Lateinischen:  fucjere ,  fuffctre^  dicere^  dictare,  dictitare,  canere,  can- 
tare,  canlillare  zu  verweisen. 

Der  Satz  §.  21,  dafs  der  Nominalstamm  den  betonten  Stamm- 
vocal  in  der  ersten  Silbe  habe,  darf  nicht  so  unbedingt  ausgesprochen 
werden;  die  Bemerkung  ist  an  dieser  Stelle  aufserdem  verfrüht  und 
kann  füglich  entbehrt  werden. 

Bei  dem  Hitpael  §.  23,  l  wäre  ein  Beispiel  wie  SSJ*  traurig  sein, 
S3X  —  machen,  S^xnn  r^r  sich  —  bezeigen,  auch  =:  sich  —  stellen 
am  Platz. 

Dafs  bei  dem  Imperfect  die  Personenzeichen  nicht  blofs  vorge- 
setzt, sondern  zum  Theil  auch  zugleich  nachgesetzt  werden,  sollte 
•5^.  27  nicht  vergefsen  sein. 

Zu  dem  Uebungsstiick  16,  das  übrigens  erst  nach  Uebungsst.  17 
stehn  sollte,  ist  eine  tabellarische  Zusammenstellung  der  Formen  des 
Suff,  am  Sing,  und  am  Flur,  an  einem  Beispiel  eines  unwandelbaren 
Nomens,  z.  B.  ö^o  noihwendig. 

Die  Formenbeispicle  S.  41,  litt,  b  würde  ich  dem  Uebersetzungs- 
stücke  voranstellen,  auch  statt  ^.lussiv'  aus  zwei  Gründen  lieber  ^Vo- 
luntativ'  sagen,  weil  diese  Form  besonders  oft  in  der  Anrede  an  Gott 
vorkommt  und  weil  der  Terminus  '"  Jussiv'  zu  sehr  mit  Imperativ  zu- 
sammenfällt. Auch  Ewald  hat  diese  Benennung  aufgegeben,  Cohor- 
tativ  hat  er  gleichfalls  nicht  mehr,  was  ich  aber  mit  unserm  Verf. 
beibehalten  zu  müfsen  glaube.  Es  liefse  sich  vielleicht  die  Frage  auf- 
Averfen,  ob  nicht  statt  Volunlativ  der  dem  Schüler  sonst  bekannte  Na- 
me Opialiv  passend  wäre.  Dafs  der  Cohortativ  eine  Verstärkung  des 
Volunt  und  Imperat.  sei,  dürfte  füglich  gesagt  sein.  Die  Behauptung 
S.  42,  2,  dafs  der  Imperat.  vom  Imperf.  herkomme,  unterliegt  gerech- 
ten Zweifeln. 

§.  31  Anm.  2  fehlt  die  Verweisung  auf  §.  14  Anm. 

§.  32,  A,  l)  ist  nach  §.  49,  b  zu  modificieren.  Ebendaselbst  ist 
unten  zu  sagen:  "^  vom  Grundstamm  des  Imperfects,  s.  S.  37.' 

Im  Uebungsstück  21,  5  ist  Avohl,  wie  auch  sonst,  bei  dem  Perf, 
consecutivum  ein  Tonzeichen  bei  der  letzten  Silbe  zu  setzen,  um  diese, 
wenn  ich  mich  nicht  täusche,  vor  Ewald  ganz  übersehene  Spracher- 
scheinung recht  einzuprägen. 

Auf  die  Verschiedenheit  der  Suffixe  am  Nomen  (s.  S.  32.  38)  ist 
§.  33  ausdrücklich  hinzuweisen. 

Im  Uebungsstück  22  Vs.  4  ist  zu  schreiben  ^^"I^ ;  denn  M^'?^  ist 
Pausaform. 

An  Schwerfälligkeit  und  Undeullichkeit  scheint  mir  besonders  der 
Abschnilt  über  das  Verbum  mit  Suflixen  zu  leiden.    Es  ist,  als  ob  def 


SelTcr:  Elcmciilarhucli  der  licbräisclicn  Sprache.  201 

Verfafser  liier  iiiclit  so  wie  sonst  aus  dem  griinen  geschniUcii,  d.  Ii. 
aus  der  Schulpraxis  fieraus,  sondern  mehr  nur  nacii  der  steilen  Theo- 
rie gearbeitet  hätte.  Ich  erlaube  mir  zum  Schlul's  die  Frage,  ob  nicht 
§.  33 — 37  die  Hegeln  über  dieses  allerdings  schwierige  Stück  der 
hehr.  Grammatik  in  folgender  Fal'sung  mehr  befriedigen  w  ürden. 
§.  33.    Bei  dem  Verbum  mit  Suff,  hat  man  zu  achten 

I.    Auf  die  Form  der  Suffixe  selbst,  welche  etwas  ver- 
schieden ist,  je  nachdem 

1)  die  V^erbalformen,  denen  sie  sich  anhängt,  entweder  mit 

einem  Vocal  schliefsen, 
Hierzu  die  Tabelle  S.  51  mit  ausdrücklicher  Bezeichnung  Nr.  1  mit 
Anm.  1.    AufserOD,  "jd  sind   in   diesem  Falle  alle  diese  Suir. 
tonlos  u.  s.  w. 

Anm.    2.  Abweichende  Formen  einzelner  SufF.  sind    a) 

b) — ■ —  (wie  im  Buch)  und   c)  das  Suff,  der  2  sing.  fem. 
lautet  statt  '^  selten  auch  "'S. 

NB.  Man  übe  diese  Suflixformen  an  ^i^tns  ein. 

2)  Oder  wenn  sie  mit  einem  Consonanten  schliefsen,  in 
welchem  Falle  ein  Bindevocal  nölhig  wird,  und  zwar 

a)  ein  A-Laut  bei  dem  Perf. 

b)  ein  E-Laut  bei  Imperf.  (Imperat.  Infin.) 

Hierzu  die  Tabelle  S.  52  als  Nr.  2  bezeichnet;  und  die 
im  Buche  angeführlen  Einzelbemerkungen. 
NB.    Die  Suff,  werden  an  303  und  3~a^  eingeübt. 
§.  34.      II.    Man  hat  zu  achten    auf  die    Vocalveränderungen,  welche 
die  Formen  des  Verbalstamms   vor  SulT.  erleiden. 
l)    In  der  ersten  Silbe  mufs  natürlich  jeder  Vortonvocal 
wegfallen,  gerade  wie  bei  DtD^n^,  und  die  Form   des 
Perf.  Kai  ist  also  vor  Suff,   fast   durchweg  3n3  somit: 
^nnns  und  auch  iruirns. 

2)    In  der  zweiten  Silbe  erhält  sich 

a)  ein  A-Laut,  wo  ein  solcher  vorliegt,  und  zwar,  da 
er  meist  in  einfache  Silbe  zu  stehn  kommt,  als  Kamez, 
z.  B.  nicht  blofs  *'33"3  ,^^~3.  im  Perf.,  sondern  auch 
z.  B.  bei  Gutturalverben  im  Imperfect  on^ü'^  und  Im- 
perat. "'??'^ö. 

Anm.  1.  Vor  den  schweren  SulT.  C3  und  "(S  (nicht  aber  vor  ^) 
steht  nicht  Kamez ,  sondern  Patach. 

Anm.  2.  Es  versteht  sich,  dafs  unwandelbare  Vocale ,  z.  B. 
das  i  des  Hiffil,  sich  erhalten. 

b)  Dagegen  wird,  wenn  die  letzte  Silbe  einen  E-  oder 
0-Laut   hat,    dieser    gewöhnlich    weggeworfen, 

Z.   B.   D3ri3  •>23n3'i. 

Ausnahme  1.     Vor  den  Suff.  ?],  03,  "P   geht  nach  §.  11   Zere 
in  Segol,  Cholem  in  Kamez  chatuf  über,  da  sie  den   Ton  haben;  also 

e:)3r)3    D33F;3';i. 


202  Seffer;  Elcmentarbiicli  der  hebräischen  Sprache. 

Anm.  Der  0-Laut  erhält  sich  sonst  hie  und  da,  wenigstens  als 
Chatef  Kamez  iS3?=i<. 

Ausn.  2.    Auch  der  E-Laut  erhält  sich  hie  und  da,  wenn  die  letzte 
Radicalis  eine  Gutturalis  ist  ^Tül'ZJ''. 
NB.     Es  hat  ein  Uebungsstück  mit  Formen  zum  Analysieren  über  §.  33 

und  34,  I  und  II  zu  folgen. 
§.35.     III.  Man  hat  endlich  zu  achten  auf   einzelne   Personalen- 
dungen des  Verbums,  welche  vor  den  SulT.  ihre  Form 
verändern,  damit  eine  bequemere  Aussprache  entstehe. 

1)  3  fem.  sg.  Perf.  ."i-  etc.,  s.  §.  34,  1  im  Buch. 

2)  2  sg.  m.  Perf.  n — 

3)  2  sg.  fem.  Perf.'n—  •••,   ^     « 
A  .^    T              p  T>     •   »«     ^»«              ^  ibid.  Nr.  2. 

4)  2  pl.  m.  u.  f.  Perl,  nn — )'F\ —         j 

5)  3  pl.  fem.  u.  2  pl.  f.   Imperf.  fi3 — 

NB.     Diese  fünf  Fälle  Nr.  1 — 5  sind  einzuüben  an  i^'txs  ,  inatns,  l^^PiS, 

Anm.  1  und  2.  SulT.  am  Imperat.,  Infinit,  und  Particip  wie  im 
Buch  S.  56. 

Anm.  3.    lieber  die  Pausa  wie  im  Buch,  mit  dem  Beispiel  ^rjans. 

Die  Tabelle  S.  53  scheint  überflüfsig  zu  sein. 

Es  folge  wieder  ein  Uebungsstück,  s.  im  Buch  Nr.  24,  mit  For- 
men zum  Analysieren  über  Nr.  III,  I — 5 ,  sowie  über  die  Anmerkun- 
gen; dann  das  Uebungsstück  im  Buch  Nr.  23  mit  Weglafsung  der  Bei- 
spiele, welche  ein  Nun  epenlhet.  haben. 

§.  36.  Aufser  der  gewöhnlichen  Form  der  Suff,  am  Verbum 
§.  33  ff.  gibt  es  noch  eine  verstärkte  Form  derselben,  s.  §.  35  im 
Buch  nebst  Anm.  und  Uebungsstück  22  daselbst. 

§.  37.  Paradigma  wie  im  Buch,  nur  mit  dem  Zusatz  einzelner 
Formen  des  Infin.  mit  Sulf.  besonders  von  Gutturalverben,  z.  B.  ?l2fJ3 
und  ^l-rs  —  c=-i^x ,  ^rrc-"^.^  —  C^?^  —  crpx'a  —  C253X  —  D?"i3:3 
—  auch  das  wiederholt  vorkommende  d^k^. 

Die  Ausstattung  des  Buchs  ist  wegen  der  grofsen  Leitern  des  He- 
bräischen besonders  zu  loben,  mit  Ausnahme  der  ziemlich  vielen 
Druckfehler,  welche  voraussichtlich  in  einer  zweiten  Ausgabe  sorg- 
fältiger beseitigt  werden.  Aufser  den  am  Ende  des  Buchs  namhaft  ge- 
machten Verstöfsen  habe  ich  in  dem  hier  besprochenen  kleinen  Theil 
desselben  folgende  Fehler  bemerkt.  S.  8  m.  fehlt  das  Dagesch  lene 
bei  HD^D,  ebenso  S.  12  m.  bei  D^S^.  S.  10  Z.  11  v.  o.  ist  zu  sagen: 
3  pers.  praet.  oder  perf.  sing.  S.  24  §.  15,  2,  b  fehlt  in  der  Anmer- 
kung die  Verweisung  auf  'iij.  10,  2,  c.  S.  32  Uebungsstück  12,  1  fehlt 
der  Accent  bei  ^sV  Fehler  sind  ferner  zu  verbefsern  S.  13  Uebungsst. 
5  Vs.  2,  wo  —  wie  sonst  auch  z.  B.  Uebgst.  12  Vs.  1  —  nach  fi'iri'^ 
das  Dag.  lene  fehlt;  ibid.  Vs.  4  bei  n^xn,  S.  15  im  Uebungsst.  6,  3. 
S.  2',^  im  Uebgst.  9  Vs.  2  sind  zwei  Fehler;  ibid.  Z.  6  v.  o.  ist  4)  statt 
3)  zu  lesen.  S.  25  Uebgst.  10  Vs.  5  1.;  Note  2  n  statt  n;  Note  7  n  st. 
n;  S.  33  Z.  3  v.  u.  fehlt  V ;  S.  34,  3  v.  o.  ist  N  statt  X ;  S.  36  Z.  1  v. 
o.  ly,  statt  TU;  S.  43  Uebgst.  18  Vs.  1  1;  ibid.  §.  30  heifst  statt  heifs; 


Criisius  II.  Mülilmanii:  Tili  Livii  Iiisl.  lil).  V — X.  8s  lieft.     2i)3 

S.  45  Uobgst.  19,  6  •;  slalt  v,  S.  46  m.  3  stall  3;  in  der  Anm.  Won'; 
S.  47,  11  V.  0.  a;  s! bO  IJcbgsl.  21,  5  r;  S.  51,  Z.  8  v.  u.  *dcs'  slalt 
das;  S.  54  Uebgsl.  22  Vs.  3  n  stall  H;  S.  56  Ucbg-sl.  24  Z.  5  v.  o.  3 
stall  ^  7A\  lesen. 

Ein  Register  wird  einer  zweiten  Auflage  aueh  gut  anstelin. 

Scliönllial.  Me:jger. 


Kürzere  Anzeigen. 


Tili  Lwil  Patavini  Historiarum  libri  V — X.  Mit  erklärenden  An- 
merkungen von  G.  Chr.  Crusius;  fortgesetzt  von  Gustav  Mühl- 
mann. Achtes  Heft:  üb.  IX  cap.  20 — 46.  Hannover  1852.  Hahn- 
sche  Hofbuchhandiung.     Vi  und  74  S.  8. 

Die  mit  der  genannten  Schrift  begonnene  Fortsetzung  der  von 
dem  sei.  Rector  Crusius  angefangenen  Bearbeitung  des  Livius  erregt 
schon  deshalb  die  Aufmerksamkeit,  weil  für  die  Erklärung  des  Livius 
bis  jetzt  verhältnismäl'sig  sehr  wenig  geschehn  ist.  Dazu  kommt  aber 
als  besonderes  Moment,  dafs  die  vorliegende  Fortsetzung  der  Ausgabe 
durch  Hrn.  Mühlmann  sich  gegen  die  früheren  Lieferungen  vortheilhaft 
auszeichnet  durch  ein  selbständigeres  Verfahren  hinsichtlich  der  Tex- 
teskritik und  der  Erklärung,  so  wie  durch  eine  den  Zwecken  der 
Schule  mehr  entsprechende  methodische  Anlage  der  Anmerkungen.  In 
beiderlei  Beziehungen  liefsen  bekanntlich  die  früheren  Hefte  mancher- 
lei zu  wünschen  übrig. 

Der  neue  Hr.  Herausgeber  hat  in  den  meisten  Fällen  mit  sicherm 
Takte  die  Schwierigkeiten,  die  dem  Schüler  durch  die  Sprache  im 
allgemeinen,  durch  den  besondern  Livianischen  Sprachgebrauch,  durch 
historische,  politische  Verhältnisse  u.  s.  w.  entgegentreten,  gefühlt 
und  beseitigt  und  so  das  Eindringen  des  Schülers  in  das  Verständnis 
des  Schriftstellers  vermittelt.  Als  ein  wesentliches  Merkmal  für  die 
äufsere  und  innere  Beschaffenheit  der  Anmerkungen  ist  zu  betrachten, 
dafs  Hr.  M.  nicht,  wie  es  früher  der  Fall  war,  die  Bemerkungen  der 
altern  Herausgeber  in  deutscher  oder  lateinischer  Sprache  nebenein- 
der  stellt,  sondern  dafs  er  dieselben,  wo  er  sie  benutzt,  verarbeitet 
und  durchgängig  in  deutscher  Sprache  gibt.  Hinsichtlich  der  Kritik 
spricht  Hr.  M.  in  der  Vorrede  p.  IV  seinen  Grundsatz  dahin  aus:  'die 
Kritik  aufser  Acht  zu  lafsen,  ist  bei  einem  Schriftsteller,  wie  Livius, 
unmöglich,  die  Schwierigkeit  bei  einer  Schulausgabe  ist  nur  die,  in 
jedem  einzelnen  Falle  zu  wil'sen,  in  wie  weit  man  von  ihr  Gebrauch 
machen  darf.'  Kritik  wird  demnach  von  dem  Hrn.  Herausg.  nicht  blofs 
als  eine  Forderung  für  den  Herausgeber,  sondern  auch  als  eine  For- 
derung für  eine  Schulausgabe  des  Livius  angesehn.  Ref.  kann  diese 
Behauptung  und  Forderung  im  allgemeinen  nicht  als  richtig  und  be- 
rechtigt anerkennen.     Die. kritische  Behandlungsweise  setzt  so  vielfache 


204      Crusius  u.  Mulilinann:  Tili  l.ivii  liisl.  liltri  V — X    8s  lltift. 

Kenntnisse  voraus,  nimmt  so  viel  Zeit  in  Anspruch,    dals  der  Schü- 
ler dadurch  nicht  verhältnismäfsig  gefördert  wird.     Der    Scliüler    soll 
und  will  aus  und  an  dem  Texte  lernen ,  denselben  ausbeuten  für  seine 
Jjildung;  es  frommt  ihm  aber  wenig,  wenn  ihm  derselbe  auf  mühsame 
Weise  und  weiten  Umwegen  vorconstruiert  wird.     Wer  also  dem  Schü- 
ler in  dem  Verständnisse   eines    Schriftstellers    zu    Hilfe   kommen    will, 
der  gebe  ihm  einen  guten  Text,  d.   h.  einen  solchen  Text,  wie  er  dem 
Herausgeber,  der  natürlich  Kritik  nicht  aufser  Acht   lafsen    kann,    als 
der  beste  erscheint,    ohne    den    Schüler   den   Weg,    auf  welchem    eben 
dieser  Text  gewonnen  ist,  mitmachen  zu  lafsen.     Man  frage  sich  doch, 
was  der  Schüler  mit  den  Bezeichnungen  der  Codices,   mit   den  Namen 
mancher  Kritiker  aus  früherer  Zeit ,  mit  angeführten  Conjecturen  u.  s. 
w.  anfangen  soll  ;  das  sind  für  ihn  lauter    inhaltsleere   Dinge,    da  ihm 
eine  richtige  Werthbestimmung  der   einzelnen    Momente    abgehn    mufs. 
Man    bedenke    doch,    dafs   die    Jugend    von  16  und  18  Jahren    bei    der 
Leetüre  eines  historischen  Schriftstellers,    wie    Livius,  für   Wortkritik 
wenig  Sinn   hat,  und  dafs  es  sehr  wünschenswerth  ist,  wenn  der  Sinn 
derselben  so  lange  als  möglich  unbefangen  erhalten  wird    und    nur  für 
die  Sprache  und  den  Inhalt  offen  und  frisch  bleibt;    die   leidige   Lust 
zu  kritisieren  stellt  sich  schon  bald   genug    ein,    noch    ehe   Kenntnisse 
und  Grundsätze  genugsam    erstarkt   sind.      Die   Kenntnis    der  Sprache 
aber  und  des  Sprachgebrauchs  kann  durch  eine    kritische    Behandlung 
für  den  Schüler    nicht  sonderlich    gefördert   werden,    und    sicherlich 
wird  sie  eher  gefördert  durch  eine  positive  Bezeichnung  des  richtigen. 
Auf  die  wenigen,  die  etwa  später  Philologie    studieren,    braucht    auch 
keine    Rücksicht  genommen    zu   werden;    denn    einmal    hat   es  bei    der 
Leetüre  des  Livius,  also  in  Secunda,  mit  der  Kritik    noch  keine  Eile, 
und  später  werden  diese  nach    andern   Hilfsmitteln    greifen.     Wird    es 
nun  aber  durchaus  für  nöthig  erachtet,  durch  Abwägung  und  Prüfung 
verschiedener  Lesarten  hinsichtlich  ihrer   gröfsern  oder   geringern  An- 
gemefsenheit,  Bedeutsamkeit  und  Richtigkeit  den  Scharfblick  und  den 
aesthetischen  Sinn  zu  üben  (wofür  übrigens  das  Gymnasium  noch  Mit- 
tel genug  hat),    so  kann    man    das    bis    Prima    für   die    philosophische, 
oratorische  oder  auch  poetische  Leetüre  aufsparen,  oder  man  wähle  in 
jedem  gröfsern  Abschnitte  oder  Buche  zwei  oder  drei  wichtigere  Stel- 
len aus,    stelle  alle    vorhandenen    Verschiedenheiten   mit   Angabe    aller 
zur   Entscheidung    nothwendigen    Momente    zusammen    nnd   lafse   dann 
den  Schüler  prüfen  und  wählen.     Noch  befser   vielleicht   ist    es,  wenn 
man  ein  einzelnes  Capitel  ausschliefslich  nur  für  den  kritischen  Zweck 
behandeln  kann.  —     Diese  unsere  Ansichten  beziehn  sich  auf  den  vom 
Verf.  in  der  Vorrede    allgemein    ausgesprochenen    Grundsatz;    auf  den 
vorliegenden  Theil  des  Commentars  sollen  sie   nicht   durchgehends  be- 
zogen  werden,    weil    allerdings    ein   bescheideneres    Mafs    angewendet 
worden  ist,    als   man    erwarten    durfte,    obwohl   wir   immer    noch    eine 
gröfsere  Beschränkung  wünschten.     Auch  die  Kritik  über  abweichende 
Erklärungen  früherer  Herausgeber  läfst  Hr.  M.  manchmal  zu  sehr  her- 
vortreten, obwohl    er  Namen    und    Bücher   nicht    nennt;   dadurch    ent- 


Cnisiiis  II.  Miililiiianii:  Tili  Livii  liisf.  Uhvi  V — X.  8s  Hcfl.      205 

«(elin  aber  wohl  für  den  .S<Iiiiler,  der  die  widerlegte  Ansicht  nicht 
kennt  oder  nicht  verylei<-hen  kann,  nianclierlei  Dnnkellieiten  ii.  Schwie- 
rigkeiten. 

Ref.  erlaubt  sich  an  die  ersten  zehn  Capitel  eine  Anzahl  Bemer- 
kungen anzuknüpfen  und  dadurch  auf  einige  Unvollständigkeiten  hin- 
zudeuten; von  dem  Hrn.  Herausgeber  glaubt  er  um  so  mehr  eine  freund- 
liche Aufnahme  derselben  erwarten  zu  dürfen,  als  dersell)e  am  Schlufse 
der  Vorrede  eine  einläfsliciie   Beurtheiiung  zn   wünschen   scheint. 

Cap.  20  §.  2.  Die  Bemerkung  über  die  Verbindung  Icfrati  ab  frc~ 
qiientibus  S.  populis  ist  nicht  vollständig  ;  vergi.  Held  Caes,  bell.  clv. 
1,  1,  I,  auch  Fabri  Liv.  XXf,  11,  J3;  Seyüert  Palaestra  Cic.  p.  27 
§.  19  (1.  Ausg.).  In  Verbindung  mit  unserer  Stelle  konnte  das  dar- 
auf folgende  jjraefccti  Capuam  (so  verbindet  auch  Hr.  M.)  erklärt 
werden.  —  Die  Bemerkung  zu  efficaces  habcbant  preccs :  'hnbebant  ist 
nicht  so  viel  als  iis  erant^  sondern  habere  bedeutet  in  den  Händen 
haben,  um  einen  bestimmten  Zweck  zu  erreichen',  dürfte  nicht  viel 
helfen ;  denn  beide  Bedeutungen  laufen  am  Ende  auf  dasselbe  hinaus 
und  sind  nur  dem  Grade  nach  verschieden;  vielmehr  geiiört  hierher 
P'abris  Bemerkung  zu  XXH,  23,  2;  vgl.  IX,  21,  4  tutain  habuit  'er- 
hielt', d.  i.  effccit  ut  tuta  esset.  —  §.  3  indutiae:  auf  die  Auslafsung 
eines  Adverbs,  hier  'nur',  auch  ohne  Vorausgehenden  Demonstrativ- 
begriff war  aufmerksam  zu  machen;  der  Grund  liegt  in  der  gegen- 
sätzlichen Verbindung:  de  foedere  negatum  —  indutiae  impctratae. 
—  §.  8.  Id  war  dem  Schüler  zu  erklären,  nemlich  omnes  Apulos  pa- 
cem  praestaturos  esse;  ebenso  das  folgende  ut  'so  dafs,  unter  der 
Bedingung  dafs.'  §•  10.  Bei  fama  per  socios  vulg.  res  konnte  an  die 
näher  liegenden  Beispiele  ^■.  7  und  26,  22  per  clara  nomina  (anders 
ist  per  dort  nicht  zu  erklären)  erinnert  werden.  —  Durch  nee  arma 
modo  sed  iura  etiam  Ii.  late  patebant  wird  in  aller  Kürze  das  Resume 
des  Capitels  gegeben. 

Cap.  21  §.  4  war  auf  die  höchst  bezeichnende  Wortstellung  zu  An- 
fang des  Satzes  aufmerksam  zu  machen.  §.  6.  Die  Bemerkung  zu  Pli- 
sticam ,  socios  R.  'wie  häufig  die  Bewohner  einer  Stadt  den  Namen 
derselben  darstellen  u.  s.  w.'  ist  nicht  gut  ausgedrückt. 

C.  22,  1.  Die  Bemerkung  zu  bellum  deinceps  gest.  ist  richtig; 
denn  deinceps  heifst :  von  einem  bezeichneten  Punkte  weiter;  der  Zu 
satz  'denn  es  ist  kein  Grund  vorhanden  deinceps  zu  erklären:  ohne 
Unterbrechung'  (bei  Aischefski)  ist  übertiüfsig  und  nicht  am  Platze.  — 
Zu  ad  Saticulam  konnte  bei  dem  Unterschiede  zwischen  ad  bei  Städte- 
namen und  dem  blofsen  Accus,  ('hinein')  auch  auf  Verbindungen  wie 
in  Achradinam  XXIV,  21,  7,  vergl.  Fabri,  XL,  4  med.  inThcssaloni- 
cam  aufmerksam  gemacht  werden.  §.  3.  Statt  der  gewöhnlichen  Les- 
art eo  intentius  —  oppugnabat  schlägt  Hr.  M.  vor  zu  lesen:  eo  in- 
tentius  dictator  in  mocniu  hostium  versus,  quod  id  bellum  tunti  du- 
ceret,  urbem  oppugnabat;  securior  etc.  Man  kann  allerdings  der 
Stelle  gröfsere  Klarheit  und  Leichtigkeit  wünschen  ;  aber  da  sie  noch 
verständlich    ist    und    die   Gründe   des    Hrn.    Verf.    nicht   durchgängig 


206     CrusiiiS  n.  Müblmaim :  Tili  Llvii  hisl.  libi  V — X.  8s  Heft. 

stichhaltig  erscheinen,  so  miifs  wohl  von  einer  Conjectur  Umgang  ge- 
nommen werden.  Derselbe  sagt:  ducerc  und  agcrc  bilden  Iceinen  Ge- 
gensatz; Wühl;  aber  intcntius  versus  —  ducete  und  sccurior  agere 
bilden  denselben;  die  Verbindung  intcjitius  mit  dem  Particip  läist 
sich  wohl  rechtfertigen,  z.  B.  enise  adiuti.  Wir  erklären  die  Stelle: 
t  er  hielt  mit  um  so  gröfserer  Aufmerksamkeit  gegen  die  Mauer  die  F'einde 
gerichtet  diesen  Theil  des  Kriegs,  nemlich  die  Einschliel'sung  der  Stadt 
{^quod  —  opptt gnubat)  für  so  wichtig  (als  den  Krieg  im  Felde,  oder 
als  er  wirklich  war);  vor  den  Samniten  selber  fülilte  er  sich  sicherer' 
(vergl.  Fabri  XXII,  49,  15,  wo  tantus  für  tantusdem  erklärt  ist).  §.  5 
Der  Sinn  der  Worte  clara  ipsorum  ducitm  ederet  fortuna  ist:  das 
Schicksal  machte  den  Fall  des  einen  Feldherrn  durch  den  des  andern 
berühmt.  §.  6.  Die  Phraseologie  zu  proclium  itcravit  läfst  sich  noch 
vermehren:  renovare  proelium  II,  31;  redintegratus  est  luctus  gemi- 
natusque  XL,  55;  novam  integrant  pugtiam  VH,  7.  §.  9.  Ob  die  Ver- 
bindung ex  equo  ad  pcdcs  desc.  häufiger  ist  als  ad  pedcs  desc.  bei 
Livius,  dürfte  noch  zu  erweisen  sein;  ähnliche  Verbindungen  bei  Fa- 
bri zu  XXI,  46,  6. 

C.  23  §.  8.  Die  Regel  über  cclare  steht  ja  in  jeder  von  einem  Se- 
cundaner  gebrauchten  Grammatik,  und  wohl  noch  vollständiger.  §.  13 
billigt  Hr.  M  incendent,  hat  aber  incendant  im  Texte;  die  Lesart 
selber  wollen  wir  unentschieden  lafsen,  die  Differenz  ist  wenigstens 
nicht  bedeutend.  Der  Befehl  kann  allerdings  durch  incendant  be- 
stimmt noch  einmal  ausgesprochen  werden,  aber  damna  —  sarcientur 
mufs  es  heifsen,  denn  das  läfst  sich  nicht  gut  befehlen.  Wir  hätten 
lieber  gesehn,  wenn  statt  dieser  Bemerkung  auf  den  Gebrauch  von 
circa  aufmerksam  gemacht  worden  wäre,  vergl.  Schneiders  Recens. 
von  Zumpts  Grammatik  in  diesen  NJahrb.  Bd.  LXI  S.  251  ff. 

C.  24,  4.  Was  heifst  prope  adiuncta  mocnibus ?  vergl.  damit 
gleich  darauf  prope  invia.  §.  6.  Was  temere  iacentia?  vgl.  II,  28  for- 
tuito  oc  temere ;  forte  temere  XXV, 38.  —  Neben  ad  hoc  sagt  Liv.  auch 
nrf  hncc.  —  Zu  ut  fit  sagt  Hr.  M. :  der  Begriff  des  Geschehens,  der 
eine  Thätigkeit  voraussetzt,  ist  allmählich  in  dieser  Verbindung  ver- 
loren gegangen,  so  dafs  sie  blofs  bedeutet  'wie  gewöhnlich.'  Aber 
da  man  auch  sagte  ut  solet ,  d.  i.  ut  fieri  solet ,  so  dürfte  der  Begriff 
des  Geschehens  nicht  ganz  verwischt  sein,  also  ist  ut  fit  zunächst 
=:  ut  accidit  'wie  sich's  trifft,  wie  es  nun  einmal  ist.'  §.  9.  Wozu 
wird  i)ei  den  Worten  dcfcndite,  ite  der  Handschriften  gedacht?  §.  10. 
Zu  haec  increpat  bemerken  wir,  dafs  der  Nebenbegriff  des  Tadels  in 
increpare  auch  an  unserer  Stelle  vorliegt.  Ueber  die  Lesart  der  Stelle 
erlauben  wir  uns  unsere  Ansicht  in  folgendem  darzulegen.  Es  wäre 
doch  höchst  eigenthümlich  und  wohl  ohne  Beispiel  zu  verbinden  fori- 
bus  principum  increpare ;  es  mufs  deshalb  in  cidens  foribus  gelesen 
werden  'heranstürzend  —  stürmend',  Beispiele  im  Glossarium  und  bei 
Aischefski.  Es  liegt  eine  höchst  angemefsene  Steigerung  darin,  dafs 
zum  ersten  haec  kein  Dativ  einer  Person,  der  zugeschrieen  wird,  ge- 
setzt ist:  denn  beim  ersten  Schreien  war  noch  niemand  wach  oder  auf  der 


Crusius  II.  Miililmann;  Tili  Livii  Iiisl.  libri  V — X.  8s  Hoff.      207 

Stnifse;  er  mufs  also  erst  au  die  Tluireii  anrennen,  dann  kann  er  den 
obviis  nnd  excurrenilbus  zurufen.  Audi  \Veifsenl)orn  billi«;!  iiicidcns, 
nur  ist  der  von  ihm  anoefülirte  Grund  uns  nicht  recht  deutlich. 

C.  25,  5.  Zu  der  Ueinerkung  über  den  Gebrauch  des  indic,  wo 
der  Zwischensatz  als  nothwendiges  Glied  des  fremden  Gedankens  auf- 
zufalsen  ist,  gehören  vor  allen  Dingen  Beispiele.  Zu  dem  Asyndeton 
iuventute ,  armis  passt  das  Beispiel  armis,  equis,  viris  nicht,  denn  bei 
der  Verbindung  von  drei  Gliedern  gelten  bestimmte  Normen,  vergl. 
Seyffert  Palaestra  S.  24  nach  Madvigs  Regel ;  die  asyndetische  Verbin- 
dung ist  rhetorischer  Natur. 

C.  26,  7.  Die  Worte  sive  titnor  seu  conscicntiae  —  sitbtrnxit  wür- 
den nach  des  Verf.  Auffafsung  dem  Schüler  verständlicher  werden, 
wenn  einfach  gesagt  wäre:  zu  sive  timor  seu  consc.  vis  erwartet  man 
ein  specielles  Praedicat,  das  übrigens  in  su5<raa-Jt  angedeutet  ist.  Ref. 
möchte  vorziehn ,  die  Worte  mors  haud  dubie  co7iscita  in  Parenthese 
zu  stellen  als  Apposition  zu  sive  timor  sive  consc.  vis.  §.  8  würden 
wir  intcrpretando  Heber  übersetzen  ^ durch  eine  Deutelei'  statt:  durch 
Erklärung  des  Auftrags.  §.  11.  Die  beiden  grammatischen  Bemerkun- 
gen über  den  Infin.  bist,  und  esse  mit  dem  Gen.  sind  überflüfsig,  zu- 
mal da  die  zweite  schon  in  §.  1  enthalten  ist.  Zum  impersonellen 
obstare  konnte  resistere  IV,  43  citiert  werden.  §.  14.  Ueber  die  Aus- 
lafsung  von  fit,  factum  est  (quod  saepe  alias)  vergl.  Nägelsbach 
Stil.  S.  514.     §.  15  expugnare  =  niederschlagen,  unterdrücken. 

C.  27,  1.  In  quam  bezieht  sich  dem  Sinne  nach  nicht  allein  auf 
spes  ,  sondern  auf  sp^s  und  dcfectio  zugleich,  also  :=:  in  cuius  spcm, 
in  speratam  dcfectionem;  coniuraverant  sperantes  fore  ut  deficcrcnt. 
§.  3.  Die  Bemerkung  über  primo  —  dcinde  —  deinde  ist  unrichtig 
oder  unvollständig;  denn  das  zweite  deinde  führt  nicht  ein  neues 
(drittes),  dem  primum  und  deinde  entsprechendes  Glied  ein,  setzt 
also  nicht  fort,  sondern  knüpft  an  das  ibique  primum  castra  in  con- 
spectu  hostibus  data  an  und  heifst  und  nun  =  mde,  et,  vergl.  Fa- 
bri  zu  XXIII,  33,  9.  Zwischen  in  conspectum  und  in  conspectu 
dare  glauben  wir  einen  Unterschied  machen  zu  müfsen,  nemlich  in 
conspectum  d.  =  eo  consilio  ut  conspici  jjossint ;  in  conspectu  =  ita 
nt  conspici  possint.  §.  6.  Zu  carpcre  hätten,  da  die  Bemerkung  nach 
Fabri  XXII,  16,  2  gegeben  zu  sein  scheint,  auch  einige  dort  citierte 
Beispiele  beigebracht  werden  können;  ebenso  bei  senescere ;  zu  ge- 
denken ist,  dal's  Livius  auch  sagt  lex  consenuerat,  laus,  pugna, 
hiems  senescens,  vgl.  Nägelsbach  Stil.  S.  375  ff.  §.  9.  Sinistris  erklärt 
Hr.  M.  als  Neutr.  plur.  =  sinistrae  parti.  Ist  diese  Erklärung  die 
richtige,  so  war  der  Fall  als  ein  seltner  zu  bezeichnen  (ein  Dat.  plur. 
im  Neutr.  substantivisch,  der  als  Neutrum  nicht  erkennbar  ist)  und 
mit  Beispielen  zu  belegen ;  aus  dem  9.  Buche  läfst  sich  38,  5  ulterio- 
rum  anführen.  Viele  bei  Fabri  XXI,  11,  12  angeführte  Beispiele  sind 
anderer  Art.  Ref.  ergänzt  zu  sinistris:  ordinibus,  welches  Livius 
vorher  von  den  Samniten  gebraucht  hat  und  nun  auf  die  römische 
Schlachtreihe  überträgt;  dazu  passt   dann   auch    confertiorcs   stctvrant 


208    Crusiiis  u.  Mühlmann:  Tili  Livii  liist.  libri  V — X.  8s  Heft. 

bequemer.  —  Zu  impiilit  bemerken  wir:  impellere  =  einen  Stofs  ge- 
ben, vom  Platze  treiben,  verdränjren  =  tarbare,  rumpcre  ordines ; 
die  Folge  davon  ist  cummoveri  §.  10,  auch  moveri  VI,  13,  -i  rupti  inde 
multis  locis  ordines  motaque  omnia.  —  Zu  avertit  war  der  Erklärung 
wegen  eine  Stelle  beizufügen,  wo  avertere  in  fugam  steht.  §.  11.  Zu 
hortator  adf.  vergl.  IX,  13  p.  init.  Zu  ad  clamorem:  Hr.  M.  er- 
klärt 'auf  das  Kriegsgeschrei  hin.'  Zwar  ist  diese  Bedeutung  bei  ad 
gewöhnlich,  doch  hier  nicht  zuläfslg^  weil  ortum  dabei  steht,  wel- 
ches uns  bei  der  Erklärung  des  Hrn.  Verf.  überfliifsig  erscheint.  Uns 
ist  wenigstens  kein  Fall  bekannt,  dafs  z.  B.  bei  ad  nuntium  '  auf  die 
Nachricht  hin'  noch  ein  allatum  stünde;  daher  deuten  wir  ad  clamorem 
örtlich  und  verbinden  es  mit  avectus  a  suis  'nach  dem  Geschrei 
hin';  nicht  passt  dazu  das  folgende  unde  —  cernens  cum  ad  suum 
cornu  tenderet.  §.  12.  Die  Bemerkung  zu  invenit:  '  invenit  zunächst 
mit  einem  Object  und  dann  mit  dem  Accus,  und  Infin.  als  erklärendem 
Object'  ist  doch  wohl  ganz  unrichtig;  pulsos  ist  natürlich  ebenso  gut 
Participium  wie  inferentem. 

C.  28j  5.  Frequenter  hnbitabatur  'waren  zahlreiche  Wohnungen' 
vgl.  II,  62.  §.  6.  Der  Gebrauch  von  trahere  war  zu  bemerken  und  zu 
erklären,  g^  7.  Den  Nominativ  in  Suessa  et  Pontiae  coloniac  dcduc- 
tae  sunt  erklären  wir  uns  so,  dafs  der  Ort  als  ein  durch  die  Colonie 
neu  begründeter  erscheint.  Warum  ist  statt  auf  Vellej.  I,  14,  4  nicht 
lieber  auf  Liv.  XXXIX,  55  und  XL,  34  verwiesen? 

C.  29,  1.  Zu  priusquam  ea  cura  deced.  pat.  Wir  würden  er- 
warten patres  decedunt  de  cura  wie  Vllf,  25  extr.  de  officio  decedere, 
III,  33  extr.,  ähnlich  ist  succcdil  fraudi  und  inceptum  succedit.  §.  3. 
Bei  der  Uebersetzung  auctore  scnatu  pflegt  der  Schüler  anzustofsen. 

Der  Druck  ist  correct  und  angemefsen;  der  Preis,  %  Thlr.  für 
4V2  Bogen,  ist  bei  einem  Schulbuche  zu  hoch.  Zu  den  Anmerkungen 
ist  ein  Register  beigegeben. 

Sondershausen.  Gustav  Queck. 


Grundriss  der  Geschichte  der  deutschen  Lilteralur  von  Dr.  Joh. 

Wilh.  Schaefer ,  ordentl.  Lehrer  an  der  Hauptschule  zu  Bremen. 
Sechste ,  verbefserte  Auflage.  Bremen ,  Verlag  von  B.  D.  Geisler. 
1852.     XIV  u.  181  S.  8. 

In  der  sechsten  Auflage  dieses  Grundrifses,  dessen  vorige  Auflage 
wir  in  diesen  Neuen  Jahrbüchern  Bd.  LIX  S.  315  f.  besprochen  haben, 
hat  der  Verf.  zwar  keine  tiefer  greifenden  Aenderungen  vorgenommen, 
aber  es  an  sorgfältiger  Revision  nicht  fehlen  lafsen.  Abgesehn  von 
der  Berücksichtigung  der  in  den  letzten  Jahren  neu  erschienenen  oder 
neu  herausgegebenen  Werke  haben  namentlich  die  biographischen  Zahl- 
angaben manche  Berichtigung  erfahren;  zu  den  in  der  Vorrede  zusam- 
mengestellten Fällen,  wo  unrichtige  Angaben  in  Umlauf  sind,  fügen 
wir  hinzu:  Paulus  Gerhardt  ist  geboren  den  12.  März  1607  (nicht 
1606j,  s.  Lorenz  Grimmenseralbum  S.  116.     Im  übrigen  begegnen  wir 


Scliaefev:  Auswahl  deutscher  Gedichte  des  18.  und  10.  Jahili.  209 

an  manchen  Orten  einer  .seliiirfern  Fal'.siing  und  andern  Aendeningen, 
Avelche  die  Ueber.siclit  erleichtern.  So  ist,  um  nur  einiges  anzuliiliren, 
§.  27  der  Pflege  des  deut.schen  Volksepos  in  Oesterreich,  der  wir  das 
Buch  von  den  Nibelungen  verdanken,  ausdrücklich  gedacht  worden; 
so  in  §.  43  der  allmählichen  Verbreitung  der  obersächsischen  Mundart 
schon  vor  der  Festsetzung  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache,  §.  129 
sind  bei  dem  Göttinger  Hainbunde  die  Beziehungen  zu  Herder  hervor- 
gehoben, §.  151  ist  das  Urtheil  über  Jean  Paul  schärfer  gefafst.  Von 
dem  Verfafyer  dieses  Grundrifses  ist  ferner  erschienen: 

Auswahl  deutscher  Gedichte  des  18.  und  19.  Jahrhunderts.  Nach 
der  Zeitfolge  der  Dichter  geordnet  und  mit  einer  litterarhistorl- 
schen  Uebersicht  eingeleitet.  Zweite  vei'befserte  Auflage.  Bre- 
men, Buchhandlung  von  J.   G.  Heyse.     1852.     XII  u.  563  S.  8. 

Wir  können  es  nur  billigen,  dafs  für  die  Anordnung  eines  Lese- 
buchs, das  den  obern  Schulclassen  dienen  soll,  die  chronologische 
Folge  der  Dichter  festgehalten  wird ,  denn  kein  anderes  Verfahren  ge- 
währt ein  so  sicheres  Mittel  sich  in  einem  solchen  Buche  leicht  zu 
oi'ientieren,  kein  anderes  erweist  sich  auch  so  fruchtbar  für  den  fort- 
schreitenden Unterricht.  Jedes  andere  Princip  führt  in  der  Anwen- 
dung zur  Willkür  und  läfst,  um  sich  zurecht  zu  finden,  als  einzige 
Aushilfe  das  Register.  Was  die  Wahl  der  Stücke  betrift't,  so  wird 
wohl  ein  jeder  dies  oder  jenes  Gedicht  ungern  vermifsen  und  andere 
dafür  hingeben  wollen :  im  allgemeinen  ist  ein  reiches  Material  gebo- 
ten, wenn  auch,  wie  uns  scheint,  mit  Recht,  die  neusten  Dichter  we- 
niger mit  Proben  bedacht  worden  sind,  als  die  älteren  und  mustergil- 
tigen.  Die  litterarhistorische  Einleitung  wird  den  Lehi'ern  manchen 
brauchbaren  Wink  geben;  für  die  Schüler  ist  sie  zu  hoch  gehalten. 

G.  .   r. 


Jahrbücher  der  römischen  Geschichte,  mit  erläuternden  histori- 
schen, chronologischen,  mythologischen,  archaeologischen  Anmer- 
kungen von  J.  Scheiffele,  Professor.  8  Hefte.  Nördlingen.  663  S.  4. 

Ueber  den  Zweck  des  vorliegenden  Werkes ,  dessen  erstes  Heft 
in  zweiter  Auflage  1843,  das  achte  1853  erschien ,  äufsert  sich  der 
Hr.  Verf.  in  der  Vorrede:  'Die  Geschichte  des  römischen  Volks,  in 
chronologischer  Folge  zusammengestellt,  ist  besonders  für  den  studie- 
renden Jüngling  ein  unentbehrliches  Hilfsmittel  beim  Lesen  der  Clas- 
siker.  Da  aber  derselben  keiner,  für  sich  betrachtet,  einen  vollstän- 
digen Zusammenhang  der  Geschichte  bietet,  sondern  der  eine  aus  dem 
andern  ergänzt  und  erklärt  werden  mufs ,  so  sollte  der  Leser  in  vor- 
liegender Arbeit  ein  Werk  erhalten,  aus  dem  er  jeden  Autor  so  zu 
lesen  im  Stande  sein  könnte ,  dafs  er  das  Fehlende  und  Unverständ- 
liche besonders  aus  den  erklärenden  und  erweiternden  Noten  sich  selbst 
ergänzte  und  einen  voUkoramnen  Uebei-blick  erhielte.  Die  annalisti- 
sche Form  selbst  sollte  diesen  Ueberblick  des  grofsen  Gebiets  mög- 
N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Hd.  LXVII.    Hft.  2.  14 


210  Scheiffele:  .Tahrbücher  der  römischen  Geschichte. 

liehst  erleichtern.  Da  mir  aber  dieselbe,  wenn  sie  auf  blofse  Anf- 
zählung  der  Thatsachen  sich  beschränkte,  durch  den  immer  gleichför- 
mig laufenden  Gang  der  Begebenheiten  ermüdend  und  unerfreulich 
dünkte,  so  suchte  ich  diese  Trockenheit  durch  fortlaufende,  den  besten 
Quellen  entnommene  Bemerkungen  zu  mildern.  Ich  glaube  dadurch 
zwei  Zwecke  zugleich  erreicht  zu  haben,  nemlich  den  chronologischen 
Ueberblick  und  eine  fortlaufende  Erzählung ,  welche  sich  freilich  der 
Leser  aus  den  Noten  selbst  gleichsam  bilden  mufs,  was,  wenn  es 
etwas  unbequem  sein  sollte,  dagegen  dem  Jüngling  zu  eigner  For- 
schung Anleitung  geben  dürfte.'  Dafs  auch  mythologische  und  archaeo- 
logische  Notizen  aufgenommen  wurden ,  wird  vor  den  Lesern  dieser 
Anzeige  wohl  kaum  einer  Rechtfertigung  bedürfen  ,  wohl  aber  müfsen 
wir  erwähnen,  dafs  sich  den  Jahrbüchern  ein  Fest-  und  Ge- 
schieht skalender  anschliefsen  und  zu  deren  Erzänzung  dienen 
soll.  Von  demselben  kennen  wir  bis  jetzt  nur  den  im  Programm  von 
Ellwangen  1851  veröffentlichten  Entwurf,  nach  dem  er  enthalten  wird: 
Allgemeine  Einleitung  über  die  Zeitrechnung  der  Römer  (samt  dem 
Schaltwesen)  mit  vergleichenden  Tabellen  der  altrömischen  und  ju- 
lianischen  Rechnung;  Astronomisches;  dann  besondei's  die  Einthei- 
lung  des  Jahres  (Monate,  Nundinen,  Calendae,  Nonae,  Idus) ,  den 
römischen  Tag,  die  einzelnen  Tage  (feriae,  festi,  profesti  u.  dgl.); 
endlich  Excurse  über  die  bedeutenderen  Gottheiten,  Spiele,  Feier; 
den  Fest-  und  Geschichtskalender  selbst*).  Bedenken  wir,  dafs  es 
bei  den  Jahrbüchern  darauf  ankam  ,  alles ,  was  bei  der  Lectnre  der 
alten  Schriftsteller  wifsenswerth  und  nützlich  erschiene,  zunächst  aus 
den  Quellen,  sodann  aber  auch  in  den  Resultaten  der  Forschung  zu 
bieten,  so  wird  jeder,  welcher  mit  der  Natur  der  Sache  nur  einiger- 
mafsen  bekannt  ist,  die  Schwierigkeit  des  Werkes,  wie  viele  Aus- 
dauer, Scharfblick  und  Umsicht  die  sorgfältige  Leetüre  fast  aller 
Schriftsteller,    die   Prüfung  der  umfänglicheren  und   weit  auseinander 


♦)  Zur  Erläuterung  dient  d.  1.  Mai: 
].  Cal.  Maiae.  N.  Fest.  Bonae   Deae.   Laribus   Praestitibus  ara  po- 

sita.  Capella  oritur. 
475  v.  Chr.  Cos.  Valer.  Poplicola  tr.  über  die  Vejenter  und  Sabiner. 
326   ,,       ,,     Procos.  Publil.  Philo  tr.  über  die  Samniter  und  Palaeo- 

politaner. 
212   ,,       ,,     M.  Postumius,  Staatspächter,  wird  verbannt. 

91    „       „     Silvano  porticus  pos. 
181   n.  Chr.  Signum  Genio  pos. 

317   „       ,,     Diocietian  und  (bald  darauf)  Maximian  danken  ab  u.  s.w. 
350   „       ,,     Vetranio  wirft  sich  zum  Kaiser  auf. 
'   408  ,,       „     Kaiser  Arcadius  f.     Ihm  folgt  Theodos  II. 
418   „       „     Die   afrikanischen   Bischöfe   erklären    die  Pelagianer  als 
Haeretiker. 
Diese  Angaben  werden  in  Anmerkungen  unter  dem  Texte  erläutert  wer- 
den.    Die  Lares  werden  mit  den  Penates  in  einem  Excurse  behandelt, 
auf  welchen  hier  verwiesen  werden  wird.     Von  dem  im  genannten  Pro- 
gramme  mitgetheilten   Excurs    werden    wir   in    der   Programmenschau 
handeln. 


SclieiHole:  Jalirbüchcr  der  rüinisclien  Gescliiclitc.  211 

gehenden  Forscliungen ,  die  Auswahl  des  StolVes  und  der  möglichst 
kurze  und  praecise  Ausdruck  erfordern,  ermolsen  und  dem  Hrn.  Verf. 
das  Lob,  dafs  er  in  dieser  Hinsicht  sehr  viel  geleistet,  nicht  versa- 
gen, üafs  manche  sehr  bedeutende  Fors<-luingcn  der  neuesten  Zeit 
noch  keine  IJeriicksichtigiing  gefunden,  wird  man  mit  der  langen  Zeit, 
welche  die  Vollendung  in  Anspruch  nahm,  entschuldigen,  zumal  man 
den  Hrn.  Verf.  bemüht  sieht  in  Nachträgen  und  Berichtigungen,  was 
ihm  seit  Erscheinen  der  einzelnen  Hefte  bekannt  geworden,  zu  brin- 
gen. Wenn  derselbe  selbst  eingesteht,  dafs  er  die  Urgeschichte  nach 
Bekanntschaft  mit  Grotefend^s  Untersuchungen  gänzlich  umzugestalten 
wünschen  müsste,  so  wünscht  man  gewifs,  dafs  ihm  bald  dazu  CJele- 
genheit  geboten  werden  möchte,  besonders  aber  auch  zur  Benutzung 
defsen,  was  seit  Grotefend  auf  diesem  Gebiete  geleistet  worden.  Für 
die  Erwähnung  mancher  weniger  bedeutender  Werke,  wie  z.  B.  der 
Uebungsschule  von  Weber ,  welche  doch  selbst  keinen  Anspruch  dar- 
auf macht  für  ein  Geschichtswerk  zu  gelten,  oder  der  römischen  Ge- 
schichte von  Fiedler,  welche  auch  weiter  nichts  sein  will,  als  eine 
zusammengedrängte  Darstellung  aus  den  Werken  der  Alten  und  den 
Forschungen,  wird  man  als  Grund  wohl  voraussetzen  dürfen,  dafs 
der  Hr.  Verf.  sie  gerade  den  Jünglingen  ,  für  welche  er  zunächst  ge- 
arbeitet,  am  leichtesten  zugänglich  gewust.  Wollte  man  aber  an  das 
Werk  den  streng  wifsenschaftlichen  Mafsstab  legen,  so  würde  man 
zwar  manche  Forderungen  unerfüllt  finden,  zugleich  aber  auch  den 
Standpunkt  verlalsen,  welchen  der  erklärte  Zweck  anweist.  Halten 
wir  den  der  Schule  fest ,  denn  unter  dem  studierenden  Jüngling  glau- 
ben wir  doch  zunächst  an  den  Schüler  der  oberen  Gymnasialklafsen 
denken  zu  dürfen  —  so  finden  wir  allerdings  die  schon  öfter  gemachte 
Erfahrung  bestätigt,  dafs,  wo  mehrere  Zwecke  auf  einmal  erreicht 
werden  sollen,  gewöhnlich  keiner  vollkommen  erreicht  wird.  Zuerst 
tritt  uns  der  Mangel  an  Uebersichtlichkeit  entgegen.  Zwar  können 
wir  nicht  verkennen,  dafs  bei  der  Anordnung  des  Stoffes  Principien 
streng  durchgeführt  sind,  allein  es  sind  auch  nicht  die  geringsten 
Hilfsmittel  in  Anwendung  gebracht,  um  das  verschiedenartige  als  sol- 
ches dem  Auge  kenntlich  zu  machen.  Politisches,  Religiöses,  Litte- 
rarisches steht  ohne  Trennung  durch  Linien  oder  Verschiedenheit  der 
Lettern  neben  einander  in  einem  Absätze.  Will  ein  Schüler  z.  B.  das 
Geburtsjahr  des  Horatius  suchen,  wie  viele  Seiten  wird  er  durchlesen 
müfsen ,  während,  wenn  besondere  Rubriken  angenommen  wären,  er 
gewifs  sehr  schnell  zum  Ziele  kommen  würde.  Will  man  uns  einhal- 
ten ,  dafs  man  dadurch  die  Kosten  bedeutend  erhöht  haben  würde,  so 
können  wir  erwiedern ,  dafs  man  im  gleichen  Mafse  die  Nutzbarkeit 
vermindert.  Allein  auch  abgesehen  davon,  will  es  uns  bedünken,  als 
hätte  die  Uebersichtlichkeit  gewinnen  können,  wenn  der  Hr.  Verf. 
was  in  enger  Verbindung  unter  einander  steht  nicht  des  chronologi- 
schen Princips  wegen  getrennt  hätte.  Zu  welchen  Inconvenienzen 
dies  führt,  sehen  wir  z.  B.  S.  47.  Nachdem  hier  unter  600  von  der 
Einnahme   Fidenae's    durch    die  Etrusker  die  Rede  gewesen,  wird  an- 

14* 


212  Sclieiffelc :  Jahrbücher  der  römischen  Geschichte. 

gefügt:  'Massilia  von  Phokaeern  gegründet',  dann  oline  dafs  dincU 
irgend  etwas  die  Beziehung  deutlich  gemacht  würde,  mit  der  Jahr- 
zahl ö99  am  Rande  fortgefahren:  'Tarcjuiniiis  Priscus  zieht  mit  dop- 
peltem Heere  gegen  sie.'  Würde  es  ferner  z.  B.  nicht  zweckmäfsiger 
gewesen  sein,  wenn  im  Texte  einfach  stände:  '58 — 50  Caesars  Kriege 
in  Gallien'  oder  eine  die  Resultate  und  den  Verlauf  der  Kämpfe  um- 
fassende kurze  Andeutung,  dann  aber  in  einer  Anmerkung  alles  darauf 
bezügliche  im  Zusammenhang  gegeben  wäre,  während  man  jetzt  oft 
mit  einiger  Mühe  von  Seite  zu  Seite  die  Fortsetzung  suchen  mufs? 
Auch  für  solche  bedeutende  Ereignifse,  wie  z.  B.  die  punischen  Kriege 
sind,  hat  der  Hr.  Verf.  verschmäht  durch  Ueberschriften  die  ganze 
Dauer  zu  bezeichnen.  Wie  viel  praktischer  sind  in  dieser  Hinsicht 
die  Zeittafeln  von  Peter!  Allein  auch  in  der  Ueberfülle  von  Stoff 
scheint  uns  ein  wesentlicher  Mangel  zu  liegen.  Da  das  Werk  als 
Hilfsmittel  bei  der  Leetüre  der  Schriftsteller  dienen  sollte,  so  kann 
man  schon  von  vornherein  den  Kreis  als  für  die  Schule  zu  weit  ge- 
steckt erkennen,  da  ja  die  Zahl  derer,  welche  in  den  Gymnasien  ge- 
lesen werden  und  gelesen  werden  können,  nicht  so  grofs  ist.  Wozu 
Notizen  aufnehmen,  welche  nicht  gebraucht  werden?  Für  Schüler  wä- 
ren z.  B.  nur  die  Consuln  noth wendig,  welche  öfter  genannt  werden 
oder  durch  irgend  etwas  bedeutend  geworden  sind.  Für  Schüler 
scheint  die  in  der  Note  1948  S.  444  versteckte  Notiz,  dafs  die  wie- 
deraufgebaute Curie  den  Namen  Cornelia  geführt  habe,  überflüfsig, 
weil  sie  diese  Bezeichnung  in  den  Schriftstellern,  welche  sie  lesen, 
kaum  einmal  finden  dürften.  Für  Schüler  dürfte  die  bei  einzelnen  Jah- 
i-en  sich  wiederhohlende  Notiz  'Schreckzeichen'  auch  für  überflüfsig 
erachtet  werden,  da  sie  nur  ein  Buch  des  Livius  gelesen  haben  dür- 
fen ,  um  von  der  dsißiSaiiiovia  der  Römer  und  dem  was  sich  dahinter 
versteckte  eine  deutliche  Anschauung  gewonnen  zu  haben.  Um  auch  dies 
offen  auszusprechen,  wir  sind  der  Meinung,  dafs  für  den  Schüler  eine 
zusammenhangende  Darstellung  des  gesamten  Religions-  und  Cultus- 
wesens  viel  nothwendiger  und,  wenn  die  nöthigen  Materialien  gegeben, 
bei  der  Leetüre  der  Schriftsteller  nützlicher  sein  wird,  als  das,  was 
in  dieser  Hinsicht  die  vorliegenden  Jahrbücher  bieten.  Kurz  Avir  wür- 
den zur  Förderung  der  Leetüre  in  den  Händen  der  Schüler  ein  alpha- 
betisches Reallexicon,  dergleichen  wir  eins  von  Kraft  und  Müller  be- 
reits besitzen,  ein  zweites  unter  Redaction  eines  ausgezeichneten 
Schulmanns  erscheinendes  baldigst  erwarten,  viel  lieber  sehen,  als 
ihnen  das  vorliegende  Buch  dazu  in  die  Hand  geben.  Doch  wir  glau- 
ben uns  zu  der  Annahme  berechtigt,  dafs  jener  Zweck  gar  nicht  der 
eigentliche  des  Hrn.  Verf.  gewesen  sei.  Sein  Buch  scheint  uns  viel- 
mehr für  solche  bestimmt,  welche  die  ganze  römische  Geschichte  oder 
einzelne  Partieen  derselben  aus  den  Quellen  und  den  Forschungen 
darüber  studieren  wollen,  und  zu  diesem  Zwecke  es  zu  empfehlen 
sind  wir  vollkommen  berechtigt.  Es  wird  von  dem  Lehrer,  wie  von 
dem  Studenten  mit  entschiedenem  Nutzen  gebraucht  werden  und,  dafs 
es   zum   Behufe   der   Bearbeitung    oder   Durcharbeitung   einzelner  Par- 


Vihnar:  Sclmlrcdoii  über  Fragen  der  Zeit.  213 

ticeii  auch  dem  gercifteioii  Schüler  mit  gutem  Erfolge  wird  in  die 
Hände  gegeben  werden,  brauchen  wir  demnach  wohl  kaum  zu  erwäh- 
nen. Was  den  zu  erwartenden  Kalender  betrifft,  su  sehn  wir  dem- 
selben mit  Verlangen  entgegen,  da  wir  voraussehn,  dafs  er  nicht  al- 
lein zur  Uebersicht  der  Culte  und  Feste,  sondern  auch  zur  Erkennt- 
nis des  Wesens  derselben  und  zur  Erklärung  vieler  dunkler  Stellen  in 
den  Klafsikern  treffliche  ])ienste  leisten  wird,  ob  aber  der  Geschichts- 
kalender nicht  vielmehr  interefsant  sein,  als  ein  wirkliches  Bedürfnis 
befriedigen  werde,  darüber  erlauben  wir  uns  zu  zweifeln  und  möchten 
fast,  wenn  wir  es  anders  bei  unserer  beschränkten  Kenntnis  dürfen, 
dem  Hrn.  Verf.  rathen,  sich  auf  die  Ercignifse  zu  beschränken,  wel- 
che entweder  von  dem  gewöhnlichen  abweichen  oder  zu  bleibenden 
Einrichtungen  Veranlafsung  gegeben  haben. 

Grimma.  It.  D. 


Schvlredcn  über  Fragen  der  Zeit.    Von  Dr.  A.  F.  C.  Vilmar,  Con- 
sistorialrath  zu  Cassel.    Zweite  vermehrte  Auflage.  Marburg,  1852. 

357  S.  8. 

Mit  grofser  Freude  hat  Ref.  die  zweite  Auflage  der  vorliegenden 
Schulreden  begrüfst,  einmal  weil  sie  um  acht  vermehrt  sind  (XVII. 
Ueber  die  Natur  und  die  Bedeutung  des  christlichen  Zeugnifses,  1846. 
XVIII.  Die  allgemeine  geistige  Erschlaffung  unserer  Zeit,  1846.  XIX. 
Die  Hauptzüge  der  verschiedenen  christlichen  Berufsarten,  1847.  XX. 
Von  der  Zukunft  dei-  Kirche,  1847.  XXI.  Wie  die  Gegenwart  auf 
Christum  und  seine  Kirche  hinweist,  1848.  XXII.  Vom  Frieden  Got- 
tes, 1848.  XXIII.  Von  der  Ueberschätzung  der  Wifsenschaft,  1849. 
XXIV.  Die  göttliche  und  dämonische  Seite  der  Wifsenschaft,  1849), 
sodann  und  noch  weit  mehr,  weil  dadurch  die  Ueberzeugung  begrün- 
det wird,  dafs  sie  in  weiten  Kreisen  Verbreitung  gefunden,  woran 
die  Gewifsheit  einer  gesegneten  Wirksamkeit  sich  knüpft.  In  der 
That  verdienen  wenige  Bücher  so  sehr  allgemeine  Beachtung  und  Be- 
herzigung, wie  dieses.  Es  spricht  hier  ein  Mann,  der  in  Christo  den 
Frieden  Gottes  gefunden  hat  und  aus  defsen  Munde  wir  das  Wehn 
des  heiigen  Geistes  vernehmen.  Festgewurzelt  im  göttlichen  Worte 
erkennt  er  die  Zeichen  der  Zeit  und  richtet  die  widerchristlichen 
Erscheinungen  in  derselben  ohne  Menschenfurcht,  aber  mit  der  Liebe, 
welche  der  eignen  Sündhaftigkeit  eingedenk  ist,  und  aus  überströmen- 
dem Herzen  gibt  er  Zeugnis  von  der  Seligkeit  im  Glauben  an  den  Er- 
löser, den  menschgewordenen  wahrhaftigen  Gott.  Seiner  Theilnahme 
steht  nichts  fern,  was  in  Wifsenschaft,  Kunst  und  Leben  bedeutsam 
ist,  gründliche  Foi-schungen  in  weiten  und  verborgenen  Gebieten  hat 
er  gemacht,  er  weifs  das  höchste  und  tiefste  zu  verfolgen  und  doch 
sich  auch  zu  dem  Gefühle  und  der  Anschauung  des  Kindes  herabzulafsen, 
aber  alles  beleuchtet  er  mit  dem  Lichte  des  Glaubens,  alles  bezieht 
und  richtet  er  auf  die  Ehre  Gottes,  den  Aufbau  seines  Reiches,  sei- 
ner Kirche.     Dabei  steht  ihm  die  Fülle  erhabener  poetischer  Anschau- 


214  Vilmar  :  Schulreden  über  Fragen  der  Zeit. 

ung  und  der  kräftig  eindringenden,  klar  hinfliefsenden  nud  wohllau- 
tenden Rede  Gabe  zu  Geböte.  Die  Reden  sind  zum  allergröften  Theile 
an  zu  eiitlafsende  Abiturienten  gerichtet  und  ihre  Bestimmung  ist  zu- 
nächst die  für  Jünglinge,  welche  mit  solchen  auf  gleicher  oder  naher 
Stufe  stehen.  Gilt  es  solchen  das  höchste  Ziel  vorzuhalten,  auf  das 
sie  alle  ihre  Kräfte  und  Bestrebungen  hinzurichten  haben,  die  Ge- 
fahren und  Verlockungen  aufzuzeigen,  welche  ihnen  entgegentreten, 
zugleich  aber  auch  die  Mittel  zu  deren  Ueberwindung  an  die  Hand 
zu  geben  und  sie  für  das  zu  erwärmen,  worin  sie  allein  Frieden  und 
Seligkeit  finden  können,  so  erfüllen  dieselben  ihre  Bestimmung  auf 
die  Yortrefflichste  Weise;  sie  geben  dabei,  obgleich  das  höchste  und 
letzte  immer  die  Hauptsache  bleibt,  ja  gerade  deshalb,  für  das  Wir- 
ken in  Kirche,  Staat,  Beruf  und  Leben,  für  das  individuelle  und 
practische  die  nützlichsten  und  anregendsten  Winke  und  Belehrungen. 
Aber  sie  sind  auch  Reden  für  Schüler  im  weitern  Sinne.  Was  kann 
für  diese  wirksamer  sein,  als  sie  zu  erbauen  auf  dem  höchsten  und 
festesten  Grunde,  ihnen  das  Ziel  der  Berufung  vorzuhalten  ,  die  Quelle 
zu  eröffnen,  aus  der  sie  Kraft,  Freudigkeit,  Treue,  Zucht,  Gehor- 
sam, Liebe  schöpfen  können  und  mül'sen,  die  kräftigen  Irthümer  zu 
zeigen,  die  schon  während  ihres  Schullebens  an  sie  herantreten  und 
die  ihnen  einst  noch  mächtiger  zusetzen  werden  ?  Das  eben  ist  ein 
Vorzug  dieser  Reden ,  dafs  sie  sich  nicht  in  dem  engern  Kreise  des 
Schülerlebens  ergehen,  sondern  über  denselben  hinaus  den  Blick  und 
das  Herz  erheben,  dafs  sie  die  Beschäftigungen,  Sorgen,  Mühen,  An- 
strengungen des  Jugendlebens  in  ihrem  Werthe,  ihrer  Bedeutung,  ih- 
rem Zusammenhange  nicht  blofs  mit  dem  irdischen,  sondern  mit  dem 
ewigen  Leben  darlegen  und  so  ein  erwärmendes  und  wohlthuendes 
Licht  über  dieselben  ausgiefsen.  Aber  für  die  Jüngern  und  jüngsten 
Schüler  sind  sie  wohl  nicht  geeignet?  Allerdings  nicht  unmittelbar, 
und  zum  Lesen  würden  wir  sie  denselben  nicht  geben.  Aber  wer  da 
weifs,  was  in  dem  Herzen  des  Kindes  ein  ahnungsvolles  Bild  für  eine 
Wirkung  hinterläfst ,  wer  nicht  der  verkehrten  Meinung  huldigt,  nach 
der  nur  das  begriffene,  durch  Reflexion  zergliederte  und  zersetzte  für 
das  junge  Geschlecht  von  Werth  sei,  wer  nicht  verkennt,  dafs  die 
Seele  das  unverstandene  doch  behält,  bewahrt,  bewegt,  bis  es  zu 
klarer  Ueberzeugung  geworden ,  der  wird  auch  in  dieser  Hinsicht  den 
Reden  das  Lob  vortrefflicher  Schulreden  nicht  versagen,  in  jeder  Rede 
finden,  was  auch  der  Jüngsten  Geist  und  Gemüth  ergreifen  mufs ,  und 
wo  der  Redner  auch  nicht  ausdrücklich  jenen  zeigt,  was  sie  sich  aus 
dem  gesagten  entnehmen  können  und  müfsen,  das  Hinterlafsen  eines 
tiefen  Eindrurks  als  nothwendig  anerkennen.  Schon  darin  müfsen  wir 
eine  Bedeutung  derselben  für  die  Lehrer  —  als  Muster  und  Beispiele 
—  finden,  aber  sie  haben  noch  eine  ganz  andere.  Indem  sie  der  Ju- 
gend zeigen,  was  sie  aus  der  Schule  mitnehmen,  was  und  wie  sie  in 
der  Welt  wirken  sollen,  halten  sie  dem  Lehrer  ein  Spiegelbid  seiner 
Wirksamkeit  vor,  das  Ziel,  worauf  er  sie  richten,  den  Mafsstab,  mit 
dem   er  sie   mefsen  soll.     Hier   tritt   ihm   deutlich  vor   die   Seele    das 


Vilmar:  Schulreden  über  Fragen  der  Zeit.  215 

Verhältnis,  in  welchem  die  Schule  zum  Leben  und  zu  ihrer  Zeit  steht, 
hier  erscheinen  ihm  die  Zeitrichtungen ,  welche  er  gründlich  in  sich 
überwunden  haben  mufs,  wenn  er  nicht  sie  unbewufst  fördern  will, 
hier  erkennt  er,  wie  und  unter  welchen  Bedingungen  Wifsenschaft 
und  Kunst  dem  Reiche  Gottes  dienen.  Es  würde  zu  weit  führen, 
wollten  wir  die  vielen  einzelnen  üelehrungen,  welche  über  das  Ver- 
hältnis der  einzelnen  Unterrichtsmittel  zu  einander,  über  deren  rechte 
Behandlung,  über  die  Zucht  und  über  die  Art  und  Weise  den  Schülern 
zu  begegnen  in  den  Reden  enthalten  sind,  auU'ühren,  wir  glauben 
nicht  zu  irren,  wenn  wir  denselben  einen  bedeutenden  Kinflufs  auf 
die  gesunderen  und  richtigem  Ansichten  ,  die  sich  auf  dem  Felde  der 
Gymnasialpaedagogik  geltend  gemacht  haben  und  machen,  zuschrei- 
ben. Endlich  werden  aber  auch  solche,  die  zunächst  nicht  in  einem 
unmittelbaren  Verhältnifse  zur  Schule  stehen,  die  Reden  nur  mit  gro- 
fsem  Nutzen  lesen.  Um  nicht  von  Vätern  zu  sprechen,  welche  ja  an 
dem,  was  Erziehung  und  Bildung  ihrer  Söhne  angeht,  ein  lebendiges 
Interefse  nehmen  und  sich  dafselbe  gern  aneignen  sollten,  wem  wäre 
eine  Belehrung  über  die  Zustände  seiner  Zeit,  über  die  Ursachen  ihrer 
Schäden,  über  die  verderblichen  und  verkehrten  Meinungen  und  Be- 
strebungen und  über  die  aus  denselben  uothwendig  zu  fürchtenden 
Folgen  nicht  wünschenswerth?  Solche  wird  ihm  aber  hier  in  über- 
zeugender ,  ergreifender,  mächtig  mahnender ,  aber  auch  trostreich 
aufrichtender  und  kräftiger  Weise  geboten.  Die  Wirksamkeit  des 
Redners  besteht  vorzugsweise  in  seiner  Individualität.  Nur  das,  was 
als  innerstes  Wesen,  als  erlebtes  und  errungenes,  als  wahres  Leben 
des  Redners  sich  kund  gibt,  wird  die  tiefste  und  bleibendste  Wir 
haben.  Alles,  was  Vilmar  sagt,  tritt  uns  in  solcher  Weise  entgegen. 
Mag  er  von  dem  Christenthum  und  der  Kirche,  von  Volksthum  und 
Staat,  von  dem  Zauber  der  Poesie  und  der  F'reude  am  Forschen  und 
Wifsen  reden,  immer  tritt  uns  dieselbe  Tiefe  und  Innigkeit,  dafselbe 
Verwachsensein  mit  dem  ganzen  Wesen  entgegen,  und  dies  hat  schon 
bei  manchem,  der  von  völlig  verschiedenem  Standpunkte,  als  Feind 
und  Gegner,  an  die  Reden  herantrat,  wie  er  ölfentlich  selbst  ausge- 
sprochen, seine  Wirkung  nicht  verfehlt.  Ref.  kann  den  Eindruck, 
welchen  die  Reden  auf  ihn  gemacht,  nur  mit  dem  Namen  völliger  und 
inniger  Erbauung  bezeichnen,  und  diesen  Eindruck  hat  er  nicht  nur 
hei  solchen,  welche,  wie  XVII  und  XIX — XXII  unmittelbar  religiöse 
Gegenstände  zur  Aufgabe  haben,  sondern  auch  bei  denen,  welche  der 
Schule  und  dem  Leben  gewidmet  sind,  empfunden.  Mögen  dieselben 
das  vielen,  recht  vielen  werden,  was  sie  ihm  geworden  sind,  Weck- 
rufe, Lehrstimmen,  Zeugnifse  für  Geist  und  Herz. 

Grimma.  R.  D. 


Einfache  und  leichte  Methode,  die  unbestimmten  Gleichungen  des 
ersten  Grades  mit  zwei  unbekannten  Grössen  aufzulösen. 
Nebst  einigen  unbestimmten  Aufgaben,  die  den  ersten  Grad  über- 


216  Kunze:  Methode  die  unbestimmten  Gleichungen 

steigen.  Von  Dr.  C.  L.  A.  Kunze,  Professor  der  jMathematik  und 
Physik  am  Gymnasium  zu  Weimar.  (Aus  einem  Programm  im  Octo- 
ber  1851  besonders  abgedruckt.)  Eisenach  1851.  In  Commission 
bei  T.  F.  A.  Kühn.  16  S.  4. 

Der  Verf.  gibt  als  Einleitung  eine  kurze  geschichtliche  Darstel- 
lung der  verschiedenen  Methoden,  welche  Bachet  de  Meziriac ,  Euler 
und  Legrange  zur  Auflösung  unbestimuiter  Gleichungen  von  der  Form : 

Mx  +  Ny  =  P 
(M,  N  und  P  als  ganze  Zahlen  vorausgesetzt)  entwickelt  haben;  der 
Vollständigkeit  wegen  wäre  zu  wünschen  gewesen,  dafs  der  Verf.  auch 
die  iMethode  von  Cauchy  wenigstens  erwähnt  hätte,  die  noch  überdies 
die  einzige  directe,  jedesfalls  aber  die  eleganteste  ist*).  Unter  jenen 
Methoden  ist  es  nun  die  von  Euler,  welche  der  Verf.  etwas  weiter 
cultiviert  und  auf  einen  Rechnungsmechanismus  gebracht  hat.  Handelt 
es  sich  z.   B.  um  die  Auflösung  der  Gleichung : 

28  a;  —  iö  y  t=:  53 
so  erhält  man  nach  Euler  zunächst 

_  45  y  +  53  _        .    17  y  +  53 
^  28  ^  28 

oder  vortheilhafter,  weil  der  Restbruch  kleinere  Zahlen  bekommt, 

4,       11  y  —  53. 

X  y  -^ 

man  setzt  nun  den  Restbruch  einer  neuen  ganzen  Zahl  a  gleich,    also 
..  '  /  X  =  2  y  —  « 

*)  Heifst  nemlich  die  aufzulösende  Gleichung 
Mx  +  Ny  =  P 
wobei  M,  N   und   P  positive  ganze  Zahlen    sind,   M  und  N  aber  kei- 
nen gemeinschaftlichen  Theiler  besitzen,  so  lautet  die  Auflösung 

X  =  SM  +  Ns;   y  =  ^ -i^ 

A' 
und  es  bedeutet  darin  z  eine  beliebige  positive  ganze  Zahl  und  cp  (N) 
die  Anzahl  der  relativen  Primzahlen  zu  N,  welche  kleiner  als  N  sind. 
Für  die  Gleichung 

Mx  —   Ny  z=:  R 
hat  man  die  analogen  Formeln 

X  ^  R  m"^  +  Nz;y  ^  ^^^  ~  " 

Zur  directen  Berechnung  von  qp  (IV)  bedarf  es  der  Zerlegung  von  N 
in  seine  Primfactoren  nach  dem  Schema 

2V=a  "  b'^  c  y 

dann  ist 

.(^)  =  ^(:-i)(,-^)(i-i).... 

Diese  Cauchyschen  Formeln  geben  zwar  nicht  immer  die  kleinstmög- 
lichen  Werthe  von  x  und  y  ;  die  anderen  Methoden  sind  aber  in  die- 
sem Punkte  eben  so  wenig  vollkommen. 


des  ersten  Grades  mit  zwei  iinhck.  Gröfsen  aufzulösen.       217 


und  findet  weiter 

28  a  +  53 


y 


11 


in  — 


5  ß  —  53 


II 


=  3  a^  —  b 


und  in  derselben  Weise  weiter  gehend 


endlich 
oder   wenn 


^  11  f>  +  53  ^26  +  ^  +  ^^.  =  2  6  -f  c 


6  =  53  —  5  c 


c  =  10  +  n  gesetzt  wird 
6  =^  5  n  +  3 
daraus  finden  sich  rückwärts  a,  y  und  x,  nenilich 

2/  =  28  n  +  15  ,  ar  =:  45  n  +  26 
Genau   dieselbe    Rechnung    macht    auch  der  Verf.  und  zwar  in  folgen- 
dem Schema,  das  nach  dem  vorigen    leicht  verständlich  sein  wird: 
28  a;  —  45  y  =  53 


X  —  1  y  =^  a 
d  a  +  y  =  b 
2  6  —  a  =  c 


28  a  +  11  2/  =  53 

116  —    5a  =  53 

5  c   +    6    =     53 


6  =  53  —  5  c 
a  =  26  —  c 

=  10  6  —   11  c 
2/  =  6  —  3  a 

==  28  c  —  265 
X  tzrz  a  +  '2  y 
=  45  c  —  424 

In  einer  vierten  Colonne  ist  noch  die  Substitution  c  =  n  +  10  vor- 
genommen. Man  wird  aus  dieser  Darstellung  ersehn,  dafs  der  Sache 
nach  durchaus  kein  Unterschied  zwischen  den  Methoden  Eulers  und 
des  Verfafsers  besteht,  und  dafs  es  sich  bei  letzterem  nur  um  eine 
andere  Anordnung  des  Calculs  handelt,  die  allerdings  dann  von 
Vortheil  sein  würde,  wenn  man  viele  unbestimmte  Aufgaben  obiger 
Art  lösen  müste. 

Der  Verf.  theilt  18  vollständig  ausgerechnete  Beispiele  für  seine 
Rechnungsweise  mit;  diese  Gabe  ist  dankenswerth,  denn  an  Beispie- 
len kann  man  nicht  genug  haben. 

Der  zweite  Abschnitt  des  Schriftchens  beschäftigt  sich  mit  eini- 
gen unbestimmten  Aufgaben  zweiten  und  höhern  Grades ;  wie  z.  B. 
eine  beliebige  Anzahl  Quadratzahlen  zu  finden ,  deren  Summe  wieder 
eine  Quadratzahl  ist,  oder:  drei  Zahlen  zu  finden,  so  dafs  das  Qua- 
drat einer  jeden,  um  die  folgende  vermehrt,  wieder  eine  Quadratzahl 
gibt  und  dergl.  mehr.  Der  Verfafser  kommt  dabei  auch  auf  die  schon 
in  der  2n  Aufl.  seiner  Geometrie  erwähnte  Zahlenreihe : 

1,  1,  2,  3,  5,  8,  13,  21,  34,  55, 

in  welcher  jedes  Glied  die  Summe  seiner  beiden  Vorgänger  ist,  und 
welche  die  merkwürdige  Eigenschaft  besitzt,  dafs  je  drei  aufeinander- 
folgende Zahlen  näherungsweise  die  Verhältnisglieder  einer  nach  ste- 
tiger Proportion  getheilten  Linie  darstellen.  Die  independente  For- 
mel der  obigen  Zahlen  gibt  der  Verf.  nirgends  an.  Ref.  theilt  sie  da- 
her mit,  wie  er  sie  von  seinem  Freunde  Prof.  Schlömilch  erhalten 
hat.     Bezeichnet  man  nemlich  die  obigen  Zahlen  mit 


21^  Programmenschau. 

ty ,  *j ,  «2  etc.,  so  ist 

K  =  (")o  +  («  -  1),  +  C"  -  2),  +  (n  -  3)3  4-  •  •  •  • 
wobei  die  gewöhnliche   Bezeichnung  der   Binomialcoefficienten  benutzt 
wurde;  auch  hat  man  durch  Summierung  der  Torstehenden  Reihe: 

t  ^a  +  /5)"-^^-(i-/5)"  +  ^ 

woraus  alle  Eigenschaften  der  genannten  Zahlen  leicht  folgen. 

Schliefslich  glaubt  sich  Ref.  zu  dem  Urtheile  berechtigt,  dafs  das 
obige  Schriftchen,  wenn  auch  von  keiner  tiefern  wifsenschaftlichen 
Bedeutung,  doch  für  Schulmänner  ein  zur  Bereicherung  ihrer  Bei- 
spielsammhing  schätzenswerther  Beitrag  sein  werde. 

Dresden.  Dr.  J.  Drechsler. 


P  r  0  g  r  a  m  m  e  n  s  c  h  a  u. 


[Fortsetzung.] 
In  dem  Programm  des  evangelischen  Seminars  zu  Maulbronn  fin- 
den wir  eine  mit  grofsem  Fleifse  und  sorgfältiger  Genauigkeit  gear- 
beitete Abhandlung  des  Prof.  Chr.  F.  Hirzel:  Comparatlo  coriim, 
quac  de  impcratoribus  Galba  et  Othonc  rclata  legimus  apud  Tacitum, 
Plutarchum,  Suctonium,  Dioncm  Cassium,  instituta  cum  ad  illorum 
scriptorum  indolcm,  tum  ad  fontium,  ex  quibus  hauscrint ,  rationem 
pernosccndam  (43  S.  4).  Durch  Zusammenstellung,  am  häufigsten 
wörtliche  Gegenüberstellung  der  betreifendeu  Stellen  gelangt  der  Hr. 
Verf.  zu  folgenden  Resultaten :  Suetonius  hat  sich  mehr  um  das  Pri- 
vatleben der  genannten  Kaiser  gekümmert  und  geht  über  das  öffent- 
liche flüchtiger  hin,  Tacitus  verfolgt  den  Zweck,  die  Geschichte  des 
Römerreichs  so  darzustellen,  dafs  nicht  allein  Ereignifse  und  Zu- 
stände, sondern  auch  deren  Gründe  und  Veranlafsungen  deutlich  er- 
kennbar sind,  einem  ähnlichen  geht  Dio  Cassius  nach,  so  weit  dies 
aus  den  Excerpten  des  Xiphilinus  erkennbar  ist ,  Plutarch  endlich  hat 
offenbar  mehr  eine  Geschichte  der  Regierungen,  als  Biographien  jener 
Kaiser  im  Auge,  wie  denn  die  Vitae  des  Galba,  Otho  und  Vitellius 
offenbar  ein  Ganzes  gebildet  haben  (Orban,  lit.  histor.  Skizze  über 
Plutarch.  Programm.  Schleusingen,  1849,  S.  8).  Im  Urtheile  sind  Ta  • 
citus  und  Plutarch  milder  und  gerechter,  als  Sueton.  Rücksichtlich 
der  erzählten  Thatsachen,  findet  zwischen  den  beiden  erstem  eine 
sehr  häufige  fast  wörtliche  Üebereinstimmung  statt  (Heeren's  Urtheil, 
de  fönt,  et  auct.  vit.  Plut.  p.  189,  wird  berichtigt),  obgleich  man 
überall  die  gedankenreiche  und  praecise  Kürze  des  Tacitus  und  die 
geschmückte  Fülle  und  Breite  des  Plutarch  wiederfindet.  Da  eine  Be- 
nützung des  einen  durch  den  andern  nicht  glaublich  ist  (der  Hr.  Verf. 
nimmt  an,  Tacit.  habe  nach  102,  Plut.  vor  115  geschrieben,  und,  da 
der  letztere  damals   fern    von   Rom   gelebt ,   so    sei  eine  Bekanntschaft 


Prograinmenschaii.  219 

mit  den  kurz  vorlier  erscliieneii  Werken  des  erstem  unwahrscheinlich), 
und  auTserdein  doch  auch  manche  nicht  unerhebliche  Verschiedenhei- 
ten sich  finden,  so  ist  die  Benützung  einer  und  derselben  Quelle  durch 
beide  anzunehmen  und  zwar  waren  dieselbe  —  denn  von  C.  Plinius, 
Vipstanius  "Messalla  und  Cluvius  Rufus  ist  uns  zu  wenig  bekannt  — 
wahrscheinlich  die  acta.  Sueton  hat  zwar  gewils  nach  Tacitus  und 
Plutarch  geschrieben,  aber  beide  nicht  viel  benutzt  (gegen  Krause 
de  Sueton.  fönt,  et  auct.  p.  4),  vielmehr  mufs  er  aus  Quellen,  welche 
andern  verschlofsen  waren,  geschöpft  haben,  aus  den  ihm  zu  Gebote 
stehenden  commentarii  principales.  Auch  Dio  hat  manches  eigenthüm- 
liche  und  benützte  demnach  noch  andere  Quellen  aul'ser  den  vorher 
genannten  drei  Schriftstellern.  Obgleich  mehrere  der  angeführten 
Stellen  kritisch  nicht  sicher  sind,  so  geht  doch  der  Hr.  Verf.  auf  die 
Textesconstituirung  nicht  ein  und  behandelt  nur  eine  Stelle  p.  23 
Tac.  Hist.  I,  71 ,  wo  er  die  Walther'sche  Erkläi-ung  von  quasi  igno- 
sceret  verwirft  und  ne  hostes  (darunter  sollen  Vitellius  und  seine  An- 
hänger verstanden  werden)  metuerent  coniiciert,  eine  Verbefserung, 
welche  schwerlich  die  Bedenken  beseitigt.  Ursprünglich  hatte  der 
Hr.  Verf.  die  Absicht  Untersuchungen  über  den  acc.  c.  inf.  zu  geben, 
indefs  gab  er  dieselbe  auf,  nachdem  er  bei  Blume,  Beiträge  zur 
lateinischen  Grammatik.  2.  Heft.  Wesel,  1850,  in  der  Haupt- 
sache völlige  Uebereinstimmung  mit  den  von  ihm  gewonnenen  Resul- 
taten gefunden  hatte.  Doch  sendet  er  der  eben  besprochenen  Ab- 
handlung 12  Thescs  de  natura  ac  vi  accusativi  cum  infinitivo  voraus, 
deren  Hauptinhalt  folgender  ist:  Die  Construction  haben  die  lateini- 
sche und  griechische  mit  der  altdeutschen,  nordischen,  litthauischen 
und  französischen  Sprache  gemein  und  sie  ist  demnach  als  dem  We- 
sen des  allgemeinen  Menschengeistes  entsprofsen  anzusehen  [zunächst 
wohl  nur  des  indocaucasischen  Stammes].  Sie  dient  zum  Ausdrucke 
dessen ,  was  wahrgenommen  wird  und  kann  sowohl  die  Stelle  des  Sub- 
jects  als  des  Objects  einnehmen,  obgleich  das  letztere  das  ursprüng- 
liche ist,  da  Acc.  und  Inf.  neben  einander  gestellt  werden.  Acc.  und 
Inf.  bilden  immer  mit  dem  regierenden  ein  ganzes,  oft  hat  der  Inf., 
oft  der  Acc.  mehr  Gewicht,  oft  auch  beide  ein  gleiches.  Bei  den  La- 
teinern tritt  die  Construction  am  leichtesten  ein,  wo  der  Begriff :  Auf- 
fafsung  einer  Wahrnehmung,  zu  Grunde  liegt,  daher  bei  den  vcrbis 
sentiendi  et  dcclarandi ,  seltner  bei  den  cupicndi,  liostulandi,  orandi, 
movcndi,  sehr  selten  bei  den  imperandi  et  decernendi,  nie  bei  den 
verbis  cfficietidi.  Damit  gehn  wir  zur  Besprechung  mehrerer  auf  la- 
teinische Sprache  bezüglicher  Programme  über.  Wie  die  Latinität 
des  sogenannten  silbernen  Zeitalters  noch  einer  allseitigen  Untersu- 
chung bedürfe  und  welche  Puncte  dabei  hauptsächlich  ins  Auge  zu 
fafsen  seien,  hat  Bernhardy  (Litgesch.  p.  278)  bezeichnet.  Einen 
Versuch  der  Art,  nicht  um  die  Sache  zu  erschöpfen,  sondern  anzure- 
gen und  den  Weg  zu  zeigen,  hat  vorgelegt  Dr.  K.  E.  Opitz  in  dem 
Programm,  Naumburg,  1852:  Specivicn  lexicologiae  argcntcac  latini- 
tatis  (18  S.  4).     Mit  Uebergehung  der  aus  den  ältesten  Zeiten  hervor- 


220  Prograiiimcnschaii. 

gesuchten  Worte  zeigt  er  an  den  10  ersten  Briefen  des  Seneca  an 
Lucilius,  lind  den  5  ersten  Capitein  von  Plin.  Hist.  N.  I.  II  (auch  I. 
XXXIII  und  einigen  andern  Stellen),  und  dem  Dial.  de  orat.,  wie  viele 
Worte  aus  den  Dichtern  des  goldnen  Zeitalters  aufgenommen  worden 
sind.  Wir  bemerken  dabei,  dafs  sedet  bei  Verg.  Aen.  II,  6G0  nicht 
gleich  placct  zu  fafsen  ist,  vielmehr  das  aus  dem  placcre  hervor- 
gehende Festhalten  des  Beschlufses  bedeutet.  Sodann  werden  aus  Se- 
neca die  neuerfundenen  Worte  aufgezählt,  gegen  Böhmer  de  L.  A. 
Senecae  latinitate  (Oels,  1840)  die  Bemerkung  gemacht,  dafs  Seneca 
noch  vielmehr  in  Phrasen  geneuert  und  sich  gerade  dadurch  den  Tadel 
des  Quinctiiian  zugezogen  habe,  und  aus  den  oben  genannten  Briefen 
die  betreffenden  zusammengestellt.  Daran  schliefsen  sich  Woi-te  und 
Redensarten,  die  er  mit  den  meisten  Schriftstellern  seines  Zeitalters 
gemein  hat.  Zu  den  syntactischen  Eigenthümlichkeiten  übergehend, 
legt  der  Hr.  Verf.  die  Urtheile  des  Quinctiiian  über  die  Sprache  sei- 
ner Zeitgenofsen  zu  Grunde  und  zählt  als  Beweise  der  absichtlichen 
Dunkelheit  die  Menge  der  Ellipsen,  den  Mangel  an  Verbindung,  die 
Vernachläfsigung  des  Periodenbaus ,  den  freiem  Gebrauch  der  ablativi 
absoluti,  des  partic.  fut.  act.  für  den  griechischen  conj.  aor.  mit  av, 
des  in  mit  dem  acc.  eines  Subst.  für  einen  Satz  mit  ut  u.  ähnl.  auf. 
Für  das  Haschen  nach  ungewöhnlichem  bilden  Belege  die  Nachstel- 
lung von  Partikeln,  welche  die  Frühern  nur  an  den  Anfang  des  Satzes 
stellten,  die  häufige  Anastrophe,  die  Veränderung  in  der  Bedeutung 
der  Partikeln.  Zwischen  sive  —  sivc  und  sive  —  an  bei  Tac.  wird 
der  Unterschied  aufgestellt,  dafs  das  letztere  stehe,  wo  der  Schrift- 
steller selbst  das  zweite  Glied  für  das  richtigere  halte.  Die  Nachah- 
mung der  Dichter  wird  an  dem  Gebrauch  vermöge  dessen  abstracta  und 
Namen  lebloser  Gegenstände  als  belebte  Gegenstände  betrachtet  und 
demnach  mit  Adjectiven  und  Verben,  die  nur  solchen  zukommen,  ver- 
bunden werden,  und  an  dem  freiem  und  kühnern  Gebrauch  des  Infinitiv 
gezeigt.  Zum  Schlufse  geht  der  Hr.  Verf.  die  Stelle  des  Tac.  Ann.  III, 
25  und  26  in  der  Absicht  durch,  den  Unterschied  des  Stils  von  der 
frühern  Latinität  nachzuweisen.  Da  er  dabei  auf  die  Verwandtschaft 
mit  Salust  zu  sprechen  kommt,  so  bemerken  wir,  dafs  bei  diesem  der 
Gebrauch  von  quam  für  magis  quam  nicht  so  feststeht  und  nament- 
lich Cat.  8,  1  magis  festzuhalten  scheint ,  ferner  dafs  zwischen  ra- 
perc  trahere  bei  Sal.  Cat.  11,  4  und  trahcre  graves  praedas  bei 
Tac.  Ann.  III,  20  doch  eine  wesentliche  Verschiedenheit  stattfindet, 
endlich  dafs  mortales  für  homincs  schlechthin  schon  Salust  ziemlich 
häufig  hat.  Wir  wünschen  von  Herzen,  dafs  der  Hr.  Verf.  seine  Arbeit 
fortsetzen  und  dafs  es  ihm  dazu  an  Kraft  und  Mitarbeitern  nicht  feh- 
len möge.  —  Einen  sehr  wichtigen  Gegenstand  hat  zu  behandeln  be- 
gonnen Dr.  Fr.  Berger  in  der  Abhandlung:  de  nominum  quantitatc 
(26  S.  4)  ,  deren  erster  Theil  im  Programm  des  Gymnasiums  zu  Go- 
tha 1852  mitgetheilt  ist.  Wir  vermögen  den  die  Resultate  umfängli- 
cher Forschungen  in  gröfster  Kürze  zusammengedrängt  bietenden  In- 
halt  nur    in    allgemeinen   Umrifsen    wiederzugeben.      Voran   steht  der 


Programmcnschaii.  221 

Satz,  dafs  alle  lateinische  Wurzeln,  in  denen  sich  kein  DI|)hthon{i 
oder  aus  einem  solchen  entstandener  Vocal  findet,  ursprünglich  kurz 
gewesen.  Zur  Verlängeruno  gibt  es  3  CJriinde:  1)  Die  Anfügung  eines 
mit  einem  Consonanten  beginnenden  oder  mittelst  eines  epenthetischeii 
Consonanten  angeschlofsenen  Vocals.  Die  Ausnahmen  erklären  sich 
theils  aus  Veränderung  der  Bedeutung,  fateri  —  fnri,  rigare,  theils 
aus  Veränderung  des  Accents,  molcstus —  möles  (ähnlich  ciinalis  von 
canna,  curulis  ron  ciirrus,  fari7ia,  miimilla,  öfella),  perfidus — pdo, 
peiero  —  iüro.  2)  Die  Ausstofsung  des  consonantischen  Stammaus- 
lauts —  der  Hr.  Verf.  stimmt  denen,  welche  allen  Wurzeln  ursprüng- 
lich vocalischen  Auslaut  vindicieren,  nicht  bei  —  durch  das  mit  einem 
Consonanten  beginnende  Snffix.  3^  Die  Absicht  eine  Verschie<lenheit 
der  Bedeutung  äulserlich  zu  bezeichnen.  Wie  die  kurzen  Vocale  des 
Präsens  im  Perfecto  lang  werden,  weil  nun  eine  fortdauernde  Vollen- 
dung ausgedrückt  wird,  so  auch  bei  den  nominibus :  collega  (qiii  una 
lectus.  Varro  LL.  VI,  7,  66)  —  t^go,  rex  —  i-i'go  (cui  regendi  nego- 
tium est  datum,  verschieden  von  rector).  Die  Verlängerung  von  der 
Reduplication  abzuleiten  verwirft  der  Hr.  Verf.  Von  den  aus  der 
Wurzel  selbst  abgeleiteten  Worten  verlängern  die  auf  liqnida  aus- 
gehenden im  Nom.  den  Vocal,  ml,  pnr ;  ebenso  die  einen  Consonan- 
ten abwerfenden,  /«r,  Inc,  aber  coi^  ist  miccps.  Os  ist  kurz  nach 
Priscian  710,  Beda  2360  und  exös  Lucr.  HI,  721.  Dafs  as  kurz  sei, 
beweist  die  Analogie  von  os  und  die  Kürze  von  semis.  Von  denen, 
welche  ein  s  annehmen,  sind  die  auf  einen  Vocal  ausgehenden  lang, 
res,  sjies ,  vJs ,  grüs ,  süs ,  ebenso  bös,  pes  aber  vas ,  vadis  ist  unge- 
wifs.  Für  päx,  lex,  vox  gilt  derselbe  Grund,  wie  für  rex,  Es  fol- 
gen die  Bildungen  durch  sufßxa  und  zwar  zuerst  durch  Vocale:  a)  «, 
wodurch,  wie  durch  die  übrigen  suffixa  der  Art,  die  Quantität  des 
Wurzelvocals  zunächst  nicht  verändert  wird,  fuga,  aber  scriha.  Ver- 
längerungen treten  ein  in  collega  nach  3),  desgleichen  in  pläga  von 
plango,  Ttlrjrrco.  Dafselbe  gilt  von  den  Erweiterungen  des  suffix  ea, 
ia  (grämia?),  oder  nach  Vocalen  via,  und  ua.  b)  us,  um.  Verkür- 
zung bewirkt  die  Veränderung  des  Accents  in  den  von  nübo  und  dtco 
abgeleiteten  Adiectiven.  Erweiterungen  des  suffix  sind  eus,  ius  {re- 
pudium  und  tripudium  leitet  der  Hr.  Verf.  mit  Aufrecht  und  KirchhofF, 
umbr.  Denkm.  II,  202,  von  pes  ab  und  findet  im  letztern  mit  Her- 
mann das  Zahlwort  tres  wieder.  Contägium  und  suffrägium  wird  nach 
3)  erklärt),  eius,  vius,  bius  {diibius  von  duo),  uus  (mütuus  ist  von 
müto,  viduus  \o\\  divido  herzuleiten),  c)  is ,  es,  e.  Verlängerungen 
treten  ein  nach  3)  in  sedes,  ambäges,  compäges ,  propäges,  contnges, 
iügis  (non  quod  iungitur,  sed  quod  iunctum,  est).  Der  aufgestellten 
Erklärung  widersprechen  freilich  die  auch  vom  Hrn.  Verf.  angeführten 
fämes ,  inddles ,  suböles.  d)  üs  in  der  4.  und  ü,  defsen  Länge  gegen 
die  widersprechenden  Nachrichten  der  Grammatiker  gesichert  wird. 
Die  Länge  in  Jdus  {iduo  ,  divido)  erklärt  der  Hr.  Verf.  nach  3.  e)  es 
in  der  5.  Decl.  erweitert  in  ies  und  vies,  das  den  vorausgehenden  Vo- 
cal   verkürzt,    coUüvics.     Die   Untersuchung    geht   zu   den  consonanti- 


222  Programinenscliau. 

sehen  suffixeii  über  und  zwar  1)  l.  In  söl  betrachtet  der  Hr.  Verf. 
l  als  suffix.  Die  erweiterten  sind  I,  1)  les.  Verlängerungen  treten 
dabei  nach  1.  ein,  so  felcs  von  feo,  mclcs  von  meo,  mölcs  von  moveo 
und  iölcs,  wo  der  Consonant  der  Wurzel  ausgestolsen  ist,  wie  tonsil- 
lae  zeigt.  2)  lis.  Caulis  hat  dieselbe  Wurzel,  wie  caudcx ,  nemlich 
cavus  {KavXög),  blUs  ist  ungewifs,  trdis,  quälis ,  exJlis  von  exigo,  in- 
cllis  von  incido,  vllis  von  derselben  Wurzel  wie  venum,  suhtilis  von 
tango?  3)  le ,  ancile  von  caedo  nach  Varro,  llia\onin,  der  Ursprung 
von  mtle  ist  zweifelhaft.  4)  la,  sella,  caula  (von  cavus),  cala  («cJ- 
Xov ,  KciBiv)  y  mit  Ansstofsung  des  Consonanten  rda  (ago),  julla  (pan- 
goi),  pUa  (piso) ,  scnla  (^scando) ,  tela  (fe.ro),  mala,  wie  maxilla 
zeigt,  von  ficcoGw,  Wenn  gula  mit  guttur  verwandt  ist,  mufs  die 
Kürze  auffallen;  in  fnla,  völa,  pila  gehört  das  i  zur  Wurzel.  Erwei- 
terungen sind  lea  (älca  von  ago,  tälea  von  tango),  lia  (filia),  Ina 
(belua,  gleicher  Wurzel  mit  bestia,  ob  feo?).  5)  lus,  lum.  Paulus 
von  derselben  Wurzel,  wie  paucus  und  pauper ;  caelum ,  der  Himmel, 
wie  caesius ,  caerulus;  pullus  non  puer ;  htlum  von  hie  (Lachm.  ad 
Lucr.  p.  27  sq.),  aber  mit  verändertem  Accent  nihilum ;  sOlus  von  se 
i^sobjius  =  se  ebrius,  socors) ;  anhelus ;  culus  verwandt  mit  cupa  und 
culeus ;  filuni ,  verwandt  mit /?6ra  und  fides;  mrdum,  wie  fiälov  von 
jttaco  (Lob.  Pdthol.  p.  149),  aber  malus,  der  Mast ,  von  derselben  Wur- 
zel, wie  magnus ;  velum  mit  vectis  verwandt,  aber  in  der  Bedeutung 
Segel  von  vcho.  Mit  Ausstofsung  des  Consonanten  sind  gebildet: 
caelum  von  caedo,  palus  —  pango,  p'ilum  und  pilus  —  piso,  telum 
—  tendo ,  squalus  —  scatco ,  tnlus  nach  taxillus  wahrscheinlich  von 
tango,  qualus  nach  quasillus  ebenfalls  von  einer  consonantisch  aus- 
lautenden Wurzel  (gegen  Lob.  1.  1.  151  nimmt  der  Hr.  Verf.  wegen 
quaxillus  den  Auslaut  c  oder  ^  an),  aluvi,  colum ,  mulus.  In  cölus, 
dolus,  pilus,  sölum,  squalus,  malus  gehört  das  l  zur  Wurzel.  Er- 
weiterungen des  suffix  sind:  a)  leus,  nucleus,  culeus,  pileus,  acu- 
leus  von  acu;  b)  lius  —  lium,  filius  von  fio,  dolium,  lilium  (XBLQiov). 
Sölium  kann  wegen  der  Kürze  des  Vocals  nicht  mit  Dietrich  von 
sedeo  abgeleitet  werden.  II.  Reihe:  1)  al ,  nur  in  alus,  ojyalus ,  ga- 
balus,  beide  bei  Dichtern  nicht  vorkommend;  2)  il;  a)  im  nom.  pu- 
gil,  vigil;  b)  ilis.  Die  Quantität  der  Wurzelsilbe  beibehalten  in  den 
von  verbis  abgeleiteten:  agilis ,  fäcilis,  strtgilis ,  ütilis,  similis  (von 
imitari,  Pott  I,  194);  von  nominibus  scheinen  abgeleitet  gracilis,  hu- 
milis,  ]}arilis ,  sterilis,  Erweiterungen  sind  büis ,  welches  den  vocali- 
schen  Auslaut  verlängert,  Jlebilis,  nöbllis ,  Ausnahme  stäbilis,  stlis, 
Ulis  oder  wenn  der  Consonant  der  Wurzel  ausgestofsen  Avird  silis, 
ätilis,  ütilis  {tolutilis).  3)  da,  aquila.  4)  tlus,  mutilus ,  davon  bilus 
{iübilum  und  slbilus  sind  von  Naturlauten  gebildet),  milus  (pümilus 
von  puer),  tUus  (rütilus,  von  der  Wurzel  ruber,  rufus).  4)  ol  in  a) 
öla  (filiola)  und  b)  Ölus  (frJvolus  \on  friare),  5)  ul,  zunächst  als 
Nominat.  consul  u.  ähnl.  (Niebuhr,  Rom.  Gesch.  I  p.  578),  dann  6) 
ula  (die  Verlängerung  in  regula ,  tegula  wird  nach  3  erklärt),  erwei- 
tert büla,   immer   mit  Verlängerung  des  Wurzelvocals  und  mit  Binde- 


Programmensclian.  223 

vocal  (mandibula)  ,  cnla  (Indiiciila ,  subiicula,  novncula  von  novarc. 
Ob  sucula  von  sus  richtig  gemefsen  werde,  wagt  der  Hr.  Verf.  nicht 
zu  entscheiden,  behauptet  aber  bestimmt  die  Länge  von  snculae  we- 
gen der  Wurzel  vco  ,  üva,  üdus ,  nmor,  sücus,  südare.  In  bücula  ist 
der  Consonant  elidirt.  Mit  Bindevocal  an  consonantischen  Wurzeln, 
aliciila.  Bei  Ableitung  von  Subst.  wird  der  Vocal  verlängert,  aufser 
bei  i,  wo  nur  oplcula,  cnnlcula,  clavicula,  crattcula,  cutlcula  und  fcbri- 
cula  (Catiill.  6,  4)  lang  sind.  Vcnüculn  kommt  von  venum,  uva  quae 
vcnit),  {Tula  {trägula  von  <roAo) ,  püla  (cräpula ,  von  der  Wurzel 
KFQCcvvvfii ,  jmpula  ist  gewifs  nicht  Diminutiv  von  pupa;  cüpula  aus 
coapula  contrahirt),  siila  {^insula,  pusuhi  zweifelhaft  ob  von  pus  oder 
defsen  Wurzel,  mit  t  pustula),  edula  (verkürzt  ist  e  Avegen  der  Ab- 
leitung von  edo ,  Juv.  14,  9),  uncula  (domuncula).  3)  ulus ,  ulum. 
CoHgulum  kommt  von  tigo ,  seculum  von  seco ,  sedulus  hat  aus  glei- 
chem Grunde,  wie  sedes  den  Vocal  verlängert.  Erweiterungen  sind 
bülus,  b'ülum  (nur  snbulum  von  scro  und  sthbulum  von  sto  haben  kur- 
zen Vocal.  Häufig  tritt  der  Bindevocal  i  ein),  culus  (kurz  ist  nur 
baculum.  Warum  in  cunlculus  das  i  lang  sei,  ist  nicht  zu  erklären. 
Pediculus  von  pedis  gibt  der  Hr.  Verf.  zu  ,  behauptet  aber  pcdiculus 
von  pes},  gulus  (singulus  von  semcl,  strngulus  von  sterno),  viulus 
(aemulus  —  aequo),  pulus  (pöpulus  —  pötus ,  arbor  bibula,  aber  pö- 
pulus ,  obgleich  von  derselben  Wurzel,  wie  noXiq  ,  plpulum ,  scrüpu- 
lum),  äbulum  ,  nculum,  vnculus.  5)  eil  —  ellus,  ella.  \\\  flngcllum 
wird  der  Vocal  kurz,  clttella  kommt  von  clino.  6)  ill  —  illa,  Ulus, 
Ulum.  ImbccUlus  scheint  aus  der  veränderten  Wurzel  feo  entstanden. 
In  pusUlus  (puer)  und  quasülus  (qunlus)  sind  die  Kürzen  durch  Ver- 
änderung des  Accents  zu  erklären.  III.  1)  nl  —  Ulis.  Feralts  kommt 
von  derselben  Wurzel  wie  festus,  feriae,  februus ,  ferom  (Momm- 
sen,  unteritalische  Dialecte  320),  fetialis.  nie  wird  in  nl  verkürzt. 
2)  el  —  clis,  ele ,  ela  ==  tela,  elum  (mantclum) .  5)  tl  (Tanaqutl), — 
Jlis  (dazu  aprJlts)  —  lle  —  Jla  (contla)  —  ilus  (^asUus ,  petUus).  4)  ül 
—  filis.  Ob  in  curülis,  tribülis  u  zum  Stamme  gehöre,  oder  nicht, 
wagt  der  Verf.  nicht  zu  entscheiden.  IV).  A.  mit  kurzem  Vocal  I)  tliaf 
2)  ilius  —  cilium  scheint  ursprünglich  Subst.  von  cieo.  —  sflium,  wie 
sul  und  sula  von  esse  abzuleiten.  3)  Yilca ,  4)  uleus.  B.  mit  langem 
Vocal.  1)  nlium  (gabälium,  obgleich  bei  keinem  Dichter  gefunden), 
2)  elium  (mantelmrn) ,  3)  tlium  (pctlUum.  Die  Eigennamen  Lucilius 
u.  dergl.)  4)  Dllum  (^Capitolium).  —  Es  folgen  2)  die  suffixa  mit  m. 
1)  misy  vermis  —  verto,  Itmis —  liquis,  obliquits,  sublimis — sublevo, 
cömis  —  tiociiog?  Bei  rümis  ist  die  Länge  zweifelhaft  (irrumare ,  aber 
Rümina).  Infnmis  kommt  von /«mo  unmittelbar.  2)  ma,  flamma  — 
flagro  ,  forma  —  fcro,  gemma  —  gigno,  norma  —  nosco  ,  turma  — 
turbo ,  fnma  — fari,  spnma  —  spuo ,  strüiua  —  struo ,  llma  —  Uno 
{levis,  lenis),  plnma  —  pluo  (fluo),  brümn —  brevis ,  glüma —  glubo, 
Inma  —  lacus,  lacuna,  rima  —  ringo,  trnma —  traho  (?).  Zweifel- 
haft ist  die  Ableitung  von  dnma,  grüma ,  squiima.  In  cöma ,  hnma, 
ttima  gehört  das  m  zur  Wurzel.   2)  mus ,  almus  —  alo,  culmus —  cello. 


224  Programmenscliau. 

formus  — fornax,  forceps,  armus  —  aqsiv ,  ars ,  llmus  (lutum)  — 
Uno,   iJmtis  (Adj.)  —  liquis,  obliquus,  fümus — ffiligo  (&vco)  —  arma 

—  arceo,  Itmus  (cingulum)  —  ligo  ,  rcmus  —  rego  ,  hninus  —  habco. 
Dumus  und  j)omum  scheinen  auch  consonantischeii  Wurzeln  entsprofsen 
wegen  dtismus  (Fest.  67,  8)  und  posmom  (Mommsen  146  und  291). 
Nnmus  soll  von  vöuog,  jovfi^og  (Böckh  metrol.  Unters,  p.  310)  her- 
kommen. In  fimus  und  htimus  gehört  m  zur  Wurzel.  II.  1)  am, 
änius ,  calamus.  2)  cm  —  cms ,  hiems.  3)  im  —  tma  {victima  von  vivo 
=  animans)  —  imus  {animus}  —  simus  oder  sYimus ,  davon  issimus 
(die  Form  des  Superl.  war  ursprünglich  isimus.  Plurimus ,  plusimus, 
plisimus  von  pico),  esimus,  timus  :^=  tümus.  3)  um  —  umis  {incolumis 
von  cello)  —  nma  (cucuma,  ob  von  coquo  oder  cucumis,  Cucurbita?). 
III.  emus  und  Imus.  3)  Die  Suffixe  mit  n.  Dies  tritt  unmittelbar  an 
den  Stamm  nur  in  ren  von  Qhiv.  I.  1)  nis ;  clünis  —  cluo ,  cloaca, 
crltiis  —  cerno  {seta  von  sero) ,  pü7iis  —  pasco ,  clinis  (acclinis  u. 
ähnl.)  —  clivus,  clino,  lenis  und  levis  —  leo ,  deleo ,  Uno,  mlinis 
(^commu7iis ,  comoinis}  —  munus,  moenia ,  murus  (ftt^oo) ,  inänis  —  ata 
(anima),  mit  Ausstofsung  des  Consonanten /««is  —  findo ,  mänis  (im- 
mänis}  —  magnus ,  mactus,  mactare ,  j)e7iis  (pesnis)  — penna,  peto 
(^cauda,  quae  movetur),  fünis  — fibra,  filum.  Cänis  ist  aufrällig,  da, 
wie  catulus  zeigt,  der  Consonant  ausgestol'sen  ist.  2)  ne,  moenia, 
munia,  mäne  —  matuta,  matuUnus,  mäturus.  3)  na,  gena  —  gigno, 
mina  —  emineo ,  pugna —  pungo,  iirna  —  orca,  urceus ,  orbis,  urbs, 
penna  —  peto,  poena  —  purus ,  punio ,  vena  —  eo ,  via  Qvea),  vi- 
tare,  pruna  —  pruina,  luna  —  nicht  von  lux,  sondern  der  Wurzel, 
lustrum,  illustris,  splna  —  splca,  läna  —  XScvog ,  täna  —  von  dem 
Naturlaute  (Varr.  L.  L.  V,  12,  78),  rüna  —  ruo?  Unbekannt  ist  die 
Wurzel  von  strena.  Von  consonantischen  Wurzeln  coena  (coesna, 
cersna)  von  co  ■ —  edo ,  coetus,  cünae  —  cumbo,  lena  —  lacio  (we- 
gen pollex).  Erweitert  nca  (gänea  —  gaudeo,  yävvyiai ,  gränea 
(granum) —  cresco  oder  yqäsLV  (?),  liirea  {liyium)  —  Itcium  ,  aränca  — 
aro),  nia  (pecunia  —  pecu).  4)  7ius,  pugnus  —  pungo,  regnum  — 
rego,  somnus —  sopor,  scamnum  {scabcllum)  —  scabo,  da7nnum  — 
däsiv ,  öccfiia,  t,r]iiia  ,  dönum  —  dare  (dos,  duim ,  Volsc.  dunoni),  fa- 
num  — fari,  fenum  — fco,  gränum  —  cresco,  vinum  —  vitis ,  Itnum 

—  Ilciu7n,  sptnus  —  spica ,  prunus  —  nqovvrj ,  pnnus  -  Ttrji'r] ,  ve- 
num  —  eo,  plenus — pleo,  bini  —  bis,  pi-önus  —  pro,  cnnus — castus, 
^änus  —  vastus ,  planus  —  pläco ,  obscae7ius  (enus)  —  scaevus, 
ünus  (oenus)  —  usquam.  Merkwürdig  ist  bönus  von  beo,  nundinus, 
percndinus  von  dies.  Austofsung  des  Consonanten  findet  statt:  pi- 
^mg  —  pix,  frenum — frendo,  annus  —  an,  (ambe ;  auch  änus  kommt 
daher).  In  sönus  und  tönus  gehört  n  zur  Wurzel.  5)  niis  —  nü 
4.  Decl.  (cor7iu  —  xf^ag)  —  neus  {eburneus ,  aräneus)  —  nium  (scri- 
nium  —  scribo,  doch  ist  6  nicht  ursprünglich  in  der  Wurzel,  wie  das 
umbrische  scrch  zeigt.),  nuus  (strenuus  gleichen  Ursprungs  mit  strena). 
II.  1)  ün,  nnus,  galbanus.  2)  en,  enis ,  iuvcnis.  3)  «n  =  a)  cn, 
pecten,    ungucn,   denn  men   [agmen  —  ag-o,    carmen  —    caieo,   cul- 


Propra  iimie  II  sciuul.  22.') 

■men  —  cello ,  tcgmen  —  tc<ro ,  cariiicn  —  cano ,  {j^crmen  —  i^igno, 
exämen  —  «fio ,  sumen  —  ^ugo,  subtcmvn  —  subtcxo,  flemcn  —  cpXi- 
yoa?  omcn  (osmcn)  —  oacsa^ai,  otztco,  (oder  obs.').  Mit  Bindevocal 
'i  lind  «,  auch  bei  Aiisstofsuiig  des  Stiiminvocais  {monumen).  An  Vo- 
tale angeschlolsen,  lümvn  von  derselben  Wurzel  vsle  lux,  lustruni, 
illustris ,  ltmc7i  —  liquis ,  crimen  —  cerno ,  gramen  —  cresco ,  jlämen  ~ 
flare ,  flumen  — fluo,  nömen  —  nosco,  nümcn  —  nuo,  stnmen — sto, 
strnmen  —  sterno ,  vlmcn  —  vio^  solnmen  ,  lentmen  ,  acilmen  ,  volümen  — 
volvo,  abdömcn — abdo  ,  ßämen — ßagro  (Pott.  11,  283),  svfflämen —^ 
flagcllum ,  albümcn  durch  Erweiterung],  und  ten  (gluten  —  glun,  glu- 
tus).  b)  is,  j)ollis,  sanguis.  c)  o,  im  goldnen  Zeitalter  stets  lang, 
später  kurz  (doch  hömö  bei  Plaut,  häufig),  coro,  propägo  (vgl.  pro- 
pnges).  Homo  (hemo)  wird  von  hie  abgeleitet,  so  dafs  m  dem  Suf- 
fixe vorausgesetzt  wäre.  Turbo  —  tornus,  cardo  —  carhia?,  ordo  — 
orior ,  virgo —  vir,  trigo — tero.  Erweitert  wird  o  in  edo  ,  tdo,  iido, 
iildo ,  ttudo ,  ctudo  bei  Wurzeln  auf  e  (valetudo},  ägo  {virago  —  vir, 
vorago  —  voro ,  imago  —  imitor  ,  indägo  —  (igo  (nach  3)),  tlago, 
*go,  Itgo  (cnlJgo — canus ,  füligo  — fumus,  loligo  —  lavo ,  üllgo  — 
üvidus,  üvens ,  ndus,  vitiligo  —  vitium ,  vitupero),  ngo,  iindo.  d)  in« 
(acina  u.  a.  pügina  von  pango  hat  wegen  der  Bedeutung  die  Quan- 
tität des  Vocals  verändert),  cina  (ßscina  — fiscus ,  fusciria — furca, 
bücina  vom  Naturlaute  bu,  mächijia  —  (iäca ,  /xij;j;o:7  jf) ,  mina  {fdmi- 
na  —  feo,  Inmina — latus),  iina  (statina  —  sto).  e)  tnus  (asinus  ,  fa- 
ginus  u.  a.)  cinus  (fuscinus — fuscus,  furvus,  luscinus —  luscus, 
lurcus,  fascinum  — fari,  sücinum  —  vsir ,  umor  desudatus)  minus 
(termtnus  —  ziQfiwv,  geminus  —  gigno),  tinus  (mit  Verlängerung 
glütinum,  diütinus),  nginus ,  ötinus.  IIT.  1)  an,  äna  (Diana,  pistä 
na  —  piso?),  änus  (iänus  —  eo,  Cic.  d.  n.  d.  2,  27,  67,  humanus 
(hcmonus)  —  he-m-  anus ,  germanus  —  gigno,  germen).  2)  cn 
{licn  und  An  — i  ~  en)  —  ena  (arena  u.  a.  Cfimcna  —  cano,  Verkür 
zung  des  Stamms  wegen  des  Accents),  ilcna  (cantikna)  —  enus,  enum, 
icenus.  3}  in  —  tna  (Ifirina — uvens,  ovqov),  gtna  {vägina — vas?), 
ctna,  plina  (nur  disciplina) ,  slna  (resina  —  genv),  trtna  (doctrina, 
meditrina,  sütrina  «.),  Inus ,  tlnus ,  trinum  (lätrinum  —  lavo).  4)  on, 
ü  (erst  später  verkürzt.  Mit  Vermehrung  des  suffix  sermo  —  sero, 
pulmo  —  pello ,  Semo  —  sero,  temo  —  teneo  ,  cnpo —  eastrare ,  cnpo 
caupo,  glüto  —  ingluvies,  mülo  ^  moveo ,  bübo  —  ßvceg  ,  pnvo  —  pavus, 
pava  (beide  von  der  Stimme  der  bezeichneten  Vögel),  büfo  —  büca, 
üdo  —  induo ,  exuo,  redo,  leno  von  lacio ,  lüno —  lovis,  pero  von  pes, 
bäro  vom  Naturlaute  ba  (=  varo?),  tlro),  eo  (buteo  —  babo),  io  von 
Masculinis  (tttio ,  aber  pügio  (Mart.  14,  33,  1,  Juv.  6,  34,  35)  — 
pungo,  Sclpio,  beide  lang  wegen  der  Bedeutung)  iilio ,  elio,  ilio  (ovi. 
Ho),  pilio  (päpilio  —  pasco  oder  von  dem  Geräusch  der  Flügel,  Upi- 
lio  —  bubus,  Jupiter),  iilio,  urio,  ilio,  isio ,  ferner  von  Femininis 
(contägio  und  suspicio  verlängern  wegen  der  Bedeutung.  Bei  den  von 
Verbis  abgeleiteten  bleiben  kurz  datio ,  ratio,  statio ,  itio ,  aditio. 
Verstärkung  ist  sio ,  occäsio),  uo  (heluo,  ungew.  Wurzel),  Ho,  tdo 
iV.  Jahrb.  f.  Phil,  u.  Paed,  M.  LXVH.  Hft.  %  15 


226  Programmenschau. 

(sitbulo  —  scro  ,  aber  sjZ&m/o,  slbilus,  wegen  der  Verstäikting  des  h) 
ümo,  tibo ,  (ttro ,  äso  —  tso ,  eno  ,  ferner  öna  (persona  aber  kommt  von 
persona  und  der  Vocal  ist  verlängert  wegen  der  Veränderung  der  Be- 
deutung), müna.  5)  ün,  üna  ,  ünus.  IV.  1)  erna,  Iticernn  verkürzt 
wegen  des  Accentes,  Interna  (lanterna}  von  der  Wurzel  In  Xcc^Ttäg, 
nasitcrna  —  nasus,  basterna.  2)  crnus ,  bernus  (htbernus  —  hiems), 
tcrnus.  3)  ümna,  aerumna  —  ai'qsiv^  columna  {coIYimella)  —  cello. 
4)  umnus ,  alumnus  ,  aiictumiitis.  5)  nrna,  luturna  —  iuvo.  6)  urnus, 
Volturnus,  dinturnus  ^  Säturnus  —  sero,  taciturnus.  7)ignus,  ugnus. 
bejiignus,  privignus  —  privus.  V.  A.  1)  iinea.  2)  inea.  3)  ineus,  ägi- 
neus.  4)  inia,  cinia;  luseinia  von  der  Wurzel  in  luridus.  5)  inius, 
znium,  ctnium,  valicinium,  latroc'mium.  B.  1)  üneus.  2)  inia.  3) 
rnius ,  tnium.  4)  önea.  5)  üneus.  6)  önia.  Feronia  ist  mit  Feralis 
verwandt,  und  demnach  das  suffix  durch  r  verstärkt.  Verstärkung 
ist  auch  tmönia.  Caerlmonia  Avird  auf  ein  unbekanntes  etruscisches 
Wort,  das  'heilig'  bedeutet,  zurückgeführt.  7)  Bnius ,  tmoniitm.  — 
Dieser  dürre  Auszug  wird  zeigen,  wie  beachtenswerth  die  Abhand- 
lung für  die  lateinische  Sprachforschung  ist,  da  sie,  wenn  schon  nicht 
alle  Resultate  als  feststehend  und  sicher  betrachtet  werden  können, 
doch  auf  ein  bisher  noch  nicht  genug  gewürdigtes  Moment  hinweist. 
Die  bald  verheifsene  Fortsetzung,  welche  sich  über  die  suffixe  mit 
r,  s,  V,  b,  p,  g,  c,  d,  t  verbreiten  wird,  erwarten  wir  mit  Verlangen. 
—  Das  Programm  des  Realgymnasiums  zu  Gotha  Ostern  1852  enthält 
von  dem  durch  seine  lexicalischen  Arbeiten  rühmlichst  bekannten  Ober- 
lehrer Dr.  Georges:  Zur  Lehre  vom  Ueber setzen  aus  dem 
Lateinischen  ins  Deutsche  (10  S.  4).  Von  den  Puncten ,  In 
welchen  die  lateinische  Sprechweise  von  der  deutschen  abweicht ,  wer- 
den behandelt:  I.  Das  Hendiadyoin  und  zwar  A.  Verbindung  zweier 
Ausdrücke  von  verschiedener  Bedeutung,  B)  Verbindung  zweier  Sy- 
nonymen zur  Vei'stärkung  des  Ausdrucks.  II.  Uebersetzung  von  Ver- 
ben durch  Adverbia.  III.  Phraseologische  Verba,  a)  active  mit  'müs- 
sen, brauchen,  wifsen,  sich  wlfsen,  sich  fühlen,  lafsen,  sich  lafsen', 
b)  pafsive  mit  'sich sehen'  u.  s.  w.  IV.  Ergänzung  von  Substan- 
tiven. Die  Zusammenstellung  ist  besonders  durch  die  reiche  Fülle  von 
Beispielen  dankenswerth.  Zu  bemei'ken  finden  wir:  CIc.  d.  nat.  deor. 
II,  60,  151:  cfficimus  ctiam  domitu  jwstro  quadriipcdum  vectioncs: 
quorum  celeritns  atqiic  vis  nobis  ipsis  affert  vim  et  ccleritatem ,  kön- 
nen wir  ein  Hendiadyoin  nicht  annehmen,  müfsen  vielmehr  vis  und 
celeritas  jedes  für  sich  bestehend  betrachten,  avozu  der  Chiasmus 
drängt.  Bemerkenswerth  ist,  dafs  vis  eine  speciellere  Bedeutung: 
'Tragkraft'  hat.  Metus  ac  timor  ist  nicht  'feige  Furcht',  sondern 
'furchtsame  Besorgnis'.  Uebrigens  stellen  auch  wir  deutsche  Syno- 
nyma in  gleicher  Weise  zusammen:  'Schmach  und  Schande',  labcs  at- 
quc  ignominia.  Unter  II  b  vermlfsen  wir:  facio  ut,  eine  Redeweise, 
welche  beim  Uebersetzen  den  Schülern  zu  schaffen  macht.  Nep.  14, 
I,  1  vermögen  Avir  die  Uebersetzung:  et  manu  forlis  (tapfrer  Soldat) 
et  hello  strenuus    (Avackrer  Feldheri)    nicht   zu   billigen   sondern    ver- 


d 


Auszüge  aus  Zeitschriften.  227 

langen:    'ein    (köri)er)krärtiger   und  Uiätiger  Krieger'  oder:    'ein  kräf- 
tiger Mann  und    ein   thätiger  Krieger'. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Auszüge  aus  Zeitschriften. 


Zeitschrift  für  die  ocstcrrcichischcn  Gymnasien.  (Fortsetzung  von 
Bd.  LXV  S.  327-333.)  Sechstes  Heft.  Abhandlungen.  Fr.  Rig- 
1er:  der  Classenordinarius  und  die  Lehrerbesprechungen  (S.  427 — 38. 
Vergleicht  die  Bestimmungen  in  der  Verordnung  der  Regierung  von 
Schwarzburg-Sondershausen  MützeU's  Zeitschr.  1851  S.  829.  mit  den 
im  Organisationsentwurfe  enthaltenen  und  gibt  beherzigens-  und  be 
achtenswerthe  Winke  darüber,  wie  und  unter  welchen  Bedingungen 
die  Classenordinariate  zu  erzieherischer  und  didaktischer  Einheit  in 
den  C4ymnasien  hinwirken  können).  —  A.  Wilhelm:  Rücksichten  bei 
der  Erklärung  des  Homer  in  der  Schule  (S.  438-44.  Zeigt  worauf  in 
sachlicher  und  sprachlicher  Hinsicht  die  Erklärung  einzugehn  habe, 
um  ein  Verständnis  bei  den  Schülern  zu  vermitteln).  —  Literarische 
Anzeigen.  Rost:  Griech.  -  deutsches  Wörterbuch,  4.  Aufl.  unter  Mit- 
wirkung von  Ameis  und  Mühlmann  gänzlich  umgearbeitet,  von  G. 
Curtius  (S.  445 — 51.  Bemerkungen  über  die  PrincIj)Iosigkeit  bei  Aus- 
arbeitung des  gesonderten  Eigennamenverzeichnirses ,  über  nicht  aus- 
gestofsene  falsche  Etymologieen ,  über  nicht  richtig  geordnete  Bedeu- 
tungen. Schlufsurtheil :  für  Gymnasialscluiler  ein  recht  geeignetes 
Hilfsmittel,  aber  das  Wörterbuch  von  Jakobltz  und  Seiler  ist  bei  einem 
verhältnismäfsig  sehr  wenig  höhern  Preis  bedeutend  reichhaltiger  und 
seinem  Zwecke  entsprechender).  —  J.  O  verbeck:  Gallerie  heroischer 
Bildwerke  der  alten  Kunst,  von  J.  G.  Seidl  (S.  452 — 59.  Das  Un- 
ternehmen und  die  Art  der  Ausführung  wird  gelobt,  das  Werk  der 
Beachtung  der  Lehrer  und  der  Gymnasialbibliotheken  dringend  em- 
pfohlen ,  für  Schüler  selbst  dagegen  nicht  geeignet  gefunden).  — 
Schmitt:  Jakob  Ayrer,  Guttmann:  über  die  Ausgaben  der  Ge- 
sammtwerke  von  Opitz,  J.  Hermann:  über  Andreas  Gryphius,  W. 
A.  Pas  so  w:  Daniel  Caspar  von  Lohenstein,  von  K.  Wein  hold 
(S.  459 — 72.  An  Nr.  1  wird  vieles  getadelt  und  recht  eingehende  und 
wichtige  Berichtigungen  gegeben ,  Nr.  2  wird  als  verdienstlich  aner- 
kannt, Nr.  3  als  tüchtige  Arbeit  empfohlen,  zu  Nr.  4  gibt  der  Hr. 
Ref.  vielfache  Berichtigungen  und  Rathschiäge  für  das  grÖfsere  Unter- 
nehmen, als  defsen  Probe  das  Schriftchen  erschienen  ist).  —  Sche- 
rer: fafslicher  Unterricht  in  der  Geographie ,  2e  Aufl.,  von  A.  Stein- 
häuser (S.  472 — 77.  Als  Hauptfehler  wird  die  gänzliche  Vernachläs- 
sigung der  physischen  Verhältnisse  gerügt,  im  einzelnen  viele  bedeu- 
tende und  wesentliche  Gebrechen  nachgewiesen).  —  Schultz  von 
S  tr  ass  n  i  t  z  ki:  Anfangsgründe  der  Geometrie  aus  der  Anschauung 
begriffsmäfsig  entwickelt,  von  Joh.  Hermann  (S.  477—80.  Neben 
Anerkennung   vieler  praktischer  Winke,    wird  die  socratisiex'ende  Me- 

15* 


228  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

thude  für  den  Unterricht  in  Schulen  verworfen,  im  einzelnen  bei  einer 
zweiten  AuHage  eine  sorgfältige  Revision  gewünscht).  —  Verordnun- 
gen, Personal-  und  Schulnotizen  (S.  481 — 89). —  Miscellen.  Die  Gym- 
nastik als  Gegenstand  des  Schulunterrichts  (S.  490—511.  Unter  ein- 
leitenden und  vermittelnden  Bemerkungen  werden  Auszüge  aus  Breier's 
Recension  in  diesen  NJahrb.  LXIV,  S.  391,  dem  9n  Programm  der 
höhern  Bürgerschule  zu  Oldenburg,  und  Kawerau's  Aufsatz  in  Mütz- 
ell's  Zeitschr.  1852 ,  Maiheft  gegeben).  —  Ergebnisse  von  Maturitäts- 
prüfungen. —  Literarische  Notizen  (Anzeige  von  Aufrecht's  unh  Kuhn's 
Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung.  5s  und  6s  Heft.  Von  K. 
Weinhold.  S.  513  und  514).  —  Siebentes  Heft.  Abhandlungen. 
W.  A.  Passe w:  die  deutschen  Aufsätze  auf  dem  Obergymnasium 
(S.  515 — 32.  Als  erstes  und  wesentlichstes  Gesetz  für  die  Wahl  der 
Stoffe  wird  aufgestellt:  der  Lehrer  hat  durchaus  frei  und  selbstthä- 
tig  zu  verfahren,  den  Stoff  aber  hat  er  einem  fest  geschlofsenen 
Kreise,  welcher  sich  natürlich  mit  jeder  Classe  einigermafsen  än- 
dert, zu  entnehmen,  und  dieser  Kreis  ist  kein  anderer,  als  das  Ju- 
gendleben im  aligemeinen,  vorzugsweise  und  im  besondern  das  Schul- 
leben. Zu  dem  Aufsatz  von  Th.  Hochegger  im  Maiheft  werden  viele, 
theils  bestätigende,  theils  ergänzende  und  berichtigende  Bemerkungen 
gemacht.*)  —  Literarische  Anzeigen.  Tacitus,  von  Nipperde y. 
1.  Bd.  Von  Thomas  (S.  533—42.  Gebührendes  Lob.  Getadelt  wird 
die  Orthographie.  Ann.  I,  8  wird  ea  sola  species  adulandi  supererat 
erklärt:  'diese  einzige  Art  von  Schmeichelei  war  noch  nicht  da  ge- 
wesen', I,  24  contumaciae  propensiores  oder  promptiores  emendiert; 
I,  28  prospereque  cessura,  quae  pergerent,  vertheidigt ,  desgleichen 
I,  79  sociorum;  III,  55  emendiert:  verum  haec  nobis  vioris  certamina 
ex  honesta  maneant;  VI,  4  noxiam  conscientiae  vertheidigt;  IV,  3 
et  durch  Ordnung  der  Interpunction  gestützt).  —  Siebeiis:  Tiroci- 
iiium  poeticum,  von  A.  Kloss  (S.  542 — 45,  Unter  einzelnen  Aus- 
stellungen gelobt  und  empfohlen,  wenn  schon  zum  Gebrauch  für  die 
österreichischen  Gymnasien  eine  erweiterte  und  veränderte  Anlage  ge- 
wünscht wird).  —  Pütz:  Grundrifs  der  Geschichte  und  Geographie. 
I.  Bd.  Das  Alterthum.  7.  Aufl.,  von  A.  CapeUmann  (S.  545—50. 
Eingehende,   die   zahlreichen   Verbefserungen  hervorhebende  Anzeige). 


*)  Rücksichtlich  der  Bemerkung  über  das  Gespräch  (S.  523),  das 
nach  der  Ansicht  des  Hrn.  Verf.  dem  Wesen  der  Jugend  fern  liegt, 
erlaubt  sich  Ref.  auszusprechen,  dafs  er  bei  vielen  jungen  Leuten  ge- 
rade eine  Hinneigung  dazu  wahrgenommen  hat;  wenigstens  wurde 
oft  die  dialogische  Form  freiwillig  bei  Abhandlungen  angewandt.  Wie 
weit  ist  denn  auch  der  Schritt  zu  diesen,  wenn  der  Schüler  sich  ge- 
nöthigt  sieht,  selbst  Einwürfe  zu  finden  und  zu  widerlegen?  Und 
weist  nicht  der  Unterricht  in  der  Schule  —  wie  gern  ahmen  ihm  Kin- 
der im  Spiele  nach!  —  den  Weg  dazu?  Gleichwohl  halte  auch  ich 
das  Gespräch  für  eine  Form,  welche  nicht  gefordert  werden  dürfe, 
ja  ich  glaube,  man  müfse  jener  Neigung  eher  entgegenarbeiten,  als 
sie  fördern,  doch  gänzlich  möchte  ich  die  Sache  nicht  ausgeschlofsen 
sehen.  D. 


statistische  und  andere  Mittheiliingen.  229 

—  Lliben  und  Nacke:    Mnsterstiicke  für  den  Sprachunterricht,  von 
J.  G.  Sei  dl    (S.  551 — 56.    Selir  gelobt,    namentlich  die  in  dem  Com- 
mentare    befolgte    Methodik.     Für  österreichische  Gymnasien  wird  die 
Anwendung     wegen    des     entschieden    protestantischen     Standpunktes 
nicht    möglich   gefunden).    —    Kiepert:    Wandkarte    des    römischen 
Reichs,  von  G.  Linker  (S.  557—59.  Gelobt.  Die  Schreibungen   Usipi, 
Danuvius j    Rcgium^    der    Lauf  des    F^lufses    Ausar  und  die  Lage  von 
liingium  werden    besprochen,    einige    Fehler    verbefsert).    —    C.  Rit- 
ter:   Einleitung    zur    allgemeinen   vergleichenden  Geographie  und  Ab- 
handlungen zur  Begründung  einer  mehr  wissenschaftlichen  Behandlung 
der  Erdkunde;  J.  F.  Schouw:  die  Erde,  die  Pflanzen  und  der  Mensch, 
übersetzt  von   H.    Zeise,    A.    W.  Grube:    geographische  Charakter- 
bilder, von  A.  Steinhauser  (S.  559 — 69.  Der  wifsenschaftliche  und 
pädagogische    Werth    sämmtlicher    drei    Schriften    wird    eingehend  ge- 
würdigt). —  Hillardt:  geometrische  Wandtafeln  I — VI,  von  A.  Ger- 
nerth  (S.569 — 72.  Zum  Gebrauche  bei  dem  geometrischen  Anschauungs- 
unterrichte empfohlen).  —  Verordnungen  S.  573  —  84.  — Personal-  und 
Schulnotizen  S.  584 — 86.  —  Miscellen.  Bericht  über  die  zweite  Conferenz 
von  Gymnasialdirectoren  und  Professoren  des  Gratzer  Inspectionsbezirkes 
zu  Laibach  am  30.   und  31.  Mai   1852,  erstattet  vom  Vorsitzenden  Fr. 
Rigler  (S.  587 — 90.  Gegenstände  der  Besprechung  waren:  die  Disci- 
plinarvorschriften ,   besonders    ward    über   den   Besuch   von  Gast-  und 
Wirthshäusern  debattirt,  die  individualisirende  Classification,  Gleich- 
mäfsigkeit  der  deutschen  Orthographie,    der  physicalische  Unterricht, 
Absonderung  des  geo{,raphischen  Unterrichts   von  dem  geschichtlichen, 
Regelung   der  Jugendlectüre ,    Ferien).    —    Gedanken   über   K.    Wein- 
hold's  Abhandlung:  die  deutsche  Rechtschreibung,  von  J.  Bäräni  in 
Nagy-Mihaly'  (S.  590  flg.     Stellt  statt  des  Weinholdischen  als  Grund- 
gesetz   auf:    Erhebe    die   festgestellten    Ergebnisse   der  geschichtlichen 
Fortentwicklung    des    neuhochdeutschen    zum    herrschenden   Schreibge- 
brauche,   und    schlägt    zur    Verwirklichung   Versammlungen  von  deut- 
schen Sprachforschern  vor).  —   Ueber  die  Durchführung  derselben  Ver- 
befserung,    von    K.   Wilhelm    (S.    591 — 59G.     Stellt    mehrere  der  ge- 
machten   Vorschläge    als    zur  Einführung  nicht  geeignet  dar,  während 
die  sofortige  Einführung  einiger    gewünscht  wird.     S.  596 — 601   theilt 
die  Redaction  das  auf  Orthographie  bezügliche  Gespräch  in  Ph.  Wak- 
kernagels:    der    Unterricht    in   der  Muttersprache.    Stuttgart,    1843. 
S.    75    ff.    mit).    —    Ueber    Schulgeld,    von    A.    Wilhelm    (S.    601    f. 
Strenge  in  Handhabung  des  Gesetzes  bei  den  Befreinngsgesuchen  wird 
empfohlen).  —  Ausweis  über  die  Maturitätsprüfung  in  Agram.   S.  602. 
—  Achtes    Heft.     Abhandlungen.     Ein   Beitrag   zur   Erklärung   und 
Kritik  des  Tacitus.  Annal.  I,  55—59,  von  G.  M.  Thomas  (S.  603— 
16.  Eingehende  Beleuchtung  der  Stelle.     Emendiert  wird:  gener  invi- 
sus ,  inimicior    socerl,    59:   redderet  filio   sacerdotium  domini:    at  Ger- 
manos  nuvquain).  —  Literarische  Anzeigen.  G.  Curtius:  griechische 
Schulgrammatik,  von  A.  Th.  Wolf  (S.  617—32.  Erkennt  in  eingehen- 
der Besprechung  das  hochverdienstliche  der  ganzen  Arbeit,  besonders 


230  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

der  Syntax  an,  macht  aber  gegen  manches  in  der  Etymologie  vom 
Standpunkte  des  praktischen  Schnhnannes  aus  Einwendungen  und  be- 
zeichnet das  Buch  als  für  den  Elementarunterricht  noch  unbrauchbar). 

—  Einige  Briefe  des  Cicero,  geschrieben  in  den  Jahren  704—706  n.  R. 
Mit  deutschen  Anmerkungen  zum  Schulgebrauch,  von  W.  K  er  gel 
(S.  632 — 38.  Wird  als  eine  sehr  unvollkommene  Leistung  eingehend 
beleuchtet).  —  Kelle:  vollständiges  Lehrbuch  der  deutschen  Sprache, 
Zeising:  Grammatik  der  deutschen  Sprache,  desselben  Leitfaden  für 
den  ersten  grammatischen  Unterricht  in  der  deutschen  Sprache,  von 
K.  Weinhold  (S.  638 — 42.  Das  erste  Buch  wird  als  durchaus  keine 
Avesentliche  Förderung  des  deutschen  Unterrichts  bietend  dargestellt; 
auch  Nr.  2  und  3  werden  für  ungeeignet  erklärt).  —  Vogel:  Netz- 
atlas zum  Kartenzeichnen  für  Schulen,  E.  v.  Sydow:  Gradnetzatlas, 
E.  V.  Sydow:  hydrographischer  Atlas  ,  von  A.  Stei  nhau  ser  (^S.  642 
■ — 46.  Sämmtlich  als  sehr  zweckmäfsig  empfohlen.  Am  Schlufse  spricht 
der  Hr.  Verf.  Wünsche  in  Betreif  kräftigerer  Beorderung  des  geogra- 
phischen Unterrichts  in  Oesterreich  aus).  —  Diesterweg:  astro- 
nomische Geographie  und  populäre  Himmelskunde,  von  K.  Kreil 
(S.  647  f.  Im  Ganzen  lobend,  wenn  auch  einzelne  Uebelstände  rügend). 

—  Verordnungen  und  Personal-  und  Schulnotizen  (S.  649  —  51).  — 
Schulprogi-amme  österreichischer  Gymnasien  aus  dem  Jahre  1851.  (S. 
652  —  698).  Auf  den  griechischen  Unterricht  bezüglich:  Necasek: 
über  das  Studium  der  griechischen  Sprache  an  den  k.  k.  Gymnasien, 
Eger,  Empfehlung  des  Unterrichts  durch  Darlegung  des  Nutzens  und 
Widerlegung  der  gegen  denselben  bestehenden  Vorurtheile;  Pöschl: 
Andeutungen,  betreffend  die  Behandlung  des  griechischen  Accents  an 
den  österreichischen  Gymnasien,  Czernowitz,  als  sehr  praktisch  em- 
pfohlen; Wolf:  grammatische  Briefe,  Pressburg,  und  Konzer:  über 
die  Aussprache  des  Griechisclien,  Stanislawow,  beide  nur  kurz  er- 
wähnt. Capellmann:  soll  die  Leetüre  des  Homer  auf  Gymnasien 
mit  der  Odyssee  oder  mit  der  Iliade  beginnen?  Wien,  Theres.  Gym- 
nasium, eingehend  beurtheilt.  *)  —  Beitz:  über  das  Studium  der  En- 


*)  Ref.  gedenkt  freundlich  unserer  Anzeige  Bd.  LXV  S.  83  f. 
Wenn  wir  dort  eine  Vermehrung  der  Stundenzahl  in  Cl.  V  für  räthlich 
hielten,  so  geben  wir  allerdings  gern  zu,  dafs  die  besondern  Verhält- 
nisse In  Oesterreicii  dagegen  sprechen,  auch  geben  wir  gern  zu,  dafs 
bei  besonderer  Befähigung  des  Lehrers  und  der  Schüler  die  Leetüre 
leichterer  Dialoge  des  Plato  in  Cl.  VII  möglich  sei,  nur  als  allgemeine 
Norm  möchten  wir  es  nicht  aufgestellt  wifsen.  Wenn  wir  an  jenem 
Orte  darauf  besonderes  Gewicht  legten,  dafs  die  Ilias  das  vollendetere 
Elpos  sei,  so  haben  wir  dabei  den  anderen  Grund  des  Ref.,  dafs  in 
der  Ilias  selbst  bei  langsamer  fortschreitender  Leetüre,  sich  innerhalb 
eines  jeden  einzelnen  Buchs  ein  abgerundetes  Bild  eines  Charakters 
gewinnen  lafse,  nicht  verkannt,  aber  jenes  hervorgehoben,  Aveil  wir 
die  Kenntnis  und  Anschauung  des  Epos  im  Ganzen  vorzugsweise  im 
Auge  hatten.  Dafs  zwei  Schriftsteller  neben  einander  zu  lesen,  nicht 
zweckmäfsig  sei,  erkennen  wir  an,  aber  ein  Hintereinander  in  demsel- 
ben Semester  scheint  uns  weder  unrtäthlich,   noch  unfruchtbar. 

//.  D. 


Aiis/.iisic  aus  Zeilscliriflcn.  231 

toiiiolo{^ic ,  Krems  (bi-urtli.  von  H.  M.  Sclinii<it,  welcher  <leiii  Vor- 
schlage, dafs  den  Insekten  ein  ganzes  Semester  Im  Untergymnasiiuu 
gewidmet  sein  sollte,  jedoch  unter  Verwerfung  materieller  Gründe 
dafür,  vollkommen  beistimmt).  —  E.  Widmann:  Aufklärung  des 
Zweifels,  als  ob  das  Schnabelthier  nicht  zu  den  Säugethieren,  son- 
dern zu  den  eierlegenden  geliöre,  Rzeszow ,  polnisclie  Uebersetzung 
aus  Okens  Naturgeschichte  VJI,  2.  S.  836  —  42  ohne  Nennung  der 
Quelle.  —  Czajkowski:  über  den  Zweck  des  Unterrichts  in  der  Na- 
turgeschichte, Hochnia,  als  für  die  Angehörigen  der  Gymnasialschüler 
berechnet,  gelobt.  —  L.  Lewartowsky:  pädagogische  Abhandlung 
über  die  Nothwendigkeit,  bei  den  Gymnasialschülern  die  Bildung  des 
Herzens  gleichzeitig  mit  der  Entwicklung  des  Verstandes  zu  verbin- 
den, Sandec,  als  unklar  und  nicht  fördernd  bezeichnet  (diese  drei  Pro- 
gramme sind  von  Bratranek  angezeigt).  —  Die  geographischen,  me- 
teorologischen und  erdmagnetischen  Constanten  Tarnow's.  Tarnow 
(kurz  angezeigt  von  K.  Kr  eil).  —  Schutt:  über  den  häuslichen 
Einflufs  auf  die  Schule.  Brzezan,  wird  als  auch  in  fernem  Kreisen 
interefsant  gerühmt.  —  Kolarik:  über  Declamationslehre  und  Decla- 
mlrübungen  an  Gymnasien.  Leitmeriz  (angezeigt  von  A.  Wilhelm, 
als  eine  Abhandlung  voll  gründlicher  Einsicht  und  gereifter  Erfahrung). 

—  Ruz'icka:  ein  Blick  auf  den  Gymnasialzustand  Böhmens  in  der  Ge- 
genwart. Klattau ,  als  die  Vortheile  der  neuen  Organisation  recht  gut 
hervorhebend  und  empfehlend  gelobt.  —  J.  V.  Mattel:  der  Vorzug 
der  öffentlichen  Lehranstalten  vor  dem  Privatstudium.  Leitomischl, 
als  eingehen  auf  die  speciellen  Verhältnisse  vermifsen  lafsend  bezeich- 
net, sonst  gelobt.  —  Dostal:  historische  Nachweisungen  über  den 
Stand  und  die  Verfafsung  der  Schule  zu  Saaz.  Saaz ,  als  sehr  in- 
terefsantes  bietend  gelobt.  —  Klouc'ek:  de  studio  linguae  graecac 
et  latinae  nostrac  quoquc  actati  cl  utili  et  necessario.  Braunau,  ge- 
lobt. —  Zink:  welchen  unterstützenden  und  ergänzenden  Einflufs 
äufsert  die  philosophische  Propaedeutik  auf  die  übrigen  Lehrgegen- 
stände des  Gymnasiums.  Prag,  Neustadt,  im  ganzen  anerkennend  be- 
urtheilt.  —  E.  Janota:  Sprachstudien  als  Beitrag  zur  ethischen  und 
logischen  Bildung.  Teschen,  katholisches  Gymnasium.  —  Sittig:  ge- 
schichtliche Nachrichten  über  das  evangelische  Gymnasium  in  Teschen. 

—  V.  Königsberg:  über  den  Nutzen  hypothetischer  Annahmen  für 
die  Physik,  nachgewiesen  aus  der  Geschichte  dieser  Wifsenschaft, 
Olmütz,  als  klare  und  bündige  Darstellung  gerühmt.  —  AI.  Sohn: 
die  deutsche  Sprache  als  selbständiger  Unterrichtsgegenstand  in  Gj  m- 
nasien.  Iglau,  von  J.  M.  gelobt,  aber  der  Wunsch  nach  mehr  Theo- 
rie als  ungeeignet  bezeichnet.  —  Pullich:  über  den  philosophischen 
Unterricht.  Ragusa,  sehr  gelobt  von  H.  B.,  doch  wird  die  Forderung 
weiterer  Ausdehnung  defselben,  als  im  Organisationsentwurfe  be- 
stimmt, als  nicht  möglich  und  zweckmäfsig  ausführlich  erörtert.  —  G. 
de  Bortoli:  Rclazione  delV  cspcrienza  del  jjendolo  comprovantc  In 
rotazione  della  terra,  cscguiia  in  qucsto  ginnasio  sujfcriorc.  Ragusa, 
von  K.  Kreil   als  anerkennungswerth  angezeigt.  —  P.  Bottura:  Sc 


232  Ausxiige  aus  Zeitschriften. 

convcnga  incglio  studiarc  una  o  piü  scienze  e  quäle  iiu  il  mcloclo  da 
osservarsi  in  questo  studio,  Rede.  Zara,  sehr  gelobt.  —  G.  Fran- 
ceschi: suir  educazionc  in  generale  cd  in  particolarc  sulV  educia- 
zione  ginnasiale,  Spalato  ,  -von  H.  B.  gelobt,  doch  werden  über  die 
hohen  Erwartungen  von  dem  theoretischen  Studium  der  Pädagogik, 
über  die  Erweckung  der  Erfindungskraft,  Beschränkung  der  lateini- 
schen und  griechischen  Stunden  abweichende  Ansichten  geäufsert.  — ■ 
J.  Loser:  geographische  Skizze  von  der  reichsunmittelbaren  Stadt 
Triest  und  Um.gegend ,  und  P.  Picciola:  sullo  studio  linguistico 
discorsi  due ,  Triest,  das  erstere  Programm  von  A.  Jäger  gelobt.  — 
Prenn Steiner:  Geschichte  des  akademischen  Gymnasium.  Salzburg, 
von  C.  als  interessantes  bietend  bezeichnet.  —  Riepel:  über  die 
Vertheilung  des  deutschen  LehistofTs  an  Gymnasien.  Linz  ,  ausführlich 
unter  freundlicher  Berücksichtigung  unserer  Anzeige  Bd.  LXV  S.  85 
von  J.  M.  beurtheilt.  —  Graf:  Chronik  des  Gymnasiums.  Klagenfurt, 
als  Avillkommener  Beitrag  zur  Landesgeschichte  von  Kärnthen  beur- 
theilt. —  M  i  1 1  e  rr  u  t  zner  :  leichte  Methode  für  Lateiner ,  italienisch 
zu  lernen.  Brixen,  von  F.  Miklosich  gelobt,  obgleich  die  rechte  Me- 
thode der  Untersuchung  vermifst  wird. —  Orsi:  sulla  necessitä  che 
Veducazione  privata  cospiri  polla  publica,  und  Bertanza:  prospetto 
dclla  sioria  di  ginnasio  Rovcretano.  Rovoredo  ,  beide  Abhandlungen 
gelobt.  —  Ergebnisse  der  wifsenschaftlichen  Prüfungscommissionen 
für  das  Gymnasiallehramt  im  Schuljahre  I8öl — 52.  S.  699—702).  — 
Neuntes  Heft.  Abhandlungen.  Grysar:  über  die  Anwendung  des 
Coni.  im  lateinischen  Relativsatze  (S.  703 — 18.  Unter  Ausschlufs  der 
Fälle,  in  welchen  der  Coni.  wegen  der  or.  obl.  oder  wegen  einer  im 
Relativ  enthaltenen  Coniunction,  wie  ut,  quum,  steht,  werden  folgende 
Regeln  aufgestellt,  begründet  und  an  zahlreichen  Beispielen  erläutert: 
1)  der  Coni.  ist  erforderlich  in  allen  den  Relativsätzen,  in  welchen 
das  darin  enthaltene  nicht  als  wirklich  vorhanden,  sondern  nur  als 
ein  gedachtes  ,  möglicherweise  einmal  stattfindendes  aufgefafst  werden 
soll.  2)  wird  der  Relativsatz  von  einem  negativen  Satz  In  der  Art 
abhängig,  dafs  sein  Inhalt  mit  in  die  negirte  Vorstellung  hineingezo- 
gen wird,  so  kann  er  als  ein  solcher  betrachtet  werden,  der  etwas 
gedachtes  enthält.  Dasselbe  findet  bei  den  Fragsätzen :  quis  est  und 
ähnlichen  statt.  3)  Nach  sunt,  reperluntur  (auch  mit  den  unbestimm- 
ten Pronominen  und  Zahlwörtern)  ist,  wenn  der  Schriftsteller  keine 
bestimmten  Subjecte  im  Auge  hat,  der  Coni.  regelmäfsig,  denkt  er 
sich  aber  doch  bestimmte  Subjecte  und  bezeichnet  sie  nur  unbestimmt, 
so  wird  man  meistens  den  Indicativ  angewandt  finden.  4)  der  latei- 
nischen Sprache  elgenthümllch  ist  der  Coni.  in  solchen  Relativsätzen, 
welche  eine  wesentliche  Bestimmung  des  im  Hauptsatze  angegebenen 
Subjectes  enthalten.  5)  aus  dem  griechischen  entlehnt  ist  die  An- 
wendung des  Coni.  in  denjenigen  Relativsätzen,  in  welchen  eine  That- 
sache  als  wiederholt  dargestellt  wird.  6)  In  vielen  Relativsätzen  ist 
der  Coni.  als  modus  potentialis  zu  fafsen).  —  Literarische  Anzeigen. 
Homer's    Iliade   erklärt   von   Faesi,    von    G.    Curtius   (S.    719 — 23. 


Auszüge  ans  Zcilsclirilieii.  233 

Lobende,  über  einzelnes  scblagende  Bemerkungen  bietende  Anzeif^e^).  — 
Stern:  Grundris  einer  Graiiiinatik  für  römische  Dichter,  von  Gry- 
sar  (S.  723 — 31.  Nadidem  der  Ref.  seine  Ansichten  über  die  Art, 
wie  der  dichterische  Sprachyebraucii  für  die  Schulen  zu  behandeln  sei, 
auseinandergesetzt,  tadelt  er  an  dem  genannten  Buche,  dafs  vieles 
für  poetisch  ausgegeben,  was  auch  bei  den  besten*)  Prosaikern  vor- 
kommt, bei  solchen  Puncten,  wo  das  allgemein  bekannte  leicht  über- 
schritten werden  konnte,  Vollständigkeit  der  Angaben  vermifst,  end- 
lich manches  unrichtige  und  ungenaue  vorgebracht  werde).  —  P,  Ovi- 
dü  Nasonls  Mctamorphoscon  ex  rccognitionc  It.  Merkclii  Dclectus, 
von  K.  E  n  k  (S.  731  f.  als  sehr  zweckmäfsig  und  brauchbar  mit  we- 
nigen Ausnaiimen  empfohlen).  —  Prasch:  Handbuch  der  Statistik  der 
österreichischen  Kaiserstaats,  von  A.  Kräl  (S.  732  —  36.  Obgleich 
einzelne  Mängel  gerügt  werden,  doch  als  zum  Unterrichte  im  Ober- 
gymnasium brauchbar  empfohlen).  —  Schmidl:  österreichische  Va- 
terlandskunde und  Abrifs  der  österreichischen  Vaterlandskunde ,  von 
A.  Steinhauser  (S.  737-40.  Rücksichtlich  der  Fülle  und  Sicher- 
heit des  Materials  sehr  belobt,  rücksichtlich  des  Umfangs,  der  Form 
lind  des  Vortrags  werden  einige  Bedenken  ausgesprochen).  —  A.  Wie- 
gand:  1)  geometrische  Lehrsätze  und  Aufgaben  aus  Jacobis  Anhän- 
gen zu  van  Swinden.  2)  die  schwierigsten  geometrischen  Aufgaben 
eben  daraus.  3)  Geometrische  Aufgaben  von  Miles  Bland.  4)  Samm- 
lung trigonometrischer  Aufgaben,  von  A.  Gernerth  (S.  740  —  46. 
Zur  Benutzung  dringend  empfohlen).  —  Personal-  und  Schulnotizen 
S.  747  f.  —  Miscel'en:  Schulprogramme  österreichischer  Gymnasien 
am  Schlufse  des  Schuljahrs  1850 — 51  (S.  749 — 58.  J.  Von  i  er:  über 
Zweck  des  philologischen  Studiums,  und  ob  eine  Ersetzung  der  Ori- 
ginalwerke durch  Versionen  möglich  sei?  Feldkirch,  angezeigt  von 
H.  B.  Der  Zweck,  der  Ernst,  mit  welchem  die  Untersuchung  geführt 
wird,  und  die  vielseitigen  Kenntnisse  werden  unverhohlen  anerkannt, 
aber  erinnert ,  dafs  gerade  die  gewichtigsten  Gegner  des  philologi- 
schen Studiums,  der  positive  Nutzen,  die  mannigfaltigen  Seiten  des 
Lebens  der  alten,  nicht  berücksichtigt  sind,  und  zu  dem,  was  von  der 
griechischen  Philosophie  gesagt  Ist,  manche  Berichtigung  gegeben.  — 
P.  Petra zzl:  Abhandlung  über  das  Epos.  Laibach,  von  J.  M.  we- 
gen des  eingeschlagenen  praktischen  Wegs  gelobt.  —  Historisch-  sta- 
tistischer Ueberbllck  des  k.  k.  Gymnasiums  zu  Temesvär  von  1552  — 
1851.  —  Wolf,  grammatische  Briefe.  I  und  IL  Pressburg,  von  Enk 
gebührend    gelobt).    —     Landesherrliche    Verordnungen    des    Bischofs 


*)  Diese  Beschränkung  Ist  nothwendig  festzuhalten,  da  bekannt- 
lich eine  Elgenthümlichkeit  des  silbernen  Zeltalters  darin  besteht,  dafs 
die  durch  die  Dichter  des  augusteischen  Zeitalters  neu  gebildeten 
Worte  und  Wortformen  nicht  allein,  sondern  auch  nur  der  Dichter- 
sprache angemefsene  Redewelsen  von  den  Prosaikern  aufgenommen, 
ja  gesucht  worden  sind.  Daher  ist  das  Vorkommen  von  canities  bei 
Plin.  H.  N.  nicht  ein  Beweis  dagegen,  dafs  es  ein  poetisches  Wort  sei. 

R.  D. 


234  Schul-  und  Personalnachrichlen, 

Franz  Ludwig  zu  Bamberg  und  Würzburg  über  die  häusliche  Aufsicht 
der  Eltern  und  Kostleute  in  Ansehung  der  akademischen  Jugend  vom 
11.  März  und  lö.  INIai  1793,  zur  Ergänzung  der  im  In  Heft  mitge- 
theilten  landesväterlichen  Aufforderung  mitgetheilt  vom  Studienrector 
Prof.  Dr.  J.  Gutenäcker  in  Bamberg.  S.  758  —  68.  -  H.  Bonitz: 
Gelegentliche  Bemerkungen  über  den  Unterricht  in  der  griechischen 
Formenlehre,  mit  Rücksicht  auf  die  griechische  Schulgrammatik  von 
G.  Curtius  (S.  768 — 79.  Nachdem  der  Verf.  dem  Rec.  im  vorigen 
Hefte  in  dem  Grundsatze,  dal's  der  Schüler  zu  der  Kenntnis  des  con- 
creten  ohne  alle  Umwege  gelangen  müfse,  beigestimmt,  andererseits 
aber  den  Gebrauch  einer  besondern  Elementargrammatik  und  einer 
anderen  in  den  höhern  Classen  wegen  überwiegender  Nachtheile  als 
zweckmäfsig  verneint  hat,  gibt  er  zwar  zu,  dafs  Verhältnisse  die  so- 
fortige Einführung  des  genannten  Buches  unräthlich  erscheinen  lafsen 
können,  behauptet  aber,  dal's  diese  nur  eigenthümlicher  und  individuel- 
ler Art  sein  können,  und  widerlegt  die  Befürchtung,  dafs  beim  Ge- 
brauche nicht  das  für  die  Schule  nothw endige  Mafs  eingehalten  wer- 
den möchte,  indem  er  in  eingehender  Erörterung  den  Weg,  welchen 
er  dabei  einschlagen  würde,  auseinander  setzt).  —  Literarische  No- 
tizen. Körner:  der  praktische  Schulmann,  von  A.  Wilhelm  (S.779 
— 82,  empfohlen). 


Feier  von  Winckelmanns  Geburtstag-  1S52  in  dem  archaeo- 
logisclien  Institut  zu  Rom. 


In  der  B^estsitzung,  welche  das  archaeologische  Institut  in  Rom 
am  10.  December  I8ö2  zur  Feier  von  Winckelmanns  Geburtstag 
hielt,  sprach  nach  den  Einleitungsworten  des  Vicepraesidenten  Hrn. 
von  Kästner  zuerst  Dr.  E.  Braun  über  die  Statuen  zweier  grie- 
chischen Dichter,  die  vor  zwanzig  Jahren  zusammen  mit  den  Statuen 
der  neun  Musen  in  Monte  Calvi  entdeckt  ihre  Aufstellung  in  Villa 
Borghese  gefunden  haben.  Man  gab  ihnen  damals  die  Namen  Ana- 
kreon  und  Tyrtaeos,  ohne  jedoch  diese  Benennung  durch  positive 
Gründe  zu  unterstützen.  Die  Richtigkeit  der  erstem  wies  Dr.  Braun 
aus  Epigrammen  der  griech.  Anthologie  nach,  in  welchen  Anakreon  in 
Charakter,  Haltung  und  Ausdruck  geschildert  wird.  Dagegen  verliert 
die  zweite  Benennung  ihre  Stütze  schon  durch  die  Beobachtung, 
dafs  von  der  charakteristischen  Lahmheit  des  Tyrtaeos  sich  keine  An- 
deutung in  der  Statue  findet.  Vielmehr  scheint  die  Zusammenstellung 
mit  Anakreon  und  der  Gegensatz  im  Chai-akter  beider  Statuen,  das 
mannhafte  uud  erhabene  der  einen  gegenüber  der  heitern  Fröhlich- 
keit der  andern,  auf  Alkaeos  zu  leiten;  und  es  ist  nur  zu  wünschen, 
dafs  diese   Benennung   noch   einmal   durch   äufsere    Gründe   ihre   volle 


statistische  und  andere  Mittheilungen.  235 

Bestätigung  erhalte.  —  Dr.  W.  Henzen  erstattete  unter  Vorlegung 
ausführlicher  Zeichnniigeu  JJericht  über  die  unerwarteten  Entdeckun- 
gen, welche  dem  Architekten  P.  Rosa,  ohne  nur  eine  Scliaufel  Erde 
zu  bewegen,  durch  genaue  Vermel'sung  und  Zeichnung  oifen  Hegender 
Reste  von  Gebäuden  in  und  um  Aibano  zu  machen  gelungen  ist.  Als 
erstes  Ergebnis  ist  eine  genaue  Kenntnis  der  Villa  Domitians  hervor- 
zuheben, welche  jetzt  erst  als  eine  der  prächtigsten  derartigen  An- 
lagen der  Kaiserzeit  erscheint.  An  sie  schliel'scn  sich  die  Bauten  rings 
um  den  Albanersee  an,  welche  ein  geschlofsenes  System  zu  bilden 
schienen  und  dem  ganzen  das  Ansehn  einer  grolsartigen  Namnachie, 
umgeben  von  Loggien  und  Hallen,  verleihn  mochten.  Aibano  selbst 
bietet  sodann  die  Reste  des  sogenannten  Praetorlanerlagers,  ganz  re- 
gelmäisig  auf  vier  Terrassen  vertheilt,.  und  wenigstens  im  Grundplan 
erhalten  wie  kaum  ein  anderes  römisches  Lager.  Endlich  bilden  die 
Ruinen  der  Villa  Doria  eine  abgeschlofsene  Gruppe,  in  der  sich  eine 
zweite  prachtvolle  Villa  mit  Haupt-  und  Nebengebäuden  mit  vollster 
Sicherheit  und  in  vielen  Einzelheiten  nachweisen  läfst.  Die  Ruinen 
von  Aibano,  bisher  so  wenig  beachtet,  stellen  sich  sonach  plötzlich 
als  zu  den  bedeutendsten  in  der  Umgegend  Roms  gehörig  heraus;  und 
der  Ort  wird,  sobald  die  mühevolle  Arbeit  Rosas  dem  gröfsern  Publi- 
cum vorliegen  wird,  auch  für  den  flüchtigen  Besucher  ein  erhöhtes 
Interesse  gewinnen.         (Augsburger  Allgemeine  Zeitung). 


Schul-    und    Personalnachrichten,    statistische  und   andere 
Mittheilungen. 


Anclam.  Zum  DIrector  des  hiesigen  Gymnasiums  Ist  der  Schul- 
rath  Dr.  C.  Peter  aus  Meiningen  berufen  worden. 

Berlin.  Privatdocent  Dr.  Theodor  Aufrecht  hat  einen  Ruf 
au  die  Bodlejana  in  Oxford  erhalten  und  angenommen. 

BÖHMEN.  Ein  Erlafs  des  k.  k.  Statthalters  an  die  Gymnaslaldirec- 
toren  vom  22.  Juni  1852  bezeichnet  die  Gesichtspunkte,  nach  denen 
thells  im  allgemeinen ,  theils  in  den  einzelnen  Lehrfächern  die  indivi- 
duellen Beurtheilungen  der  Schüler  vollzogen  werden  sollen.  Als 
Noten  des  besten  Grades  werden  für  das  sittliche  Betragen:  'mu- 
sterhaft, ausgezeichnet,  vorzüglich,  vollkommen  entsprechend,  voll- 
kommen gemäfs,  sehr  lobenswerth',  für  die  Aufmerksamkeit:  ''stets 
gespannt,  ununterbrochen  theilnehmend ,  stets  anhaltend,  immer  rege 
und  Avach  %  für  den  Fielfs  :  'musterhaft,  ausgezeichnet,  vorzüglich, 
ausdauernd,  rastlos,  unermüdet ,  sehr  lobenswerth'  bezeichnet,  da  nur 
diese  bei  Gesuchen  um  Befreiung  von  Schulgeld  als  solche  anerkannt 
werden  sollen.  —  Unter  dem  12.  Sept.  hat  die  Landesschulbehörde 
auf  hohes  Ministerialdecret  vom  4.  Sept.  1852  ein  DIscIplInargesetz  für 
die  Gymnasien  Böhmens  bekannt  gemacht.     Die  klaren  alles  umfafsen- 


236  Schul  -  und  Personalnochrichten, 

den  und  von  dem  Geiste  sittlichen  und  religiösen  Ernstes  zeugenden 
Vorschriften  (45  §§.)  gestatten  keinen  Auszug.  Wir  halten  es  aber 
für  unsere  Pflicht  unsere  Leser  darauf  aufmerksam  zu  machen  (abge- 
druckt in  der  Zeitschr.  f.  österr.  Gymnas.   1852.  U.  Heft  S.  9J7— 23). 

BocuMA.  Am  Gymnasium  bestand ,  nachdem  der  Oberlehrer  L. 
Handschuh  als  provis.  Director  an  das  Tarnower  Gymnasium  ver- 
setzt war,  der  Lehrkörper  am  Schlufse  des  Schuljahres  1851  aus  dem 
Director  V.  Keidosch,  dem  Katecheten  J.  v.  Czajkowski,  dem 
wirkl.  Lehrer  W.  Schmidt,  den  Suppl.  J.  v.  Hoiynski,  L.  Bucz- 
kowski ,  J.  Sar nee ki  (seitdem  ordentl.  Lehrer,  s.  Bd.  LXV  S  334), 
A.  Nowicki  (geistl.),  C  v.  Rodecki,  F.  Gondek  (geistl.),  v. 
Studzinski,  den  Nebenl.  R.  Kastner  und   J.  Wygrzy  walsk  i. 

Braunau.  Am  k.  k.  Gymnasium  wurden  im  Schuljahre  1851  neu 
angestellt  die  Supplenten  Am.  Watzke  und  H.  Ruzicka,  zum  or- 
dentl. Lehrer  befördert  der  Supplent  B.  Sedlacek. 

Breslau.  Am  Gymnasium  zu  St.  Elisabeth  rückten  der  erste 
Collaborator  Dr.  Thiel  in  die  Stelle  des  letzten  Collegen,  der  2.  Col- 
lab.  Dr.  M.  R.  E.  Speck  in  die  des  ersten  Collab.   auf. 

Brzezan.  Der  Lehrkörper  des  k.  k.  Gymnasiums  bestand,  nach- 
dem der  Religionslehrer  lat.  R.  Dr.  theol.  Ludw.  Jnrkowski  an 
das  hochw.  Lemberger  lat.  Met.  Consistorium,  der  Lehrer  Gtowa- 
cki  nach  Sandec  berufen  worden  waren,  am  Schlufse  des  Schulj.  1851 
aus  den  ordentl.  Lehrern  An  t.  Lisch  ka  (Dir.),  Prok.  Schutt,  Mich. 
Bielecki,  Mart.  Hora  (krank).  Frz.  Kautzki,  L.  Eder(s.  San- 
dec im  folgend.  Heft),  Theoph.  Pawlikow,  Mich.  Jarymowicz 
(Religionslehrer  griech.  Rel.) ,  den  Supplenten  Weltpriester  Ed.  Wil- 
lomitzer  (für  lat.  Rel.),  Ferd.  Tabeau,  Jos.  Gipser,  Tim. 
Mandybur  und  dem  Nebelilehrer  Ant.    Guniewicz. 

BüRGSTEiNFURT.  An  das  hiesige  Gymnasium  Arnoldinum  ward  der 
Lehrer  Heuermann  vom  Gymn.  zu  Minden  als  Lehrer  berufen. 

Charkow.  Zum  Rector  der  Universität  ist  der  bisherige  ordent- 
liche Prof.  an  der  Universität  Kasan,  Voigt,   ernannt  worden. 

Cottbus.  Am  Gymnasium  ward  der  Candidat  des  höhern  Schul- 
amts C.  R.  Hölzer  als  ordentl.  Lehrer    angestellt. 

CuLM.  Der  Oberlehrer  am  hiesigen  Gymnasium  J.  J.  Braun  hat 
das  Praedicat  Professor   erhalten. 

CzERNOWiTZ.  Lehrkörper  des  k.  k.  Obergymn.am  Schi.  1851:  ordentl. 
Lehrer:  Dr.  J.  Nahlowsky  (Dir.),  M.  Mayssl,  St.  Gilewski, 
J.  Worobkiewicz,  Dr.  A.  Ficker,  P.  J.  Traglauer,  J.  Kolbe, 
Dr.  J.  G.  E.  Wagner,  E.  Pöschl,  P.  A.  Czyzewski,  B.  II- 
nitz,  J.  Szozurowski,  J.  W.  Scholz,  Supplenten:  P.  H.  Le- 
winski,E.  R.  Neubauer,  Dr.  Ant.  Schmid,  Nebenlehrer  A. 
Pumuul,  J.  Weigl,  J.  Barzcynski,  J.  Zwoniczek. 

Eger.  Das  k.  k.  Obergymnasium  hatte  am  Schlufse  1851  fol- 
gende Lehrer:  Director  J.  Necasck,  ordentl.  Lehrer  J.  Seiner, 
Wzl.  Kamensky,  P.  J,  Schuster  (Religionslehrer),  Dr.  J.  We- 
sel y,  Chr.  Mühlvenzl,   Supplenten:    Dr.    H.    Mitteis,   Dr.    Chr. 


statistische  und  andere  Mittheilung-en.  237 

Lorinser  (s.  Bd.  LXVI  S.  210),  Dr.  M.  Kavka,  A.  Weichsel- 
mann,  Dr.  L.  Schuster,  S.  Grol'-s,  V.  Mach,  Nebenlehrer:  J. 
Stachaffsky,  J.  Rostocil. 

Elberfeld.  Als  ordentlicher  Lehrer  an  dem  Gymnasium  ist  der 
Cand.  des  hÖhern  Schulamts  Dr.  A.  Chr.  C.  Petry  angestellt  worden. 

Feldkircii.  Am  k.  k.  Gymnasium,  bei  dem  im  folgenden  Jahre 
die  Eröffnung  der  achten  Classe  bevorstund,  lehrten  im  Schuljahre 
1851  die  obligaten  Lehrgegenstände  J.  Stocker  (provis.  Director), 
B.  Bocher,  Frz.  Bole  (s.  Bd.  LXV  S.  336),  D.  Falkner,  Joh. 
K  locker  (s.  a.  a.  O.),  J.  Rier,  Ign.  Vonier,  O.  Vorhauser 
A.  Wildgruber,  sämmtlich  Weltpriester,  und  J.  Merkel,  welt- 
lichen Standes,  und  Schönschreiben  J.  B.  Huchler. 

Freiburg  im  Breisgau.  Der  Prof.  am  hiesigen  Lyceum  Rein- 
hard wurde  (5.  Sept.  1852)  als  erster  Lehrer  an  das  Gymnasium  zu 
Tauberbischofsheim  vei'setzt,  seine  Stelle  hier  aber  dem  Prof.  Furt- 
wängler  zu  Constanz  übertragen. 

Gotha.  Dem  Director  des  Gymn.  illustre,  Oberschulrath  Dr. 
Rost,  wurde  das  Ritterkreuz  des  Ernestinischen  Hausordens  verliehn 
und  der  Prof.  an  demselben  Gymnasium  Dr.  E.  F.  Wüstemann  zum 
Hofrat h  ernannt. 

Greifenberg  in  Pommern.  Als  Subrector  ward  an  das  Gymna- 
sium der  vorherige  Adjunct  am  Paedagogium  zu  Putbus,  Dx-.  Pitann, 
berufen. 

Greifswald.  Dem  Prof.  Dr.  G.  F.  Schömann  ist  der  Cha- 
rakter   als  Geheimer  Regierungsrath  beigelegt  worden. 

Hamburg.  Am  6.  December  1852  feierte  der  Director  der  Gelehr- 
tenschule des  Johanneums,  Dr.  Kraft,  sein  25jähriges  Amtsjubllaeum, 
wozu  die  Primaner  am  Abend  des  Jubeltags  eine  Aufführung  der  An- 
tigene des  Sophokles  in  griechischer  Sprache  veranstalteten. 

Heidelberg.  An  die  Stelle  des  nach  Weimar  abgegangenen  Dr. 
Dittenberger  ist  der  Pfarrer  Jac.  Theod.  Plitt  zum  zweiten 
Pfarrer  an  der  Heiligengeistkirche  und  zum  zweiten  Lehrer  an  dem 
evangelischen  Predigerseminar  ernannt  worden. 

Iglau.  Am  k.  k.  Gymnasium  starb  im  Februar  1851  der  Reli- 
gionslehrer Praemonstratenser  J.  A.  Serchen,  und  ward  der  Lehrer 
A.  E.  Siegl  an  das  Prefsburger  Gymnasium  versetzt.  Der  Lehrkör- 
per bestand  sodann  aus  dem  Director  J.  Chr.  Maderner,  und  den 
Lehrern  Frz.  Blaha  (Weltpriester,  nach  Serchens  Tod  und  einst- 
weiliger Vertretung  defselben  durch  den  Probst  Jelinek  als  Supplent 
angestellt),  W.  >Wagner,  J.  Lepaf  (nach  Siegls  Versetzung  als 
Supplent  angestellt),  Dr.  J.  Tomaschek,  J.  A.  Dworak,  St. 
Wolf,  A.  Sohn,  Ed.  Scholz,  und  in  den  nicht  obligaten  Fächern 
Dr.  Leop.  Fritz,  T.  Menzel,  F  d.  Heller,  V.  Matocha.  Das 
Gymnasium  hatte  übrigens  während  des  Schulj.  nur  7  Classen. 

Karlsruhe.  Am  grofsherzoglichen  Lyceum  wurde  der  Lehramts- 
praktikant Dr.  Ad.  Hauser  (30.  Juli  1852)  zum  Lehrer  ernannt. 

Klagenfurt.     Der  Lehrkörper  des  k.  k.  Staatsgymuasiums    zählte 


238  Scluil-  und  Personalnaclirichten, 

im  Schuljahre  1851  (He  ordentlichen  Lehrer:  Dr.  J.  Burg  er  (Direct., 
.s.  Bd.  LXV  S.  338),  Dr.  C.  Flor,  M.  v.  Gallenstein,  R.  Graf, 
J.  Kowald,  K.  Pasler,  R.  Prettner,  M.  Rofsbacher,  J.  C. 
Sepp  er,  R.  Sormann,  die  Supplenten  :  O.  G  ochow  e  t  z,  A.  Ja- 
nezic,  M.  Peninger,  C.  Robida,  B.  v.  Romani,  die  Nebenlehrer  : 
L.   C  ollin,  L.  V.  Hüb  er,  K.  Harm,  K.  Nul'sheim. 

Klattau.  Der  Lehrkörper  des  k.  k.  Gymnas.  zählte  am  Schlafs 
1851:  die  ordentl.  Lehrer  M.  J.  Ruz'icka  (Direceor),  Wzl.  Schan- 
da,  Mart.  Zbonek,  E.  Hrdlicka,  C.  Regner,  M.  Thums,  A. 
Weinfurter,  J.  Poläk,  M.  Löbl,  die  Supplenten:  O.  Jeklin, 
O.  Stingel,  J.  Zovadil  (dieser  ist  allein  nicht  Capitular  des  Be- 
nedictinerstifts) ,  die  Nebenlehrer:  J.  Ploner,  M.  Spocek,  J.  Ce- 
chura,  J.  Prochäzka. 

Krakau.  An  der  hiesigen  Universität  wurde  der  aufserordent- 
liche  Prof.  Dr.  A.  v.  Waleski  zum  ordentl.  Prof.  der  Geschichte  er- 
nannt und  in  die  ordentl.  Professur  der  classischen  Philologie  und  Lit- 
teratur  der  aufserordentl.  Prof.  an  der  Universität  zu  Lemberg  Dr. 
Beruh.  Jülg  berufen. 

Krems.  Das  dasige  k.  k.  Gymnasium  wird  durch  die  Piaristen 
besorgt.  Aus  dem  Lehrkörper  ward  im  Novbr.  1850  der  Dr.  theol. 
Nep.  Ehrlich  als  Professor  der  Moral theologie  an  die  Universität 
in  Gratz  berufen  und  starb  am  10.  März  1851  K.  Penkner.  Der- 
selbe bestand  am  Schlufse  des  Schuljahrs  1851  aus  dem  Dir.  Perd. 
Brückner,  den  Lehrern  Dr.  K.  Beitz,  Leop.  Heide nmuth  (an 
Penkners  Stelle  vom  Josephstädter  Gymnas.  in  Wien  berufen),  Jos. 
Putz,  Jos.  Wois,  Gr.  Z  öhrer,  K.  Fichna,  Frz.  X.  Sykora, 
Leop.  Wagner,  Andr.  Spiegl,  Job.  E  v.  Port,  Frz.  Baum- 
gartner,  Leop.  Lixl  (Kalligraphie),  Ludw.  Pataky  (der  einzige 
nicht  Piaristenordenspriester,  für  das  Italienische). 

Laibach.  Den  Lehrkörper  des  k.  k.  akadem.  Gymnasiums  bilde- 
ten, nachdem  die  ordentl.  Lehrer  Ph.  Jac.  Rechfeld  au  das  Gratzer 
Gymn.  im  März  1851  versetzt  und  Dr.  An  t.  Schubert  am  21.  April  1851 
gestorben  war,  am  Schlufse  des  Schuljahrs  1851:  Director  Dr.  A. 
Jarz  (s.  Bd.  LXV  S.  339),  die  ordentl.  Lehrer:  J.  Globocnik, 
Frz.  Heinz,  G.  Luscher,  Frz.  Metelko,  A.  Pertout,  P.  Pe- 
truzzi,  J.  Pogorelz,  E.  Rebitsch,  die  Supplenten:  Kl.  Dez"- 
man,  A.  Globocnik  (s.  Bd.  LXV  S.  339),  J.  Hotschever,  Kl. 
Melcer  (LXVI  S.  211),  J.  Smoly,  Dr.  Greg.  Tus^^ar  (s.  LXV 
S.  339),  die  Nebenlehrer  Frz.  Huber,  C.  IMaschek,  J.  Hilscher, 
Th.  Kapus,  St.  Mandic.  Als  freie  Gegenstände  wurden  auch  Er- 
ziehungskunde, Landwirthschaftslehre  und  populäre  Botanik  gelehrt. 

Leitmeritz.  Den  Lehrkörper  des  k.  k.  Okergymnasiums  bildeten 
am  Schlufse  des  Schuljahrs  1851  der  Director  A.  Kolarik  (s.  Bd.  LXV 
S.  339),  die  Religionslehrer  Prof.  theol.  Frz.  Pfeiffer  und  Frz. 
Demi,  die  ordentl. Lehrer  Leop.  Schmidt,  A.  H  a  nsgi  rg,  H.  Klut- 
schak,  Dr.  J.  Nacke,  J.  Brdicka,  die  Suppl.:  R.  Klutschak, 
A.  Wolf,  Dr.  J.  Parthe,  die  Nebenlehrer  BVrz.  Marian,  V.  Möld- 


stalisliscilc  und  andere  i^Tifllieilungen.  239 

»er,  J.  Mauz  er,  Med-  Dr.  J.  Qiioikn.  Seitdem  ist  der  Ileligions- 
lehrer  A.  Frind  angestellt  und  nach  iiherslandener  Prüfung  aus  der 
Geographie  und  Geschichte  zum  wirkl.  Gymnasiallehrer  ernannt  worden. 

Leitomischl.  Den  Lehrkörper  des  k.  k.  Obergymnasinms  bildeten 
am  Schlufse  des  Schuljahrs  1851  die  ordentl.  Lehrer  (sämtlich  Mit- 
glieder des  Piaristenordens):  Dr.  Fl.  Staschek  (Director),  Hipp. 
Dupal,  V.  Mattel,  C.  Winkler,  Qu.  Menschik,  A.  Müller, 
R.  Trawnicek,  G.  Martinu,  P.  F  ritsch,  J.  Bai  gar,  A.  Ho- 
ley,  L.  Müller,  Eng.  Schoffer,  der  Supplent  Jos.  Tesar,  die 
Nebenlehrer  A.  Hnatek  und  A.  Dwor  ak. 

Lemberg.  Am  k.  k.  akademischen  Gymnasium  ist  der  Supplent 
W.  Sohl  echte  1  zum  wirklichen  Lehrer  für  die  untern  Classen  er- 
nannt worden. 

Lombardo-Venetien.  Zu  Generaldirectoren  der  Gymnasien  sind 
ernannt  für  die  Lombardier  Dr.  Fr.  Ambrosoli,  Praesident  der 
Akademie  zu  Mailand  und  Prof.  der  Philologie  an  der  Universität  zu 
Pavia,  und  für  das  venetianische  Gebiet  Dr.  B.  Poli,  Vicepraesident 
der  Akademie  zu  Venedig  und  Prof.  der  Philosophie  an  der  Universi- 
tät zu  Padua. 

Mabburg  in  Oesterreich.  Der  Supplent  am  k.  k.  Gymnasium,  A. 
Lang,  ist  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  daselbst  befördert  worden. 

Melk.  Am  k.  k.  Obergymnasium  lehrten  am  Schlufse  des  Schul- 
jahres 1851  der  Director  Theod.  Mayer,  Stiftsprior  Leop.  v.  Sey- 
frid,  Pet.  Lense,  Engelb.  Leitel,  L.  Polly,  PI.  Helmreich, 
Andr.  Ott,  Ben.  Heilmann,  AI.  Karl,  Ign.  Keiblinger, 
Norb.  Haberl,  M.  Sukup,  Rein.  Leyrer,  F  r  i  edr.  Heilm  an  n, 
Vinc,  Staufer,  Ant.  Schwegler  (diese  sämtlichen  Professoren 
für  die  obligaten  Gegenstände  sind  Capitularen  des  Benedictinerstifts), 
die  nicht  obligaten  Fächer:  E.  v.  Sieb  er  (P^ranz.),  Ben.  Heil- 
mann  (Ital.),  K.  Brioschi  (Zeichnen  u.  Ital.),  Jos.  Jokl  (Musik 
und  Böhmisch). 

MÜNCHEN.  Der  bisherige  aufserordentliche  Professor  in  Giefsen 
Dr.  Moriz  Carriere  ist  zum  Honorarprofessor  bei  der  philosophi- 
schen Facultät  der  Hochschule  in  München  ernannt. 

MÜNSTEREIFEL.  Die  Candidaten  des  höhern  Schulamts  Frz.  Gra- 
mer und  Dr.  H.  J.  Frieteu  wurden  als  ordentl.  Lehrer  am  Gym- 
nasium angestellt. 

Neusohl.  Zum  Director  des  dasigen  k.  k.  katholischen  Gymna- 
siums ist  der  vorherige  Lehrer  am  Gymnasium  zu  Troppau,  Gymna- 
siallehrer Jac.  Dragoni  befördert  worden. 

Olmütz.  Lehrkörper  des  k.  k.  akademischen  Gymnasiums  wäh- 
rend der  Schuljahrs  1861:  ordentliche  Lehrer  Frz.  Wafsura  (Di- 
rector, s.  Bd.  LXV  S.  344),  A.  Tkany,  Dr.  M.  Sturm  [diese  beide 
in  wohlverdienten  Ruhestand  gesetzt],  A.  Lorenz,  Flor.  Richter, 
Dr.  F.  E.  V.  Hönigsberg,  J.  Pfeiler  (Religionsl.)  und  die  Supp- 
lenten:  Dr.  M.  Ehr  mann  (Prof.  der  Chemie),  E.  Klug  (Domvicar 
an  der  Metropolitankirche),  K.  Tomaschek,  K.  Stumpf,  J.  Schön, 


240  Schul-  und  Personalnacliiichfen  u.  s.  w. 

W.  Donatin,  D.  H.  Tau.sch,  K.   Werner,    J.    Honig,    Fried  r. 
P  öne tz. 

Prag.  Am  Gymnasium  in  der  Neustadt  ertheiten  während  des 
Schuljahrs  1851  Unterricht  Director  St.  Czikanek,  Fl.  Kraus,  Dr. 
L.  Zink,  Edm.  Wild  mann,  R  up,  Pohl,  J.  C.  S  1  ab  y ,  O.  TeuffI, 
P.  Dworsky,  A.  Nagel,  D.  Pulbrabek,  S.  Boes,  M.  Kolars- 
ky,  Chr.  Stefan,  in  den  nicht  obligaten  Fächern:  Frdr.  Jäger, 
Eng.  Heyzdlar,  J.  Hilbert,  Frz.  Blatt,  J.  Malypeter.  — 
Der  am  20.  Mai  1852  zum  Katholicismus  übergetretene  ,  frühere  aufser- 
ordentliche  Prof.  an  der  Universität  Jena,  Dr.  Bippart,  ist  an  der 
hiesigen  Universität  angestellt  worden  und  wird  wahrscheinlich  über 
griechische  und  deutsche  Litteratur  lesen. 

Ragüsa.  Lehrkörper  des  k.  k.  Obergymnasiums  im  Schulj.  1851: 
Director  Tom.  Tvartko,  Dr.  G.  Pull  ich  (Weltpriester),  Gl.  De- 
polo,  F.  S.  Villina,  U.  Stanich,  G.  Petris,  A.  Perco,  P. 
Gagghini,  G.  de  Bartoli,  C.  Körnig  (weltlich). 

RoVERETO.  Den  Lehrkörper  am  Lycealgymnasium  bildeten  wäh- 
rend des  Schulj.  1851  die  ordentlichen  Lehrer:  Schulrath  P.  Orsi 
(Director),  S.  Bertanza,  L.  Filippi  (weltl.).  Fr.  Fiorio,  Cl. 
Lutteri,  Fr.  Pisoni,  L.  Sonn,  die  Supplenten  L.  BenvenutI 
(weltl.),  A.  Colö,  Jos.  PederzollI  (seitdem  zum  wirklichen  Gym- 
nasiallehrer befördert,  s.  Bd.  LXVI  S.  213),  Ag.  Tambosi,  B.  Ven- 
turini,   die  Nebenlehrer  Fr.  Hub  er  und  P.  Andreis   (weltl.). 

RzEszow  (in  Gallizien).  |Am  dasigen  k.  k.  Gymnasium  bestand, 
nachdem  der  Director  Jos.  Bieleczky  pensioniert  und  der  Lehrer 
C  Lozinski  an  das  Tarnopolor  Gymnasium  versetzt  worden  waren, 
am  Schlufse  des  Schulj.  1851  der  Lehrkörper  aus  dem  Dir.  Joh.  Da- 
szkiewicz,  Katech.  Joh.  Zwo!  ins  ki,  und  den  Lehrern  T.  Hrdi- 
na  S.  Timinski,  F.  Pohorecki,  M.  Baranowski,  E.  Wid- 
mann, St.  Olszewski,  A.  Sol  t  ikie  wicz.  Als  krank  beurlaubt 
waren  der  wirkliche  Religionslehrer  S.  Dobiecki  und  der  Lehrer 
K.  Wodak. 


Todesfall. 


Am  28.  December  1852  starb  in  Wien  der  k.  k,  Staatskanzleirath  Dr. 
C.  E.  Jarcke  (geb.  10.  October  1801  zu  Penzing),  Verfafser  des 
1824  in  Bonn  erschienenen  Buches:  'Versuch  einer  Darstellung 
des  censorischen  Strafrechts  der  Römer'  und  vieler  publicistischen 
Schriften. 


NEUE 

JAHRBÜCHER 

FÜR 

PHILOLOGIE  UND  PAEDAGOGIK. 


Begründet 

von 

M.  Johann  Christian  Jahn. 

Gegenwärtig  herausgegeben 
von 

Reinhold  Klotz  Rudolph  Dletsch 

Professor   in    Leipzig  Professor   in   Grimma 

und 

Alfred  Fleckeisen 

Gymnasiallehrer   in    Dresden. 


Siebenundsechzigster  Band.     Zweites  Heft. 


Ausgegehen  am  18.  Februar  1853. 


^^ 


Leipzig, 

Druck    und  Verlag   von   B.  G.   Teubner. 
1953. 


Kritische  Benrtheilnngen. 


Geschichte  der  homerischen  Poesie  von  Julius  Franz  Lauer.  Er- 
stes und  zweites  Buchi  Nebst  Bruchstücken  homerischer  Studien. 
Berlin  1851.  Druck  und  Verlag  von  G.  Reimer.  XVI  u.  324  S. 
gr.  8. 

Unter  diesem  Titel  sind,  wie  die  Vorrede  berichtet,  Arbeiten 
eines  in  der  Blüte  seiner  Jahre  verstorbenen  Gelehrten  von  zweien 
seiner  Freunde ,  den  Hrn.  Theodor  ßeccard  und  Martin  Hertz, 
herausgegeben  worden.  Die  ersten  zwölf  Bogen  waren  beim  Tode  des 
Verfafsers  schon  gedruckt.  Sie  umfafsen  die  Einleitung,  das  ganze 
erste  und  den  gröl'slen  Theil  des  zweiten  Buches  der  Geschichte  der 
homerischen  Poesie,  also  ungefähr  die  Hälfte  dieses  ganzen  Werkes. 
Dasselbe  war  nemlich  auf  vier  Bücher  berechnet.  Das  dritte  und  vierte 
Buch,  welche  den  epischen  Cyclus  und,  wie  sich  die  Vorrede  (S,  XII) 
ausdrückt,  'die  Gesciiichte  der  homerischen  Dichtungen'  enthalten 
sollten,  diese  beiden  Bücher  konnten  die  Herausgeber  nicht  liefern, 
weil  sie  nur  in  andeutungsweiser  Bearbeitung  für  den  akademischen 
Vortrag  vorlagen.  Das  zweite  Buch  dagegen  w  ard  zum  Abschlufse  ge- 
bracht; aufser  einigen  Blättern  druckfertigen  3Ianuscripls  (S.  177 — 21l) 
standen  den  Herausgebern  zwei  ungedruckte  hierher  bezügliche  Auf- 
sätze des  Verfafsers  zu  Gebote,  welche  Lauer  selbst  bereits  zum 
Theil  in  sein  Werk  verarbeitet  hatte  und  weiter  in  dasselbe  verarbei- 
tet haben  würde.  Die  Herausgeber  selbst  haben  nach  ihrer  Versiche- 
rung weder  'Veränderungen  vorgenommen'  noch  'Lücken  zugedeckt' 
(S.  XII). 

Die  'homerischen  Studien'  sollten  nach  der  Absicht  des  Ver- 
fafsers zehn  Aufsätze  umfafsen.  Zu  allen  war  3Iaterial  vorhanden,  hier 
und  da  war  die  Ausführung  begonnen;  druckferlig  erschien  nur  der 
zweite:  'lieber  die  Bekanntschaft  Homers  mit  dem  nördlichen  Euro- 
pa' (im  Druck  Nr.  4),  und  ein  Bruchstück  des  siebenten,  das  den 
Odysseus  bei  Sophokles  zum  Gegenstande  hat  (im  Druck  Nr.  3).  Doch 
niufs  auch  in  Bezug  auf  den  zweiten  Aufsatz  erinnert  werden,  dafs  er 
in  seiner  jetzigen  Gestalt  vier  Jahre  vor  Lauers  Tode  niedergeschrie- 
ben ist,  und  dafs  derselbe,  wie  die  Herausgeber  vermulhen,  in  einem 
oder  dem  andern  Punkte  wohl  später  seine  Ansicht  geändert  hat.  Die- 
sen beiden  Aufsätzen  sind  von  den  Herausgebern  zwei  andere  beige- 
fügt worden,  die  'zwar  Bruchstücke  eines  CoUegienheftes   über  die 

A.  Jalirb.f.  I'/til.  u.  Paed.  Bd.  LXVlI.  Hß.  3.  16 


242  Lauer ;  Gcscliichle  der  homerischen  Poesie. 

Oilysseiissage  aber  von  so  eigenfhiimlicher  Aiiffarsung;'  sind,  daTs  die 
Hcrauso^eber  'ihren  Abdruck  ghiublcn  verantworten  zu  dürfen.'  Diese 
beiden  Aufsätze  behandeln  die  Volkssage  vom  Odjsseus  und  den  lio- 
meridchcn  Charakter  desselben. 

Aufser  dem  bisher  genannten  war  in  Lauers  Nachlafs  noch  eine 
Menge  von  Heften,  Aufsätzen,  Excerpten,  Collectaneen  über  fast  alle 
Punkte  der  homerischen  Frage  vorhanden.  Dafs  alle  diese  Arbeiten 
auch  nicht  druckfertig  waren,  sagen  die  Herausgeber  nicht;  schlie- 
fsen  kann  man  es  aus  dem  Umstände,  dafs  sie  nicht  mit  gedruckt  sind; 
obgleich  es  nicht  recht  klar  erscheint,  warum  nicht  wenigstens  ein 
Verzeichnis  der  homerischen  Litteratur,  welches  die  Herausgeber  na- 
mentlich hervorheben,  und  von  dem  sie  sagen  (S.  XIV),  es  sei  über- 
aus reich  und  sorgfältig  und  lafse  die  gänzliche  Unzulänglichkeit  des 
Nettoschen  Versuchs  auf  den  ersten  Blick  erkennen,  warum  nicht  we- 
nigstens dieses  Verzeichnis  hätte  für  druckferlig  gelten  können.  Dem 
sei  wie  ihm  wolle,  alle  diese  Papiere  sind  der  Berliner  Universitäts- 
bibliothek geschenkt  worden,  und  die  Herausgeber  wünschen,  ^dafs 
geschickte  Hände  diesen  Schatz  heben,  dafs  vor  allem  der  Geschichte 
der  homerischen  Poesie  ein  gleich  fähiger  und  gleich  eifriger  Fort- 
setzer erstehn  möchte.' 

Diese  Aeufserungen  und  überhaupt  die  ganze  Vorrede  geben  le- 
bendiges Zeugnis  von  der  Verehrung,  welche  die  Herausgeber  für  den 
Vcrfafser  hegen.  Sie  rühmen  ihn  nicht  weniger  als  Menschen  wie  als 
Gelehrten.  Das  ist  natürlich  und  schön.  Für  die,  welche  den  persön- 
lichen Umgang  des  Verfafsers  nicht  genofsen,  existiert  derselbe  na- 
türlich nur  insoweit,  wie  er  in  seinen  veröffentlichten  Arbeiten  sich 
zeigt.  Was  den  Schreiber  dieses  betrifft,  so  hat  er  weder  Hrn.  Lauer 
noch  seine  Hrn.  Herausgeber  anders  als  von  Angesicht  kennen  gelernt, 
obschon  er  wie  sie  ein  Schüler  Lachnianus  war.  Doch  wird,  denke 
ich,  dieses  Verhältnis  der  Beurtheilung  des  Buches  gerade  keinen 
Eintrag  thun,  wie  in  ihm  denn  auch  allein  die  Gründe  liegen,  aus  denen 
ich  mich  zur  öffentlichen  Beurtheilung  desselben  verstanden  habe. 

Das  Augenmerk  ist  bei  dieser  Beurtheilung  hauptsächlich  auf  die 
Geschichte  der  homerischen  Poesie  zu  richten;  mit  den  kleineren  Auf- 
sätzen läfst  sich  nicht  viel  machen. 

Der  erste  von  ihnen,  über  die  Volkssage  vom  Odysseus,  führt 
aus,  dafs  die  alte  Bevölkerung  llhakas  aus  Lelegern  bestand,  von 
denen  eine  Colonie  nach  der  Westküste  Kleinasiens  und  nach  Samos 
hinübergegangen  sei,  dafs  die  Sage  vom  Odysseus  nicht  allein  diesen 
Lelegern  angehörte,  sondern  auch  andern  Stämmen,  dafs  diese  andern 
Stämme  die  Sage  anders  ausbildeten  als  die  mit  der  Seefahrt  be- 
schäftigten Leleger,  dafs  schon  frühe  bei  diesen  Lieder  vom  Odysseus 
gemacht  wurden,  dafs  aber  in  diesen  Liedern  Odysseus  noch  nicht 
mit  dem  troischen  Kriege  in  Verbindung  gebracht  war,  dafs  unsere 
homerischen  Dichtungen  vom  Odysseus  zwar  auf  der  Grundlage  die- 
ser alten  lelegischen  Lieder  gemacht  seien,  woraus  die  Treue  in  der 
Schilderung  ithakesischer  Localitäten  erklärt  werden  könne,  dafs  un- 


Lauer:  Gescliiohlc  der  liomorisclieii  Poesie.  243 

ser  Homer  selbst  aber,  wie  aus  der  Masse  des  iil)erlieferteii  liisto- 
risch  feststehe,  auf  der  W  estkiisle  Kleinasieus  gedichtet  sei,  und  zwar 
nicht  von  einem,  sondern  von  melireren  zu  Innungen  vereinigten  üieh- 
tern;  zwei  solcher  Innungen  liel'sen  sich  nachweisen,  die  Homeriden 
auf  Chios  und  die  Kreopiiylier  auf  Samos.  Auf  diese  letzlere  Be- 
hauptung werden  wir  weilerliin  zuriiekliommen  niiirsen,  und  auch  auf 
die  vorhomerische  Gestall  der  Üdysseussage  diirrie  anderswo  einzu- 
gehn  sein;  daher  will  ich  für  jclzl  nur  im  allgemeinen  darauf  hinwei- 
sen, dafs  einzelnen  ßehauptungen  die  enlgegengeselzlen  mit  demselben 
Kechte  gegenübertrclen  können,  wie  z.  B.  ebenso  gut  angenonnnen 
werden  kann,  dal's  die  Leleger  von  Asien  nach  Europa  kamen,  wie 
mit  dem  Verf.  S.  247,  dafs  sie  von  Europa  nach  Asien  wanderten, 
und  dafs  einige  andere  Behauptungen  entweder  geradezu  falsch,  oder 
wenigstens  sehr  unglücklich  ausgedrückt  sind,  wie  z.  B.  die,  aus  der 
Masse  des  Überlieferlen  stehe  es  historisch  fest,  dafs  llias  und  Odyssee 
von  mehreren  üichlern  herrührten,  S.  257. 

Der  zweite  Aufsalz,  über  den  homerischen  Charakter  des  Odys- 
seus,  und  der  dritte,  Odysseus  bei  Sophokles,  gehn  darauf  aus,  den 
Odyssens  von  allen  Vorwürfen  zu  befreien,  die  man  ihm  in  Hinsicht 
auf  seinen  Charakter  etwa  machen  könnte,  und  zu  zeigen,  dafs  So- 
phokles wie  Homer  den  Odysseus  durchaus  rein  und  edel  auffafsten. 
Ich  fürchle,  dafs  der  Verf.  hier  etwas  zu  weit  gegangen  ist.  Wenn 
er  behauptet ,  Odysseus  sei  ein  griechisches  Ideal  eines  vollendeten 
Mannes,  so  mag  er  Hecht  haben.  Aber  das,  was  in  moralischer  Be- 
ziehung die  schwache  Seite  des  griechischen  Nalioualcharakters  bil- 
det, das  ist  denn  eben  auch  bei  Odysseus  zu  finden.  Wie  kein  Volk 
im  ganzen,  so  ist  auch  kein  einzelner  von  allen  Fehlern  frei;  und  so 
darf  es  denn  auch  in  der  Kunst  der  idealisierte  Held  nicht  sein,  weil 
das  Ideal  sonst  unnatürlich  wird.  Mit  um  so  gröfserer  Seelenruhe  kann 
man  eingestehn,  dafs  Odysseus  auch  bei  Homer  und  Sophokles  eine 
Seite  habe,  die  wenigstens  zum  schlechten  hinneigt.  Aus  allen  die- 
sem Zugeständnis  enlgegenarbeilenden  Deductionen  leuclitet  die  Wahr- 
heit nur  desto  heller  hervor.  Und  wenn  man  nun  gar,  wie  der  Verf. 
S.  268  thut,  um  des  Odysseus  Keuschheit  und  eheliche  Treue  zu  be- 
weisen, sich  darauf  beruft,  dafs  wenigstens  von  Odysseus  erzeugte 
Kinder  Kirkcs  und  Kalypsos  nicht  vorkämen,  so  erhält  die  Deduction 
einen  Anstrich  vom  komischen.  Was  den  Grundzug  im  Charakter  des 
Odysseus  betrifft,  die  List,  so  vermifst  man  alle  Berücksichtigung  Ari- 
starchs ,  welcher  in  der  llias  Diplen  setzte,  ort  xo  öohov  xov  ^'jQCOog 
xal  öia  rovzav  deiuwrai,  offenbar  TtQog  rovg  y^aqi'^ovxag.  Gleicher- 
weise ist  Aristarch  nicht  berücksichtigt  in  der  Schilderung  von  Odys- 
seus Wettlauf  bei  den  Leichenspielen  des  Patroklos,  S.  261.  Hier  sagt 
der  Verf.,  Athene  habe  dem  Odysseus  die  Glieder,  Füfse  und  Hände 
leicht  gemacht,  Aristarch  hat  aber  mit  Recht  dem  Verse  ^772  yvla  d' 
k'&tjiiev  iXcccpQa,  noöag  %al  %EtQag  v7tEQ&ei>  Obelos  und  Asteriskos  ge- 
geben, ort  im  JtOfxt'jöovg  (£122)  OQ&cog  ixiraKro,  iinavd'a  ds  oXi- 
yia  XeLTtexat  xov  Avavxog.    ei  ovv  ro  yvla  iXacpqa  i7iou]6ev,  ivUa  av 

10  + 


244  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

Ttavrcog.  ■TfQog  xi  ovv  xov  Aiavxa  KarißaXsv;  Des  Verf.  Schihleniiig' 
ist  warm  und  lebendig,  aber  wer  sich  an  die  Athetese  erinnert,  den 
wandelt  mit  den  leichtgemachten  Füfsen  wohl  aucli  ein  Lächeln  an. 
Und  so  vermifst  man  den  in  beiden  Aufsätzen  gar  nicht  erwähnten 
Arisfarch  noch  öfter,  während  x.  B.  lamblicbos  S.  262  und  Alkidamas 
S.  270  citiert  werden.  —  S.  265  werden  ein  paar  Handlungen  des 
Odysseus,  von  denen  Homer  nichts  weifs,  so  aufgeführt,  als  wil's« 
Homer  von  ihnen,  z.  B.  die  durch  Odysseus  betriebene  Opferung  der 
Iphigenie;  Aristarch  ist  dergleichen  nicht  begegnet,  wir  finden  bei 
I  145  eine  Diple  ort  ovk  oiÖe  xtp>  Tiaga  xotg  vecoxEQOig  Gcpayr^v  Irpi- 
yevslag.  —  S.  269  wird  nicht  ohne  Sentimentalität  der  schmerzlichen 
Thränen  der  Kührung  gedacht,  welche  Odysseus  beim  Anblicke  seines 
sterbenden  und  ihn  wiedererkennenden  Hundes  vergiefse.  Man  mag 
die  Schilderung  für  schön  erklären,  aber  so  viel  iat  gewis,  dafs  der 
Hund  nicht  stirbt,  als  Odysseus  ihn  erblickt  und  weint,  sondern  dafs 
er  sich  da  ganz  leidlich  belindet  und  erst  nachher  stirbt,  vor  Freude, 
wenn  überhaupt  die  beiden  Verse,  in  denen  der  Tod  des  Hundes  hin- 
zugefügt wird,  Q  326.  27,  für  echt  gelten  sollen.  Den  Zusammenhang 
stört  ihre  Entfernung  nicht.  Lachmann  behauptete  gesprächsweise  ge- 
gen mich  entschieden  ihre  Unechtheit ,  und  als  ich  ihm  das  rührende 
der  Sache  vorrückte,  sagte  er  lachend:  'Ach,  warum  soll  er  denn 
aber  sterben?  Lafsen  Sie  doch  den  alten  Köter  auf  seinem  Mist!* 

Was  insbesondere  Sophokles  Auffafsung  des  Odysseus  betrifft, 
so  behauptet  der  Verf.  von  allen  den  Stücken ,  von  denen  wir  in  Be- 
IrefT  dieser  Auffafsung  nichts  oder  so  gut  wie  nichts  wifsen,  und  das 
ist  die  Mehrzahl,  Sophokles  könne  in  ihnen  den  Odysseus  unmöglich 
anders  geschildert  haben  als  er  im  Homer  erscheine  oder  in  den  an- 
derweitig uns  überlieferten  Sagen.  Der  Werth  solcher  Beweisführung 
ist  nicht  über  allen  Zweifel  erhaben.  Ich  denke,  wenn  wir  in  Bezug 
auf  die  Auffafsung  des  Odysseus  den  Sophokles  in  die  Mitte  zwischen 
die  Art  des  Homer  und  die  des  Euripides  stellen,  so  werden  wir  we- 
nig fehlen. 

In  dem  vierten  und  letzten  der  kleineren  Aufsätze,  über  die  an- 
geblichen Spuren  einer  Kenntnis  von  dem  nördlichen  Europa  im  Ho- 
mer, wird  unter  einer  grofsen  Menge  von  alten  tmd  neuen  Schrift- 
stellern auch  Aristarch  berücksichtigt,  aber  deutlich  zeigt  es  sich  auch 
dabei,  dafs  der  Verf.  ihn  nicht  sonderlich  werlh  hält.  Man  sehe  nur, 
was  er  S.  304  von  ihm  sagt.  Es  handelt  sich  um  die  bekannte  Stelle 
von  dem  austreibenden  und  eintreibenden  Hirten  bei  den  Laistrygonen, 
und  es  soll  angegeben  werden,  wie  die  Allen  erklärten,  dafs  dort  die 
Rinder  bei  Rückkehr  der  Schafe  zur  Weide  gebracht  würden.  *Die 
Alten  behaupteten,'  heifst  es  nun  also  *  bei  Leoiilinoi  auf  Sicilien  — 
denn  dorthin  setzten  sie  die  Laistrygonen  —  seien  so  viele  Bremsen, 
dafs  man  die  durch  ihr  Fell  geschützten  Schafe  bei  Tage,  die  Rinder 
dagegen  Nachts  auf  die  Weide  jage.'  Und  dazu  wird  folgende  An- 
merkung gegeben:  *  Schol.  B  x.  85.  Seh.  Vulg.  86.  Eusfath.  I.  1.  fp. 
1649,  16j.    Ob  diese  Erklärung  von  Aristarch  sei,   ist  zweifelhaft,  da 


Lauer:  Gosdiiclilo  der  homerischen  Poesie.  245 

er  tleu  sktotciö^os  (Welcker  Kl.  Sehr.  II,  50  f.)  annahm.'  In  keiner 
der  cilierten  Stellen  verlautet  von  Aristareli  auch  nur  das  mindeste. 
Also  der  Verf.  glaubt,  man  dürfe  ohne  Noth  die  Conjectur  machen, 
eine  so  triviale  Krklärun^  könne  >vohl  vom  Aristarch  herrühren,  er 
hat  im  vorlic<Jienden  Falle  kein  anderes  Bedenken,  als  dafs  Aristarch 
den  Ektopismos  annahm.  Andere  würden  dem  ausdrücklichen  Zeug- 
nisse von  zehn  Scholiasten  gegenüber  in  solcher  Saciie  noch  sehr 
starke  Zweifel  hegen.  —  lieber  die  homerische  Bedeutung  des  Wor- 
tes fiijla  wird  S.  296  auf  Aristarch  und  Lehrs  verwiesen,  kurz  vorher 
aber  in  BctrelT  der  Ausdrücke  wie  iTtTtoi  ßovxoXiovro,  vizraq  icovo- 
%o£L  nur  auf  eine  ganze  Schaar  neuerer  Philologen,  unter  ihnen  mit 
Beehl  gefeierte  Name«,  die  aber  hier  durch  die  Berufung  auf  den  gro- 
fsen  Alten  vollkommen  überllüfsig  gemacht  sein  würden.  Denn  Ari- 
starch hat  ja  eine  ganze  Heihe  von  Diplen  gesetzt  ort  vvv  fieu  xara- 
1Qr]6xiK(og  to  ÖELra,  und  so  eine  stand,  wie  die  aus  dem  Alterthuni 
«rhalteuen  Notizen  lehren,  auch  in  der  vom  Verf.  behandelten  Stelle 
des  K  bei  Vers  82.  Freilich  ist  dieser  Gegenstand  nicht  wie  die  /.lijXa 
in  einem  eignen  Artikel  de  y.ccxaxqi!i(iit,y.ag  dictis  bei  Lehrs  abgehan- 
delt. —  Zu  der  Classe  der  eben  genannten  übertragenen  Ausdrücke 
rechnet  der  Verf.  auch  das  Bovyio}Jcov  ■Koiiicdviov  Z25;  aber  das  ist 
kein  übertragener  Ausdruck,  sondern  es  wird  von  einem  Individuum 
Namens  Bukolion  erzählt,  dafs  er  die  Schafe  weidend  sich  mit  einer 
Nymphe  in  Liebe  vermischte,  noL^aivcov  d'  etc  öeaat  ^uyyj  (pU6r)]ri 
y.al  evvy;  der  Verf.  bat  den  Eigennamen  BovxoXl(ov  mit  ßovxoXog  oiar 
ßovKolifov  vervvechcelt.  Da  hätten  wir  also  eine  Art  von  Gegenstück 
%ü  der  Geschichte  mit  Berisos.  —  Mit  einem  grofsen  Aufwände  von 
(ielehrsamkeit  ist,  wie  schon  bemerkt,  der  Aufsat/,  geschrieben;  der 
Verf.  gibt  stellenweise  nur  vier  bis  sechs  Zeilen  Te.\t  und  darunter 
gelehrte  Anmerkungen,  und  unter  und  zu  diesen  Anmerkungen  wieder 
Anmerkungen,  es  werden  Olaus  Rudbeck,  Fraguier,  Baudelot,  Jean 
Boivin  le  Cadet  und  eine  Menge  anderer  Autoren  aus  entschlafener  Zeit 
citiert.  Aber  wir  müfsen  bezweifeln,  dafs  solche  Citationen  den  ho- 
merischen Studien  unserer  Tage  in  irgend  etwas  nützen,  und  hätten 
es  lieber  gesehn,  wenn  der  Verf.  sich  blofs  an  den  Homer  selbst,  an 
die  alten  Kritiker  und  an  ein  eignes  gesundes  und  gebildetes  Urtheil 
gehalten  hätte.  Bei  diesem  Verfahren  würde  er  unseres  Erachtens  iu 
der  Hauptsache  noch  mehr  geleistet  und  nebenbei  auch  solche  Aben- 
teuerlichkeiten vermieden  haben ,  wie  z.  B.  S.  301  die  Behauptung, 
der  Vers  7  177  müfse  für  unecht  gelten,  weil  er  das  Wort  niUv&a 
nicht  am  Ende,  sondern  in  der  Mitte  habe,  und  dieser  Vers  werde 
einfach  zu  streichen  sein,  was  nichts  anderes  heifsen  kann,  als  dafs 
er  TCEQitrog  sei.    Die  Stelle  lautet  so: 

r,Tio(iev  ös  &eov  (privai  rigag  •  avtaQ  6  y   rjfiiv 
ÖEi^E^  nal  rjvayEt  niXayog  (isöov  Eig  Evßoiav 
XE^VELV^  ocpQ«  xa'iLöxa  vnEK  aay.oxijxa  cpvyoi^Ev. 
fOQXo  d    ETtl  Xiyvg  ovQog  a^iiEvac    at  8e  fiaX  coxu 
177  l'/^d^voEvxa  keXev&k  öiiöqaiiov  ig  ös  FEQCdaxov 


246  Lauer:  Geschichte  der  hoiuerischeii  Poesie. 

Ivx'vxicd  Kcnayovro'  IlQGEiScicoi'i-  6e  ravocoi> 
jröA^'  inl  ^iJQ  l'&e^ev,  ntkayog  ^iya  ^etQ'}]6avTeg. 
Wer  da  sagt,  dafs  in  dieser  Stelle  der  Vers  177  '  einlach  gestrichen' 
Verden  könne,  der  legt  damit  gewis  kein  allzu  günstiges  Zeugnis 
iiher  seinen  kritischen  Takt  oder  seine  Besonnenheit  ab.  Olfenbar  ist 
der  Verf.  zu  seiner  Behauptung  durch  die  bekannte  Observation  von 
Lehrs  über  die  Stellung  von  anijVQa  verleitet  worden.  Diese  Obser- 
vation führt  er  gleich  nachher  an.  Auf  sie  gestützt  gibt  er  die  ganze 
Stelle  um  6  646  für  *  zweifelhaft  und  jüngeren  Ursprungs'  aus.  Aber 
da  mufs  man  ihm  gleich  wieder  entgegentreten.  Wenn  man  solche 
Kriterien  des  unechten  aufstellen  dürfte,  so  würde  es  ein  leichtes  sein, 
die  Unechlhcit  des  ganzen  Homer  zu  erweisen.  Und  was  insbeson- 
dere die  Stelle  6  646  betrifft,  und  die  ganze  Partie  zu  der  sie  gehört, 
so  erdreiste  ich  mich  zu  behaupten,  dafs  diese  bekanntlich  auch  von 
andern  angefochtene  Partie  so  echt  sei  wie  irgend  etwas  im  ganzen 
Homer. 

Mehr  als  diese  kritischen  Uebercilungen  des  Verf.  misfallen  einige 
Aenfserungen  desselben  über  andere  Gelehrte.  Den  einen  fertigt  S. 
302  folgende  nicht  gerade  feine  Anmerkung  ab :  '  Färber  (Berliner 
Jahrb.  1844.  März.  Nr.  58  S.  462)  hat  unter  anderm  auch  dies  nicht  ge- 
"svufst  '  Dafs  Färber  vieles  nicht  gewufsl  hat,  gebe  ich  zu,  aber  jeder 
von  uns  weifs  vieles  nicht,  auch  Lauer  hat  vieles,  selir  vieles  nicht 
gewufst,  und  hätte  ohne  Zweifel  heiser  gelhan,  wenn  er  jenen  über- 
haupt erwähnen  wollte,  seine  Rüge  in  anderer  Form  auszusprechen. 
Wer  andere  so  kurz  und  ohne  Nachweis  abfertigt,  scheint  der  nicht 
gegen  sich  selbst  eine  schonungslose  Kritik  herauszufordern?  Ganz  in 
derselben  Art  sagt  der  Verf.  S.  307  ganz  ohne  Beweis,  dafs  Bode 
Gottfried  Hermann  etwas  'nachgeschrieben'  habe,  und  S.  299  wird 
gar  der  todte  Klausen  ohne  Beweis  geradezu  des  Plagiats  beschuldigt, 
Anm.  27:  '  Uebrigens  hat  Klausen  seine  Etymologie  von  dem  Englän- 
der (Note  23),  den  er  aber  nicht  nennt.'  Als  wenn  nicht  zwei  Men- 
schen unabhängig  voneinander  auf  dasselbe  kommen  könnten!  Und 
nun  gar  einem  achtbaren  Manne,  einem  todten  gegenüber  eine  solche 
Beschuldigung  in  solcher  Weise!  Wir  nehmen  zu  Lauers  Ehre  an, 
was  die  Herausgeber  vielleicht  hätten  anmerken  dürfen,  dafs  er  noch 
bei  der  letzten  Durchsicht  der  Arbeit  vor  dem  Druck  dergleichen 
Aeufserungen  entfernt  haben  w  ürde. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  dem  Hauptwerke  des  Verf.,  der  Ge- 
schichte der  homerischen  Poesie. 

Das  erste,  was  wir  wahrnehmen,  ist  leider  wiederum  jene  schon 
bemerkte  Misachtung  Aristarchs.  Was  wäre  Homer  ohne  Aristarch? 
Und  was  will  ein  Studium  Homers  bedeuten,  welches  sich  über  Ari- 
starch hinwegsetzt? 

Die  Einleitung  des  Lauerschen  Werkes  versucht  die  Stellung  zu 
schildern,  welche  Homer  im  griechischen  Leben  einnahm,  den  Einllufs, 
den  er  auf  das  Privat-  und  Staatsleben,  die  Religion,  die  Kunst,  dio 
WJfscnschaft  ausübte. 


Lauer:  Gcscliiclilc  der  liomerisclieii  Poesie.  247 

Ich  kann  mir  nicht  vorslelleii ,  wie  man  bei  diesem  Thema  schö- 
ner unzuhebcii  veniiöciite,  als  mit  einer  Vorluhriing  der  Keilie  von 
Diplen,  welche  Arislarch  Ttfjog  tovl,"  vbmteijov^  ji^eselzt  hat.  Da  er- 
scheint zuvörderst  Hesiodos,  das  andere  ehrwürdige  llaui)t;  es  weist 
sich  aus,  dafs  er  jünger  war  als  Homer,  dais  er  a»  vielen  Stellen  den 
Homer  vor  Augen  halle;  dann  kommen  in  langem  Zuge  die  Kykliker, 
die  Lyriker,  die  Tragiker,  die  Logographen,  die  Maler  und  Bildhauer, 
die  früheren  Ausgaben  und  die  ältesten  Interpreten  von  Fach,  die  Glos- 
sographen;  hier  und  da  sieht  man,  wie  aus  einer  verstandenen  oder 
misverslaudcnen  Stelle  im  Homer  ganze  lange  Sagen  und  Geschichten 
sich  hcrvorbildetcn ;  ganz  Griechenland  zeigt  sich  mit  der  Interpreta- 
tion des  '^  I)i(;hters*  beschäftigt  und  von  ihm  abhängig,  die  ganze  gei- 
slige  Arbeit  der  Nation  erscheint  als  eine  P'orfsetzung  Homers;  und 
über  alles  waltet  der  Genius  Aristarchs,  die  personilicierte  Kritik, 
ordnend,  schlichtend,  zurückweisend. 

Dieses  uns  durch  Aristonikos  erhaltene ,  von  Meislerhand  in  alter 
Zeit  aus  dem  Ganzen  und  auf  kritisch  sicherem  Grunde  gemalte  Bild 
würde  ungleich  treuer  sein,  einen  ungleich  frischem  und  lebendigem 
Eindruck  machen  als  alle  3Iosaikarbeit,  die  wir  heutzutage  mit  Beiseile- 
lafsung  Aristarchs  aus  den  zusammengesuchlen  Notizen  aller  möglichen 
Autoren  aller  möglichen  Zeilen  zu  liefern  im  Stande  sind.  Nicht  als 
üb  ich  diese  andern  Nachrichlen  sammt  und  sonders  verachtete;  man 
kann  durch  sie  Aristarchs  Darstellung  sehr  passend  erweitern  und 
mehr  ins  einzelne  ausführen.  Dazu  gehört  freilich  einiges  Geschick 
in  der  Darstellung;  aber  gerade  solches  Geschick  rühmen  ja  die  Her- 
ausgeber (Vorr.  S.  XI)  an  Lauer  so  sehr.  Hier  konnte  er  es  glänzend 
bewähren. 

Und  setzen  wir  den  Fall,  wir  könnten  bei  diesem  Gegenstande 
ohne  Aristarch  ganz  ebenso  weit  kommen  wie  mit  ihm,  so  würde  es 
doch  nur  ein  Tribut  schuldiger  Achtung  sein,  diesen  Mann  als  ein  rrj- 
lavyeg  TtQoGccmov  an  den  Eingang  zu  stellen.  Solchen  Beweis  von 
Achtung  hat  der  Verf.  einem  nach  seiner  Versicherung  unbedeutenden 
Schriftsteller  gezollt,  dem  Petrus  Candidus  Decembrius,  welchen  er 
S.  81  nur  ^ehrenhalber'  als  den  ersten  nennt,  welcher  unter  den 
neuern  eine  vi ta  Uomeri  verfafst  habe;  Aristarch  dagegen  nnifs  sich 
begnügen  beiläufig  S.  87  unter  den  'einsichtigen  3Iännem*  aufgezählt 
zu  werden,  die  den  e%xonL6^i6g  annahmen. 

Indem  ich  nicht  umhin  kann  die  Stellung  zu  misbilligen ,  welche 
unser  Verf.  demjenigen  gegenüber  einnimmt,  auf  dessen  Schullern 
unsere  ganzen  homerischen  Studien  ruhn ,  gehe  ich  doch  keineswegs 
so  weit,  dem  vorliegenden  Abschnitte  des  Werkes  allen  Werth  abzu- 
sprechen. Ich  erkenne  gern  an,  dafs  Lauer  hier  mehr  geleistet  hat, 
als  vor  ihm  geleistet  worden ,  dafs  er  eine  für  gew  öhnliche  Zwecke 
brauchbare  und  für  manchen  gewis  sehr  erwünschte  Zusammenstellung 
gibt,  dafs  dieser  Abschnitt,  alles  im  ganzen  betrachtet,  als  der  beste 
seines  Buches  angesehn  werden  darf. 

Aber  im  einzelnen  will  ich  noch  an  ein  paar  Beispielen  zeigen, 


248  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie, 

wie   sich    die    Vernachläfgigung   Aristarchs   und    der   Venelianischen 
JScholien  am  Verf.  gerächt  hat. 

Für  die  griechischen  Colonien  hatte  Homer  eine  ganz  besondere 
Bedeutung,  Es  ist  nicht  ohne  Grund,  dafs  gerade  Massalia,  Sinope, 
Kypros,  diese  äufsersten  Centralpunkte  griechischen  Lebens,  so  gro- 
Ises  Gewicht  auf  den  Dichter  legten  und  eigne  Ausgaben  desselben 
lieferten,  wie  aufser  ihnen  bekanntlich  nur  noch  vier  Districte  Grie- 
chenlands, nicht  ohne  Grund,  dafs  in  Borysthenis  noch  zur  Zeit  des 
Dio  Chrysostomus  fast  jeder  die  Ilias  auswendig  konnte  und  alle  den 
Homer  beinahe  allein  für  einen  Dichter  hielten,  Dieser  Gegenstand 
halte  einen  eignen  Abschnitt  verdient;  Lauer  berührt  ihn  mit  keiner 
Silbe;  er  wäre  ihm  schwerlich  entgangen,  wenn  er  die  Schollen  mit 
ihren  Citationen  aus  der  MuGöaXccorcm'j  und  den  andern  tleifsiger  zur 
Hand  gehabt  hätte. 

Ebenso  hat  der  Verf.  S,  23,  wo  von  der  Einwirkung  Homers  auf 
die  nachfolgende  epische  Poesie  der  Griechen  die  Rede  ist,  den  He- 
siodos  durchaus  vernachläfsigt.  Und  doch  ist  es  von  der  gröfsten 
Dichtigkeit,  dafs  gleich  der  dem  Homer  am  nächsten  stehende  Dichter 
in  so  mancher  Stelle  seine  Kenntnis  Homers  verräth.  Aber  befriedi- 
gend läfst  sich  das  Verhältnis  zwischen  beiden  nur  dann  erörtern, 
wenn  man  die  Diplen  Arislarcbs  zu  Grunde  legt;  wer  blofs  unscrn  Text 
des  Hcsiodos  mit  den  hesiodeischen  Schollen  im  Auge  hat,  tluit  aller- 
dings befser,  wie  der  Verf.  den  Hesiodos  gar  nicht  zu  nennen. 

Den  Zojlos  betrachtet  der  Verf.  sicherlich  mit  zu  günstigen  Augen. 
Er  sagt  von  ihm  S.  39:  'Der  lebhafte  Widerspruch,  den  die  in  dieser 
Schrift  geübte  Kritik  fand,  dürfte  dafür  sprechen,  dafs  sie  nicht  so 
ganz  unbegründet  war;  dafs  sie  wirklich  vorhandene  An- 
gtöfsigkeiten  hervorhob,  welche  der  damalige  Stand- 
punkt der  homerischen  Studien  von  einer  versöhnen- 
den Seite  nicht  zu  betrachten  vermochte.  In  dieser  Be- 
ziehung kann  den  Zoilos  kein  gröfserer  Vorwurf  trelTen,  als  alle  an- 
dern, die  vor,  neben  und  nach  ihm  ihre  Bedenken  über  dies  und 
jenes  in  den  homerischen  Gedichten  auf  keine  befsere 
Ar  t  mo  ti  vi  er  t  u  n  d  b  e  sei  ti  gt  haben.*  Das  klingt  beinahe,  als 
wäre  Zoilos  so  eine  Art  von  Vorläufer  Fr.  A.  Wolfs  gewesen.  Wer 
aber  an  die  Kritik  Aristarchs  und  das  Studium  der  Schollen  gewöhnt 
ist,  wird  in  den  uns  überlieferten  Einwürfen  des  Zoilos  schwerlich 
etwas  anderes  sehn  als  ein  scharfsinniges  aber  albernes  Gerede.  Dafs 
«ler  Verf.  in  einer  Anmerkung  mehrere  Stellen  aus  den  Scholien  nam- 
liaft  macht,  wo  Zoilos  vorkomme,  kann  uns  in  unserm  Urtheile  nicht 
behindern,  Ein  Citat,  beiläufig  bemerkt,  ist  falsch:  es  mufs  E  7 
heifsen  statt  E  4. 

Die  Citationen  besonders  von  Schriftstellern  der  zunächst  ver- 
gangenen .Jahrhunderte  bilden  auch  hier,  wie  in  dem  Aufsatze  über 
das  nördliche  Europa,  das  hervorstechendste  Element  der  Arbeit.  Na- 
mentlich die  altern  französischen  Homeriker  werden  vom  Verf.  Üeifsig 
jljfenaunt.    Da  erscheinen  ein  Monsieur  Chabanon  und  ein  Monsieur  Mou- 


Lauer:  Gescliichlc  der  liomerischcn  Poesie.  249 

tignol  und  ein  Monsieur  Coulure  und  viele  juiderc.  Ich  habe  nichts 
dawider,  wenn  jemand  I>ust  Iräjjt,  sich  mit  ihnen  zu  beschäftigen, 
doch  isoviel  will  mir  scheinen,  als  ob  alle  solche  Leute  ihren  Platz 
in  einer  Geschichte  der  homerischen  Studien  bei  den  Nationen  des 
neueren  Europa  halten,  nicht  aber  in  einer  Darstellung  des  Einflufses, 
welchen  Homer  auf  die  Griechen  übte.  Hier  sollte  billig  auiser  den 
Alten  nur  ein  und  das  andere  monographische  Werk  der  neuesten  Zeit 
angeführt  werden.  Unser  Verf.  scheint  aber  für  das  Französische  eine 
gewisse  Zuneigung  zu  haben:  gibt  er  doch  sogar  in  der  Uebersctzung 
einer  homerischen  Stelle  dem  Ares  wie  dem  *  Herrn'  (Monsieur) 
Agamemnon  eine  'Taille',  S.  142.  Vielleicht  hat  das  übrigens  gewis 
löbliche  Studium  der  mittelalterlichen  epischen  Poesie  der  Franzosen 
und  ihre  Vergleichung  mit  Homer  zu  einer  nicht  glücklichen  Vermen- 
gung beider  Gebiete  geführt.  —  Bei  der  Besprechung  des  Verhält- 
nisses zwischen  Homer  und  Plato,  S.  6.  52,  wird  unter  vielem  andern 
angeführt  ein  Buch  von  Monsieur  Paquelin,  Lyon  1677,  4to:  Apolo- 
geme  pour  le  grand  Homere  contre  la  reprehension  du  divin  Piaton 
sur  aucuns  passages  de  celui;  dafür  fehlt  ein  anderes  Buch,  dessen 
Erwähnung  manchem  gewis  wichtiger  gedünkt  hätte,  nemlich  Ammo- 
nios  TieQL  räv  vko  riXarcovog  fieTevtjvEy^ivcov  i^  Ofi^jQOv.  Es  wird 
Schol.  A  1  540  genannt.  Hr.  Beccard,  der  eine  Herausgeber  Lauers, 
zweifelt  in  seiner  Dissertation  de  scholiis  Venetis  p.  61,  ob  diese 
Schrift  des  Animonios  die  Verse  Homers  betraf,  welche  Plato  aus 
Homer  für  seine  Darstellung  entlehnte,  oder  die,  welche  Plato  aus 
Homer  entfernt  zu  sehn  w  ünschte.  Die  letztere  Annahme  ist  durchaus 
unstatthaft,  wegen  des  (xira  in  iursvrjviy^iucov ,  welches  fiEza  doch 
auf  eine  Stelle  deutet,  wohin  die  betreffenden  homerischen  Verse  vom 
Plato  gebracht  worden  seien.  Dafs  (xeracpeQEiv  in  der  homerischen 
Scholienlilteratur  'beseitigen'  nicht  heifst,  sondern  constant  'an  einen 
andern  Ort  bringen',  konnte  Hr.  Beccard  namentlich  aus  den  Noten 
über  die  aare^Löiioi  und  die  aöreQLöKoi  ovv  oßeXoig  ersehn. 

Wir  kommen  nun  zu  den  Haupttheilen  des  Lauerschen  Werkes. 

Das  erste  Buch  behandelt  'die  Ueberlieferung  des  Alterthums 
von  Homer.'  Es  zerfällt  in  drei  Abschnitte.  Im  ersten  werden  'die 
Quellen  und  Hilfsmittel'  besprochen,  im  zweiten  'das  Vaterland',  im 
dritten  '  das  Zeitalter  des  Homer.' 

Im  ersten  dieser  drei  Abschnitte  zählt  der  Verf.  zuvörderst  die 
aus  dem  Alterthum  erhaltenen  Zusammenstellungen  über  Homers  Leben 
auf,  im  ganzen  acht  an  der  Zahl.  Sie  sind  bei  Westermann  vereinigt, 
mit  Ausnahme  des  hierher  gehörigen  aus  dem  zweiten  Abschnitte  Plu- 
larchs.  Den  Inhalt  dieser  unter  Plutarchs  Namen  überlieferten  Schrift 
betrachtet  der  Verf.  S.  71  als  Plutarchisch ,  der  Form  nach  scheinen 
es  zwei  Excerpte  aus  der  echten  Schrift  Plutarchs  zu  sein.  Die  Hero- 
dotische  vita  wird  dem  Herodol  S.  69  gänzlich  abgesprochen;  sie  sei 
ein  litterarischer  Betrug,  dessen  Zeitalter  und  Verfafser  nicht  zu  er- 
iniltehi.     Die  Schrift  unter  Proklos  Namen  ist  nach  S.  72  echt,  die 


250  Lauer:  Gcscliichlc  der  liomerischen  Poesie. 

kleinen  anonymen  vilae  enthalten   eigenlhümliehe  Notizen,    der  aytov 
heilst  S.  73  ein  unverachlliches  Stück. 

In  diesen  acht  vilis  zusammengenommen,  meint  nun  der  Verf. 
S.  73,  übersehe  man  so  ziemlich  alles,  womit  man  sich  im  Allerlhum 
über  Homers  Leben  trug.  Dafs  dies  eine  falsche  Behauptung  sei,  weifs 
jeder,  der  sich  nur  einigermafsen  mit  dem  Gegenstande  beschäftigt 
hat.  Es  sind  noch  in  den  uns  erhaltenen  Autoren  eine  Menge  von  No- 
tizen über  Homers  Leben,  Vaterland,  Zeit  zerstreut,  welche  in  den 
vilis  nicht  stehen;  und  wir  haben  allen  Grund  zu  vermuthen,  dafs 
manche  Nachricht  überhaupt  gar  nicht  auf  uns  gekommen  ist.  Der 
Verf.  baut  auf  seine  Annahme  den  für  ihn  äufserst  wichtigea  Schlufs, 
dafs  die  ältesten  der  in  den  vilis  angeführten  Gewährsmänner,  Simo- 
nides, Pindar,  die  anderen,  überhaupt  die  ältesten  Autoren  sind,  wel- 
che von  Homers  Person  berichteten.  Zu  diesem  Satze  konnte  der  Verf. 
auch  ohne  seine  falsche  Praemisse  kommen,  nur  forderte  das  freilich 
ein  klein  wenig  mehr  Umsicht. 

Eben  dieser  3Iangel  an  Umsicht  zeigt  sich  in  der  Behauptung  S. 
73,  die  unmittelbaren  Quellen  der  acht  vitae  seien  niclit  nachzuwei- 
sen, man  müfse  sich  mit  der  Nachweisung  der  ersten  Quellen  begnü- 
gen, aus  denen  überhaupt  alle  Nachrichten  von  Homer  stammen.  Ich 
denke,  auch  über  die  unmittelbaren  Quellen  der  vitae  liefs  sich  eini- 
ges nachweisen.  Konnte  der  Verf.  nicht  wenigstens  jene  Schriften 
tieqI  'O^iqfjov  aufzählen,  welche  der  alexandrinischen  Periode  ange- 
hören? Das  wäre  jedesfalls  weit  nützlicher  und  passender  gewesen 
als  die  Cilalionen  aus  den  Zeiten  des  Petrus  Candidus  Decembrius  und 
des  Monsieur  Paquelin, 

Das  Resultat  der  Untersuchung  ist,  dafs  alle  Nachrichten  vom 
Homer  in  letzter  Instanz  auf  der  Sage  beruhen,  auf  einzelnen,  localen 
Sagen  und  den  meist  durch  Gelehrte  versuchten,  die  einzelnen  Sagen 
vermischenden,  auf  Schlüfse  aus  den  Gedichten  selbst  sich  stützenden 
Muthmafsungen,  S.  77  IT.  Das  ist  richtig.  Doch  wird  sich  weiterhin 
eine  sehr  wesentliche  genauere  Bestimmung  zu  diesem  Satze  ergeben, 
es  wird  sich  zeigen,  dafs  die  localen  Sagen  einen  sehr  festen  loca- 
len Anlialtspunkt  hatten,  der  dem  Verf.  durchaus  entgangen  ist. 

Sollte  aber  der  Verf.  gemeint  haben ,  sein  Resultat  sei  neu  und 
ihm  ganz  oder  auch  nur  zum  Theil  eigenthümlich,  dann  hat  er  gar 
sehr  geirrt.  Und  fast  sieht  es  S.  80  so  aus,  als  habe  er  dergleichen 
gemeint.  Freilich  sagt  er  nur ,  seine  Vorgänger  hätten  '  fast  alle  ohne 
Ausnahme'  die  Natur  der  Ueberlieferung  verkannt,  hätten  sie  entwe- 
der für  reine  Geschichte  gehalten,  die  nur  in  Unordnung  gekommen, 
oder  für  reine  Ficfion.  ^Fast  alle  ohne  Ausnahme'  was  soll  das  hei- 
fsen?  Auffallend  ist  es,  dafs  der  Verf.  an  dieser  Stelle  und  in  der 
sich  anschliefsenden  sehr  ausfiihrlichen  Nachweisung  der  Litteratur  0, 
Müller  ganz  mit  Stillschweigen  übergeht.  Diesen  hat  nemlich  Lauer 
für  einen  so  bedeutenden  Vorgänger  gehalten,  dafs  er  im  folgenden 
Abschnitt,  über  Homers  Vaterland,  nur  ihn  bekämpft.  Und  womit  be- 
ginnt nun  wohl  0.  Müller  in  der  Litteraturgeschichte  S.  68  seine  Aus- 


Lauer  :  Gcscliiclilc  der  lioinerisclicn  Poesie.  251 

einan(lersolzun<i;en  über  Homer?  Genau  mit  dem  nemliclien  Satze,  >vel- 
cheii  unser  Verf.  nacli  langer  Deduclion  herausbringt,  ü.  Müller  sagt: 
'lieber  Homers  Leben  sind  freilich  nur  einige  Volkssag'en  und  Mulh- 
mafsungen,  die  auf  Schlüfsen  der  Grammatiker  aus  seinen  Werken 
beruhn,  auf  uns  gekommen.'  Also  die  beiden  Elemente,  die  Sage 
und  die  Vermulhung  der  Gelehrten,  sind  hier  sehr  deutlich  erkannt 
und  gesondert  und  ohne  weiteres  als  sich  ganz  von  selbst  verstehend 
vorangestellt.  Und  diese  Ansicht  von  der  Sage  als  letzter  Quelle  aller 
Nachrichten  über  Homer  hat  0.  Müller  in  seiner  weiteren  Auseinander- 
setzung durchaus  festgehalten. 

Ich  bin  weit  entfernt  mich  der  Wendung  zu  bedienen,  deren  sich 
der  Verf.  gegen  Klausen  bedient  hat,  ich  sage  nicht:  diese  Idee  hat 
Lauer  von  0.  3Iüller,  den  er  aber  nicht  nennt.  Ich  bedaure,  dafs 
meine  Aufgabe  mich  zwingt  dergleichen  zu  erwähnen.  Leider  mufs 
ich  hinzufügen,  dafs  eigentlich  neue  Gedanken  überhaupt  in  dem 
Lauerschen  Buche  gar  wenig  zu  finden  sind.  Das  meiste  ist  Ausfüh- 
rung fremder  Gedanken.  Dafs  dem  Verf.  dies  Verhiillnis  nicht  klar 
gewesen  sei,  dafs  er  am  allerwenigsten  beabsichtigt  habe ,  sich  mit 
fremden  Federn  zu  schmücken,  glaube  ich  recht  gern. 

Indem  der  Verf.  zum  Schlufse  dieses  Abschnittes  S.  81  IT.  die 
Litteratur  der  neueren  Philologie  über  Homers  Leben  aufzählt,  ist  er 
wieder  in  seinem  Elemente.  Namentlich  wieder  die  älteren  ausländi- 
schen und  unbrauchbaren  Bücher  werden  reichlich  genannt.  Dabei 
begegnet  es  dem  Verf.  S.  83  Anm.  42,  dafs  er  von  einem  alten 
Schweden  und  einem  noch  etwas  älteren  Italiener  selber  sagt,  sie 
verdienten  keine  Berücksichtigung,  \^'ir  nehmen  das  auf  Glauben  au 
und  gehn  über  diese  beiden  und  den  ehrenhalber  angeführten  Petrus 
Candidus  Decembrius  und  die  anderen  Herren  hinweg,  dem  zweiten 
Abschnitte  zu,  welcher,  wie  schon  bemerkt,  von  Homers  Vaterland 
handelt. 

Zwanzig  und  einige  Orte,  heifst  es  im  Eingange  dieses  Abschnitts, 
werden  als  Vaterland  Homers  genannt.  Von  diesen  beseitigt  der  Verf. 
die  Mehrzahl  ganz  kurz,  so  dafs  für  die  genauere  Untersuchung  nur 
fünf  bleiben:  Kyme,  los,  Kolophon,  Chios,  Smyrna. 

Dies  Verfahren  erscheint  mir  zu  summarisch.  Es  mag  sein,  dafs 
der  Verf.  Willens  war,  auf  mehrere  der  so  kurz  abgefertigten  Orte 
oder  meinetwegen  auf  alle  in  dem  nicht  erschienenen  Theile  seiner 
Arbeit  zurückzukommen,  obgleich  ich  nicht  sehe  ,  wie  das  passend  in 
der  Stelle  hätte  geschelin  können,  auf  welche  allein  er  (S.  85.  113) 
vorausdeutet.  Buch  4,  Abschnitt  2,  Cap.  2,  "iii).  4.  Aber  auch  wenn  er 
hier  alles  jene  Orte  betreffende  abzuhandeln  Willens  und  im  Stande 
Avar,  er  durfte  an  unserer  Stelle  die  Sache  doch  nicht  übers  Knie 
brechen. 

Er  muste  vielmehr  zuvörderst  im  Eingange  gleich  nachweisen, 
wie  die  meisten  der  bezeichneten  Orte  deshalb  lediglich  als  Vater- 
land Homers  auftreten,  weil  in  ihnen  die  homerische  Poesie  früh  und 
mit  Eifer  gepflegt  ward,  oder  weil  sie  Metropolen  von  Orten  sind, 


27)2  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

wo  dies  geschah.  Einen  dritten  Gesichtspunkt,  dafs  einige  Orte  als 
Vaterland  herühmter  homerischer  Helden  und  Locale  gefeierter  Sagen 
in  die  Concurrenz  traten,  hat  der  V^erf.  angedeutet.  Mit  ihm  nuislen 
die  beiden  andern  eben  gezeigten  verbunden  werden,  dann  hatte  der 
Verf.  eine  sichere  Grundlage  für  den  schwierigeren  Theil  der  Unter- 
suchung und  konnte  sich  bei  diesem  auf  die  Analogie  des  leichter  be- 
wiesenen stützen.  Ein  reichliches  3Iaterial  ist  vorhanden.  ^^  ie  man- 
ches hübsche  lafst  sich  nicht  z.  ß.  über  Kreta,  über  Kypros,  über 
Argos  sagen  ! 

Ueber  Kypros  stellt  Lauer  S.  85  einen  Gedanken  auf,  aber  der 
steht  schief.  ^  Von  Kypros  (Salamis)'  meint  er  Mst  es  wahrschein- 
lich, dafs  seine  Ansprüche  sich  auf  das  dem  Homer  beigelegte  Ge- 
dicht der  Kyprien,  welches  jener  Insel  angehört,  gründeten,  obgleich 
die  Angaben  über  den  kyprischen  Homer  einer  Sage  ähnlicher  sehn, 
als  einer  Combination.'  Obgleich?  Als  ob  nicht  diese  Ansprüche  auch 
dann  als  eine  Sage  auftreten  konnten,  wenn  sie  sich  auf  die  Kyprien 
gründeten!  An  dieser  Art  von  Fehlern  ist  das  frühere  Werk  des  Verf. 
reich,  die  Untersuchung  über  das  A;  in  diesem  hier  sind  weniger  der- 
gleichen, aber  man  findet  doch  zuweilen  raöeXcpov  xov  ßÖGiQV'iov. 

Am  schlimmsten  ist  es,  dafs  der  Verf.  auch  über  Athen  ganz 
kurz  hinweggeht.  Er  behandelt  es  mit  unverzeihlicher  Leichtfertig- 
keit. 'Athens  Beziehungen  zu  Homer  hat  man  mit  Recht  durch  die 
Behauptung  beseitigt,  dafs  der  Anspruch  dieser  Stadt  sich  nur  auf  die 
Theilnahme  gründe,  welche  die  Athener  an  der  Colonisation  Smyrnas 
halten,  wie  dies  in  einem  Epigramm  auf  Peisistratos  geradezu  ausge- 
sprochen ist.'  Beseitigt?  Mit  Recht?  Epigramm?  Hat  der  Verf.  wohl 
einmal  versucht,  das  Epigramm  sich  ordentlich  zu  interpretieren?  Ich 
meine,  was  man  so  eigentlich  interpretieren  nennt,  nicht  blofs  Stel- 
len sammeln,  wo  es  ciliert  wird,  und  dann  dasselbe  sagen,  was  an- 
dere gesagt  haben.  Ich  will  das  Epigramm  für  jetzt  lafsen;  ich  darf 
das;  denn  angenommen  einmal,  dasselbe  sei  so  zu  verstehn,  wie  der 
Verf.  will,  kann  doch  die  Meinung  dieses  Epigramms  unmöglich  das 
entkräften,  was  von  anderer  Seite  her  für  Athen  auftritt.  Athens  Be- 
ziehungen zu  Homer  treten  am  bedeutendsten  ganz  wo  anders  auf  als 
in  den  Erzählungen  und  den  Stellen  der  Ilias,  welche  der  Verf.  in  der 
gleich  näher  zu  betrachtenden  Anmerkung  vorbringt.  0.  Müller  gibt 
hierüber  (Litleraturgesch.  I  S.  76)  weit  befseres  als  Lauer,  was  die- 
ser gänzlich  vernachläfsigt  hat.  Aber  auch  Jlüller  gibt  lange  nicht 
alles,  vielleicht  nicht  einmal  das  wichtigste.  Ich  brauche  mich  indes- 
sen auf  eine  systematische  Vervollständigung  des  von  Müller  gesam- 
melten hier  um  so  weniger  einzulafsen,  als  für  Athen  bekanntlich  Ari- 
slarch  sich  entschieden  hat. 

Wenn  es  für  Athen  überhaupt  gar  keine  anderen  Indicien  gäbe, 
dieser  eine  Umstand,  das  Urlheil  des  gröfsten  alten  Kritikers,  würde 
es  nolhwendig  erscheinen  lafsen,  Alben  zum  Hauptpunkte  der  Unter- 
suchung zu  machen.  Wer  Aristarchs  Verfahren  bei  Constituierung  des 
Textes  kennt,  wird  sich  auch  überzeugt  hallen,  dafs  er  die  Annahme 


Lauer:  Gescliiclifc  der  homerischen  Poesie.  25.'? 

des  athenischen  Ursprungs  nidit  aus  der  I.ufl  geo:riiren  hat,  sondern 
dafs  sie  überliefert  war,  und  zwar  niilit  weniger  gut  als  die  besten 
unter  den  andern  Nachrichten.  Aristarch  hat  im  Text  sich  keine  Con^ 
jectur  erlaubt;  unter  mehreren  gut  überlieferten  Lesarien  hat  er  die 
ihm  am  besten  scheinende  ausgesucht  und  diese  durch  innere  Gründe 
gestützt;  wo  es  keine  befriedigende  Variante  gab,  hat  er  lieber  das 
schlechtere  hingeschrieben  und  Homer  geladelt  als  aus  Conjcctur  ge- 
ändert. Hieraus  folgt,  dafs  Arislarch  unter  den  besten  Nachrichten 
die  von  Homers  athenischem  Ursprünge  vorfand  und  sie  auswählte, 
weil  sie  ihm  durch  die  Gedichte  selbst  bestätigt  erschien. 

Anders  urlheilt  hierüber  unser  Verf.,  "welcher  hier  wieder  auf 
eine  sehr  leichte  Art  mit  Arislarch  umspringt.  Er  gedenkt  seiner  über- 
haupt nur  in  einer  Anmerkung  S.  85  f. :  'Wenn  Arislarch  und  Dionysios 
Thrax  (Vit.  E,  6.  B.  H.  cap.  2)  Homer  einen  Athener  nannten,  so 
braucht  dies  nicht  auf  Annahme  der  Geburt  zu  Athen  bezogen  zu  w  er- 
den, zumal  die  Citate  derViten  in  diesem  Punkte  nicht  zuverläfsig  sind. 
Eine  Abstammung  Homers  aber  aus  einer  athenischen  Colonie  konnten 
sie  recht  gut  auch  durch  Eigenheilen  der  homerischen  Sprache  unter- 
stützen. Seh.  Ven.  iV,  197.  5,  371.  Nitzsch  indag.  Interpol,  p.  40  not. 
42.  Welcker  p.  193  not.  295.' 

Und  warum  sind  die  Citate  der  Viten  in  diesem  Punkte  nicht  zu- 
verläfsig, während  der  Verf.  sie  doch  in  Bezug  auf  die  Angaben  über 
andere  Orte  für  zuverläfsig  hält?  Warum  braucht  es  nicht  auf  Annah- 
me der  Geburt  zu  Athen  bezogen  zu  werden,  wenn  Arislarch  den  Ho- 
mer einen  Athener  nennt?  ^^  arum  soll  Arislarch  durch  Eigenheilen 
der  homerischen  Sprache  Homers  Abstammung  aus  einer  athenischen 
Colonie  begründet  haben,  wenn  doch  bei  Arislarch  nur  von  Athen 
selbst  die  Rede  ist? 

Die  vita  B  sagt  sehr  bestimmt:  AQiGxctQioq  8s  ■aal  /iiovvöiog  o 
&QCf^  Ad"tjvaLOv ^  die  vita  E  xar«  6  AQLßxaqypv  Kai  AiovvGiov  rov 
@QaYM  A&}]vaiog ,  ebenso  der  von  Lauer  nicht,  wohl  aber  von  Wel- 
cker ep.  Cycl.  l,  192  Anm.  292  angeführte  Epiphanios  'Ad^ijvaiov  öh 
ort;TOv  OL  TtiQL  AQiGxaQ'iov  aTtccpiqvavxo.  Diesen  Angaben  gegenüber 
würde  man,  selbst  wenn  sie  aliein  ständen,  nicht  bezweifeln  dürfen, 
dafs  Arislarch  den  Homer  ausdrücklich  einen  Athener  nannte,  so  we- 
nig wie  wir  die  entsprechenden  Angaben  derselben  vitae  in  Bezug  auf 
Simonides  luid  Pindar  und  die  anderen  bezweifeln.  Was  freilich  un- 
ter dem  Xioq  des  Simonides ,  dem  Z^vqvalog  des  Pindar  zu  verslehn 
sei,  das  kann  zweifelhaft  erscheinen,  denn  das  sind  eben  Dichter. 
Aber  mit  einem  Manne  wie  Arislarch,  dem  es  vor  allem  auf  Schärfe 
und  Genauigkeit  ankam,  der  jedes  seiner  ^^o^te  auf  die  Goldwage 
legte,  ist  es  etwas  anderes.  Nun  kommen  aber  zu  den  Angaben  der 
vitae  noch  die  Schollen.  Man  sehe  die  beiden  von  Lauer  citierlen 
Stellen.  Schol.  A  iV  197  7]  ötnXil^  6xi  Gvve^cog  nixQfjrat.  xoig  dvLXOig. 
0]  öh  avacpOQa  TtQog  xa  tteqI  x-ijg  TiaxQiöog'  A&ijvatmv  yaQ  i'öiov.  Dafs 
bei  ß  371  al  yag ,  Zev  xe  TtaxeQ  aal  A9'j]vaLtj  xal  "Anoklov  in  dem- 
selben Sinne  eine  Diplc  stand,  beweisen  die  zu  dieser  Stelle  uns  vor- 


254  Lauer:  Gescliiclite  der  homerischen  Poesie. 

liegenden  Notizen  aus  dem  Allerlhuni,  wenn  auch  Aristonikos  Anmer- 
kung in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt  nicht  erhalten  ist:  Schol.  A  D 
ivrsvd-iv  xiveg  vo^t'QovOiv  A&rjvaiov  yeyovivai  rov  7Cot7/r»p*  ro  yaQ 
^Ad-y]vc(ii]  ArriKOV  Kai  i'Si.ou  elvat,  rov  oqkov  cpaol  xow  ^Ad'tjvaiav.  BL 
TtaTQiot.  yaQ  ovvoi,  rotg  A&jjvcciOLg  ^eoi. 

Aber  warum  fuhrt  denn  eigentlich  der  Verf.  aus  der  alten  Scho- 
lienlitteratur  nur  diese  beiden  Stellen  an?  Das  sieht  ja  so  aus,  als  ob 
es  sonst  keine  von  Bedeutung  oder  gar  überhaupt  sonst  keine  hierher- 
gehörigen mehr  gebe.  Dafs  wir  doch  inuner  den  Verf.  so  freigebig  in 
der  Citalion  veralteter  Quisquilicn  finden,  so  karg  bei  dem,  worin 
belesen  zu  sein  vor  allem  Nolh  thuti  Am  nächsten  lag  es  wohl,  dafs 
der  Verf.  auf  die  von  Siebenkees  und  Villoison  verölTentlichte  Erklä- 
rung kritischer  Zeichen  verwies,  welche  jetzt  von  Osann  im  Anecd. 
Rom.  p.  5  ff.  herausgegeben,  aber  wie  manches  andere  nicht  ganz 
richtig  aufgefafst  ist.  Das  mangelhafte  in  Osanns  Auffafsung  kümmert 
uns  hier  wenig;  man  braucht  uns  nur  zuzugeben,  was  jeder  kundige 
zugeben  wird,  dafs  die  ganze  Uebersicht  über  die  Anwendung  der 
ömlii  xa&aQa  p.  6  rein  den  Aristarchischen  Gebrauch  vor  Augen  hat. 
Sieben  Dinge  zählt  diese  Uebersicht  her,  aufweiche  durch  die  genannte 
Diple  hingedeutet  werde;  an  der  sechsten  Stelle  heifst  es:  sie  steht 
(^nciQUKeLrai)  JiQog  rijv  Axxim]v  6vvxaS,iv.  Das  Wort  Gvvxa'i^Lg  darf 
man  nicht  sehr  streng  nehmen,  weil  die  Kategorien  des  Gebrauchs 
überhaupt  nicht  scharf  bezeichnet  sind:  vorher  kommen  als  vierte  und 
fünfte  Classe  ccl  xcav  TtalaLcav  loxoQlai  und  ai  xäv  viatv  SKÖo'/^al: 
aber  so  viel  ist  aus  dieser  Angabe  klar,  welche  übrigens  auch  Osann 
auf  Aristarch  bezieht,  dafs  es  eine  ganz  grofse  Heihc  von  Diplen  über 
den  Alticismus  im  Homer  gab.  Die  Hauptrolle  werden  in  ihr  aller- 
dings syntaktische  Sachen  gespielt  haben.  Wir  werden  ihre  Spuren; 
holfentlich  noch  einmal  aufgedeckt  und  Aristonikos  Bemerkungen  we- 
nigstens dem  Inhalte  nach  hergestellt  sehn;  hier  genügt  es,  nur  noch 
auf  einiges  hinzudeuten,  was  schon  jetzt  so  offen  zu  Tage  liegt,  dafs 
es  der  Verf.  jedesfalls  hätte  hervorheben  sollen.  Schol.  A  E  2i9 
2c<^oif.is&  ecp  tTiTtcov:  tj  diTtXij^  '6xi  AxxLXcog  lS,£V)ivoy£v  avxl  rov  (og 
iTtl  rovg  Xitnovg.  Die  Wörter  //  öiTfU]  fehlen  im  Codex  und  bei  Bek- 
ker,  aber  Villoison  hat  das  Zeichen  im  Text.  E  700  TtQoxoiTtovxo  fts- 
Xcavccav  ml  vyjav:  rj  dcTtXij  TtQog  ro  6}](.iatvö^asvov,  ort  AxxtKcSg  e^e- 
vi^vo^ev^  ovK  ecpEvyov  TCQOTQOTtdöjjv  ETil  rag  vavg.  e'vioi  öe  ayvoovv- 
T£g  yQaq)0v6iv  uno  vrjav.  yivncci  ös  ci8t,av6)]xov  ov  yuQ  aito  xcöu 
vsäv  q)£vyeiv  e^sXXnv.  Der  Codex  und  Bekker  7]  öe  diJtlrj.  Villoison 
hat  das  Zeichen  im  Text.  Zu  iV  825  ff.  sl  yuQ,  iyav  ovrco  ye  Atog 
naig  aiyi,o%oio  d'rjv  ■ijf.iara  nuvxa^  xiKot  di  fis  7t6xvia"HQ}],  xLot^rjv  6 
b)g  xlsx'  'A'&ijuaL}]  xal^Artolkojv ,  zu  dieser  Stelle  hat  Schol.  V  bei  827 
eine  Anmerkung,  welche  zwar  sehr  verunstaltet  ist,  aber  doch  zeigt, 
dafs  hier  eine  Diple  von  ähnlicher  Bedeutung  stand  wie  jene  bei  B 
371;  es  heifst  nemlich:  e'p&ev  Ad-rjvatov  vnovoovGLv'O^^iQov  tccc- 
T^cooj'  yciQ  xi^utGiv  ^AnolXiova  7]  oxl  avxol  fiovoi  niGxEvovxai  ntyiöa, 
ri^ciöQ-ai,  avrovg  cptiGi,     Was  die  Odyssee  betrifft,   so  will  ich  mit 


Lauer:  Gcscliiclilc  der  lioiiuM-iscIioii  Poesie.  2.").') 

Ueberoelning  einer  g^rofseii  Menge  anderer  Indicien  nur  eins  nennen, 
welches  0.  Müller  nielil  heriieksiclilifj:!  hat.  Im  y  befiehlt  Athene  vor 
ihrem  Aufbruche  vom  Opferniahle  bei  Pj  los  332  dem  Nestor  «AA'  ciye 
T(Vj(ij'fT£  i-iev  yhoGGag,  K£(jdccöi)'E  Ös  oli'ov,  oqp^j«  —  GTtHGccvxsg  %onoio 
(iidcof^ie&a ^  und  der  Bet'elil  s^ird  341  ausii-et'iihrt,  yXtoöGag  d  iv  ttvqI 
ßcikkov^  aviöTaiievoi  d  inikeißov.  Eine  Ans|)ieluu<>-  auf  Alben  scheint 
hierin  zu  liej^en,  weil  Athene  ,  die  Stadlg-öllin  Aliiens,  die  Ceremonie 
befiehlt.  Dals  diese  Ceremonie  immer  oder  doch  einstmals  speciell 
athenische  Sitte  gewesen,  scheint  ferner  zu  lehren  die  Anspielung  in 
Aristophanes  Vögeln  1701  kcctio  räv  iyykcorroyaGroQcov  iy.eivav  rcou 
(DtXimtfov  Tccivraiov  rij^  AxtiK-iig  ij  ykcdira  %co(ilg  renverac.  Indessen 
getraue  ich  mir  doch  nicht  zu  behaupten,  dals  Arislarcb  nicht  viel- 
leicht VTto  TTSQLTTijg  £vka(3iiag  die  Sache  blofs  schlechlliin  für  ein  aQ- 
y^aiov  e&og  oder  für  ein  l'&og  Icovcou  erklärte.  Euslalliius  sagt  zu  y 
33*2  p.  1470,  29  Ort  ii'  tc5  ^  alk  äys  ranvere  (.ih'  yloioaag ,  ae^daa&e 
Öe  oluov'  k'9og  TcaXai,ov  ötjkoi  o  noitiziig'  iiikkoineg  yuQ  KOL^ij&ijvai, 
fisra  Q^vgIuv  ot  nakaiol  e'&vov  rag  rav  uqeiiov  ykaßGag  %axa  e&og 
Icovcov  rj  Amxoov^  ßukkovteg  iv  tivqL  Und  weiterhin  p.  1471,  15 
spricht  er  von  einem  vitoavmiaxLG^og  Txakaiog,  und  sagt,  darin  habe 
unter  anderem  gestanden  ort  Axxizov  xo  k'xf^og.  In  unsern  verunstalte- 
ten Scholien  wird  unter  anderem  zu  332  auch  gesagt,  die  Sitte  sei 
attisch,  kiyexuL  de  Axxt,y.ov  eivca  xo  eQ-og:  dagegen  341,  wie  es 
scheint,  von  einem  ionischen  Schriftsteller,  dem  Blilesier  Leandros, 
sie  sei  ionisch,  eGxi  yaq  naxQiov  e&og  Icoi'cov,  und  ganz  abgeri- 
fsen  bei  Preller:  cckka  aal  ot  "Ifoveg  xovxo  enoCow.  Z)]xii'iGeLev  ccv 
Tig  .  .  .  . 

Ja,  ^TjxijGeiev  av  xigl  Wenn  der  Verf.  das  nur  bedacht  hätte! 
Was  soll  man  von  diesem  Gelehrten  sagen ,  dem  die  Vorrede  S.  IX 
ohne  Zweifel  ganz  mit  Recht  Sieljährige  homerische  Forschungen' 
zuschreibt,  deren  Hauptresultate  eben,  wie  es  daselbst  heifst,  in  die- 
sem Buche  niedergelegt  werden  sollten,  und  der  doch  Sachen  von  so 
grofser  Bedeutung  für  sein  Thema  gar  nicht  einmal  geahnt  zu  haben 
scheint,  der  sie  wenigstens  nicht  vorbringt,  also  entweder  sie  nicht 
gekannt,  oder,  was  noch  viel  ärger,  für  so  unerheblich  gehalten  hat, 
dafs  er  um  sie  kein  Wort  zu  verlieren  brauche.  Soviel  ist  sicher, 
dafs  Lauer  in  Betreff  Athens  nur  solche  Stellen  aus  der  Scholienlitlera- 
tur  anführt,  die  bei  Welcker  auch  schon  stehn,  und  dafs  die  von  mir 
angeführten  und  bei  Lauer  fehlenden  bis  auf  eine,  die  confuse  Stelle 
JV  827,  auch  an  dem  betrefFenden  Orte  bei  Welcker  I,  193  fehlen. 
Hiernach  scheint  Lauer  über  Athen  und  Arislarcb  nicht  sowohl  die 
Scholien  als  vielmehr  das  reichhaltige  \\'elckersche  Buch  studiert  zu 
haben;  und  vielleicht  mochte  sich  diese  Beobachtung  auch  noch  über 
einige  andere  Punkte  der  Untersuchung  ausdehnen  lafsen,  was  ich  er- 
forschen will,  wenn  es  jemand  wünscht. 

Gehen  wir  weiter.  Fünf  Orte  sind  es,  deren  Ansprüche  der  Verf. 
genauer  untersucht:  Kynie,  los,  Kolophon ,  Cbios,  Smyrna.  Jeder 
derselben,    heifst  es  S.  86,  hat  eine  gewichtige  Autorität  für  sich, 


256  Lauer:  Gesclüchte  der  homerischen  Poesie. 

also  kaiin  Autorität  hier  gar  nichts  entscheiden,  nur  Untersuchung. 
Chios  hat  neben  andern  die  Autorität  des  Pindar,  Sniyrua  die  des  Pin- 
dar  und  des  Stesinibrotos.  Aber  wie  man  über  dies  doppelte  Zeug'- 
nis  des  Pindar  denken  solle,  sagt  der  Verf.  nicht.  Was  soll  man  mit 
dem  Ausdrücke  anfangen"0/*jj^oi/  xolvvv  TiLvöaQoq  ^ikv  ecpi]  Xiov  xs 
aal  ZiivQvaiov  ysviö&tti'^  Soll  man  das  XCov  xe  aal,  wie  bekanntlich 
von  andern  vorgeschlagen  ist,  auswerfen?  Oder  soll  man  dem  Pindar 
die  Annahme  zuschreiben,  welche  0.  3Iüller  Lilteraturgesch,  I  S.  70 
ihm  zuschreibt?  lieber  diesen  Punkt  ist  vom  Verf.  nichts  angedeutet, 
weder  hier  noch  weiter  untett,  wo  das  Verhältnis  von  Chios  und 
Smyrna  zu  Homer  weitläufliger  besprochen  wird,  S.  101,  wo  die 
andern  Zeugen  alle  abgehört  werden,  nur  Pindar  nicht.  Sieht  das  nicht 
aus,  als  sei  der  Verf.  um  den  heifsen  Brei  herumgegangen? 

Die  Untersuchung  über  die  fünf  homerischen  Orte  dreht  sich  um 
folgende  Punkte : 

1)  die  Sagen  der  einzelnen  fünf  Orte  vom  Homer  so  weit  wie 
möglich  auf  ihre  ursprüngliche  Gestalt  zurückzuführen  und  ihre  Ent- 
stehung und  Fortbildung  nachzuweisen ; 

2)  das  Vaterland  der  homerischen  Poesie  zu  entdecken,  d.  h. 
den  Ort,  von  welchem  sie  zuerst  ausgieng,  was  geschehn  kann,  ohne 
dafs  man  über  Homers  Persönlichkeit  entscheidet; 

3)  eben  über  diese  Persönlichkeil  sich  ein  Urtheil  zu  bilden. 

So  geschieden  und  in  dieser  Ordnung  sollten  meines  Erachlens 
diese  Punkte  in  der  Untersuchung  auftreten.  Der  Verf.  verfährt  an- 
ders, er  geht  die  fünf  Orte  einzeln  durch  und  bespricht  bei  jedem 
derselben  alle  drei  Fragen  untereinander.  Das  mag  bequem  für  den 
Schreiber  sein,  klar  aber  und  übersichtlich  für  den  Leser  ist  es  nicht, 
und  aufserdem  bedingt  es  unnütze  und  sehr  lästige  Wiederholungen. 

Was  nun  den  letztgenannten  Punkt  betrifft,  die  Persönlichkeit 
Homers,  so  hat  nach  dem  Urtheile  des  Verf.  0.  3Iüller  es  am  geschick- 
testen angefangen,  die  Nachrichten  historisch  zu  deuten.  Seine  Un- 
tersuchung beleuchtet  der  Verf.  im  einzelnen,  und  es  zeigt  sich,  dafs 
eben  so  gut  wie  Müllers  Schlüfse  auch  die  entgegengesetzten  möglich 
sind.  Ja  die  Annahme,  dafs  Homer  eine  mythische  Personilication  sei, 
wie  sie  bei  den  Griechen  so  häufig,  scheint  sogar  ein  Uebergewicht 
zu  haben.  ^Die  letzte  Entscheidung  aber,'  so  sagt  der  Verf.  S.  112 
*man  kann  es  nicht  oft  genug  wiederholen,  fällt  nicht  der  Ueberlie- 
ferung,  sondern  den  Gedichten  zu.  Wofür  diese  sich  aussprechen, 
dem  fügt  sich  die  Sage  vom  Homer,  und  es  ist  nur  ein  durch  nichts 
begründetes  Vorurtheil  zu  glauben,  dafs  die  Nachrichten  über  den 
Dichter  ein  gegen  das  der  Kritik  der  homerischen  Gesänge  in  An- 
schlag zu  bringendes  Ergebnis  lieferten  oder  überhaupt  liefern  könn- 
ten.' Unter  den  Deutungen  des  Namens  Ö|U.r;()og  verdient  nach  S.  109 
die  des  'Blinden'  weitaus  den  Vorzug;  dafs  der  Name  in  irgend  einer 
Beziehung  den  'Dichter'  bezeichne,  das  scheine  sicher  zu  sein. 

Dies  Ergebnis  steht  im  geraden  Widerspruch  mit  dem,  was  vor- 
hin S.  80  gesagt  ist,  dafs  nemlich  in  Hinsicht  auf  die  Persönlichkeit 


Lauer:  Geschichte  ticr  homerischen  Poesie.  257 

oder  Unpersönlichkcil  Homers  die  Sa^e  genug- Momenlc  biete,  welche 
ein  beslimmtes  Urlheil  begründen.  Uebriyens  aber  iieilst  es  auch  hier 
devTSQui.  (pQovvtdeg  ao<pcör£^ca:  das  eben  dargelegte  Hesultat  der  spä- 
tem Hauptunlersuchung  ist  gewis  richtig.  Und  zwar  ist  es  das  be- 
deutendste Resultat  des  ganzen  Buches;  hier  geschieht  ein  Fortschritt 
über  0.  Müller  hinaus,  der  einzige  wilsenschaftliche  Fortschritt,  durch 
den  sich  die  Arbeit  auszeichnet. 

So  gern  ich  dies  anerkenne,  so  mufs  ich  doch  gestehn,  dafs  da- 
mit noch  eben  kein  grol'ses  Lob  ausgesprochen  ist.  Denn  nachdem  0. 
Müller  vorgearbeitet,  war  es  gegeben  die  MüUersche  Unlersucliung 
mit  unbefangenem  Blicke  begleitend  zu  dem  Hesultale  zu  kommen, 
dafs  das  wahre  an  ihr  mit  der  Annahme  der  Unpersönlichkeit  Homers 
sehr  wohl  verträglich  sei.  Was  jeder  verständige  beim  Lesen  JlüUers 
gedacht  hat,  das  hat  Lauer  ausgesprochen  und  nachgewiesen. 

Der  zweite  Punkt  war  das  Vaterland  der  homerischen  Poesie, 
d.  h.  der  Ort,  von  dem  sie  zuerst  ausgieng.  Diesen  Ort  kann  man  fest- 
stellen, ohne  über  Homers  Persönlichkeit  zu  urlheilen.  Es  ist  aber 
dieser  Ort  der  Ueberlieferung  nach  ganz  entschieden  Smyrna.  So 
meint  Lauer,  so  hat  vor  Lauer  0.  Müller  gemeint.  Die  smyrnaeische 
Sage,  führt  Lauer  S.  92.  106  aus,  trage  allein  den  Charakter  der  Ur- 
sprünglichkeit. Sie  setze  sich  mit  keiner  andern  in  Verbindung,  um- 
gekehrt aber  die  Sagen  von  Kyme  und  los  setzten  sich  mit  Smyrna 
in  Verbindung  und  nennten  Smyrna  die  Geburtsslätte  des  Dichters. 
Das  berechtige  zu  dem  Schlufse,  dafs  diese  Orte  daran  verzweifelten, 
den  Smyrnaeern  den  iüihm  der  Geburt  des  Dichters  mit  Erfolg  streitig 
zu  machen. 

Richtig  ist  diese  Ansicht  nur  bis  auf  einen  gewissen  Punkt.  Denn 
los  mufs  man  doch,  wie  auch  der  Verf.  wenigstens  indirecl  thut,  trotz 
der  Verknüpfung  mit  Smyrna,  wegen  der  originellen  Züge  seiner  un- 
ten näher  zu  betrachtenden  Sage  selbständig  neben  Smyrna  stehn 
lafsen,  d.  h.  man  kann  nicht  behaupten,  wie  es  auch  der  Verf.  nicht 
behauptet,  dafs  die  homerische  Poesie  von  los  nur  ein  Abkömmling 
der  smyrnaeischen  sei ;  man  kann  nicht  leugnen,  wie  es  auch  der  Verf. 
nicht  leugnet,  dafs  die  leten  schon  in  der  Zeit  eine  homerische  Poesie 
besafsen,  wo  sie  mit  Smyrna  noch  nichts  zu  thun  hatten.  Aber  es 
gibt  allerdings  einen  gemeinsamen  Ausgangspunkt  für  Smyrna  und  los, 
und  nur  einen  ;  und  das  ist  —  Athen. 

los  erhielt  seine  ionische  Bevölkerung  bei  Gelegenheit  der  ioni- 
schen Wanderung  nach  Asien,  und  in  die  Zeit  dieser  Wanderung  setzt 
Aristoteles,  der  Vertreter  der  ietischen  Sage,  ausdrücklich  Homers 
Erzeugung  auf  los.  Also  die  Fäden  der  Ueberlieferung  laufen  aller- 
dings aus  Kleinasien  in  Smyrna  zusammen,  dann  aber  noch  weiter 
rückwärts,  sich  mit  dem  von  los  kommenden  vereinend  nach  Athen, 
von  dessen  Prylaneion,  wie  Herodot  sagt,  diejenigen  ausgiengen, 
welche  sich  für  die  edelsten  lonier  hielten.  Sollte  vielleicht  Homer 
zu  den  edelsten  loniern  gehört  haben?  Ich  will  diesen  Gedanken  für 
jetzt  nicht  weiter  verfolgen,  sondern  nur  wieder  auf  Aristarch  hin- 
A.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Bd.  LXVIl.    Hß.  3.  17 


258  Lauer:  Geschichte  der  homerisehcn  Poesie« 

deuten,  der  mitten  durch  das  ganze  Gewirr  von  Sagen  hindurch  dert 
Nagel  auf  den  Kopf  traf  und  genau  den  Punkt  herausfand,  von  wo  al- 
lerdings die  homerische  Poesie  zuerst  ausgegangen  sein  mufs. 

Unserm  Verf.  freilich  liegen  solche  Gedanken  ganz  fern.  Er 
protestiert  entschieden  gegen  den  ionischen  Homer  und  fordert  einen 
aiolischen.  Er  sagt  S.  110,  er  thue  dies  im  Namen  der  Ueberliefe- 
rung,  bringt  indessen  keinen  andern  Grund  vor  als  den,  dafs  Smyrna 
bis  Ol.  20  äiolisch  gewesen  sei. 

Nun  hat  aber  doch  0.  Müller  Litteralnrgesch.  I  S.  72  aus  den  Al- 
ten nachgewiesen,  dafs  in  Smyrna  eine  ionische  Colonie  von  Ephesos 
und  eine  aiolische  von  Kyme  zusammenwohnten  —  auch  sonst  kommt 
bekanntlich  dergleichen  Verbindung  vor,  und  nicht  selten  — ,  dafs 
die  lonier  später  erst  von  den  Aiolern  vertrieben  wurden  und  sich 
nach  Kolophon  wandten,  dafs  dann  von  Kolophon  aus  Smyrna  wieder 
erobert  und  ganz  ionisch  gemacht  w  ard,  vor  der  Zeit  des  Gyges,  wel- 
cher um  700  v.  Chr.  lebte.  Diesen  Beweis  Müllers  hat  Lauer  selbst 
S.  89  dem  Leser  vorgeführt,  hat  ihn  aber  nicht  entkräftet;  ja  er  hat 
ihn  nicht  einmal  angegriffen. 

0.  Müller  nimmt  an,  dafs  die  erste  ionische  Colonie  nach  Smyrna 
sogar  etwas  früher  als  die  aiolische  kam,  weil  der  Name  der  Stadt, 
wie  wir  wifsen,  von  dem  ephesischen  Smyrna  hergenommen  ward. 
Ich  werde  w  eiterhin  zeigen ,  dafs  nach  der  eignen  Ueberlieferung  der 
Aioler  die  aiolische  Colonie  dreizehn  Jahre  später  nach  Smyrna  kam, 
als  die  ionische  Wanderung  nach  der  jüngsten  Berechnung,  also  der 
für  die  lonier  in  diesem  Falle  ungünstigsten,  angesetzt  werden  kann. 

Lauer  meint  a.  a.  0.  ferner,  schon  Welcker  habe  richtig  er- 
kannt, dafs  die  Spuren  der  Ueberlieferung  auf  einen  aiolischen  Homer 
führten.  Welcker?  Schon?  Man  mufs  alle  gebührende  Achtung  vor 
Welckers  Verdiensten  haben  ,  aber  man  darf  nicht  so  schreiben,  dafs 
es  aussehe,  als  ob  diese  Ansicht  vom  aiolischen  Homer  nicht  schon 
im  Alterthum  aufgetreten  wäre!  Ich  will  von  den  vielen  Stellen,  die 
ich  eitleren  könnte,  vor  allen  eine  eitleren,  die  im  Anecd.  Rom.,  von 
welcher  der  Herausgeber  Osann  p.  5  sagt,  er  habe  diesen  locus  olim 
veröffentlicht,  er  sei  aber  spretiis  a  viris  doctis.  Suchen  wir  den 
Fehler  der  tirorum  doctorum  zu  meiden,  der  locus  spretus  lautet  so: 
Triv  6s  Ttoltjöiv  avayivcoaneö-d'ai  ai^ioi  ZfonvQOg  o  Ma'yui]g  AioUdi, 
ciialeKxay  ro  ö'  avxo  nai  JinmaQiog.  Also  diese  beiden  forderten, 
die  homerischen  Gedichte  müsten  durchweg  in  aiolischen  Dialekt  um- 
gesetzt werden.  Glaubt  wohl  irgend  jemand,  dafs  sie  diese  immense 
Forderung  stellten  ohne  fest  überzeugt  zu  sein ,  dafs  die  Spuren  der 
Ueberlieferung  auf  einen  aiolischen  Homer  führten?  Und  wenn  jemand 
sie  für  aberwitzig  genug  hält  um  so  etwas  lediglich  auf  Grund  ein- 
zelner schon  vorhandener  aiolisierender  Varianten  und  sachlicher  Indi- 
cien  aus  den  Gedichten  selbst  zu  fordern,  so  fragen  wir:  hat  denn 
z.  B.  Ephoros  mit  seiner  langen  Geschichte  von  der  aiolischen  Ab- 
kunft Homers  sich  auch  nur  auf  innere  Gründe  aus  den  Gedichten 
gelbst  gestützt  und  seine  Geschichte  fingiert  ?  Lauer  selbst  meint  S.  87, 


Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie.  250 

Ephoros  Erzählung   sei  kymaeische  Volkssage,  nicht  gelehrte  Com- 
bination. 

Es  ist  aber  die  ganze  Behauptung  vom  aiolischen  Homer  im  Al- 
terthum  nicht  allein  aufgetreten,  soiulern  auch  schon  beseitigt  worden, 
und  zwar  durch  Aristarch,  den  unser  Verf.  hier  wieder  gar  nicht  ein- 
mal nennt.  Aristarch,  das  sehen  wir  noch  aus  der  uns  vorliegenden 
Scholienlitteratur,  Aristarch  zerschhig  Stück  für  Stück  dieWaifen  der 
für  einen  aiolischen  Homer  kämpfenden  nud  setzte  an  die  betrelFenden 
Stellen  der  Gedichte  seine  Diplen,  wahre  vesiif/ia  leoiiis.  So  sagte 
man  z.  B.,  Schol.  A  459,  das  uv  igveiv  beim  Opfer  sei  ein  absonder- 
liches kymaeisches  k'd-og;  gegen  diese  Behauptung  setzte  Aristarch  bei 
den  betreffenden  Stellen  eine  Diple;  die  Erklärung  des  Aristonikos  ist 
in  ihrer  ursprünglichen  Fafsung  bei  5  4"22  erhalten:  av  eQvoav:  rj  öi~ 
TtAr],  OTi  TO  av  iQvöav  avrl  tov  eig  tov71l6(o  aviv-XaGav ,  ö  uoiovaiv 
Ol  öcpd^ovreg.  Und  die  Richtigkeit  dieser  Interpretation  ward  durch 
Stellen  bewiesen,  wo  av  igvetv  in  anderer  Verbindung  vorkommt: 
M  261  av  EQVov:  tj  ötnlrj^  öxi  eig  tovtclö(o  silxov,  nQog  to  ' av  sqv- 
Gav  [i£v  TTpcora.'  A.  In  der  Stelle  O  651  hatte  man  das  tiiq  für  ein« 
aiolische  Form  erklärt;  Aristonikos:  a'ivviisvoi  nsQ  haiqov:  rj  öntkrj^ 
ori  ikXsiTtsi  1/  tisqI,  tcsqI  sraiQOV.  ElXavixog  ös  AlokiKwg  vo^l^et  rrju 
neqi  TtiQ  eiQija'&ai.  A.  Und  nun  wurden  mit  einer  Diple  auch  alle  an- 
dern Stellen  bezeichnet,  wo  ein  blofser  Casus  die  Stelle  einer  Praepo- 
sition  mit  einem  Casus  einnimmt.  Aber  damit  nicht  zufrieden,  die  Be- 
weise der  Gegner  zu  zerstören,  wies  der  grofse  Kritiker  auch  die 
Punkte  nach,  welche  mit  der  Annahme  eines  aiolischen  Homer  unver- 
einbar seien.  So  z.  ß.  zu  //856  li^vxij  d  ix  ^e&ecoi'  7tTa}iiv}j"Atö6gds 
ßcßrjxei  sagt  Aristonikos  ■»/  ömXfj,  oxi  ndvxa  ra  fif'A»/  ^id^t]  OfA-ijQog 
7tQ06ayoQEvet.y  oi  de  AioXelg  (lovov  to  TtQoGconov.  A.  Zu  dieser  Classe 
von  Anmerkungen  gehört  denn  auch  die  von  Lauer  in  der  oben  be- 
leuchteten Stelle  über  Athen  citierle  bei  iV  197,  über  das  Vorkommen 
des  Duals  im  Homer. 

Eine  Menge  aiolischer  Lesarten  verwarf,  wie  mau  aus  Didymos 
sieht,  Aristarch,  und  zog  die  attisch -ionischen  Varianten  vor.  Dafs 
Aristarch  diese  Varianten  nicht  machte,  dafs  er  sie  eben  als  die  be- 
glaubigten vorfand  und  so  mit  durch  sie  eben  dazu  bewogen  wurdo 
der  Ueberlieferung  vom  attisch-ionischen  Ursprünge  Homers  den  Vor- 
zug zu  geben,  versteht  sich  von  selbst  und  kann  nur  von  denen  be- 
stritten werden,  welche  dieser  Sachen  durchaus  unkundig  sind,  ^^'o 
die  aiolische  Form  die  befser  beglaubigte  war,  behielt  sie  Aristarch. 
Das  war  aber  eine  kleine  Minderzahl  von  Stellen,  und  von  dieser  Min- 
derzahl sagte  Aristarch,  eben  so  gut  wie  aus  ihnen  einen  aioli- 
schen, könne  man  aus  den  dorischen  Formen  in  den  Gedichten  einen 
dorischen  Homer  folgern.  Auf  diese  Beweisführung  deutet  z.  B.  dio 
Diple  bei  Z  262,  wo  Aristonikos  sagt  rj  öml^,  ort  änQiog  Jwiitov 
TO  rvvr]. 

Anstofs  aber  erregen  diese  Dorismen  im  Homer  eben  so  wenig 
wie  die  Aiolismen.    Denn  zuvörderst  war  in  der  Zeit,  wo  Homer  ge- 

17* 


260  Lauer:  Geschiclile  der  homcrisclicn  Poesie, 

dichtet  ward,  sehr  vieles  allen  Griechen  gemeinsam,  was  späler  nur 
in  einem  einzelnen  Stamme  haftete,  also  als  dialektisch  erschien; 
zweitens  aber  ninfs  man  die  Zusammensetzung  des  ionischen  Stammes 
wohl  beachten.  Die  lonier  waren  ein  Mischvolk,  unter  dem  sich  gro- 
fse  Massen  von  aiolischer  und  dorischer  Abkunft  befanden,  ^^  enigstens 
dals  dies  in  Kleinasien  so  war,  bezeugt  llerodotl,  146:  'Wollte  man 
aber  sagen,  dieselben  seien  mehr  eigentliche  lonier  als  die  anderen 
lonier,  oder  ihr  Ursprung  edler ,  so  wäre  das  sehr  einfältig:  indem 
die  Abanten  aus  Euboia  mit  nichten  den  kleinsten  Theil  von  ihnen 
ausmachen,  ohne  auch  nur  im  Namen  etwas  ionisches  zu  haben,  und 
ihnen  3Iinyer  von  Orchomenos,  auch  Kadmeer,  Dryoper,  ein  Theil 
Phokeer,  Molosser,  pelasgische  Arkader  und  dorische  Epidaurier  nebst 
vielen  andern  Stämmen  beigemischt  sind.  Auch  diejenigen,  die  vom 
Prytaneion  in  Athen  ausgiengen  und  sich  für  die  edelsten  lonier  halten, 
haben  keine  Weiber  mit  in  die  Pflanzung  gebracht,  sondern  sich  Ka- 
rerinnen genommen,  deren  Väter  sie  gemordet  hatten.''  Nachdem  Ile- 
rodot  hinzugesetzt  hat,  dies  sei  in  3Iilet  der  Fall  gewesen,  und  da- 
raus sei  dort  eine  gewisse  Sitte  enistanden,  fährt  er  im  folgenden 
Capitel  so  fort:  'Zu  Königen  aber  machten  einige  derselben  Lykier, 
Nachkommen  von  Glaukos,  Hippolochos  Sohn;  andere  nahmen  sie  aus 
den  pylischen  Kaukonen,  von  Kodros,  Melanihos  Sohn,  andere  aus 
beiden.  Freilich  hängen  sie  mehr  als  die  übrigen  lonier  an  diesem 
Namen.     So  lafsen  wir  sie  denn  auch  den  reinen  lonierslamm  sein.' 

Diese  Stelle  ist  schon  allein  im  Stande  alle  Aiolismen  und  Doris- 
men  in  den  homerischen  Gedichten  zu  erklären.  Wenigstens  für  den, 
welcher  den  Homer  in  Kleinasien  geboren  sein  läfst,  Dafs  aber  die  in 
ihr  besprochenen  Verhältnisse  auch  bei  der  Aristarchischen  Annahme 
eines  athenischen  Homer  zu  berücksichtigen  seien,  wird  weiterhin 
deutlich  werden. 

Wie  aber  der  alt -ionische  Stamm  von  den  fremdartigen  Elemen- 
ten nicht  überwuchert  ward,  sondern  vielmehr  sie  unter  sein  Dach 
nahm,  gerade  so  herscht  auch  im  Homer  der  alt-ionische  Dialekt  über 
den  dorischen  und  aiolischen.  Ich  sage  der  alt-ionische,  denn  dieser 
Dialekt,  identisch  mit  dem  ältesten  athenischen,  bezeichnete  Aristarch 
ausdrücklich  als  den  Dialekt  Homers,  indem  er  ihn  ebensowohl  von 
dem  späteren  Attisch  wie  von  dem  späteren  Ionisch  unterscheidet. 
Schol.  A  A  589  Äiavxt^  og  ßelieGGi:  ^  dntkrj^  oxl  Zr]v6öorog  yQäcpet 
Ai'avrog  ßskssGöi.  ysvivii]  [jlsu  ovv  ov^  kq^o^si,  (oGre  öexEOdat  rov 
Ai'avrog'  ii  Ös  Kai  v,axa.  övvaXoicprjv  iv  rm  iptAw  avrt0TOix(p  yiyqa- 
cpEv,  'iv  r}  xo  nXiJQsg  Al'avx^  og  ßsXie66LV,  ovn  I'gxl  r%  nc(&  Oihjqov 
laSog  x6  ilfilovv  xa  xoiavxa.  iC  281  'ij  ömXrj,  oxl  xo  naXiv  ccvxl  xov 
slg  xovTtiöo}^  xal  öxi  lanov  xo  6v6xeXXsi.v,  evxXetag  ncci  övö^Xia'  ot 
8s  ^AxxtKol  ixxBLvovßt,  xa  xoiavxa.  B  1J5  t;  ÖLTtXt]^  oxi  xaxa  6v6xo~ 
Xrjv'0iir]QiK7]i'  xa  xoiavxa  ixcpiQSi,  övöviXia  nal  ayanXia^  Icavtucög' 
Ol  ÖS  ^AxxiKol  sKxstvovöiv.  Der  Codex  und  Bekker  haben  die  Worte 
7]  öinX'^  nicht,  Villoison  hat  eine  itsQisaxiy^svn]  im  Text.  P  112  ri 
öiTtXij,  OXL  XYiv  %axa  ayqov  EnavXiv  fiiööavXov   oi  Ö£   Axxlkol  x^v 


Lauer:  Giiscliiclilc  der  liomcrischtiii  Poesie.  261 

fiiaijv  ■&v(iav   Trjg  avkijg,  t-iju  öw()L^ovOau  rijv   re  yvvaLKoovtziv  aal 
TOv  avdfjcüva. 

So  besläligte  Arislarch  seine  Ansicht  über  Homer  nach  allen  Sei- 
ten hin  aus  der  BeohachliniK-  der  Gedichte.  Üafs  den  Gedichten  selbst, 
nicht  den  Nachrichten  vom  Homer  die  letzte  Entscheidunja:  in  der  Frage 
»ach  dem  Vaterlande  des  Dichters  zustehe,  sagt  auch  Lauer.  'Schon 
die  Allen  fühlten  es,*  sagt  er  S.  112  *  dals  die  homerischen  Gesänge 
für  diese  Frage  zu  gebrauchen  seien';  .  ,  .  Sie  fühlten  es  nur?  .  .  . 
'daher  ihre  Anmerkungen  über  aiolisches,  altisches  u.  a.  in  dem  Dich- 
ter*. .  .  .  Wie  naiv!  Der  Verf.  meint  wirklich,  die  Alten  hätten  das 
dialektische  im  Homer  auf  eben  so  dilettantische  Art  angemerkt,  wie 
er  selbst  etwa  die  Scholien  citiert.  .  .  .  *Aber  erst  in  neuerer  Zeit  hat 
man  diese  Quelle  mit  einigem  Geschick  verfolgt.'  .  .  .  Sieh  doch!  .  .  . 
'Zuerst  geschah  dies  von  Hobert  Wood.'  .  .  .  Sieh  sieh !  Aristarch  war 
wohl  ein  recht  ungeschickter  Mensch,  besonders  im  Vergleich  mit 
Hobert  Wood?  Freilich,  seiner  Zeit  begann  'der  llr.  Hofrath  Heyne' 
seine  Recension  Woods  mit  den  Worten;  'Noch  niemanden  haben  wir 
gesehn,  der  so  tief  in  den  Geist  Homers  eingedrungen  wäre',  und  wei- 
terhin sagte  er  dann:  'Wir  haben  noch  niemanden  gefunden,  der  un- 
gern Ideen  hierunter  so  gut  zu  statten  gekommen  wäre'.  Lauer  sei- 
nerseits rühmt  das  'anregende'  Woods.  Ich  mufs  gestehn  ,  dafs  mir 
sein  Buch,  obschon  ich  ihm  das  verdienstliche  nicht  abspreche,  doch 
stets  den  gröfsten  Widerwillen  eingellöfst  hat,  durch  die  breitspurige 
und  gezirkelte,  echt  englische  Art  mit  der  es  seine  Hand  voll  Be- 
obachtungen bietet.  Zum  Davonlaufen  bin  ich  durch  dies  Buch  'ange- 
regt '  worden. 

Vornehmlich  das  geographische  im  Homer,  setzt  unser  Verf. 
S.  113  weiter  auseinander,  gibt  auch  bei  Thiersch  die  Argumente  ab, 
andere  haben  für  andere  Locale  andere  Gründe  geltend  gemacht,  alle 
aus  den  Gedichten.  Das  Princip  sei  richtig ,  die  Anwendung  vielfach 
verfehlt,  fliit  Sicherheit  lafse  sich  aus  der  Ilias  wie  aus  der  Odyssee 
erweisen,  dafs  beide  Gedichte  an  der  Küsle  Kleinasiens  ihre  letzte 
Gestalt  erhielten.  Näheres  über  das  wo?  werde  später  folgen  [im 
zweiten  Buche].  Hauptsächlich  müfse  man  den  Stolf  berücksichtigen, 
denn  die  ältesten  Dichter  hätten  nachweislich  nur  vaterländische  Stoffe 
behandelt. 

Das  ist  recht  schön,  sagen  wir,  aber  es  ist  nur  schlimm,  dafs 
die  Griechen  so  viele  Colonien  haben.  Jede  Colonie  betrachtet  die 
Stoffe  der  Metropole,  ja  der  Metropole  von  dieser  und  weiter  hinauf 
gleichsam  der  Urgrofsnuitler  als  vaterländische,  und  aufserdem  auch 
noch  die  Stoffe  der  Schwestern,  Basen  und  Freundinnen.  Ein  Beispiel 
gibt  gerade  das  Buch,  in  welchem  der  Verf.,  wie  er  hier  S.  114  sagt, 
vor  mehreren  Jahren  schon  selber  diesen  Weg  gewandelt  ist,  von 
welchem  er  meint,  dafs  er  am  sichersten  zum  Ziele  führe.  Nemlich  in 
der  quaestio  Homerica  wurde  das  boiotische  der  Nekyia  nachgewie- 
sen und  auf  Grund  desselben  die  Nekyia  nach  Boiotien  gesetzt;  und 
jetzt  gibt  Lauer  selbst  S.  11-1  in  der  Anmerkung  zu,  es  sei  wahrschein- 


262  Laiiei';  Goöcliiclilc  der  homerischen  Poesie. 

lieber,  dals  die  Nekyia  in  einer  boiotischen  Colonie  gedichtet  ward 
als  in  ßuiolicn  seihst.  Der  boiotischen  Colonien  sind  aber  viele,  Boio- 
ter  waren  unter  anderm,  wie  die  oben  angeführte  Stelle  des  Herodot 
und  norli  viele  andere  Zeugnisse  darthun ,  massenweise  unter  den  lo- 
iiiern  die  nach  Asien  giengen ,  ßoioter  von  allen  Arten,  Kadmeionen 
von  Tiieben ,  Minyer  von  ürchomenos  und  Pylier.  Nun  fällt  also  die 
ganze  Deduclion  der  quaesiio. 

Denn  diese  setzte  anf  Grund  des  boiotischen  in  der  Nekyia  die- 
selbe nach  ßoiolien  selbst.  Ich  wiederhole  das,  weil  der  Verf.  über 
diesen  Pnnkt  in  dem  spätem  Werke  sich  einer  Selbstleuschung  hin- 
gibt. Er  behauptet  nemlich  in  der  bezeichneten  Anm.  das.  S.  114,  es 
werde  sclion  in  der  frübern  Schrift  zu  zeigen  versucht,  dafs  das  k  *in 
Boiotien  selbst  oder  unter  ehemaligen  Bewohnern  dieses  Landes'  ge- 
dichtet sei.  In  der  quaesiio  hat  aber  Lauer  die  Ansicht,  die  Nekyia 
sei  entweder  in  Boiotien  selbst  oder  unter  ehemaligen  Bewohnern  die- 
ses Landes  gedichtet,  diese  Ansicht  hat  er  dort  so  wenig  ausgeführt, 
dals  vielmehr  nur  von  dem  erstem  Falle  überhaupt  die  Bede  ist,  von 
dem  letztem  aber,  der  Entstehung  in  einer  boiotischen  Colonie,  auch 
nicbt  eine  Silbe  verlautet.  Das  wird  entweder  durch  Autopsie  jeder 
schon  selbst  wilsen,  oder  alsbald  erfahren  können.  Die  Herren  Her- 
ausgeber der  Geschicble  der  homerischen  Poesie  sind  vollkommen 
meiner  Ansieht;  sie  sagen  Vorrede  S.  VII  von  der  quaestio:  'Sie  legte 
Zeugnis  ab  von  der  selbständigen  Forschung  und  Aulfal'sung  Lauers, 
der  darin  eben  so  geistreicb ,  als  mit  gründlicher  Gelehrsamkeit  den 
Beweis  zu  führen  versuchte,  dafs  die  I^SKVia  [lies  NiKvia]  einst  ein 
gesonderles  Lied  gewesen,  dessen  Heimat  in  Boeotien  zu  suchen  sei.' 

Dafs  jetzt  der  Verf.  die  spätere  riebtigere  AulTafsung  in  jene 
frühere  Zeit  binaufrückt,  kann  mau  als  eine  Art  Analogon  zur  antiken 
Mytlienbildung  betrachten,  mit  der  Lauer  nach  Vorrede  S.  I  so  viel 
sich  besciiäfligte;  wie  z.  B.  Hercules  schon  so  manches  gethan  haben 
soll,  was  eniscbieden  erst  in  weit  spätem  Zeilen  geschah. 

Näher  bestimmt  wird  die  spätere  Auffafsung  vom  Verf.  in  der 
Gescliichte  der  homerischen  Poesie  S.  231  Anm.  151,  in  einem  Theile 
des  Werkes,  welchen  die  Herausgeber  nach  S.  211  Anm.  108  aus  der 
Lauerseben  Habilitationsschrift  unverändert  aufgenommen  haben.  Hier, 
in  dem  Bmcbstücke  einer  Schrift,  welche  der  Zeit  nach  zwischen  die 
quaesiio  und  das  grofse  Werk  fällt,  ist  der  Gedanke  im  Uebergange, 
das  wahre  der  Sache  fängt  an  sich  in  Lauers  Ueherzeugung  Bahn  zu 
brechen,  aber  die  frühere  falsche  Vorstellung  wird  doch  noch  nicht 
entschieden  verleugnet.  Es  heilst  nemlich:  *  Obgleich  ich  mich  da- 
mals im  allgemeinen  mehr  zu  der  Ansicht  neigte,  dafs  die  JSi'Kvia  im 
nachmaligen  Boiotien  —  und  nicht  blofs  unter  einstigen  Bewohnern 
dieses  Landes  entstanden  sei,  so  kann  ich  doch  hier  noch  eine  andere 
Vermiithung  mitlheilen,  die  manchem  vielleicht  befser  zusagt,'  Diese 
Vermutliung  nun  läuft  auf  nichts  geringeres  hinaus  als  darauf,  dafs 
das  A  im  Peloponues,  sage  im  Peloponnes,  bei  den  dortigen  Minyem 
oder  Kadmeionen  gedichtet  sei.    Also  auch  da,  wo  Lauer  endlich  auf 


Lauer :  Gescliiclilo  der  hoincrisclicii  Poesie.  263 

den  richlig^en  Weg-  g-ebraclil  war,  isl  er  in  uiihegreiflinlier  Verblendung 
wieder  seitwärts  abgewielien.  llomcrisciie  l'ucsje  im  Pelojjonnes  ge- 
dichtet! Ein  Witzbold  würde  sagen,  diese  Ansicht  sei  wenigstens 
nicht  minder  boeotisch  als  die,  welche  das  k  nach  Boeotien  selbst 
setzte. 

Aber  lafsen  wir  den  Scherz;  es  hat  eine  zu  betrübende  Seile, 
dafs,  nachdem  der  lleifsige  Verf.  so  lange  und  mit  solcher  Liebe  die 
Geschichte  der  homerischen  Poesie  und  besonders  gerade  das  \  stu- 
diert hat,  nun  doch  noch  erst  ein  anderer  den  einen  Ort  nennen  muls, 
wo  Leute  boiotischen  Geschlechts  und  der  Sloll"  des  A  und  homerische 
Poesie  zusammen  sind.  Dieser  Ort  ist  Kolophon.  Kolophon,  die  Va- 
terstadt so  vieler  alter,  grol'ser  Dichter,  die  Sladt,  welche  bekannt- 
lich den  Margites  und  aufserdem  auch  Nostoi  hervorbrachte,  Kolo- 
phon, w^elches  den  Homer  seinen  Bürger  nannte,  diese  Stadt  war  nach 
dem  bekannten  Zeugnisse  des  Mimnermos,  eines  gewis  entscheiden- 
den Zeugen,  ganz  oder  doch  zum  überwiegenden  Theile  von  Pyliern 
besetzt  worden;  Kolophons  Hauptlempel  aber,  der  des  Apollon  in 
Klares,  knüpfte  bekanntlich  seine  Entstehung  an  die  Manto ,  die  Toch- 
ter des  Teiresias,  welcher  im  A  die  llaupirolle  spielt,  in  Kolophon 
aber  ein  Grab  hatte.  'Aitkov^  o  ^v&og  t%  ak)id'£iag  e'g)v:  ich  braueUo 
keine  Citate  zu  häufen. 

Also  in  Kolophon  ist  das  k  oder  die  ganze  Odyssee  gedichtet? 
—  Ei  bewahre!  dann  hätte  ja  Lauer  doch  Recht  mit  seinen  Schlüfsen 
aus  dem  StolT  auf  das  Vaterland,  und  man  brauchte  nur  Vorsicht  bei 
denselben  anzurathen.  Dafs  Smyrna  schon  zur  Zeit  seiner  ersten  ioni- 
schen Colonie  aufs  engste  mit  Kolophon  zusammenhieng,  lehrt  der 
Umstand,  dafs  diese  ersten  ionischen  Bewohner  Smyrnas,  als  dieAio- 
1er  sie  vertrieben,  gerade  nach  Kolophon  giengen.  Also  der  Dichter 
des  k  oder  der  ganzen  Odyssee  könnte  trotz  des  boiofisch^kolophoni- 
scben  im  k  der  Smyrnaeer  Homer  gewesen  sein ,  welcher  der  Schwe- 
sterstadt  in  diesem  Gedichte  oder  in  diesem  Theile  des  Gedichtes  eine 
Ehre  erwies,  und  um  so  lieber,  als  es  ihm  für  sein  Gedicht  trefflich 
passte. 

Also  auf  Verbindungen  der  Dichter  mit  Städten  kann  man  aus 
dem  SlolTe  der  Gedichte  scliliefsen?  —  Allerdings,  und  aufserdem 
noch  auf  allerlei,  z.  B.  auf  Verwandtschaft  der  Schulen,  auf  Sitten 
und  Lebensrichlungen  der  Zeit,  auf  den  Stand  der  Sagen;  nur  gerade 
auf  das  nicht,  worauf  unser  Verfafser  aus  dem  Stoffe  sohliefsen  will. 

Er  hätte  auch  hier  von  Aristarch  lernen  können.  Dieser  hat 
nicht  aus  dem  Stoff  auf  das  Vaterland  geschlofsen;  ja  sogar  das  slolT- 
liche  der  Form,  die  Wörter  und  Formen  braucht  er  nicht  zur  Fest- 
stellung des  Vaterlandes,  sondern  nur  um  den  Stamm  nachzuweisen, 
dem  Homer  angehörte.  Das  war  ein  anderer  Mann,  der  schlofs  aus 
der  Manier,  aus  der  Art  zu  schwören  und  die  Worte  zu  fügen,  der 
setzte  Diplen  Ttgog  xr]v  ArtLKrjv  övvra^ii'. 

\>'ir  sind  eben  auf  das  Verhältnis  Kolophons  zu  Smyrna  geführt 
worden,  wir  erinnern  uns,  dafs  wir  ja  überhaupt  noch  den  dritte» 


264  Lauer:  Gcschiclüe  der  homerisclicn  Poesie. 

Punkt  der  Uiifersuchung  erörlern  inüfsen,  das  Verhällnis  zwischen 
Smyrna  und  den  andern  vier  Orten,  die  Entstehung  und  Forthildung 
der  Sagen,  welche  die  letzteren  betreffen. 

Der  \'erf.  bildet  hier  die  Miillersche  Idee  ins  einzelne  aus. 

Er  behauptet  S.  106,  ganz  wie  0.  Müller,  die  smyrnaeische  Sage 
besitze  allein  den  Charakter  des  einlachen  und  ursprünglichen.  Homer 
ist  nach  dieser  Sage  der  Sohn  der  Nymphe  Kritheis  und  des  Flufs- 
gottes  Meles  und  heifst  deshalb  Melesigenes ;  an  den  Quellen  des 
Flufses  zeigte  man  die  Grotte,  wo  er  seine  Gedichte  gedichtet  habe; 
ein  Homereion  zu  Smyrna  gab  Kunde  von  der  Anhänglichkeit  der 
Stadt  an  'ihren  ersigebornen.' 

Das  alles,  sagen  wir,  ist  recht  schön,  aber  es  beweist  doch  im- 
mer nur,  dafs  Smyrna  für  Kleinasien  der  älteste  homerische  Ort  ist; 
los  bleibt  daneben  stehn,  und  weiter  rückwärts  als  gemeinsamer  Aus- 
gangspunkt für  los  und  Smyrna  bleibt  Athen. 

Fahren  wir  fort,  so  klar  wie  uns  möglich,  die  Ansichten  des 
Verf.  darzulegen.  Während  der  Ruhm  der  homerischen  Poesie  von 
Smyrna  aus  sich  immer  mehr  verbreitete,  glaubten  auch  andere  Orte 
sich  berechtigt,  einen  Anspruch  auf  den  Dichter  geltend  zu  machen, 
iiemlich 

1)  Kyme,  weil  es 

a)  Mutterstadt  von  Smyrna  war, 

b)  Hauptsilz  derjenigen  Stämme  war,   deren  Thaten  vornehm- 
lich die  homerischen  Gesänge  darstellen, 

c)  vom  Geschlechte  des  Agamemnon  beherscht  wurde. 

2)  los,  weil  dort  ein  Dichtergeschlecht  bestand,  welches  seinen 
Mittelpunkt  in  einem  Grabe  Homers  hatte,  woselbst  es  seine  Opfer 
darbrachte.  An  dies  Grab  hatte  sich,  bevor  die  smyrnaeisclien 
Ansprüche  durchdrangen,  eine  Sage  geknüpft,  nach  welcher  Homer 
auf  los  auch  geboren  sein  sollte,  von  einem  Mädchen  Namens  Kly- 
mene,  'die  berühmte.' 

3)  Kolophon,  weil  soviel  feststand,  dafs  daselbst  der  Margites 
gedichtet  war. 

4)  Chios,  weil  es  der  Sitz  des  Geschlechts  der  Homeriden  war. 
Nachdem  nun  Smyrnas  Ansprüche  durchgedrungen   waren,  galt 

es  für  diese  vier  Orte,  ihre  Ansprüche  mit  denen  Smyrnas  in  Einklang 
zu  setzen. 

Gelegenheit  dazu  bot  der  Umstand,  dafs  Homers  Geschlecht  in 
der  smyrnaeischen  Sage  über  seine  3Iutter  Kritheis  nicht  hinausge- 
führt war. 

Hieran  knüpften  die  Kymacer  an  (S.  86.  92)  und  behaupteten, 
Homer  sei  allerdings  in  Smyrna  am  Meles  geboren,  aber  nicht  dort 
erzeugt;  seine  Mutter  heifse  allerdings  Kritheis,  sei  aber  keine  Nym- 
phe, sondern  ein  Mädchen  aus  dem  vornehmsten  kymaeischen  Ge- 
schlecht; für  seinen  Vater  gelte  allerdings  der  Meles,  aber  der  Meles 
sei  nicht  der  rechte  Vater;  heimlich  von  einem  verwandten  in  Kyme 


Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie.  265 

geschwängert,  sei  das  Mädchen,  um  der  Entdeckung  vorzubeugen, 
nacli  Smyrna  hin  verheiralet  worden. 

Diese  Darstellung;  hcruhl  auf  Ephoros.  Im  wesentlichen  stimmt 
mit  ihm  eine  andere  Er/,äiilung  in  der  vila  B.  Als  Mann  der  Krilheis 
in  Smyrna  ist  der  Schulmcisler  Fhemios  erst  durch  'die  ungelehrten 
Gelehrten'  in  die  Sage  gekommen,  S.  96  Anm.  56. 

Die  ungelehrleii  Gelehrten!  Ja  wenn  nur  unser  gelehrter  Gelehr- 
ter S.87  nicht  gesagt  halle,  die  vita  E  berufe  sich  wegen  des  kymaei- 
schen  Ursprunges  des  Homer  auf  "^  Ephoros  und  die  Historiker.'  Wie 
konnte  eine  gelehrte  Feder  sich  nicht  sträuben  das  aufs  Papier  zu 
bringen?  Bei  Westermann  im  Text  steht  freilich  xar«  d'  "Ecpo^ov  Kai 
Tovg  töxoQLKOvg  Kv^iatog ^  aber  nicht  alles  ist  Gold,  was  bei  Wester- 
mann im  Text  steht.  In  der  Note  sagt  dieser:  aal  om.  C.  videfur  alius 
quoque  sciiploris  noinen  excidisse,  neliit  Irniluv  (Imtvv?  cf.  vila  6. 
v.  3),  nisi  Olli.  x«t  scrihendum  xov  iötoqcxov.  In  der  hier  citierlen 
vita  F  heifst  es:  Inmag  d  cev  xal  EifOQog  Kvfiaiov ,  in  der  zweiten 
Plutarcbischen  vita  aber  c.  2  "EcpoQog  de  o  t6xoQLY.og  Kv^aiov.  Alles 
zusammengenommen  lehrt,  dafs  in  der  fragliehen  Stelle  der  vita  E 
mit  völliger  Sicherheit  zu  befsern  sei  aaza  ö'  "EtpoQov  xov  iGxoqiVrOv 
Kv^ialog. 

Aehnlich  wie  Kyme  knüpfte  los  (S.90)  an  die  smyrnaeischeSage 
an.  Homer,  sagten  die  leten,  ward  zu  Smyrna  geboren,  aber  auf 
los  mit  einem  Mädchen  dieser  Insel  erzeugt.  So  weit  machten  es  die 
leten  gerade  wie  die  Kymaeer.  Aber  während  Kyme  in  festem  äufse- 
rem  Verwandtschaftsverhältnisse  zu  Smyrna  stand,  war  der  Zusam- 
menhang zwischen  Smyrna  und  los  nur  ein  idealer ,  auf  die  Gemein- 
samkeit der  Poesie  gegründeter.  Daher  trat  in  der  Ausführung  des 
einzelnen  ein  Unterschied  zwischen  der  Art  der  leten  und  der  Ky- 
maeer ein.  Letztere  machten  einen  ihrer  Mitbürger  zum  Vater  des 
Dichters,  erstere,  die  Dichter  auf  los,  einen  der  Daemonen,  welche 
mit  den  Musen  den  Heigen  tanzen;  sodann  liefsen  sie  das  schwangere 
Mädchen  von  los  nach  Smyrna  durch  Seeräuber  kommen,  die  Kymaeer 
dagegen  brachten  es  durch  eine  Verheiratung  dorthin. 

Lauer  konnte  hinzufügen,  dafs  die  Kymaeer  sie  an  einen  Privat- 
mann in  Smyrna  verheirateten,  die  leten  an  den  König  der  Stadt, 
Maion,  welchen  sie  sammt  der  Mutter  bald  nach  der  Geburt  des  Dich- 
ters sterben  liefsen.  Von  solchem  Tode  der  Eltern  scheinen  die  pro- 
saischen Kymaeer  nichts  zu  wifsen. 

Die  Mutter  Homers  hiefs  auf  los,  wie  bemerkt,  ursprünglich 
Klymene;  die  leten  muslen  aber  der  smyrnaeischen  Sage  zugeben,  sie 
habe  Kritheis  gebeifsen,  in  der  Art,  dafs  sie  daneben  doch  auch  den 
Namen  Klymene  festhielten  und  eine  doppelte  Ueberlieferung  in  die- 
sem Punkte  bei  ihnen  sich  ausbildete. 

Dafs  Lauer  diese  Verhältnisse  von  los  und  die  von  Kyme  im 
allgemeinen  gut  bebandelt  habe,  erkennt  Ref.  aufs  bereitwilligste  an; 
namentlich  ist  der  Beweis  dafür  gelungen,  dafs  es  den  Kymaeern  und 
leten  unmöglich  erschien,  den  Smyrnaecrn  den  Ruhm  der  Geburt  strci- 


266  Lauer:  Gescliichtc  der  homerischen  Poesie. 

tig  zu  machen.  Doch  übersichtlicher  muste  Lauer  schreiben;  die  Wie- 
derholungen ,  die  unpassenden  Trennungen  und  überhaupt  die  ganze 
Anordnung  zeigen,  dafs  er  trotz  alles  Fleifses  noch  beim  Abschlufs 
dieser  Glanzpartie  seines  Buches  S.  86 — 98,  welche  auch  die  oben 
mit  gebüiirendem  Lobe  genannte  Polemik  gegen  0.  3Iüller  unifafst, 
Herr  und  Meister  des  StolTes  nicht  geworden,  bis  zur  völligen  Klar- 
heit des  Gedankens  nicht  durchgedrungen  war. 

Vor  allem  ist  zu  bedauern,  dal's  er  das  ursprüngliche  der  leten- 
sage  Verkannt  hat.  Man  kann  und  mufs  einräumen,  dafs  diese  später 
an  die  smyrnaeische  sich  anschmiegte,  nimmermehr  aber  kann  man 
einräumen,  dafs  sie  weniger  ursprünglich  als  die  smyrnaeische,  und 
die  homerische  Poesie  auf  los  nichts  als  ein  Kind  der  smyrnaeischen 
sei.  Die  Erzeugung  durch  einen  der  Daemonen,  welche  mit  den  3Iusen 
den  Reigen  tanzen,  der  dieser  Sage  eigenthümliche  Name  der  Mutter, 
wie  ihn  die  von  Kyme  nicht  hat,  die  Flucht  der  geschwängerten  Klymene 
an  einen  Ort  Namens  Atyiva,  auf  los  gelegen,  das  Grab  des  Dichters 
auf  los,  das  Grab  seiner  Mutter,  welches  ebendaselbst  gezeigt  ward: 
das  alles  sind  so  besondere  und  eigenthümliche  Dinge,  dafs  man  die 
ursprüngliche  ietische  Sage,  wie  sie  vor  der  nicht  zu  leugnenden  spä- 
tem Combination  mit  der  smyrnaeischen  bestand,  dieser  letztern  als 
durchaus  ebenbürtig  zur  Seite  stellen,  folglich  auch  annehmen  mufs, 
dafs  die  Dichter  von  los  ursprünglich  von  Smyrna  nicht  abhiengen. 
Auch  verwirft  der  Verf.  diese  Annahme  keineswegs ;  er  bespricht  sie 
eben  gar  nicht  und  hat  sie  ohne  Zweifel  auch  nicht  bedacht;  und  da 
zeigt  sich  denn  so  recht  jener  Mangel  an  durchdringender  und  umsich- 
tiger Kritik. 

Was  die  Kolophonier  (S.  98)  in  Bezug  auf  Homers  Erzeugung 
und  Geburt  sagten,  ist  nach  der  Ansicht  des  Verf.  nicht  klar.  Aber 
soviel,  meint  er,  ist  klar,  dafs  sie  mit  Bestimmtheit  behaupteten,  Ho- 
mer habe  sich  bei  ihnen  zuerst  der  Poesie  gewidmet,  habe  bei  ihnen 
den  Margites  gedichtet,  sei  bei  ihnen  blind  geworden,  und  als  blinder 
nach  Smyrna  und  andern  Orten  gezogen. 

Die  Angaben  vom  ßlindvverden  und  vom  Dichten  des  Margites  ge- 
hören nach  der  Ansicht  des  Verf.  eng  zusammen.  Der  Margites  sei  in 
niedern  Volksschichten  gedichtet;  in  diesen  widmeten  sich  besonders 
blinde  der  Jlusik  und  Poesie;  als  homerisch  habe  der  Margites  gegol- 
ten, weil  er  Volkspoesie  war,  nicht  gelehrte. 

Ref.  hat  bei  diesem  Theile  der  Arbeit  nur  eins  zu  bemerken,  dafs 
er  es  nemlich  doch  nicht  aufgibt,  die  ßeiiauptungen  der  Kolophonier 
in  Bezug  auf  Homers  Erzeugung  und  Geburt  in  etwas  herauszubringen. 
Nur  kann  darüber  an  dieser  Stelle  noch  nicht  verhandelt  werden. 

Was  die  chiische  Volkssage  von  Homers  Geburt  berichtete,  läfsl 
der  Verf.  (S.  JOD  ebenfalls  unentschieden.  Aber  wir  haben  ja  für 
Homers  Geburt  auf  Chios  das  ausdrückliche  Zeugnis  nicht  nur  des  Eu- 
thymenes,  den  allein  der  Verf.  S.  102  nennt,  sondern  mit  ihm  in  der- 
selben Stelle  des  Clemens  von  Alexandrien  (Strom.  I,  21,  117)  auch 
noch  des  Archemachos,  zweier  unvcr»ichllicher  Leute,  die  ohne  allen 


Lauer:  Gcscliiclilc  der  liuinerisclien  Poesie.  267 

Zweifel  dabei  auf  die  Volkssagc  vom  Chios  sicli  slülzleii.  *  Die  iiero- 
doleisclie  ßiogrii|)hie,'  sagt  der  Verf.  S.  102  'welclie  nur  im  trüben 
Heilex  das  Bild  der  alten  Sage  wiederspiegelt,  läfst  den  Homer  über 
Pliokaia  und  Eryllirai  nacb  Cliios  kommen,  die  kinder  seines  dortigen 
Gastfreundes  in  dem  Flecken  Holissos  unterrichten,  später  nacli  der 
Sladt  Cliios  übersiedeln  und  daselbst  in  der  Schule  die  Kinder  seine 
Gesänge  lehren.  In  Cliios  dichtete  er  auch  seine  beiden  grofsen  Epen; 
eine  Angabe  die  um  so  mehr  Aufmerksamkeit  verdient,  als  sie  in 
einer  Schrift  gemacht  wird,  welche  Smyrna  als  Vaterstadt  des  Dich- 
ters preist.  Es  scheint  darnach,  als  ob  Smyrna  nur  hierauf  Anspruch 
gemacht,  dagegen  Chios  als  das  Vaterland  der  homerischen  Gesänge 
von  Allers  her  gegolten  hätte.'  ^ 

Keineswegs.  Lauer  bringt  S.  107  selbst  das  Zeugnis  des  Pausa- 
nias  Vll,  5,  12  (al.  6),  bei  Smyrna  an  den  Ouelleu  des  Meles  zeige 
man  die  Grotte,  in  der  Homer  seine  Gedichte  dichtete.  Also  die  Sache 
steht  vielmehr  so:  Chios  machte  wie  Smyrna  Anspruch  auf  Geburt  des 
Lichters  und  Abfafsung  der  Gedichte;  beide  Sagen  bestanden  in  ihrer 
Schrolfheit  nebeneinander  fort,  wie  für  Smyrna  Pausanias,  für  Chios 
Eutbymenes  und  Archemachos  beweisen;  daneben  aber  gab  es  noch 
eine  ganz  andere  Sage,  welche  den  Homer  von  Smyrna  nach  Chios 
leisen  liefs,  d.  h.  in  Sagenform  die  \>  ahrheit  aussprach,  die  Pflege 
der  homerischen  Poesie  sei  von  Smyrna  nacb  Chios  verpllaiizt  w  ordeu. 
Auf  diese  Sage  fufsend  traten  nun  Vermittlungsversuche  auf  wie  in 
der  herodolischen  vita,  welche  die  Geburt  den  Smyrnaeern,  die  Ge- 
dichte den  Chiern  zuUieilt. 

Wenn  dabei  im  Alferthum  in  Bezug  auf  die  Abfafsung  der  Ge- 
dichte sich  im  allgemeinen  mehr  Leute  für  Chios  entschieden,  so  ist 
der  Grund  in  dem  übermäfsigen  Hervortreten  des  dortigen  Homeri- 
dengeschlechls  zu  suchen,  welches  Hervortreten  sich  aus  Verhällnisseii 
erklärt,  die  der  Verf.  nicht  im  entferntesten  ahnt,  obgleich  er  S.  103 
aus  neuen  und  alten  Scribenten  eine  endlose  und  wahrhaften  Schreck 
einllöfsende  Cilatensammlung  über  diellomeriden  zum  Vorschein  bringt. 

Leider  erfordern  diese  höchst  interessanten  Verhältnisse  von 
Chios  eine  zu  weilgreifende  Untersuchung  als  dafs  sie  sie  hier  pas- 
send gefuhrt  werden  könnte.  Wir  müfseu  uns  hier  begnügen  mit  einer 
Beleuchtung  dessen,  was  Lauer  S.  103  von  der  Stelle  des  Harpokra- 
tion  über  die  Homeriden  sagt. 

Diese  Stelle  lautet  so:  'O^rjQiöaL'  löoKQattjg  EXivr].  0[ii]Ql- 
dai  yivog  iv  Xico,  otteq  Ay.ov6iXc.og  iv  y\  EXkuvr/.og  iu  rf]  Axkav- 
TLÖL  ano  rot)  TtODjXOV  q)t]alu  (ovoixaö&ai.  IJikevKog  de  iv  ß  tteqI 
ßiwv  a^aQxavnv  (p)j6l  KQäzi^ra  vo^i^ovxa  iv  xalg  ti^onoiicag  Ofii]- 
(jiÖag  aTtoyovovg  slvai  tou  noujxov'  a))'0^ici6d'Tjaav  yag  ano  xcov  ofiTj- 
Qav,  iTtel  al  yvvai/.ig  Ttoxe  xcov  Xiav  iv  Aiovvöioig  nciQCicpQovi]Gci6c{t 
dg  fjicixijv  ril&ov  xotg  ccvÖQaai  Kcd  Sovreg  akh'jkoig  o^djqu  vvjicplovg 
'/.al  vviiqyag  eTTavdavxo,  wv  xovg  aTToyovovg  O^iijQidag  Xeyovtiv. 

Krales  Meinung,  behauptet  der  Verf.,  war  die,  dafs  die  Home- 
riden nur  in  Bezug  auf  die  dem  llomer  gemeiaschafliich  dargebracli- 


268  Lauer:  Geschichte  der  hoiuerischeii  Poesie. 

teil  Opfer  als  Abkommen  desselben  zu  betrachten  seien,  nicht  als  wirk- 
lich aus  seinem  Blute  stammend. 

Hiergegen  mufs  man  zuvörderst  einwenden,  dafs  schwerlich  Kra- 
tes  oder  Seleukos  den  von  Lauer  angenommenen  Gedanken  passend 
durch  die  Wendung  ausdrücken  konnte,  die  Homeriden  'seien  in 
den  Opfern  Abkömmlinge  Homers.'  Zweitens  berücksichtige 
man  die  Weise,  in  der  Seleukos  dem  Krates  widerspricht:  'Kratcs 
irrt;  denn  die  Homeriden  sind  Abkömmlinge  der  Geiseln,  welche 
einst  Männer  und  Weiber  auf  Chios  sich  gaben.'  Das  läfst  sich  wohl 
dem  entgegenstellen  ,  welcher  schlechtweg  sagt,  die  Homeriden  stamm- 
ten vom  Homer,  aber  es  ist  keine  angemefsene  Widerlegung  des  Un- 
terschiedes, welchen  jemand  zwischen  leiblicher  Abstammung  vom 
Homer  und  Verwandtschaft  mit  ihm  durch  Genlilsacra  macht.  Wer 
dieser  Unterscheidung  mit  der  Behauptung  des  Seleukos  widerspre- 
chen will,  der  sagt  vielmehr :  'Nicht  einmal  insofern,  dafs  sie  dem 
Homer  Gentilsacra  brächten,  sind  die  Homeriden  Nachkommen  des 
Dichters;  sie  haben  vielmehr  gar  nichts  mit  ihm  zu  thun,  sie  stammen 
von  den  Geiseln  und  sind  von  diesen  benannt.' 

Fällt  also  die  Lauersche  Interpretation,  so  bleibt  nur  zweierlei: 
entweder  man  schiebt  ein  tovg  ein  und  schreibt  rovg  iv  raig  liqotiou- 
aig'Oi-njQ^dag  aTtoyovovg  dvai,  xov  tiodjxov,  oder  man  sieht  die  i£qo~ 
Ttouat  für  den  Titel  eines  Buches  an. 

Letztere  Annahme  verw  irl't  der  Verf.,  weil  sie  '  schon  dem  blofsen 
Wortlaute  nach'  sehr  auffallend  sei.  Ich  meine  im  Gegentheil,  dafs 
jeder,  welcher  die  Stelle  unbefangen  zum  erstenmal  liest,  in  den 
Worten  iv  ratg  iEQOTtoUaig  einen  Titel  sehn  werde.  Weiter  meint  der 
Verf.,  es  sei  wahrscheinlich,  dafs  der  Krates,  gegen  welchen  Seleu- 
kos, der  alexandrinische  Grammatiker ,  stritt,  der  berühmte  Krates 
war;  nehme  man  das  aber  an,  so  könne  auch  in  den  fraglichen  Wor- 
ten nicht  mehr  ein  Titel  erblickt  werden.  Aber  warum  soll  wohl  der 
Pergamener  Krates  nicht  ein  Buch  über  die  Opfer  geschrieben  haben? 
Etwa  deshalb,  weil  es  sonsther  nicht  bekannt  ist?  Oder  weil  ein  an- 
derer Krates,  ein  Athener,  ein  Buch  Tte^l  xav  A&tjvrjGt  d'vöicjv  ge- 
schrieben hat? 

Nehmen  wir  an,  die  genannten  Worte  seien  ein  Titel,  so  treten 
allerdings  die  Fragen  auf,  welcher  Krates  das  citierte  Buch  geschrie- 
ben hatte,  ob  der  Pergamener  oder  der  Athener  oder  sonst  einer,  und 
ob  das  Buch  identisch  war  mit  dem  Buche  Tte^l  xdv  A&ijvijöl  ^voidiv: 
und  diese  Fragen  scheinen  mir  nicht  leicht  zu  beantworten.  Ihre  Be- 
antwortirtig  ist  aber  auch  meines  Erachtens  für  die  Untersuchung  über 
die  Homeriden  gar  nicht  nothwendig. 

Jedesfalls  war  es  ein  Buch  über  Opfer,  und  wenn  in  einem  sol- 
chen die  Homeriden  besprochen  wurden  als  Abkömmlinge  des  Homer, 
beweist  das  nicht,  dafs  sie  Gentilsacra  hatten,  deren  31ittelpunkt  Ho- 
mer war? 

Wer  aber  den  andern,  von  Lauer,  wie  es  scheint,  gar  nicht  be- 
merkten Weg  vorzieht  und  xcvg  Iv  zalg  u<J07toUuLg' OiitiqlSug  schreibt, 


Lauer:  (icsrliiclifc  der  Iiomorisrlicn  Poesie.  200 

der  kommt  g^erade  zu  demselben  Rrf^ehnis.  Denn  der  Ausdruck  ot  ev 
raig  cegoTtouuig  O^tj^tÖca  ist  docii  unleu<>i)ar  vülli<>'  gleiclil)C(leulend 
mit  dem  kurz  vorlicr  im  Artikel  des  Harpokration  g-ehrauclilen  ro  rüv 
' OfitjQLÖcov  iv  Xi(o  yivog.  Krales  wandle  nicht  den  letztem,  sondern 
den  erstem  Ausdruck  an,  weil  der  Zusammenhang,  in  welchem  er 
schrieb,  die  Hervorhebung  der  Sacra  nölhig  oder  passend  machte; 
die  blol'se  Bezeichnung  der  Leute  als  'Homeriden'  wird  er  schon  des- 
halb gellohn  haben,  weil  sie  einer  möglichen  Verwechslung  mit  den 
Homeriden  in  jener  weitern  Bedeutung  des  ^^'orls  Uaum  gab,  in  wel- 
cher z.  B.  auch  unser  Verfafser  ein  Homeride  ist.  Die  Behauptung  des 
Krates  aber  ist  bei  der  so  eben  angenommenen  Interpretation  und 
Emendation  ganz  dieselbe  wie  bei  der  andern  Annahme,  dafs  die 
Worte  iv  rccig  leQonodaig  ein  Citat  seien.  In  beiden  Fällen  behauptet 
Krates  schlechtweg,  die  Homeriden  von  Chios  seien  Nachkommen  Ho- 
mers. Auf  diese  Behauptung  passt ,  wie  obengezeigt,  die  Erwiede- 
rung des  Seleukos  der  Form  nach  vollkommen. 

Und  wer  die  streitigen  Worte  iv  xaig  UQrtnodaig  ganz  bei  Seite 
läfst,  der  kommt  auch  wieder  ganz  auf  dasselbe  Ergebnis.  Denn  ihm 
bleibt  immer  noch  in  diesem  selben  Artikel  des  Harpokration  das  Zeug- 
nis des  Hellanikos  und  Akusilaos,  die  Homeriden  seien  ein  nach  dem 
Dichter  benanntes  yivog  auf  Chios,  und  hierin  liegt  schon  die  Angabe, 
dafs  die  Homeriden  auf  Chios  Genfilsacra  hatten,  die  dem  Homer  als 
Heros  eponymos  des  yivog  dargebracht  wurden. 

Dafs  die  yivx]  rein  politische  Abtheilungen  waren,  dafs  die  Mit- 
glieder eines  yivog  nicht  gerade  physisch  miteinander  verwandt  zu 
sein  brauchten,  dafs  in  vielen  Fallen  nicht  einer  unter  ihnen  von  dem 
angeblichen  Stammvater  abstammte,  steht  anderweitig  fest.  Das 
chiische  yivog  der  Homeriden  zwingt  uns  also  keineswegs  zur  An- 
nahme eines  persönlichen  Homer,  dessen  leibliche  Nachkommen  die 
Mitglieder  dieses  yivog  waren;  vielmehr  macht  es  die  Analogie  der 
andern  Fälle  eher  wahrscheinlich,  dafs  diese  Homeriden  eben  nur  in- 
sofern Spröfslinge  Homers  waren,  als  sie  eine  Innung  mit  Homer  als 
Heros  eponymos  an  der  Spitze  bildeten;  woraus  dann  freilich  auf  der 
andern  Seite  gegen  Homers  Persönlichkeit  auch  noch  wieder  nichts  folgt. 

Weiter  kann  ich  nicht,  und  weiter  brauchen  wir  auch  meiner 
Ansicht  nach  für  jetzt  noch  gar  nicht  zu  kommen.  Lauer  will  durch 
seine  Interpretation  der  Stelle  des  Harpokration  die  Sache  so  stellen, 
dafs  Krales  ausdrücklich  für  die  so  eben  entwickelte  Ansicht  zeuge, 
Avelche  ich  mit  Lauer  theile.  Aber  das  darf  im  Interesse  der  Wahr- 
heit nicht  zugegeben  w  erden. 

(Fortsetzung  folgt  im  nächsten  Hefte.) 

Berlin.  Dr.  M.  Sengebusch. 


270    Müller  u.  Steinhart:  Plafons  sämmtliche  Werke.    Ir  ii.  2r  Bd. 


Piatons  sämmlUche  Werke.  Uebersetzt  von  Ilieromjmus  Müller,  mit 
Einleitungen  begleitet  von  Karl  Steinhart.  Erster  und  zweiter 
Band.  Leipzig,  F.  A.  Brockliaus.  1Ö50  und  1851.  XXIV  u.  541, 
VIII  u.  6H0  S.  gr.  H. 

Es  ist  nunmehr  fast  ein  halbes  Jahrhundert  verstrichen,  seitdem 
S  chleiermachers  genialer  Blick  die  platonischen  ^^'erke,  welcbo 
bis  dahin  trotx  aller  bisher  versuchten,  von  aufsen  hineingetragenen 
Eintheilungen  als  disjecta  membra  dalagen,  durch  die  Beobachtung, 
dafs  sie  alle  verschiedene  Sprofsen  einer  organischen  Stufenleiter 
seien,  welche  von  den  elementaren  Anfängen  zu  den  höchsten  wifsen- 
schaftlichen  Höhen  allmählich  aufsteige,  zuerst  zu  einem  innerlichen 
Ganzen  vereinigte  und  so  den  platonischen  Studien  eine  tiefere  Rich- 
tung gab.  Zweierlei  erhebliche  Mängel  drückten  indessen  diese  An- 
sicht. Indem  nemlich  Schle  i  er  ma  ch  e  r  jene  Erscheinung  einzig 
aus  der  Kücksicht  auf  die  Leser,  aus  der  Absicht  Platons  erklärte, 
denselben  einen  aus  verschiedenen  Stufen  bestehenden  philosophischen 
Lehrcursus  darzubieten,  so  war  dabei  stillschweigend  vorausgesetzt, 
dafs  ihm  selber  sein  System  beim  Beginn  seiner  Schriflstellertiuitig- 
keit  wenigstens  im  ganzen  und  grofsen  bereits  vollendet  dastand,  und 
es  wurde  hiedurch  der  Einblick  in  den  allmählichen  Gang  seiner  eig- 
nen Entwicklung  getrübt.  Sodann  aber  ist  nicht  zu  leugnen,  dafs  der 
Gesammtzusammenhang  dieser  Werke  bei  S  c  h  I  e  i  e  r  m  a  c  h  e  r  keines- 
wegs aus  einer  erschöpfenden  Durchdringung  und  Combination  aller 
Einzelheiten  gewonnen  war,  dafs  vielmehr  das  einzelne  allzu  sehr 
blofs  mit  Rücksicht  auf  das  Ganze  betrachtet  und  nach  dem  vorausge- 
setzten Ganzen  zurechtgelegt  wurde.  Es  war  daher  ein  ganz  richti- 
ges Gefühl,  von  welchem  Ast  geleitet  ward,  indem  er  der  Betrach- 
tung der  Einzelschriflen  als  selbständig  in  sich  abgeschlofscner  Kunst- 
werke zu  ihrem  Hechte  zu  verhelfen  suchte.  Nur  kehrte  er  dabei  dies 
Element  zu  ausschliefslich  hervor,  so  dafs  darüber  jeder  reale  Zu- 
sammenhang zwischen  iiinen  verloren  gieng,  und  der  unglücklicho 
Ausfall  seiner  Gesammibetrachtung,  welcher  besonders  stark  in  seiner 
mafslos  revolutionierenden  Kritik  zu  Tage  trat,  niuste  somit  zum 
Triumphe  der  Schleiermacherschen  Anordnung  ausschlagen.  So  hielt 
die  letztere  über  zwei  Jahrzehnte  lang  die  Geisler  in  Fefseln  *) ,  bis 
sie  zuerst  durch  Stallbaums  Beobachtung,  dafs  manchen  der  plato- 
nischen Werke  noch  die  Idecnlehre  abgeht,  wesentlich  erschüttert 
wurde,  endlich  aber  durch  K.  Fr.  Hermanns  epochemachendes  Buch 
einer  neuen  Auffafsung  den  Platz  räumte,  welche  ebenso  sehr  dio 
richtige  Grundanschauung  einer  allmählichen  Stufenfolge  unter  den 
einzelnen    Schriften    festhielt,   als  sie  andererseits   die  zutreifendero 


*)  Ref.  selber  trägt  in  seiner  Habilitations.schrlft  'Prodromus  pla- 
tonischer Forschungen'  (Göttingen  1852)  mehr  von  dieser  Fefsel  an 
sich,  als   ihm  gegenwärtig  lieb  und  recht  ist. 


Müller  u.  Sfcinhart:  Plalons  sämintliclie  AA'erke.    Ir  ii.  2r  Bd.    271 

Erklärung'  derselben  als  verschiedener  Entwicklungsstufen  ihres   Ur- 
hebers geltend  machte. 

So  war  für  die  doppelle  Aufgabe  der   Boden  gewonnen ,  einmal 
jedes  platonische  \\'erk  in  seiner  selbständigen  innern  Anordnung  im 
Einklänge  von  Form   und  Inhalt  bis  ins  kleinste  Detail  zu    begreifen 
und  zugleich  dadurch  alle   dergestalt  nebeneinander  treten   zu  lafsen, 
dafs  darnach  zweitens  eine    genetische   Entwicklung  der  platoni- 
schen Philosophie  sich  ermöglichen  läfst,  durch  welche  sodann  wie- 
der ein   helleres  Licht  auf  alles  einzelne  zurückgeworfen  wird.    Es 
war  eine  erfreuliche  Erscheinung,  dafs  ein  so   bewährter  Kenner  der 
alten  Philosophie  wie  Hr.  Steinhart  zunächst  wenigstens   die  erste 
jener  Aufgaben  zu  lösen  unternahm,  für  welche  Her  m  a  n  n  dem  Zwecke 
seiner  Schrift  gemäfs  nur  durch  rasche  Ueberblicke  und  kurze  schla- 
gende Andeutungen  vorbereitend  hatte  wirken  können.     Dafs  die  Er- 
wartungen ,  welche  man  von  dem  Erfolge  dieses  Unternehmens  hegen 
durfte,  in  hohem  Mafse  befriedigt  worden  sind,  dafs  man  in  demsel- 
ben eine  der  bedeutendsten  neuern  Erscheinungen  auf  dem  philologi- 
schen Gebiete  zu  begrüfsen   berechtigt  ist,   dafür  dürften   schon   die 
überaus  günstigen  Urtheile,  welche  der  erste  Band,  und   zwar  beson- 
ders von  Seiten  eines  so  stimmfähigen  Richters,  wie  Zeller  (Zeit- 
schrift für  die  Alterlhumsw.   1851  Nr.  31 — 33)  gefunden  hat,  Bürge 
sein.    Auch  Ref.  gesteht  mit  Vergnügen,  dafs  er  nur  in  wenigen  Fällen 
Anlafs  gefunden  hat,   von  den  Resultaten  abzuweichen,   welche  der 
Hr.  Verf.  hinsichtlich  des  Planes  und  Grundgedankens  der  bisher  be- 
handelten Dialoge  gewinnt.     Der  anmuthig  und   leicht  dahingleitende 
Flufs  der  Darstellung  macht  das  Buch  ebenso   anregend  für  den  grö- 
fsern   Leserkreis,   auf  welchen  es  Hr.  Steinhart  insonderheit  mit 
abgesehn  hat,  als  andererseits  die  vielfachen  neuen   und  bedeutenden 
Gesichtspunkte,  durch  welche  sogar  stellenweise  die  bisherige  Auf- 
fafsung  des  platonischen  Systems  in  wesentlichen  Punkten  berichtigt 
oder  ergänzt  wird,  dem  Forscher  von  Fach  gründliche  Belehrung  ge- 
währen.   Im  ganzen  legt  der  Hr.   Verf.   namentlich  in  Bezug  auf  die 
Reihenfolge  der  Schriften  mit  Recht  die  Forschungen  Hermanns  zu 
Grunde,  verfährt  dabei  aber  mit  grofser  Selbständigkeil.    Nur  will  es 
uns  scheinen,  als  ob  die  Darstellung  zuweilen  allzu  sehr  iu  eine  ge- 
wisse  behagliche   Fülle   sich    ergehe    und   darüber   die    eigentlichen 
Schlagpunkte  hinlänglich  scharf,   übersichtlich  und   zusammentrelTend 
hervorzuheben  versäume.    Dafs  die  neuen  Gedankenkeime,  welche  ein 
jeder  Dialog  enthält,  nicht  erschöpfend  genug   entwickelt  sind,   dafs 
der  Hr.  Verf.  sich  meistens  damit  begnügt,  ihr  Vorhandensein,  anstatt 
ihr  inneres  Wesen  und  ihre  Bedeutung  für  den  Verlauf  der  Entwicklung 
Piatons  zu  erörtern,  dürfen  wir  ihm  weniger  zum  Vorwurf  machen.  Denn 
es  ist  wahrscheinlich,  dafs  er  diese  Punkte  absichtlich  der  von  ihm 
versprochenen  allgemeinen  Einleitung  vorbehalten  hat.     Die  Elemente 
zu  einer  genetischen  Entwicklung  der  platonischen   Lehre  sind  daher 
hier  nur  in  vereinzelten  Winken  zu  finden.    Nur  will  es   uns  scheinen, 
als  ob  doch  das  Verständnis  jedes  spätem  Dialogs  wesentlich  dadurch 


272  Müller  u.  Steinhart:  Piatons  sümmlliclic  Werke.    Ir  u.  2r  Bd. 

gewonnen  hätte,  wenn  die  Entwicklungsmomente  jedes  früheren  wären 
mit  gröfserer  Beslimmlheit  hervorgehoben  worden.  Endlich  dürfte 
Hr.  St.  aber  auch  in  etwas  in  den  häutigen  Fehler  der  Philologen  ver- 
fallen sein,  den  von  ihnen  behandelten  Schriftsteller  allzu  sehr  als 
ihren  Schützling  zu  betrachten:  allzu  stark  läfst  er  den  göttlichen  Pia- 
ton im  reinen  Lichlglanze  erscheinen  und  versäumt  es,  den  beruhigen- 
den Schatten  fehlsamer  Menschlichkeit  über  sein  Gemälde  zu  werfen. 

An  die  Spitze  der  Dialoge  stellt  der  Hr.  Verf.  den  Ion,  woge- 
gen Ref.  nichts  einzuwenden  hätte,  falls  es  nur  um  die  Echtheit  dieses 
Schriftchens  sicherer  stände.  Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dafs  manche 
der  von  Schleie  rma  ch  er  und  Ast  erhobenen  Einwände  durch 
Ni  tz  seh  und  S  ta  IIb  a  um  siegreich  widerlegt  worden  sind;  allein 
es  wäre  nicht  schwer  zu  zeigen,  dafs  dies  keineswegs  durchgängig 
der  Fall  ist.  Die  groben  Mängel,  welche  die  Composition  zur  Schau 
trägt,  sind  im  ganzen  zutrelfend  von  Zeller  in  der  erwähnten  Ue- 
cension  zusammengestellt  worden.  Eben  so  weist  er  die  Möglichkeit 
einer  Compilation  ans  andern  platonischen  Werken  erschöpfend  nach. 
Jedesfalls  thut  Hr.  St.  Unrecht  diese  vielfachen  Mängel  gänzlich  zu 
verschweigen,  die  Möglichkeit  der  Unechlheit  gar  nicht  ernsthaft  ins 
Auge  zu  fafsen  und  Ast  einer  oberflächlichen  Kritik  anzuscliuldigen. 
Denn  so  richtig  dies  letztere  in  den  meisten  Fällen  ist,  so  sind  doch 
hier  umgekehrt  gerade  die  von  Ast  angeführten  Punkte  die  entschei- 
dendsten. Alle  sonstigen  Mängel  lafsen  sich  vielleicht  immer  noch 
durch  die  Jugendlichkeit  des  Verfafsers  erklären;  hinsichtlich  der 
Compilation  ist  aber  doch  immer  höchstens  die  3Iöglichkeit  nachzu- 
weisen. Dafs  dagegen  Piaton  gerade  in  seinem  frühesten  oder  doch 
einem  seiner  frühesten  Werke  seinem  Meister,  welcher  doch  ein  eig- 
nes Wifsen  so  entschieden  ablehnte,  ein  vollkommen  lehrhaftes  Auf- 
treten beigelegt  haben  sollte,  ist  sciiwerlich  denkbar.  Solche  rein 
docierende  Gedankenentwicklung,  solche  fortlaufende  Reden,  wie  die- 
jenige, in  welcher  Sokrates  hier  seine  Lehre  von  dem  göttlichen 
Wahnsinn  der  Dichter  vorträgt,  kommen  sonst  erst  vom  Ladies  und 
Protagoras  ab,  anfangs  noch  spärlich,  endlich  erst  vom  Gorgias  an 
ungescheuter  vor,  aber  immer  noch  unter  vielfachen  Verclausulierun- 
gen,  z.  B.  dafs  es  eigentlich  eine  fremde  Weisheit  sei,  welche  hier 
vorgetragen  werde,  dafs  das  Ungeschick  oder  die  Unlust  der  Ge- 
sprächsgenofsen  dialektisch  zu  antworten  oder  auch  zu  fragen,  hiezu 
nöthige  u.  s.  w.  Die  längere  Rede,  welche  der  kleinere  Hipi)ias  ent- 
hält, ist  durchaus  kein  ähnliches  Beispiel:  hier  beschreibt  Sokrates 
nur  den  Zustand  seiner  Unwifsenheit;  das  Vermeiden  langer  Reden  kann 
sich  aber  natürlich  nur  auf  Philosopheme,  nicht  auf  Facta  erstrecken. 
Ebenso  gehört  auch  die  Form,  wo  Sokrates  zugleich  die  Stelle  des 
fragenden  und  antwortenden  übernimmt,  p.  538  D,  unserer  Ansicht 
nach  eine  Vermittlung  zwischen  erotematischem  und  akroamatischem 
Vortrag,  durchaus  einer  spätem  Zeit  an.  So  erscheint  sie  im  Gorgias 
p.  505  E  ff.  Nirgends  aber  plumpt  sie  überdies  so  unmotiviert  hinein 
wie  hier.     Sonst  bedient  sich   ihrer    Sokrates   nach   Schlei  erma- 


Müller  II.  Slcinlutrl;  Plalons  sänunlliclic  Werke.    Ir  u.  '2v  Bd.   '2TA 

chers  richligcr  Bemerkung!:  mir,  um  eiihvedcr  einen  schncllcrn  Forl- 
schritt zu  maclicn  oder  um  dem   Uliluulcrrodncr  bcscliiimende  Aulwor- 
ten zu  ersparen.     Das  crslere  ist  liier,  avo  es  sich  blol's   um  Beispiele 
aus  dem  Homeros  liandcll ,  hei    einem   Bhapsoden,  der  ihn  heiser  als 
Sokrales   auswendig-  wusle,   unuölliig-.    \\  ollle  man  aber  mil  Slall- 
baum  z.  d.  Sl.   einen   Sporn  l'iir  den  Rhapsoden  hierin  sehn,    um  so 
eifriger  nach  den  Gegenstanden  seiner  eignen   Kunst  im  Homeros  zu 
suchen,    so  würde  wieder   nach   der  andern   Seite  hin  der  Gebrauch 
dieser  Form    ein    unplatonischer  sein:  denn  da  Sokrales   gut   genug 
weil's,  dafs  dergleichen  Beispiele  nicht  zu  linden  sind,  so  zielt  er  viel- 
mehr auf  diese  ^^  eise  nur  auf  die  Beschämung    des  Ion  ab.    Ebenso 
trägt  Sokrales  p.  532  C  direct  im  Lehrlone  die  Behauplung  vor,  dafs 
Ion  nicht  aus  Erkenntnis  über  den  Homeros  zu  reden  \Nil'se,  dafs  sich 
vielmehr  —  und  dies  letztere  folgt  noch  dazu  aus  dem   vorhergehen- 
den gar  nicht  unmittelbar;  s.  S  ch  1  ei  er  mac  h  er  z.  d.  St.  —  die  Er- 
kenntnis auf  die  Dichtkunst  als  ganzes  erstrecke.    Hr.  Stallbaum 
will  dies  damit  entschuldigen,  dafs  hier  nur  eine  Vermulluing  ausge- 
sprochen werde ;  allein    damit  vertragen  sich  die  Worte  aAAa  Travrl 
örjXoi'  nicht.    Es  sieht  fast  so  aus,  als  ob  Sokrales  durch  die  hierauf 
erfolgende  Antwort  des  Ion,  dafs   er  gern  '^  weise  Leute'  reden  höre, 
sich  erst  daran  erinnern  lafsen  nuifs,  dafs  er  als  ein  schlechter  Schau- 
spieler aus  seiner  Rolle  gefallen  ist.    Und  aufweiche  ungeschickte  und 
verwirrte  Art  nimmt  er  jetzt  mit  einemmale  seine  Unwifsenheit  wie- 
der in  Anspruch!    Er  gehöre  nicht  zu  den  weisen,  sondern  pflege  nur 
so  schlechthin  als  Laie  d i e  W a h r h e i  t  zu  sagen  (p.  532  D  E).  Stall- 
baum hält  TaXij&ii  für  corrumpiert  nnd  will  einen  Ausdruck,  welcher 
'  das  allbekannte'  bedeutet,  an  die  Stelle  setzen.     Ob  dies   in  einem 
Dialog,   Avelchcr  so   vielfache  Mängel    enthält,    nicht    vielmehr    den 
Schriftsteller  corrigieren  heilst,  lafse  ich  dahingestellt  sein,  da  die 
Verniuthung  wenigstens   dadurch  eine  Stütze  erhält,  dafs  aA>/0->/ schon 
einmal  kurz  vorher  steht  und  so  von  dorther  hineingetragen  sein  kann. 
Allein  auch  so  wäre  es   seltsam,   wenn  das  vorher  behauptete,  eine 
ganz  specifisch   sokratisch-platonische  Ansicht,   zu  dem  allbekannten 
gehören  sollte.    Wenn  ich   ferner  etwas  für  'allbekannt'  erkläre,  so 
spreche  ich  damit  eine  sehr  starke  Behauptung  darüber  aus.    Sokrales 
will  sich  entschuldigen,  dafs  er  etwas  schlechthin  behauptet  hat,  und 
fällt  dabei    gleich  in  eine  neue   Behauptung,  von  der  Skylla  in  die 
Charybdis. 

Will  man  nun  vielleicht  annehmen,  der  junge  Piaton  habe  im 
Triumph,  hinter  der  Unwifsenheit  seines  Meisters  tiefe  Weisheit  ver- 
borgen zu  finden,  beide  Elemente  noch  nicht  gehörig  miteinander 
künstlerisch  zu  durchdringen  vermocht?  Merkwürdig  nur,  dafs  er  es 
im  kleinen  Hippias  bereits  so  gut  versteht,  dafs  er  auch  seinen  eig- 
nen Seelenzustand  in  dies  Bild  hineinzuarbeiten  weifs,  ohne  dessen 
ideale  historische  Treue  zu  stören  (s.  Steinhart  S.  lOO). 

Die  oben  erwähnte  Rede  im  Ion  ist  von  einem  ganz  verwandten 
Hauche  durchdrungen,  wie  etwa  die  im  Phaedros.     Die  poetische  Ju- 

A'.   Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Bd.  LXVII.   ffft.  3.  18 


274  Müller  u.  Steinliarl:  Piatons  siimnUliclie  Werke.    Ir  ii.  2r  Btl. 

gendfiüle  Piatons  pflegt  sich  sonst  nicht  nach  dieser  dilliyrambischen, 
sondern  nach  der  dramatisch-mimischen  und  scenischen  Seife  zu  zei- 
gen. Gerade  dies  letztere  Element  ist  dagegen  hier  ebenso  wie  im  ersten 
Alkibiades  über  Erwarten  einfach  und  zwar  unter  allen  ^^'erken,  wel- 
che als  Jugendarbeiten  Piatons  erscheinen  können,  einzig  in  ihnen 
beiden.  Ihnen  beiden  allein  fehlt  auch  der  skeptische  Schluls,  wel- 
cher doch  schon  an  sich  bei  dieser  ganzen  propaedeulisch  indireclen 
Behandlungsweise  schwerlich  mangeln  darf.  ^^  ie  sich  im  Phaedros 
an  die  dortigen  Reden  ein  eigentlicher  Dialog  anknüpft,  ähnlich  in 
gewissem  Mafse  auch  hier.  Oder  wäre  demnach  der  Ion  vielleicht  kein 
Jugendwerk,  sondern  fiele  in  die  Zeiten  des  Phaedros  hinein?  Bei 
seinen  sonstigen  eclalanlen  Fehlern  wird  ihn,  glaube  ich,  heutiges 
Tages  niemand  auch  nur  als  Skizze  des  gereiflern  Plalon  für  würdig 
hallen. 

Unter  den  verschiedenen  Ansichten,  welche  Hr.  SteinhartS.il 
über  die  Grundidee  des  Dialogs  aufführt,  hätten  auch  wohl  die  von 
NN'iegand  Allgem.  Schulzeitung  1828  S.  1294  f.  und  von  Heffter 
Zeitschrift  für  die  Allerthumsw.  1843  S.  716  f.  eine  Stelle  verdient. 
Seine  eigne  hat  er  nicht  recht  zu  einem  runden  Gesammtergebnisse  zu- 
sammengefafst.  So  viel  ist  klar,  dafs  er  in  der  Gottbegeisterung  die 
Grundlage  der  Dichtung,  zugleich  aber  den  Tadel  gegen  Dichter  und 
Darsteller  hndet,  dafs  sie  dies  Element  nicht  zu  einer  bewusten  Klar- 
heit und  Einsicht  in  die  Forderungen  ihrer  Kunst  herauszubilden  ver- 
mochten. Vielleicht  könnte  man  noch  weiter  greifend  das  Verhältnis 
der  Poesie  zur  Philosophie  als  den  innersten  Mittelpunkt  des  Ge- 
sprächs bezeichnen. 

Ein  ähnliches  Verhältnis,  wie  beim  Ion,  findet  auch  beim  grö- 
fsern  Hippias  statt.  Noch  entschiedener  enthält  er  Momente,  wel- 
che erst  einer  spätem  Entwicklungsperiode  angehören,  und  doch 
spricht  wieder  die  UnvoUkommenheit  seines  ganzen  Planes  und  seiner 
Dialektik  dagegen,  ihn  in  eine  solche  spätere  Zeit  zu  versetzen.  Ref. 
glaubt  sich  hier  lediglich  auf  die  erwähnte  Recension  Zell  er  s  S.  256 
— 59  beziehn  zu  können.  Der  Dialog  trägt  entschieden  schon  die 
Ideenlehre  in  sich  und  zwar  die  Idee  des  schönen.  Sollte  er  echt 
sein,  so  müste  er  allerdings  mit  Hermann  Gesch.  und  Syst.  der 
plat.  Phil.  1  S.  487  ff.  in  die  Nähe  des  Gorgias  und  Euthyphron  ge- 
rückt werden,  und  zuzugeben  ist,  dafs  eine  Erörterung  der  Idee  des 
schönen  dort  wohl  am  Orte  gewesen  wäre.  Schon  der  Gorgias  be- 
dient sich  des  schönen  als  eines  MitlclbegritTes  zur  Bestimmung  des 
guten  p.  474  ff.  und  läfst  das  gute  auf  der  Harmonie  beruhn  p.  506 — 
508.  Beachlenswerth  ist  ferner,  dafs  Euthyphron  im  gleichnamigen 
Dialog  auf  die  Frage,  was  das  Werk  der  Gölter  sei,  die  Antwort 
gibt:  '^vieles  schöne'  p.  13  E,  und  ebenso  wird  im  Euthydemos  p. 
300  E  f.  gerade  die  Idee  des  schönen  als  Beispiel  für  die  Hindeutung 
auf  die  Ideenlehre  benutzt.  Es  ist  klar,  dafs  diese  Idee  schon  dort 
namentlich  in  Bezug  auf  das  endliche  Dasein,  sofern  es  an  den  Ideen 
Theil  hat,  eine  besondere  Rolle  spielt.     Nichts  desto  weniger  bleibt 


Müller  II.  Sleiiihart;  IMaluns  säiniiiüiclic  Werke.    Ir  u.  2r.  Hil.   27') 

ihr  coiicreter  Inhalt  in  den  lieriiinlioficiitlcii  Dialogen  unaufg'eklürl,  und 
es  \väre  dalier  recht  uolil  denkbar,  dais  zu  die.seni  Zwecke  ein  eii^^e- 
ncs  Gespräch  wäre  gesclirieben  worden.  Allein  lief,  nuifs  oifcn  ge- 
slehn,  dais  er  seinerseits  eine  solciie  Aufklärung  aus  dem  vorstehen- 
den Werke  bisher  nicht  zu  schöpfen  vermocht  hat;  vergl.  Zellcr 
a.  a.  0.  S.  256. 

Mit  um  so  gröfserer  Freude  kann  ich  mich  dagegen  den  Erörte- 
rungen des  Hrn.  Verf.  über  den  kleinern  Ilippias  anschliefsen.  Mit 
iJechl  Iheilt  er  S.  100 — 102  denselben  in  zwei  TJieilc,  einen  mehr  vor- 
bereitenden (p.  364  ß  —  373  A)  und  einen  mehr  priticipiellen  ,  und  er- 
klärt, wenn  ich  anders  richtig  verstehe ,  für  den  Grundgedanken  den 
Salz,  dafs  es  bei  dem  Urtheil  über  das  sittliche  Thun  des  3Ienschen 
nicht  auf  die  einzelne  That,  sondern  auf  den  bewusten  sittlichen  Wil- 
len ankomme,  dafs  also  eine  That  äufserlich  als  ungerecht  erscheinen 
könne,  Avelche  dennoch  eine  rein  sittliche  That  sei.  Ungern  haben 
wir  unter  den  bisherigen  Erklärern  die  Anführung  von  Zcller  Plal. 
Studien  S.  152  f.  vermifst,  wo  schon  dieselbe  Ansicht  vorgetragen 
wird,  nur  dafs  dieser  beim  sittlichen  Wifsen  stehn  bleibt,  während 
Hr.  Steinhart  mit  Recht  hinzufügt,  dafs  in  der  Erklärung,  die  Ge- 
rechtigkeit sei  vielleicht  beides,  "NA'ifsen  und  Kraft,  p.  375  D,  schon 
die  Unterscheidung  des  ^^'illens  vom  Wifsen  im  Keime  angedeutet 
liegt  (S.  103  f.),  so  dafs  das  Wifsen  erst  durch  den  "Willen  hindurch- 
gehn  mufs.  Auch  die  Ansicht  S  chleiermachers  über  den  Grund- 
gedanken hätte  wohl  ausdrücklich  angegeben  werden  können,  welche 
gleichfalls,  obwohl  iu  zu  unbestimmter  Fafsung,  im  wesentlichen  be- 
reits auf  dasselbe  hinausführt:  der  Zweck  sei,  ^auf  den  Unterschied 
des  theoretischen  und  praktischen,  also  auf  die  Natur  des  Willens  und 
des  sittlichen  Vermögens  aufmerksam  zu  machen  und  zugleich  darauf 
hinzuweisen,  in  welchem  Sinne  allein  die  Tugend  eine  Erkenntnis  kann 
genannt  werden.'  An  dieser  unbestimmten  Fafsung  und  daran,  dafs 
Schleiermachersich  den  Piaton  von  vorn  herein  zu  sehr  als  in 
sich  fertig  und  abgcschlofsen  dachte,  lag  auch  allein  die  Schuld,  dafs 
er  mit  dem  kleinen  Hippias  nichts  anzufangen  und  ihn  daher  nur  für 
unecht  zu  erklären  wutte.  Vergl.  Steinhart  S.  107  f.  Zellers 
Haupteinwand ,  dafs  im  zweiten  Theile  der  platonische  Begriff  des 
guten  Menschen  als  des  wifsenden  eingeschwärzt  werde,  ist  irrig; 
die  Beweisführung  beruht  einzig  auf  dem  gemeinen  Sprachgebrauch, 
nach  welchem  'gut'  mit  'tüchtig,  geschickt,  kundig'  einerlei  ist, 
z.  B.  ein  guter  Rechner,  und  so  hat  denn  auch  Zeller  selbst  neuer- 
dings in  der  oben  erwähnten  Recension  seine  Zweifel  so  gut  wie  zu- 
rückgenommen. 

Entschiedener  als  von  irgend  einem  der  vorhergehenden  Ge- 
spräche müfsen  -wir  dagegen  den  platonischen  Ursprung  des  ersten 
Alkibiades  in  Abrede  nehmen. 

Zwar  geben  wir,  darin  von  Zeller  abweichend,  zu,  dafs  dies 
Gespräch  wirklich  im  ganzen  und  grofsen  einen  continuierlichen  Fort- 
gang der  Gedankenentwicklung  zeigt,  dafs  ihm  ein  platonischer  Ge- 

18  + 


276  Müller  u.  Steinharl:  FMatoiis  sämmtliclie  Werke.     Ir  ii.  2r.  Bd. 

(laiikeiikern  nicht  abgeht,  dafs  es  ähnlich  >vie  fast  alle  Jiiscndarheifen 
zweitheilig  ist,  indem  im  ersten  Theile  p.  106 — 124  B  Alkihiades  von 
seiner  IJnwifsenheit  überzeugt  ist,  im  zweiten  posiliv  die  ersten  Grund- 
lagen zu  ihrer  Hebung  entwickelt  werden.  Die  Inhaltsübersicht  bei 
Hrn.  St.  S.  140 — 145  ist  im  ganzen  befriedigend.  Nur  die  Art,  wie 
er  die  Antinomie  zu  lösen  sucht,  dafs  einmal  Gerechtigkeit,  d.  h.  das 
Thun  des  eignen,  und  andererseits  Freundschaft,  Uebereinslimmung  der 
Meinungen ,  d.  h.  Wifsen  und  Thun  des  gemeinsamen,  die  Grundlage 
des  Staats  sein  sollen,  p.  127  C  D,  hat  Ref.  nicht  zugesagt.  Sokrates 
setze  das  Thun  des  eignen  in  die  Sorge  für  das  \vahre  Selbst,  d.  h. 
mit  andern  Worten  in  die  philosophische  Ausbildung  seiner  selbst  und 
anderer.  Aber  darnach  hiitte  er  ja  einen  Staat  aus  lauter  Philosophen 
verlangt!  Ich  denke  vielmehr,  es  wird  ja  auch  der  Unwifsenheit ,  die 
sich  nur  ihrer  selbst  bewust  ist,  zugestanden,  dafs  sie  nicht  irre  geht, 
indem  sie  den  kundigen  das  zu  thun  überläfst,  dessen  sie  kundig  sind 
—  also  den  staatskundigen  das  Herschen  —  p.  117  B.  Nur  diese  ein- 
zige übereinstimmende  Meinung,  so  zu  handeln,  braucht  allen  Bürgern 
einzuwohnen,  so  wird  sich  schon  die  Manigfaltigkeit  der  ßerufssphae- 
reu  zu  bewuster  Harmonie  zusammenschliefsen.  Die  Absicht  des 
Werks  ist  nach  dem  Hrn.  Verf.  S.  140  f.,  das  Wifsen  und  zwar  zu- 
nächst die  Selbsterkenntnis,  von  den  sokratischen  Praemissen  aus- 
gehend, auf  einen  höhern  Standpunkt  zu  erheben  und  dergestalt  inson- 
derheit als  Grundlage  der  Politik  darzustellen.  Wie  also  im  Ion  die 
Einheit  der  wahrhaften  Poesie,  so  wird  hier  die  der  wahrhaften  Staats- 
kunst mit  der  Philosophie  entwickelt. 

Was  aber  die  Echtheit  verdächtigt,  sind  nicht  blofs  die  zahl- 
losen einzelnen  Mängel,  für  deren  mühsame  und  erschöpfende  Zusam- 
menstellung S  chl  e  i  er  m  a  che  r  eher  das  Lob  der  Gründlichkeit  als 
den  Tadel  der  Kleinlichkeit  verdient  hätte.  Es  versteht  sich  von  selbst, 
dafs  diejenigen  Einwürfe,  welche  er  aus  seiner  mangelnden  Unter- 
scheidung der  verschiedenen  Bildungsstufen  Piatons  hernimmt,  auf  un- 
serm  heuligen,  durch  Hermann  gewonnenen  historischen  Stand- 
punkte der  Betrachtung  ohne  jegliches  Gewicht  sind.  Vorzugsweise 
niufs  vielmehr  wiederum  das  Vorwegnehmen  späterer  Entwicklungs- 
momente hervorgehoben  werden,  ohne  dafs  sich  doch  irgendwo  später 
eine  Stelle  für  den  Dialog  ausmitteln  liefse.  Ziemlich  im  Anfange,  p. 
106  D  E,  wird  sofort  die  doppelte  Art  zum  Wifsen  zu  gelangen,  durch 
eignes  Nachdenken  und  durch  Lernen,  mit  einer  solchen  Leichtigkeit 
hingestellt,  als  ob  das  etwas  so  ganz  selbstverständliches  für  einen 
noch  unter  dem  unmittelbaren  Einflufse  des  Sokrates  stehenden  Mann 
wäre,  des  Sokrates,  welcher  vermöge  der  Maeeutik  nicht  aus  sich 
selbst,  sondern  nur  aus  andern  die  Wahrheit  entwickeln  zu  können 
behauptete!  Ganz  entsprechend  ergibt  sich  am  Schlufse  p.  133,  dafs 
der  Mensch  die  Erkenntnis  aus  dem  göttlichem  Theile  seiner  Seele 
herausbilden  mufs.  Wenn  der  Mensch  dies  vermag,  so  fragt  man  ein- 
mal doch  billigerweise,  warum  denn  Sokrates  selber  es  seinerseits 
vorgezogen  hat,  bei  jener  Unwifsenheit,  die  ihrer  selbst  bewust  ist, 


illüllcr  u.  Slciiilitiil;  IMsiloiis  siimiulliclie  \\'crkc.    Ir  u.  2r  lid.  277 

slelin  zu  bleiben.  VN'enii  dcrMenscb  dies  verniiiff,  so  fVagi  mau  zwei- 
tens gevvis  ebenso  selir  niil  Grund,  warum  denn  Alkibiades  dies  nicht 
auf  eigne  Hand  lluiu  kann ,  vielmehr  dazu  des  Sokrales  Hilfe  bedarf. 
So  schwebt  zugleich  der  Schlufs  des  Gesprächs  unvcrmillelt  in  der 
Lul't.  Aber  ganz  davon  abgesehn  ,  würde  IMalon  schwerlich  im  Char- 
mides  noch  einmal  den  belrelfenden  Gedanken  und  zwar  so  durchaus 
indirect  zu  entwickeln  g:esucht  haben,  indem  dort  das  Wifsen  des 
Wifsens  als  der  edelste  Kern  der  Selbsterkenntnis  beschrieben  wird, 
nachdem  es  ihm  bereits  möglich  geworden  war  demselben  mit  so  gro- 
fser  Leichtigkeit  direcl  entgegenzurücken,  wie  es  hier  geschieht.  Und 
nun  gar  das  avro  to  avro  p.  J29  ß.  130  C ,  welches  wiederum  höchst 
verdächtig  ist  die  Ideenlebre  einznschwarzen  ! 

Eigenlhümlich  sieht  es  hier  aber  auch  mit  der  sokralischen  Me- 
thode. Der  erotemalische  Vorlrag  bat  hier  blofs  die  Bedeutung  einer 
bequemern  Lehrform:  der  antwortende  wird  befser  überzeugt,  indem 
er  auf  solche  Art  selbst  die  Entscheidung  ausspricht:  p.  112  E  ff.  114 
D  E.  So  ist  es  denn  auch  erklärlich,  dafs  Sokrates  manchmal  einen 
fertigen  Satz  direct  hinstellt  und  ihn  dann  auf  dem  eroleuialiscben 
Wege  zu  beweisen  verspricht  (p.  114  D,  auch  p.  117  B  Ende).  Jlehr- 
faeb  werden  dem  antwortenden  noch  dazu  seine  Erwiederungen  der- 
gestalt in  den  Mund  gelegt,  dafs  es,  wie  Schleiermacher  sagt, 
■^  schwach  steht  um  die  Behauptung,  der  antwortende  behaupte':  z.  B. 
p.  127  A.  129  E.  Die  Erklärung  des  Sokrates,  nur  durch  iim  könne 
Alkibiades  staatsklug  werden  (p.  105  E),  beifst  natürlich  nur  so  viel, 
er  allein  könne  ihn  zur  Einsicht  in  seine  Unwifsenheit  bringen.  Allein 
wie  nimmt  sich  selbst  dies  in  dem  Munde  des  bescheidenen  Sokrates  aus? 

Entweder  lindel  hier  ein  Verkennen  der  sokratischen  31ethode 
oder  aber  bereits  eine  solche  Erhebung  über  dieselbe  statt,  zu  wel- 
cher es  denn  doch  erst  noch  manciier  Vermitllungsslufen  bedurfte,  wie 
sie  erst  Lysis  und  Charmides  geben,  und  erst  nachdem  das  AMfsen  des 
Wifsens  entdeckt  ist,  d,  h.  im  Laches,  passt  dazu  die  Behauptung,  dafs 
man  Erkenntnis  durch  eignes  Nachdenken  so  gut  wie  durch  Lernen  ge- 
winnen könne;  hier  dagegen  sieht  sie  ganz  wie  Compilalion  aus  dem 
Lacbes  p.  185  E  aus,  ebenso  wie  die  unvermittelte  Definition  der  Be- 
sonnenheit als  Selbsterkenntnis  p.  13]  B  als  Compilation  aus  dem 
Charmides. 

So  entbehrt  man  nicht  allein  nichts,  wenn  man  den  Alkibiades  ans 
der  Reihe  der  platonischen  Werke  binwegnimmf,  sondern  es  tritt  viel- 
mehr erst  so  ein  stetiger  Fortgang  der  Entwicklung  ein.  Am  entschei- 
dendsten sind  allerdings  aber  die  von  Zeller  in  der  erwähnten  Rec. 
hervorgehobenen  Punkte.  Gerade  über  das  wichtigste  von  allem,  den 
Widerspruch  gegen  das  Symposion  hinsichtlich  des  gegenseitigen  V'er- 
hältnisses  vom  Sokrates  und  Alkibiades  geht  Hr.  St.  mit  auffallender 
Leichtigkeit  hinweg.  Nur  beiläufig  wird  S.  148  im  Gastmahl  eine  we- 
niger historische  Färbung  gesucht;  dem  widersprechen  aber  die  aus- 
drücklichen Erklärungen  des  Alkibiades  eben  dort  p.  214  E.  215  A, 
dafs  er  die  reine  Wahrheit  sage,  vergl.  Teuf  fei  in  diesen  NJahrb. 


278  Müller  u.  Steinhart:  Plalons  sammlliche  Werke.    Ir  u.  2r  Bd. 

Bd.  XLI  S.  360.  Es  würde  nur  noch  übrig  bleiben  umg-ekehrt  gerade 
hier,  d.  h.  gerade  in  einem  der  frühsten  Gespräche,  die  Fielion  zu 
suchen.  Dafs  aber  dies  wenig  innere  Wahrscheinlichkeit  hat,  werden, 
glaube  ich,  die  Vertheidiger  der  Ech[i)eit  selbst  nicht  in  Abrede  nehmen. 

Gern  gibt  Ref.  Hrn.  St.  S.  146  f.  gegen  Schi  ei  er  ma  che  r  zu, 
dafs  die  Keckheit,  mit  welcher  Alkibiades  im  ersten  Theile  immer  von 
neuem  auftritt,  sobald  er  einen  neuen  Schlupfwinkel  entdeckt  zu  ha- 
ben glaubt,  der  Uebermuth,  mit  welchem  er  anfänglich  den  Sokrates 
zurückweist,  und  der  allmähliche  Uebergang  aus  dieser  Stimmung 
durch  das  Irrewerden  an  sich  selbst  in  die  wärmste  Liebe  zum  So- 
krates und  zur  AA'ahrheit  mit  psychologischem  Geschicke  gezeichnet 
sind,  und  gerade  das  plötzliche  Abspringen  von  übertriebener  Keckheit 
zu  exaltierter  Demuth  scheint  bei  einem  so  excenlrischen  Charakter 
durchaus  am  Orte  zu  sein.  Dafs  dagegen  die  Taktlosigkeit,  diesen 
geistreichsten  aller  geistreichen  Jünglinge  so  dumm  zu  schildern,  sich 
durch  die  in  sein  Denken  gebrachte  Verwirrung  mildern  lafse  (Stein- 
hart S.  154),  Avill  uns  um  so  weniger  in  den  Sinn,  als  gerade  die 
beiden  tollsten  Beispiele,  wo  er  die  Namen  Musik  und  Politik  nicht 
finden  kann,  vor  deren   Eintritt   fallen. 

In  dem  Lysis,  den  auch  Hermann  zur  Charakteristik  der 
ersten  S<;hriftstellerperiode  vorzugsweise  benutzt,  erkennt  Ilr.  St. 
das  ahnungsreichste  Gespräch  derselben.  Vortrefflich  weifs  er  S. 
221  f.  die  Bedeutung  der  redenden  Personen,  wie  in  ihnen  die  Freund- 
schaft und  Liebe  in  verschiedenartiger  Weise  Gestalt  gewinnt,  zu 
schildern.  Vortrefflich  weifs  er  hinter  den  scheinbar  so  unregel- 
mäfsig  hin-  und  herspringenden  Entwicklungen,  hinter  den  schein- 
bar das  gewonnene  Resultat  wieder  aullösenden  Negationen  einen 
durchaus  geradlinigen  Verlauf  und  durchaus  positive  Ergebnisse  nach- 
zuweisen. 3Iit  Recht  Iheilt  er  (abweichend  von  Hermann  a.  a.  0. 
I  S.  613  Anm.  304,  welcher  auch  hier  zwei  Theile  zu  Grunde  legt, 
obwohl  p.  316  C,  wo  sie  sich  scheiden  sollen,  es  wenigstens  Ref. 
unmöglich  ist  eine  Audeufung  hierfür  zu  finden)  das  Gespräch  in 
vier  Abschnitte ,  nach  dem  Wechsel  der  Mitunterredner.  Dem  un- 
entwickelteren ,  aber  sinnigen  Lysis  fallen  die  elementaren  und  die 
concretern,  dem  spitzfindig  scharfsinnigen  Menexenos  die  mehr  for- 
malen Momente  des  Freundschaftsbegriffes  zu.  Anfangs  wird  die 
Freundschaft  ganz  sokratisch  nach  ihrer  Nutzbarkeit  betrachtet ,  dann 
aber  ergibt  sich,  dafs  sie  gegenseitig  sein  mufs,  dafs  sie  ebensowohl 
Aehnlichkeit  als  Unähnlichkeit  der  Naturen  voraussetzt,  dabei  aber 
nur  unter  guten  Menschen  möglich  ist,  dafs  aber  die  Liebe,  welche 
sie  zusammenführt,  im  letzten  Sinne  bei  ihnen  nicht  aufeinander  ge- 
richtet ist,  sondern  aus  dem  natürlichen  Gefühle  der  Unvollkomnien- 
heit  und  daher  der  Sehnsucht  nach  gegenseitiger  Vervollkommnung 
oder  nach  dem  höchsten  Gute  entspringt,  welches  allein  um  seiner 
selbst  willen  erstrebt  wird:  das  gute  allein  ist  das  wahrhaft  angehö- 
rige.  So  ist  am  Schlufse  die  Relativität  einer  sokratischen  Nützlich- 
keit der  Freundschaft  weit  über  sich   selbst  hinausgetrieben  und  in 


Müller  u.  Sloiiiliail ;  IMalons  .säiiiiiilliclic  ^^  erlvc.     Ir  ii.  '2v.  lid.  279 

eine  iminanenlc  und  aI)soliile  Zwcckiiiäfsiykeil  verwandcll,  S.  223 — 
229.  Das  EiHlr(!Siill«l  ist:  der  Grund  der  Frciiiidscliafl  ist  die  i>iebe, 
und  Frcuiulsclialt  seliisl  ist  das  sicii  crgänxciide  <roiiiciiisaine  Streben 
ziigleicli  verwandter  und  verschiedener  Naturen  nach  dem  liöclislen 
Gute.  Hinzugefügt  werden  konule,  dai's  aucl»  in  Bezug  auf  diesen 
letzten  Gegenstand  zugleich  Aelinliehkcit  und  Verschiedenheit  statt- 
findet; denn  nur  diejenigen,  welche  das  gute  schon  in  bedingtem  Sinne 
in  sich  tragen,  streben  nach  dem  guten,  und  andererseits  bewirkt  ge- 
rade ihre  Unvollkommcuheil  dieses  Streben. 

Tief  einsciineidend  ist  die  Bemerkung  des  Hrn.  Verf.  S.  269 
Anm.  34,  wenn  er  gegen  Hermann  a.  a.  0.  I  S.  612  Anm.  301  im  Ly- 
sis  schon  den  spätem  iQco^  des  Pliaedros  und  Symposion  im  Keime 
vorgebildet  siehl,  TrelFend  sagt  er:  ^  cpukia  ist  der  höhere  ßegrilf, 
der  zugleich  die  Gegenseitigkeit  und  das  objeclive  Verhältnis 
der  Freundschaft  in  sich  fafst,  während  tQwg  nur  das  subjeclive  Be- 
gehren bezeichnet,  das  freilich  in  den  beiden  gröfsern  Dialogen,  die 
überhaupt  das  äufsere  Wesen  der  Freundschaft  weniger  ins  Auge  fa- 
fsen ,  in  seiner  auf  das  ideale  gehenden  Bichtung  betrachtet  wird.' 
Nicht  umsonst  nimmt  das  Symposion  so  vielfache  Gedanken  des  Lysis 
in  einer  idealern  Gestalt  wieder  auf  (S.  268  Anm.  33).  Die  Freund- 
schaft ist  demnach  durchaus  das  gemeinsame  Streben  der  gemeinsam 
philosophierenden.  Sokrates  und,  wenn  auch  bereits  hier  in  einem 
etwas  andern  Sinne,  Piaton  kennen  ja  nur  ein  solches  gemeinsames 
Philosophieren.  Die  Liebe  ist  demnach  schon  hier,  wenn  es  auch  noch 
weniger  bestimmt  l.ervorlrilt ,  der  philosophische  Trieb:  nach  dem 
höchsten  Gute  streben  (s.  o.)  heifst  ja,  nach  Platous  dcrmaligem 
Standpunkte  zumal,  nichts  anderes  als  philosophieren,  ^^'äre  dies 
nicht  der  Fall,  so  schwebte  ja  die  Aeufserung  p.  218  ß  C,  dafs  we- 
der die  guten  noch  die  bösen  philosophieren,  sondern  die  in  der 
Mitte  stehenden,  d.  h.  eben  dieselben,  welche  den  Drang  nach  der 
Freundschaft  in  sich  tragen,  ganz  in  der  Luft.  "^  Recht  bedeutsam ' 
sagt  ferner  Hr.  St.  S.  266  Anm.  21  mit  Recht  'ist  das  hingewor- 
fene W^ort,  dafs  niemand  der  Weisheit  Freund  sein  könne,  es  sei  denn 
dafs  die  Weisheit  ihn  wieder  liebe  (p.  212  D).'  Ebenso  richtig  er- 
wiedert  er  auf  H  er  manns  Einwand,  Sokrates  nenne  sich  im  Lysis 
nur  einen  rpiXiraiQog  p.  211  E,  dafs  beides  nach  dem  obigen  gar  nicht 
weit  auseinander  liege  und  mit  p.  204  C  zusammenzuhalten  sei,  wo  es 
sich  Sokrates  als  die  einzige  Weisheit  zuschreibt,  liebende  und  geliebte 
erkennen  zu  können.  Führen  wir  diesen  populären  Ausdruck  auf  seine 
wifsenschafiliche  Form  zurück,  so  heifst  das  nichts  anderes  als:  das 
Wesen  der  Liebe  (denn  ohne  dieses  kann  man  ja  ihre  Erscheinungen 
nicht  erkennen)  sei  ihm  nicht  unbekannt,  wenigstens  diese  Grnnd- 
quelle  aller  Philosophie  sei  ihm  nicht  verborgen.  Daraus  geht  übri- 
gens hervor,  was  Hr.  St.  nicht  genug  herausgehoben  hat,  dafs  Sokra- 
tes im  Gespräch  die  höchste  und  reinste  Entfaltung  des  Princips  der 
cpiUa  und  des  iqtog  vertritt,  während  es  in  allen  andern  Unterrednern 
nur  in  einseitiger  oder  gänzlich  verkehrter  Weise  (so  bei  Hippolha- 


280  Müller    u.  Steinhart:  Piatons  sänimtliche  Werke.     Ir  u.  2r  Bd. 

les)  Leben  gewonnen  hat.  Endlich  steht  aber  auch  der  ganze  erste 
Abschnitt,  in  welchem  nachgewiesen  wird,  dafs  die  Brauchbarkeit 
eines  jeden  auf  Einsicht  beruht,  und  dafs  Einsicht  uns  die  Liebe  aller 
erwirbt,  nur  auf  diese  Weise  mit  dem  ganzen  im  Zusammenhang. 
Wenn  endlich  Hermann  darauf  hinweist,  dafs  in  den  Gesetzen  B. 
VIII  p.  837  A  der  e'^cog  nur  ein  höherer  Grad  der  (jotAtK  sei,  so  wird 
gerade  auf  dem  von  ihm  gewonnenen  historischen  Boden  eins  der  frü- 
hesten Gespräche  nicht  ohne  weiteres  nach  dem  Mafsstabe  des  aller- 
spätesten  zu  bemefsen  sein. 

Wenn  sich  nun  aber  die  Sache  so  verhält,  so  hätte  Ref.  gewünscht, 
dafs  Hr.  St.  dies  wichtige  Element  auch  in  seine  Fafsung  des  Grund- 
gedankens mit  aufgenommen  und  eben  so  in  der  historischen  Einlei- 
tung S.  217 — 219,  statt  bei  der  theoretischen  Fafsung  des  Freund- 
schaftsbegrilTes  bei  Sokrates  vielmehr  auf  die  praktische  Bedeutung 
der  Gcnieinschaftlichkeit  alles  Philosophierens  bei  ihm  hingewiesen 
hätte. 

Nicht  minder  gelungen  ist  die  Erörterung  über  den  Charmides. 
So  S.  277 — 279  die  Angabe  der  Aehnlichkeiten  mit  dem  Lysis  und  der 
Verschiedenheilen  von  ihm:  das  reifere  Alter  des  einen  Mitunterred- 
ners, die  gröfsere  Einfachheit  der  dramatischen  Form,  die  höhere 
Entwicklungsstufe  der  Dialektik,  wie  sie  namentlich  in  dem  Gedan- 
ken eines  Wifsens  um  das  Wifsen  sich  zeigt.  Dann  S.  280  die 
verschiedene  Weise,  in  welcher  die  Besonnenheit  in  den  Personen 
des  Dialogs  zur  Erscheinung  kommt.  Dabei  ist  nur  Chaerephon 
vergefsen,  denn  so  flüchtig  auch  dessen  Hervortreten  ist,  so  soll  er 
doch  ohne  Zweifel  den  Beleg  dafür  geben  ,  dafs  die  gemefsene  Würde 
im  äufsern  Auftreten  nicht,  wie  die  gewöhnliche,  auch  von  Charmi- 
des zuerst  ausgesprochene  3Ieinung  geht,  ein  absolut  nothwendiges 
Erfordernis  der  Sophrosyne  sei.  Ist  doch  dieser  ungestüme  ,  excen- 
trische  Mann  ein  so  enthusiastischer  Verehrer  des  Sokrates,  mit- 
hin so  entschieden  angeweht  von  der  Zauberkraft  seiner  Beden ,  die 
die  Besonnenheit  verleihn,  p.  155  ff!  Aber  auch  der  innere  Zusammen- 
hang zwischen  den  verschiedenen,  scheinbar  so  willkürlich  aufge- 
grilfenen  Definitionen  der  Besonnenheit,  überhaupt  der  hinter  allen 
Abschweifungen,  Erschleichungen,  Sophismen  sich  verbergende  durch- 
aus continuicrliche  Forlgang  ist  hier  zuerst  glücklich  zur  Anschauung 
gebracht  worden:  S.  281 — 289.  Von  der  abgemefsenen  Würde  im 
Auftreten,  der  blofsen,  nicht  einmal  unumgänglich  nothwendigen  äu- 
fsern Erscheinungsform,  wird  zunächst  wenigstens  zu  einer  psychi- 
schen Bestimmung,  die  aber  erst  blofse  praktische  Naturbasis,  mithin 
noch  sittlich  gleichgillig  ist,  zu  der  aidcog  übergegangen.  Näher 
f ührt  '  das  Thun  des  eignen'  und  die  angeknüpfte  Unterscheidung  des 
sittlichen  TCQccvtccv  von  dem  technischen  Ttoielv  bereils  in  die  ethi- 
sche Sphaere.  Aus  dem  Thun  des  eignen  wird  das  '^  Thun  des  gu- 
ten' (das  gute  ist  ja  schon  im  Lysis  das  wahrhaft  angehörige).  So 
aber  fehlt  noch  das  eigentlich  sokralische  Element  des  Wifsens.  Da- 
her zunächst  die  ßeslimmunff  als  Selbsterkenntnis:   das  gute  als  das 


Müller  u.  Slciiiliarl;  IMaloiis  siiiiiinlliclic  Werke.   Jr  ii.  2r  Jid.  25^1 

waiirliaft  eigene  isl  das  cigenlliclio  Sell)sl  des  Mcnsciieti ;  dies  walirc 
Selbst  ist  nach  der  andern  Seite  hin  das  Wifsen:  so  wird  die  Beson- 
nenheit zum  M  il'sen  des  ^^'i^sens.  Allein  dies  ist  etwas  rein  l'orinales, 
und  in  Wahrheit  kann  doch  von  diesem  Wilsen  des  \>'irsens  der  reale 
(iehalt  der  Erkenntnis  nicht  «ielreiinl  werden  ,  d.  h.  es  ist  Wifsen  des 
guten  oder  eine  vom  \>  ilsen  des  \\  il'sens  geleitete  Erkenntnis  des 
guten.  Damit  ist  freilich  im  Grunde  nur  die  allgemeine  Tugend  be- 
schrieben. Doch  lafsen  sich  die  specicllen  Züge  der  Besonnenheit  aus 
einzelnen  der  verschiedenen  Delinitionen  zusammenstellen,  freilich 
nicht  aus  allen,  die  llr.  St.  S.  289  aulTtihrt.  Hinter  dem  Tliun  des 
eignen  liegt  die  weise  Selbstbeschränkung  im  Handeln,  so  dafs  sich 
jeder  streng  in  der  ihm  durch  seine  Fähigkeiten  angewiesenen 
Sphaere  hält;  dazu  kommt  das  Natur-  oder  Gefühlselement  der  cddcog 
und  insgemein  die  äufscre  mal'svolle  Erscheinung.  —  Auch  die  pole- 
mischen Erörterungen  des  Hrn.  Verf.  S.  289 — 292  sind  erschöpfend 
und  triftig. 

In  der  Bemerkung  p.  167  A  —  168  A,  ob  es  wohl  eine  Wahr- 
nehmung gebe,  die  sich  selbst  wahrnimmt  u.  s.  w.,  findet  Hr.  St.  S. 
286  f.  neben  dem  specifischen  Unterschied  der  Erkenntnis  von  allen 
andern  Geistesthätigkeiten  auch  schon  das  Vorhandensein  eines  Innern 
Gemeinsinnes  angedeutet,  was  Ref.  allzu  unsicher  scheint.  Die  Be- 
merkung p.  168  D  E,  wenn  das  Sehvermögen  sich  selbst  sehen  sollte, 
so  müste  es  eine  Farbe  an  sich  tragen  u.  s.  w.,  wird  nicht  gehörig 
von  Hrn.  St.  gewürdigt.  Allgemein  ausgedrückt  heifst  dies  so  viel  ; 
eine  auf  sich  selbst  bezogene  Thätigkeit  mufs  in  dieser  Stellung  die- 
selben Praedicate  an  sich  tragen,  welche  allen  andern  Objecten  in  der 
Beziehung  auf  sie  gemeinsam  sind.  Auf  das  Wifsen  vom  Wifsen  an- 
gewandt, scheint  mir  darnach  dieser  Satz  die  Bedeutung  zu  gewin- 
nen, dafs,  wenn  überhaupt  ein  solches  Wifsen  von  sich  selber  mög- 
lich sein  soll,  dieses  die  Begriffe  —  der  Möglichkeit  nach  ■ — 'in 
sich  tragen  mufs.  Der  Geist  holt  also  die  Begriffe  aus  dem  Schachte 
seines  eignen  Innern  liervor !  Dieser  Gedanke  eines  Wifsens  um  das 
Wifsen  geht  demnach  so  sehr  über  die  sokralische  Unwifsenheit  hin- 
aus, dafs  Hr.  St.  sich  nicht  hätte  wundern  sollen,  denselben  dem  Kri- 
tias  und  nicht  dem  Sokrates  in  den  Mund  gelegt  zu  sehn  (S.  285).  Das 
Wifsen  des  Wifsens  ist  nichts  anderes  als  die  Dialektik  (s.  St.  eben- 
das.),  die  aber  —  setzen  wir  hinzu  —  eben  weil  es  ihr  noch  an  ei- 
nem eigenthümlichen  Inhalt  gebricht,  weil  die  Begriffe  noch  nicht  zu 
Ideen  hypostasiert  sind,  sofort  wieder  in  die  Ethik  zurückfällt.  Piaton 
weifs  sich  eben  noch  nicht  deutlicher  auszudrücken,  erst  im  Menon 
gebraucht  er  zuerst  das  Wort  alöog  für  'Begriff'  p.  72  D  E,  und  viel 
später  erst  in  dem  specifischen  Sinne  Mdee'. 

Aehnlich  wie  den  Charmides  zum  Lysis  stellt  der  Hr.  Verf.  S. 
342 — 345  wieder  den  Lackes  zunächst  mit  seinen  beiden  Vorgängern 
in  Parallele.  In  der  Schilderung  der  Charaktere  S.  345 — 350  ist  es 
für  den  Ref.  zu  fein,  wenn  aus  der  einzigen  Stelle,  wo  Lysimachos 
nach  einem  ihm  vom  Sokrates  gegebenen  Winke  nicht  nach  der  Mehr- 


282  Müller  u.  Stcinliart:  Plalons  säiiiiiilliche  Werke,   Ir  ii.  2r  Bd. 

heit,  sondern  nach  der  gröfsern  Einsicht  der  Ralhgeber  sein  Urtheil 
beslinimeu  lafscn  will,  die  Vernuilhung-  j^eschöpft  wird,  dafs  Lysinia 
chos  wahrscheinlich  mehr  zur  Aristokratie  geneigt  habe  als  Melesias. 
Der  Haudegen  Laches  stellt  blofs  das  praktische  Moment  der  Tapfer- 
keit, d.  h.  Schlagferligkeit,  Mulh  und  Willensenergie  dar,  der  be- 
dächtige Taktiker  Nikias  dagegen  die  blofse  Klugheit  und  verständige 
Berechnung  der  äufsern  günstigen  oder  ungünstigen  Umstände.  So- 
krales  endlich  nimmt  einzig  die  wahre  Weisheit,  d.  h.  die  Kenntnis 
des  höchsten  Gutes  zum  Mafsstabe  und  fügt  ihr  jene  andern  beiden 
entgegengesetzten  Eigenschaften  als  untergeordnete  Momente  ein. 
Diese  verschiedenen  Momente  sind  es  aber,  welche  in  der  Reihenfolge 
der  Deiinitionen  allmählich  zu  Tage  treten  ,  s.  S.  350 — -3ä5.  Zu  bemer- 
ken wäre  noch  gewesen,  wie  die  Entwicklung  hier  weit  directer  auf 
ihr  Endziel  lossteuert,  als  noch  im  Charmides. 

Die  hier  angenommene  Reihenfolge  der  bisherigen  Dialoge  scheint 
dem  Ref.  gesichert  zu  sein,  wie  sie  denn  auch  mit  der  von  Hermann 
fast  ganz  übereinstimmt.  Dagegen  bieten  die  sonstigen  Resultate  des 
Hrn.  Verf.  wichtige  neue  Ergebnisse  für  die  erste  Jugendentwicklung 
Piatons,  Zunächst  ist  hervorzukehren,  dafs  Hr.  St,  die  Auffafsung 
Hermanns  a.  a.  0.  I  S.  388  IT.  nicht  Iheilt,  nach  welcher  Piatons 
früheste  Thäligkeit  ganz  vorzugsweise  der  Darstellung  und  Verallge- 
meinerung der  sokratischen  Methode,  der  Hervorhebung  des  we- 
sentlichen und  bleibenden  in  ihr  gew  idmet  gewesen  wäre  ,  so  dafs 
der  jedesmalige  Gegenstand  der  Behandlung  dabei  zu  etwas  blofs 
secundärem ,  zum  Vehikel  wird,  womit  übrigens  nicht  gesagt  zu 
sein  braucht,  dafs  deshalb  derselbe  nicht  wirklich  einer  ernsthaften 
wil'senschaftlichen  Betrachtung  unterzogen  werde,  nur  freilich  mehr 
anregend  als  erschöpfend,  Hr.  St,  betrachtet  vielmehr  schon  diese 
frühesten  Arbeiten  durchaus  als  Organismen,  bei  welchen  die  reale 
Frage  den  eigentlichen  Kern,  die  3Ielhode  dagegen  zu  ihr  die  formale 
Kehrseite  bildet,  gesteht  übrigens  aber  derselben  allerdings  eine 
grofse  Breite  des  Spielraumes  zu,  wobei  nur  zu  tadeln  ist,  dafs  er 
dies  beim  Laches,  der  gerade  am  entschiedensten  an  die  richtige  Er- 
ziehungskunst im  allgemeinen  anknüpft,  am  allerwenigsten  hervorge- 
hoben hat.  Dazu  kommt  nun  noch  die  geistreiche  Beobachtung  (S,  lOO), 
dafs  bereits  im  kleinen  Hippias  die  sokratische  Unwifsenheit  nicht 
mehr  rein  historisch  aufgefafst  zu  sein  scheint,  dafs  vielmehr  der 
junge  Denker  das  Ringen  und  Gähren  seines  eignen  nach  Wifsen  ver- 
langenden, aber  noch  immer  zwischen  den  Gegensätzen  schwankenden 
Geistes  p.  372.  376  mit  in  dies  Bild  hinüberträgt.  Die  Unwifsenheit 
des  Sokrates  wird  so  zu  einem  blofsen  Nochnichtwifsen ,  das  End- 
resultat seines  Meisters  wird  von  Piaton  zum  blofsen  Ausgangspunkte 
herabgesetzt. 

Ist  dies  richtig,  so  wird  dadurch  die  bisherige  Ansicht,  z,  B, 
die  Stallbaums  Opp.  I,  1  p.  XXXII,  dafs  sich  Piaton  anfangs  nur 
sporadisch  mit  allerlei  einzelnen  philosophischen  Untersuchungen, 
ganz  wie  sein  Lehrer,   beschäftigt  habe,  umgestofsen ,  und  es  liegt 


Miillcr  II.  SlciiiliiUl :  IMaloiis  saininlliclio  Werke.    Ir  u.  2r  Bd.    !2!^3 

vieliiielir  von  Haus  ;uis  ein  Zug-  znni  syslcninlisclien,  mit  alliniililioli 
inuner  steigender  Klarheit,  in  seinem  Geiste.  Was  war  da  natürlicher? 
dafs  er  sich  an  den  einzigen  realen  philosophischen  Satz,  den  einzi- 
gen Ansatz  seines  Meislers  zn  einem  Systeme  anschlofs  und  von  dort 
aus  weiter  vorzudringen  suchic,  \>ill  sagen,  dal's  er  die  l.ehre  von 
der  Einheil  der  Tugend  mit  dem  ^^  il'sen  in  ihre  Tiefen  verfolgte? 
Oder  aber  dafs  er  zuvor  allerlei  einzelne,  namentlich  aeslhclisehe 
Frag'en  in  Angrilfnahm  und  noch  erst  einen  Ion  und  gröfserii  Hippias 
schrieb?  Nur  wenn  wir  mit  dem  kleinen  Hippias  seine  Laufbahn  be- 
ginnen lafsen,  kommt  Klarheit  in  die  Entwickluni;-  hinein.  Hier  be- 
weist er  ncmlich  zunächst  den  betreffenden  Salz  indirect,  macht  aber 
auch  dabei  schon  einen  Schritt  über  den  Sokrates  hinaus,  indem  er 
zwischen  AVifsen  und  AN'ollen  schon  einen  gewissen  Unicrschied  ahnt. 
S.  0.  So  fehlt  schon  in  den  früheslen  Dialogen  die  Anerkennung  eines 
praktischen  Elements  in  der  Tugend  nicht,  und  Zeller  (Philosophie 
der  Griechen  II  S.  158.  285)  Ihul  Unrecht,  Platon  anfangs  schlechlhin 
die  sokratische  Lehre  von  der  Tugend  zuzuschreiben.  Der  Lysis 
bringt  den  jungen  Denker  bereits  zu  der  Aufstellung  eines  höchsten 
und  absoluten  Gutes,  währenddem  Sokrates  alles  gute  relativ  gewe- 
sen war.  Klarer  tritt  hier  weiterhin  die  Gewisheit  hervor,  der  eifrig 
philosophierende  werde  es  auch  wirklich  in  der  Weisheil  zu  etwas 
bringen:  wer  sie  w.dirhafl  liebt,  den  liebt  sie  auch  wieder.  Zugleich 
wird  aber  die  sokratische  Methode  oder  doch  ihre  Bedeutung  auch 
bereits  im  Princip  verändert  durch  die  Gegenseitigkeit  der  Freund- 
schaft, d.  h.  die  gegenseitige  Anregung  und  Ergänzung  im  gemein- 
samen Philosophieren,  im  erotisch -philosophischen  Streben,  während 
die  sokratische  Maeeulik  von  der  eignen  Unwifsenheit  und  Unfrucht- 
barkeil des  philosophierenden  ausgehl  und  daher  die  AA'ahrheit  ledig- 
lich aus  dem  Mitunterredner  entwickelt.  Im  Charmides  werden  so- 
dann gar  die  Gegenstände  des  Philosophierens  als  etwas  an  sich  im 
eignen  Geiste  des  philosophierenden  liegendes  bezeichnet,  wofür  erst 
später  im  Mcnon  durch  die  Praeexistenz  und  ava^ivipLi^  die  Erklärung 
nachgebracht  wird.  Die  echt  sokratische  Methode  und  Maeeutik  kennt 
Platon  von  vorn  herein  eben  so  wenig  als  die  echt  sokratische  Un- 
wifsenheit. 

Nun  wählte  er  aber  trotzdem  die  Gesprächsform  zur  Darstellung. 
Aus  welchen  Gründen,  mag  hier  unerörterl  bleiben.  Dann  aber  konnte 
er  nur  den  Sokrates  zum  Gesprächsleiter  machen,  weiter  nicht  ein 
Losreifsen  von  der  Sokratik,  sondern  eine  innere  Verliefung  derselben 
Avollte.  Dem  Sokrates  musle  aber  aus  demselben  Grunde  seine  histo- 
rische Haltung  im  ganzen  gewahrt  werden,  daher  die  Darslellungs- 
melhode  nichts  desto  weniger  in  der  Praxis  noch  lange  die  echt  so- 
kratische der  Gedankenentwicklung  aus  den  Milunterrednern  bleibt. 
Erst  allmählich  mit  dem  Fortschreiten  seiner  eignen  Erkenntnis  wird 
Plalon  kühner  im  Idealisieren  seines  Meislers. 

Man  beachte  auch,  wie  schon  im  Lysis  p.  219  C  D  das  höchste 
Gut  mit  einer  stark  an  die  Ideenlebre  anstreifenden  Terminologie  be- 


284  Müller  u.  Steiiiharl:  Piatons  sämmüiclie  Werke.  Ir  ii.  2r  Bd. 

zeichnet  Mird.  Das  höchste  Gut  ist  der  erste  Keim  dieser  Lehre,  das 
Wilsen  des  Wilsons  der  zweite.  Im  Laches  wird  die  sokratische 
Delinilion  der  Tapferkeit  durch  den  hineingehrachten  Mal'sstah  des 
höchsten  Gutes  ausdrücklich  berichtigt  und  verlieft  p.  189  B  ff.  Aber 
noch  ruht  die  Dialektik  als  Embryo  im  Mullerschorse  der  Ethik  und 
reift  erst  allmählich  ihrer  Geburt  und  ihrem  selbständigen  Dasein  ent- 
gegen. 

Nur  in  bedingtem  Sinne  kann  man  daher  den  Piaton  in  dieser  sei- 
ner ersten  Periode  mit  Hermann  a.  a.  0.  I  S.  51  u.  a.  a.  St.  einen 
reinen  Sokratiker  nennen,  wenn  man  darüber  nicht  vergifst,  dafs  er 
von  Haus  aus  die  sokratischen  Sätze  in  einem  ganz  originellen  Sinne 
auffafst  und  nun  von  Dialog  zu  Dialog  ein  fortwährendes  Anknüpfen 
an  die  gewonnenen  Resultate,  eine  stetige  Weiterentwicklung  schon 
in  seinen  frühesten  Werken  zeigt.  Nur  so  kommt  bei  der  Erklärung 
der  platonischen  Bildungsgeschichte  gerade  das  Hauptmoment,  das  der 
Innern  genialen  Triebkraft  seines  Geistes,  zur  Geltung.  Dafs  Hr.  St. 
selbst  zu  diesem  klaren  Bewustsein  dessen,  was  durch  seine  Leistun- 
gen vorbereitet  ist,  noch  nicht  gelangt  zu  sein  scheint,  darin  dürfte 
ihn  blofs  die  Aufnahme  jener  drei  höchst  wahrscheinlich  unechten 
Dialoge  in  seine  Darstellung  beirrt  haben. 

Dafs  nun  im  Charmides  und  Laches,  ^\o  es  sich  doch  nur  um 
eine  Einzeltugend  handelt,  die  Einmischung  der  allgemeinen  Unter- 
richtsmethode etwas  übergreifendes  hat,  läfst  sich  nicht  leugnen, 
wird  aber  dadurch  gemildert,  dafs  es  sich  doch  vorzugsweise  um 
die  eine  und  untheilbare  Tugend,  nur  in  ihrer  besondern  Aeufserung 
handelt. 

Hinsichtlich  der  Eintheilung  des  Protagoras  mufs  Ref.  sich 
abstimmig  erklären.  Hr.  St.  unterscheidet  S.  403  f.  zwei  Hauptab- 
schnitte: p.  316  B  —  334  C  und  339  A  —  3ü0  E,  welche  durch 
eine  höchst  dramatische  Zwischenhandlung  p.  334  D  —  338  E  ver- 
bunden Averden.  Das  Gespräch  mit  dem  Hippokrates  p.  311  B  — 
314  C  und  die  Gruppierung  der  Sophisten  p.  314  E  ■ — ■  316  B  stellt 
er  dem  ersten  Hauptabschnitte  als  einen  doppelten  Prolog  voran.  Diese 
Anordnung  wird  sogleich  dadurch  bedenklich,  dafs  das  erste  Gespräch 
mit  dem  Protagoras  p.  316  B  —  319  A  eben  denselben  Inhalt  hat, 
wie  das  mit  dem  Hippokrates  ,  nemlich  die  Frage  nach  dem  Wesen  der 
Sophislik.  Dieses  wird  durch  jenes,  wie  schon  S  chleier  m  a  c  h  er 
bemerkt,  fortgesetzt  oder  ergänzt:  das  eine  fafst  mehr  die  theoreti- 
sche, das  andere  mehr  die  praktische  Seite  der  Sophistik  ins  Auge. 
In  der  Unterredung  mit  Hippokrates  erscheinen  die  Sophisten  mehr 
als  Lehrer  von  allerlei  zerstreuten  Kenntnissen,  denen  der  einigende 
Mittelpunkt  des  Begriffes  fehlt,  in  der  mit  dem  Protagoras  als  angeb- 
liche Tugendichrer.  Jenes  entspricht  mehr  der  Richtung  des  Ilippias, 
dieses  mehr  der  des  Protagoras.  Die  dazwischen  eingeschobene  Grup- 
pierung der  Sophisten  bringt  dann  dies  Wesen  auch  äufserlich  zur  Er- 
scheinung: wie  sich  hier  drei  Gruppen  sondern,  so  werden  plastisch 
die  drei  Richtungen  der  Sophistik,  die  politisch -ethische,  die  gram- 


Mfillci'  II.  Sieinliart:  Piatons  sämmlliclic  Werke.    Ir  ii.  1v  ßd.  285 

inalisch-rlietorisclio  mid  die  polyliistorisclie  zur  Aiiscliiumni>-  i^ebrachf. 
Es  isl  viel  mclir  der  Sache  crilspreclieiid,  den  oan/.cn  Al)salz  p.  '611  B 
—  319  A  als  ein  ■ —  dreillieiliges  —  (ianzes  zu  falseii. 

Wenn  ferner  Ilr.  St.  fortlalirt,  im  ersten  Abschnitt  sei  Protago- 
ras  die  Hauptperson,  und  es  hersche  hier  die  epische  Huhe  und 
Breite  vor,  so  gilt  dies  doch  in  Wahrheit  mir  von  dem  Theile,  wel- 
cher den  Blytlios  und  den  sich  anschliefsendcn  weitern  Vortrag  des 
Sophisten  enthält.  Gleich  im  folgenden,  wo  er  sich  herbeiliifst  dem 
Sokrates  Rede  zu  stehn,  erleidet  er  Schlappe  auf  Schlappe.  Ebenso 
knüpft  sich  das  Schlufsgespräch  p.  348  E  — •  360  E  keineswegs  ähn- 
lich an  die  Erklärung  des  simonideischen  Gedichts  p.  339  A  ■ — ■  348  A 
•  an ,  wie  das  Gespräch  über  die  Einheit  der  Tugenden  p.  329  A  — 
333  C  an  den  Vortrag  des  Protagoras.  Vielmehr  beginnt  mit  dem 
letztgenannten  Gespräche  bereits  der  Umschwung  des  Ganzen.  Prota- 
goras hat  so  eben  die  Lehrbarkeit  der  —  gewöhnlichen  —  Tugend 
zu  erhärten  gesucht.  Daran  anknüpfend  bereitet  sich  Sokrates  nun- 
mehr zu  zeigen,  dafs  die  vollendete  Tugend  auf  die  Weisheit  oder 
das  Wifseu  zurückführt  und  somit  allerdings  lehrbar  ist.  Diese  nächste 
Beweisführung  ist  allerdings  nur  eine  vorläulige,  indem  er  die  Fröm- 
migkeit auf  die  Gerechtigkeit,  dann  die  Besonnenheit  auf  die  Weis- 
heit, endlich  die  Gerechtigkeit  auf  die  Besonnenheit  und  also  auch 
durch  dieses  Mittelglied  auf  die  Einsicht  zurückleitef.  Es  fehlt  nur 
noch  die  Tapferkeit,  als  der  Gang  dieser  Unterredung  plötzlich  abge- 
brochen wird.  Ganz  richtig  bemerkt  Hr.  St.,  das  Schlufsgespräch 
habe  zwei  Absätze.  Man  beachte  aber,  dafs  der  erste  derselben 
p.  349 — 351  B  eben  das  nachträgt,  was  oben  noch  fehlte,  nemlich  die 
Identität  der  Tapferkeit  mit  dem  Wifsen.  Dann  erst  folgt  eine  mehr 
principielle,  vom  Wesen  des  guten  ausgehende  Beweisführung  für  die 
Identität  der  Tugend  im  allgemeinen  mit  der  Erkenntnis  (bis  p.  359  A), 
welche  dann  im  besondern  nur  noch  auf  die  Tapferkeit  übertragen 
wird  (bis  p.  360  E),  eben  weil  sich  dies  ganze  Schlufsgespräch  das 
Ausehn  gibt,  als  wolle  es  nur  die  oben  fehlende  Erklärung  der  Tapfer- 
keit nachtragen  (p.  349  D  ff). 

So  enthält  der  Dialog  in  Wahrheit  zwei  Beweise  für  die  Einheit 
der  Tugenden  im  Wifsen  ,  einen  indirecten  und  einen  mehr  directeii. 
Der  Grund  hiervon  tritt  am  deutlichsten  in  der  ersten  Definition  der 
Tapferkeit  hervor,  wo  sie  nach  Schleiermachers  treffendem 
Winke  als  Verbindung  von  Einsicht  und  Kühnheit,  also  des  theoreti- 
schen Elements  mit  einem  praktischen  und  natürlichen  erscheint,  wäh- 
rend in  der  Schlufserklärung  nur  das  erstere  sich  geltend  macht. 
Aus  dem  ersten  Beweise  wird  ferner  nur  eine  ungefähre  Gleichheit 
der  Tugenden  im  Wifsen  gefolgert  (p.  333  B,  s.  Steinhart  S.  413); 
auch  heifst  es  hier,  dafs  sie  weder  quantitative  noch  qualitativ- orga- 
nische Theile,  aber  doch  auch  nicht  blofs  verschiedene  Namen  der 
einen  und  untheilbaren  Tugend  seien  (s.  Steinh.  S.  412  f.).  Was  sie 
trennt,  dürfte  vorzugsweise  das  praktische  Element,  die  Verschieden- 
heit des  Triebes  oder  der  Anlage  sein.    Man  sieht  wohl,   Piatons  ei- 


286  Müller  u.  Steinhart:  Piatons  sänimt liehe  Werke.   Ir  u.  2r  Bd. 

geniliche  Intention  geht  dahin  die  Verschiedenheiten  ruhen  zu  lafsen 
und  nur  das  theoretische  Moment  als  das  der  Einiieit  hervorzuheben. 
Nichts  desto  Aveniger  hat  er  gute  Gründe,  auch  auf  die  praktische 
Seite  als  eine  noch  zu  lösende  Frage  hinzudeuten.  Daher  diese  zwie- 
fache Beweisführung.  Beslinimtcre  Andeutungen  werden  nicht  dem 
Sokrates,  sondern  dum  Protagoras  in  den  Mund  gelegt,  s.  p.  327  (von 
der  Anlage)  und  was  er  vom  Scham-  und  Rechtsgefühl  ,  d.  h.  eben 
vom  Tugendtriebe  sagt. 

Man  sieht,  das  Hinausgehen  über  den  Sokrates,  die  Anerkennung 
des  praktischen  Elements  in  der  Tugend  hat  hier  schon  die  Unter- 
scheidung einer  bürgerlichen  Tugend  von  der  piiilosophischen  im 
Keime  hervorgetrieben.  Erstere  hat  diese  praktische  Grundlage  nicht 
zu  einer  wahrhaft  theoretischen  Ausbildung  gebracht.  Eine  tiefere 
Erörterung  dieser  Frage  gibt  der  Menon. 

üafs  übrigens  Hr.  St.  S.  418 — 420  auch  die  letzte  Bew  eisfülirung 
nur  als  eine  vorbereitende  und  hypoihetische  gelten  lafsen  will,  deren 
Absicht  die  ist,  zu  zeigen,  dafs  selbst  vom  eudaenionistischen  Stand- 
punkte die  Tugend  als  Erkenntnis  erscheint,  darin  nuifs  ihm  Ref.  ge- 
gen Hermann  a.  a.  0.  I  S.  462  f.  beipflichten.  V/enn  selbst  Prota- 
goras sich  gegen  die  Annahme  sträubt,  dafs  alles  angenehme  auch 
gut  sei  p.  351  C  ff.,  wie  darf  man  da  dem  platonischen  Sokrates  zu- 
trauen, dafs  ihm  dieselbe  unbedenklich  sein  werde?  Endlich  kommen 
ja  aber  auch  beide  ausdrücklich  überein  sie  nur  als  Hypothese  gelten 
zu  lafsen  p.  351  E.  Dagegen  hat  der  Hr.  Verf.  jenes  Sträuben  des 
Protagoras  nicht  genug  berücksichtigt,  wenn  er  dem  letztern  S.  404. 
421  ohne  weiteres  eine  bewust  eudacmonistische  Moral  zuzuschreiben 
geneigt  ist.  Ich  denke,  es  soll  vielmehr  hierin  die  Andeutung  liegen, 
dafs  das  angenehme  allerdings  das  sophistische  Moralprincip  ist,  dafs 
aber  Protagoras  selber  noch  einen  zu  starken  sittlichen  Sinn  in  sich 
trug,  um  seinerseits  diese  Consequenz  bereits  zu  ziehn  und  sich  nicht 
vielmehr  von  ihr  abgestofsen  zu  fühlen. 

Dafs  aber  das  eigentlich  speculative  Grundprincip  des  Protago- 
ras unberücksichtigt  bleibt,  daraus  schliefst  Hermann  a.  a.  0.  1 
S.  464  vgl.  50  f.  auf  Piatons  dermalige  Unbekanntschaft  mit  demsel- 
ben. Hr.  Steinhart  S.  420 — 422  dagegen  bemerkt  richtig,  wie  sich 
dies  genügend  daraus  erklärt,  dafs  Plalon  es  hier  rein  mit  der  ethi- 
schen Frage  zu  thun  hat.  So  lange  ihm  seine  ganze  reale  Philosophie 
in  die  Ethik  aufgeht,  ist  die  eigentlich  wifsenschafllichc  Benutzung 
früherer  Systeme  nicht  möglich.  Daraus  erkläre  ich  mir  nocii  im 
Gorgias  die  Nichtberücksichtigung  der  philosophischen  Schrift  dieses 
letztern  Sophisten,  w  eiche  Hrn.  St.  II  S.  510  Anm.  23  mit  Recht  auf- 
gefallen ist.  Andererseits  ist  aber  daraus,  dafs  eine  Menge  nothwen- 
diger  Consequenzen  der  sensualistischen  Grundansicht  des  Protagoras 
zu  Tage  tritt,  noch  keineswegs  mit  dem  Hrn.  Verf.  zu  folgern,  dafs 
Piaton  sie  wirklich  aus  der  letztern  hergeleitet  und  mithin  dieselbe 
gekannt  habe.  31öglich  dafs  selbst  die  Jlahnung  an  den  Unterschied 
des  Seins  und  Werdens  (p.  340  B  C)  den  Sophisten,   wie  Schleier- 


Uliillcr  11.  Slciiilisrl :  Plalons  säinmlliciio  Werke.     Ir  ii.  2r  Bd.  287 

maclier  aiuiimint,  al.s  AMluiii<;cr  des  lelzleni  bezeicliiien  soll.  El- 
M  as  sicheres  lafsl  sicli  in  der  «ganzen  Fra<;e  iiielil  eiilseheideii. 

So  viel  lial  übrigens  l!r.  St.  aueli  liiüsielitlicli  der  Composilioii 
rieliüg  erliainit,  dafs  die  Deballc  über  die  Furlsolzuiig-  des  Gesprächs 
p.  33i  D — 338  E  in  einem  engen  Zusanimeniiange  mit  der  früliern  Grup- 
pierung der  Sophisten  steht.  Denn  indem  auch  Uippias  und  Prodikos 
liier  eine  Probe  von  ihrer  Redekunst  ablegen,  treten  die  vorher  nur 
plastisch  hingeworfenen  llauplrichlungen  der  Sophislik  drastisch  und 
erkennbar  heraus,  innerhalb  der  etliisch-i)olilisclien  Richtung  aber 
wieder  der  Gegensalz  des  einseiligen  Conservativismus  im  Protagoras 
und  des  einseitigen  Hevolutionsprincips  im  Uippias  (S.  405  11'.).  Dafs 
Kallias  als  feiner  ^^  irth  sich  unparteiisch  benelime,  kann  ich  übri- 
gens nicht  linden:  er  neigt  doch  wohl  entschieden  zum  Protagoras  hin, 
s.  p.  336  B  E. 

Auch  das  ist  richtig,  dafs  die  Erklärung  des  simonideischen  Ge- 
dichts durch  den  Satz,  dafs  Gott  das  unwandelbare  gute  sei,  mit  dem 
Mythos  des  Protagoras,  und  durch  den,  dafs  niemand  freiwillig  böses 
thue,  mit  dem  letzten  Theile  des  Dialogs  in  Verbindung  und  Einklang 
steht,  S.  408.  414.  Auch  die  Darlegung  der  positiven  Keime  im  Vor- 
trage des  Protagoras  S.  422  ff.  ist  trefllich,  und  wenn  Zeller  Zeit- 
schrift für  die  Alterthumsw.  1851  S.  249  f.  dagegen  erinnert,  dafs  im 
ganzen  durchaus  die  negative  Seite  hervorgekehrt  werde,  so  beweist 
dies  nur,  dafs  jene  richtigen  Ahnungen  auf  gewisse  Elemente  gerichtet 
sind,  welche  auf  diese  Weise  mehr  angeregt  als  erschöpft  werden 
sollen  (s.  0.). 

Im  ganzen  hat  auch  hinsichtlich  der  Zweilheilnng  des  Dialogs 
Hr.  St.  insofern  nicht  Unrecht,  als  allerdings  die  eine  Hälfte  mehr  vor- 
bereitender Natur  ist,  mehr  die  niedere  Tugend  und  die  niedern  Ele- 
mente der  Tugend  beleuchtet;  nur  dafs  dabei  die  erste  schon  so  stark 
in  die  zweite  hinein-  und  die  zweite  in  die  erste  zurückgreift,  dafs 
es  gerathener  erscheint,  einfach  bei  der  schon  von  Schleiermacher 
entwickelten  Sechstheilung  stehn  zu  bleiben. 

Das  Gesammtresultat  ist  bei  Hrn.  St.  dasselbe,  worin  auch  Zel- 
ler Piaton.  Studien  S.  161  f.,  Hermann  a.  a.  0.  I  S.  457,  Bran- 
dis  griech.-röm.  Phil.  II,  1  S.  454  IT.  bereits  zusammengetroffen  sind: 
die  w  ifsenschaftliche  Betrachtung  der  Tugend  und  ihre  richtige  Lehr- 
methode im  Gegensatz  gegen  die  anmafsliche  Tugendlehrerin  Sophistik 
(S.  410  f.).  Auch  Ref.  schliefst  sich  gern  an,  ^^  enn  iran  ihm  zweier- 
lei zugestelin  w  ill.  Erstens  nemlich  wird  neben  der  eigentlichen 
Tendenz,  die  Tugend  auf  den  Begriif  zu  begründen,  doch  allerdings 
nach  dem  obigen  auch  auf  die  praktischen  Elemente ,  Trieb  und  An- 
lage,  hingedeutet.  Eine  Masse  von  Stellen  lafsen  sich  überdies  anfüh- 
ren, wo  auf  den  Mangel  des  Wahrheifstriebes,  die  niedrige  Gesinnung, 
Rechthaberei ,  Ruhmredigkeit  und  Habsucht  der  Sophisten  angespielt 
wird:  s.  p.  313  C  ff.  317  A  ff.  C  318  A.  D.  E.  327.  334  E.  335  A.  348  E. 
310  D.  E  und  was  Schleiermacher  über  die  niedrigen  Lebensan- 
sichten sagt ,  w  eiche  der  Mythos  des  Protagoras  enthält.    In  seinem 


288  E.  Curtiiis:  Pclopounesos. 

Lob  alles  bestehenden  dagegen  kann  Ref.  nur  die  Einseitigkeit  des 
Princips,  in  dem  Vorzuge,  -welchen  er  dem  ungebildetsten  Griechen  und 
besonders  AHiener  vor  den  Barbaren  einräumt,  gleichfalls  nur  die  ge- 
wöhnliclie  Nalionaleilelkeit ,  weniger  eine  Schmeichelei  gegen  die 
Athener,  durchaus  aber  keine  Gleichgiltigkeit  gegen  die  Wahrheit, 
blofses  Jagen  nach  Lohn  und  Lob  mit  Hrn.  St.  S.  412  erblicken.  Auch 
in  der  Einrahmung  deutet  der  Vorzug,  Avelchen  Sokrates  dem  '^wei- 
sen' Greise  Protagoras  vor  seinem  schönen  Lieblinge  Alkibiades  gibt, 
p.  309  B  ff.,  ohne  Zweifel  auf  den  regen  Erkenntniseifer  des  Sokrates. 

Zwei  teus,  wenn  doch  zugegeben  wird,  dafs  der  protagorei- 
sche  Mythos  viel  wahre  Gedanken  in  sich  trägt,  so  mufs  ein  ähnliches 
auch  wohl  von  der  Form  gelten,  die  Piaton  schon  im  Menon  und  Gor- 
o-ias  selber  anwendet.  Audi  die  Erklärung  des  simonideischen  Ge- 
dichts weifs  Sokrates  so  zuzurichten,  dafs  sie  ganz  in  den  Gesammt- 
verlauf  der  Untersuchung  hineinpasst.  Auch  eine  sonstige  längere 
Rede  des  Sokrates  kommt  vor  p.  338  A  — E,  die  am  meisten  dialekti- 
sche von  allen  nach  S  ch  le  ier  ma  eher  s  zutreffender  Bemerkung. 
Ich  dächte  daher,  auch  diese  drei  sophistischen  Formen  würden  nicht 
absolut  für  den  philosophischen  Gebrauch  verworfen,  falls  sie  nur  in 
der  Hand  eines  echten  Dialektikers  sind,  wenn  ihnen  auch  freilich  die 
eigentlich  beweisende  Kraft  abgesprochen  wird. 

Eine  genauere  Bestimmung  der  Abfafsungszeit  ist  bei  den  vor- 
stehenden Gesprächen  unmöglich;  wie  unsicher  es  mit  den  Zeitbezie- 
hungen steht ,  welche  Hr.  St.  in  einigen  derselben  findet,  darüber  s. 
Zeller  Zeitschr.  f.  d.  Alterthumsw.  1851  S.  264.  Mit  dem  unechten 
zweiten  Alkibiades  S.  509  ff.  schliefst  der  erste  Theil  des  Werks. 
(Fortsetzung  folgt  im  nächsten  Hefte) 

Greifswald.  Dr.  Fratn  Suseinlhl. 


PeloponnesOS.  Eine  historisch-geographi.sche  Beschreibung  der  Halb- 
insel von  Ernst  Curtius,  ao.  Professor  an  der  Universität  zu  Ber- 
lin. Erster  Band.  VI  u.  495  S.  1851.  Zweiter  Band.  VI  u.  693  S. 
1852.  Beide  Bände  mit  Karten  und  eingedruckten  Holzschnitten. 
Gotha,  Verlag  von  Justus  Perthes,     gr.  8. 

Es  kann  nicht  geleugnet  werden,  dafs  die  neuere  deutsclie  Philo- 
logie, so  sehr  sie  das  Verdienst  in  Anspruch  nehmen  darf,  die  Wege 
zu  einer  lebendigen  und  gründlichen  Erkenntnis  des  Alterlhums  wie- 
der eröffnet  und  jedes  Gebiet  desselben  mit  glänzendem  Erfolg  ange- 
baut zu  haben,  doch  wenig  Werke  aufzuweisen  hat,  in  welchen  die 
Resultate  jener  mühevollen  Vorarbeiten  zu  einem  harmonischen  Ge- 
sammtbilde  vereinigt,  und  die  von  unserer  Zeit  gewonnene  Anschau- 
ung von  dem  Leben  und  Wirken  der  Griechen  und  Römer  in  grofsen 
Zügen  dargestellt  und  für  alle  Zeiten  gesichert  wäre.  Zum  Theil  hat 
die  Vorsehung   selbst  in  den  Entwicklungsgang  unserer  Wifsenschaft, 


E.  Ciirlius  ;  Pcloponnesos.  289 

Avie  wir  ihn  nach  menschlicher  Ansicht  holFen  durften,  durch  unvor- 
geschene  Entscheidungen  eingcgriUen.  Zwei  Männer,  die  vor  vielen  be- 
rufen schienen,  die  gröfslen  Aufgaben  zur  Vollendung  zu  führen,  Ni  e- 
buhr  und  0.  Müller,  sind  in  der  höchsten  Reife  ihrer  geistigen 
Kraft  von  ihrem  edlen  Tagewerk  frühzeitig  abgerufen.  Andere,  die 
wir  stets  dankbar  als  die  Meister  der  Kunst  verehren,  Wolf,  Her- 
mann, Böckh,  Lachmann,  Weicker,  haben  nach  den  in  der 
Zeil  liegenden  Bedürfnissen  oder  nach  der  ursprünglichen  Richtung  und 
Neigung  ihres  Geistes  ihren  Forschungen  bestimmlere  Ziele  und  enger 
umschriebene  Grenzen  gesteckt.  Je  weniger  es  zu  bezweifeln  ist,  dafs 
die  bewunderungswürdigen  Leistungen  der  voraufgegangenen  Kory- 
phaeen  auf  jedem  Felde  der  Alterthumswifsenschaft  in  dem  Gescblechte 
der  Jüngern  Philologen  auf  Erweiterung  des  Umblicks  und  auf  Verlie- 
fung der  Einsicht  die  günstigste  Einwirkung  gehabt  haben  werden,  um 
so  lebhafter  und  dringender  regt  sich  die  Hoffnung,  dals  eine  umfafsende 
und  eindringende  Kenntnis  des  Alterlhums  in  ^\'erkeu  von  grofsartiger 
Anlage  und  edler  Form  immer  mehr  ihren  w  ürdigen  Ausdruck  finden 
werde.  Als  eine  hoch  erfreuliche  Frucht  solches  Slrebens  dürfen  wir  das 
oben  genannte  Werk  begrüfsen.  Wenn  ich  mir  gestatte  ,  dasselbe  an 
diesem  Orte  zu  einer  eingehenden  Anzeige  zu  bringen,  so  geschieht  es 
theils  aus  einem  wahrhaften  Bedürfnis,  dem  Verf.  auch  ölTcntlich  den 
wärmsten  Dank  für  die  Freude  und  Belehrung  auszusprechen,  welche 
sein  Werk  im  reichsten  Mähe  gewährt,  theils  in  der  Absicht,  ins- 
besondere durch  diese  Zeitschrift  die  Aufmerksamkeit  recht  vieler 
Berufsgenofsen  an  den  Gymnasien  darauf  hinzulenken.  Gerade  in 
der  Zeit,  wo  von  so  vielen  Seiten  die  dankenswerthestcn  Bemühungen 
auf  das  Ziel  gerichtet  sind,  der  Jugend  die  Früchte  der  Alterthums- 
studien  so  zugänglich  wie  möglich  zu  machen ,  wird  es  doppelt  ge- 
rechtfertigt sein,  auf  eine  frisch  sprudelnde  Quelle  lebendiger  Er- 
kenntnis hinzuweisen.  So  schön  und  rühmlich  es  auch  ist,  durch 
zweckmäfsige  Ausgaben  das  Verständnis  der  Classiker  zu  erleichtern, 
durch  immer  neue  Grammatiken  das  Erlernen  beider  Sprachen  zu  be- 
schleunigen, durch  immer  scharfsinniger  angelegte  Methoden  die  Wege 
zum  Ziele  abzukürzen  und  zu  sichern;  —  gelingt  es  uns  nicht,  in 
Geist  und  Gemülh  der  Jugend  das  Alterthum  wieder  zum  Leben  zu  er- 
wecken und  Liebe  und  Freude  an  seinen  lebensvollen  Schöpfungen 
zu  erregen,  so  haben  wir  unsere  Aufgabe  unvollkommen  gelöst.  Es 
ist  seit  einer  Reihe  von  Jahren  so  viel  Mühe  und  Arbeit  an  die  Ver- 
befserung  der  Mittel  und  Wege  gewandt,  dafs  ein  Buch,  in  welchem 
die  Anschauung  des  Zieles  selbst  in  einem  bedeutenden  Umfange  ge- 
fördert wird,  auch  für  die  Schule  und  ihre  Pfleger  nur  in  hohem 
Grade  willkommen  sein  kann.  Ueber  den  hohen  wifsenschaftlichen 
Werth  desselben,  welchen  in  vollem  Mafse  nur  wenige  zu  beurtbeilen 
berufen  sind,  haben  sich  schon  die  gewichtigsten  Stimmen  von  Män- 
nern, die  selbst  inmitten  dieser  Forschungen  stehn  (namentlich  von  L. 
Rofs  in  der  AUgem.  Monatsschrift  für  Wifsenschaft  und  Litteratur, 
Decemberheft  1851),  mit  der  achtungsvollsten  Anerkennung  ausgespro- 

IS.  Jahrb.  f.  Phil.  ti.  Paed.  Rd  LXVII.  ///Y.  3,  19 


290  E.  Curtius:  Peloponnesos. 

clien  und  andern  kritischen  Prüfungen  der  ResnUale  topographischer 
und  archaeologischer  Untersuchungen,  welche  in  grofser  Zahl  in  dem 
Buche  niedergelegt  sind,  dürfen  wir  von  kundiger  Hand  entgegensehn  ; 
möo'e  es  uns  hier  gestattet  sein,  mit  der  reinen  Freude  an  einem  gro- 
fsen ,  im  edelsten  Sinne  zum  Gemeingut  gemachten  Gewinne  den  Ver- 
fafser  durch  seine  eben  so  anziehende  wie  belehrende  Darstellung 
zu  begleiten,  und  einen  gedrängten  Ueberblick  von  dem  reichen  In- 
halt seines  Werkes  mitzutheilen. 

Die  Aufgabe,  welche  Curtius  von  früh  auf  für  ganz  Griechen 
land  im  Geiste  erfafst  und  für  einen  der  wichtigsten  Theile  zur  Aus- 
führung gebracht  hat,  ist  dieselbe,   welche  Niebuhr  als  die  höchste 
der  Geschichte  erkannte,  und  von  der  die  grofsartigen  Grundzüge  in 
seinen    mündlichen   Vorträgen    über    alte   Länder-  und   Völker- 
kunde niedergelegt  sind;  dieselbe,  welche  0.  Müllerin  das  Land 
seiner  Sehnsucht  führte  und  dort  auf  dem  Felshügel  des  Kolonos  sein 
frühes  Grab  finden  liefs.    Es  ist  die  historische  Cho  rogr  ap  hie, 
deren  Ziel  es  ist:  Mie  ganze  ordnende,  schaffende,  einrichtende  Thä- 
tigkeit  des  menschlichen  Gedankens  in  Beziehung  auf  den  Boden  dar- 
zustellen, damit  man  schliefslich  erkenne,  was  das  Land  durch  seine 
Bewohner  geworden  sei'  I  S.  od.     Ueber  die  Quellen  und  Hilfsmittel 
im  engern  Sinne,  welche  dem  Verfafser  zu  Gebote  standen,  und  über 
sein   persönliches   Verhältnis    zu    seiner    Aufgabe   gibt    der    vierte 
Abschnitt    S.   115  bis  147   ausführliche  Hechenschaft.     Wir  erhal- 
len hier  nicht   eine   dürre  Aufzählung  der  wichtigsten   Schriftsteller 
von  Homer  bis   auf  die  neuesten  Zeiten,  welche  zu   der  Kunde   des 
Peloponnesos    in    näherer    Beziehung   stehen ,    sondern    eine   scharfe 
Charakteristik  der  einzelnen  sowohl  nach  dem  Umfang,  wie  nach  dem 
Werlhe  der  von  ihnen  mitgetheilten  Nachrichten.    Noch  immer  wird 
die  Warnung  vor  der  Ueberschätzung  homerischer  Weltkunde,  w  eiche 
selbst  Strabon  nicht  selten  irre  führte,  zu  beherzigen  sein,  weil  dem 
alten  Dichter  die  geographischen  Namen  nur  den  unwesentlichen  Hin- 
tergrund der  Begebenheiten  andeuteten,   und  oft  in  willkürlicher  Ord- 
nung zusammengestellt  sind;  überdies  die  meisten  Stellen  der  homeri- 
schen  Gedichte,  welche  geographische  Namen  enthalten,  spätem  Ur- 
sprungs   oder   verfälscht   sind.     'Eben   darum  sind  die   Streitfragen 
über   homerische  Geographie  in  der  Regel  so   unerfreulich,  und  nur 
selten  zu  einer  endgiltigen  Entscheidung  zu  führen'.   Unter  den  Histo- 
rikern und  Geographen ,  den  ganz   oder  nur  in  Bruchstücken  erhalte- 
nen, wird  besonders  die  Bedeutung  und  Eigenthümlichkeit  des  Poly- 
bios,  Dikaiarchos  undEphoros,  welchen  letztern  C.  überein- 
stimmend mit  Niebuhr  gegen  ungerechte  Herabsetzung  schützt,  hervor- 
gehoben;   dagegen  von  Strabon  vortrefflich   nachgewiesen,    wes- 
halb 'die  Fülle  von  Belehrung,  welche  wir  für  alle  andern  Theile  der 
alten  Welt  seinem  herlichen  Werke  verdanken,  uns  in   Hellas  nicht 
in  gleichem  Mafse  zu  gute  kommt.    Sobald  er  den  Boden  der  ältesten 
griechischen  Geschichte  betritt,  hört  er  auf  Chorograph  zusein,   die 
specielle  Periegese  fällt  weg  und  statt  einer  Beschreibung  des  Lan- 


E.  Ctirtius  :  Peloponiiesos.  '291 

des,  wie  es  zu  seiner  Zeil  war,  gil)l  er  eine  Reihe  geleiirler  Abhand- 
lungen über  homerische  (jeoafrapliie  ,  welciie  wenig  geeignet  sind  uns 
für   das   vermirsic   zu    enlsohiidigcn.  —   Er  hiell  vieles,  was  uns  neu 
und  wichtig  sein  würde,  für  zu  bekannt  und  zu  oft  wiederholt,  um  es 
von  neuem    zu    besehreiben.'      Ja   C.   vermutliet,    dafs   Straboii  ver- 
schmäht habe,  das  Land  der  Griechen  zu  durchwandern.   'Denn  aufser 
Korinth,  wo  er  nach  der  Schlacht  bei  Actium  mit  üctavian  zusammen- 
traf, wird   man  schwerlich  einen  peloponnesischen  Ort  ausfindig  ma- 
chen,  welchen   er   nachweislich  aus   eigner   Anschauung  beschrieben 
hat.'    Dennoch  wird  sein  Werlh  für  die  Topographie  des  allen  Grie- 
chenlands, sobald  sein  Standpunkt  zu  derselben  richtig  aufgefafst  ist, 
in  vollem  Mafsc  anerkannt*),  besonders  auch  darum,  weil  er  so  viele 
unschätzbare  Nachrichten   älterer  verlorner  Schriftsteller  aufbewahrt 
hat.    Von   der  ganzen  reichen  Litteratur  der  Periegese,   die  in  der 
alexandrinischen  Periode  beginnt  und  sich  mit  grofster   Genauigkeit 
der  Beschreibung  des  besondern  und  localen  auf  allen  irgend  bedeu- 
tenden Punkten  in  ganz  Griechenland  zuwandte  und  deren  Meister  Po- 
lemon   leider,  bis  auf  die  durch  Prell  e  rs  Verdienst   gesammelten 
Fragmente,  für  uns  verloren  ist,  bleibt  Pausanias  uns  der  einzige 
Repraesentant.    Aber  sein  Werk  ist,  wie  der  Verf.  sagt,  in  dem  Grade 
die  Hauptquelle  unserer   topographischen  Wifsenschaft  von  Griechen- 
land, dafs   diese   "^zum  grofsen  Theile  ein  Commentar  desselben  sein 
und  bleiben  mufs,  und  dafs  ihre  Erfolge  davon  abhängen,   wie  weit 
es  gelingt,   den  Pausanias  mit  rechtem  Verständnis   zu   lesen,   seine 
Kürze  zu  ergänzen,  seine  Dürre  zu  beleben.'    Mit  klaren  und  scharfen 
Zügen  entwirft  C.  S.  122  ff.  ein  Bild  von  der  Eigenlhümlichkeit  und  Me- 
thode dieses  wiclitigen  Schriftstellers,  der  von  seinen  zehn**)  Büchern 
sieben  den  peloponnesischen  Landschaften  gewidmet  hat,   und  weist 
durch  das  kunstvoll  angelegte  Netz  seiner  Wanderungen  den  leitenden 
Faden  nach,  dessen  sich  noch  mancher  Leser  nach  ihm  mit  Nutzen  be- 
dienen wird.  "^Pausanias  ist  arm  an  Nachrichten  über  seine  Gegenwart' 
bemerkt  C.  an  einer  andern  Stelle  S.  81;   'die  Fremdenführer  sind  fast 
die  einzigen  lebenden  Wesen,  welche  er  erwähnt,  und  wenn  er  nicht 
von  Tempeldienst    und  Götterfesten  spräche,  könnte  man  glauben,  er 
wäre  durch  aufgegrabene  Städte  gewandelt,  in  denen  nur   3Ionumente 
übrig  geblieben  wären.      So  ungenügend  hier   die  Beschreibung   des 
Periegeten  unserer  Wifsbegierde  erscheint,  so  reiche  und  vollständige 
Belehrung  gewährt  sie  uns    andrerseits.     Sie  ist  gleichsam  das    ge- 
naue Inventar,  in  dem  Hause  eines  reichen  Mannes  aufgenommen,  ehe 


*)  Nicht  selten  hat  der  Verf.  im  Laufe  seiner  Darstellung  Gele- 
genheit gehabt,  durch  richtige  Interpretation  und  Emendation,  bei 
welcher  er  Meinekes  scharfsinnige  Hilfe  dankbar  anerkennt,  Stra- 
bons  Nachrichten  ins  rechte  Licht  zu  setzen.  Vergl.  I  S.  451  A.  12. 
TI  S.  105  A.  41  und  namentlich  S.  309  A.   10. 

**)  Warum  zählt  der  Verf.  nur  neun  Bücher?  Wenn  er  die  bei- 
den 'HhciKcc  zu  einem  rechnet,  so  kommen  auch  nur  sechs  auf  den 
Peloponnes. 

19* 


292  E.  Curlins  :  Peloponnesos. 

die  Schulze  desselben  unter  den  Händen  roher  Erben  verschleiiderf 
und  zerstört  worden  sind.'  Die  Zeit  seiner  Wanderungen ,  um  die 
Mille  des  zweiten  Jahrhunderts,  >Yar  die  letzte  für  ein  solches  Unter- 
-nehmen  günstige:  'der  Halbinsel  ^^ar  gerade  unter  den  letzten  Kai- 
sern der  Segen  einer  milden  Regierung,  längere  Ruhe  und  manigfache 
Unterstützung  zu  gute  gekommen,  als  er  den  classischen  Boden  durch- 
wanderte.' Mit  welcher  Sorgfalt  und  Gründlichkeil C.  diese  wichtigste 
Quelle  des  ganzen  Alterlhums  benutzt  hat,  davon  ist  eben  sein  ganzes 
'\>'erk  ein  sprechendes  Zeugnis.  Natürlich  ist  aber  auch  ein  so  eifrig 
und  beharrlich  eindringendes  Bemühen  für  die  Erklärung  und  Ver- 
befserung  des  Schriftstellers  an  zahlreichen  Stellen  von  dem  glück- 
lichsten Erfolg  gewesen.  Das  Register  weist  eine  grofse  Reihe  un- 
zweifelhafter Emendalioncn  nach  ,  die  aucl»  nach  den  Bemühungen  der 
neuesten  Herausgeber  nothwendig  waren,  und  zum  Theil  nur  durcli 
die  Anschauung  der  Oerllichkeiten  selbst  gelingen  konnten. 

Nach  dem  Pausanias  sind  S.  127  auch  die  übrigen  Schriftsteller 
bis  in  die  spätere  byzantinische  Litleratur  hinab  namhaft  gemacht  und 
beurlheill,  deren  Ueberlieferungen  in  näherer  Beziehung  zu  dem  Un- 
lernehmen  des  Verfafsers  stehen.  Was  aber  seinem  Werke  einen 
noch  höheren  Werlh  verleiht,  als  das  genaueste  Studium  der  eigent- 
lichen Quellenschriftsteller,  das  ist  die  innige  und  lebendige  Ver- 
trautheit mit  der  gesammten  alten  Geschichte,  Litleratur  und  Kunst. 
Wir  fühlen  es  der  freien  Haltung,  wie  dem  das  ganze  Buch  durch- 
wehenden Geiste  an,  dafs  hier  nicht  eine  nach  gelegentlich  ergriffe- 
nem Vorsatz  nur  auf  das  eine  Ziel  hin  gerichtete  Untersuchung  vor- 
liegt, sondern  dafs  diese  Darstellung  eines  vorzüglich  ansprechenden 
Theiles  aus  dem  umfafsenden  Ganzen  einer  reichen  und  organischen 
Anschauung  des  Alterlhums  hervorgegangen  ist.  Diese  verdankt  der 
Verf.  nicht  nur  einer  liebevollen  Beschäftigung  mit  allen  Gattungen  der 
Denkmäler  desselben,  sondern  auch  einem  vierjährigen  Aufenthalt  in 
Griechenland  selbst,  wo  ihm  aufser  dem  täglichen  Verkehr  mit  Gelehr- 
ten, die  von  gleichen  Interessen  erfüllt  waren,  das  seltene  Glück  zu 
Theil  ward,  den  Peloponnes  wiederholt  und  in  der  Gesellschaft  von 
Männern,  wie  K a r  1  R i  1 1 e r  und  0  t f r i e d  M  ü  1 1  e  r,  zu  bereisen.  Einer 
trefflichen  Uebersicht  von  den  Leistungen  und  Verdiensten  seiner  Vor- 
gänger (S.  128 — 138)  schliefst  er  den  kurzen  Bericht  von  seinen  eignen 
Wanderungen  an.  Gebührt  mit  Recht  Engländern  und  Franzosen  der 
Ruhm  der  ersten  treuen  Nachforschungen  an  Ort  und  Stelle,  so  dürfen 
doch  auch  wir  Deutsche  mit  Befriedigung  auf  den  Fortschritt  hinblicken, 
der  zwischen  den  Zeilen  liegt,  wo  Martin  Kraus  im  sechzehnten  Jahr- 
hundert '^aus  seiner  Tübinger  Studierstube  einen  Briefwechsel  mit  ge- 
lehrten Griechen  begann,  von  denen  er  zu  seinem  Erstaunen  erfuhr, 
dafs  es  wirklich  noch  ein  Griechenland  gäbe ,  in  dem  man  den  Schau- 
platz der  alten  Geschichte  erkennen  könne' ,  und  dem  gegenwärtigen 
Stand  der  Wifsenschaft,  von  welchem  das  vorliegende  Werk  ein  blei- 
bendes Zeugnis  ablegt.  Auch  von  Seiten  der  Benutzung  seltner  und 
schwer  zugänglicher  Hilfsmittel  hat  der  Verf.  sich  besonderer  Begün- 


E.  Ctirliiis:  Pcloponncsos.  293 

stigung   zu    erfreuen  gehabt.     Aulser  dafs  ihm    die   grolseii   Karlen 
werke,  welclie  eine  rulunvolle  Frucht   der   IVanzösischen   K.vpedilioii 
nach  Morea  gewesen  sind,  zu  Gebote  gestanden  haben,   hat  ihn  Bnn 
sens  Vermittlung  in  den  Besitz  der  kostbaren  enalischen  Adniiralitäls- 
karlen  gesetzt,  welche  ihm  bei  seiner  Arbeil  von  wesentlichem  Nutzen 
gewesen  sind. 

Auf  einem  so  w  ohl  bereiteten  (irunde  d(!S  vielseitigsten  Sindiums 
und  der  lebendigsten  Anschauung  beruht  diese  '^  historisch -geogra- 
phische Beschreibung  der  Halbinsel  des  Peloponnesos'',  und  sie  ist  mit 
eben  so  grofser  Treue  im  einzelnen,  wie  m'ü  j(!ner  ans  innerer  Theil- 
nähme  entströmenden  Frische  durch  alle  Theile  hindurchgeführt.  Nach 
der  durch  die  Aufgabe  selbst  gebotenen  Methode  entwirft  der  Verf. 
sowohl  von  dem  Ganzen  der  Halbinsel,  wie  von  den  einzelnen  Land- 
schaften, zu  welchen  er  sich  fortschreitend  wendet,  ein  geograjdii- 
sches  Bild,  läfst  die  Geschichte  des  Landes  und  seiner  Bewohner  von 
der  frühesten  Kunde  bis  auf  die  neueste  Zeit  in  praegnanlen  Umrifsen 
an  uns  voriibergehn,  und  führt  uns  in  einer  meistens  durch  eigne  An- 
schauung belebten  Darstellung  in  das  einzelne  der  durch  natürliche  Be- 
schaffenheit oder  geschichtliche  Bedeutung  und  die  Denkmaler  des 
Alterthums  merkwürdigen  üertlichkciten  ein.  Wenn  in  der  Special- 
beschreibung der  Beichthnm  des  Details,  die  3Ianigfaltigkeit  der  Na- 
men auf  den  ersten  Blick  ermüdend  und  verwirrend  erscheinen  kann, 
so  wird  sich  dem  aufmerksamen  und  gewifsenhaften  Leser  gerade  hier 
die  innere  Wahrheit  und  Lebendigkeit  der  Beschreibung  am  meisten 
dadurch  bewahren ,  dafs  sich  bei  scharfer  Auffafsung  und  Zusammen- 
ordnung des  gelesenen  von  selbst  im  Geiste  ein  Bild  der  beschriebe- 
nen Localität  aufbaut,  welches  mit  unvergänglichen  Zügen  haftet. 
Wenn  die  beigegebene  Karte  des  ganzen  Peloponnesos  in  ihrem  be- 
schränktem Umfang  nur  zur  allgemeinern  Orientierung  dient,  so  för- 
dern die  sorgfältig  entworfenen  Specialkarten  der  einzelnen  Landschaf- 
ten, welche  auch  für  die  trefflichen  Kiepertschen  noch  manche  Be- 
richtigung bieten,  so  wie  die  zahlreichen  Pläne  von  untergegangenen 
Städten  und  ihren  Umgebungen,  und  mehrere  eingedruckte  Holzschnitte 
von  einzelnen  besonders  wichtigen  Gebäuden  in  hohem  Grade  die 
Anschaulichkeil  der  Schilderung.  Indem  uns  diese  auf  den  Boden  der 
ältesten  europaeischen  Civilisation,  zu  den  Sitzen  der  Völkerstämme 
führt,  welche  von  verschiedenen  Seiten  eingezogen  nach  langem 
Drängen  und  Treiben  eine  Reihe  von  eigenthümliehen  Gemeinwesen 
und  Staaten  erzeugt  haben,  in  denen  die  einheimischen  und  neuanfge- 
nommenen  Bildungskeime  sich  unter  verschiedenen  Bedingungen  zu 
manigfalligen  politischen  und  religiösen  Gestaltungen  durchdrungen 
und  entwickelt  haben;  berührt  sie  eine  Menge  der  anziehendsten  my- 
thologischen, ethnographischen  und  culturhistorischen  Fragen,  welche 
mit  grofser  Umsicht  und  Besonnenheit  bebandelt  sind.  Wir  brauchen 
nur  an  die  Namen  von  Arkadien,  Achaja ,  Elis  und  Olympia,  Lakedae- 
mon  und  Messene,  Argos  und  Mykenae,  Korinth  und  Sikyon  zu  er- 
innern, um  den  Reichthum  des  Stoffes  anzudeuten,  welcher  sich  in 


294  E.  Curlins:  Peloponnesos. 

lebensvollen  Bildern  vor  uns  entfaltet.  Denn  darin  erkennen  wir  den 
charakterislisclien  Vorzug  dieses  Buchs  vor  vielen  historischen  und 
geographischen  Schriften  über  das  Alterthum  ,  dafs  es  dem  Verfafser 
gelungen  ist,  die  natürliche  und  geschichtliche  Betrachtung  des  Lan- 
des auch  in  ihrer  reichsten  Manigfaltigkeit  durch  den  organischen  Ge- 
danken der  gegenseitigen  Einwirkung  und  Entwicklung  zu  verschmel- 
zen, und  den  Leser  auf  jeder  Stufe  und  in  dem  besondersten  Theile 
in  dem  Bewiistsein  des  Innern  Zusammenhanges  des  Ganzen  zu  er- 
halten. 

Diese  von  einem  harmonischen  Interesse  durchdrungene  Behand- 
lungsweise  führt  uns  in  den  drei  ersten  Abschnitten :  der  geographi- 
schen Einleitung,  den  Bemerkungen  zur  Naturgeschichte  der  Halbin- 
sel und  dem  Ueberblick  über  ihre  Geschichte  von  S.  1 — il4  mitten  in 
den  Schauplatz  unserer  Betrachtung  ein.  Aus  einem  schönen  Ueber- 
blick der  gesammten  Halbinsel  des  Haeuuis,  wie  sie  sich,  als  ein  brei- 
tes Bergland  vortretend,  durch  einschneidende  Meeresbuchten  zu  immer 
schärfer  ausgeprägter  Gestaltung  gliedert,  stellt  sich  der  Peloponnes 
durch  die  Wiederholung  der  mehrfach  vorgebildeten  Form  als  der  Ab- 
schlufs  und  die  Vollendung  der  Entwicklung  des  griechischen  Landes 
dar.  Mit  grofser  Sorgfalt  ist  der  Gebirgszug  der  Geraneia,  der  wie 
eine  Quermauer  das  nördliche  Griechenland  abschliefst,  als  eine  Ver- 
zweigung und  Fortsetzung  des  Kithaeron  beschrieben ,  so  dafs  der 
Unklarheit  und  Verwirrung  früherer  Darstellungen  über  diese  Punkte 
ein  Ende  gemacht  ist.  Die  dreifache  Verbindungsslrafse  zwischen 
Nordgriechcnland  und  dem  Peloponnes  an  beiden  Küsten  und  durch 
die  Schluchten  des  mittlem  Bergrückens,  wie  sie  hier  und  II  S.  551. 
552  geschildert  ist,  stellt  die  militärische  Wichtigkeit  dieser  Gegend, 
die  uns  oft  in  der  allen  Geschichte  entgegentritt,  in  ein  helles  Licht. 
Anschaulich  lernen  wir  die  übel  berufene  Klippeustrafse  der  ski- 
ronischen  Felsen,  jetzt  Kaki  Skala,  die  am  östlichen  Küstensaum 
hinläuft,  kennen.  'Die  Gefahren  dieses  Weges  stellte  der  Mythus 
von  den  Gewaltthaten  des  wegelagernden  Skiron  dar.'  Wie  der  Verf. 
hier  und  an  vielen  Stellen  mit  Recht  den  unverkennbaren  Spuren  der 
örtlichen  Beschaffenheit  in  der  Deutung  der  Mythen  folgt,  so  wird  es 
auch  seinem  Sinne  entsprechen,  wenn  wir,  wie  er  selbst  es  anders- 
wo oft  thut,  auch  hier  in  der  Namensdeutung  an  denselben  Ursprung 
erinnern:  unzweifelhaft  hängt  der  Name  Z%iQ(ov ^  wie  der  der  rauhen 
Berglandschaft  ZKiQLXLi  mit  dem  substantivischen  und  adjectivischen 
Appellativ  GniQQog  und  GniQQÖq  zusammen,  das  alles  harte,  spröde 
und  schroffe  bezeichnet.  —  Zwischen  der  megarischen  Geraneia  und 
dem  parallel  laufenden  peloponnesischen  Oneion  erstreckt  sich  der 
schmale  Landrücken  des  Isthmos.  Von  seinen  Ileiligthümern  und 
seiner  Festbedeutung  vernehmen  wir  an  seiner  Stelle  in  der  Beschrei- 
bung des  korinthischen  Gebietes  (II  S.  539  ff.).  Hier  weist  aber 
schon  seine  natürliche  Beschaffenheit  darauf  hin,  wie  er  zwischen  den 
beiden  Quergebirgen  als  ein  von  Natur  wehrloses  und  neutrales  Gebiet 
daliegt,  'ganz  dazu  geschaffen,   um  die  verschiedenen  Stämme  Grie- 


E.  Curliiis.  P('I(»j»oriiiesos.  295 

chenlands  ziini  Haiulolsverkelirc,  zu  gemeinsamen  ßeralhungen  wio 
KU  gollesdienslliclieii  Festen  zu  vereinigen.'  Anziehend  ist  ferner  der 
historische  Uel)erhlick  sowohl  der  verscliiedeneu  Projecte  zur  Diirch- 
grahung  des  Isthmos,  >vie  der  wiederholten  Versuche,  seine  natürliehe 
Verlheidigungsiinie  durch  kiinsilichc  Befesligungcn  zu  verstärken,  von 
der  ersten  in  der  Kile  aufgetiilirlen  Mauer  gegen  die  Perser  his  zu  den 
Werken  ,  die  die  Venetianer  im  Funl'/.ehnten  Jahrhundert  errichteten 
und  im  siebzehnten  unterhielten.  Von  den  Entwürfen  zu  einem  Durch- 
stich, der  nie  ein  Gedanke  des  griechischen  Volkes,  sondern  nur 
fremder  Machthaber  gewesen  ist,  ist  nur  der  des  Nero  zu  einem  An- 
fange der  Ausführung  gebracht,  doch  auch  als  unmöglich  aufgegeben. 
Die  Griechen  haben  sich  einen  Theil  der  bezweckten  Verkehrserleich- 
terung auf  einfachere  \^'eise,  durch  den  Diolkos  verschatTt,  eine 
künstliche  Bahn,  auf  welcher  kleinere  Schilfe  von  einem  Meerbusen 
zum  andern  gerollt  wurden*).  Dieser  Gang  der  Dinge  erinnert  daran, 
dafs  auch  zu  unserer  Zeit  die  beiden  grofsen  Projecte  des  Dnrchgra- 
bens  der  Landengen  von  Suez  und  von  Panama  in  die  bescheidenere 
Anlage  von  Verbindungs -Eisenbahnen  ausgegangen  sind.  Sollte  eine 
solche  nicht  auch  noch  dem  korinihischen  Isthmos  zu  Theil  werden, 
wenn  das  neue  Griechenland  zu  kräftigerer  Entwicklung  gelangte? 

Die  von  den  Gebirgen  Mittelgriechenlands  unabhängige  Gestal- 
tung des  peloponnesischen  Gebirgssystems  mit  seinem  arkadischen 
Hochland,  an  welches  die  offenen  Küstenländer  sich  anlehnen,  wird 
S.  16 — 23  in  klaren  Zügen  ausgeführt.  Wir  sehn  von  dem  Stamme  des 
in  seiner  innern  Manigfaltigkeit  entwickelten  Binnenlandes  die  reich- 
geformten Halbinseln  an  den  Höhenzügen  sich  hinauserstrecken.  Wäh- 
rend einerseits  nachgewiesen  ist,  wie  sich  in  der  Gliederung  des  Pe- 
loponnesos  dasselbe  Gesetz  wiederholt,  welches  von  Makedonien  her 
in  der  Bildung  der  griechischen  Landform  zu  beobachten  ist:  die  über- 
wiegend günstigere  Gestaltung  der  östlichen  Seite  der  westlichen  ge- 
genüber, sowohl  in  den  Hochebenen  Arkadiens,  als  in  der  hafenreichen 
Küstenlandschaft;  werden  andererseits  alle  Vorzüge  der  fast  insulari- 
schen  Lage  ins  Licht  gesetzt,  durch  welche  der  Peloponnes  schon  in 
der  Ansicht  der  Alten  zum  Vorrang  vor  ganz  Griechenland  berufen 
schien.  Wenn  die  nähere  Betrachtung  der  einzelnen  Verzweigungen 
der  Gebirgszüge  mit  Recht  der  Darstellung  der  besonderen  Landschaf- 
ten überlafsen  ist,  so  glauben  wir,  dafs  zur  Erleichterung  des  Ge- 
sammtüberblicks  und  des  zusammenhängenden  Verständnisses  der  spä- 
tem Detailschilderungen  eine  allgemeine  Skizzierung  des  ganzen  pelo- 
ponnesischen Flufs Systems  erwünscht  gewesen  wäre.  Wir  linden 
die  einzelnen  Flüfse,  wo  sie  an  ihrem  Orte  uns  weiterhin  vorgeführt 
werden,  nicht  durch  ein  Gesammtbild,  wie  es  uns  von  den  Gebirgen 


*)  Das  nähere  über  den  Diolkos,  so  wie  über  die  Spuren  des  Ne- 
ronischen Grabens  und  die  Befestigungen  ist  Th,  II  S.  546  und  54? 
ausgeführt. 


296  E.  Curtiiis:  Peloponnesos. 

entworfen  ist  und  welches  für  alle  folgenden  Ausführungen  eine  feste 
Grundlage  gewährt,  zusammengehalten. 

Aus  dem  lehrreichen  Abschnitt  über  die  Naturgeschichte 
der  Hall)  in  sei,  der  vorzüglich  iiire  geognoslische  Beschaffenheit 
behandelt,  heben  wir  besonders  die  sorgfältige  Beschreibung  der  ver- 
schiedenen Thalbildungen  hervor,  S.  35 — 39.  Die  merkwürdigsten  der- 
selben sind  jene  dem  östlichen  Arkadien  vornehmlich  eigenlhümlichen 
Gebirgsbecken ,  die,  auf  allen  Seiten  von  Kalkrücken  umgürtet,  den 
einströmenden  Gewäfsern  einen  Behälter  gewähren,  bis  diese  bei 
wachsender  Fülle  sich  durch  das  zerklüftete  Kalkgestein  unterirdische 
Abflüfse  bahnen.  Diese  Durchbrüche,  zaxaßo&Qui  bei  den  Neugrie- 
chen ,  den  yaö^iata  der  Alten  entsprechend ,  meistens  im  felsigen  Fufs 
der  Randgebirge,  liegen  im  Sommer  oft  trocken,  so  dafs  die  grofsen 
Höhlen  als  Behausungen  der  Herden  oder  als  Schlupfwinkel  der  Füchse 
und  Ciiakals  dienen*).  Die  den  Katabothren  entsprechenden  Ausmün- 
dungen sind  nur  in  seltnen  Fällen  sicher  zu  erkennen;  aber  von  meh- 
reren peloponnesischen  Flüfsen  ist  es  wahrscheinlich ,  dafs  ihre  Quel- 
len aus  der  Tiefe  solcher  Bergspalten  ihre  Nahrung  ziehen.  Der  Ver- 
folg der  Beschreibung  der  einzelnen  Landschaften  führt  uns  diese  merk- 
würdige Naturerscheinung  in  anschaulichen  Beispielen  vor:  am  Thal 
von  Pheneos  S.  186,  von  Stymphalos  S.  201,  von  Mantinea  S.  235, 
im  Quellgebiet  des  Alpheios,  das  im  Laufe  der  Zeit  eine  wesentliche 
Veränderung  erlitten  hat,  S.  249  und  a.  a.  0. — Den  Bodenveränderun- 
gen gegenüber,  welche  die  Kraft  der  Gewäfser  in  reichem  Mafse  im 
Peloponnesos  bewirkt  hat,  sind  sodann  alle  Spuren  und  Thatsachen 
gesammelt,  welche  auf  uralte  Werkstätten  vulcanischer  Kräfte  hin- 
deuten, S.  40 — 48.  Hat  Morea  auch  weder  thätige  noch  erloschene 
Vulcane  aufzuweisen,  so  ist  doch  die  regelmäfsige  Gestalt  des  Bodens 
an  manchen  Orten  durch  Steinarten  unterbrochen,  deren  Emporhe- 
bung nur  vulcanischen  Kräften  zugeschrieben  werden  kann.  In  der 
Reihe  der  hierher  gehörigen  Thafsachen  stehen  die  verheerenden  Erd- 
beben in  erster  Reihe,  deren  Schauplatz  vor  allem  die  Küste  Achajas 
und  deren  furchtbarste  Wirkung  der  Untergang  von  Helike  und  Bura 
im  Jahre  373  gewesen  ist.  Daher  ist  die  Verehrung  des  Erderschüt- 
terers  Poseidon  im  ganzen  Peloponnesos,  und  vorzugsweise  auf  dem 
Isthmos ,  der  achajischen  Küste  und  der  vulcanischen  Insel  Kalauria 
heimisch;  wie  andererseits  die  Bedeutung  des  argivischen  Poseidon 
Prosklystios  (vgl.  II  S.  359)  gewis  mit  Recht  darauf  bezogen  wird, 
dafs  die  Wellen  des  Meergotles  selbst  daran  arbeiten,  die  Felsküste 
mit  Uferland  zu  umsäumen.  Die  nähere  Nachweisung  dieser  Erschei- 
nung an  manchen  Orten  und  vorzugsweise  an  der  westlichen  Küste 
wird  S.  48  und  49  gegeben.  Lehrreiche  Bemerkungen  über  die  klima- 
tischen Verhältnisse  des  Landes ,  unter  denen  der  mächtigen  Wirkung 
des  Wechsels  der  Jahreszeiten,  den  von  atmosphaerischen  Gründen  un- 


*)  Die   ähnlichen  Erscheinungen    am    kopaischeu  See  hat  F'orch- 
hammer  Hell.  S.   166  flF.  anschaulich  be.schrieben. 


E.  Cuiiins:  Peloponnesos.  297 

abhängigen  Quellen,  der  Verscliiedenlicif  der  Lage  und  des  Bodens 
ihre  hohe  \^  ichligkeit  für  die  Arbeit  und  Wohnung  der  Menschen  mit 
schöner  Frische  und  Ansciiaiilichkeil  (S.  50 — 53)  zugewiesen  wird, 
schliefsen  diese  allgemeine  iNalurbeschreibung  der  Halbinsel ,  über 
deren  Geschichte  der  folgende  Abschnitt  in  grofsen  Zügen  einen 
klaren  Ueberblick  gewährt,  S.  60 — 108.  Diese  historische  Darstellung 
bildet  von  der  Aufzeichnung  der  frühesten  Slammcssagcn  über  die  Ur- 
bevölkerung des  Peloponnesos,  durch  das  heroische  Zeilalter  und  die 
Zeiten  der  Entwicklung,  des  Glanzes  und  des  Verfalles  des  politi- 
schen Lebens  im  Allerlhum,  wie  der  Zerstörungen  und  Umwandlungen 
durch  östliche  und  westliche  Barbaren  im  Mittitlalter  und  die  folgen- 
den Jahrhunderte  hindurch ,  bis  auf  die  Neugestaltung  eines  griechi- 
schen Staates  in  nnsern  Tagen  ein  so  trefflich  in  sich  abgerundetes 
Ganzes,  dafs  es  schwer  wird,  Einzelheiten  daraus  hervorzuheben. 
Wir  erfreuen  uns  eben  so  sehr  an  der  Umsicht  und  Besonneidieit,  mit 
welcher  die  ethnographischen  und  heroisclien  Sagen  der  frühesten 
Zeiten  behandelt  und  gewürdigt  sind,  gleich  fern  von  frivoler  Gering- 
schätzung wie  von  einseitigem  Dogmatismus,  wie  an  der  sichern 
und  reichen  Kunde,  die  uns  die  leitenden  und  entscheidenden  3Io- 
mente  der  alten,  mittlem  und  neuern  Geschichte  mit  gleicher  Klarheit 
hervorzuheben  und  zu  charakterisieren  weifs.  Wie  dieser  Abschnitt 
die  schönste  Grundlage  zu  einer  auszuführenden  Geschichte  des  Pelo- 
ponnesos bietet,  so  eignet  er  sich  noch  mehr  und  in  einem  Mafse,  wie 
mir  das  von  keinem  Stücke  in  unserer  historischen  Litteratur  bekannt 
ist,  für  den  Lehrer  dazu,  um  nach  der  Mittheilung  einer  Geschichte 
Griechenlands  in  ihren  einzelnen  Theilen  —  denn  die  engern  Grenzen 
des  Peloponnesos  stehn  doch  überall  mit  dem  ganzen  Hellas  im  eng- 
sten Zusammenhang  —  den  Schülern  noch  einmal  ein  lebeusfrisches 
Gesammtbild  dieser  ewig  denkwürdigen  Geschichte  des  unvergleich- 
lichen Volkes  vorzuführen.  Berührt  dasselbe  Ereignisse  der  mittlem 
und  neuern  Zeit,  auf  welche  die  Schule  weniger  eingehen  konnte,  so 
ist  die  Ergänzung  um  so  willkommener,  und  wirkt  mit  heilsamer  An- 
regung auf  die  jugendlichen  Gemüther.  Ich  darf  mich  bei  diesem 
Zeugnis  über  einen  mir  vorzüglich  liehen  Theil  des  Buches  auf  eigne 
Erfahrung  berufen. 

Indem  wir  es  uns  absichtlich  versagen,  ein  einzelnes  Stück  die- 
ser schönen  Darstellung  aus  dem  Zusammenhange  zu  reifsen,  möch- 
ten wir  doch  an  dieser  Stelle  die  klar  ausgesprochene  Ansicht  des 
Verfafsers  über  die  in  neuerer  Zeit  heftig  bestrittene  Frage  von  der 
Nationalität  der  heutigen  Griechen  mit  seinen  eignen  AVorten  wieder- 
holen,  weil  die  auffallende  W^eise,  wie  der  geistreiche  Urheber  der 
Hypothese  von  der  völligen  Vernichtung  des  hellenischen  Volksstamms 
in  Griechenland  durch  die  eingedrungenen  Barbaren,  gleich  nach  dem 
Erscheinen  des  ersten  Bandes  des  Peloponnesos,  denselben  als  ein 
glänzendes  Zeugnis  für  seine  Theorie  in  einem  viel  gelesenen  Blatte 
begrüfst  hat,  manche,  die  das  Werk  selbst  nicht  eingesehen  haben, 
irre  geleitet  haben  möchte.    Curlius  spricht  sich  nach  der  Erwähnung 


298  E.  Curlius  :  Peloponnesoä. 

des  Einströmens  slavischer  Massen  in  die  Halbinsel  im  achten  Jalii'- 
hundert  S.  87  so  aus:  ^Solchen  wohlbeg-laubigten  Thatsachen  gegen- 
über ist  es  unmöglich,  sich  noch  der  Vorstellung  hinzugeben,  welche 
eine  Zeitlang  wegen  völliger  Unkenntnis  des  griechischen  Mittelalters 
verbreitet  war,  als  seien  die  Neupeloponnesier  reine  Abkömmlinge  der 
alten  Dorier  und  Achaeer.  Dagegen  würde  auch  ohne  jene  Ueber- 
lieferungen  die  grofse  Zahl  slavischer  Ortsnamen  aeugen.  Fallme- 
rayer  hat  das  Verdienst,  das  irrige  jener  Ansicht  zuerst  klar  an  das 
Licht  gestellt  zu  haben.  Die  ganze  Untersuchung  über  diesen  Gegen- 
stand ist  aber  mit  einer  Leidenschafllichkeit  geführt  worden,  welche 
ihren  Erfolg  trüben  und  hemmen  muste.  Es  handelt  sich  hier  nicht  um 
ein  Ja  oder  Nein,  sondern  die  Aufgabe  ist,  das  Mals  und  die  Grenze 
zu  linden,  wie  weit  die  hellenische  Bevölkerung  mit  barbarischen 
Elementen  versetzt  worden  ist.  Die  Mischungsverhältnisse  zu  erken- 
nen,  genügen  aber  die  erhaltenen  Nachrichten  nicht,  und  wir  müfsen 
zufrieden  sein,  wenn  wir  die  wesentlichen  Resultate  des  3Iischungs- 
processes  feststellen  können.  —  Der  Peloponnes  ist  von  jeher  dazu 
bestimmt  gewesen,  zusammengedrängte  Stämme  verschiedener  Art  in 
sich  aufzunehmen  und  aufzubewahren.  Eine  massenhafte  Auswanderung 
der  Griechen  ist  hier  nicht  anzunehmen;  es  müste  also  ihr  ganzer 
Stamm  durch  Pest,  Hunger  und  Schwert  vom  Erdboden  vertilgt  wor- 
den sein,  wenn  jener  Lehrsatz  von  der  vollständigen  Slavisierung  der 
Halbinsel  ^^'ahrheit  haben  sollte.  Eine  so  unerweisliche  That- 
saclie  wird  man  nach  oberflächlichen  Aeufserungen  by- 
zantinischer Historiker,  welche  mit  den  Innern  Ver- 
bal t  n  i  s  s  e  n  d  e  r  H  a  1  b  i  n  s  e  1  i  n  einem  unglaublichen  Grade 
unbekannt  waren,  nicht  annehmen  könne n.'  Man  sieht ,  wie 
weit  der  Verf.  entfernt  ist,  sich  zu  jener  Fallmerayerschen  Lehre  zu 
bekennen,  und  wird  mit  erhöhtem  Interesse  die  weitere  Begründung 
seiner  eignen  Ansicht  verfolgen ,  die  auf  einer  wahrhaft  historischen 
Forschung  und  Anschauung  beruht.  Lehrreich  und  anziehend  ist  na- 
mentlich die  nach  verschiedenen  Gesichtspunkten  entworfene  Zusam- 
menstellung derjenigen  griechischen  Namen ,  welche  in  der  Halbinsel 
die  Zeiten  der  Barbarei  überdauert  haben,  und  deren  Vorhandensein 
sich  unmöglich  begreifen  läfst,  ohne  einen  ununterbrochenen  Fortbe- 
stand hellenischer  Bevölkerung  als  des  lebendigen  Trägers  dieser  Na- 
men anzuerkennen. 

Wenden  wir  uns  mit  dem  Verfafser  von  dem  allgemeinen 
Theil  e  seiner  Arbeit  zu  der  Beschreibung  der  einzelnen  Land- 
schaften, so  müfsen  wir  uns  bei  dem  ungemeinen  Reichthum  des 
Stoffes  die  Grenze  setzen,  dafs  wir  über  den  Geist  und  die  Methode 
der  Darstellung  einige  allgemeine  Bemerkungen  vorausschicken,  und 
aus  der  Fülle  des  besondern  einige  Punkte  hervorheben ,  die  unserm 
persönlichen  Standpunkte,  dem  des  Schulmannes,  näher  liegen.  C, 
nimmt  in  seiner  Periegese  der  peloponnesischen  Landschaften  in  zwie- 
facher Hinsicht  den  umgekehrten  Weg  wie  Pausanias:  dieser  umwan- 
dert zuerst  die  Küstenlandschaften,  um  zuletzt  in  Arkadien  einzukeh- 


E.  Curtiiis:  Peloponnesos.  299 

ren;  C.  nimmt  seinen  Ausgangspunkt  in  Arkadien  und  wendet  sicli 
von  dort  aus  den  Küsten  zu;  Pausanias  geht  vom  Norden  an  der  Ost- 
küste  durch  Lakonika  und  Mcssenien  zu  der  ^^'cstküsle  von  Elis  und 
Achaja  über,  C.  beschreibt  von  den  Küstengebieten  Achaja  und  Elis 
zuerst,  und  wendet  sich  durch  Messcnien  und  Lakonika  nach  Argolis, 
um  in  Korinth,  von  mo  P.  beginnt,  seine  \N'andcrung  zu  bcschlicfscn. 
^^'enn  dieser  letzte  Unterschied  der  Heihenfolge  für  die  Darstellung 
von  geringem  EinlluTs  ist,  so  gewährt  dagegen  die  Zugrundelegung  Ar- 
kadiens der  neuern  Beschreibung  den  grofscn  Vorzug,  dafs  in  der 
klaren  Zeichnung  dieses  Kern-  und  Jlittellandes  zugleich  das  Gerüst 
der  ganzen  Halbinsel  hingestellt  ist,  an  welches  alle  übrigen  Land- 
schaften sich  anlehnen.  In  anderer  Hinsicht  schliefst  C.  sich  dem  Bei- 
spiele seines  alten  Vorgängers  an:  wie  dieser,  läfst  er  der  genauen 
Beschreibung  der  einzelnen  Theile  einen  geographisch -historischen 
Ueberblick  über  das  Ganze  einer  jeden  einzelnen  Landschaft  vorauf- 
gehn.  Was  wir  vorhin  von  der  vorbereitenden  Uebersicht  über  die 
ganze  Halbinsel  rühmten,  gilt  auch  von  diesen  speciellen  Einleitungen: 
sie  sind  von  einem  frischen  Lebenshauch  durchdrungen,  der  aus  der 
Vereinigung  sittlicher  und  wifsenschaftlicher  Theilnahme  an  dem  Ge- 
genstande hervorgeht  und  ein  gleiches  Interesse  in  dem  Leser  leben- 
dig erhält.  Immer  aufs  neue,  aber  immer  von  einem  neuen  Gesichts- 
punkte aus  gehn  vor  unserm  Blicke  die  ruhmvollen  und  die  traurigen 
Schicksale  des  griechischen  Volks  vorüber:  mit  der  im  voraus  gewon- 
nenen Kenntnis  und  Vertrautheit  mit  der  Geschichte  der  einzelnen 
Stämme  betreten  wir  dann  ihre  Wohnsitze  und  den  Schauplatz  ihrer 
Thaten  und  Leiden,  und  werden  dadurch  in  die  Bedeutung  der  einzel- 
nen Oertlichkeiten  tiefer  hineingeführt.  Die  Detailbeschreibung  folgt 
den  Strafsen,  welche  meistens  vom  Alterthum  her  noch  jetzt  im  Ge- 
brauch sind,  an  den  durch  geschichtliche  Erinnerung  oder  durch  Reste 
von  Denkmälern  ausgezeichneten  Orten  verweilend,  und  bedient  sich 
an  den  Hauptpunkten,  um  vollständig  zu  berichten,  der  W^eise,  wel- 
che auch  Pausanias  anwendet,  die  verschiedenen  von  dort  auslaufen- 
den Wege  bis  zu  ihrem  nächsten  Ziele  zu  verfolgen,  und  durch  jedes- 
malige Bückkehr  an  den  Ausgangspunkt  zuletzt  den  ganzen  Kreis  der 
Umgegend  zu  umschreiben.  Dafs  bei  der  grofsen  Fülle  und  Manigfal- 
tigkeit  der  durch  Natur  und  menschlichen  Anbau  charakterisierten  Lo- 
calitäten  von  dem  Leser  eine  geschärfte  Aufmerksamkeit  gefordert 
wird,  um  das  entworfene  Bild  mit  klaren  Zügen  in  sich  aufzunehmen, 
sagt  sich  von  selbst:  aber  nie  bleibt  das  Bemühen  einer  treuen  Nach- 
folge auf  dem  Wege,  den  uns  der  Verf.  führt,  ohne  lohnende  Frucht. 
Nur  sehr  selten  hat  es  für  uns  den  Anschein  gehabt,  als  ob  die  ver- 
traute Bekanntschaft  mit  einer  Oertlichkeit,  Avelche  ihm  selbst  die 
eigne  Anschauung  gewährt  hatte,  oder  mit  geschichtlichen  That- 
sachen,  in  deren  vollständigem  Zusammenhang  er  sich  durch  frische 
Studien  befand,  ihn  auch  bei  dem  Leser  Voraussetzungen  hat  machen 
lafsen  ,  auf  die  er  vielleicht  nicht  rechnen  durfte.  Als  Beispiel  minder 
anschaulicher  Schilderung  aus  dem  zuerst  angeführten  Grunde  hatte  ich 


300  E.  Ciirtius:  Peloponnesos. 

bei  der  Leclüre  mir  eiiiig-e  Stellen  aus  dem  Absclinitte  vom  miltlern 
Alplieiosthale  IS.  353  angemerkt.  Mehr  Ansfiilirnng-  in  der  Er- 
zählung oder  in  dem  Nachweis  angezogener  Stellen  alter  Autoren 
wünschte  ich  z.  B.  1  S.  315,  wo  die  Schlacht  bei  Dipaea  als  ein  allge- 
mein bekanntes  Ereignis  erwähnt  wird,  ohne  dafs  darüber  in  den  An- 
merkungen Auskunft  gegeben  wird,  gewis  ungenügend  für  viele  Leser, 
wie  für  den  Ref.,  dem  darüber  nur  die  wenig  Licht  gebenden  Stellen 
Herod.lX,  34  und  Paus.  VIII, 8, 6  erinnerlich  sind;  S.  325,  wo  das  räth- 
selhafte  Ereignis  der  Verpflanzung  des  Apollokolosses  aus  dem  Tem- 
pel zu  Bassai  nach  Megalopolis  als  bekannt  vorausgesetzt  wird,  oder 
II  S.  24  ff.,  wo  der  Bericht  über  die  verwickelten  Verhältnisse  der 
Eleer  nnd  Pisaeer  für  eine  erste  Darlegung  wohl  nicht  klar  genug  ist. 
I  S.  238  wird  man  mit  Benutzung  der  Karte  aus  dem  Zusammenhang 
errathen,  dafs  der  Name  des  Hügels,  an  dem  die  älteste  Stadt  Manti- 
nea  lag,  und  der  immer  den  Namen  der  Altstadt  behielt,  Ptolis  war: 
es  hätte  mit  einem  Worte  ausgesprochen  sein  sollen.  In  den  ange- 
führten Ortsnamen  w  ird  überhaupt  dem  Leser  bisweilen  der  Zweifel 
entgegentreten,  ob  er  es  mit  den  neuern  oder  mit  den  altern  Benen- 
nungen zu  thun  hat.  Der  Verf.  bedient  sich  bei  der  Geläufigkeit,  mit 
welcher  sie  ihm  beide  vertraut  sind,  mitunter  in  derselben  Beschrei- 
bung der  einen  wie  der  andern ,  was  bei  minder  genauer  Kunde  un- 
sicher machen  kann.  So  ist  es  z.  B.  auffallend,  dafs  I  S.  153,  wo  in  dem 
Eingang  zu  der  trefflichen  Beschreibung  von  Arkadien  die  vier  Gipfel- 
und  Eckpunkte  der  Grenzgebirge  hingestellt  werden,  neben  dem  Kyl- 
lene,  Parnon  nnd  Kotylion  im  Nordwesten  der  Olenos  genannt  wird, 
da  wir  S.  384  belehrt  werden,  dafs  jener  Gebirgsknoten  an  der 
Grenze  von  Achaja  ^der  Olonos  der  Neuern  ist,  mit  dem  alten  Ge- 
sammtnamen  Erymanthos,  das  Jagdgebirge  der  Artemis.''  Dafs  diese 
letztere  Schreibung  die  richtigere  und  an  der  ersten  Stelle  Olenos 
verschrieben  ist,  schliefse  ich  aus  S.  420  Anm.  3,  wo  es  heifst:  '  Ery- 
manthos, jetzt  iQAoi'og  genannt  mit  einem  gewis  uralten  griechischen 
Namen';  obgleich  doch  auch  wieder  S.  428  bei  der  Erwähnung  der 
achajischen  Stadt  Olenos  erwähnt  wird:  dafs  sich  dieser  Name  in  der 
heutigen  Benennung  von  Flufs  und  Gebirge  erhalten  habe.  Vielleicht 
schwankt  die  heutige  Schreibung  zwischen  beiden  Formen.  Allein 
wir  sind  weit  entfernt  auf  so  unbedeutende  Anmerkungen,  zu  denen 
selten  genug  ein  Anlafs  sich  findet,  einiges  Gewicht  zu  legen.  Der 
Verf.  selbst  gewöhnt  den  Leser  an  schärfere  Beobachtung  dieser  Art,  da 
er  selbst  gerade  die  Ortsnamen,  eine  so  wichtige  Quelle  uralter  Kunde, 
mit  eingehender  und  erfolgreicher  Sorgfalt  behandelt.  Auf  eine  ganze 
Reihe  von  Oertlichkeiten  ist  durch  genauere  Beachtung  ihrer  altern 
oder  neuern  Bezeichnungen  ein  erwünschtes  Licht  gefallen.  So  w  ird  die 
Lage  und  das  Verhältnis  der  beiden  Berge  Oryxis  und  Skialhis  im 
Pheneosthale  (I  S.  187)  durch  die  Beziehung  der  Namen  auf  das  oQvy- 
l-ia'HQayAeovg  und  auf  das  "^  schattige  ^^'aldgebirge'  (wovon  jetzt  noch 
ein  nahes  Dorf  Skotini  heifst,  vergl.  S.  210  Anm.  3)  gegen  die  frühere 
Annahme  bestimmt.    So  ergibt  sich  für  die  Namen  des  Flufses  Aroa- 


E.  Curtins:  Pcloponnesos.  301 

nios  (S.  194),  der  Ortsdiall  Karyac  und  des  Schlang-enberses  Se- 
pia (S.  199),  des  uralten  Orchonienos  (S.  228  Aiiin.  1),  von  Melliy- 
drion  (S.  3-H  Auiu.  20)  ,  Bassae  (S.  324)  und  vielen  andern  Punkten 
aus  der  Vergleiciuing-  der  Gej^cnd  selbst  ein  neues  Verständnis.  Ge- 
rade für  die  ältesten  Zeilen  liegt  oft  im  Namen  ein  lelirreielier  Wink, 
>vo  die  Aufl'afsung'  wie  die  Bezeichnung-  des  cliarakteristisclien  ein  Be- 
dürl'nis  des  jugendliclien  Volksgeistes  war ,  während  die  Benennungen, 
welche  die  spätem  gaben,  oft  färb-  und  bedeutungslos  sind.  'Denn  in 
demselben  Älafse,  wie  ein  Land  an  Cultur  und  historischer  Bedeutung 
verliert,'  bemerkt  C.  S.  89  '^verarmt  sein  A'amenvorratii,  und  statt  der 
allgriechisehen  Polyonymie ,  wie  sie  z.  B.  Attika  im  höchsten  Grade 
auszeichnete,  wiederholen  sich  Bezeichnungen  der  allgemeinsten  Art, 
wie  Potamion,  Akrotirion,  Bunon  u.  s.  w.,  welche  nun  ein  bestimmtes 
Flüfschen,  Gebirge  und  Vorgebirge  bezeichnen.'  Von  welcher  Wich- 
tigkeit die  sorgfällige  Beobachtung  der  Namen  für  ethnographische  Be- 
stimmungen sein  kann,  ist  dem  Verf.  natürlich  nicht  entgangen.  Wie  er 
davon  an  der  eben  angeführten  Stelle  eine  umfafsende  Anwendung  für 
die  Unterscheidung  slavischer  und  hellenischer  Elemente  der  Bevöl- 
kerung des  Pcloponnesos  im  3Iittelalter  macht,  so  bietet  sie  einen  bis- 
her wenig  benutzten  Leitfaden  zur  Entdeckung  der  frühesten  phoe- 
niki  sehen  Niederlafsungen  in  Griechenland,  wie  an  andern  Küsten 
des  3Iittelmeeres.  C.  hat  auf  diesen  für  die  Culturgcschichte  so  aufser- 
ordentlich  wichtigen  Zusammenhang,  der  erst  jetzt  mit  der  nothwen- 
digen  Umsicht  und  Nüchternheit  erforscht  wird,  namentlich  an  der 
Küste  von  Elis  (S.  10  und  95  Anm.  10)  und  bei  der  Beschreibung  von 
Nauplia ,  wo  noch  gegenwärtig  die  Festung  Palamidi  den  Namen  des 
Heros  altphoenikischer  Cultur  trägt,  (II  S.  390  ff.)  hingewiesen,  womit 
sein  Aufsatz  '  Phoenizier  in  Argos'  im  Rhein.  Museum  VII  (1850)  S. 
455  ff.  zu  vergleichen  ist,  und  kurzlich  hat  Olshausen  im  Rhein.  Mus. 
VIII  (1852)  S.  321  ff.  die  schätzbarsten  Beiträge  zur  weitern  Verfol- 
gung dieser  Untersuchungen  gegeben,  besonders  in  der  Nachweisung 
der  alten  Cultusstätten  des  phoenikischen  Herakles  *)  und  der  Aphro- 
dite. Dafs  auch  die  Landspitze  Pheia  an  der  Küste  von  Elis  der 
altphoenikische  Name  für  Ecke  ist,  wie  der  Flufs  lardanes  mit  dem 
Jordan  übereinstimmt,  wird  auch  C.  zur  Bestätigung  seiner  Ansicht 
mit  Interesse  wahrgenommen  haben. 

Doch  wir  verweilen  scbon  zu  lange  bei  einem  Geg^enstaiide,  der 
für  uns  etwas  besonders  anziehendes  hat:  allerdings  sind  wir  über- 
zeugt ,  dafs  von  einer  gründlichen  und  umfafsenden  Behandlung  der 
Ortsnamen,  wie  von  der  richtigen  Deutung  der  Localmythen  noch  man- 
cher Aufschlufs  über  dunkle  Partien  der  ältesten  Geschichte  zu  erwar- 
ten ist.    Auch  in  dieser  letztern  Hinsicht  zeicbnet  sich  Curtius'  Werk 


*)  Curtius  hat  in  seiner  kürzlich  erschienenen  Abhandlung:  'He- 
rakles der  Satyr  und  Dreifufsräuber '  S.  ]  l  ebenfalls  auf  Spuren  des 
phoenikischen  Herakles  im  Peloponnes,  in  Pheneos  und  Boia,  auf- 
merksam gemacht. 


302  E.  Curtius  :  Peloponnesos. 

durch  eine  ebenso  geistvolle  wie  besonnene  Auffafsiing  und  Ausle- 
gung aus.  Es  ist  erfreulich  zu  sehn,  wie  der  von  For  ch  lia  m  ni  er 
vor  16  Jahren  gegebene  Anstofs  zu  einem  lebensvollen  Verständnis 
der  physischen  Mythologie,  dessen  grofses  Verdienst  niemals  um  der 
auf  der  Hand  liegenden  Einseitigkeiten  willen  verkannt  werden 
darf,  hier  zu  den  schönsten  und  sichersten  Resultaten  geführt  hat. 
Gewis  ein  vorzüglich  bleibender  Eindruck ,  den  jeder  Leser  von  der 
Beschauung  des  reichen  und  manigfalligeu  Gesammtbildes  des  Pelo- 
ponnesos in  sich  aufnehmen  wird,  wird  der  des  Staunens  sein  über 
die  ungeheure  Fülle  von  Cultusstätten  in  allen  Landschaften  und  an 
jedem,  auch  dem  geringfügigsten  Wohnplatz  der  Menschen.  Dieses 
tiefe  und  überall  hin  verbreitete  Bedürfnis,  die  Anerkennung  eines 
hohem  \N'altens  in  der  Natur  und  im  Menschenleben  auszusprechen, 
erregt  eben  so  sehr  durch  die  unerschöpiliche  Fruchtbarkeit  der  sagen- 
gestaltenden Phantasie,  wie  durch  die  unzähligen  Werke  der  bildenden 
und  bauenden  Kunst,  welche  eben  so  viele  Denkmäler  der  Verehrung 
höherer  31ächte  sind,  unsere  höchste  Bewunderung.  Gelänge  es  über- 
all, den  wahren  Sinn  der  noch  auf  uns  gekommenen  Ueberlieferungen 
zu  deuten,  welch  eine  klare  Einsicht  in  das  ursprüngliche  Geistes- 
leben des  hellenischen  Volkes  wäre  uns  da  eröffnet  I  Dafs  dies  un- 
möglich ist,  liegt  theils  an  dem  lückenhaften  unserer  Kunde,  Iheils  an 
der  Vermischung  der  Sagen  verschiedenen  Stammes  und  Ursprungs, 
vor  allem  auch  daran,  dafs  ein  viel  gröfserer  Zeitraum,  als  die  Alten 
selbst  anzunehmen  geneigt  waren ,  zwischen  der  ersten  Bildung  der 
Mythen  und  unsern  frühesten  Nachrichten  von  denselben  verllofsen  ist. 
Unter  allen  Mitteln,  die  sich  uns  darbieten,  das  oft  verschüttete  Ver- 
ständnis der  alten  Mythologie  aufzudecken  und  zu  erneuern,  ist  offen- 
bar das  sicherste,  wenn  es  mit  gesundem  Blick  und  wahrhaftigem  Sinne 
angewandt  wird,  die  treue  Beobachtung  der  natürlichen  BeschalTenheit 
des  Bodens,  auf  welchem  die  Sagen  entsprofsen  undichten:  die  Zeugen, 
welche  hier  aus  dem  grausten  Alterlhum  Kunde  bringen,  sind  unver- 
gänglich und  untrüglich.  Curtius  hat  an  vielen  Orten  ihre  Stimmen  wohl 
zu  vernehmen  und  auszulegen  verstanden,  ^^'ir  weisen  hier  nur,  um  ein- 
zelnes aus  vielem  hervorzuheben,  auf  die  Deutung  der  Sage  von  der  Rhea 
hin,  die  mit  ihrem  Stabe  die  erste  arkadische  Quelle  crschlofs  (S.  157); 
von  den  alt-arkadischen  Heroen  Apheidas  und  Elatos,  die  die  Fruchtbar- 
keit des  Landes,  wovon  die  weitere  Ausführung  S.  251  gegeben  wird,  und 
die  Tannenwälder  am  Kyllene  symbolisch  bezeichnen  (S.162);  von  den 
Entwäfserungsarbeiten  des  Herakles  (S.  186  ff.) ;  von  den  alten  Landes- 
sagen von  Tegea  (S.  260),  von  Pheneos  (S.  388),  von  den  Gewäfsern 
Achajas  (S.  405)  und  von  dem  Versiegen  des  Baches  Bolina,  das 
durch  die  Flucht  der  Nymphe  vor  der  Liebe  Apollons  dargestellt 
wird  (S.  447)  u.  dergl.  ni.  Wie  hier  und  an  vielen  ähnlichen  Stellen 
der  Grund  der  Sagen  in  den  natürlichen  Eigenschaften  des  Landes  er- 
kannt wird,  so  werden  anderswo  nicht  minder  treffend  die  frühesten 
Schicksale  der  Volksstämme,  die  nach  einer  allen  Völkern  gemein- 
samen Ausdrucksweise  der  Sagendichtung  als  Persönlichkeiten  darge- 


E.  Curliiis:  Pelopoimosos.  803 

stellt  sind,  aus  dieser  Vcrliiilliiiiff  ans  Lidil  j?czogeii.  l>elirreiclie  Bei- 
spiele hiervon  bietet  die  BelKiiuilmig  der  arkadisciien  Slaiiiinessag-en 
1  S.  159  IT.,  der  acliaeisclieii  S.  412,  der  eleischeii  II  S.  12.  37.  47,  der 
messenische»  S.  123  lY.,  der  argivischen  S.  343  IT.  Es  sind  dies  Ein- 
zelheiten,  auf  die  wir  hindeuten ;  aber  diese  Einzellieilen  bezeichnen 
in  vorzüglichem  Mafse  den  Geist,  in  welchem  die  Darstellung-  des  Gan- 
zen bearbeitet  ist.  Aus  dieser  selbst  besondere  Theile  hervorzuheben, 
ist  bei  der  innern  Geschlofsenheit  des  Zusammenhangs  nicht  leicht. 
Wir  beschränken  uns  darauf,  um  eine  Uebersicht  des  reichen  Inhalts 
zu  geben,  den  Weg,  den  der  Verf.  uns  führt,  nachzuweisen. 

Nach  der  charakteristischen  Zeichnung  der  Gebirgsnatur  des  ar  ■ 
kadi  sehen  Landes   wird  auf  dem   dunkeln  Hintergründe   der   von 
den  Arkadern  vor  allen  griechischen  Stämmen  gellend  gemachten  Au- 
tochthonie  der  Unterschied  einer  altern  pelasgischen   und  einer  Jün- 
gern eigentlich  arkadischen  Bevölkerung   aus  mythischen   und  histori- 
schen Zeugnissen  trefflich  dargelegt,  ihre  früheste  Geschichte  und  die 
noch  in  späterer  Zeit  gesondert  zu   erkennenden  Wohnsitze  erläutert 
und  geschieden.     Natürliche  und  klimatische  Verhältnisse  begründen 
den  Mangel  einer  höhern   politischen  Entwicklung  des  Volkes;  aber 
um  so  lebendiger  war  in  iiinen,  wie  in  allen  Bergvölkern,  die  Liebe 
zur  Freiheit  und  Unabhängigkeit,  welche  sie  vor  der  Unterjochung 
der  Dorier  schützt.     Die  spätem  Zustände  der  einzelnen  arkadischen 
Staaten  haben   besonders  das  lehrreiche  und  merkwürdige,  dafs   wir 
die   verschiedenen   Entwicklungsstufen,    welche    die  meisten   Staaten 
Griechenlands   nacheinander   durchgemacht  haben ,  hier  nebeneinander 
bestehn   sehn:    ländliche    Kantone    mit  gleichberechtigten   freien   Ge- 
meinden,   andere  Ortschaften,    die    sich    freiwillig  um    einen  Vorort 
verbunden,   und  vorhersehende   Städte,  die   sich   durch  frühe  Ueber- 
macht  die  Herschaft  über  ihr  Umland  erzwungen  haben.     Spartas  Po- 
litik schützte  die  Autonomie  der  schwächern  gegen  die  stärkern,  wie 
die  österreichische  in  der  Schweiz  und  die  französische  in  Deutsch- 
land.   Nach   der  Demüthigung  Spartas  durch  Theben   ergriffen   daher 
die  Arkader  eine  nationale  Politik,    welche  wenigstens   für   den  süd- 
westlichen Theil  des  Landes  einen  Mittelpunkt  und  eine  Centralgewalt 
in  Megalopolis  schuf;  daneben  bestanden  andere  Gebiete  in  ihrer  Abson- 
derung fort.  Dauernder  Segen  hat  auf  der  neuen  Schöpfung  nicht  geruht. 
Die  Wanderung  durch  das  östliche,  verschlofsene  Arkadien 
führt  uns  durch  die  Thäler   von  Pheneos ,  Stymphalos,  Alea ,  Orcho- 
nienos ,  Kaphyae ,  Mantinea,  Tegea   und  Asea.     In  allen  ist  die  Lage 
uralter  Ortschaften  durch  die  in  wechselnder  Fülle  die  Niederung  fül- 
lende Wafsermasse  und   ihren  Zu-  und  Abflufs   bedingt;  sow^ohl   das 
eigenthümliche   dieser  Naturerscheinung,  wie    die   Spuren   der   alten 
Stadtanlagen  sind  sorgfältig  beschrieben.    Besonders  anziehend  ist  die 
Schilderung  der  wilden  Gebirgsgegend  bei  Nonakris,  westlich  von  Phe- 
neos, wo  das   durch  ein   Labyrinth   von   Felsblöcken   herabstürzende 
Gewäfser  noch  freu  die  homerische  Beschreibung  des  Styxfalles  vor 
Augen  stellt  (S.  195).    In  der  Gegend  des  alten  Stymphalos  entspricht 


304  E.  Curtius:  Peloponnesos. 

die  dort  länger  als  anderswo  harschende  nafskalte  Luft  genau  den  Be- 
merkungen des  Aristoteles  über  Nordarkadien,  dafs  die  A>  inde  dort 
zwar  nicht  käller  seien  als  im  übrigen  Griechenland ,  w  ohl  aber  die 
windstillen,  wolkigen  Tage,  und  erklärt  die  Sage  von  den  menschen- 
frefsenden  styniphalischen  Raubvögeln,  S.203.  Im  Gebiet  von  ürchome- 
nos  finden  Begebenheiten  des  peloponnesischen,  wie  der  makedonischen 
Kriege  (S.  220.  221)  ihre  Erläuterung.  Das  südlichste  Glied  in  der 
Kette  der  geschlofsenen  Bergthäler  Arkadiens,  jetzt  die  Hochebene 
von  Tripolitza,  hat  in  seinen  beiden  durch  einen  schmalen  Höhenzug 
getrennten  Hälften,  den  Landschaften  von  Mantinea  und  Tegea ,  eine 
grofse  historische  Bedeutung.  Die  Lage  und  die  Ueberreste  der  er- 
stem Stadt,  deren  Ringmauer  mit  Ausnahme  unbedeutender  Lücken 
noch  in  ihrem  ganzen  Umfange  erhalten  ist,  sind  mit  der  Sorgfalt  be- 
schrieben, zu  Avelcher  die  hier  besonders  günstigen  Umstände  auf- 
forderten. Die  zum  Theil  noch  wohl  erhaltenen  Stadtthore  zeigen  ein 
lehrreiches  Beispiel  der  Befestigungskunst  aus  der  Zeit  dos  Epaminon- 
das.  Die  genauere  Darstellung  der  Umgegend  von  Mantinea  bietet 
wichtige  Anhaltspunkte  für  das  Verständnis  der  drei  gröfsern  Schlach- 
ten dar,  welche  aufser  zwei  minder  bedeutenden  TrelTen  auf  diesem 
Felde  in  den  Jahren  418,  362  und  206  geliefert  sind,  und  für  ihre  Be- 
schreibung bei  Thukydides,  Xenophon  und  Polybios  (S.  241).  Auch 
Tegea,  das  in  uralter  Zeit  seinen  Culten  und  Sagen  die  weiteste  Gel- 
tung und  Ausdehnung  zu  verschaffen  gewust  hat,  und  später  vor  allem 
ein  Bollwerk  Arkadiens  gegen  spartanische  Eroberungsgelüste  gewe- 
sen ist,  hat  noch,  obschon  minder  deutliche  Erinnerungen  an  seine 
alte  Bedeutung  aufzuweisen  (S.  253  ff.).  In  einem  versteckten  Neben- 
thale  der  Tegeatis  ist  durch  französische  Officiere  erst  neuerlich  die 
Stätte  von  Pallantion  entdeckt,  an  welches  die  römische  Sage  den 
Ursprung  des  palatinischen  Roms  anknüpfte  (S.  263). 

Von  dem  südöstlichen  Winkel  der  Landschaft  folgen  wir  dem 
Laufe  des  Alpheios  aufwärts  und  betreten  die  denkwürdige  Gegend, 
wo  der  späte  Aufschwung  des  arkadischen  Nalionalgefühls  in  Mega- 
lopolis  *)  eine  neue  Hauptstadt  gründete.  Mit  gröfsfer  Genauigkeit  ist 
die  Geschichte  und  die  Gestaltung  der  Anlage  dieser  jüngsten  Stadt 
auf  hellenischem  Boden  ausgeführt,  S.  281 — 289. 

Unter  den  von  hier  ausgehenden  Strafsen  führt  uns  die  westliche 
zu  den  ältesten  Niederlafsungen  des  parrhasischen  Stammes  am  Ly- 
kaion,  an  die  Stätte  von  Lykosura  und  seinen  alt-pelasgischen  Heilig- 
thümern,  deren  Umgebungen  zu  einer  sehr  sorgfältigen  Untersuchung 
über  die  parrhasischen  Stammsitze  veranlafsen,  und,  nach  einem  Ab- 


*)  Wenn  C.  S.  281  und  332  Anm.  1  bemerkt,  dafs  die  echte  grie- 
chische Namensform  Megalepolis  sei,  so  würde  diese  doch  so  nicht  als 
Compositum  lauten  können.  Wahrscheinlich  hat  wohl  das  Bedürf- 
nis der  Zusammenziehung  zu  einem  Worte  früh  von  ixsyalr]  TtoXi-q  auf 
MfyaloTrolig  übergeführt. 


K.  Ciirliiis:  Pctoponncsos.  ,^0.") 

sfeclier  nordwärts  nacl»  Molliydriori  und  in  das  maenalische  Ilociiland, 
in  das  tiet'gefiirclilc  Thal  der  Neda,  in  den  atil'scrslen  südwestlichen 
Winkel  von  Arkadien,  der  sich  zwischen  Tripliylien  und  Elis  ein- 
schiebt, zu  den  Ueberresten  von  Bassae  und  l'higalia*),  in  dessen 
Nähe  die  durch  ihre  Erhaltung  nicht  minder  als  durch  die  Grofsartig- 
keit  ihrer  Lage  ausgezeichnete  liuine  des  grol'sen  Apollotenipels  seit 
Stackeibergs  Entdeckung  und  Millhoiliing  darüber  die  Freunde  des 
AUerlhums  und  der  Kunst  in  hohem  Grade  anzieht.  Nach  der  genauen 
Beschreibung  und  Betrachtung  derselben  (S.  3"i7  11.)  wenden  wir  uns 
nördlich  zu  dem  mittlem  Alpbeioslhalc  und  seinen  Nebenllüfsen,  und 
durchwandern  die  Gebiete  der  allen  Städte  Gortys,  Ali[)heira,  lle- 
raia  **)  an  der  Grenze  von  Elis  bis  zu  den  nördlichen  Landschaften 
von  Psophis,  Kleitor  und  der  Kynaitheer,  die  allein  unter  allen  Arka- 
dern ihre  Wohnsitze  jenseits  der  natürlichen  Grenzen  des  Landes 
hatten.  Auch  in  diesen  von  geschichtliclier  Kunde  minder  erhellten 
Gegenden  sind  die  natürliche  Gestaltung  des  Bodens  und  die  oft 
schwachen  Spuren  menschlicher  Bewohnuug  mit  der  lebendigen  An- 
schaulichkeit geschildert,  welche  der  eigne  Anblick  des  theilneh- 
menden  Forschers  gewährt. 

Von  den  mächtigen  Grenzgebirgen  des  Aroanios  und  Erymanthos 
steigen  wir  in  die  Küstenlandschaft  von  Achaja  herab.  Der  geogra- 
phische und  historische  Ueberblick  wird  von  S.  403 — 419  gegeben. 
Sollen  wir  einzelnes  aus  dem  nicht  wohl  zu  zerstückenden  Bilde  her- 
vorheben, so  machen  wir  auf  die  lehrreichen  Bemerkungen  über  den 
regelmäfsigen  Wechsel  des  Windzugs  im  Golf  (mit  Bezug  auf  Tiiukyd. 
II,  öi),  über  den  Mangel  an  guten  Hafenplätzen  trotz  der  ausgedehnten 
Küste,  über  die  grofse  Fruchtbarkeit  des  Küstenlandes,  aber  auch  der 
hoch  hinauf  dem  Anbau  sich  öffnenden  Gebirgsabhänge  aufmerksam. 
Die  politische  Veränderung,  welche  das  Land  durch  den  üebcrgang  von 
der  ionischen  ßundesverfafsung  der  zwölf  Staatsgemeinden,  die 
sich  um  den  nationalen  und  religiösen  Mittelpunkt  von  Helike  verein- 
ten, zu  dem  minder  gescblofsenen  achaeische  n  Bunde  durchmachte, 
in  welchem  zwar  die  einzelnen  Städte  durch  Synoikismos  an  Gröfse 
und  Bedeutung  gewannen,  aber  als  gleichberechtigte  kleine  Staaten 
nebeneinander  standen,  ist  in  klaren  Zügen  gezeichnet,  und  daraus  die 


♦)  Der  Wechsel  der  Namensform  zwischen  ^lyccXicc  und  ^lali'a 
(S.  343  Anm.  27)  findet  in  der  richtigen  Ableitung  des  homerischen 
aiyuXösig  von  Gialoq  eine  alte  Analogie. 

*♦)  Die  Gründe,  weshalb  C.  (S.  346  Anm.  37)  die  Stelle  im  Diodor 
XV,  40  nicht  mit  Böckh  auf  dieses  bekannte  Heraea  beziehn  will, 
scheinen  nicht  genügend:  xcoqiov  wird  doch  nicht  selten  von  grölsern 
namentlich  befestigten  Orten  gebraucht,  und  oxvqov  (nicht  ^(ivfivöv,  wie 
der  Verf.  irthünilich  schreibt)  wird  vorzugsweise,  wie  unser  halt- 
bar, von  künstlicher,  nicht  natürlicher  Festigkeit  zu  verstehn  sein. 
Am  ersten  liefse  sich  ein  Zweifei  gegen  das  bekannte  Heraea  aus  dem 
befremdenden  Zusatz  xrjv  kuIov (isvrjv  Hqcciuv  hernehmen. 

iV.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Bd.  LXVII.  Hß.  .'!.  20 


506  E.  Ciirliiis:  Pcloponncgos. 

spätere ,  meist  neutrale   Stellung  der  Acliaeer  und  ihre  Scliicksale 
treftlich  erklärt,  S.  412  ff.*) 

Das  zwischen  den  beiden  Hauptthälern  Achajas  vortretende  Pai(- 
achaikon  trennt,  wie  den  Meerbusen,  so  das  Land  in  ein  inneres  und 
äul'seres.  Dieser  Theilung  folgt  die  Beschreibung,  welche  in  West- 
Ach  a  ja  die  drei  Kästenstädte  Dyme.,  das  alt-epeische  Oienos  und  das 
bis  in  die  neuste  Zeit  in  grofser  Bedeutung  bestehende  Patrai,  und  die 
Biunenstädte  Pharai,  Tritaia  und  Leontion  umfafst.  Aus  vielen  be- 
lehrenden Nachrichten  über  diese  Gegenden  wollen  wir  eine  inter- 
essante Notiz  miltheilen,  welche  mit  einem  oben  berührten  Punkte  in 
Verbindung  steht.  '^Ein  Zweig  der  Industrie  war  für  Patrai  von  beson- 
derer Bedeutung ,  nemlich  die  Verarbeitung  der  in  Elis  wachsenden 
B  ysso  s  p  fl  a  nze  zu  Haarnetzen  und  feinen  Gewändern.  Man  hat 
dabei  in  neuerer  Zeit  wieder  an  Leinwand  gedacht,  und  doch  drängt 
die  bestimmte  Unterscheidung,  welclie  Pausanias  zwischen  Hanf,  Flachs 
und  Byssos  macht,  fast  mit  Nothwendigkeit  zu  der  Annahme,  dafs 
Byssos  Baumwolle  sei.  Für  die  Baumwollenmanufactur  war  aber 
die  phoeuizische  Insel  Melite  der  wichtigste  Punkt  im  Mittelmeer,  und 
ich  vernuithe,  dafs  auch  in  Patrai  es  die  Phoenizier  gewesen  sind, 
welche  diesen  Industriezweig  begründet  haben.  Dann  erülTnet  sich 
auch  ein  neues  Verständnis  für  die  Nachricht  des  Pausanias  von  der 
übergrofsen  Zahl  der  Frauen  in  Patrai ,  von  denen  die  meisten  in  den 
Fabriken  beschäftigt  würden  und  der  Aphrodite  vorzugsweise  erge- 
ben wären.  Dies  ist  nicht  blofs  das  Zeugnis  eines  Sittenverderbnisses, 
wie  es  sich  überall  in  volkreichen  See- und  Fabrikslädten  einschleicht, 
sondern  es  ist  die  sichere  Spur  des  von  den  Phoeniziern  eingeführten 
Cultus  der  Mylitta ,  dessen  Unsitte  zugleich  mit  dem  phoenizischen 
Gewerbszweige  fortdauerte.' 

In  Ost-Achaja  folgen  längs  der  Küste  die  Städte  Rhypes,  Ai- 
gion,  Helike,  Bura ,  Aigai,  Aigeira  ,  und  am  äufsersten  Flügel  der 
Beihe  landeinwärts  Pellene.  Rhypes,  die  Mulfersfadt  von  Kroton, 
schwindet  früh  aus  der  Geschichte;  Helike,  die  alte  ionische  Bundes- 
stadt und  auch  von  den  Achaeern  als  Ilauptort  betrachtet,  und  Bura 
sind  von  dem  Erdbeben  des  Jahres  373  verschlungen.  Darnach  wurde 
Aigion ,  an  dessen  Stelle  jetzt  das  ansehnliche  Bostitza  liegt,  mit  sei- 
nen heiligen  Stätten  eines  uralten  Zeusdienstes  und  dem  benachbarten 
Homarion,  dem  Versammlungsorte  der  Eidgenofsen,  der  nationale 
Mittelpunkt  der  Achaeer  und  blieb  es  bis  in  die  Zeiten  des  achaeischen 
Bundes.  Dagegen  war  Pellene  immer  ein  loseres  Glied  der  achaeischen 
Eidgenofsenschaft;  es  stand  iui  peloponnesischen  Kriege  wie  im 
boeotischen  mit  voller  Entschiedenheit  auf  der  Seite  der  Lakedaemo- 
nier.  —    Die  verwandten    Namen    von  Aigion,  Aigai,  Aigeira  (dem 


*)  Sehr  richtig  sind  bei  dieser  Gelegenheit  die  Bedenken,  welche 
man  in  den  Stellen  bei  Tliukjd.  T,  115  und  IV,  21  gegen  die  Erwäh- 
nung von  'Axccta  neben  einzelnen  Küstenpunkten  haben  konnte,  be- 
seitigt. 


E.  Curliiis:  Pi'lopomiosos.  807 

Fiomerisclien  Ilypcresia)  dniten  ofrciibar  auf  eine  gemeinsame  Wurzel, 
die  wir  in  dein  alten  Landisnamen  Aigialtia  wiederlinden,  und  docli 
wohl  lieber  (mit  Forclihainnier  Hell.  S.  2.^)  von  dan  vorwärts  stiirzen- 
den,  brandenden  Wellen,  als  mit  den  Sag-en  der  Allen  von  einer  Geis- 
burg oder  Ziegensla<lt  (S.  476  und  488  Anm.  6)  erklären  werden. 

Elis,  das  Vorland  West-Arkadiens,  eine  naeh  aul'sen  unsicher 
begrenzte  und  schvvacli  vertheidigle  Landschart,  bildet  auch  im  Innern 
kein  geschlol'senes  Ganzes;  aber  die  anerkannte  Heiligkeit  seines  Bo- 
dens als  des  Tempellandes  des  olympiseiicn  Zeus  und  beschworne 
Verträge  ersetzen  ihm  in  der  Zeit  des  geordneten  hellenisclien  Staats- 
lebens die  natiirlielien  und  politischen  Scliutzwehren.  Natürliche  wie 
geschichtliche  Ursachen  begründen  die  Einlheiiung  in  die  drei  Theile; 
das  nördliche  oder  eigentliche  Elis,  die  Pisalis  bis  an  den  Alpheios 
und  Triphylien  bis  zur  Neda.  Die  historische  Einleitung  berichtet  über 
das  Zusammentretren  des  einheimischen  Stammes  der  arkadischen  Pe- 
lasger  mit  andern  seewärts  eingezogenen  Völkern ,  sow  ohi  den  Phoe- 
nikern,  welche  gerade  an  dieser  Küste  lange  einen  lebhaften  Verkehr 
unterhielten,  wie  mit  den  zu  den  Leiegern  gehörigen  Epeern,  welche 
die  Herschaft  des  Landes  gewannen  und  in  dem  von  der  Ilias  be- 
zeichneten vierfach  getheilten  Reiche,  dem  angrenzenden  pylischen 
Reiche  meistens  feindselig  gegenüberstehend ,  besafsen,  bis  die  mit 
den  Doriern  eindringenden  Aetoler  des  üxylos  eine  durchgreifende 
Neugestaltung  bewirkten.  Aus  der  Vermischung  der  neuen  und  alten 
Bewohner  gehen  zwei  verwandte  junge  Staaten,  Elis  und  Pisa,  hervor, 
in  einem  Bundes  Verhältnis  zueinander,  dessen  Mittelpunkt  der  olym- 
pische Zeustempel  wird.  Neben  ihnen  gründen  die  aus  Lakonien  ver- 
drängten 3Iinyer  zwischen  Alpheios  und  Neda  den  dritten  Staat  mit 
sechs  festen  Städten,  und  behaupten  die  südliche  Grenze  gegen  die 
niessenischen  Dorier.  Der  nördliche  Staat,  der  Ilauptsitz  des  aetoli- 
schen  Adels,  gewinnt  zwar  das  Uebergewicht  über  die  andern,  aber 
die  Verfeindung  der  Eleer  mit  Sparta,  gleich  nach  dem  Frieden  des 
Nikias,  führt  zu  unaufhörlichen  Schwankungen  der  Territorialverhält- 
nisse, und  nach  der  Aufnahme  Triphyliens  als  selbständigen  Staats  in 
den  achaeischen  Bund  ,  w  ährend  die  Eleer  sich  zu  dem  aetolisclieu 
hielten,  zu  inneren  Kämpfen,  welche  die  Kräfte  des  Landes  erschöpf- 
ten, während  die  Heiligkeit  Olympias  ihm  noch  lange  einen  Glan?; 
erhielt. 

In  Nord -Elis,  das  wieder  in  das  Tiefland  des  untern  Peneios, 
die  koiXt]  'Hhg  der  Alten,  das  Hochland  an  seinen  Quellen  und  ein 
mittleres  Plateauland  zwischen  beiden  —  diese  letztern  als  axQcoQsia 
im  Alterthum  zusammengefafst  —  zerfällt,  werden  M'ir  zuerst  in  die 
Geschichte  und  Lage  der  Hauptstadt  Elis,  der  Königsstadt  des  Oxylos, 
die  indes  nie  regelmäfsig  ummauert  gewesen  zu  sein  scheint,  einge- 
führt; sodann  wird  die  wahre  Lage  der  Hafenstadt  Kyllene  (to  Hkec- 
(ov  imvciov)^  das  alle  neuern  Reiaeiideii  an  den  Ort  des  jetzigen  Gla- 
renza  verlegen,  mit  grofser  Wahrscheinlichkeit  ungefähr  in  der  Mitte 
der  nach  ihr  benannten  Bucht  zw  ischen  Araxos  und  Chelonatas  nachge- 

20* 


308  E.  Ciirlius:  Poloponnesos. 

wiesen.  Indem  so  allein  Strabons  Angabe,  dafs  der  Peneios  zwiscliori 
dem  Vorgebirge  Cbelonatas  und  Kyllene  münde,  erklärlicb  wird,  be- 
gründet C.  seine  Anffafsnng  dieser  Stelle  Slrabons  wie  der  Boden- 
verbältnisse  näber  durch  die  Vermutbung,  dafs  der  Peneios,  der  ge- 
genwärtig durcb  den  Flufs  von  Gastuni  westlich  abfliefst,  einst  auch 
in  der  kylleniscben  Bucht  eine  Ausmündung  gehabt  hat,  welche  zur 
Entwäfserung  der  Ebene  durch  Gräben  gefördert  wurde,  jetzt  aber  durch 
lange  Vernachläfsigung  zugeschwemmt  ist.  Uebrigens  sind  alle  Spu- 
ren des  alten  Hafenplatzes  im  Dünensand  verschwunden.  Neben  klei- 
nern Ortschaften  ist  noch  das  nord-elische  Pylos,  die  einzige  wirklich 
nachweisbare  Stadt  dieses  Namens  an  der  peloponnesischen  Westkü- 
ste, da  wo  der  Ladon,  den  Strabon  für  den  homerischen  Seileeis 
hielt,  in  den  Peneios  fällt,  von  gröfserer  Bedeutung. 

In  der  Pisatis,  dem  Mündungslande  des  Alpheios*),  ist  die 
uralte  Stadt,  von  der  sie  den  Namen  führt,  und  welche  lange  neben 
Elis  als  Mittelpunkt  eines  gleichberechtigten  Bundesstaats,  wie  C.  ver- 
muthet,  von  den  Orestiden  gegründet,  bestand,  um  die  50.  Olympiade 
völlig  zerstört  und  unterworfen.  An  ihrer  Stelle  erhob  sich  das  hel- 
lenische Nationalheiligthum  von  Olympia  zu  um  so  gröfserem  Glänze  und 
Ruhme.  Der  Schilderung  der  Ebene  in  dem  Winkel  zw  ischen  dem  Al- 
pheios und  Kladeos,  des  heiligen  Raumes  der  Altis,  seines  Inhaltes 
und  seiner  Umgebungen,  der  Feier  der  Spiele  selbst,  und  der  Restaura- 
tion des  Zeustempels  mit  all  seinem  Schmuck  im  Innern  und  Aeufsern 
widmet  C.  einen  eignen,  trefflich  ausgeführten  Abschnitt,  der,  vor 
einem  .lahre  mit  geringen  Abweichungen  als  besondere  Vorlesung  ge- 
druckt, vielleicht  manchem  unserer  Leser  bekanntgeworden  sein  wird, 
aber  hier  in  seinem  Zusammenhange  mit  dem  Ganzen  nur  noch  einen  le- 
bendigem Eindruck  macht.  Möchten  die  Wünsche,  welche  er  am 
Schlufs  ausspricht,  dafs  mit  Kraft  angegrifl'ene  und  mit  Ausdauer  fort- 
gesetzte Nachgrabungen  an  dieser  Stelle  noch  viele  Denkmäler  des 
Altcrthums  ans  Licht  bringen  werden,  —  er  selbst  nennt  sie  in  der 
Ueberschrift  von  II  S.  71  fromme  Wünsche;  doch  nur  im  wahren  und 
besten  Sinne  des  Worts  -—  bald  in  Erfüllung  gehn! 

T  ri  phylien  ,  dessen  älteste  Bewohner  den  arkadischen  Pelas- 
gern  verwandt  waren,  erhielt  seine  geschichtliche  Bedeutung  durch 
die  Gründung  des  pylischen  Küstenstaates  durch  die  Einwanderung 
thessalischer  Hellenen.  Alles  was  wir  über  diesen  Staat  wifsen  be- 
schränkt sich  auf  die  Reihe  pylischer  Ortsnamen  im  homerischen 
SchilTskatalog,  unter  denen  aber  nur  0qvov ,  AXcpsioTo  noQog,  nach 
dieser  Angabe  bestimmt  zu  localisieren  ist.  Nach  der  Besetzung  des 
Landes  durch  die  Minyer    entstehn  sechs   neue  Stadtburgen,  welche 


*)  Die  Bewegungen  der  attischen  Flotte  an  dieser  Küste  im  J.  431 
(Thukyd.  IT,  25)  werden  IIS.  45  durch  eine  genaue  Beschreibung  der 
Küste  und  die  Unterscheidung  eines  Landungsplatzes  bei  dem  befe- 
stigten Pheia  und  des  an  der  nördlichen  Seite  der  Landzunge  gele- 
genen Hafens  erläutert. 


E.  Ciirlius :  Pclopoiiiicsos.  'U)9 

idureli  den  gcnieiiisaineH  Cullus  des  Poseidon  verbunden  worden,  von 
denen  Lepreon  und  IVlakiston  die  anseluiliciisleu  sind.  Der  l'cslesle 
Punkt  der  Landschaft,  auf  dem  g^eji^en  lausend  Fiils  hohen  Vorgehjige 
genau  in  der  Mille  zwischen  den  Mündunn-en  des  Alj)heios  und  der 
Neda  gelegen,  nahe  dem  Küslenpass  von  KaialFa,  auf  welchem  die  wohl- 
ei'halteiien  Uuiiien  einer  alten  hellenischen  Festung:  stehn,  war  Sa- 
mikon ,  d.  h.  Hochburg,  iTttidtj  ödfiovg  ixakow  xu  v^i^x]. 

Zwischen  Samikon  und  Lepreon  setzt  Strabon  nach  den  Zeug- 
nissen der  besten  Kenner  Homers,  wie  er  sagt,  das  Nestorische  Py- 
los.  Ohne  die  Existenz  eines  triphylischen  Pylos  nach  Strabons  aus- 
drücklicher Angabe  leugnen  zu  wollen,  entscheidet  sich  C.  indes  aus 
überwiegenden  Gründen  für  das  messenische  Pylos  als  den  Herscher- 
sitz der  Neliden  *).  Er  vermulhet,  dafs  die  Pylier  später  durch  die 
Dorier  gedrängt  sich  nordwärts  zurückzogen  und  sich  dort  mit  ihrem 
alten  Stadtnamen  nicderliofsen. 

In  dem  hügligen  Vorlande  des  am  Alpheios  sich  hinziehenden 
Gebirges  weist  der  Verf.  den  Lauf  des  Baches  Selinus  (S.  91  Z.  \  lies 
der  alte  Selinus  statt  das  a.  S.)  nach,  in  dessen  anmulliigem 
Thale  Skillus  versteckt  lag,  wo  die  Lakedaemonier  dem  verbannten 
Xenophon  einen  ländlichen  Wohnsitz  anwiesen.  '  Er  hatte  allen  Grund 
mit  seinem  Landsitze  zufrieden  zu  sein;'  bemerkt  C.  ^  der  klare,  an 
Fischen  und  Muscheln  reiche  Sclinusbach,  die  anmuthigcn  Hügel  voll 
Wald  und  Wild,  die  ländliche  Einsamkeit  und  zugleich  die  Nähe  von 
Olympia  vereinigten  sich,  um  Skillus  zu  einem  w  ünschenswerthen 
Aufenthalte  zu  machen,  namenllich  wenn  man  wie  Xenophon  zwi- 
schen Waidwerk  und  \^  ifsenschaft  seine  Zeit  Iheilte.' 

M  essen  ien  ,  das  von  der  Natur  am  reichsten  ausgestattete  Land 
der  Halbinsel  —  denn  der  Pamisos,  der  wafserreiehste  Flufs  des  Pe- 
loponnes,  hat  ihm  durch  sein  Anschwemmungsland  den  ergiebigsten 
Saaiboden  bereitet  —  hat  die  dürftigste  und  unglücklichste  Geschichte 
durchlebt.  Der  früheste  Staat  von  pelasgischer  Urbevölkerung  geht  in 
einem  Reiche  unter  aeolischen  Geschlechtern  zu  Messene  und  dem  pyli- 
sehen  Küstenstaate  unter  den  Neljden  unter;  diese  beiden  aber  unter- 
lagen, wenn  auch  durch  friedliche  Uebereinkunft,  den  einziehenden 
Doriern,  und  Ijelen  dem  Kresphonles  zum  Loosc  zu  ,  der  die  I^andschaft 
in  fünf  Theilen  beherschte.  Doch  unter  den  mildern  Westabhängen  des 
Taygetos  verweichlichte  der  dorische  Charakter  in  demselben  Grade, 
wie  er  am  jenseitigen  Abhang  einer  grofsartigern  und  rauhern  Naiur 
gegenüber  in  Krieg  und  Jagdleben  erstarkte.  Daher  das  Uebcrgewicht 
der  Spartaner,  als  Neid  und  Eifersucht  sie  zum  Kampf  gegen  das  ver- 
wandte Nachbarvolk  reizte.  Schon  nach  dem  ersten  Kriege  wurde  La- 
konien  mit  Messenien  vereinigt;  es  wurde  durch  Zerstörung  der  festen 
Plätze  wehrlos  gemacht,  aber  die  Wohnungen  und  Pflanzungen  schonte 
man.    Die  Einwohner  musten  als  Pcrioeken  vom  Ertrag  ihrer  Felder 


*)  Was    auch   Niebuhr.s   Ueberzengung   war;    s.    dessen    Vorträge 
über  alte  Länder-  und  Völkerkunde  S.  89. 


310  E.  Curtiiis:  Peloponnesos. 

die  Hälfte  abgeben.  Nach  dem  zweiten  Kriege  wurde  ihr  Loos  viel 
härter:  die  Kiistenbewohner  wanderten  in  Masse  aus;  die  Landleute 
aber  im  ßiiinenlande  verfielen  dem  Heiotenstande,  dessen  Lage  durch 
jeden  nachfolgenden  Empörungsversuch,  wie  die  der  Irländer  unter 
ähnlichen  Umständen,  nur  immer  versclilimmert  wurde.  ^SowarMes- 
senicn  während  der  ganzen  Zeit  des  kräftigsten  hellenischen  Staaten- 
lebens oline  Selbständigkeit,  ohne  alle  Theilnahme  an  der  gemeinsamen 
(ieschichte,  unter  dem  harten  Joche  grausamer  Feinde,  das  unglück- 
lichste, vernachläfsigtste  und  menschenleerste  Land  der  sonst  so  blü- 
henden Halbiusel,  bis  es  gegen  das  Ende  der  hellenischen  Geschichte, 
wiederum  unter  fremder  Ein\virkung,  zu  erneuter  Selbständigkeit  be- 
rufen wurde.'  Doch  ruhte  das  Leben  des  neuen  messenischen  Staats 
nicht  auf  der  gesunden  Grundlage  eines  auf  seinem  eignen  Boden  er- 
starkten Volkes,  und  es  wurde  in  die  traurigen  Geschicke  der  übri- 
gen sich  untereinander  aufreibenden  griechischen  Stämme  hineinge- 
zogen. 'Dennoch  gehören  fast  alle  Denkmäler,  welche  es  hinterlafseu 
hat,  in  die  Zeit  der  Wiederherstellung  durch  Epaminondas;  Denkmäler, 
welche  durch  die  Grofsartigkeit  ihrer  Anlage  und  ihre  treffliche  Erhal- 
tung den  Wanderer  in  Erstaunen  setzen.' 

Nach  jenem  dreigelheilten  Lauf  des  Pamisos ,  welchen  uns  Forch- 
bammer  in  seiner  Beschreibung  der  Ebene  von  Troja  so  anschaulich 
geschildert  hat,  zerfällt  3Iessene,  abgesehn  von  der  westlichen  Akte, 
dem  Khiou,  in  die  obere  Binuenehene  von  Stenyklaros  und  die  untere 
i^lündungsebene  des  Flufses.  Dieser  von  der  Natur  gebotenen  Einthei- 
lung  folgt  die  Wanderung  unsers  Verfafsers,  auf  Melcher  vor  allem 
zwei  iiislorisch  wichtige  Puukte  uusere  Aufmerksamkeit  auf  sich  zichn: 
Ithome  und  Pylos.  '^Wenn  man  von  der  Tempelhöhe  des  Kotilion  in 
die  messenische  Ebene  hinabsieht,  wenn  sich  auf  der  Strafse  der  3Ia- 
kriplagi  der  Blick  nach  Süden  ölfnet,  wenn  aus  dem  ionischen  oder 
aus  dem  kretischen  Meere  das  Schill  in  den  messenischen  Busen  ein- 
lenkt, überall  ist  es  der  steile,  breit  abgeschnittene  I  tho  m  egipfel, 
welcher  dem  Reisenden  zuerst  entgegentritt,  das  Hörn  und  Wahrzei- 
chen des  Landes.'  Auf  dieser  ragenden  Höhe,  deren  Eindruck  noch 
die  wirkliche  Höhe  (2497  Par.  Fufs)  überbietet,  concentrierte  sich  im 
ersten  messenischen  Kriege  der  heldeumüthige  \Mderstand  des  be- 
drängten Volkes :  die  alte  pelasgische  Niederlafsung  wurde  erweitert, 
um  alle  freien  Gemeinden  der  Messenier  aufzunehmen.  Allein  auch  die 
höchste  Anstrengung  erlag  der  Beharrlichkeit  der  übermächtigen  Geg- 
ner. Obgleich  die  Spartaner  die  Festungsmauern  bis  auf  den  Grund 
niederrifsen,  wählten  die  Heloten  in  ihrem  letzten  Verzweiflungskanipf 
(461)  die  verlafsene  Ithome  wieder  zum  Mittelpunkt  ihrer  Vertheidi- 
gung,  und  zogen  von  dort  im  zehnten  Jahre  des  ungebrochenen 
Widerstandes  in  eine  andere  Heimat,  die  die  Athener  ihnen  in  Nau- 
paktos  boten.  Und  als  nacii  86  Jahren  E|)aminondas  schöpferisches 
Wort  einen  freien  messeiiischen  Staat  ins  Leben  rief,  wurde  der  alte 
Millelpuukt  des  Freiheitskampfes  zum  Sammelplatz  der  weit  verstreu- 
len  Messenier  und  zur  kuuldgen  Hauptstadt  bestimmt.     So  erhob  sich 


E.  Curlius:  Peloponiiesos.  311 

am  FuFse  der  Itlioino-IIölieii  Messene,  die  erste  Stadl,  diu  diesea 
Nuineii  getragen  hat.  Welclie  Erinnerungen  knüpfen  sieh  an  ihre 
iiiiinen,  welche  C.  mit  eingehender  Sorgfalt  l)esehreibt,  wie  sie  in 
arciiiteklonischer  Ilinsichl  die  gröfsle  Merkwürdigkeil  i)ietenl  Auf  der 
südweslliihen  Halbinsel  von  Messenicn  ziehn  gegenwärtig  die  zu  bei- 
den Seiten  vortretenden  festen  Punkte  von  Koron  (nach  Curtius  an  der 
Stelle  des  alten  Asine),  auf  welclies  der  Name  des  alten  Korone,  des 
homerischen  Aipeia,  das  höher  hinauf  am  messenischen  Busen  lag, 
übergegangen  ist,  und  Modon,  das  alle  Mcithone,  die  Aufmerksamkeit 
am  meisten  auf  sich;  aber  für  die  geschichtliche  Erinnerung  ist  von 
ungleich  gröfserer  Bedentnng  die  Küstengegend,  die  sich  vom  nörd- 
lichen Ende  des  Bergrückens  hinaufzieht,  auf  dessen  Südspilzc  Modon 
gebaut  ist.  Indem  dieses  schmale  Küslcngebirge  an  zwei  Stellen  vom 
Meere  durchbrochen  ist,  ist  die  Insel  Sphakteria  enistandcn;  da  wo 
an  der  Südseile  der  Eingang  zu  der  hinter  der  Insel  sich  ausdeiineiiden 
Meeresbucht  führt,  liegt  auf  dem  Fcsllande  das  Slädtciicn  Navarin 
oder  Neökastro;  oberhalb  der  nördlichen  Einfahrt  aber  ragt  das  Vor- 
gebirge hervor,  das,  jetzt  unbewohnt  und  tou  den  Nachbarn  Alt-Na- 
varin  oder  Faleokastro  genannt,  im  Mittelalter  die  venetianische  Burg 
Zonchio,  aber  einst  das  Neslorische  Pylos  trug.  Es  genügt  die  Er- 
innerungen, welche  diese  Namen  wecken,  an  sich  vorübergehn  zu 
lafsen  —  Homers  unsterbliches  Lied  von  Telemachos  Fahrten,  Thu- 
Uydides  nicht  minder  anschaulichen  Bericht  von  der  Besetzung  von  Pylos 
nach  üemosthenes  klugem  Plane  bis  zur  Gefangennaiime  der  Miinner 
auf  der  Insel,  ein  Avarenrcich  an  dieser  selben  Stelle  vom  6.  Jalir- 
hundert  an,  dessen  Andenken  im  Namen  Navarin  erhalten  ist,  und 
die  grofse  Floltenschlacht  vom  20.  Oct.  1827,  durch  welche  die  HolV- 
nung  auf  Griechenlands  '^^'iedergeburt  neubelebt  wurde  — ,  um  dem 
Verf.  in  seiner  genauen  Schilderung  dieser  Gegend  mit  hohem  Inter- 
esse zu  folgen. 

Noch  bleiben  uns  auf  dem  Wege,  den  C.  uns  führt,  die  beideij 
Landschaften  der  Halbinsel  zu  betrachten  übrig,  welche  an  geschicht- 
licher Bedeutung  allen  andern  voranstehn  und  recht  eigentlich  den  An- 
tlicil  des  Peloponnesos  an  dem  politischen  Leben  Griechenlands  be- 
stimmen: Lakedaimon  und  Argolis.  Doch  es  ist  nicht  unsere  Ab- 
sicht, den  überaus  reichen  Inhalt  dieser  beiden  Abschnitte,  mit  denen 
das  Werk  des  Verf.  würdig  absehliefst,  auch  nur  einigermafsen  durch 
Uebersichten  und  Auszüge  zu  erschöpfen.  Nirgends  ist  der  innige  Zusam- 
menhang zwischen  der  natürlichen  Beschaffenheit  und  der  Geschichte 
des  Landes  schärfer  ins  Auge  gefafst  und  klarer  nachgewiesen ,  als  in 
den  Ausführungen  dieser  wichtigen  Capilel,  dem  Schauplatz  der  Ent- 
wicklung eines  der  wichtigsten  Theile  des  griechischen  Lebens.  *)  Es 


*)  Wir  machen  u.  a.  darauf  aufmerksam,  welches  Licht  für  die 
früheste  Anordnung  des  dorischen  Staats  in  Lakedaimon  durch  die  vor- 
treffliche Herstellung  der  wichtigen  Stelle  Strabons  (II  p.  ItJO)  ge- 
wonnen ist. 


312  E.  Cuitius:  Pelopoimcsos. 

>vird  manchen  Leser  überraschen,  inmitten  des  von  den  mächtigen 
Gebirgszügen  des  Taygetos  und  Parnon  eingesclilofsenen  Eurotas- 
thaies die  Lage  des  rauhen  Sparta  so  anmuthig  und  lieblich  ge- 
schildert zu  linden,  wie  wir  es  S.  217  lesen;  nicht  minder,  dafs,  so 
sehr  Tluikydides  prophetische  Worte  über  den  Eindruck,  den  einst 
die  Ueberreste  der  ersten  Städte  seines  Vaterlandes  auf  den  Wanderer 
machen  würden,  sich  bewährt  haben,  und  zwischen  den  formlosen 
Trümmern  vergangener  Zeiten,  die  sich  jetzt  dem  Auge  darbieten, 
nichts  an  die  Gebieterin  des  peloponnesischen  Bundes  erinnert,  doch 
die  Zusammenstellung  dieser  dürftigen  Spuren  der  alten  Stadt  mit 
den  Ueberlieferungen  des  Alterthums  ein  Bild  gewährt,  in  welchem 
insbesondere  die  Tempel  der  Götter,  die  sinnig  geschmückte  3Iarkt- 
halle,  das  Theater,  die  Burg,  die  C.  auf  dem  Theaterhügel  vermuthet, 
mit  dem  Erzhaus  der  Athena  Chalkioikos  eine  edle  Anwendung  der  bil- 
denden und  der  Baukunst  bezeugen.  Neben  Sparta  sind  im  Eurotas- 
thaie Amyklai  und  Pharis,  die  Hauptorte  der  vordorischen  Zeit,  von 
Bedeutung,  deren  Lage  mit  Wahrscheinlichkeit  nachgewiesen  wird. 
In  der  äul'sern  Landschaft  erregt  unter  den  wichtigern  Punkten  der 
nördlichen  Gebirgsgegend  vor  allem  Sellasia  unser  Interesse,  der  starke 
und  wohlgelegene  Vorposten  der  Hauptstadt,  drei  Stunden  von  ihr 
entfernt,  wo  sich  des  Kleomenes  und  damit  Spartas  Schicksal  durch  die 
Schlacht  vom  J.  221  für  immer  entschied.  Beide  Halbinseln,  die  wel- 
che in  Malea,  und  die  welche  im  Tainaron  ausläuft,  erhalten  dem- 
nächst ihre  genaue  Beschreibung:  wir  bemerken,  wie  in  der  Nähe 
des  bedeutendsten  spartanischen  Kriegshafens  auf  der  westlichen,  Gy- 
theion  oder  Gythion,  das  neuere  Marathonisi,  unfern  des  ansehnlich- 
sten Hafens  der  östlichen  Halbinsel,  Epidauros  Limera,  auf  der  Insel 
Minoa  das  feste  Jlonembasia,  das  Napoli  di  Malvasia  der  Fraidven 
entstanden  ist.  Inleressant  sind  auch  an  der  Südküste  des  Peloponne- 
sos  die  Punkte  zu  beachten,  an  denen  phoenikischer  Unternehmungs- 
geist seiiiem  Handelsverkehr  und  seinen  religiösen  Cullen  Wege  er- 
ölfnete;  es  sind  besonders  in  der  Mitte  des  lakonischen  Busens  die 
kleine  Insel  Kranae  und  das  bedeutendere  Kythera,  wo  der  von  As- 
kalon  stammende  Aphroditendienst  zuerst  auf  griechischem  Boden 
Wurzel  schlug;  auch  das  nahe  der  Grenze  von  Kynuria  bei  Prasiai 
gelegene  Dorf  Tyros  scheint  auf  eine  alte  phoenikische  Factorei  hin- 
zudeuten. In  diesem  selben  nordöstlichen  Winkel  von  Lakedaemon 
zieht  sich  im  Hochgebirge  der  jetxige  District  von  Tzakonia  hin,  des- 
sen Bewohner  nach  geschichtlicher  Ueberlieferung  und  nach  der  alter- 
thümlichen  Reinheit  der  dort  herschenden  3Iundart  auf  eine  unver- 
mischtere  Abstammung  von  den  Lakedaemoniern  Anspruch  machen, 
und  gewis  mit  mehr  Grund  als  das  durch  seinen  Unabliängigkeitssinn 
berühmte  Volk  der  Mani,  der  Manioten  oder  Mainoten  auf  der  Taygetos- 
halbinsel,  die  gerade  eine  sehr  starke  slavische  Zuwanderung  erfahren 
haben. 

Unter  dem  Namen  Argolis  fafst  C.   nach  dem  Beispiel  des  Pau- 
gcinias  die  ganze  nordöslliclie  Landschaft  des  Peloponnesos  zusammen, 


E.  Curlius:  Pelopomiesos.  313 

die  d;is  (isllicho  (irciizircbirf>c  Arkadiens  zur  Basis  hat.  Sie  zerriiilt 
yeiiiai's  ihrer  Abdacluiii«;-  nach  drei  Meeren,  dem  argolischen,  dem 
sarunischen  und  dem  korinthischen  Busen,  in  die  drei  Theile:  die 
Inachosebene  oder  die  Ebene  von  Arfjos,  die  aro^olische  Akte  oder  die 
Arachnaionhalbinsel  und  das  Asoposlhal  mit  seinen  Nebenlhälern. 
Nach  der  Entwicklun"-  der  natürlichen  Bodenverhälluisse  dieses  viel- 
gegliederten Landstrichs,  der  vor  allem  Cur  den  Verkehr  mit  dem 
Orient  in  zahlreichen  Häfen  und  Buchten  die  gröCsten  Vorlheile  be- 
sitzt, führt  der  Hückblick  in  die  Geschichte  zu  der  Betraciilung  der 
ältesten  Landessagen,  da  hier  an  dem  ersten  Sammelort  eingeborner 
Pelasger  auch  die  frühsten  Einwirkungen  des  Auslandes  staltgefunden 
haben. 

Von  dem  Mittelpunkte  der  Stadt  Argos  und  seiner  stattlichen 
Akropole  Larissa  aus,  deren  spärlichen  Ueberresten  eine  genaue  Be- 
schreibung gewidmet  ist,  —  der  Schauplatz  des  verhängnisvollen  Kam- 
pfes von  König  Pyrrhos  im  J.  272  ist  aufs  deutlichste  bezeichnet  — 
durchwandert  C.  zunäclist  das  altberülimte  und  vielbestrittene  Grenz- 
land gegen  Lakedaemon,  die  Kynuria,  nimmt  seinen  zweiten  Weg 
nach  Tiryns  und  Nauplia,  und  wendet  sich  dann  zu  den  im  Osten  und 
Norden  umliegenden  Ortschaften,  unter  denen  erst  die  neuste  For- 
schung im  versteckten  Bergwinkel  die  unscheinbaren  Ruinen  des  He- 
raion, 10  Stadien  von  Mykenai,  aufgefunden  hat.  '^Es  war  der  älteste 
Wohnsitz  der  Göttin,  der  die  achaeischen  Städte  vor  allen  andern  am 
Herzen  lagen,  der  Bundesfempel  der  Mykenaeer  und  Argeier,  in  wel- 
chem Agamemnon  sich  von  den  Fürsten  des  Heerzugs  Treue  schwören 
liefs,  der  Schauplatz  der  vornehmsten  Landesfeste  und  das  nur  einhei- 
mischem Dienste  zugängliche  Schutzheiligthum  von  Argolis.'  Aus  He- 
rodolos  ist  der  vergebliche  Versuch  des  Kleomenes,  in  sein  Inneres 
einzudringen,  aus  Thukydides  der  Brand  des  Tempels  durch  die  Un- 
vorsichtigkeit der  Priesterin  Chrysis  im  J.  425  bekannt.  Von  hier  aus 
folgen  wir  dem  Verf.'^in  nordwestlicher  Richtung  auf  die  Burghöhe 
von  Mykenai,  in  der  innersten  Ecke  der  Inachosebene.  Wer  sich  mit 
ihm  auf  diesem  classischen  Boden  der  Sage  und  Poesie  orientiert  hat, 
w  ird  mit  sicherm  Verständnis  die  Eingangsworte  der  Elektra  des  So- 
phokles lesen;  es  kann  ihm  nicht  zweifelhaft  sein,  dafs  Argos  das 
ganze  vorliegende  Tietland,  der  dem  Apollon  geweihte  Marktplatz  die 
entferntere  Stadt  Argos ,  und  der  Heratempel  keinen  andern  als  jenes 
Heraion  bezeichnet.  Die  sorgfältige  Beschreibung  der  berühmten  Bau- 
denkmäler, die  die  Aufmerksamkeit  aller  Reisenden  seit  Pausanias  in 
vorzüglichem  Grade  auf  sich  gezogen  haben,  des  Löwenthores  und  des 
Schatzhauses  des  Atreus,  beschliefsen  die  Betrachtung  dieses  wichtigen 
Locals.  Als  die  Bestimmung  des  sogenannten  Schatzhauses  nimmt  C. 
wegen  der  beiden  bestimmt  gesonderten  und  verschiedenartigen  Räume, 
für  das  innere  Gemach  die  Bestattung,  für  den  äufsern  Raum  die  Auf- 
bewahrung grofser  und  werthvoller  Gegenstände  an. 

Auch  die  beiden  andern  llaupt'.heile  der  argolischen  Landschaft 
im  weitem  Sinne,  die  östliche  vom  Arachnaion  sich  herauscrslreckende 


314  E.  Curlius:  Pelopomiesos. 

Halbinsel  und  das  zum  koriiilhischen  Meerbusen  binabreichende  Thal 
des  Asopos,  uinfalsen  noch  eine  grofse  Zahl  historisch  wichtii>er 
Punkte:  die  alten  Städte  der  Akte,  Troezen,  Epidauros,  Herniione,  de- 
ren Geschichte  in  die  bedeutsamsten  Perioden  der  allgemeinen  grie- 
chischen eingreift;  die  ewig  denkwürdigen  Plätze  von  Phlius  und 
Sikyon,  von  Kleonai  und  Nemea,  des  unvergänglichen  Korinthos, 
seiner  Häfen  und  seines  in  den  Isthmos  hineinreichenden  Gebietes. 
Aber  wir  enthalten  uns  hier  Aveiter  einzelnes  zu  berühren,  so  sehr 
aucli  überall  die  Landesbeschreibung  die  klarste  Anschauung  gewährt, 
und  die  erhaltenen  Ueberreste  mit  immer  gleicher  Liebe  und  Treue 
aufgesucht  und  in  ein  lebendiges  Bild  des  ehemaligen  Bestandes  zu- 
rückgerufen sind.  So  kehrt  denn  die  lebensvolle  Darstellung  der  gan- 
zen Halbinsel  zu  ihrem  Ausgangspunkte,  dem  Isthmos,  zurück  und  ge- 
langt mit  der  Schilderung  des  heiligen  Bezirkes  des  Poseidontempels 
und  seiner  Festspiele  und  der  alten  Befestigungs-  und  Verbindungs- 
werke der  Landenge  zur  würdigsten  Vollendung. 

Blicken  wir  noch  einmal  auf  die  Gesammtausführung  der  schönen 
Aufgabe  zurück,  so  ist  dem  Verfafser  die  ununterbrochene  Erhaltung 
des  regsten  Interesses  für  seine  die  Natur  und  Geschichte  gleich- 
mäfsig  umfafsende  Beschreibung  des  Landes ,  abgesehn  von  ihren  In- 
nern Vorzügen,  auch  dadurch  gelungen,  dafs  er  von  den  Resultaten 
seiner  Studien  und  Forschungen  das  reiche  litterarische  und  archaeo- 
logische  3Iaterial,  auf  dessen  Verarbeitung  jene  beruhn,  in  den  An- 
merkungen, welche  den  einzelnen  Abschnitten  angehängt  sind,  ge- 
schieden hat.  Folgen  wir  dort  ungestört  dem  Zusammenhange  der 
Darstellung,  so  gewinnen  wir  hier  eine  Fülle  von  Nachweisungen  und 
kritischen  Untersuchungen,  die  uns  in  den  Stand  setzen,  uns  über  die 
Treue  und  Genauigkeit  seiner  Schilderung  ein  eignes  Urtheil  zu  bil- 
den. Diese  umfafsenden  und  gelehrten  Anmerkungen,  in  denen  die 
Arbeiten  der  Vorgänger  sorgfältig  geprüft  sind  und  fast  kein  Schrift- 
steller des  Altertluims  unberücksichtigt  bleibt,  und  welche  nament- 
lich für  die  Kritik  des  Strabon  und  Pausanias  von  unschätzbarem 
Werthe  sind,  werden  nach  dem  Genufse  an  der  edeln  Form  des 
Hauptwerkes  den  Leser  immer  wieder  zu  erneutem  Studium  auf- 
fordern *). 

Wir  zweifeln  daher  nicht,  dafs  der  Peloponnesos  zu  der  Er- 
frischung und  Belebung,  welche  die  philologische  Wifsenschaft  in 
unserer  Zeit  vor  allem  bedarf,  von  lange  nachhaltiger  Wirkung  unter 
dem  Jüngern  Geschlechte  bleil)en  werde,  und  richten  an  den  Verfafser 
selbst  im  Namen  vieler  Freunde  des  Alterthums  die  dringende  Bitte, 
dafs  er  auch  der  Chorographic  des  übrigen  Griechenlands,  zu  welcher 
er  seinen  Beruf  in  so  hohem  Mafse   bewährt  hat,  dieselbe  liebevolle 


*)  Ein  abgesondertes  Register  der  kritisch  oder  exegetisch  behan- 
delten Stellen  der  alten  Autoren  wäre  in  diesem  Betracht  zu  wünschen 
gewesen. 


Lnchinaim:  T.  liiicreüiis  Cariis.  81.') 

Belicimllmia:  widmen   inöiic,   durch   die   er   uns   ein  neues  Verständnis 
des  l'elopunnesos  eröH'net  hat. 

Lübeck.  J.  CAassen. 


l.   Lucretl    Cciri  de  rerum    natura   libri   .sex.      Carolas   Lachmannus 

recensuit  et  emendavit.  Berol.  inipensi-s  Georjrii  Kchueri.  MDCCCL. 

252  S.  gr.  8. 
Curoli   Lachmanni   in    T.    Ijucretii    Cari  de  rerum    natura  libros  com- 

mentarius.     Uerolini  inipensis  Georgii  Reimeri.     MÜCCCL.  439  S. 

gr.  8. 
T.  Lucreti   Cari  de  rerum  natura  libri  sex.  Recognovit  lacohus  Bcr- 

naysius.     Lipsiae  sumptibus  et  typis  B.  G.  Teubneri.  MDCCCLII. 

XII  u.  198  S.  8. 

Nicht  ohne  wehmüthiges  Gefühl  unternehme  ich  es  über  die  letzte 
Arbeit  eines  dahingeschiedenen  Meisters  in  diesen  Blältern  Bericht  zu 
erstatten.  Wäre  der  grofse  Kritiker  noch  unter  den  lebenden,  ich 
würde  gewis  schon  längst  unbeschadet  der  holien  Achtung,  die  eine 
so  vollendete  Leistung  jedem  einllöfsen  mufs,  mit  all  dem  Frcimuth, 
den  jede  wifsenschaflliche  Kritik  erheischt,  auch  meine  abweichenden 
Ansichten  ausgesprochen  haben:  möglich  dafs  Lachmann  selbst  solchen 
Widerspruch  mit  Glimpf  ertragen  hätte;  ob  andere  das  gleiche  thun 
werden  ,  steht  dahin:  ich,  wie  sehr  ich  auch  den  Satz  des  e])hesischen 
Weisen  noXsfiog  navrcov  nary]^  billige,  bin  doch,  soviel  an  mir  lag, 
dem  Streite  allzeit  mehr  ausgewichen,  als  dafs  ich  ihn  aufgesucht 
hätte,  und  nur  Zuspruch  von  den  verschiedensten  Seiten  hat  mich  be- 
stimmt, diese  Zeilen  niederzuschreiben. 

Ueber  Lachmanns  Lucrez  kenne  ich  bisher  nur  eine  einzige 
Beurtheilung  in  den  Blünchner  gelehrten  Anzeigen  J851  December  N. 
95 — 98  von  Spengel,  worin  alles  was  über  den  Standpunkt  der 
Kritik  vor  Lachmann,  über  die  Hilfsmittel,  die  Lachmann  zu  Gebote 
standen,  so  wie  die  Weise,  wie  er  dieselben  benutzt  hat,  zu  sagen 
wäre,  ebenso  anschaulich  als  gründlich  dargelegt  ist,  dafs  ich  billig 
darauf  verzichte  schon  gesagtes  zu  wiederholen. 

Lachmanns  kritisches  Verfahren  ist  wohl  im  allgemeinen  zur  Ge- 
nüge bekannt,  gleichwohl  kann  man  darül)er  sehr  abweichende  An- 
sichten vernehmen.  So  hat  Hr.  M,  Hertz  in  seiner  Biographie  Lacli- 
manns ,  einem  Buche  das  sehr  geschickt  gemacht  ist,  wie  sich  er- 
warten liefs,  auch  über  Lachmanns  Kritik  sich  ausgesprochen,  jedoch 
in  einer  Weise,  die  meines  Erachtens  das  rechte  nicht  genau  trifft; 
am  wenigsten  vermag  ich  es  zu  hilligen,  wenn  derselbe  S.  189  G. 
Hermann  und  Lachmann  miteinander  vergleichend  sagt:  'Die 
Methode  scheidet  Lachmanns  Kritik  von  der  Ilermannschen:  diese  ist 
(livinatorisch ,  künstlerisch,  jene  strenghistorisch,  wifsenschafllich; 
Hermann  ist  wesentlich  producliv,  Lachmann   rcproductiv.'    Hier  wie 


316  Laclunann:  T.  Lucrcliiis  Carus. 

auch  sonst  in  dem  schätzbaren  Buche  hat  sichtlich  die  Hinneigung  zur 
Anlithesis,  zur  rhetorischen  Phraseologie  der  Klarheit  des  Urlheils 
Eintrag  gethan.  Ich  wenigstens  meine,  jede  Kritik  ist  und  darf  nur 
rcproductiv  sein;  was  sich  Hr.  Hertz  unter  productiver  Kritik, 
die  er  Hermann  zuschreibt,  eigentlich  gedacht  hat,  vermag  ich  nicht 
zu  sagen.  Soll  damit  jenes  subjective  Verfahren  bezeichnet  werden, 
welches  willkürlich  und  eigensinnig  den  ersten  besten  Einfall  an  die 
Stelle  der  Ueberlieferung  setzt,  so  ist  dies  ein  Fehler,  den  freilich 
Hermann  nicht  immer  vermieden  hat,  aber  auch  Lachmann  ist  davon 
nicht  frei  zu  sprechen,  so  wenig  wie  vielleicht  irgend  einer  der  grofscn 
Kritiker;  nennt  dagegen  Hr.  H.  productive  Kritik  jenen  genialen 
Scharfblick,  jene  glückliche  Divinationsgabe,  die  Hermann  in  hohem 
Grade  besafs,  nun  so  liefert  eben  die  Ausgabe  des  Lucrez  den  deut- 
lichsten Beweis,  dafs  Lachmann  hierin  weder  Hermann  noch  irgend 
einem  andern  nachsteht.  Was  Lachmanns  kritische  Methode  von  Her- 
manns Verfahren  streng  scheidet,  ist  dies,  dafs  für  Hermann  wenig- 
stens in  der  Praxis  alle  Handschriften  gleichen  Werth  haben,  während 
Lachniann  (und  mit  ihm  vor  allen  auch  Böckh  und  Bekker)  überall 
darauf  ausgeht,  die  unverfälschten  Quellen  von  den  abgeleiteten  und 
werthlosen  streng  zu  sondern.  Und  eben  der  Anwendung  dieses  Prin- 
cips  verdankt  Lachmann  die  grofsen  Erfolge,  welche  alle  seine  kriti- 
schen Arbeiten  auszeichnen.  Dazu  kommt  ferner  die  Treue  und  Aus- 
dauer, mit  welcher  Lachmann  einem  Schriftsteller,  den  er  einmal  lieb- 
gewonnen hatte,  mit  dem  er  vertraut  geworden  war,  zugethan  blieb. 
Nur  durch  diese  Vertrautheit  wurde  Lachmann  in  den  Stand  gesetzt 
mit  cougenialem  Blicke  die  tiefen  Schäden ,  an  welchen  die  Ueberlie- 
ferung des  Lucrez  leidet,  ebensowohl  zu  erkennen  als  auch  wenig- 
stens zum  guten  Theil  zu  heben.  Denn  gerade  dadurch  zeichnet  sich 
diese  Arbeit  Lachmanns  aus,  dafs  er  hier  sich  nicht  damit  begnügt 
hat,  die  überlieferte  Gestalt  des  Textes  sicher  zu  ermitteln,  sondern 
die  echte,  des  Dichters  würdige  Fafsung  möglichst  herzustellen  be- 
müht ist.  Lachmann  hat  ferner  hier  überall  sein  Verfahren  genauer 
begründet,  so  dafs  es  uns  vergönnt  ist,  eine  wirkliche  Einsicht  in  die 
Methode  des  Meisters  zu  gewinnen.  Unwillkürlich  wird  man  an  Bent- 
leys  Arbeiten  erinnert,  und  ich  wüste  nicht,  dafs  seit  Bentleys  Horaz 
eine  kritische  Leistung  für  irgend  einen  lateinischen  Dichter  erschie- 
nen wäre,  die  sich  mit  Lachmanns  Lucrez  vergleichen  liefse.  Damit 
soll  den  verdienstlichen  Arbeiten  der  mitlebenden  nicht  im  mindesten 
zu  nahe  getreten  werden:  Bitschls  grofse  Verdienste  um  Plautus 
hat  wohl  niemand  mit  wärmerm  Dank  anerkannt  als  gerade  ich;  aber 
schon  die  Aufgabe  selbst  ist  eine  andere,  mit  ganz  eigenlhümlichen 
Schwierigkeiten  verknüpfte,  so  dafs  es  der  angestrengten  Arbeit  vieler 
bedürfen  wird,  um  nur  einigermafsen  die  Aufgabe  zum  Abschlufs  zu 
bringen;  und  was  sonst  im  Alleinbesitz  Peinlicher'  Methode  zu  sein 
sich  rühmt,  steckt  sich  von  vorn  herein  ein  niedrigeres  Ziel.  3Iil  Bent- 
ley  hat  aber  Lachmann  auch  die  Lust  an  schonungsloser,  schueidcn- 
der  Polemik   gemein,  und  ich    mag  nicht  verhehlen,  dafs  gerade  in 


Laclimanii:  T.  Liicrctius  Cariis.  317 

dieser  Beziehung  die  Lccliirc  des  Commeiilars  bei  mir  sfefs  einen  un- 
erquicklichen Kindriick  ziirücks'ciarsen  lial:  wenn  irgendwo,  so  wäre 
hier  jene  stillscluveigciide  Bekiinipi'iing  dcsirlhuins,  indem  man  ein- 
fach das  rechte  und  wahre  ausspricht,  am  Orte  gewesen;  damit  halle 
Lachmann  nicht  etwa  Stolz  oder  Geringschätzung  an  den  Tag  gelegt, 
sondern  nur  einfach  andere  sich  zum  Dank  verpflichtet.  Lachmann  hat 
geglaubt,  durch  solche  rücksichlslose  Schärfe  in  Zukunft  die  Millel- 
mäfsigkeit  von  Unternehmungen,  denen  sie  nicht  gewaciisen  ist,  zu- 
rückzuschrecken; ich  zweifle  sehr,  dafs  diese  llolTnung  sich  erfüllen 
wird;  weil  mehr  besorge  ich,  dafs  solcher  Ton  in  der  |tliilologischeii 
Litteratur  zum  Schaden  der  Wifsenschaft  allgemeiner  werde,  und  wenn 
bei  Lachmann  doch  noch  immer  diese  Polemik  durch  Geist  und  Origi- 
nalität sich  anszeichnet,  so  pflegen  die  Hintersal'sen  grofser  Männer 
diesen  Mangel  nur  zu  oft  durch  Plumpheit  zu  ersetzen. 

Lachmanns  Commentar  enthält  einen  reichen  Schatz  grammati- 
scher Untersuchungen;  allerdings  gründen  sich  diese  werthvollen  Be- 
merkungen vorzugsweise  auf  die  blof'se  Beobaclitung:  deren  hohen 
Werth  habe  ich  niemals  verkannt,  aber  wenn  dieselbe  nicht  durch 
eine  streng  rationelle  Methode  (die  sich,  beiläufig  bemerkt,  nicht 
durch  sophistische  Dialektik  ersetzen  läfst)  geleitet  ^'^ird,  liegt  die 
Gefahr  des  Irthunis  gar  nahe:  ich  habe  hierauf  schon  wiederholt  an- 
derwärts aufmerksam  gemacht,  und  erinnere  hier  nur  beispielsweise 
an  das,  was  ich  über  die  Formen  mihi  und  mi  gegen  G.  Hermann  und 
Ritschi  bemerkt  habe.  Und  so  findet  sich  auch  bei  Lachmann  gar  man- 
che Behauptung  ausgesprochen,  die  gerechten  Bedenken  unterliegt: 
ich  erinnere  nur  beispielsweise  an  das,  was  zu  V,  264  über  quidquid 
und  qtiicquid  bemerkt  wird;  mit  entschiedenem  Eigensinn  wird  ferner 
überall  et  in  der  Bedeutung  von  etiam  aus  dem  Texte  verdrängt;  doch 
ich  verzichte  an  diesem  Orte  auf  ein  genaueres  Eingehn  in  diese  gram- 
matischen Fragen,  nur  das  bemerke  ich,  dafs  Lachmann  in  der  Ortho- 
graphie und  was  damit  zusammenhängt  mit  lobenswerther  Mäfsigung 
zu  Werke  geht  und  nicht  etwa  der  Analogie  zu  Liebe  strenge  Gleich- 
mäfsigkeit  willkürlich  durchführt  *). 

Ich  will  diesen  Theil  des  Commentars  nicht  weiter  besprechen, 
und  nur  an  einer  Reihe  von  Beispielen  darthun,  dafs,  so  grofs  und 
bleibend  auch  die  Verdienste  Lachmanns  um  Herstellung  eines  gerei- 
nigten Textes  sind,  doch  keineswegs,  wie  viele  zu  glauben  scheinen, 


*)  Manches  wird  sich  hier  noch  aus  den  Spuren  der  alten  Hand- 
schriften herstellen  lafsen ,  so  z.  ß.  IV,  968  ist  nicht  sowohl  bellum 
zu  schreiben,  da  die  Handschr.  vcllum  oder  vclum  darbieten,  sondern 

Nautae  contracturn  cum  ventis  degerc  du  eil  um, 
was  auch  durch  die  Allitteration    sich   empfiehlt   und  zweisilbig  zu  le- 
sen   ist  wie   II,   661    equorum   duellica  prolcs.   —   III,   1061    war   die 
Tinesis  herzustellen: 

Esse  domi  per  quem  taesumst  subiloque  revertit. 
—  VI,  919  Hegt  \n  den  Zügen  der  Handschriften 

Et  nimium  longis  am  baginibust  adeundum, 
eine  Form    die  auch  Manilius  gebraucht. 


318  Lachinann :  T.  Liicretiiis  Carus< 

die  Kritik  des  Dichters  abgeschlofscn  ist;  denn  auch  Lachmann  ist  es 
sehr  oft  nur  gelungen  den  Fehler  nachzuweisen,  nicht  aber  zu  entfer- 
nen. Mögen  die  nachfolgenden  Bemerkungen  von  kundigen  als  ein 
Beitrag  zur  Herstellung  eines  der  genialsten  Dichterwerke  der  latei- 
nischen Litteratur  woiiUvollend  aufgenommen  werden. 

I,  843  schreibt  Lachmann :  Nee  tarnen  esse  ulla  idem  ex  parte 
in  rebus  inane  mit  vierfacher  Elision,  was  der  von  Lachmann  selbst 
so  oft  gerühmten  Eleganz  und  Kunst  des  Dichters  wenig  entspricht. 
Lucrez  schrieb : 

JSec  tarnen  ex  ulla  parte  idem  rebus  inane 

concedil,  neque  corporibus  finem  esse  secandis 
(die  Handschr.  esse  ulla  idem  parte  in  rebus)  wo    der  Wechsel   der 
Structur  nichts  befremdendes  hat.    Dagegen  möchte  ich  nicht  auf  diese 
Weise  eine  andere  Stelle  rechtfertigen  V,  502: 

ISec  liquidum  corpus  turbantibus  aeris  auris 

commiscet :  sinit  haec  violentis  omnia  verti 

turbinibus ,  sinit  incertis  turbare  procellis, 
wo  man  bei  der  Wiederholung  desselben  Verbums  auch  eine  Gleich- 
mäfsigkeit  der  Structur  erwartet:  es  ist  ganz  einfach  venti  ttirbini- 
bus  zu  schreiben,  und  haec  darf  auf  keinen  Fall  mit  Lachmann  in  hie 
verändert  werden,  da  die  untere  Region  deutlich  bezeichnet  werden 
muste. 

1,881:  Conveniebat  enim  fruges  quoqiie  saepe,  minaci  Robore 
cum  saxi  franguntur,  mitter e  Signum  Sanguinis  aiit  aliquid  ^  noslro 
quae  corpore  aluntur ,  Cum  lapidi  (^A'\e  Handschr.  lapidi  in^  lapidem 
terimus,  manare  cruorem.  Das  Asyndeton  im  letzten  Verse  ist  höchst 
befremdlich,  ich  vermuthe: 

Cumque  lapi  lapidem  terimus,  manare  cruorem. 
Dieselbe  Form  gebraucht  Ennius  bei  Priscian  VI,  12:  Occumbunt  multi 
letum  ferroque  lapique.  Der  Wechsel  der  Form  bei  Wiederholung 
desselben  Wortes  kommt  auch  sonst  bei  Lucrez  vor,  obgleich  von 
den  Abschreibern  und  Herausgebern  dies  öfter  verkannt  ist.  Wenn 
IV,  633  die  Handschriften  geben :  Nunc  aliis  alius  qui  sit  cibus  ut  vi- 
deamus  Expediatn,  so  ist  dies  freilich  sinnlos,  aber  was  Lachmann  in 
den  Text  gesetzt  hat,  qui  sit  cibus  unicus  aptus  ist  wohl  geradezu 
als  unlateinisch  zn  verwerfen.  Vielleicht  trifft  meine  Vermuthung 
das  richtige: 

Nunc  aliis  aW  quifiat  cibus  ut  vid  eatur 
d.  h.  ut  placeat,  denn  der  Dichter  will  zeigen,  woher  es  komme,  dafs 
dem  einen  diese,  dem  andern  jene  Nahrung  zusage. 

II,  27:  Nee  domus  argento  fulget  auroque  renidet.  Macrobius 
fulgens  und  renidens;  fulget  wird  von  Lachmann  wohl  mit  Recht  ver- 
worfen, da  Lucrez  dieses  Verbum  stets  nach  der  dritten  Conjugation 
flectiert,  aber  ich  möchte  deshalb  nicht  sowohl  fulgenti  lesen,  wie 
Lachmann  vorschlägt,  sondern  mit  Benutzung  der  Lesart  des  Macrobius: 

Nee  domus  argento  fulgens  auroque  renidet^ 
d.  i.  soviel  als  auri  argentique  fulgore  renidet.    Im  folgenden  Verse: 


Laclimann:  T.  f,iicroliiis  fariis.  310 

Ncc  cithftrae  rehoant  laqnenta  (lurataqne  lecla 
ist,  wie  Lachmami  riclilig- j'osclin  lial,  aurala  (obwolii  auch  Macro- 
biiis  so  liest)  eine  iiiipasseiuie  Wicderlioliuig;  aber  was  er  selbst  in 
den  Anmerkungen  vorsolilägt:  ornnlaque  erscheint  viel  zu  matt.  Ich 
\gsq  laquenta  ar cuataquc  tecta  (oder  wenn  man  lieber  will  ar- 
qnataque).  Arcuafa  tecta  sind  gewölbte  Decken,  vergl.  Plinius  Nat. 
Hist.  XXXV  §.  124:  Idem  laciinaria  primus  phigere  inslitiiil,  ncc 
Cameras  ante  euni  laliter  adornari  mos  fnit. 

II,  710  kann  ich  nur  als  störenden  und  ungeliörigeu  Zusatz  eines 
Interj)olators  betrachten;  vielleicht  fand  sich  in  alter  Zeit  nur  die  Be- 
merkung vor:  Scilicet  id  certa  fieri  ratione^  die  dann  mit  leichler 
Mühe  durch  ein  hinzugefügtes  necessnst  in  einen  vollslaiuligen  Vers 
gebracht  ward.  Zur  Unterstützung  dient  auch  der  Umstand,  dafs  in 
der  AA'iener  Handschrift  (über  >a  eiche  ich  einige  genauere  Notizen  der 
Gefälligkeit  eines  ehemaligen  werthen  Zuhörers  von  mir,  des  Hrn. 
Dr.  Linker  in  \Men  verdanke,  woraus  auch  hervorgeht,  dafs  Lach- 
manns Vermutiiung,  die  Blatter  der  Gottorper  Handschrift  hatten  ur- 
sprünglich zu  jenem  Wiener  Codex  gehört,  ganz  das  rechte  getrod'en 
hat)  dieser  Vers  sich  zweimal  vorfindet,  einmal  nach  Vs.  706: 

SCILICETITCERTAFIERmATIONE  necessust. 
dann  Vs.  710: 

scilicet  it  certa  fieri  ratione  necessu  est. 
II,  1170  —  72  stehn  offenbar  nicht  an  der  rechten  Stelle:  ge- 
wöhnlich bezieht  man  diese  Verse  auf  den  Winzer,  aber  die  Worte 
selbst  zeigen,  dafs  sie  vielmehr  auf  den  Landmanu  gehn ,  da  die  lati- 
fundia  dem  mäfsigen  Grundbesitz  der  Vorzeit  entgegengesetzt  wer- 
den.   Daher  ist  die  ganze  Stelle  so  zu  ordnen: 

lamqne  Caput  quassans  grandis  suspirat  arator 
1165       crebrins,  in  cassum  manuum  cecidisse  lahores.,  : 

et  cum  tempora  temporibus  praesentia  confert 

praeteritis,  laudat  fortunas  saepe  parentis., 
1170       et  crepatj  anticum  genus  ut  pietale  replelum 

perfacile  angustis  tolerarit  finibus  aepom, 

cum  minor  esset  agri  mnlto  modus  ante  viritim. 
1168       tristis  item  vetulae  vifis  sator  afque  vietae 

temporis  incusat  momen  caefumque  fatigat, 
1173       nee  tenet  onmia  pmdatim  tabvscere  et  ire 

ad  capulum,  spatio  aetatis  defessa  vetusto. 
Lachmann,  der  eine  ganze  Anzahl  Stellen  durch  Transposition  glück- 
lich geheilt  hat,  nimmt  an  der  vorliegenden  keinen  Anstofs.  —  Nicht 
geglückt  ist  ihm  die  Behandlung  einer  andern  Stelle  VI,  793:  diesen 
Vers  hat  Lachmann  w  eder  richtig  verbefsert  noch  auch  mit  Fug  nach 
Vers  801  gestellt:  der  Vers  passt  weder  dorthin  noch  auch  in  den  Zu- 
sammenhang, wo  er  bisher  stand:  es  bleibt  dalier  nur  die  Annahme 
übrig,  dafs  hier  mehrere  Verse  ausgefallen  sind.  Der  Vers  selbst  aber 
ist  so  zu  schreiben : 


320  Lachmann:  T.  Lucretius  Carus. 

Concidere  ut  morbo,  spumas  qui  mittere  suevit. 

Lücken,  bald  gröl'sere  bald  kleinere,  sind  auch  sonst  bemerkbar, 

so  z.  B.  I,  867  ff.,  wo  wohl  zu  ergänzen  ist: 

Praeterea  quaecumque  e  terra  corpora  crescunt, 

si  sunt  e  terris ,  terram  constare  necessest 

ex  alienigenis ,  quoniam  constare  fatendmnst 

ex  alienig  enis  ^  qiiae  terris  exoriunlur, 
wo  ich  aufserdem  si  sunt  e  terris  für  iti  terris  geschrieben  habe.    Da- 
gegen sind   ebendaselbst  Vs.  873  und  74,   die  Laclimann  vergeblich 
zu  vertheidigen  sucht,  zu  streichen.    Der  erste  Vers: 

Praeterea  tellus  quae  corpora  cumque  aUt  äuget 
ist  eine  Dittographie  zu  Vs.  867   und  verdient  vielleicht  den  Vorzug-. 
Der  andere  Vers 

Ex  alienigenis,  quae  lignis  exoriunfur 
ist  entweder  lediglich  durch  Irthum  aus  Vs.  869  entstanden,  oder  viel- 
mehr das  Product  eines  Interpolators;  denn   sowie  der  erstere  Vers 
nach  Vs.  872  in    den    Text  gedrungen  war,  suchte  man,  so  gut  es 
eben  gehn  wollte ,  den  unvollständigen  Gedanken  zu  ergänzen. 

III,  117  hat  Lachmann  des  so  oft  geschmähten  Wakefield  Con- 
jectur  neque  harmonia  corpus  sentire  (die  Handschr.  interire^  solere 
aufgenommen,  sehr  mit  Unrecht,  denn  solere  würde  in  diesem  Zusam- 
menhange nicht  blofs  ein  überilüfsiger ,  sondern  sogar  störender  Zu- 
satz sein,  da  ja  der  Dichter  zeigen  will,  dafs  es  Fälle  gebe,  wo  auch 
wenn  die  Verbindung  der  Glieder  des  Körpers  gestört  sei ,  doch  das 
Leben  sich  behaupte:  darum  bekämpft  er  die  Ansicht  derer,  welche 
das  Wesen  der  Seele  für  nichs  anderes  als  die  Harmonie  des  Körpers 
erklärten.   Der  Fehler  ist  ganz  einfach  zu  heben: 

Nunc  animam  quoqtie  ut  in  memhris  cognoscere  possis 

esse,  neque  harmonia  corpus  sonere  interiore. 
Dies  ward  solere  interiore  gelesen,  und  dann,  wie  so  oft  im  Lucrez, 
die  Worte  umgestellt.    Weiterhin  Vs.  129  war  nobis  moribundis 
deserit  artus  für  moribundos  zu  schreiben. 

III,  198:  At  contra  lapidum  coniectum  spicarumque  Noenu  po- 
test.  Die  bisherigen  Versuche  werden  von  Lachmann  mit  gutem  Recht 
verworfen;  was  er  selbst  vermuthet:  At  contra  lapidtim  coniectum 
Spiritus  acer  weicht  von  der  überlieferten  Lesart  zu  weit  ab.  Der 
Dichter  hatte  vorher  gesagt,  schon  ein  leiser  Luftzug  könne  einen 
Haufen  Mohnkörner  zerstreuen:  deshalb  ist  aber  nicht  nöthig,  dafs 
auch  in  dem  entgegenstehenden  Beispiele  gerade  wieder  die  Wirkung' 
der  Luft  erwähnt  werde.  Vielleicht  trifft  folgende  Vermuthung  das 
wahre: 

At  contra  lapidum  coniectum  s picea   runa 
noenu  polest. 
Vergl.  Paulus  Festi  p.  263:  Runa  genus  teli  significat.    Ennius:  ^ru- 
nala  recedit'  id  est  pilata,  und  Gracchus  bei   Cicero    de  Leg-.   II F,  9. 
Spicea  aber  würde  dann  in  dem  Sinne  von  spicatus  ^zugespitzt'  stehn, 
obwohl  sonst  nur  spicea  serta,  spicea  corona  sich  findet. 


liacliniaiin :  'f.  Liicrefius  Ctirus.  321 

III,  443;  Acre  qui  credas  posse  haue  cohiberier  utlo?  Corpore 
qui  ?tos(ro  rarus  mcujis  incohihescit?  Lacliiiianii  widerleg-t  mit  lU'cht 
die  Versuche  der  Vorfi-änger ,  aber  seine  eig-iie  Conjectur  is  cohihcs- 
sit  ist  nicht  minder  vcrlehlt.  Es  ist  üheriiaupt  dieser  Vers  nidit  als 
selbsläudit^er  Salz,  nocii  weniger  qtii  als  Partikel  zu  falsen,  sondern 
qui  ist  das  Pron.  relat.  und  auf  aer  zu  heziehen: 

Aere  qui  credas  posse  hone  cohiberier  ullo  ^ 
corpore  qui  nostro  rarus  magis  incohibensquest? 
oder  wenn  man  lieber  will  rarus t  magis  incohibensque. 

III,  449  ff.  findet  sich  in  vier  unmittelbar  aufeinander  folgenden 
Versen  viribus^  vis,  viribus,  viribus.  Nun  hat  zwar  Lucrez  solche 
Wiederholung-en  nicht  eben  allzu  äng-stlich  vermieden,  aber  der  vor- 
lieg-ende  Fall  dürfte  das  Mafs  des  erlaubten  überschreilen.  Mir  scheint 
in  Vs.  452  et  obtusis  ceciderunt  viribus  artus  dieses  Wort  nur  von  den 
Abschreibern  hinzugefügt,  um  den  verdorbenen  und  lückenhaften  Vers 
zu  ergänzen.  Freilich  ist  es  schwer  die  Stelle  mit  Sicherheit  zu  ver- 
befsern  ;  doch  scheint  mir  folgende  Fafsung  des  Lucrez  nicht  unwürdig; 

Post  ubi  iarn  validis  quussalumst  viribus  aevi 

corpus  et  obtusis  artus  c ecidere  lacertis. 
Aehnliche  Verderbnisse  finden  sich  anderwärts.  So  nimmt  Lachmann 
mit  Recht  Anstofs  V,  1409:  Et  numerum  servare  genns  didicere,  wo 
von  den  Wächterliedern  die  Rede  ist.  Genus  ist  gedankenlos  aus  Vs. 
1411  aufgenommen,  aber  auch  Lachmanns  Conjectur  sortis  trifft  nicht 
das  rechte;  der  Dichter  schrieb: 

Et  numerum  servare  pedu m  didicere. 
Ferner  III,  256  ist  corpore  wohl  aus  corporis  im  vorhergehenden  Verse 
entstanden,  ich  vermuthe:  fit  in  summo  quasi  t  empor  e  finis  Moti- 
bus.  Offenbar  verderbt  ist  III,  172:  At  tarnen  insequitur  languor  ter- 
raeque  petitus  Suavis  et  in  terra  ttientis  qui  gignitur  aeslus,  Inter- 
dumque  quasi  exurgendi  incerta  voluntas.    Es  ist  zu  schreiben ; 

Saevus,  et  in  febrimentis  qui  gignitur  aeslus, 
wo  übrigens  saevus  schon  von  Wakefield  verbefsert  ist.  —  IV,  1125 
hat  Lachmann  zwar  das  verkehrte  der  Vulgata  unguenta  erkannt,  aber 
den  Fehler    durch  seine  Conjectur  argentum  nicht  gehoben  ;  es  mufs 
verbefsert  werden: 

Amenta  et  pulcra  in  pedibus  Sicyonia  rident. 
Auch  I,  357  haud  ulla  valerent  ratione  videres  scheint  mir  das  letz- 
te Wort  nur  irlhümlich  aus   dem  folgenden  videmus  entstanden.    Ich 
kann  daher  auch  das,  was  der  Oblongus  in  litura  bietet,  fieri  ratione 
videres  nur  für  Conjectur  erachten.    Mir  scheint  das  richtige; 

Quod  nisi  inania  sitit,  qua  possent  corpora  quaeque 

transire,  haud  tdla  facere   id  ratione  valerent. 
Die  richtige  Lesart  valerent  ward  über  das  falsche  videres  geschrie- 
ben und  kam  dann  an  unrechter  Stelle  in  den  Text.    Auf  die  Aehnlich- 
keit  der  Buchstaben   kommt  es  in  solchen  Fällen  gar  nicht  so  sehr  an, 
z.  B.  V,  468  ist  saepsit  offenbar  nur  durch  Wiederholung  ans  Vs. 

iV.  Jahrb.  f.  Phil.  n.  Paed.  ßil.  LXVII.   Hft.  3.  21 


322  Lachmann:  T.  Lucreliiis  Carus. 

470  entstanden;  Laclimann  schreibt  dafür  ßexif.,  mir  scheint  pandil 
dem  ganzen  Zusammenhange  nach  passender. 

III,  1005  wo   der  Dichter   die  nnersättlichen  Begierden  der  Men- 
schen mit  den  Danaiden  der  Unterwelt  vergleicht: 

Quod  facmnt  nobis  unnorum  tempora .,  circum 

cum  reüennt^  fetusque  fernnt  variosque  fepores , 

nee  tarnen  explemnr  vitai  fructibus  umquam. 
Lachmann  ist  vor  allem  der  Ansdrnck  circum  redire  anslöfsig,  und  er 
schreibt  dafür: 

Qvod  faciunt  nobis  annorum  tempora  vi c tum. 
Die  Aenderung  ist  scheinbar  gering,  aber  ich  sehe  nicht  recht  ein, 
was  diese  W'orle  bedeuten  sollen;  Lachmann  bemerkt  nur,  dafs  quod 
als  Conjunclion  zu  fafsen  sei.  Sollen  die  Worte  vielleicht  heifsen : 
^weil  die  Jahre  uns  (d.  h.  unsern  Leidenschaften)  Nahrung  geben'? 
Damit  wäre  zwar  der  erforderliche  Sinn  im  allgemeinen  getroffen, 
aber  die  Darstellung  dieses  Gedankens  bleibt  seltsam.  Der  Fehler 
liegt  tiefer,  ich  schreibe: 

Quod  facimus,  nobis  annorum  tempora  circo 

dum  redeunt  fetusque  ferunt  variosque  lepores. 
^  Dies  thun  wir,  so  lange  wir  leben'  ist  der  einfache  Gedanke,  das 
quod  facimus  geht  vor  allem  auf  das  vorhergehende  pascere  ingra- 
lam  animi  naluram,  wahrend  das  explere  bonis  rebus  satiareque  num- 
quam,  nochmals  nachdrücklich  durch  nee  tarnen  explemur  etc.  wie- 
derholt wird.  Circo  habe  ich  emendiert,  obwohl  mancher  vielleicht 
auch  die  Vulgata  vertheidigen  wird,  denn  der  Sinn  ist:  so  lange  die 
Hören  in  ihrem  Kreislaufe  nur  wiederkehren.  Vgl.  Altius  bei  Nonins 
p.  20: 

Quot  Luna  circos  annuo  in  cursu  institit. 

IV,  78  ff.  hat  Lachmann  das  nnstattbafte  der  Ueberiieferung  pa- 
truni  matrumque  deorum  richtig  erkannt;  aber  seine  Conjectur /?w/- 
cram  variumque  decorem,  so  ingeniös  sie  auf  den  ersten  Anblick 
erscheint,  bringt  doch  einen  ziemlich  müfsigen  Gedanken  herein.  Ich 
schlage  vor: 

Namque  ibi  consessum  careai  supter  et  omnem 
scenai  speciem ,  p  a  r  v n  m  m  agntimqu  e  ,  deors u m 
inficiunt.   [, 
Parmim  magnumque  ist  als  Apposition  zu  dem  vorigen  hinzugefugt; 
wie  wir  grofs   und  klein,   die   Griechen  unzähligemal  jiiix^og  xai 
(xiyag  gebrauchen,   so  konnte  hier  der  Dichter  parvus  magnusque  sa- 
gen;  vgl.  das  nicht  ganz  unähnliche   bei  Horaz  Epist.   1,3,28:  hoc 
Studium  parvi  properemus  et  ampli.    Sicherer  lafsen  sich  die  folgen- 
den Verse  herstellen:   Et  quanfo  circum  mage  sunt  inclauslra  (Lach- 
mann angusta)  theatri  Moenia.,  tarn  magis  haec  intus  perfusa  lepore 
Omnia  conrident  correpta  luce  diei.  Lachmann  hat  den  richtigen  Sinn 
der  Stelle  verfehlt,  denn  nicht  von  einem  beschränkten,  engen  Thea- 
ter ist  die  Rede,  sondern  davon,  dafs  jenes  Phaenomen  sich  besonders 


Laclimann:  'f.  rucrcliiis  Cariis.  323 

da  zeige,  wo  das  Tlieatcr  rings  von  Mauern,  Seuienliallen  u.  s.  w. 
umschlolscn  sei.    Es  nuifs  heilsen: 

Et  quanto  circum  mage  sunt  inclusa  iheatra 

7)10  6  71  ib  US. 

Wie  der  Irlhum  entstand  sieht  man  leiclil:  in  der  ältesten  Handsclirilt 

war  INCLVSA  THEATIU  MOENIß.  geseilrieben;  die  Verbefserilng 
ward,  wie  dies  in  den  Ilandselir.  des  Lucrez  öfter  gcselielin  ist,  spa- 
ter auf  das  unrechte  ^^  ort  bezogen,  und  so  entstand  im  Oblongus  ««- 
elaiist7^a,  während  der  Quadratus  richtig  äiclusa  hat. 

IV,  397:  Exstanlisque  procnl  Ttiedio  de  gurgite  7uuntis.,  C/assi- 
btis  inter  quos  Hier  pafet  ext'tus  i7ige77S,  hisula  cu7iiu7iclis  lavieii  ex 
his  7ina  videtur.  Lachniann  hat  mit  Recht  an  dem  Participium  exsfan- 
tis  Anstofs  genommen,  aber  seine  Conjectur  exsUml  usque  gewährt 
nur  eine  unzureichende  Hilfe,  da  nsqtie  nicht  blofs  iiberllüfsig,  son- 
dern geradezu  störend  ist;  ferner  ist  mo7ites  ein  ganz  ungewöhnlicher 
Ausdruck,  da  nur  von  Felsen  im  Meere  die  Rede  ist;  endlich  wird 
Lucrez  schwerlich  den  Ausdruck  gurges  so  absolut  vom  Meere,  welches 
vorher  noch  nicht  erwähnt  war,  gebraucht  haben;  anderwärts  wenig- 
stens findet  sich  ein  passender  Zusatz,  Avie  V,  387  ex  allo  gurgite 
pontt,  oder  482  salso  suffudit  gurgite  fossas.  Mir  scheint  der  Fehler 
viel  tiefer  zu  liegen,  ich  vermuthe  daher; 

ExstaTit  sie  scopuli  7nedio  de  gurgite  pon  ti. 
In  anderer  Weise  ist  7nontis  VI,  4S9  zu  verbefsern,  wo  Lachmann 
zwar  mit  Recht  die  Conjectur  von  Marullus  Tcan  7nag7ios  7nontis  ver- 
wirft, aber  was  er  selbst  vorschlägt,  tarn  magnis  7iimbis  halte  ich 
für  unzuläfsig,  da  7iimbi  mit  ten}pestas  und  tcnehrae  gleichbedeutend 
sein  würde.     Ich  lese; 

Hmid  igitur  mirurnst.,  si  parvo  tempore  saepe 

tarn  711  ug7iae   7nolis  tempestas  atque  teu ehrae 

coperiimt  maria  ac  terrus  i7ipensa  supe7'7ie. 
IV,  462:  Cetera  de  genere  hoc  7nira7ide  7nulta  videmus  schreibt 
Lachmann  7niracli.,  was  sehr  gezwungen  ist;  es  war  7niranda  et 
multa,  oder  noch  befser  Tuulta  et  7)iira7ida  zu  lesen,  wie  es  öfter  der 
Umstellung  bei  Lucrez  bedarf;  so  z.  B.  VI,  14:  Nee  miTius  esse  donii 
cuiquam  tarnen  anxia.  corda.  Das  negative  eiiiquam  ist  hier  ganz 
unangemefsen ;  ich  schreibe: 

Nee  7ninus  esse  tame7i  domtii  cuique  anxia  corda 
und  der  Quadratus  hat  glücklicherAveise  die  alte  Form  doinui  hewahrt, 
über  welche  ich  auf  Ottos  Bemerkung  bei  Osann  zu  Cicero  de  Republ. 
I,  40  verweise. 

IV,  1129:  Et  bene  parta  palrum  fmnt  anademata^  mitrae ,  In- 
terdum  in  palla7n  atque  alidensia  chiaque  vertunt.  Hier  schreibt 
Lachmann  nach  Pellissiers  Vorgange  Cia  oder  Cea ;  aber  gesetzt 
auch  dafs  Plinius  oder  auch  schon  Varro  durch  eine  falsche  Les- 
art bei  Aristoteles  getäuscht  die  Erfindung  dieser  feinen  Gewän- 
der   der    Insel    Keos    zugeschrieben    haben,    so    folgt   doch    daraus 

21* 


324  Lachmann:  T.  Lucretius  Carus. 

nicht  tUifs  wir  durch  Conjeclnr  dem  Lucrez  einen  gleichen  Irlhuni 
aufdränoen  dürfen,  sondern  entweder  mülsen  wir  die  handschriftliche 
Ueberlieferung  gelten  lafsen,  wenn  anch  sonst  nns  nichts  von  kost- 
baren Gewändern  aus  Chios  bekannt  ist,  oder,  wenn  wir  zur  Con- 
jeclnr unsere  Zuflucht  nehmen ,  ist  Coa  zu  lesen.  Noch  weniger  ist 
Lachmann  in  der  Verbefsernng  von  alidensia  glücklich  gewesen ,  in- 
dem er  an  den  Buchstaben  haftend  alideusia,  d.  i.  aXiöevaia  (ein  ganz 
unerhörtes  Wort  für  aXißcmxa)  vorschlägt.  Ich  glaube  auch  hier 
läfst  sich  die  Hand  des  Dichters  mit  ziemlicher  Sicherheit  herstellen ; 
ich  vermulhe: 

mlerdum  in  pallani  ac  levidensia  Coaque  vertunt. 
Ebenso  wenig  kann  ich  im  folgenden  zu  Vs.  1152  Lachmann  bei- 
pflichten, wo  er  in  der  Lesart  der  Handschr.  ut  quae  corporis  sunt 
eitis,  quam  ppetis  ac  vis  zu  finden  glaubt:  si  quam  petis  ac  vis.  Aber 
dann  müste  man  eins  mit  corporis  verbinden,  was  äufserst  matt  ist. 
Vielmehr  ist  eius  von  corporis  abhängig,  bezieht  sich  auf  die  Ge- 
liebte.   Es  war  zu  schreiben: 

Aut  quae  corporp  sunt  eius .^  quam  deperis  ac  vis. 
Deperire  haben  in  diesem  Sinne  nicht  blofs  die  Komiker  gebraucht, 
auch  CatuU  sagt  35,  11:  Quae  nunc,  si  mihi  vera  nuntiantur .,  lllum 
deperit  inpotente  amore  und  100,  1:   Coelius  Auftlenam  et  Quintius 
Aufilenam  Flos  Veronensum  depereunt  iutenum. 

V,  175.  176  hat  Lambin  mit  Fug  und  Recht  nach  Vs.  169  ge- 
stellt, und  zugleich  mit  gewohntem  Kennerblick  erkannt,  dafs  an 
credo  unlateinisch  sei,  doch  dürfte  ^<  credo,  obwohl  von  Lachmann 
gebilligt,  ebenso  wenig  das  rechte  treffen;  ich  lese: 

An  caeca  in  tenebris  vita  ac  maerore  iacebat. 
V,  201  hat  Lachmann  für  das  fehlerhafte  inde  avidam  partem 
montes  silvaeque  ferarum  Possedere  vermuthet  inde  aliquam  partem., 
nach  meinem  Gefühle  äufserst  hart ;  aber  aufserdem  ist  silvae  ferarum 
ein  ganz  ungewöhnlicher  Ausdruck.  Ich  habe  schon  vor  langer  Zeit, 
als  ich  eine  Fortsetzung  meiner  Lucretiana  zu  geben  beabsichtigte, 
vermuthet: 

Dividu am  partem  montes  silvaeque  feraeque 
possedere 
und  hierzu  folgendes  bemerkt:  *  ut  dixerit  poeta  dimidiam  terrae 
partem  occupatam  esse  montibus,  silvis  ,  paludibus,  mari :  rursus  ex 
iis  quae  supersint  duas  partes  vel  propter  frigus  vel  propter  aestum 
inhabitabiles  esse,  ut  vix  sexta  pars  hominibns  ad  colendum  sit  con- 
cessa.  lam  ubi  poeta  montium  et  silvarum  mentionem  fecit,  licuit 
etiam  feras  adiungere,  quae  incolunt  illas  regiones  nee  sinunt  ab 
hominibus  habitari.' 

V,  311:  Denique  non  monimenta  virum  dilapsa  videmus,  Quae- 
rere  proporro  sibi  cumque  senescere  credas?  Lachmann  schlägt  zu 
lesen  vor:  Quae  fore  proporro  v  etitumque  senescere  credas; 
aber  abgesehn  von  der  schwerfälligen  Coustruction  würde  credas 
in  diesem  Zusammenhange  geradezu  fehlerhaft  sein:  es  müste  credi- 


Lachniann:  T.  Liicrclius  Cariis.  32') 

deras  Iieilscn.  Mit  SicIuMlieil  lal'st  sicli  die  Sicllo  kiiiiin  vorltelseni, 
obwulil  der  (jcdankc  klar  isl.  Viclleiclil  kommt  dieser  Vorsncli  dein 
rechten  nahe : 

Denique  von  moiiimenla  virum  dilapsa  videmus 
ticr  q  er  e  proporro  silicumq u e  senesccre  qua d r  a  s ? 
Dafs  silt'ces  glcicli  darauf  l'olfft,  ist  bei  Liicrez  iiieht  hefremdlieli,    zk 
mal  bei  Verschiodeiilieit  der  Ik'.deutiing';  imter  silicnm  quadroe  sind 
grol'sc  Steinquadern  zu  verstehen,   die  als  Fundament  der  Grabdenk 
mäler  dienten.    —    Uebri;^ens  bat  Lacbmann   aueb   anderwiirls  i^(!gen 
<len  riclitis'en  Gebrauch   des  Temi)ora   und   Modi  «ifcfcblt,   so  z.  15.  V, 
836  schreibt  er: 

Sic  igilur  mundi  naturam  totius  aelas 
mutat^  et  ex  alio  terram  Status  excipit  aller ^ 
quod  pute  uti  nequeat^  possit  quod  non  lulit  ante. 
aber  pote  ist  hier  völlig  unstatthaft,  es  niüste  putuü  lieifsen,  wie  die 
Handsclir.    lesen  ;  bei   dieser   Lesart  ist  nur  das  Asyndeton  äufsersl 
hart,  sofern  nenilich  die  Conjunctive   richtic:  sind:  mau   mufs    daher 
mit  Bentley  lesen:  Quod  tulit^  ut  neqiieat^  oder  ^vas  ich  vorschlaffe: 
Quod  potuit^  nef/ifat:potis  est,  quod  non  lulä  ante. 
V,  545:  Vsque  adeo  magni  refert,  qui't  queque  quocat  res.  Lach- 
mann,  der  an  einigen  Stellen  das  Verbum  avere  glücklich  hergestellt 
hat,  will  hier  schreiben:  quid  quaeque  aveat  res,  aber  der  Gedanke 
erfordert  vielmehr : 

Vsque  adeo  magni  refert ,  quae  quidque  gravet  res. 
Ebenso  wenig  passend  scheint,  was  Lachmann  Vs.  538  in  den  Text 
aufgenommen  hat:  quibus  insita  crevit;  vielleicht  ist  qnibus  iiisita 
vi  Sit  zu  lesen.  — -  Lachmann  hat  jenes  Verbum  arere  auch  V,  524 
hergestellt:  sive  ipsi  serpere  possunt  Quo  cuiusque  cibus  vocat  atque 
invitat  aventis  für  euntis:  vielleicht  richtig,  ich  selbst  hatte  früher 
vermuthet:  ■'i 

cibus  vocat  invit atque  volun  t  as. 
Jenes  Verbum  ist  vielleicht  auch  V,  396:  Ignis  eniin  superavit  et  an/- 
bens  multa  perussit,  wo  man  superat  et  lambens  corrigiert  hat,   zu 
restituieren:  Jgnis  enim  superavit  avens  et  multa  peritssit. 

V,  746 :    Tandem  bruma  nives  adfert  pigrumque  rigorem  Redit 
hiemps  sequitur  creditans  hanc  dentibus  algi.    Lachmann,  indem   er 
nach  rigorem  interpungicrt ,   schreibt  jt^ro  d//  hiemps.,  sequitur  cre- 
pitans  hanc  dentibus  algor;  aber  diese  Art  der  Darstellung  ist  matt 
und  zerfahren,  hiemps  steht  ohne  Epitheton  ganz  isoliert  da,  und  die 
Schönheit  der  trefflichen  Schilderung  geht  ganz  verloren.    Ich  glaube 
die  Hand  des  Dichters  läfst  sich  mit  leiser  Aenderung  herstellen: 
Tandem  bruma  nives  adfert  pigrumque  rigorem 
didit:  hiemps  sequitur  crepitans  hanc  dentibus  algu. 
Ebenso  wenig  befriedigt  die  Behandlung  einer  andern  Stelle  V,  886: 
Post  ubi  ecum  validae  vires  aetale  se7iecta  Membraque  deficiunt  fn~ 
gienti  langnida  vita.,  Tum  demum  puerili  acvo  florenta  iuventas  Offl- 
cit  et  molli  vestit  lanugine  ma/as.     Hier  hat  man  pueris  aevo  f/o- 


326  Lachmann:  T.  Lucretiiis  Cariis. 

rente  iucetttas  uccipit  corrigiert,  meines  Erachtens  äufserst  matt 
und  prosaisch,  obwohl  Lachmann  diese  Aenderungen  sämmtlich  gebil- 
ligt hat.  Mir  scheint  in  der  Lesart  der  Handschr.  etwas  ganz  anderes 
zu  liegen: 

Tum  demum  puer  i  laev  ori  flora  iuventas 

ofjicit  et  moUi  veslit  lamiyine  malas. 
Das  Substantivum  laevor  gebraucht  Lucrez  selbst  IV,  552;  florus 
kommt  zwar  bei  diesem  Dichter  sonst  nicht  vor,  aber  die  alte  von 
Probus  gebilligte  Lesart  bei  Vergil  Acn.  XII,  605  v/ar  floros  (jetzt  ßa- 
vos)  crhies,  wo  Servius  andere  Beispiele  aus  Attius  und  Pacuvius  bei- 
bringt; vgl.  aufserdem  Naevius  bei  Nonius  p.  109:  Vtvideam  Volcani 
haec  opera  flora  flammis  fieri. 

V,  1452:  Carmlna,  picturas  et  daedala  signa  polire,  Vsus  et 
impigrae  simul  experienlia  mentis  Paulatim  docuit  pedetcmtim  pro- 
gredientis.  Der  Infinitiv /;o//re  stört  die  Concinnität  der  Rede;  da  die 
Handschriften  polilo  bieten,  so  ist  polüa  zu  andern.  Schwieriger  lafsen 
sich  die  vorhergehenden  Verse  1442  IT.  verbefsern ,  wo  Lachmann 
liest:  lam  mare  velivolis  {lorebat  puppibus^  et  res  Auxäia  ac  socios 
iam  paclo  foedere  habchant^  wo  jedoch  res  entschieden  misfällt; 
vielleicht  ist  zu  lesen  :  ßorebal  p  r  o  ribu^:  reges  Äuxilia  u.  s.w. 
Denn  dafs  wehen  prora  auch  eine  Yovm  proris  im  alten  Latein  existierte, 
hat  Lachmann  selbst  zu  II,  553  wahrscheinlich  gemacht.  Die  Erwäh- 
nung der  Könige  an  dieser  Stelle,  während  doch  schon  oben  Vs.  1136 
von  der  Vertreibung  der  Könige  die  Rede  ist,  kann  bei  der  Verwir- 
rung, in  welcher  die  einzelnen  Abschnitte  dieses  Buches  überliefert 
sind,  nicht  befremden. 

VI,  242:  Et  monimenta  vir  um  commoliri  alque  eiere  ^  Exani- 
mare  homines^  pecudes  prosternere  passim.  Lachmann  sucht  hier  den 
Fehler  ganz  an  der  falschen  Stelle,  indem  er  et  lamenta  virum 
schreibt,  was  hier,  wo  die  zerstörenden  Wirkungen  des  Blitzes  be- 
schrieben werden,  ganz  unpassend  ist;  noch  gesteigert  wird  das  un- 
gehörige durch  die  Verbindung  mit  commoliri^  Avas  stets  eine  beab- 
sichtigte Wirkung  bezeichnet,  wie  gleich  Vs.  255:  Cum  commoliri 
tempestas  fulmina  coeptaf.  Die  Erwähnung  der  Grabdenkmäler  (wo- 
nimenta  virum)  ist  dagegen  durchaus  angemefsen,  der  Fehler  liegt 
also  in  den  beiden  Verbis;  ich  vermuthe: 

Et  movimenta  virum  i->i  commolere   ac  viliare 
oder  auch  demoliri  ac  viliare.     Commolere  findet  sich  zwar,   soviel 
ich  weil's,  erst  bei  ColumcUa,  aber  das  Alter  des  Verbums  wird  durch 
die  dea  Commolenda  hinlänglich  bezeugt. 

VI,  421:  Allaque  cur  plerumque  pefit  loca,  plurimaque  plus 
Montibus  in  summis  vesligia  cernimus  ignis?  Lachmann  hat  mit  Wahr- 
scheinlichkeit eius  für  plus  geschrieben ,  doch  ist  es  hart  eius  mit 
ignis  zu  verbinden.  Aufserdem  vermifse  ich  hier  jene  Gleichmäfsig- 
keit  der  Darstellung,  die  Lucrez  entschieden  liebt.  In  den  unmittel- 
bar vorhergehenden  Versen  hat  er  stets  hervorgehoben,  dafs  der 
Blitz  nicht  nur  im  allgemeinen  heilige  Orte  treffe,   sondern  insbeson- 


Laclininiin  :  T.  F.iicroliiis  Canis.  r,-27 

tlere  auch  dem  .Iiippiter  ffcwcililo  llcilijillii'imor  viM-lelzc:    so  crwiirUI 
man  auch  hier,  dal's  iiel)eii  dem  allscmeiiieii  etwas  speciell  den  Juppi 
(er  bed'elVeiides  erwähnt  werde.    Man  könnte  vermulhcii: 

Altoqne  cnr  pleruinque  pi'tit  loca  pliiriitKKjue  eins 

quercubus  m  sumrihs  vestüjia  ccniivnts  /(/nis? 
wo  eins  mit  qncrculmx  zw  verbinden  ist,  um  den  dem  .luppiter  «ge- 
weihten Baum  zu  bezeichnen.  Ganz  diescll)e  Arguuieutalion  finden 
wir  auch  bei  Aristopbanes  in  den  Wolken  aii<>ewan<U  Vs.  400:  ^Akkcc 
rov  avTOv  ys  vbmv  ßaikec  Kai  Uovviov,  ay.^ov  A'&i]vkov ,  aal  rag 
^Qvg  Tag  fieydXag'  ri  (xa^cov;  ov  yccQ  dr]  ÖQvg  y    iTCiOQXEi. 

VI,  548:  qnoniatn  plaustris  connissa  tremiscufit  Tevla  piam 
propter  non  nif/ijuo  pondere  lata.  Lachmann  schreibt  plauslri .,  aber 
diesen  Genetiv  mit  pondere  zu  verbinden  wäre  änlsersl  hart,  plaustris 
ist  ganz  richtig-,  nur  mufs  man  uiota  anstatt  tota  lesen.  Weit  schwie- 
riger ist  die  Herstellung  der  folgenden  Verse:  Nee  viinus  exiilUintes 
dupuis  eumqne  rim  Ferralos  utrimque  rotxrrum  succiilit  orbes.  Lach- 
inanns  Versuch :  Nee  minus  e xul tanl.,  etuhi  lapi''  eumqne  viai 
II.  s.  w.  befriedigt  nicht,  denn  dann  würden  auch  diese  Verse  auf  die 
Erschütterung  der  Häuser  sich  beziehn,  während  sicherlich  ein  an 
deres  Beispiel  hier  angeführt  ward;  und  aufserdem  bleibt  die  Schwie- 
rigkeit, welche  in  utrimque  liegt,  nach  wie  vor.  Ich  habe  ver- 
muthet: 

Nee  minns  exultant  rnpis,  nhic u m q n e  via i 

ferratos  auriga  rolarum  suecutit  orbes. 
Exultant  rnpis  halte  ich  für  sicher,  das  übrige  befriedigt  mich  selbst 
nicht  recht. 

VI,  662:  Nimirum  quia  sunt  muUarum  semina  rerum  Et  satis 
haec  tellus  morbi  caelumque  mali  fert,  Vnde  queat  vis  immensi  pro- 
creseere  morbi.  Lachmann  hat  in  dem  mittlem  Verse  orbi  Cwas  ent- 
schieden verwerflich  ist,  da  von  den  Krankheiten  des  menschlichen 
Körpers  die  Rede  ist),  passender  Marullus  nobis  für  morbi  geschrie- 
ben. Aber  es  bedarf  gar  keiner  Aenderung,  nur  können  freilich  beide 
Verse  nicht  nebeneinander  ihren  Platz  behaupten,  sondern  wir  haben 
eine  Dittographie  aus  alter  Zeit  vor  uns,  wo  schon  die  alten  Gramma- 
tiker nicht  wüsten,  welchem  Verse  sie  den  Vorzug  geben  sollten. 
Ganz  ähnlieh  verhält  es  sich  VI,  530: 

Et  vis  magna  geJi.,  magnum  duramen  aquarum. 

Et  mora ,  quae  ßnrios  passim  refrenat  euntis. 
In  den  Versen   übrigens,    welche  diesen  zunächst  vorhergehn,  nimmt 
Lachmann  mit  Recht  an  dem  Adverbinm  stirsum  Anstofs  und  schreibt 
beidemal  enrsu ;  mir  scheint  weit  angemefsener : 

Cetera  quae  sorsum  erescunl  sorsumque  creanlur, 

et  quae  concrescunt  in  nubibus. 

VI,  898:  quia  multa  quoque  in  se  Semina  habent  ignis  sfuppac 

taedaeque  tenentes.    Lachmann  liest  tepenlis,  aber  man  erwartet  dort 

ein  Epitheton  zu  taedae ,  also  wohl  stuppae  taedaeque  trementes. 

VI,  906:   Quod  superest^   agere  ineipiam  quo  foedere  fiat  Natu- 


328  Bernays:  T.  Lucretius  Carus. 

roe,  lapis  hie  ut  ferrum  ducere  possä,  Quem  Magneta  vocant  patrio 
de  nomine  Grai,  lllagnetuni  quia  ßt  patriis  in  (inibus  ortus.  Was 
Lachmanii  aus  Conjectiir  in  den  Text  aufgenommen  hat,  fit  .  .  .  ortu^ 
scheint  mir  nicht  mehr  lateinisch  zu  sein ,  als  fit  .  .  .  ortus.  Die  Be- 
nennung- des  Magnets  leiteten  im  Aiterthume  einige  von  den  asiani- 
schen  Magneten,  andere  von  3Iagnesia  in  Thessalien  ab;  vgl.  die  Ab- 
handlung über  den  Magnet  in  Wolfs  Museum  der  Alterthumswifsen- 
schaft  II  S.  42  fi".  Welcher  Ansicht  Lucrez  gefolgt  ist,  zeigen  ganz  klar 
die  eignen  Worte  des  Dichters;  gerade  aber  der  thessalische  Magnet- 
stein nuifs  durch  besondere  Kraft  ausgezeichnet  gewesen  sein,  wäh- 
rend der  asianische  nur  schwach  wirkte,  daher  auch  Plinius  Nat. 
Hist.  XXXVl,  128  diesem  die  fünfte,  jenem  die  zweite  Stelle  un- 
mittelbar nach  dem  aethiopischen  Magnet  anweist.  Ich  schlage  daher 
zu  lesen  vor: 

Magnelum  quia  fit  patriis  in  finibu''  fortis. 


Diese  Beurtheilung  war  niedergeschrieben,  als  mir  die  neuste 
Ausgabe  des  Lucrez  von  Hrn.  Jacob  Bernays  zukam,  welche  aller- 
dings im  wesentlichen  an  Lachmanns  Text  sicii  anschliefst,  aber  doch 
so,  dafs  man  überall  die  Spuren  selbständiger  Forschung  wahrnimmt; 
hat  doch  der  Herausgeber  sich  schon  seit  längerer  Zeit  mit  dem  Stu- 
dium dieses  Dichters  beschäftigt,  wie  schon  die  Abhandlung  über  die 
Handschriften  des  Lucrez  im  fünften  Jahrgang  des  Rheinischen  Mu- 
seums (1847)  zur  Genüge  beweist.  Ich  hätte  freilich  gewünscht,  Hr. 
Bernays  hätte  sich  noch  entschiedener  von  Lachmanns  Arbeit  cman- 
cipiert,  und  lieber  an  den  schwierigem  Stellen  die  verderbte  hand- 
schriftliche Lesart  in  den  Text  aufgenommen,  statt  durch  eine  unsichere 
Conjectnr  den  Schaden  künstlich  zu  verdecken.  Noch  nothwendiger 
aber  wäre  es  gewesen,  dafs  Hr.  B.  in  der  Vorrede  (oder  auch  unter 
dem  Texte)  kurz  die  Stellen  bezeichnet  hätte,  wo  er  von  Lachmanns 
Hecension  abgewichen  ist.  Die  Entschuldigung,  welche  Hr.  B.  in  der 
Vorrede  geltend  macht,  dafs  die  Einrichtung  der  Teubnerschen  Samm- 
lung dies  nicht  gestattet  habe,  ist  nicht  recht  begründet,  wie  dies 
andere  Auggaben  dieser  Sammlung  darthun,  und  wir  wünschen  nur, 
dafs  das  Versprechen,  an  einem  andern  Orte  die  vorgenommenen  Aen- 
derungen  genauer  zu  begründen,  baldigst  in  Erfüllung  gehe.  In  der 
Vorrede  (die  übrigens  hinsichtlich  des  lateinischen  Ausdrucks  viel  zu 
wünschen  übrig  läfst)  spricht  der  Herausgeber  sich  nur  über  einige 
Punkte  aus,  worin  er  weiter  als  Lachmann  gehen  zu  müfsen  geglaubt 
habe:  ^Ac  primum  quidem  saepius  quam  Lachmannus  fecit  graviorcs 
corruptclas  a  prava  vicinorum  vocabulorum  ileratione  repetivi',  womit 
ich  im  allgemeinen  einverstanden  bin,  dann:  "^Pergimus  ad  alterum  cor- 
ruptelarum  genus,  quod  versatur  in  insiticiis  et  vocabuüs  et  versi- 
culis:  hoc  quoque  genus  aliquante  latius  patere  puto,  quam  id  per- 
sequi   volnit  Lachmannus'.     Dagegen  erklärt  Hr.   B.  weniger  oft  als 


Beriiays:  T.  Liicrclius  Carus.  329 

Lachmann  gellian  lial ,  von  der  Umslt^lliing-  einzelner  Verse  Gebraucli 
gema(  lif  zu  liaben. 

Icli  will  nur  einige  Siellen  herausheben,  und  zwar  zunächst 
solche,  welche  ich  so  eben  in  meiner  Beurlheilung  der  Lachmannschen 
Ausgabe  berücksichtigt  habe,  um  das  Verfahren  des  Hrn.  ß.  kurz  zu 
charakterisieren.  So  hat  llr.  13.  11,  28  ebenfalls  erkannt,  dafs  arqua- 
taque  zu  lesen  sei;  III,  198:  At  contra  lapidum  conlectum  Cauru' 
movere  Noenu  polest,  was  nicht  die  geringste  Probabilittit  hat;  III, 
444:  Corpore  qui  noslro  rarus  magis  usque  liquescit,  gewis 
nicht  richtig;  IV,  77:  Scaenai  speciem  dar  am  variamque  deor- 
sum  —  mage  sunt  inciusa  iheatri  Moenia;  IV,  633:  Nunc  a.'iis 
alius  qui  sit  cibu''  supp edit atus:  ebendaselbst  hat  llr.  B.  mit  Un- 
recht Lachmann  folgend  die  handschriftliche  Lesart :  Tanfaque  in  his 
rehns  dislanlia  differitasque  est  verlafsen;  dagegen  verwirft  er  Vs. 
638  mit  Recht  Lachmanns  absonderliche  Conjectur  Est  aliquae  nt  ser- 
pens,  aber  was  er  selbst  vermuthet  üe dient  ut  serpens  hat  wenig 
Probabilität.  Mit  Sicherheit  läfst  sich  die  Stelle  nicht  verbefsern,  ich 
komme  vielleicht  ein  andermal  darauf  zurück.  V,  201:  Inde  avide 
parteni ;  V,  312:  Quare  proporro  sibi  cutnque  senescere  credas, 
aufserdem  wird  aber  der  ganze  Vers  als  unecht  bezeichnet.  VI,  490 
schreibt  auch  Hr.  B.  Tarn  magnae  molis,  und  ebenso  527  quae 
seorsum  crescunt  seorsumque  creanlur.  VI,  899:  Semina  lia- 
bent  ignis  stuppae  taedaeque  latentis. 

In  der  Vorrede  behandelt  Hr.  B.  eine  Stelle  genauer:  II,  42.  43, 
wo  er  Lachmanns  sinnreiche  Conjectur,  die  auch  Spengel  gebilligt 
hatte,  verwirft;  aber  auch  den  Vorschlag,  den  Hr.  B.  vorträgt,  kann 
ich  nicht  gutheifsen.  Wenn  derselbe  sich  die  römische  Heeresordnung 
vergegenwärtigen  will,  wird  er  sehen,  dafs  die  subsidia  das  zweite 
und  dritte  Treffen  oder  die  Reserven  bezeichnen,  die  eben  daher  nicht 
im  Gegensatz  zu  dem  ersten  Treffen  hastata  genannt  werden  können. 
Die  Stelle  mufs  auf  andere  Weise  geheilt  werden,  vor  allem  aber  ist 
der  Vers  : 

Fervere  cum  videas  classem  lateqne  vagari^ 
den  die  Herausgeber  aus  Nonius  aufgenommen   haben,  zu  entfernen, 
da  er  nichts  weiter  als  eine  Dittographie  von: 

Fervere  cum  videas ,  belli  simulacra.  dentis 
ist,  denn  classem  bezeichnet  in  diesem  Verse  das  Heer,  nur  wird 
dann  auch  der  vorhergehende  Vers  sowie  die  nachfolgenden  eine  et- 
was andere  Fafsung  gehabt  haben.  —  11,  547  hat  Hr  B.  sehr  unrecht 
gethan  Lachmanns  Conjectur  si  manticuler  (^sumant  oculid'w  handschr. 
Lesart)  in  den  Text  aufzunehmen.  Wenn  Lachmann  sich  etwas  mehr 
mit  der  Erforschung  der  Etymologie  beschäftigt  hätte,  so  w^ürde  er 
erkannt  haben,  dafs  manticulari,  mag  es  auch  immerhin  in  den  Glos- 
sarien durch  T£%va^ofiai  erklärt  werden,  niemals  in  dem  hier  gefor- 
derten Sinne  gebraucht  werden  kann;  es  ist  nemlich  inanticulari  von 
maneo,  manfo  abzuleiten,  bedeutet  also  nichts  weiter  als  'auflauern, 
insidinri'.    Bei  Lucrez  ist  vielleicht  zu  schreiben: 


330  Bernays:  T.  Lucretius  Canis. 

Quippe  etenim  sumam  iiocuum  fhiita  per  omne 

Corpora  iactari  imius  genitalia  rei. 
Die  Form  vocmim  hat  sich  zwar  sonst,  wie  es  scheint,  bei  Liicrez 
nirgends  erhalten,  aber  gerade  die  offenbar  alte  Verderbnis  der  vor- 
liegenden Stelle  mag  die  alterlhümliche  Schreibart  geschützt  haben. 
In  Plautus  Trinummus  Vs.  11  habe  ich  vocivas  auris  hergestellt  [vgl. 
diese  NJahrb.  Bd.  LX  S.  255.  LXVi  S.  206]  und  ebenso  ist  auch  bei 
Terenz  Heaut.  I,  1,  38  vocivotn  aus  dem  Bembinus  zu  verbefsern.  — 
11,  940  hätte  Hr.  B.  nicht  so  rasch  Lachmanns  Conjectur  aethraque 
creatis  in  den  Text  aufnehmen  sollen,  denn  diese  Bedeutung  von  aetkra 
=  ignis  ist  nicht  nachweisbar.  —  III,  84  schreibt  Hr.  B. :  Rumpere 
et  in  summa  pielafem  evertere  clade;  so  habe  auch  ich  die  Stelle 
verbefsert.  —  IV,  622  hat  Hr.  B.  Lachmanns  Conjectnr :  Vmida  linguai 
circum  sidentia  templa  gehWl'igl^  es  war  vielmehr  sj^^ew  f««  zu 
schreiben.  —  IV,  680  hat  Hr.  B.  zwar  mit  Recht  Anstand  genommen 
Lachmanns  Conjectur  dicif,  gutzuheifsen,  aber  die  Vulgata  ist,  wie 
Lachmann  richtig  gefühlt  hat,  unznläfsig;  es  war,  was  Lachmann 
selbst  beiläufig  erwähnt,  für  tulerit  zu  schreiben:  tum  fissa  ferarum 
Vngula  quo  tetulit  gressum  permissa  canum  vis  Ducit.  Aehnlich 
verhält  es  sich  mit  einer  andern  Stelle:  VI,  519,  wo  Hr.  B.  richtig  er- 
kannt hat,  dafs  atque,  was  Lachmann  für  at  empfahl,  unstatthaft  sei; 
nur  hat  die  Aenderung  des  Hrn.  B.  At  r  efuanere  wenig  Wahrschein- 
lichkeit; es  ist  wohl  zu  lesen:  At  tetinere  diu  phwiae  longumque 
morari  Coiisuerunt,  wo  das  Perfectum  tetinere  aoristisch  gebraucht 
ist  für  teuere  solent.  —  V,  154  möchte  ich  statt  tenuest  si  corpu'' 
deorum  lieber  tenues  ceu  corpu^  deorum  lesen.  • —  V,  851:  Mutua 
qui  mutent  inter  se  gaudia  uterque,  habe  ich  in  ganz  gleicher 
Weise  verbefsert.  —  VI,  460  kann  ich  mich  nicht  davon  überzeu- 
gen, dafs  die  unklare  Fafsung  von  der  Hand  des  Dichters  herrühre; 
ich  lese : 

Fit  quoque  uti  montis  iiicina  cacumina  caelo 

quam  sint  e dita  qu aeque  m a g i s,  tanto  m ag i''  f u m e n l. 
—  VI ,  818  mufs  man  für  alitibus  vielmehr  halitibus  lesen ,  denn 
wenn  auch  in  den  Handschr.  zuweilen  alare ,  exalare  u.  s.  w.  sich  fin- 
det (vgl.  Lachmann  zu  III,  341),  so  mufs  man  doch  hier  jedem  Misver- 
ständnisse  vorzubeugen  suchen. 

Doch  ich  schliefse,  indem  ich  den  schon  ausgesprochenen  Wunsch 
wiederhole,  dafs  Hr.  Bernays  seine  Studien  auch  fernerhin  der  Kritik 
und  zugleich  der  bisher  über  Gebühr  vernachläfsigten  Exegese  des 
Lucrez  zuwenden  möge. 

Freiburg  im  Breisgau.  Theodor  Beryk. 


Programmenschau.  331 


P  r  0  g  r  a  m  ni  e  n  s  c  ii  ix  ii. 


[Fortsetzung.] 

Kine  sehr  bcachtenswerthe  Abhandlung  ist  die  im  Cobienzer  Pro- 
gramm von  1852:  A.  Flock:  de  iemporum  ratione  verbi  ^ravci  et 
latini  in  Universum  ac  separatim  de  üs  enuntiatis  ,  in  quibus  aoristus 
praeteriti  iterationis  vel  diuturnitatis  si^nijleationcni  habere  videtur 
(25  S.  4),  beachtenswerth  wegen  des  Scharfsinns,  mit  welchem  ebenso 
die  bisher  aufgestellten  Theorien,  wie  die  .Spracherscheinungen  be- 
handelt werden.  Der  Inhalt  des  allgemeinen  Theils  ist  in  der  Haupt- 
sache folgender :  Die  Verba  zerfallen  in  zwei  wesentlich  verschiedene 
Clafsen,  die,  welche  eine  Handlung,  und  die,  welche  einen  Zustand 
ausdrücken,  und  dies  ist  von  gröfster  Wichtigkeit  für  die  Tempus- 
lehre (.*!'.  2).  Nicht  der  allgemeine  Begrilf  der  Zeit  stellt  sich  dem 
Geiste  unter  dem  Bilde  einer  mathematischen  Linie  dar  —  denn  von 
den  drei  in  ihn  fallenden  Begrillen,  Beharrlichkeit,  Folge  und  Zu- 
gleichsein, läl'st  der  letztere  dies  nicht  zu,  weil,  was  zu  gleicher  Zeit 
geschieht,  nicht  in  eins  verschmilzt,  sondern  geschieden  bleibt  — , 
wohl  aber  die  Handlung  und  der  Zustand.  Wie  die  Bewegung  eines 
Punktes  die  Linie,  so  erzeugt  die  wirkende  Ursache  die  Handlung. 
Der  Zustand  ist  die  gebildete  Linie  und  an  ihm  wird  wie  bei  dieser 
nur  die  Ausdehnung  nach  einer  Richtung  aufgefal'st.  Die  Linie  ist 
begrenzt,  wenn  die  Endpunkte  und  die  stetige  Ausdehnung  dazwi- 
schen ins  Auge  gefafst  werden,  unbegrenzt,  wenn  nur  die  Richtung; 
eben  so  können  Handlung  oder  Zustände  so  bezeichnet  werden ,  dafs 
bestimmt  angegeben  wird,  in  weichem  Momente  ihrer  Dauer  sie  zu 
denken  seien,  oder  nur  einfach,  ob  sie  gegenwärtig,  vergangen  oder 
zukünftig  (§.  3).  Darauf  gründet  sich  folgende  Eintheilung  der  Tem- 
pora: A)  Tempora  definitae  rei.  I.  Tempora  rei  inchoatae  ac  duran- 
tis:  1)  Praesens  rei  inchoatae  ac  durantis:  scribit;  yQcccpsi,  2)  Prae- 
teritum:  scribebat ;  sygccqjsv.  3)  Futurum:  scribet;  yqätpst,  II.  Tem- 
pora rei  finitae  s.  perfectae:  1)  Praes.  scripsit,  ytyQKcpsv.  2)  Praet. 
scripserat,  tysy^ärpii.  3)  Fut.  scripserit,  ysygacpcog  lazai.  III.  Tem- 
pora rei  inchoandae  s.  futurae:  1)  Praes.  scripturus  est,  fifklsi  yQÜ- 
(pstv.  2)  Praet.  scripturus  erat,  ffiskls  yqciqpsiv,  3)  Fut.  (i^XXijosi 
ygücp^iv.  B.  Tempora  infinitae  rei  s.  aoristi.  1)  Praes.  scribo,  ygdcpco. 
2)  Praet.  scripsi,  sygaipa.  3)  Fut.  scribam,  ygäipxo  (§.  4).  Solche 
philosophische  Bestimmungen  sind  nothwendig,  weil  der  Geist  zwar  in 
manchen  Dingen  frei,  aber  in  andern  an  ewige  Gesetze  gebunden  ist. 
Die  Verschiedenheit  der  einzelnen  Sprachen  ist  kein  Grund  dagegen, 
da  bei  den  Völkern  das  Ringen  des  Geistes  mit  des  Materie  nicht 
gleich  siegreich  ist  (§.  5).  Es  liegt  diesem  Systeme  im  wesentlichen 
das  von  Harris  (Hermes  or  a  philosophical  inquiry  concerning  univer- 
sal grammar.  London,  1751)  zu  Grunde;  von  Herm.  Schmidt  (Doctri- 
nae  temporum  verbi  graeci  et  latini  expositio  historica.  Halle  1836 — 
42  und:  Der  griechische  Aorist  in  seinem  Verhältnisse  zu  den  übri- 
gen Zeiten)  hat  es  die  tempora  rei  inchoandae,  und  stimmt  mit  dem- 
selben über  die  tempora  rei  perfectae  in  der  Hauptsache  überein, 
weicht  dagegen  über  die  tempora  rei  durantis  und  die  Aoristi  wesent- 
lich ab.  Der  Hr.  Verf.  verwirft  die  Eintheilung  in  tempora  absoluta 
und  relativa  und  erkennt  keine  andere  Relation  als  die  auf  Vergan- 
genheit, Gegenwart  und  Zukunft  an,  diese  findet  er  aber  auch  bei 
den  Aoristen  und  unterscheidet  sie  deshalb  von  den  Temporibus  der 
andern  Klasse  dadurch,  dafs  bei  ihnen  die  ganze  Sache  ohne  Rück- 
sicht auf  die   einzelnen    Theile   in    eine  der  drei  Zeiten  verlegt  werde 


332  Programmenschaii. 

(§.  8).  Den  von  Schmidt  aufgestellte»  Unterschied  zwischen  Imper- 
fect  und  Aor.,  dafs  wer  das  erstere  gebrauche,  propter  condicioncm 
adiunctam  actioni,  in  media  rc  et  semct  ipsum  et  audicntcs  ponat  et 
quasi  defigat,  wer  den  letzteren,  pro  solius  actionis  natura,  per  me- 
diam  eam  et  ipse  progrediatur  et  audientes  progredientes  faciat  ad 
extrcmam  partem,  verwirft  er,  weil  dem  Geist,  wenn  er  einmal  die 
Wirkung  der  Handlung  ins  Auge  gefafst,  die  Handlung  selbst  als  vol- 
lendet erscheine;  die  Form  des  latein.  Imperf.  (bam  von  fio)  bezeuge, 
dafs  in  ihr  Bewegung  nicht  Ständigkeit  enthalten  sei ;  in  solchen 
Stellen  wie  II.  XXIII,  362  und  Od.  XI,  593  versetze  uns  offenbar  der 
Dichter  in  die  Handlung  und  führe  uns  durch  deren  Verlauf  hindurch 
(§.  9).  Bei  den  tempora  rei  inchoatae  ac  durantis  (§.  7  hat  der  Hr. 
Verf.  gezeigt,  warum  er  diese  Bezeichnung  der:  tempora  delinita  u.  s. 
w.  vorziehen  müfse)  stellt  sich  der  Hörende  vom  Subject,  wenn  es 
handelnd  ist,  vor,  dafs  es  die  Sache  begonnen  habe  und  in  ihr  fort- 
schreite, wenn  es  in  einem  Zustande  ist,  dafs  es  in  demselben  durch 
defsen  ganze  Fortdauer  hindurch  verbleibe;  sie  bezeichnen  aber  auch 
wiederhohlte  Handlungen,  weil  diese  den  Anschein  der  Fortdauer  ha- 
ben, und  eben  so  unterbrochene,  nicht  zu  Ende  geführte  (§.  11).  Bei 
den  temporibus  rei  finitae  s.  perfectae  tritt  der  Unterschied  zwischen 
Handlung  und  Zustand  bedeutsam  hervor.  Denn  der  Zustand  erscheint, 
da  ihm  eine  Wirkung  nicht  folgt,  einfach  als  geendet,  vorübergegan- 
gen; aber  bei  Handlungen  findet  ein  dreifaches  Verhältnis  statt,  in- 
dem entweder  die  Handlung  einfach  vollendet  gesetzt  (dixi),  oder  Vol- 
lendung und  daraus  hervorgegangene  Folge  zugleich  gedacht  (exegi 
monumentum  aere  perennius),  oder  endlich  die  Folge  allein  berück- 
sichtigt wird  (novi,  olda),  so  dafs  also  z.  B.  das  Praesens  actionis 
perfectae  in  das  praesens  conditionis  durantis  übergeht  (<§.  II).  In 
den  übrigen  Temporibus  kommen  die  Resultate  des  Hjn.  Verfafsers, 
so  weit  sie  nicht  schon  oben  bezeichnet  sind,  mit  den  am  meisten  an- 
erkannten anderer  Gelehrten  überein.  Sollen  wir  über  die  aufgestellte 
Theorie  ein  Urtheil  abgeben,  so  müfsen  wir  folgende  Bedenken  erhe- 
ben. Die  Scheidung  zwischen  Verbis,  welche  eine  Handlung,  und 
welche  einen  Zustand  ausdrücken,  ist  zwar  an  und  für  sich  richtig, 
scheint  uns  aber  für  die  Tempuslehre  von  geringerer  Bedeutung,  als 
dem  Hrn.  Verf.,  einmal,  weil  es  Verba  gibt,  die  sich  weder  der  einen 
noch  der  andern  Klasse  unbedingt  zureihen  lafsen  —  ^stehen'  ist  eben 
so  wenig  eigentlich  ein  Zustand  als  'bleiben',  weil  in  einer  Stellung 
beharren  eine  Handlung  ist,  —  sodann,  weil  der  Geist  auch  Zustände 
in  Handlungen  umzusetzen  die  Freiheit  hat  —  denn  wie  viele  intran- 
sitiva  werden  von  Dichtern  als  activa  gefafst!  —  endlich  weil  das 
Verhältnis  zur  Zeit  doch  wirklich  kein  anderes  ist  bei  Handlungen  und 
bei  Zuständen.  Haben  doch  sogar  Zustände  bleibende  Folgen.  Oder 
ist  etwa  quod  natum  est  nicht  vorhanden?  Ist  das  Aufhören  des  Krank- 
seins nicht  die  Ursache  der  Gesundheit?  Ferner:  tiefsinnig  ist  die 
Vergleichung  des  Zeitverhältnisses  mit  der  mathematischen  Linie,  aber 
man  geht  viel  zu  weit,  wenn  man  mathematische  Gesetze  für  jenes 
dem  Geiste  vorgeschrieben  annimmt.  Das  abstracte  Denken  setzt  ein 
unbegrenztes,  unendliches  als  Gegensatz  gegen  das  begrenzte ,  end- 
liche, aber  welche  Handlung,  welchen  Zustand  kann  der  Geist  ohne 
Fortdauer  auffafsen?  So  wenig  als  einen  mathematischen  Punkt,  ver- 
mag er  einen  Zeitpunkt  sich  zu  denken;  selbst  das  Minimum  hat  für 
ihn  Dauer.  Wir  finden  defshalb  den  Ausdruck  'unbegrenzte  That- 
sache'  unangemefsen.  Ist  etwa  das  Zeitverhältnis  unbegrenzt,  wenn 
gesagt  wird:  ivtccv&cc  Bueiva  Kv^og  kkI  tj  GtQKria  rjfi^gag  siv.oaiv'i  Ge- 
ben nicht  die  Sprachen  selbst,  indem  die  allerwenigsten  besondere 
Formen  für   alle   drei   Zeiten    haben ,   um   die  gleichzeitige  Fortdauer 


Pro<?rammonscliaii.  333 

ausziidriicken,  uns  nicht  oiiien  Kinf;orzei{;  daftir,  daf.s  der  Geist  keine 
Handliinj;,  keinen  Zustand  ohne  Koifdancr  dachte.  Wozu  einen  Aorist 
des  Praesens  und  <les  Futurums  annehmen,  wenn  die  Sprache  nur  ein 
Praesens,  nur  ein  l<'uturuni  kennt?  Und  «aruiu  den  {>i  iechischen 
Aorist  als  ein  tempus  rei  infinitae  bezeichnen,  da  doch  der  Zeitraum, 
wälirend  dessen  die  Handlunj;  oder  der  Zustand  dauert,  dabei  ganz 
bestimmt  und  begrenzt  sein  kannV  Die  alten  8praciien,  behaupten  wir, 
kennen  eben  keinen  andern  Unterschied  in  der  Zeit,  als  den  der  Be- 
ziehung oder  Nichtbeziehung  auf  ein  zweites  ,  mag  dies  nun  die  Zeit 
des  si)rechenden  oder  ein  anderes  Factum  sein,  und  vereinigen  mit 
der  Vorstellung  einer  Zeit  zugleich  die  anderer.  So  wird  das  Prae- 
sens, Ausdruck  des  gegenwärtigen  Moments,  zugleich  zur  Bezeich- 
nung dessen,  was  zu  allen  Zeiten  ges(;hieht  und  sich  wiederhohlt,  des- 
sen, was  aus  der  Vergangenheit  in  lebhafter  Schilderung  in  die  An- 
schauung der  Gegenwart  gerückt,  und  dessen,  w  as  als  zukünftig  schon 
in  der  Gegenwart  vorausgesetzt  wird.  Das  Futurum  bezeichnet  ein- 
fach die  Zukunft,  die  Zeit  nach  der  Gegenwart,  mag  die  Handlung 
einen  kurzen  Moment  oder  längere  Zeit  dauern,  mag  sie  mit  anderen 
gleichzeitig  gesetzt  werden  oder  nicht,  mag  sie  der  Gegenwart  näher 
oder  ferner  liegen.  Aber  das  griechische  Perfect  setzt  stets  die  Vol- 
lendung in  Beziehung  zur  Gegenwart  in  den  fortdauernden  Folgen, 
wähi'end  der  Aorist  diese  Beziehung  nie  enthält.  Die  tempora  rei  in- 
choandae  setzen  stets  den  Beginn  einer  Handlung  in  Bezug  auf  eine 
andere.  —  Doch  wir  können  hier  nicht  die  ganze  Tempuslehre  ent- 
wickeln, wir  wollen  nur  Bedenken  gegen  die  aufgestellte  erheben,  Be- 
denken, welche  namentlich  auch  die  Praxis  des  Unterrichts  für  sich 
haben.  Im  Einzelnen  bemerken  wir  noch:  Wenn  Praesens,  Imper- 
fectum  und  Futurum  eine  Wiederhohlung  bezeichnen,  so  hat  dies  sei- 
nen  Grund  zuletzt  doch  nur  in  der  Voraussetzung,  welche  der  Spre 
chende  sich  von  dem  Hörenden  macht ,  mag  man  auch  das  von  dem 
Hrn.  Verf.  zur  ErkL^rung  gesagte  annehmen.  Am  wenigsten  kann  es 
als  ursprünglich  in  der  Bedeutung  mit  liegend  erkannt  werden.  Eben 
jedes  Tempus,  welches  nicht  ein  F'actum  in  Beziehung  auf  ein  be- 
stimmtes anderes  setzt,  macht  die  Voraussetzung  möglich,  dafs  eine 
wiederhohlte  Handlung  gemeint  sei,  daher  im  Griechischen  auch  der 
Aoristus  diese  Bedeutung  annimmt.  Die  in  §.  11  gegebene  Unterschei- 
dung von  drei  Fällen  rei  finitae  bei  den  Verbis,  die  eine  Handlung 
ausdrücken,  erscheint  dem  Ref.  nicht  ganz  richtig,  da  jedes  Perfectum 
die  vorausgegangene  Handlung  mit  ausdrücken  mufs.  Der  Redner, 
welcher  dixi  sagte,  zeigte  dadurch  an,  dafs  er  gesprochen  habe  und 
seine  Rede  also  vollständig  den  Hörern  mitgetheilt  sei,  and  bei  novi 
und  oldcc  setzt  die  Sprache  als  Folge  des  vollendeten  Kennenlernen 
das  bleibende  Bewustsein.  Wenn  wir  dafür  'ich  weifs'  sagen,  so  ver- 
gefsen  wir  das,  woraus  das  Wifsen  hervorgieng,  aber  Römer  und 
Griechen  thaten  dies  nicht.  Wenn  wir  die  rationelle  Behandlung  der 
Tempora,  wie  sie  der  Hr.  Verf.  gegeben  hat,  nicht  ganz  zu  der  un- 
srigen  machen  können,  vielmehr  die  schon  früher  gegebene  als  ein- 
facher und  natürlicher  festhalten  —  die  Tempora  periphrastica  sind 
in  dieselbe  leicht  aufzunehmen  und  bereits  aufgenommen  worden  — , 
so  erkennen  wir  die  vielfache  Belehrung  und  Anregung,  welche  er 
uns  gegeben,  mit  aufrichtigem  Danke  an,  besonders  aber  bringen  wir 
ihn  noch  für  das,  was  er  im  zweiten  speciellen  Theile  aus  sorgfälti- 
ger Beobachtung  des  Sprachgebrauchs  mitgetheilt  hat.  Sehr  interes- 
sant ist  die  Durchführung,  wie  die  Römer  fast  überall  wo  die  Wie- 
derhohlung, die  Dauer,  oder  ein  bestimmtes  Zeitverhältnis  durch  ein 
anderes  Wort  (Adverbium  oder  sonstige  Ausdrücke)  bezeichnet  ist, 
das  einfache  Perfectum  gebrauchen.     Richtig  ist  auch  der  Unterschied, 


334  Programmenschau. 

dafs  das  Imperfectiim  in  solchen  Fällen  bei  ihnen  stets  der  Beschrei- 
bung dient.  Der  griechische  Sprachgebrauch  ist  in  dieser  Hinsicht 
von  den)  der  Lateiner  wesentlich  verschieden.  —  Der  Versuch  ei- 
ner Begründung  der  Fragsätze  in  der  deutschen  und  lateinischen 
Sprache,  welchen  Professor  Leitschuh  dein  Programme  der  Stu- 
dienanstalt zu  Bamberg  beigegeben  (32  S.  41),  empfiehlt  sich  durch 
praecise  Klarheit  und  reiche  Auswahl  von  Beispielen  aufs  vor- 
theilhafteste.  Für  den  Gebrauch  im  Unterrichte  sind  eher  der  Be- 
stimmungen zu  viele,  als  zu  wenige  gegeben.  So  ist  z.  B.  Zusatz  3 
S.  14  mit  Zusatz  1  S.  15  nothwendig  zu  vereinigen,  da  eben  7ie  für 
nonne  nur  in  solchen  Fragen  steht,  bei  welchen  die  Antwort  'ja'  ver- 
nünftiger Weise  erwartet  wird.  Nicht  richtig  finden  wir  es,  wenn 
S.  13  die  von  Kritz  gewählte  Bezeichnung  'Praedicatsfragen'  dadurch 
widerlegt  werden  soll,  dafs  uns  auch  irgend  ein  Praedicat  und  dessen 
Bestimmungen  gegeben  oder  bekannt,  das  dazu  gehörige  Subject  aber 
unbekannt  sein  könne.  In  dem  Satze:  'Hat  Columbus  Amerika  ent- 
deckt?' sind  uns  doch  die  Entdeckung,  Amerika  und  Columbus  für 
sich  bekannt,  aber  es  handelt  sich  darum,  ob  das  Praedicat  mit  sei- 
nem Objecte  dem  Subjecte  mit  Recht  beigelegt  v.erden  könne  oder 
nicht.  Der  von  dem  Hrn.  Verf.  gewählte  Ausdruck  'Bestätigungs- 
frage' (er  schreibt  'Bestättigung')  entspricht  dem  Wesen  der  Sache 
viel  weniger,  als  der  von  Becker  eingeführte  'Verbalfrage',  dem  der 
Ausdruck  'Praedicatsfrage'  als  noch  allgemeiner  und  umfafsender  vor- 
zuziehen ist.  Nicht  genug  hervorgehoben  ist  der  Unterschied  des  la- 
teinischen vom  deutschen  Sprachgebrauch,  wornach  z.  B.  jene  durch 
quis  fragen,  wo  wir  ein  Pronomen  indefinitum  setzen.  —  Recht  er- 
freulich ist  für  den  Ref.  das  gewesen,  was  Dr.  A.  Th.  Wolf  in  dem 
Programm  des  Gymnasiums  zu  Prefsburg  über  die  lateinische  Casus- 
lehre mitgetheilt  hat  (grammatische  Briefe.  I.  15  S.  gr.  8),  weil  sich 
darin  eine  ganz  gesunde,  auf  richtiger  und  scharfer  Beobachtung  be- 
ruhende Praxis  geltend  macht.  Die  ganze  Casuslehre  wird  für  den 
ersten  Unterricht  auf  folgende  5  Regeln  zurückgeführt:  1.  Die  näch- 
ste Nominalbeziehung  steht  mit  ihrem  Bezugswort  in  gleichem  Casus. 
2.  Die  entfernte  Nominalbeziehung  steht  im  Genetiv.  3.  Die  nächste 
Verbalbeziehung  steht  im  Accusativ.  4)  Die  entferntere  Verbalbe- 
ziehung steht  im  Dativ.  5)  Die  entfernteste  Verbalbeziehung  steht  im 
Ablativ.  Sehr  schön  ist  die  Auseinandersetzung,  wie  man  dabei,  wenn 
man  die  richtige  etymologische  Wortbedeutung  von  vornherein  gehö- 
rig einpräge,  ohne  den  Schwall  weitschichtiger  Bestimmungen  und 
irre  führende  Philosopheme  die  Casuslehre  deutlich  machen  und  ein- 
üben könne.  Bei  interest  und  refert  würden  wir  indes  nicht  die  von 
dem  Hrn,  Verf.  S.  7  gegebene  Erklärung,  sondern  die  durch  Beispiele 
selbst  gebotene  Ergänzung  von  causa  annehmen*).   —   Indem  wir  uns 


♦)  Wir  nehmen  hier  Gelegenheit  die  übrigen  in  den  beiden  Pro- 
grammen derselben  Anstalt  von  1851  und  52  enthaltenen  wifsenschaft- 
lichen  Abhandlungen  zu  erwähnen.  Rücksichtlich  der  grammati- 
schen Briefe  IL  Ueber  die  Aussprache  der  griechischen 
Diphthonge  1851  S.  13—19)  können  wir  auf  die  durch  sie  veran- 
lafste  gründliche  Abhandlung  von  G.  Curtius  in  der  Zeitschr.  für 
die  österr.  Gymnasien  III,  1851,  1  S.  1—21  (S.  NJahrb.  Bd.  LXV 
S.  317)  verweisen.  Das  Programm  von  1852  enthält  eine  Abhandlung 
von  Dr.  K.  Reichel:  Horatius  und  die  ältere  römische  Poe- 
sie (S.  1 — 14),  eine  recht  gut  geschriebene  Abhandlung,  dafs  und 
warum  Horatius  die  Verdienste  der  alten  römischen  Dichter  nicht  rich- 
tig gewürdigt  habe.      Freilich    hätten    die   letztern  selbst  eingehender 


Programmenscliau.  335 

zu  den  Programmen  mythologischen  und  archaeologischen  Inhalts  wen- 
den, berichten  wir  iiher  zwei  Prograninic  von  Schümann  nach  den 
iiii.s  von  einem  geehrten  IVlilarbeiter  niitgetheilten  Auszügen.  Das  erste 
enthalten  im  Jnd.  lect.  hil).  liSä'2  handelt  de  Pltorcync  eiusque  fumi- 
iia.  Nach  einer  Kinleitiing  über  die  Natur  der  in  der  griech.  Mytho- 
logie vorkommenden  Thiere,  und  naclulem  er  gezeigt,  wie  den  Grad 
der  Verwandtschalt  bei  den  in  der  Hesiodeischen  Theogonie  von 
Phorcys  und  Ceto  abgeleiteten  Ungeheuern  zu  bestimmen  und  so  eine 
ganze  Familie  darzustellen  unmöglich  sei,  stellt  der  Hr.  Verf.  dar, 
wie  zwar  der  Ursprung  jener  Gebilde  'ab  priscorum  hominum  sensu 
atquc  ingenio  quo  vires  naturae  earumque  motus  atque  effcctus  iion 
potcrant  non  personis  qaibusdam  indueic  et  quae  scntirevt,  von  pro^ 
prle,  sed  jiguratc  et  per  imngines  eloquV  abzuleiten,  dal's  aber  d^.w 
Griechen  selbst  bei  der  Ueberlleferung  aus  Asien  die  ursprüngliche 
Bedeutung  derselben  gänzlich  entschwunden  sei,  daher  ihre  bald  wi- 
dersprechenden, bald  willkürlichen,  bald  absurden  Deutungen,  wäh- 
rend wir  durch  die  Möglichkeit  Mythen  verschiedener  Völker  und 
Zeiten  zu  vergleichen  vor  ihnen  einen  wesentlichen  Vorzug  hätten; 
den  Griechen  sei  es  überhaupt  bei  den  Theogonien  und  Mythologien 
meistentheils  nur  auf  eine  Sammlung  und  geschickte  Zusammenstellung 
des  überlieferten,  nicht  auf  eine  Erklärung  und  Ergründung  des  ur- 
sprünglichen Wesens  angekommen ;  so  habe  denn  auch  Hesiod  jene  sa- 
genhaften Thiere,  deren  er  gedenken  muste,  weil  sie  einmal  im  Glau- 
ben vorhanden  waren,  wegen  der  Aehnlichkeit  ihres  Wesens  zu  einer 
von  denselben  Eltern  entsprofsenen  Familie  verknüpft,  dabei  mehr  sei- 
nem eigenen  Urtheile,  als  einer  hergebrachten  und  allgemein  ange- 
nommenen Ansicht  folgend.  Nachdem  sodann  die  Abstammung  des 
Phorcys  und  der  Ceto  von  dem  Meere  und  der  Erde,  ihre  Verwandt- 
schaft mit  Nereus,  Thaumas  und  Eurybia,  deren  Wesen  ebenfalls  ge- 
deutet werden,  und  sie  selbst  als  IMeergötter  und  Vorsteher  der  Meer- 
thiere  bezeichnet  sind,  wird  der  Name  Ceto  gegen  Hermann,  der  den 
Namen  auf  die  Felsen  und  Klippen  unter  dem  Wasser  deutet,  in 
näherer  Uebereinstimmung  mit  Lennep  {Capacina,  continens  in  se 
magna  omnia  atque  immania,  cete  et  huius  gcneris  alia)  von  xijto?, 
das  Meerthier,  abgeleitet.  Gegen  O.Müller,  der  ^6Qy,vg,  ^OQKog  mit 
'^'OQy.og,  Orcus,  zusammenstellt  und  weil  der  Styx  ogtiog  (Hom.  II.  II 
755,  Plin.  H.  N.  IV,  18,  5)  heifse  und  das  Wort,  mit  sgiiog  =  carcer 
verwandt,  loca  inferna  bezeichne,  jenen  als  numen  inferarum  aqua- 
rum  deutet,  beruft  sich  der  Hr.  Verf.  auf  den  von  Buttmann  gelie- 
ferten Beweis,  dafs  der  Styx  nur  als  die  Götter,  welche  bei  ihm 
schwören,  bindend  og-Aog  heifse  und  stellt  ^ögv-vg ,  ^ög-nog  mit  dem 
Digamma  :=  nÖQnvg  (daher  er  auch  den  bei  Alcman  erwähnten  TLoq- 
xog  für  Phorcys  hält,  und  die  Schlange  UoQ-iiTvg,  Lycophr.  347,  hier- 
her zieht)  mit  den  Fischen  "Ognvveg  (Opp.  Hai.  I  183,  III  132,  334), 
Orcyni  (Plin.  H.  N.  XXXII,  11,  53),  Orcae  (Plin.  IX,  6,  5;  auch  des 
italienischen  orca  wird  gedacht)  zusammen ,  so  dafs  sich  also  eine 
gleiche  Ableitung  für  seinen  Namen,  wie  für  Ceto  ergebe.  Auf  einen 
Cult   des   Phorcys   glaubt   er  trotz   des   Mangels  ausdrücklicher  Zeug- 


beurtheilt  werden  müfsen.  auch  sollten  des  Horatius  Oden  wohl  et- 
was vorurtheilsfreier  geprüft  sein ,  indel's  ist  das  ganze  doch  eine  recht 
klare  und  meist  richtige  Darstellung.  Die  zweite  Abhandlung:  Zoo- 
logische Briefe.  I.  Von  A.  Tomaschek  (S.  15—20)  beschäftigt 
sich  mit  der  Hydra  viridis,  und  gibt  von  wifsenschaftHchem  Eifer, 
gründlichen  Studien  und  scharfer  Beobachtungsgabe  ein  rühmliches 
Zeugnis. 


336  Programmenschaii. 

nisse  aus  der  Existenz  der  Hcäfen  auf  Ithaca  (Od.  XIII,  96)  Cephal- 
lenia  (Schol.  ib.)  und  Euboea  (Lycophr.  376)  schliefsen  zu  dürfen. 
Wenn  Piato  ihn  mit  den  Orphikern  zu  den  Titanen  zählt,  aher  ihm 
den  Uranos  zum  Vater  gibt,  so  wird  eine  Verwechslung  angenommen. 
Nach  Erwähnung  der  anderswo  genannten  Kinder,  Thoosa,  Scylla 
(bei  Schol.  Apoll.  IV,  828  wird  ein  Irthum  im  Namen  gefunden),'  der 
Sirenen  und  der  Hesperiden,  wendet  sich  die  Untersuchung  zu  den 
in  der  Theogonie  erwähnten.  1)  Dem  Hesperiden-drachen,  wie 
sein  Schwestersohn  in  Kolchis  (erzeugt  von  Typhoeus  und  Echidna) 
zum  Wächter  der  Gärten  bestellt,  nach  dem  Schol.  Apoll.  IV,  1396 
auch  in  einem  hesiodeischen  Gedichte  Sohn  des  Typhoeus  genannt. 
Der  Name  Addav  wird  auf  Id^fa&ai,  XdßQOg  zurückgeführt,  der  My- 
thus der  Hesperiden  mit  Uebergehung  der  unsicheren  Deutungen  nach 
den  Quellen  erzählt.  '2)  Echidna.  Die  auf  sie  bezüglichen  Verse  in 
der  Theogonie  ordnet  der  Hr.  Verf.  300.  303.  302.  304.  305.  301.  Da 
sie  mit  Typhoeus  vermählt  von  Hesiod  dargestellt  wird,  so  ergiebt 
sich  ihm  für  sie  eine  gleiche  Deutung  ihres  Wesens,  wie  für  diesen: 
die  durch  ihr  Hervorbrechen  Stürme,  Blitze,  Erdbeben  u.  a.  erzeu- 
genden Erddämpfe.  Während  das  von  anderen  ihr  gegebene  Eltern- 
paar: Tartarus  und  die  Erde  (Apollod.  II,  125),  dem  Wesen  der  E. 
mehr  entspreche,  habe  sie  Hesiod  zur  Tochter  der  Ceto  gemacht, 
'quod  qui  deus  immanium  in  mari  monstrorum  dominus  esset,  ipse 
quoque  immanis  et  ad  procreanda  eiusmodi  monstra  praecipue  aptus 
esse  vidcretur''.  3)  Chimaera.  Obgleich  eine  tiefere  Deutung  erst 
von  erweiterter  Kenntnis  des  Lycischen  erwartend ,  erklärt  der  Hr. 
Verf.  sie  für  die  aus  den  Berggipfeln  hervorbrechende  F^euerkraft, 
welche  mit  Schwefelbächen  und  Lavatiüfsen  die  Felder  verwüstet, 
womit  ihre  Gestalt  —  Löwe  und  Drache  —  wozu  die  Griechen  Avegen 
des  verwandten  j;E/uorp90s  die  Ziege  hinzugefügt,  übereinstimmte.  Da 
in  Corinth  der  Cult  der  Sonne  die  höchste  Stelle  einnahm  und  ihr  z. 
B.  auch  Blitz  und  Donner  beigelegt  ward  (Bronte  und  Sterope  ihre 
Rofse  bei  Eumelus),  so  giengen  aus  den  verschiedenen  Seiten  ihrer 
Machtentfaltung  verschiedene  Götter  und  Heroen  hervor,  darunter 
Bellerophontes,  der  entweder  das  schädliche  tödtende  (ßsllsQa  —  i%- 
lega)  oder  das  Licht  bringende  (ß  aus  Digamma).  Bei  der  Chimaera 
thut  dieser  Sonnengott  dasselbe  mit  seinen  Geschofsen,  was  Zeus  beim 
Typhoeus  mit  seinen  Blitzen  (II.  II,  782).  4)  Sphinx.  In  Betreif  die- 
ser werden  die  Ansichten  Hermanns  und  Forchhammers  unentschieden 
neben  einander  gestellt.  5)  Ueber  den  nemaeischen  Löwen  theilt 
der  Hr.  Verf.  Forchhammers  Ansicht,  nimmt  aber  nicht  wie  dieser 
2Jslijvr]  für  das  Thal  von  Nemea ,  sondern  für  den  Älond ,  die  Ursache 
der  Ueberschwemmung,  weil  ihm  überhaupt  Einflufs  auf  die  Wit- 
terung zugeschrieben  und  er  in  jenen  Gegenden  verehrt  worden  sei. 
Hercules,  über  dessen  Mythos  er  seine  Ansicht  auszusprechen  Gele- 
genheit nimmt,  ist  ihm  der  Erbauer  der  grofsen  Abzugskanäle  im 
Lande  der  Pheneaten.  6)  Die  lernaeische  Hydra  wird  gleicher 
Weise  gedeutet  und  dafür,  dafs  sie  der  Dichter  zur  Tochter  des  Ty- 
phoeus und  der  Echidna  macht,  nur  die  Schlangennatur,  nicht  Ver- 
wandtschaft des  Wesens  als  Grund  gefunden.  7)  In  Betreff  des  Ger- 
ber us  zieht  der  Hr.  Verf.  vor  Nichtwifsen  zu  bekennen  statt  die 
zahlreichen  Hypothesen  durch  eine  neue  zu  vermehren.  Ihm  ist  Cer- 
berus  eben  nur  der  Hund,  welcher  das  Haus  des  Orcns  bewacht. 
8)  Orthus  wird  der  Form  "Op'O-pos  vorgezogen.  Geryones  ist  dem 
Pluto  verwandt,  wie  Alcyones  die  Winterkälte  bezeichnend,  deren 
Gröl'se  durch  die  3  Köpfe  angedeutet  ward  (die  Heerde  der  Sonne 
(ihre  Schätze  als  Heerden  gedacht)  hat  er  ihr  entwendet),  Eurytion 
entweder  der   starke    oder    der   Winterregen,    Orthus    der    achtsame. 


Proj^ianinitüiscliau.  337 

aufieclitsitzemle  Wächter,  Enjthiu  ttktu  r$t  a  caeli  vespeitivi  ru/wre, 
quippc  occlüenti  soll  suhiccta.  Den  vciscliiedeiien  An^alx'ii  der  J^aj^e 
glaubt  der  Hr.  Verf.  iSjiureii  eines  alten  Geryoneskultes  in  Griechen- 
land zu  Grunde  lief^eiid  (8icilien,  Orakel  bei  Patavium,  Gebeine  in 
Klis  und  Theben).  9)  Gorgo  oder  Medusa  (die  Annahme  zweier 
verschiedenen  Gorgonengeschlechter  von  Völker  Avird  als  unsicher  <lar- 
gethan),  welche  als  Tochter  von  Meergötteru  und  vermöge  ihrer  V'er 
bindung  mit  Poseidon  demselben  Kreise  von  Naturkräl'teii  angehört, 
fafst  der  Hr.  Verf.  als  die  feuchten  Dünste,  die  aus  dem  Wasser  auf- 
steigen, Perseus  als  die  sie  vernichtende  Sonne.  Die  welche  die 
Athene  als  Herrscherin  der  gesammten  Luft  ansahen,  konnten  sie  nach 
seiner  Erklärung  mit  der  Medusa  als  identisch  fal'seii,  die,  welche 
derselben  nur  über  die  obere  reine  Luft  die  Herrschaft  zutlieilteii, 
als  ihr  feindlich  und  Gehilfin  des  Perseus.  Aus  der  Medusa  bei  ihrem 
Tode  (der  Veinichtuug  der  feuchten  Dünste)  entstehen  der  zum  Him- 
mel steigende  und  dem  Zeus  Donner  und  Ulitz  tragende  Pegasus,  7iu~ 
hes  fulminn  ß;crcns,  und  Chrysaor,  der  Regen  ohne  Jjlitz.  10)  Ganz 
neu  Ist  die  Deutung,  welche  den  Graeen  wird.  Wie  es  nemlich 
Meergötter  gibt,  Fi^üvrii  genannt,  Nereus,  Proteus,  Glaucus, 
welche  den  Menschen  aber  nur  gezwungen  Orakel  ertheilen,  so  be- 
deuten die  Graeen  dieselbe  Kraft,  nur  als  \-\eihliclie  Wiesen  gedacht, 
was  mit  der  Stelle,  welche  sie  in  den  Mythen  von  dem  Zuge  der  Per- 
seus einnehmen,  übereinstimmt.  Verglichen  werden  auch  schon  wegen 
der  Scliwanengestalt  Hagebusch  und  Sigelint,  die  Hagen  im  Nibelun- 
genliede zwingt  ,  ihm  den  Weg  ins  Heunenland  zu  zeigen.  —  In  dem 
zweiten  Programm  (de  lovis  incunabulis ,  Eiuladungsschrift  zur  Feier 
des  Geburtstags  des  Königs  1852)  stellt  der  Hr.  Verf.  die  Mythen 
von  der  Geburt  des  Jupiters  zusammen  und  gewährt  so  einen  voll- 
ständigen Ueberblick  über  die  verschiedenen  Gestaltungen  derselben. 
Wir  heben  hervor,  dafs  Hesiod.  Theogon.  482  nqaxrjv  'dg  di^rrjv 
vorgeschlagen  wird.  Den  nach  Delphi  gebrachten  Stein  betrachtet 
Hr.  Seh.  als  einen  der  in  den  ältesten  Zeiten  als  Götterbilder  ange- 
beteten, die  meistens  vom  Himmel  gefallen  sein  sollen.  Die  Verle- 
gung des  Geburtsorts  nach  Asien  läfst  er  erst  von  der  Zeit  an  einge- 
treten sein,  wo  Rhea  mit  der  lydischen  und  phrygischen  Göttermut- 
ter und  die  cretischen  Kureten  mit  den  phrygischen  Korybanten  ver- 
wechselt worden.  Den  Namen  der  Amalthea  leitet  er  ab  von  ccufia 
und  aX&BLv  =z av^SLV ,  also  alma  viatcr,  der  römischen  Anna  oder  Per- 
enna  entsprechend.  —  Einen  sehr  wichtigen  Gegenstand  behandelt 
in  höchst  beachtenswerthe  Resultate  zu  Tage  fördernder  Weise  das 
Programm  von  Chr.  Walz:  de  Ncmcsi  Giaecorum  (Tübingen  1852. 
24  S.  4  und  2  Kupl'ertafeln).  Nachdem  der  Hr.  Verf.  gezeigt  hat, 
dafs  das  Wesen  der  Nemesis  bei  den  Griechen  schon  längst  gedacht 
war,  ehe  man  eine  besondere  Gottheit  dafür  hatte,  und  dafs  auch 
selbst  dann  als  sie  bereits  vorhanden  war,  die  ihr  gebührenden  Functio- 
nen noch  anderen  Göttern  zugetheilt  wurden,  nachdem  er  ferner  die 
Auffafsung  jener  Gottheit  von  Hesiod  bis  zu  den  Orphikern  und  Pla- 
tonikern  nachgewiesen  hat,  gründet  er  auf  die  Stellen  des  Antimachus 
bei  Strabo  XHI,  p.  588,  der  Phoronis  bei  Schol.  Apoll.  Rhod.  I,  1129 
und  aus  des  Aeschylus  Niobe  bei  Strab.  XH  zu  Ende,  so  wie  auf  die 
in  den  Bildwerken  beiden  ertheilten  Attribute  den  Beweis,  dafs  die 
älteste  Adrastea  identisch  sei  mit  der  Cybele,  und  dafs  Demetrius 
aus  Scepsos  bei  Suid.  s.  v.  'AdgÜGTHci  dieselbe  mit  der  Diana  identifi- 
cirt,  führt  ihn  darauf  die  Identität  der  Cybele  in  Phrygien,  der  Ar- 
temis in  Ephesus  und  bei  den  Magneten,  der  beiden  Nemesis  in  Smyr- 
na,  der  Adrastea  bei  den  Mysern ,  der  Anaitis  in  Armenien,  der  Alitta 
der  Araber,  der  Mithra  der  Perser,  der  Astarte  bei  den  Phoeniciern, 
iV.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.    Bd.  LXVII.   Hft.  :;.  22 


338  Programmenschau. 

tler  Aplirodite  Urania  auf  Kypros,  der  Here  auf  Samos  mit  der 
grol.seii  assyrischen  Göttin  Mjlitta  nachzuweisen,  deren  Verpflanzung 
selbst  nach  Aegypten  aus  den  Bildwerken  mit  bewundernswerther  Ge 
lehrsamkeit  und  Klarheit  dargelegt  wird.  In  Betreff"  der  Adrastea  am 
Flufse  Aesepus  macht  er  auf  die  Verbindung  jener  Gegenden  mit  As- 
syrien in  ältester  Zeit  aufmerksam,  welche  sich  durch  den  Namen 
Assaracus  (Assarak  der  höchste  Gott  der  Assyrier)  und  durch  die 
von  Plato  de  Legg.  685  D  bestätigte  Nachricht  des  Ktesias,  dal's  Pria- 
mus  dem  assyrisciien  Könige  Teiitamus  untergeben  gewesen,  kund  gibt. 
Zu  weit  freilich  scheint  uns  der  Hr.  Verf.  zu  gehen ,  v.  enn  er  nun 
auch  den  Namen  'AögcicTiiK  unter  Verwerfung  der  von  den  Alten  und 
Neueren  gegebenen  Ableitungen  auf  den  aegyptischen  Namen  der  Ve- 
nus Athor  zurückführt.  Die  Vergleichung  des  Etruscischen  ATDESDE 
für  "AÖQaoTOS  beweist  genifs  nichts  dafür,  und  haben  doch  die  Grie- 
chen für  viele  Götter,  welche  sie  ursprünglich  von  anderen  Völkern 
empfangen,  ganz  selbständig  eigene  Namen  gebildet.  Da  die  Neme- 
sis inimer  die  Personification  einer  sittlichen  Idee  und  um  derselben 
willen  erst  von  den  Göttern  als  Person  geschieden  ist,  so  wird  man 
wohl  die  Beilegung  eines  der  Idee  entsprechenden  Namens  (nach  der 
Ableitung  von  Döderlein  de  äXcpa  intensivo  p.  Ö)  nicht  für  an  und  für 
sich  abweisbar  erkennen,  wenn  man  die  Ableitung  von  dem  Gründer 
des  HeilJgthums  Adrastos  verwerfen  will.  Ja  dafs  auch  Atropos  den 
Namen  'Adgäotsia  führt,  scheint  uns  auf  jene  Bedeutung  geradezu  hin- 
zuführen. Es  schliefst  sich  daran  die  Nachweisung,  wie  die  Grie- 
chen die  Symbole  der  assyrischen  Göttin  aufgenommen,  aber  diesel- 
ben dem  ihnen  vor  allen  anderen  Völkern  angeborenen  Schönheitssinn 
gemäfs  umgestaltet  haben.  Im  2n  Theile  zeigt  der  Hr.  Verf.,  dafs 
selbst  in  den  Zeiten ,  wo  die  alte  Religion  bereits  verfallen ,  bei  Lu- 
cret. I  init,  Venus  noch  als  alma  mater,  als  gubernatrix  sola  verum 
naiurac  et  caell ,  terrae  marisque  moderatrix  betrachtet  worden  sei. 
Die  Symbole  des  Apfels  und  des  Mohns  werden  daher  als  ursprüng- 
lich auf  die  Fruchtbarkeit  hinweisend  bezeichnet,  wobei  namentlich  die 
Bildseule  des  Canachus  zu  Sicyon,  die  Venus  als  Herrin  des  Himmels, 
der  Erde  und  der  Unterwelt  darstellend  ,  Erleuterung  findet.  Auf 
ihre  Herrschaft  über  das  Meer  bezieht  sich  die  Schildkröte,  auf  der 
die  Venus  in  einer  Bildseule  des  Phidias  (Plin.  H.  N.  XXXIV,  8,  19) 
mit  einem ,  in  einer  in  Berlin  befindlichen  mit  beiden  Füfsen  steht. 
Natürlich  wird  die  zu  Delphi  verehrte  'Acpgcdirr]  'Enirvfißi'a  ebenso 
wenig  vergefsen,  wie  der  ihr  zugetheilte  Einflufs  auf  die  Schicksale 
der  Menschen  (Hör.  Od.  I,  12,  13).  Das  dadurch  gewonnene  Resul- 
tat, dafs  die  Nemesis  allerdings  ein  Wesen  bezeichnet,  welches  ur- 
sprünglich der  Venus  mitzugetheilt  war,  wird  durch  die  auf  den  Bild- 
werken beiden  gegebenen  Attribute  noch  fester  begründet.  Interessant 
ist  das  Licht,  welches  sich  dadurch  über  die  Notiz  verbreitet,  dafs 
Agoracritus  seine  Bildseule  der  Venus,  nachdem  ihr  der  Preis  nicht 
zuerkannt  worden,  unter  dem  Namen  der  Nemesis  nach  Rhamnus  ver- 
kauft (Plin.  1.  c.  XXXVI,  4  u.  d.  Hr.  Verf.  in  der  Real- Encyclop. 
V,  p.  529).  Den  Schlufs  bildet  die  Auseinandersetzung,  wie  die  Grie- 
chen das  Wesen  der  Nemesis  aufgefafst.  Sie  haben  die  orientalischen 
Gottheiten  in  menschliche  Gestalten  umgesetzt  und  zu  sittlichen  We- 
sen erhoben.  "Itaque  Nemesi,  quae  antiquissimis  temporibus  eadem 
fuit,  quae  Asiatica  dea  totius  naturac  rcgina,  id  munus  dcvian- 
daverunt,  ut  modum  in  omnibus  rebus  teneret  et  insolentlam,  quae  re- 
rum  humanarum  ordinem  turbat  et  aeternas  deorum  leges  migrat, 
coerccrcV ,  in  li'olge  wovon  die  Athener  die  Nemesis  mit  der  Themis 
zusammen  verehrt  (Canin.  Archit.  ant.  II,  15).  Von  Herder  (Werke 
XIX    p.    154)   weicht    der   Hr.    Verf.    nur    darin    ab,    dafs    er  dieselbe 


Prograinmenschau.  839 

nicht  wie  jener,  von  der  Ate  und  Erinys  als  Vollzieherinnen  der 
Strafen  trennt,  wofür  er  Beweise  beibringt  (F^ur.  Phoen.  182.  Callim. 
Kpigr. ,  die  IJeinamcn  ni-nQOxdxr],  vehenieii.s  Catiill.  i,  21,  facinoruni 
impiorum  iiltrix  Animian.  Marcell.  XIV,  II,  das  Sprichwort  ij  N^usoig 
TTaQCC  nöd^ag  ß(xi'vf-i ,  ngoaxwcS  ttjv  Niufciv,  avv  'Jögaarficc  Xiyoa). 
Darauf  dafs  ihr  nichts  entgeht,  deutet  die  Erhebung  des  Kleides  über 
die  Brust  und  der  in  t\ei\  JJusen  gesenkte  Blick,  das  Schwert,  der 
ygvip  nrfQüiig.  IVIit  dem  Wesen  der  Venus  behielt  sie  das  gemeinschaft- 
lich, dafs  sie  vorzugsweise  zur  Rächerin  der  leichtfertigen  und  treu- 
losen Liebe  gemacht  wurde  (daher  das  Rad  auf  Bildwerken  und  die 
Bestrafung  des  Amor,  die  Sage  von  der  P^cho  und  Narcissus,  und  das 
Epigramm.  Anthol.  III,  p.  235).  Endlich  wird  die  geflügelte  neben  der 
Ariadne  stehende  Jungfrau  auf  einem  Gemälde  zu  Herculanum  mit 
Winckelmann  gegen  Herder  (p.  167)  als  Nemesis  gedeutet.  —  Mit 
Vergnügen  begrüfsen  wir  in  dem  Programm  des  Paedagog.  zum  Clo- 
ster  U.  L.  F.  in  Magdeburg  1852  den  zweiten  Tlieil  der  von  uns 
Bd.  LXIV  S.  438  flg.  angezeigten  Abhandlung  von  Wehrmann:  Das 
Wesen  und  Wirken  des  Hermes  (23  S.  4).  Für  die  im  ersten  Theile 
nach  Plato  gegebene  Auffafsung  der  griechischen  IMythologie  führt 
der  Hr.  Verf.  zunächst  noch  die  Deutung,  welche  Varro  den  Samo- 
thracischen  Gottheiten  gegeben,  an  und  wiederhohlt  den  Grundbegriff, 
den  er  für  das  Wesen  des  Hermes  aufgestellt:  'Er  bereitet  durch  ver- 
mittelnde und  zusammenfügende  Thätigkeit  im  «wf/pov  der  Natur  so- 
wohl als  auch  des  Menschenlebens,  die  Mittel,  durch  welche  die  Ver- 
wirklichung der  göttlichen  Zwecke  in  der  Welt,  also  die  Durchfüh- 
rung der  Weltordnuug  des  Zeus  möglich  wird,'  wefshalb  er  auch  mit 
Preller  (Realencyclop.  Bd.  IV)  den  Namen  von  figav  ^der  Fügende' 
ableitet.  Nachträglich  fügt  er  in  einer  Anm.  die  ihm  von  einem  ver- 
storbenen Freunde  mitgetheilte  Notiz  zu,  dafs  ylgficag ,  der  Br.  des 
Sesostris,  nach  Griechenland  geflohen  sei  und  man  wohl  an  eine  Ueber 
tragung  des  Namens  auf  den  von  ihm  mitgebrachten  Gott  (Thoth) 
denken  könne.  Auf  jenen  Grundbegriff  wird  nun  zurückgeführt,  dafs 
der  Steinhaufen  das  älteste  Bild  des  Gottes  war,  für  den  man  dann 
das  Wesen  genauer  bezeichnend  in  Athen  den  vieret  kigen  Stein,  die 
Grundform  regelmäfsiger  körperlicher  Fügung  (daher  dem  Hermes 
auch  die  Zahl  4  heilig),  wählte  und  den  Kopf  hinzufügte.  Die  Hinzu- 
fügung  des  Phallos  (Hrdt  H,  51)  zeigt,  dafs  man  neben  der  mecha- 
nisch fügenden  eine  dynamisch  zeugende  Macht  annahm  ,  woraus  dann 
auch  die  Hermaphroditen  entstanden.  Die  Erkenntnis  einer  solchen 
Kraft  in  ihm  wird  durch  den  Gebrauch  ihm  Samen  darzubringen  (Schol. 
Aristoph.  Acharn.  1089),  durch  seine  Stellung  als  Heerdengott,  seine 
Mutter  Maia  (von  Mccca  das  Verlangen  der  Materie  nach  Ordnung  und 
Zusammenfügung  ihrer  Theile)  nachgewiesen,^  dafs  man  ihn  als  im  In- 
nern der  Erde  wirkend  gedacht  (gegen  Preller  nicht  durch  Cic.  d.  N. 
Deor.  III,  22,  56,  denn  jener  erklärt  diese  Stelle  für  corrupt)  durch 
seine  Verehrung  als  Höhlenbewohner,  ZnrjXaizrtg ,  und  seinen  Umgang 
daselbst  mit  den  Nymphen*).  In  seinem  Sohne  Pan  wird  das  fried- 
liche, allseitig  harmonisch  zusammengefügte  Leben  der  Natur  gefun- 
den. Dafs  er,  der  das  Leben  will,  die  Kraft  des  Streites  befreit,  hat 
der  Hr.  Verf.  in  einer  besondern  Abhandlung  in  unserem  Archiv  Bd. 
XVIII  an  der  Sage  von  Ares  und  den  Aloiden  nachgewiesen.  Dafs 
er    sich   scheut  mit   der   Leto    zu  streiten  (in  Homers  Ilias)  findet  die 


*)  Kirke  ist  nach  dem  Verf.  eine  in  der  Materie  («/«)  wirkende 
Gewalt,  welche  durch  verderbliche  Mischung  (/.tpjßw)  die  Menschen 
zu  bethören  versteht. 

22* 


{i40  Programmenschau. 

Oeutiiiig,  dals  er,  der  lebendig  wirkende  praktische  G'ott,  zwar  dem 
einen  unentwickelten  Urzustand  bezeichnenden  Principe  feindlich  ist, 
allein  dasselbe  als  die  Basis  seiner  Existenz  zu  zerstören  sich  fürch- 
tet. Auch  in  der  Rettung  des  Zeus  von  Typhon  wird  derselbe  Grund- 
«-edanke  gesehen.  Wenn  die  Germanen  den  Wodan  als  Demiurg  fas- 
sen ,  so  ist  dies  den  Griechen  zwar  Zeus,  aber  der  in  seinem  Dienste 
die  Materie  durchwaltende  Gott  (6  aTifQfjariKOs  Xöyo^  6  f^irjyitov  dia 
nävxiov  nach  den  Neuplatonikern)  der  äiä-Atoijoq  Hermes.  Wie  er  aus 
dem  Innern  der  Materie  die  Lebenskraft  der  Pflanzen  und  Thiere  an 
(las  Licht  der  Oberwelt  führt  {iomvvioq ,  öwrwg  iaav),  also  was  im 
Reiche  des  (relativen)  Nichtseins  todt  und  unnütz  ruht,  zusammen- 
fügt, dafs  es  der  Keim  eines  neuen  Lebens  und  eine  Gabe  \>ird,  so 
wird  er  zum  Vermittler  zwischen  Sein  und  Nichtsein,  der  Geber  des 
Schlafes  (S.  9  f.  Der  Stal)  wird  S.  10  f.  mit  der  Wünschelruthe  zu- 
sammengestellt; die  Schlangen  erhalten  die  Deutung,  dafs  sie  den  in 
der  Materie  waltenden  Streit  bezeichnen,  dessen  Vermittlung  und 
Schlichtung  Hermes  führt),  der  Rringer  der  Träume  (d.  h.  der  das 
Ijewufstsein  von  dem,  was  man  erlebt  hat  oder  erleben  könnte,  ver- 
mittelt), der  Führer  der  Seelen  in  die  Unterwelt  (von  a'xaxjjra  wird 
die  Ableitung  Döderleins  Glossar  I,  p.  \'6'1  jetzt  vorgezogen;  auch 
Kvllijrios  möchte  der  Hr.  Verf.  auf  y.vXX6s,  y.oilog,  yvrjg,  yvaXov  zu- 
rückführen und  den  in  die  Höhle  führenden  darin  erkennen),  und  der 
sie  wieder  herauUührende  (der  jji^onog  EQ^iijs  dem  Hades  verwandt). 
Dafs  nun  Hermes  auch  das  Licht  in  das  Dunkel  zu  führen  und  wie- 
der herauszubringen  die  Macht  habe,  rindet  der  Hr.  Verf.  angedeutet 
in  dem  im  homerischen  Hymnos  auf  ihn  erwähnten  Raub  von  Rindern 
(Symbolen  der  Tage),  welche  er  gezwungen  (denn  die  Vorstellung 
vom  Führer  in  die  Unterwelt  war  überwiegend)  von  Apollo  heraus- 
giebt  und  bezieht  darauf  die  Beinamen  Itvy.ös  ,  tuGyionog,  vv-Kzug  onco- 
?[rjT/]Q,  oyiJyios  und  das  Attribut  des  Hahns.  Autolykus,  bei  Hom.  Od. 
XIX,  396  der  Günstling,  später  der  Sohn  des  Hermes  genannt,  er- 
scheint durch  die  Gaben  schwarz  in  weifs  und  umgekehrt  zu  ver- 
wandeln, und  durch  den  Diebstahl  der  50  gehörnten  Rinder,  als  Sohn 
der  TriXavyi],  der  Weitglänzenden,  und  Enkel  des 'Ecooqco'pog  des  Licht- 
bringers  (als  Sohn  der  Xlovi]  bezeichnet  er  den  Führer  in  das  Dun- 
kel des  Winters),  ja  schon  durch  seinen  Namen:  'wahrer  Wolf  — 
der  Hr.  Verf.  nimmt  hier  Gelegenheit  den  Wolf  als  Symbol  des  dem 
Tiichte  feindlichen  Princips  nachzuweisen  und  die  Beinamen  des  Apollo 
Avv.ov.x6vog .  Ävy.fog  und  Ävv.iLog  darauf  zurückzuführen  —  als  eine 
))esündere  Form  des  Hermes  ,  um  so  mehr  als  auf  aegyptischen  Mu- 
miendeckeln der  Wolf  als  Führer  der  abgeschiedenen  Seelen  erscheint 
(Creuzer  Symbolik  II  p.  468  und  ]54).  Dafs  der  Planet,  welcher  der 
Sonne  am  nächsten  steht,  dem  Hermes  heilig  angesehn  wurde,  auch 
dafür  findet  der  Hr.  Verf.  die  Ursache  in  der  von  den  Chaldaeern  zu- 
erst beobachteten  Eigenthümlichkeit  seines  Laufes,  wornach  er  bald 
am  Morgen  bald  am  Abend  immer  aber  als  der  Sonne  untergeordnet, 
als  ihr  Begleiter  und  Diener  erscheint  [Ref.  erlaubt  sich  hier  die  Fra- 
ge, ob  man  nicht  bei  der  Bestimmung  des  Wesens  von  dieser  altnrien- 
talischen  Planetengottheit  ausgehen  müfse].  Die  Benennung  des  Mitt- 
wochs nach  dem  Mercur  rührt  auch  von  den  Chaldaeern  her ,  doch 
kam  sie  wohl  erst  zur  Zeit  des  Caesar  aus  Alexandrien  nach  Rom  und 
von  da  nach  Deutschland,  wo  derselbe  Tag  dem  Wodan,  dem  deut- 
schen Mercur,  geheiligt  wurde.  Dafs  nun  bei  allem  diesem  dem  Her- 
mes ein  listiges,  schlaues,  in  Lug  und  Trug  und  Diebstahl  gewandtes 
Wesen  beigelegt  wird,  zeigt  schliefslich  der  Hr.  Verf.  als  natürlich, 
weil  alles  Thun  und  Walten  in  der  Materie  als  ein  heimliches 
sich   der    Berechnung  jedes    andern    entziehendes    zeige,    indem  er  die 


Programmcnscliiiii.  341 

Beilegung  derselben  Kigen.sriiaften  an  älinliclic  Wesen  (Kiike,  Kalypsc, 
Troplionios,  Antol\kos)  nacluveisl.  So  heliandelt  im  zweiten  'l'lieile 
der  Hr.  Verf.  <las  Walten  des  Hermes  in  der  Natur,  dem  dritten, 
welchem  sein  Wirken  im  Gebiete  des  Menschenlebens  aufgespart  ist, 
sehen  wir  mit  Verlangen  entgegen.  Bei  unserer  kurzen  Inhaltsangabe 
war  es  nicht  möglich  die  tiefen  und  scharfsinnigen  Ideen,  welche  bei 
der  Erklärung  der  IVlvthen  in  Anwendung  gebracht  wer<len,  darzule- 
gen. Mag  man  die  Kins(  hlagung  anderer  Wege  zur  J<}rkenntnis  der 
griechischen  Mythologie  für  nothv\en<lig  ansehn,  man  wird  innner  an- 
erkennen mül'sen,  dafs  der  Hr.  Verf.  einen  höchst  richtigen  und  leiir- 
reicheu  IJeitrag  dazu  geliefert  hat,  die  Ideen,  welche  die  Griechen 
an  die  Gottheiten  knüpften,  nachzuweisen  und  in  ihrem  Zusammen- 
hang unter  sich  zu  zeigen.  ■:=  Wir  lafsen  eine  Abhandlung  über  einen 
römischen  Gott  folgen:  D.  Zini  me  rm  an  n  :  iihcr  das  ffcsvti  <lvs  lanus 
(Programm  der  kön.  Studienanstalt  zu  Erlangen,  |Sä2.  'l'l  «S.  4),  über 
welche  wir  mit  den  Worten  eines  geehrten  Mitarbeites  berichten:  ''Die 
Schrift  behandelt  ihren  Gegenstand  mit  Gelehrsamkeit,  der  kaum  eine 
der  Quellen  oder  der  frühern  Schriften  darüber  (wir  nennen:  IJ  u  1 1 
manu  über  den  lanus,  Hand  in  der  Allgem.  Kncyclo[)aedie  von  Krsdi 
und  Gruber  und  Walz  in  der  Realencyclop.  unter  dem  Titel  lanus) 
entgangen  sein  wird,  mit  scharfer  Kritik,  mit  Vorsicht  in  den  An- 
nahmen und  Folgerungen.  Der  Hr.  Veif.  sah  in  den  meisten  der  bis- 
her aufgestellten  Ansichten  und  Erklärungen  jedesmal  nur  eine  von 
den  im  Wesen  lanus  enthaltenen  Griindbestimmur.gen  geltend  gemacht, 
oder  wo  mehrere  es  waren,  den  unter  ihnen  staltiindenden  Zusammen- 
hang gar  nicht  oder  nicht  gehörig  berücksichtigt,  während  ihm  die 
Natur  der  Sache  zu  verlangen  schien,  dafs  man  es  bei  der  Darstel- 
lung des  Wesens  eines  Gottes  versuche  jeder  Grundbestimmung  ihr 
Recht  widerfahren  zu  lafsen.  Obgleich  weit  davon  entfernt,  zu  iäug- 
nen ,  dafs  die  heidnischen  Religionen  des  Occidents  mit  denen  des 
Orients  im  Verhältni.<se  der  Continuität  stehn,  ist  er  doch  überzeugt, 
dafs  das  in  beiden  enthaltene  Licht  sich  in  dem  Medium  des  mensch- 
lichen Geistes  nach  der  Eigenthümlichkeit  desselben  manigfaltig  bricht, 
und  hält  es  desshalb  für  sachgemäfs,  bei  einem  römischen  Gotte  auf 
Vorstellungen  des  orientalischen  Ethnicismus  erst  dann  Rücksicht  zu 
nehmen,  wenn  der  Gegenstand  selbst  darauf  hinweise  und  alle  V^ersuche 
gescheitert  seien,  ihn  aus  dem  Geiste  der  Römer  selbst  und  der  ihnen 
zunächst  stehenden  Völker  klar  zu  machen  und  festzustellen,  was  ihm 
in  Bezug  auf  lanus  nicht  der  Fall  zu  sein  scheint.  Nachdem  er  den 
pelasgischen  Dienst  des  Zäv,  dann  den  der  Sonne  (Fanar^Luna,  la- 
nus  =  Sol  oder  Apollo)  und  endlich  den  des  entsprechenden  etrusci- 
schen  Gottes,  mit  vollem  Rechte,  nur,  wie  es  uns  scheint  mit  noch 
etwas  zu  grofser  Nachgiebigkeit  gegen  die  Urheber  dieser  Meinungen, 
von  lanus  getrennt  hat,  stellt  er  von  S.  8  an  folgende  Sätze  auf: 
1)  Tanus  gehörte  urspnnglich  Roms  ältester  Bevölkerung  an,  den  Alt 
lateinern,  als  sie  noch  nicht  mit  Sabinern  und  Etruskern  verscbmol 
zen  waren  und  ihren  Hauptsitz  auf  dem  palatinischen  Berge  hatten. 
'2)  Defshalb  mufs  man  den  Namen  für  ein,  wenn  auch  mit  einem  grie- 
chischen in  Urverwandtschaft  stehendes,  «loch  von  einem  lateinischen 
Stamme  und  nach  den  Gesetzen  der  lateinischen  Spranhe  gebildetes 
Wort  nehmen.  3)  Janus  kommt  von  tre  mit  der  Endung  nnus  und 
gleichem  Vorgange,  wie  bei  iccrc  —  iacerc ,  bezieht  sich  also  auf  das 
Gehen  und  insofern  jedes  Gehen  ein  Ein-  und  Aus-  und  ein  Durch- 
gehen ist,  auf  das  Durchgehen,  und  wo  das  Wort  als  Gattungs- 
name vorkommt,  bezeichnet  es  immer  einen  Durchgang,  einen  zum 
Durchgehen  bestimmten  Ort  in  geschlofsenem  Räume.  4)  lanus  ist 
daher  wohl   ursprünglich  ein   Gott  der    Durchgänge,    insbesondere  der 


342  Programmenschau. 

für  die  Bewohner  einer  Stadt  wichtigsten,  der  Stadtthore,  und  der 
Hausthüren,  ianuae,  und  als  eine  Macht  gefalst  worden,  deren  Wirk- 
samkeit sich  an  denen  äul'sert,  welche  durch  solche  Oeffnungen  aus- 
und  eingehen.  Da  eine  solche  Gottheit  dem  Geiste  der  Römer  ganz 
gemäfs  ist,  selbst  der  Natur  des  menschlichen  Geistes  überhaupt,  dem 
ja  Aus-  und  Eingang,  Anlang  und  Ende  in  allen  Dingen  von  höchster 
Wiciitigkeit  scheinen  müTsen,  und  da  sich  von  da  aus  mit  Leichtigkeit 
alle  sonstigen  Modificationen  des  Cultes,  alle  übrige  Vorstellungen, 
Beinamen  (Clusius,  Patubius,  Geminus,  Bifrons,  Biceps  ,  selbst  viel- 
leicht Portunus)  und  bildliche  Darstellungen  leicht  erklären  lafsen, 
so  scheint  diese  Deutung  jeder  anderweitigen  minder  natürlichen 
(Hands  :  Himmelsgott,  Walz's  :  Sonnengott,  der  frühern  zu  geschwei- 
gen)  vorzuziehen.  Sieht  der  Hr.  Verf.  dieselbe  als  so  gewiss  an,  wie 
nur  Dinge  der  Art  gewiss  sein  können,  so  scheint  ihm  auch  das  nicht 
weniger  gewifs  zu  sein,  dafs  lanus  schon  sehr  früh  in  einem  höheren 
und  allgemeineren  Sinne  gefafst  und  ihm  eine  höhere  Wirksamkeit  und 
gröfsere  Macht  zuerkannt  worden  sei.  Worauf  lafse  sich  nicht  alles 
der  Begriff  von  Ein-  und  Ausgang,  Anfang  und  Ende  beziehen?  Da- 
her habe  lauus  bei  einem  Opferfeste  in  der  Regia  für  einen  Beschir- 
mer des  Staats  —  wohl  richtiger  für  denjenigen,  der  den  Anfang  und 
das  Ende  der  öffentlichen  Angelegenheiten  segnete  — ,  für  einen  der 
höchsten  Gotter  des  Staates  gegolten  ,  und  weil  er  auf  die  ausziehen- 
den Heere  Macht  übte,  sei  er  selbst  zum  Gotte  des  Krieges  und 
Friedens  geworden,  eine  Seite,  welche  wir  von  dem  Hrn.  Verf.  noch 
mehr  als  in  einer  Note  und  S.  14  f.  geschieht  hervorgehoben  zu  sehn 
wünschten.  Ward  doch  das  Schllefsen  und  Oelfnen  der  Tanuspforte 
ausdrücklich  stets  in  den  Annalen  notirt  und  erscheint  er  demnach  im 
bedeutsamsten  Zusammenhang  mit  den  Schicksalen  des  Staates.  Da 
das  Jahr  bei  den  Römern,  wie  bei  uns  als  ein  gewichtiger  Zeitab- 
schnitt und  sein  Anfang  voller  Bedeutung  für  das  religiöse  Gemüth 
galt,  so  erklärt  der  Hr.  Verf.  daraus,  wie  der  erste  Tag  des  Jahres 
ein  Festtag  des  Gottes  und  der  erste  Monat  ihm  geweiht  ward ,  oder 
vielmehr;  ""der  erste  Tag  im  Jahre  war  nicht  sowohl  ein  Feiertag  als 
ein  Tag  der  Weihe  für  alle  Arten  von  Geschäften ,  die  man  unter 
günstiger  Vorbedeutung  zu  beginnen  wünschte'  (Grotefend  AUg.  En- 
cycl.  unter  Januar  S.  350).  Ueber  die  Reihe  der  Monatsnamen  er- 
klärt sich  Hr.  Prof.  Z.  gegen  Schwenck  (Mythol.  d.  R.  S.  122  f. 
nicht  112)  dahin:  ^es  wurde  sicherlich  seit  Numa's  Zeit,  d.  h.  seit 
der  dem  Numa  zugeschriel)enen  Ordnung  und  Feststellung  des  Reli- 
gionswesens und  der  damit  zusammenhängenden  Jahresform  der  erste 
Monat  nach  lanus  Januar  genannt  und  war  sicherlich  seit  dieser  Zeit 
dem  lanus  geweiht',  wobei  er  sich  auf  Ovid  in  Vei-bindung  mit  Plut. 
und  lo.  Lydus  stützt.  Wir  stimmen  darin  bei  und  erklären  uns  eben 
aus  dem  hohen  Alter  der  12  röm.  Monatsnamen  die  Verschiebung  der 
6  letzten  um  zwei  Stellen,  Aveil  die  Namen  durch  die  lange  Gewohn- 
heit zu  ihrer  etymologischen  Bedeutung  nach  unverstandenen  Worten 
herabgesunken  waren.  Wie  bei  dem  Wechsel  des  Jahres,  so  verehr- 
ten nun  die  Römer  den  lanus  auch  beim  Anfange  anderer  Zeitab- 
schnitte im  öffentlichen  Leben  (Opfer  auf  je  einem  der  12  den  Mona- 
ten geweihten  Altären,  welche  auf  dem  laniculum  stunden,  beim  Be- 
ginne jedes  Monats).  Vor  dem  Beginn  der  Ernte  und  bei  einer  To- 
desweihe ward  zuerst  ihm  Opfer  und  Anrufung  gebracht,  ingleichen 
ward  er  der  pontificischen  Norm  gemäfs  angerufen  in  den  öffentlichen 
Gebeten,  welche  sich  auf  die  Fortpflanzung  und  Erhaltung  der  Men- 
schen (des  röm.  Volks)  oder  auf  das  Säen  der  Feldfrüchte  bezogen 
(consivius).  Man  dachte  ihn  in  einem  väterlichen  Verhältnisse  zu  den 
Menschen    (pater,    vgl.    d.  Arvallied    und    die    Inschr.    bei    Or.),    man 


ProgramnicnsclKui.  343 

wandtr    sich   «lalicr    aiuli    im    Privatleben    an   jedem  Morien,   elie  man 
.seine    (.'esrhäfle    ln-fiann,    an    ihn    um    iS(>{ien    (p<i(vr    iiiiiliitiiius).      Die 
GrundhestimnUMif;   im  Wesen  <ies   lantis   ist   <iemna<ii   tl  i  e   Förderung' 
aller  s  o  i  c  li  e  n   yV  n  f  ä  n  {j  e  ,  \\  e  1  <•  h  e  m  i  c  li  t  i  {;;  e  A  n  g  e  I  e  jj  e  n  h  e  i  t  e  n 
betreffen,  und  er  verhält  sich  zum  Jupiter ,  ^^ie  der  erste  zum  liöch- 
sten,  weshalb  er  dvorum  dcus  heilst.      Da   nun  die  Physiker  unter  den 
generellen  liegrill"  der  Anfän{;e  auch  die  Weltschopfuufi  unterordneten, 
so  erklärt  sich,    wie   ihm  sogar  (von  Ovid)  <ia.s  Amt  eines  Hüters  des 
Weltalls    oder    (von    IMessala)    das    der    IJihliing    und    Regierung    aller 
Dinge  zugetheilt  werden  konnte.      Indem   so   die  Ansichten  bei  den  Den- 
kenden  und    literarisch   und    |)hil(>so|)hisch  Gelnldeten  fortschritten,   kam 
es    auch    dahin,    dafs   man    den    Janus    überhaupt   s|)äter    als    Gott  der 
Zeit  und  der  Zeitdauer  betrachtete,    und    mit    dem    8unnengiitte  iden- 
tificierte.     Sein    Verhältnis    zur  Cardea    und    Venilia    verdankt    gewil's 
auch  seine  Erdichtung  diesen  späteren  Grübeleien  und  gelehrten  Com- 
binationen,    wie    den    euhemeristischen    Bestrebungen  seine  Aulfafsung 
als  uralter  König  von  Latium.     Die  symbolisch-künstlerische  Auffafsung 
des  Gottes  ist  S.   19  f.  besprochen.     Keiner,  der  den  Gegenstand  von 
neuem    behandeln    will,    darf  die  Schrift  <ies  Hrn.  Prof.  Z.  unbeachtet 
lafsen,   mufs    sie  im  Gegentheile  zu  Grunde   legen  und  zum  JMafsstabe 
nehmen,    wie  sie    denn    überhaupt    als   Muster   für   älinliche   Monogra- 
phieen    gelten   kann.  '  —  INlit   der  eben  besprochenen  Schrift  in  engem 
Zusammenhange  steht  die  Abhandlung  des  Prof.  Scheiffele  im  Pro- 
gramm   von  Ellwangen    ]8öl  :    über  die  Gelübde  der  Alten,    den  ersten 
Januar  in  Hom,  Strenac,  liinns,  Jesculap  (22  S.  4),  welche  die  Probe 
eines  Exciirses  zu  dem  von  dem  Hrn.  Verf.    herauszugehenden  Festka- 
lender   (s.    unseie  Anzeige  von  defsen  Jahrbüchern  der  römischen  Ge- 
schichte)   bildet.      Dem    Fleifse,    mit  welchem  der  Hr.  Verf.  aus  allen 
ihm  nur   zugänglichen    alten   Schriftstellern,    den  Denkmälern  und  den 
Werken  der  Neueren  die    auf   seinen    Gegenstand  l)ezüglichen  Notizen 
geordnet  zusannnensttllt ,  können  wir  unsere  bewundernde  Anerkennung 
nicht  versagen  und   dürfen  in  seinem  Werke  jedem,  der  sich  mit  For- 
schungen auf  dem  bezeichneten  Gebiete  beschäftigt,  ein  recht  brauch- 
bares, ja  fast  unentbehrliches  Hilfs-  und  Handbuch  versprechen.    Das 
vorl  egende   Programm    enthält  vier    Abschnitte:    A)    die    Gelübde    der 
Alten  (S.    1—9)    eine  sehr  vollständige  Aufzählung    von    den    Gelegen- 
heiten, bei  welchen  die  Alten  Gelübde  zu  thun  pflegten  und  verpflich- 
tet  waren,    sowohl    im    öffentlichen,     als    Privatleben,     und    von    den 
künstlerischen    Behandlungsweisen    der    Weihgeschenke.      Eine    tiefer 
gehende  Würdigung  des  den  Gelübden  zu  Grunde  liegenden  religiösen 
Sinnes    und    der    daraus  sich  ergebenden  Ansicht  von  dem  Verhältnisse 
der  Menschen  zu   den  Göttern,    eine  Darstellung  der  zu  vers<hiedenen 
Zeiten   und  bei  verschiedenen  Menschen,   namentlich  Schriftstellern  sich 
findenden  Anschauungen  und  Gedanken  zu  geben  lag  nicht  in  der  Ab- 
sicht  des    Hrn.  Verf.,    indefs    hätte   wohl    unserer    INIeinung  nach  eiiie 
Ordnung  nach  den  gelobten  Gegenständen  (Besitzthümer ,    Gaben,  bis 
zu  dem    eignen  Leben)    und    nach    den  Gottheiten,    denen  Gelübde  ge- 
bracht  wurden    (denn    in    einem    andern    Sinne    geschah    dies    bei    den 
diis    inferis,    als  bei  den  superis)  wohl  leicht  hergestellt  werden  kön- 
nen   und    würde    gewifs    den    Nutzen    erhöht    haben.      Der   zweite    Ab- 
schnitt (S.   10 — 15)    handelt  in  gleicher  Vollständigkeit  und   nach  der- 
selben Weise  von  den  am  ersten    Januar  in  Rom  üblichen  Festlichkei- 
ten und    Gebräuchen    und  insbesondere  von  den    strenis.     Worin  diese 
l)estanden,    wird   in    reicher    Fülle    aufgeführt.      Interessant  ist  beson- 
ders   in    Vergleichung    mit    der   eben    vorher    be; :|)rochenen  Schrift  der 
8e  Abschnitt:    lanus    (S.  15 — 20).      Wir  heben  daraus  folgende  Stel- 
len hervor:  d)  ""Erwägt  man  nun  die  durch  alle  Angaben  bezeugte  ur- 


."^44  Auszüge  aus  Zeilschriften. 

alte  lind  hohe  Verelirung  des  Gottes  und  bedenkt  man,  dafs  der  Po- 
lytheismus erst  aus  dem  Monotheismus  hervorgegangen,  so  dürfte  man 
wohl  der  Wahrheit  nicht  zu  ferne  stehen,  wenn  man  die  ursprüng- 
liche Bedeutung  des  lanus  allgemeiner  auifafst  als  der  Volksglaube, 
wenn  man  dem  Gotte  monotheistische  Geltung  gibt.  Plinius  (II,  ],  1) 
nennt  die  Welt  eine  ewige,  nie  erzeugte  und  unvergängliche  Gottheit. 
Diese  Gottheit  wird  lanus  sein,  worauf  sogar  der  Name  hinzuweisen 
scheint  (Creuzer  Symb.  S.  .S86  f.)'  und  unter  f)  in  Betreff  des  ersten 
Monats:  'Hier  kommt  zuerst  das  Bedenken,  dafs  der  Januar  in  älte- 
ster Zeit  der  vorletzte  Monat  im  Jahre  war  und  demnach  das  Jahr  we- 
der schlofs  noch  begann.  Den  scheinbaren  Widerspruch  zu  heben 
werden  wir  uns  nicht  an  einen  lanus-Osiris  zu  denken  versuchen  laf- 
sen,  weil  wir  uns  für  das  latinische  Indigenat  des  Gottes  schon  aus 
gesprochen  haben;  vielmehr  glauben  wir,  dafs,  ehe  die  Eintheilung 
des  Jahres  in  Monate  bei  den  Latinern  eingeführt  war,  der  panthei- 
stische  lanus  bereits  zum  (specielleren)  Sonnengott  sich  umgebildet 
hatte.  Nun  schliefst  aber  das  astronomische  Jahr  mit  der  Bruma 
( Wintersolstit.)  ab,  der  Tag  nimmt  wieder  zu,  die  Sonne,  lanus  macht 
sich  als  Eanus  (Schreitender)  bemerklich  und  geltend;  lanus  wird 
Gott  des  Anfangs  (des  neuen  Jahres)  und  wie  dieser  sich  unmittelbar 
an  das  Ende  anfügt,  auch  des  Endes  (ein  Patulcius  und  Clusius).  Ref. 
hält  allerdings  die  Erklärung  für  die  natürlichste,  dafs  der  Januar  im- 
mer den  Anfang  des  astronomischen  Jahres  bezeichnete,  wenn  nian 
auch  das  bürgerliche  Jahr  mit  dem  1.  März  begann.  Aus  dem  vierten 
Abschnitt  Aesculapius  (S.  '21  und  'l'!)  heben  wir  zur  Characteri- 
sierung  folgendes  aus:  'Die Sendung  (nach  Epidaurus)  hatte  wohl  kei- 
nen andern  Zweck  als  die  Heilart  der  Tempelärzte  in  Griechenland 
kennen  zu  lernen;  diese  Asklepiaden  nun  gaben  den  Römern  als  sieht  • 
bares  Zeichen  des  Heilgottes  eine  abgerichtete  epidaurische  Tempel- 
schlange mit,  deren  Anblick  allein  schon  auf  den  wundersüchtigen 
Pöbel  seinen  Eindruck  nicht  verfehlen  konnte,  wozu  noch  kam,  dafs 
die  mitgenommenen  Asklepiaden  alsbald  ihre  Kunst  im  Namen  des 
durch  die  Schlange  versinnlichten  Gottes  gegen  die  herrschende  Seu- 
che in  Anwendung  brachten,  welche  Künste  ihre  Nachfolger  auf  der 
Insel  fortpflanzten.  Böttig.  kl.  Schriften  I,  115  ff.'.  —  Kurz  wollen 
wir  noch  die  Abhandlung  im  Programm  des  Progymnasiums  zu  Rössel 
Mich.  IHJl:  Friebe:  Quinam  fiierivt  apitd  Romanos  ritvs  funcrum 
cxponitur ,  von  der  bis  jetzt  der  erste  Theil  de  äs  quac  mortem  pro- 
xime  scqucbantur  (10  S.  kl.  4)  vorliegt,  erwähnen.  Die  Gebräuche  beim 
und  unmittelbar  nach  dem  Tode  werden  unter  Hinweisung  auf  die  zu 
Grunde  liegenden  religiösen  Ansichten  in  recht  klarer  Sprache  und 
mit  zahlreichen  Belegen  aus  Dichtern  und  Prosaikern  geschildert. 
Schülern  wird  man  die  Abhandlung  mit  unzweifelhaftem  Nutzen  in 
<Iie  Hände  geben.  lt.  D. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Auszüge  aus  Zeitschriften. 


Pacdagogishc  Revue  begründet  von  Mager,  fortgesetzt  von  C. 
G.  Scheibert,  W.  Langbein  und  A.  K  u  h  r.  (Vgl.  Bd.  LXVI 
S.  91  ff.)  Dreizehnter  Jahrgang  oder  Bd.  XXX.  XXXI.  XXXII.  — 
Jnliheft  1852.  I.  Die  Nationalschulen  Irlands,  von  Dr.  C.  Klein- 
|)aul.    Zweiter    Artikel  S.  1—28.    —    Aus    der    Schulstube    von    C.  G. 


Auszüge  aus  Zeitscliriften.  345 

Sclieibert.  3.  Art.  Weshalb  den  Herren  Revisoren  und  Hospitanten 
der  Unterricht  in  Religion,  Deutsch  und  Geschichte  ininier  niclit  recht 
gefallen  will  (S.  29^ — 39.  Es  wird  (<;e'/,ei^t,  wie  der  Unterricht  in  je- 
nen drei  Lehrfächern,  wie  er  gehandhabt  werde,  stets  den  Lehrer  an 
seine  Subjectivitiit  hinweise  und  daher  nun  der  Fehler  leicht  ent- 
stehe, dafs  der  Ueurtheiler  die  fremde  nach  seiner  eigenen  Subjecti- 
vität  bemefse).  —  IL  Benrtheilungen  und  Anzeigen.  Heffter:  die 
Gechichte  der  lateinischen  Sprache  während  ihrer  Lebensdauer,  von 
H.  Schweizer  (S.  40 — 56.  Heifst  das  Werk  willkommen,  erkennt 
besonders  in  den  letzten  Theilen  tiefe  und  gründliche  Studien  an, 
weist  aber  in  den  ersten  viele,  namentlich  aus  Unkunde  der  Resul- 
tate der  Sprachvergleichung  hervorgegangene  F'ehler  nach.  Behan- 
delt werden  die  Wörter  canis,  tirsus,  anscr,  rana,  mus,  pavo,  Uslaa 
yoi ,  JMS,  lupitcr,  aurum,  argcntum,  hunicrus,  ulna,  artus,  os,  dens, 
cornu,  cor,  cerebrum^  bibo,  sonntus,  scavi7}uvi,  equus,  sol,  acr,  aeihcr, 
sonus,  soror,  filius,  unus,  quattuor ,  die  Endungen  r/u«,  da,  dum,  tus 
ta,  tum,  der  Ablativ,  die  Personen-,  Modus-  und  Passivendun^en  des 
Verbum  (der  Rec.  hält  gegen  Mommsen  die  Entstehung  aus  dem  Re- 
flexiv aufrecht),  die  Praeposition  ad,  mehrere  Substantiv-  und  die 
Superlativendungen  ,  die  Verhältnisse  des  Vocals  u  in  Verbindung  mit 
V  und  «).  —  Curtius  ed.  Foss,  von  Am  eis  (S.  56—61.  Hebt  die 
paedagogische  Brauchbarkeit  —  sorgfältige  consequente  Interpunction, 
Deutlichkeit  der  doppelten  Capitelbezeichnung,  die  Marginalien  und 
die  Bezeichnung  der  Längen  und  Kürzen  —  hervor  und  zeigt  sodann 
die  Verdienste  um  die  Kritik,  wobei  vertheidigt  werden  die  Lesarten 
VII,  8,  29  7WS  religtonem  in  ipsa  fide  novimus,  IX,  10,  16  in  rabiem 
despcratione  versi.  IX,  8,  17  wird  coniicirt:  quod  in  rcg;num  venc- 
rat  Sambi*)  und  VIII,  6,  18  freilich  mit  Zweifel  wegen  des  Gebrauchs 
von  concupisccntia:  adeo  pertinax  spcs  est  humanac  mentis,  quam 
ingentes  concupiscentiae  dcvoraverunt).  —  Rother  t:  der  kleine  Li- 
vius,  von  Qu  eck  (S.  61 — 64  erkennt  den  Grundgedanken  als  metho- 
disch vollkommen  richtig,  das  Verfahren  im  einzelnen  als  sehr  zweck- 
mäfsig  und  besonnen  an,  wünscht  aber  in  manchen  Beziehungen  den 
Standpunkt  der  Classe,  für  welche  das  Buch  bestimmt  ist,  mehr  be- 
rücksichtigt. A.  Kuhr  fügt  hinzu,  dafs  er  das  Buch  für  die  Real- 
und  höhern  Bürgerschulen  mit  lebhafter  Freude  begrüfse).  —  Straub: 
Deutsches  Lesebuch,  von  H.  Zähringer  (S.  64  —  66.  Ungeachtet 
einzelner  Ausstellungen  wird  das  Buch,  namentlich  der  2e  Band,  als 
zu  den  befseren  der  neueren  Zeit  gehörend,  den  Lehrern  an  Mittel- 
schulen empfohlen). —  Zweite  Abtheilung.  Paedafrogische  Zeitung.  Ein 
Artikel  aus  Stettin  28.  April  (S.  213 — 219)  bringt  interefsante  Mit- 
theilungen über  das  Verhältnis  der  Methode  von  Spiess  zu  den  mili- 
tärischen Uebungen  auf  dem  Turnplatze  und  über  das  Turnen  in 
England   und   Frankreich.    —   Würtemberg  (S.   221  —  230.      Die    Pro- 


*)  Vielleicht   wird   Hr.   A.  diese    Emendation  nach  Kenntnisnahme 
von  der  von  Jeep  in  diesen  NJahrb.  Bd.  LXVI  S.  47  aufgeben. 


346  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

gramine  einiger  Gymnasien  von  1851  unter  ausführlicher  Mittheilung 
des  Lehrplans  von  Stuttgart  und  die  120.  Kammerverhandlung  (v, 
10.  März  datirt)  über  die  Centralabiturientenprüfung  und  Rückgabe 
der  Prüfung  an  die  Gymnasien).  —  Archiv  des  Schulrechts.  Decret 
du  President  de  la  republique,  precede  d'un  rapport,  relatif  ä  in- 
struction  publique  v.  10.  avril  1852  (S.  239  —  246).  =  Augustheft. 
I.  C.  G.  Scheibe  rt:  Der  Kampf  über  Gymnasium  und  höhere  Bür- 
gerschule (S.  81 — 133.  Sehr  gründliche  beachtenswerthe  Abhandlung. 
Die  Ansichten  der  Gegner  der  höhern  Bürgerschulen  im  eigenen  und 
fremden  Lager  werden  geprüft  und  während  die  Schwächen  und  Män- 
gel nicht  geläugnet  werden,  die  Nothwendigkelt  des  Bestehens  und 
der  Erhaltung  in  ihrem  Bestände,  wie  auch  die  Bedingungen  gedeih- 
licher Entwickelung  gezeigt.  Der  Hr.  Verf.  erkennt  als  einzig  klare 
Ansicht  die  an,  welche  nur  eine  höhere  Bildungsschule,  das  in  seiner 
Einfachheit  hergestellte  Gymnasium  und  daneben  nur  noch 
technische  Anstalten  geduldet  wifsen  will.  Indem  das  erstere  voll- 
kommen gebilligt  wird,  erscheint  dann  gerade  des  Fortbestehn  der 
höheren  Bürgerschulen  als  nothwendig,  weil  es  in  einem  unabweis- 
baren Bedürfnisse  gegründet  ist).  —  IL  Anzeigen.  G.  Th.  Becker: 
Cyklus  deutscher  Dichtungen,  erläutert.  1.  Hft.  Goethes  Hermann  und 
Dorothea,  von  W.  (S.  134—237.  Sehr  empfohlen,  obgleich  gerathen 
wird  bei  der  Fortsetzung  aiisschliefslich  das  Bedürfnis  der  Lehrer  ins 
Auge  zu  fafsen). —  Bernhardy:  Grundrifs  der  römischen  Litteratur. 
2e  Bearbeitung,  von  Queck  (S.  138 — 42.  Nicht  zu  blofser  Leetüre, 
sondern  zum  eindringlichsten  Studium  empfohlen).  —  I.  N.  Schmeis- 
ser:  Lehrbuch  der  Rhetorik.  I.  Thl.  2e  Aufl.  und  C  h.  F.  Gockel: 
Lehrbuch  der  deutschen  Schriftsprache  für  Mittelschulen,  le  Abthlg. 
von  G.  Th.  Becker  (S.  142 — 148.  Das  erste  Buch  wird  besonders 
den  Gymnasien  empfohlen,  denen  die  Leetüre  und  Erklärung  der  alten 
Redner  und  Historiker  Beispiele  genug  verschafft,  um  die  Theorie  da- 
ran zu  studieren,  das  zweite  als  besonders  in  practischer  Hinsicht 
tüchtig  bezeichnet).  —  H.  Grafsmann  und  W.  Langbein:  deut- 
sches Lesebuch  für  Knaben  von  8 — 12  Jahren.  2e  Aufl.,  von  Otto 
(S.  148  f.  empfohlen).  —  A.  Weiss:  Handbuch  der  Trigonometrie, 
von  Fischer  (S.  149 — 51.  Wird  als  Handbuch  recht  geeignet  ge- 
funden, weniger  aber  als  Lehrbuch  zur  Einführung  in  Schulen).  — 
T  h.  Wittstein:  Drei  Vorlesungen  zur  Einleitung  in  die  Differen- 
tial- und  Integralrechnung,  von  E.  Külp  (S.  152.  Wegen  Klarheit 
der  Darstellung  gelobt).  —  III.  Otto:  Zerstreute  Bemerkungen,  wel- 
che den  Unterricht  in  den  Schulen  und  die  Lehrer  in  denselben  an- 
gehen (S.  157  —  60.  Betreffen  Feststellung  von  Grundsätzen  durch 
Abstimmen,  die  Aufhülfe  der  Schulen,  das  Verhältnis  zwischen  Geist- 
lichen und  Lehrern,  amtliche  Urtheile  über  Lehrer).  =  Pacdagogi- 
s che  Zeitung.  Burg  (S.  249 — 5L  Aus  dem  Progr.  v.  W.  Wi  n  ters  t  ei  n: 
Der  deutsche  Unterricht  in  unserer  ersten  Classe,  wird  der  Schlufs 
initgetheilt,  besonders  den  Satz  ausführend:  wir  müfsen  beim  Unter- 
richte nicht  nur  vom  besondern    ausgehn,   sondern    vorzugsweise  auch 


Auszüge  aus  Zeifschriften.  347 

in  dem  besondern  wellen,  bei  dem  Fortschritt  aber  zum  allf,'emeinen 
sorgfältig  darauf  achten,  wie  weit  unsere  JSchiiier  nicht  blofs  folgen 
können,  sondern  wie  weit  sie  das  allgemeine  in  dem  besondern  wahr- 
haft sich  aneignen  können.  Ueber  diese  Grenze  hinaus  miifsen  wir 
auf  das  allgemeine  verzichten;  sonst  verbilden  wir,  statt  zu  bilden). 
—  Cassel  S.  251 — 52.  Mittheilung  der  neusten  das  Gymnasialwesen 
betreifenden  Verordnungen  und  Schulnachrichten).  —  Frankreich  (S. 
253—61.  Auszüge  aus  der  Augsb.  Aligem.  Zeitung  über  die  Studien- 
ordnung vom  10.  April  1852).  —  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Bemer- 
kens werth  der  Artikel  aus  der  akadem.  Monatsschrift  über  die  Docto- 
rencollegien  in  Oesterreich  S.  273 — 282.  —  E.  Uebersicht  der  Schul- 
schriften. C.  Kühner:  Die  Realschule  im  Dienste  localer  Bedürf- 
nisse (S.  282 — 94.  Scheint  ein  vollständiger  Abdruck  des  unter  jenem 
Titel  erschienenen  Programms  der  Miisterschule  zu  Frankfurt  a.  M. 
zu  sein)  *).  —  Archiv  des  Schulrechts.  Abdruck  der  Verordnungen  in 
Kurhessen  in  Betreif  der  Gymnasien  vom  10.  April  1852.  —  Sep- 
temberheft. I.  C.  G.  Scheibe  rt:  Aus  der  Schulstube.  4rAbschn. 
Von  den  flüchtigen  Geistern  in  der  Schule  (S.  161 — 76.  Steht  mit  der 
im  Juniheft  gegebenen  Abhandlung  in  Verbindung.  Ks  werden  die 
Schüler  behandelt,  welche  leicht  eine  Vorstellung  gewinnen,  reprodu- 
cieren,  combinieren  und  scheiden,  aber  nicht  dauernd  eine  oder  meh- 
rere Vorstellungen  zugleich  festhalten,  gezeigt  wie  dieser  Fehler  meist 
in  falscher  Erziehung  wurzelt,  und  für  seine  Heilung  drei  Grund- 
sätze aufgestellt:  1)  Erhalte  diese  Schüler  in  Spannung;  2)  Suche  sie 
zur  Sammlung  zu  zwingen ,  und  3)  gib  ihnen  beim  Unterricht  zu  thun 
und  halte  sie  fest  dabei.  Die  praktische  Ausführung  derselben  wird 
an  Beispielen  aus  dem  Unterrichte  im  Lateinischen ,  Deutschen  und 
Rechnen  gezeigt.  Obgleich  der  Hr.  Verf.  ausdrücklich  und  mit  Recht 
seine  Vorschläge  nur  auf  die  untern  Classen  höherer  Schulen  berech- 
net, so  finden  sich  doch  viele  auch  in  den  obern  beachtens-  und  be- 
herzigenswerthe  Winke).  —  K.  A  r  e  n  z :  Das  Gesetz  über  den  mittlem 
Unterricht  in  Belgien,  historisch  und  kritisch  behandelt.  Zweiter  Ar- 
tikel (S.  177—200.  Erster  Artikel  im  Februarheft.  Die  Grundsätze, 
welche  die  Regierung  in  Folge  der  Constitution  bei  Entwurf  des  Ge- 
setzes und  in  ihrem  Verhalten  zu  den  Forderungen  und  Bedingungen 
des  Clerus  leiten  musten,  werden  ausführlich  dargelegt).  —  11.  K.  F. 
Schnell:  Die  Schuldisciplin,  von  H.  Zähringer  (S.  205 — 207.  Ob- 
gleich zunächst  für  Volksschulen  berechnet,  doch  auch  den  Lehrern 
an  höhern  Schulen  als  nützlich  zu  empfehlen).  —  Wiese:  Deutsche 
Briefe  über  englische  Erziehung,  von  S.   (S.  207  f.   Stellt  den  frischen 


*)  Wir  müfsen  gegen  die  Behauptung  S.  283,  dafs  im  Königreich 
Sachsen,  wie  in  Süddeutschland,  die  philologische  Schule  gegen  die 
Wünsche  des  Realismus  unnachgiebig  gewesen,  Einspruch  erheben  und 
dürfen  deshalb  nur  auf  das  Regulativ  für  die  Gelehrtenschulen  und  die 
besondern  Verordnungen  für  den  geschichtlichen,  mathematischen  und 
naturwifsenschaftlichen  Unterricht  verweisen.  Vergl.  diese  Jahrb.  Bd. 
XLIX  S.  231  ff.  und  Bd.  LI  S.  281  ff. 


348  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

und  klaren  PJindruck  dar,  den  das  Buch  macht).  —  Menn:  Unter- 
richtsfreiheit oder  Staatserziehung?  von  S.  (S.  209  f.  Der  beschränkte 
Standpunkt  der  katholischen  Kirche  wird  hervorgehoben).  —  Die  Glie- 
derung der  Schnlen,  von  deins.  (S.  212  'erinnert  an  die  Verfafsungs- 
macherei').  —  Zimmermann:  Die  Natur  und  ihre  Wifsenschaft,  das 
beste  Mittel  zur  geistigen  Wiedergeburt  unseres  Volkes,  von  dems. 
(S.  212  — J4.  Wird  als  beachtenswerth ,  weil  der  Verf.  sich  von  Ue- 
bertreibungen  fern  halte,  empfohlen).  —  Unsere  moderne  Bildung  im 
Bunde  mit  der  Anarchie,  von  dems.  (S.  214 — 16.  Als  wohlgemeint 
und  in  seiner  Weise  die  Wahrheit  suchend  bezeichnet).  —  Hopf:  Ue- 
ber  Jugendschriften.  2.  Bdchn.,  von  W.  L.  (S.  216  f.  Sehr  anerken- 
nend, einige  Schriften  nachtragend).  —  R.  Kühner:  Schulgrammatik 
der  griech.  Sprache.  3.  Aufl.  (S.  217  f.  Zwar  einige  Wünsche  auf- 
stellend, aber  durchweg  lobend).  —  Robolsky:  engl.  Gramm.,  von 
Schlözer:  Lehrgang  der  englischen  Sprache  und  englischen  Sprach- 
lehre, Temple:  theoret.-prakt.  Lehrbuch  der  englischen  Sprache, 
Thompson:  english  phrases  and  idionis,  Schmidt:  Anthology  of 
english  prose  and  poetry,  von  A.  Dräger  (S.  218  —  22.  1  unter  vie- 
len Ausstellungen  doch  wegen  der  Menge  von  Detail  empfohlen;  2  und 
3  verworfen;  4  als  unbrauchbar  bezeichnet,  5  als  nicht  unverdienst- 
lich 6  als  sehr  brauchbar). —  Leunis:  Schulnaturgeschichte,  G.W. 
Körber:  Grundzüge  einer  allgem.  Naturgeschichte,  C.  Schmid: 
Kurze  Naturgesch.  des  Menschen,  Hafsenstein  u.  Winter:  Lehr- 
buch der  Naturgesch.  für  Töchterschulen,  Schilling:  Grundrifs  der 
Naturgesch.  4e  Aufl.,  Baumann:  Naturgesch.  2e  Aufl.,  von  Hefs 
(S.  222 — 44.  Nr.  1  wird  sehr  eingehend  beurtheilt  und  trotz  sehr  vie- 
ler Ausstellungen,  wobei  namentlich  die  Ungeeignetheit  für  das  Selbst- 
bestimmen hervorgehoben  wird,  gelobt.  Nr.  2  wird  wegen  seines  In- 
halts und  seines  Zwecks  sehr  gerühmt,  Nr.  3  als  unbrauchbar  be- 
zei<hnct.  In  Nr.  4  wird  manches  falsche  nachgewiesen,  an  Nr.  5  das 
registerartige  bei  manchem  Lobe  getadelt,  Nr.  6  dagegen  sehr  em- 
pfohlen). —  Pacdagogischc  Zeitung.  Preufsen  (S.  299 — 302.  Kurze 
Angaben  über  Abhandlungen  in  Programmen  und  Schulnachrichten). 
Der  kirchliche  Charakter  der  Gymnasien  (S.  204.  Antwort  des  Mi- 
nisters von  Raumer  auf  eine  Eingabe  des  evangelisch-lutherischen  Pro- 
vinzialvereins  in  Pommern).  —  Danzig  (S.  305.  Das  arge  Verhalten 
der  städtischen  Behörde  in  Betrelf  des  Religionslehrers  am  Gymnasium, 
Blech).  —  Hannover  (S.  309  —  313.  Verhandlungen  in  den  Kammern 
über  die  Bedürfnisse  der  höhern  Lehranstalten,  Besoldungen  und  An- 
stellung der  Lehrer).  —  Grofsherzogthum  Hessen  (S.  317  f.  Kammer- 
verhandlungen über  die  Landeshochschule  und  die  pecuniären  Ver- 
hältnisse der  höhern  Lehranstalten).  —  Oesterreich  (S.  320 — 23.  Mit- 
theilungen vom  März  über  das  höhere  Studienwesen).  —  Frankreich 
(S.  323  —  39-  Zeitungsberichte,  den  Streit  über  die  Classiker  in  den 
Gymnasien,  den  philosophischen  Unterricht  und  andere  Schulangele - 
genheiten  betreffend). —  October-  u.  Novemberheft.  I.  Am  eis: 
Kxpectorationen  zur  Frage    über    den   Umfang   altclassischer   Leetüre, 


AHSziige  ans  Zeitschriften.  340 

besonders  zur  Leetüre  der  griedi.  Tragiker  in  den  Gymnasien  (S.  245 
—  9j.  Veranlal'st  durcli  Bemerkungen  in  Mützells  Zeitschrift  IH49  S. 
276,  den  Gymnasialbliittern  von  Clesca  und  Seiiöppner  1850  S.  202  u. 
476  nnd  diesen  Jahrb.  Bd.  LXII  S.  438.  Ausführliche  Darlegung  der 
Methode  des  Hrn.  Verf.  mit  vielen  polemischen  Bemerkungen  und  kri- 
tischer Beleuchtung  der  Haupt-Sauppeschen  u.  Hartungschen  Ausgaben). 
Der  unterzeichnete  sieht  sich,  persönlich  betheiligt,  zu  einigen 
ausführlichem  Bemerkungen  veranlal'st.  Weit  entfernt ,  die  Methode 
anderer  Lehrer  meistern  zu  wollen,  weit  entfernt  das,  wofür  jeder 
persönlich  seinen  Vorgesetzten  und  sich  Rechenschaft  schuldig  ist, 
gern  zum  Gegenstande  olFentllcher  Besprechung  zu  machen,  fühlte  er 
sich  zu  der  in  der  angegebenen  Stelle  der  NJahrb.  enthaltenen  Auf- 
forderung veranlal'st  durch  eigene  und  ihm  von  andern  ausgesprochene 
Bedenken,  welche  ihm  dadurch  eine  höhere  Bedeutung  erlangten,  dafs 
nicht  selten  auf  das  im  Gymnasium  zn  Mühlhausen  erreichte  Mafs  der 
Leetüre  zur  Bekräftigung  von  Forderungen  und  Ansichten  hingewiesen 
worden  war.  Also  nicht  um  sich  hinter  fremder  Auctorität  zu  decken, 
sondern  um  dadurch,  dafs  er  sie  als  den  Wunsch  der  Berücksichtigung 
werther  Männer  bezeichnete,  der  Aufforderung  gröfseres  Gewicht  zu 
verleihu  und  um  zu  erklären,  wie  er  dazu  gekommen,  sie  öffentlich 
zu  stellen,  berief  er  sich  auf  Bedenken  anderer,  und  weil  jede  Auf- 
forderung vag  dasteht,  ja  persönlich  verletzend  sein  mul's,  wenn  nicht 
die  Punkte  bezeichnet  werden,  wegen  der  man  an  der  Sache  Anstofs 
genommen,  und  die  Zweifel,  welche  man  beseitigt  wünscht,  fügte  er 
seine  Gründe  hinzu.  Hat  übrigens  Hr.  Ameis  in  jener  Aufforderung 
(s.  diese  Jahrb.  Bd.  LXV  S.  '67)  einen  zwar  würdevoll  gehaltenen, 
aber  etwas  provocierenden  Angriff  gefunden,  so  hat  dies  nicht  in  des' 
Ref.  Absicht  gelegen,  wenn  man  nicht  in  jeder  Aufforderung  Bedenken 
über  das,  was  man  thut,  zu  beseitigen,  die  Eröffnung  eines  gehäfsi- 
geu  Kampfes  sehn  will.  Auseinandersetzungen  über  rerschiedene  An- 
sichten sind  nur  förderlich  und  übrigens  hat  Hr.  Ameis  die  Möglich- 
keit eines  Irthums  selbst  erkannt  und  durch  Hinzufügung  einer  Be- 
merkung in  dem  neusten  Programm  seiner  Anstalt  beseitigt.  Der 
unterzeichnete  verwahrt  sich  also  feierlichst  gegen  die  Voraussetzung, 
als  habe  ihn  damals  persönliches  und  subjectives  geleitet  und  als  seien 
bei  den  gegenwärtigen  Bemerkungen  solche  Motive  im  Spiele,  und 
wenn  er  Hrn.  Ameis  seinen  Dank  ausspricht  für  das  Eingehn  auf  seine 
Aufforderung  und  für  die  manigfache  Belehrung  und  Anregung,  die  er 
durch  seine  Expectoration  erhalten,  so  thut  er  dies  mit  redlichem  und 
aufrichtigem  Herzen.  Da  Hr.  Ameis  übrigens  die  volle  Durchführung 
seiner  Methode  selbst  nur  für  möglich  erklärt,  wenn  man  eine  Classe 
von  12 — 15  Schülern  vor  sich  und  wenn  man  ziemlich  freie  Hand 
habe  (so  glauben  wir  wenigstens  die  Worte  S.  295:  'Wer  mein  Ver- 
fahren, ohne  Director  zu  sein,  in  der  angeführten  Ausdehnung 
durchsetzen  will,  der  mul's  wenigstens  in  seinem  Director  einen  so 
edeln  und  hochstehenden  Charakter  verehren  und  lieben  können,  als 
es  bei  mir  der  Fall  ist'  verstehn  zu  müfsen),  so  verzichtet  Ref.  auf 
eine  Darlegung  seiner  Methode  und  seines  Verfahrens  —  denn 
zwar  mufs  er  öffentlich  die  herzliche  und  liebevolle  Eintracht  des  Col- 
legiums,  zu  dem  zu  gehören  er  das  Glück  hat,  dankbar  rühmen,  aber 
alle  andern  äufsern  Bedingungen  sind  anders,  in  Secunda  29 — 36,  in 
Prima  20 — 28  Schüler  und  dabei  halbjährliche  Versetzungen ,  also  in 
jeder  Classe  3  Stufengänge  —  und  hält  sich  nur  an  das,  was  er  unter 
allen  Umständen  und  Verhältnissen  für  nothwendig  ,  räthlich  nnd  för- 
derlich hält,  ohne  damit  die  Meinung  zu  verbinden,  als  könne  keine 
Belehrung  und  Erfahrung  etwas  daran  ändern.     Ueber  den  materiellen 


350  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Umfang  der  classischen  Leetüre  glaubt  der  unterz.  mit  Hrn.  Ameis 
einverstanden  zu  sein,  ja  er  meint,  dafs  derselbe  in  seiner  Si  hule 
erreicht,  vielieicht  in  mancher  Hinsicht  noch  erweitert  ist.  Ueber  die 
Wahl  der  Schriftsteller  lassen  sich  so  viele  F''ragen  erörtern ,  dafs  dar- 
auf einzugehu  hier  nicht  möglich  ist.  Welche  ausführliche  Erörterung 
würde  z.  B.  unsere  Ansicht,  dafs  es  besser  sei  der  Schüler  habe  den 
Sophokles  ganz  gelesen,  als  einige  Stücke  von  allen  drei  Tragikern, 
in  Anspruch  nehmen?  Es  handelt  sich  ohnehin  bei  der  Bestimmung 
des  Umfangs  um  den  Zweck,  den  der  Unterricht  in  den  alten  classi- 
schen Sprachen  hat,  und  wir  müsten  uns  sehr  irren,  wenn  wir  nicht 
darüber  in  den  wesentlichsten  Punkten  einverstanden  wären.  Eine 
wesentliche  Verschiedenheit  findet  aber  statt  über  den  Weg,  indem 
Hr.  Ameis  alle  Leetüre  in  den  öffentlichen  Lectionen  vornimmt,  wir 
einen  grofsen  Theil  derselben  dem  Privatstudium  zuweisen.  Man  ver- 
gleiche darüber  unsere  Anzeige  von  Seyfferts  :  Das  Privatstudium,  in 
diesen  Jahrb.  Bd.  LXVI  S.  17ö — 183  mit  der  von  Hrn.  Ameis  in 
Mützells  Zeitschr.  18ö2  S,  830 — Sil.  Dafs  wir  davon  abgehn  sollten, 
kann  Hr.  A.  nach  seinen  eignen  Aeufserungen  nicht  verlangen,  da  un- 
sere Erfahrungen  bis  jetzt  nur  günstige  sind  und  wir  uns  namentlich 
auf  die  eine  berufen  dürfen,  dafs  der  von  ihm  beklagten  Mal'slosigkeit 
deutscher  Leetüre  Einhalt  gethan  werde  (vergl.  das  Programm  der 
königl.  Landesschule  zu  Grimma  von  1850.  Anhang.  Deutsche  Schüler- 
arbeit). Dafs  die  Begriffe  Selbstudium,  Selbstthätigkeit,  Selbstän- 
digkeit allerdings  nur  in  einer  gewifsen  Beschränkung  gefafst  werden 
müfsen ,  ohne  dafs  jedoch  dadurch  das  Wesen  der  Sache  aufgehoben 
werde,  haben  wir  selbst  a.  a.  O.  erklärt.  Ob,  in  welchen  Grenzen 
und  unter  welchen  Bedingungen  —  wir  rechnen  dazu  namentlich  die 
Beschaffung  längerer  freier  Arbeitszeiten ,  ohne  w  eiche  eine  Zerstück- 
lung und  Zersplitterung  unumgänglich  ist  —  andere  Schulen  davon 
Gebrauch  machen  können,  überlassen  wir  natürlich  dem  eignen  Er- 
mefsen,  allein  wir  müsten  entweder  das  letzte  Vertrauen  auf  die  Bild- 
samkeit unserer  Jugend  aufgeben  oder  gänzliche  Erfolglosigkeit  der 
Schulerziehung  durch  mehrere  unter  einer  Leitung  stehende  untere 
Classen  hindurch  voraussetzen,  wenn  die  Möglichkeit  der  Anwendbar- 
keit in  den  obersten  beiden  Classen  im  allgemeinen  zu  negieren  wäre. 
Denn  dafs  das  Gewähren  einer  Leitung  nicht  ausschliefsenden  Selb- 
ständigkeit der  Beschäftigung  in  dem  Alter,  in  welchem  unsere  Pri- 
maner stehn,  oder  —  denn  manche  zu  junge  Schüler  finden  wir  wohl 
—  wenigstens  stehn  sollten,  an  und  für  sich  unpaedagogisch  wäre, 
dafs  man  davon  nicht  gute  Früchte  zu  erwarten  habe,  davon  kann  ich 
mich  nicht  überzeugen.  Indem  ich  mich  nun,  um  weitere  Verschie- 
denheiten zu  besprechen,  zu  der  Leetüre  in  der  Classe  selbst  wende, 
sehe  ich  ab  von  den  Forderungen,  welche  etwa  wegen  des  daneben 
bestehenden  Privatstudiums  an  dieselbe  gestellt  werden  können ,  sie 
sind  ohnehin  nicht  verschieden  von  denen,  welche  überhaupt  von  Theo- 
rie und  Praxis  gestellt  werden  müfsen.  Ich  bin  mit  Hrn.  Ameis  voll- 
kommen darin  einverstanden,  dafs  Fertigkeit  im  Verstehn  der  Spra- 
che das  zu  erreichende  Ziel  ist,  wenn  die  altclassischen  Studien  ihren 
Platz  in  der  Gymnasialbildung  ausfüllen  und  einen  bleibenden  Einflufs 
auf  das  künftige  Leben  üben  sollen,  demnach  aber  auch  darin,  dafs  ohne 
vielfache  Uebung  jene  nicht  zu  erreichen  ist.  Dafs  derselbe  die  Ue- 
bung  im  Sprechen  und  Schreiben  um  des  leichteren  Verständnisses 
der  Alten,  nicht  um  anderer  Zwecke  willen  für  nothwendig  erklärt, 
darüber  habe  ich  mich  um  so  mehr  gefreut,  je  mehr  ich  mich  in 
der  Praxis  von  der  Wahrheit  jenes  Satzes  überzeugt  und  demzu- 
folge in  meinem  eignen  Unterrichte  —  selbst  im  Griechischen,  wenn 
auch  vielleicht  in  bedeutend  geringerem  Umfange   —   davon  Gebrauch 


Auszüge  aus  Zeitschriften.  351 

gemacht  habe.  Eheiisoweiilj;  kann  über  die  Uebiing  im  Uebersetzen 
au.s  der  frenideu  Sprache  eiyeiitlicli  ein  Streit  zwischen  uns  sein,  aber 
einige  Abweichungen  finden  sich  doch.  Icli  will  mich  nicht  mit  alige- 
meinen paedagogisclien  Erörterungen  aulhalten,  nur  Iturz  die  Kragen 
stellen:  irrt  der,  welcher  bei  der  Anwendung  des  Sprichworts:  Eile 
mit  Weile!  aufdie  Faedagogik,  nicht  auf  das  '^Eile'  den  gröl'sern,  son- 
dern auf  beides  gleich  starken  Nachdruck  legt  V  und  ob  das  Interesse 
au  dem  zu  bildenden  Subjecte  ohne  ein  Interesse  an  dem  Object,  wo- 
durch jenes  gebildet  werden  soll,  bestehn  kann?  Ich  halte,  mich  allein 
an  die  Sache.  Wenn  ich  nun  beim  Uebersetzen  ins  Deutsche  nicht 
nur  ein  schnelles  Wiedergeben ,  sondern  auch  ein  grammatisch  rich- 
tiges und  geschmackvolles  Deutsch  verlange,  so  bin  ich  weit  davon 
entfernt,  damit  das  Ideal  der  Uebersetzungskunst  zu  fordern,  ich 
weifs  recht  gut,  dafs  was  der  Schüler  leisten  kann,  weit  hinter  den 
Anforderungen  deutscher  Classicität  zurückbleiben  wird,  aber  dafs  der 
Schüler  geübt  werde  nicht  nur  scharf  bezeichnende  Worte  zu  gebrau- 
chen, sondern  auch  der  deutschen  Sprache  fremde  Ausdrucksweisen, 
Wendungen,  Bilder  und  Verbindungen  durch  derselben  angemessene  zu 
ersetzen  und  alles  der  hochdeutschen  Schriftsprache  zuwiderlaufende, 
provinzielle,  unedle,  gemeine  zu  vermeiden,  diese  Forderung  scheint 
mir  nothwendig,  weil  nur  dadurch  die  Eigenthümlichkeit  der  fremden 
Sprache  erfafst  und  die  Muttersprache  geübt  wird.  Wir  dürfen  uns 
nicht  auf  die  Männer  vergangener  Zeiten  berufen,  welche  z.  B.  La- 
tein zierlich  sprachen,  ohne  im  Deutschen  dasselbe  zu  können,  denn 
unsere  Schriftsprache  hat  seitdem  eine  ganz  andere  Entwickelung  ge- 
nommen und  diese  stellt  in  Verbindung  mit  dem  Leben  andere  An- 
forderungen an  die  Schulen.  Ich  zweifle  nun  gar  nicht  daran,  dafs 
Hr.  Ameis  diese  Forderungen  anerkennt  und  selbst  zu  erfüllen  sucht, 
dafs  er  die  Schüler  zum  Selbstfinden  des  richtigen  deutschen  Aus- 
drucks anhält  und  demnach  das  Lesen  öfters  unterbricht,  Fragen  stellt, 
und  dann  noch  einmal  den  ganzen  Satz  wiederholen  läfst,  aber  er  un- 
terläfst  zweierlei:  das  Lesen  des  zu  übersetzenden  Textes  und  das 
Nachübersetzen,  was  wir  beides  für  nothwendig  halten,  das  erstere, 
weil  der  Schüler  schon  dadurch  zeigen  mufs,  dafs  er  das  zu  über- 
setzende verstanden,  und  durch  das  nochmalige  Uebersehn  in  den 
Stand  gesetzt  wird,  leichter  fliefsend  und  ohne  Stocken  zu  übersetzen, 
das  zweite,  wobei  wir  das  Lesen  fast  stets  weglassen,  einmal  um  der 
Uebung  der  Schüler,  sodann  um  der  Ueberzeugung  willen,  welchen 
Erfolg  der  Unterricht  gehabt.  Den  Einwand,  dafs  es  ja  leicht  mög- 
lich sei,  der  Schüler  schreibe  sich  die  Uebersetzung  ins  Buch  oder 
lerne  sie  auswendig,  kann  ich  nicht  anerkennen,  da  es  Sache  des  Leh- 
rers ist  beides  zu  verhüten,  das  erste  durch  strenge  Aufsicht,  das 
zweite  durch  die  Art  seines  Unterrichts.  Ist  der  Schüler  gezwungen 
gewesen ,  die  Uebersetzung  sich  noch  einmal  zu  überlegen  und  zu  wie- 
derholen, so  schadet  es  dann  auch  nichts,  wenn  er  sie  sich  ins  Ge- 
dächtnis eingeprägt.  Uebrigens  werde  auch  bemerkt,  dafs  wenn  jenes 
auch  die  Regel  ist,  dennoch  auch  Ausnahmen,  natürlich  jedesmal  aus 
paedagogischen  und  didaktischen  Gründen,  gemacht  werden  und  dafs 
Inhaltswiederholungen  und  andere  von  Hrn.  Ameis  bezeichnete  Ue- 
bungen  deshalb  nicht  unterlassen,  sondern  ebenfalls  vorgenommen  wer- 
den. Schwieriger  ist  vielleicht  eine  Verständigung  über  das  Mafs  der 
Erklärung.  Die  so  entgegengesetzten  Urtheile  darüber  beweisen,  wie 
schwer  es  ist  ein  Princip  zu  finden,  wie  vielleicht  noch  schwerer,  ein 
solches  praktisch  festzuhalten  und  durchzuführen.  Leicht  ist  es  aus- 
gesprochen dafs  alles,  was  nicht  zum  Verständnis  der  Stelle  und  des 
Schriftstellers  gehöre,  streng  ausgeschieden  werden  müsse,  eben  so 
leicht  aber  auch  alles  ,  was  nicht  zur  blofsen    richtigen    Uebersetzung 


352  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

gehört,  als  ungehörig  zu  bezeichnen.  Wer  sollte  wohl  das  aliter pueri 
legunt  etc.  vergefsen,  wenn  er  von  Verständnis  spricht,  aber  wer 
kann  auch  vergessen,  dafs  die  Schüler  durch  den  Lehi-er  eben  weiter 
und  tiefer  geführt  werden  sollen ,  als  sie  ohne  denselben  kommen. 
Alles  kommt  darauf  an,  was  man  unter  Verstehen  versteht.  Die  Ue- 
bersetzung  ist  oft  leicht  zu  errathen,  aber  der  Zweck  des  Unterrichts 
fordert  das  Gegentheil.  Bei  dem  Schüler  das  VVif.sen  zu  bewirken, 
dafs  und  warum  dies  Deutsche  in  den  Worten  des  Schriftstellers  ent- 
halten sei,  dies  ist  meiner  iMeinung  nach  eine  Aufgabe  der  Erklärung. 
Damit  ist  keineswegs  ein  Stehnbleiben  bei  jedem  nur  halbvveg  schwe- 
rern Worte  und  grammatischer  Fügung  gegeben,  ebenso  wenig,  wie 
eine  Vertiefung  in  rationelle  Grammatik  und  Wortforschung.  Es  ge- 
nügt vollkommen,  wenn  ein  Schüler  die  Grundbedeutung  des  Wortes 
weifs  und  aus  dieser  die  für  seine  Stelle  passende  abgeleitet  hat;  ein 
Versteigen  in  die  Ableitung  der  Zweigbedeutungen  von  einem  Stamme, 
eine  Uebersicht  über  die  nur  hauptsächlichsten  jedes  Worts  ist  zu  der 
Leetüre,  d.  h.  zum  Verstehn  des  Schriftstellers  und  der  einzelnen 
Stelle,  nicht  nöthig.  Wie  viel  der  Lehrer  hier  zu  thun  hat,  wird  aller- 
dings von  dem  Standpunkte  der  Vorbereitung  seiner  Schüler  abhangen. 
Sind  diese  von  unten  auf  zur  Wortkenntnis  recht  geleitet,  so  wird  er 
in  den  obern  Classen  weniger  zu  thun  haben,  wo  nicht,  mehr.  Wenn 
aber  ein  Lehrer,  um  sich  von  dem  Standpunkte  der  Schüler  zu  über- 
zeugen, darauf  bezügliche  Fragen  thut,  wenn  er  längst  dagewesenes 
einmal  kurz  repetiert  oder  dazu  kurz  und  bündig  eine  Erläuterung 
und  Erweiterung  gibt,  natürlich  nur  wenn  die  Stelle  dazu  Veranlaisiing 
bietet,  wird  man  ihm  dann  füglich  vorwerfen  können,  er  halte  das 
Lesen  ungebührlich  auf?  Dafs  mit  dem  Fortschreiten  in  der  Classe 
derartiges  weniger  und  seltener  wird,  versteht  sich  von  selbst.  Und 
wenn  nun  der  Lehrer  bei  solchen  Worten,  wo  er  Unbekanntschaft  voi'- 
aussetzen  mufs,  den  Grundbegriff  oder  einen  bestimmten  Gebrauch  in 
bestimmten  Verhältnissen  und  Verbindungen  kurz  und  bündig  dar- 
stellt (man  denke  hierbei  an  die  für  die  Auffafsung  des  Inhalts  so 
wichtigen  Partikeln),  so  dafs  der  Schüler  in  allen  künftigen  Fällen 
daran  eine  Handhabe  für  sein  Denken  und  Verstehn  hat  —  der  tüch- 
tigste Philolog  wird  dies  am  besten  können,  aber  handelt  er  dann  als 
Philolog  oder  als  Paedagog?  In  der  Prosa  wird  allerdings  die  Nöthi 
gung  stets  geringer  sein,  aber  bei  den  Dichtern  häufiger,  und  um  so 
mehr  je  kühner  und  gedankenreicher  und  je  kunstvoller  ein  solcher  ist. 
Hier  ist  es,  wo  sich  der  Lehrer  oft  mit  der  blofsen  Uebersetzung  nicht 
begnügen  kann,  wo  er  wegen  der  poetischen  Ausdrucksweise  fragen 
und  diese  selbst  erklären  mufs.  Li  Rücksicht  auf  die  Metrik  bei  den 
Tragikern  bin  ich  mit  Hrn.  Ameis  einverstanden.  Ich  bin  ferner  der 
Ansicht,  dafs  der  grammatische  Unterricht  sich  auf  klare  Erkenntnis 
der  Regel  und  der  Bedeutung  der  Sprachformen  zu  beschränken  hat, 
von  tiefer  rationeller  Begründung  und  Auffafsung  will  ich  nichts  wifsen. 
Grammatische  Expositionen  sind  bei  der  Leetüre  ganz  zu  unterlassen, 
ist  ein  von  mir  anerkannter  Grundsatz;  aber  ist  jedes  Nachfragen 
nach  einer  Regel,  wenn  es  um  der  Ueberzeugung  willen  geschielit, 
dafs  der  Schüler  mit  Bewufslsein  übersetzt  hat,  zu  verurtheilen? 
Und  —  der  grammatische  Unterricht  kann  doch  nicht  jeden  Sprach- 
gebrauch, jede  Ausnahme  berücksichtigen.  Wie  nun,  wenn  der  Leh- 
rer, wo  solches  sich  findet  und  dem  Schüler  als  von  der  Regel  ab- 
weichend auffallen  mufs,  kurz,  bündig,  allverständlich  eine  für  immer 
ausreichende  Erörterung  gibt  (um  einen  concreten  Fall  anzuführen, 
wenn  er  bei  Cic.  pro  Mil.  26,  G9  den  von  Madvig  Sprachlehre  «).  3JtS 
Anm.  4  erwähnten  Fall  kurz  angibt),  handelt  er  dann  als  Philolog 
oder  als  Paedagog?    Die  sprachliche  Erklärung  hat  für  mich  eine  dop- 


Auszüge  ans  Zcilscliriflon.  3.'),'i 

pelte  Seite,  einmal  richtiges,  bewiisstrs  Verständnis  der  vorliegenden 
Stelle,  andererseits  allgemeine  Hillsiiiittel  für  das  Verstelm  anderer 
und  dies  letztere  wieder  nur  innerlialh  der  Cirenzen  des  häutiger  vor- 
kommenden. Bündige  und  klare  Krkliiiiingen  über  politische  Verhält- 
nisse, Rechts-  und  Staatssachen,  religiöse  und  häusliche  Gebräuche, 
wenn  sie  durch  das  Bedürfnis  veranlaist  werden  un<l  nicht  über  das- 
selbe hinansgehn,  wird  niemand  tadeln.  Kann  sie  der  Schüler  aus  der 
Stelle  abstrahieren,  so  genügt  eine  Krage,  wo  nicht,  kurze  Angabe 
des  Lehrers.  Vor  allem  wichtig  ist  die  Auffal'sung  des  Gedankenin- 
halts und  der  Knnstform.  Hier  liegt  die  Gefahr  sehr  nahe  den  Schü- 
lern zu  viel  zuzumuthen,  aber  deshalb  die  Sache  ganz  zu  unterlafsen 
lind  dem  Selbstdenken  der  Schüler  oder  ihrer  unmittelbaren  Auffafsung 
zu  vertraun,  scheint  mir  doch  auch  ein  Kxtrem.  Was  ein  Berichter- 
statter in  der  paedagog.  Revue  Augustheft  S.  134  in  Betreff  der  Erklärung 
eines  deutschen  Gedichts  sagt:  ^Wer  uns  zu  einem  Kunstwerke,  das  wir 
seit  unserer  Jugend  geliebt  und  bewundert  haben,  führt,  uns  an  denselben 
Wahrheiten  und  Schönheiten  zeigt,  die  uns  bisher  entgangen  sind,  und 
uns  durch  überraschende  Resultate  der  'Begeisterung  und  des  stillen  und 
treuen  Fleifses',  womit  er  das  Ganze  und  dessen  Theile  studiert  hat, 
zu  gleichem  Studium  anregt,  verdient  unsern  wärmsten  Dank',  gilt 
unter  den  nöthigen  Modificationen  für  die  Erklärung  der  alten  Classi- 
kei'.  Bei  allem  Fleifse,  bei  allem  Eifer,  bei  aller  Begeisterung  wer- 
den den  Schülern  Wahrheiten  und  Schönheiten  in  denselben  entgehn, 
die  sie  wohl  zu  begreifen  und  zu  fühlen  fähig  sind.  Rasch  ist  die  Ju- 
gend, aber  sie  begnügt  sich  auch  leicht  mit  einem  halben,  ja  wohl 
mit  einem  falschen  Verständnis,  und  findet  kein  Räthsel  und  Problem, 
wo  doch  ein  solches  auf  der  Hand  liegt.  Was  Nägelsbach  in  seiner 
Vorrede  zu  den  drei  Büchern  der  Hias  S.  XVI  sagt,  ist  ganz  gewis- 
lich  wahr.  Hier  mufs  der  Lehrer  eintreten  und  weit  gefehlt,  dafs  er 
den  Eifer  und  die  Liebe  zur  Sache  in  den  Schülern  dadurch  schwä- 
chen Avird,  er  wird  sie  heben  und  beleben?  Aber  wo  ist  hier  eine 
Grenze  zu  ziehn?  Mit  wenigen  Worten  ist  eine  solche  nicht  zu  ge- 
ben. Wollte  man  sagen,  der  Lehrer  dürfe  nichts  erörtern,  was  er 
nicht  durch  Fragen  aus  dem  Schüler  heranseUtwickeln  könne,  so  ist 
damit  doch  die  Gefahr  des  Zuweitgehens  nicht  vermieden.  Es  fragt 
sich,  was  mufs  und  was  kann  und  darf  geschehn.  Was  der  Lehrer 
erklären  mufs,  das  ist  meiner  Ansicht  nach  der  Gedanke  und  der  Zu- 
sammenhang. Wird,  um  ein  concretes  Beispiel  anzuführen,  Cic.  pro 
Mil.  §.  83  und  84  gelesen,  so  mufs  darauf  eingegangen  werden,  wie 
die  amplitudo  imperii  und  die  viaioruiii  sapicntiu  zum  Glauben  an  das 
Dasein  der  Gottheit  hinführend  betrachtet  werden,  denn  sonst  bleibt 
der  Gedanke  unerfafst  und  dann  lese  man  lieber  die  Stelle  nicht.  Der- 
gleichen Sachen  finden  sich  viele  bei  den  Alten.  Wie  oft  bleibt  im 
Dialoge  die  Pafslichkeit  oder  der  Zweck  einer  Antwort  von  dem  Schü- 
ler ohne  den  Lehrer  unverstanden.  Soll  sie  es  bleiben?  Hier  kann 
ich  mich  nicht  damit  begnügen,  wenn  der  Schüler  'den  breiten  klaren 
Strom  von  einem  Ufer  bis  zum  andern  überschaut",  ich  werde  ihn  nicht 
in  die  Tiefe  hinuutersteigen  lafsen,  auch  nicht  nöthigen,  bei  jeder 
Woge  und  Brandung  oder  Stromschnelle  die  Ursachen  aufzusuchen 
eher,  dafs  er  weifs,  woher  er  kommt  und  wo  er  sich  ergiefst,  aber 
er  soll  mir  doch  von  seinem  Wafser  trinken  und  kann  er  sich  selbst 
nicht  schöpfen,  so  Avill  ich  es  thun  und  ihm  reichen,  so  viel  ihm  dien- 
lich ist?  Und  ob  er  wohl  wieder  einmal  darnach  dürstet,  wenn  er 
einmal  aus  ihm  Nahrung  und  Erfrischung  empfangen?  Und,  wenn 
er  nun  den  schonen  Flufs  überschaut,  aber  dies  und  jenes  nicht  be- 
merkt, was  mich  erfreut  und  erhebt,  so  werde  ich  seine  Blicke  dahin 
lenken  und  werde  ihm  wohl  auch  die  F'reude  machen,    mir   zu  zeigen, 

r\l.  Ja/irb.  f.  Phil.  u.  Paed.   Bd.  LXVII.   Hft.  3.  23 


3r)4  Auszüge  aus  Zcitschrinen. 

was  ihn  anzieht  und  was  ihn  entzückt.  Doch  ohne  Bild  !  Es  giht  ein  ge- 
wifses  tieferes,  gründlicheres  und  vollständigeres  Verständnis  auch  für 
den  Schüler,  verschieden  von  dem  blofsen  Anschauen  ;  wir  meinen  natür- 
lich nicht  das  wifsenschaftHche,  aber  warum  soll  man  die  Worte  nicht 
schon  von  den  Anfängen  gebrauchen,  mögen  diese  auch  noch  so  weit 
von  Vollendung  entfernt  sein?  Hält  ein  Lehrer  hier  weise  die  Grenze 
ein,  wird  er  seinen  Schülern  nicht  eben  so  viel  nützen,  als  wenn  er 
ihnen  mehr  Bilder  und  Anschauungen  schnell  an  der  Seele  vorüber 
führt?  Doch  vergesse  man  ja  nicht,  dafs  ich  die  Erreichung  von 
Fertigkeit  oben  als  einen  Zweck  des  Unterrichts  anerkannt  habe  und 
demnach  auch  hier  die  Bedingung  festhalte,  dafs  sie  entweder  schon 
in  gewifsen\  Grade  vorhanden  sein  mufs  oder  über  dem  andern  nicht 
vernachläfsigt  werden  darf.  Doch  Hr.  Ameis  hält  ja  solches  nicht  für 
unangemessen,  er  will  nur  den  B^lufs  der  Leetüre  nicht  unterbrochen 
wil'sen,  er  verweist  derartiges  in  besondere  Interpretierstunden;  viel- 
leicht hält  er  es  uns  aber  doch  zu  gute,  wenn  wir,  ohne  rasches  Ue- 
bersetzen  zu  vernachläfsigen,  dann  und  wann  einen  kleinen  Halt  ma- 
chen und  eine  Schwierigkeit  beseitigen  oder  einen  neuen  Blick  den 
Schülern  eröffnen,  um  dann  rüstig  von  neuem  vorwärts  zu  schreiten, 
wenigstens  dann,  wenn  wir  der  Ueberzeugung  sind,  dafs  unsere  Schü- 
ler sich  nach  jenem  sehnen  und  dann  um  so  frischer  mit  uns  gehn 
werden  ,  wenn  sie  nichts  ihnen  ungelöstes  mehr  hinter  sich  haben,  Uebri- 
gens  will  ich  nicht  etwa  alles  derartige  berücksichtigt  wifsen,  aber 
an  einigen  Beispielen  mufs  es  gezeigt  werden.  Vorübersetzung,  Er- 
klärung, Nachübersetzen  werden  also  zwar  von  niir  geübt,  aber  kei- 
neswegs in  stehender  Folge  und  Methode.  Manchmal  geht  die  Er- 
klärung einer  Schwierigkeit  voraus,  manchmal  beschränkt  sie  sich 
auf  kurze  Bemerkungen  während  des  Uebersetzens  und  ganze  Partien 
werden  cursorisch  einfach  übersetzt.  Wenn  ich  nun  auch  manches  bei 
der  Leetüre  berücksichtigt  wifsen  will,  worauf  Hr.  Ameis  wenig  Werth 
legt,  so  fürchte  ich  mich  nicht  vor  dem  Vorwurfe,  dals  ich  als  'Phi- 
lologe' so  rede,  es  genügt  mir  das  Bewufstsein,  wenn  ich  es  aus  pae- 
dagogischen  Gründen  und  in  paedagogi.scher  Weise  thue;  so  sehr  weit 
stehn  wir  nicht  auseinander.  Die  Erfolge  i>rüfe  ich  gewifsenhaft  und  achte 
auf  das,  was  von  den  zu  ihrer  Prüfung  berufenen  bemerkt  wird.  Dafs 
ich  übrigens  meine  Bemerkungen  über  die  Leetüre  des  Thukydides  und 
von  Aeschylos  Prometheus  anders  gestellt  haben  würde,  wenn  ich  die 
äufsern  Verhältnisse  so  gekannt  und  vor  Augen  gehabt  hätte,  gestehe 
ich  willig  ein,  aber  trotzdem  würde  ich  mich  nicht  entschliefsen  das 
letztere  Stück  so  schnell  mit  Schülern  zu  lesen  (auf  ein  Halbjahr  neh- 
me ich  höchstens  40  Stunden;  dann  kommt  auf  jede  Stunde  27  und 
wenn  man  Einleitung  und  ganz  auf  Repetition  verwendete  Stunden 
abzieht,  30 — 35  Verse;  also  findet  auch  neben  langsamerm  Lesen  schnel- 
leres statt),  und  im  Thukydides  habe  ich  auch  langsamer  gelesen, 
nicht  um  meinet-,  sondern  um  der  Schüler  willen.  Habe  ich  nur  12 
—  lö  Schüler  und  ein  ganzes  Jahr  lang  unverändert,  so  werde  ich 
wohl  auch  dahin  kommen,  zuletzt  recht  rasch  lesen  zu  können.  Doch 
die  Methodik  ist  ein  Feld,  auf  welchem  man  nie  auslernen  kann.  Wer 
nicht  zu  irren  und  nichts  mehr  lernen  zu  können  glaubt,  der  hat  kei- 
nen Beruf  zum  Lehrer  in  sich;  aber  ich  habe  oft  die  Erfahrung  ge- 
macht, dafs  wo  die  Methode  dem  Augenscheine  nach  viel  vermifsen 
und  zu  erinnern  liefs,  doch  die  Wirkung  —  in  Folge  der  Individua- 
lität —  alle  Erwartungen  übertraf.  Streben  wir  jeder  in  Demuth  und 
Glauben  unsern  heiligen  Beruf  zu  erfüllen,  lernen  wir  von  einander, 
wo  wir  nur  können,  und  fördern  uns  gegenseitig  durch  Lehre  und 
Wandel.  Und  so  grüfse  ich  denn  am  Schlufse  Hrn.  Ameis  als  einen 
lieben  Freund  und  Mitarbeiter.  Möge  er,  was  weniger  ausgeführt 
hier  erscheint,  mir  zu  gute  halten! 


Auszüge  aus  Zcilschrifleii.  li'y'i 

—  II.  Fr.  Barthoioniäi:  Hr.  Curtmaiin  und  die  Gemütlisbildmif;, 
von  S.  (S.  298-300.  Als  von  {»auz  demokratiscliem  Staudpuiikt  Zu- 
schrieben bezeichnet).  —  Th.  Waitz:  Allgemeine  Paedaj;(){;ik ,  von 
Soheibert  (S.  301—306.  Als  ein  Werk  gerühmt,  welches  die  aus- 
einanderfahrende, sich  in  einzelneu  Vorschläp;en  verlierende,  in  ein- 
zelne Fächer  sich  nutzlos  abarbeitende,  in  fruchtlosem  Experimentie- 
ren sich  abmüdende  Praxis  wieder  auf  das  einheitliche  Moment  in  der 
Erziehung  und  im  Unterrichte  zurückzuführen  und  die  im  Einzelstre- 
ben zersplitterten  Kräfte  zu  einen  und  so  wirtsamer  zu  machen  unter- 
nimmt, doch  werden  auch  einige  abweichende  Ansichten  vorgetragen). 
Körner:  Die  Bedeutung  der  Realschulen  für  das  moderne  Cultur- 
leben,  von  dems.  (S.  306  — 11-  Charakterisiert  die  Schrift  mit  ihren 
eignen  Worten,  ohne  sich  auf  eine  Kritik  einzulafsen,  weil  der  Stand- 
punkt der  paedagog-  Revue  bekannt  sei).  —  Nachtrag  zu  der  Anzeige 
über  die  Anmerkungen  zu  Euripides  Andromache  von  L.  v.  Jan  im 
April-  und  Maiheft  (S.  316  f.  Verwahrt  sich  gegen  die  Deutung  als 
habe  der  Ref.  des  Verf.  litterarische  Persönlichkeit  angreifen  wollen). 

—  Rüstow  und  Köchly:  Geschichte  des  griech.  Kriegswesens,  von 
R.  Rauchenstein  (S.  317—21.  Durchweg  empfehlende,  aber  nur 
den  Totaleindruck  berücksichtigende  Arbeit).  —  Emsmaun:  Physi- 
kalische Aufgaben  nebst  ihren  Auflösungen  (S.  321 — 26.  Selbstauzeige). 

—  PaedafTOgischc  Zeitung.  Preufsen  (S.  347 — ÖO.  Circnlarverfügung, 
den  Zustand  der  zu  Entlafsungsprüfungen  berechtigten  höhern  Bürger- 
und Realschulen  betr.  vom  3.  Juli  18ö2  und  andere  Verordnungen).  — 
Stettin  (S.  350—62.  Gegen  Rotherts  Idee  von  einem  Gesammtgym- 
nasium).  —  Oesterreich  (S.  354 — 64.  Angelegenheiten  des  höhern 
Unterrichts  In  Auszügen  aus  Zeitschriften,  besonders  auch  über  die 
Günthersche  Philosophie).  —  England  (S.  364 — 68.  Die  Vorschläge 
der  Commission  für  die  Oxforder  Universität).  —  Archiv  des  Schul- 
rechts. Belgische  Verordnungen.  Attributions  generales  des  bureaux 
d''administration  des  ecoles  moyennes ,  des  directeurs  und  Organisa- 
tion generale  des  ecoles  moyennes,  sämmtlich  vom  10.  Juni  1852.  — 
D  ecemberheft.  I.  Scheibert;  Aus  der  Schulstube.  5.  Abschn. 
Von  der  Beschränkung  der  Scliule  in  ihren  Zuchtmitteln  und  einiges 
von  der  paedagogischen  Strafe  (S.  326 — 54.  Es  wird  die  Beschrän- 
kung der  Zucht-  und  Erziehungsmittel  zuerst  bewiesen,  dann  abge- 
leitet aus  der  Glaubenslosigkeit  oder  Entchristlichung  des  sogenannten 
gebildeten  Volks,  aus  der  Ansicht,  dafs  die  Kinder  alleiniges  Eigen- 
thum  der  Eltern  seien,  daraus,  dafs  der  Staat  sich  auf  dem  Erzie- 
hungsgebiet zu  viel  aufgeladen  hat,  aus  der  Inthronisierung  der  Intel- 
ligenz, aus  der  Bildung  der  Lehrer,  hierauf  die  Folgen  bezeichnet: 
Behütung  und  Ueberwarhung,  Vermahnung  und  Aufklärung,  Ehren- 
strafe und  Freiheitstrafe  sind  der  Schule  allein  geblieben;  sie  haben 
ihr  Recht,  können  und  dürfen  aber  nicht  alles  sein,  zuletzt  folgende 
Grundsätze  aufgestellt:  was  als  Strafe  wirken  soll,  mufs  den  Gestraf- 
ten an  dem  kurzen,  was  er  für  ein  Gut  hält  oder  mufs  ihm  einen  Zu- 
stand bereiten,  den  er  für   ein    Uebel   hält    und    empfindet.      Was   als 

23* 


356  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

erziehliche  Strafe  vvirken  soll,  mufs  in  dem  Gestraften  das  Bewufst- 
sein  und  Geständnis  des  Vergehens  wecken  und  möglichst  den  Sitz 
des  Uebels,  den  Quell  des  Vergehens  treffen),  —  Scheibert:  Die 
höheren  Bürgerschulen  und  die  technischen  Anstalten  (Nachtrag  zu 
dem  Aufsatz  im  Augustheft.  S.  355 — 65:  'die  ursprüngliche  Tendenz 
des  Gymnasiums  duldet  nicht  ein  Ge^ammtgymnasium  wie  es  sich  uns 
heute  darstellt,  sondern  in  ihm  sind  die  alten  classischen  Sprachen 
der  Kern,  das  INIittel  und  Zweck  der  Bildung;  die  heutigen  Gymnasien 
in  ihrem  Gemisch  von  Gymnasium  im  alten  Sinne  und  höherer  Bür- 
gerschule im  neuern  Sinne  erscheinen  nicht  gerechtfertigt,  wenn  die 
Schule  noch  Erziehungsschule  bleiben  soll;  demnach  mufs  aus  den 
Unterrichtsplänen  der  Gymnasien  der  Unterricht  in  Mathematik,  Phy- 
sik, Naturgeschichte,  Chemie,  Geographie,  Geschichte,  Französisch 
und  Englisch,  wenn  auch  nicht  ganz  verschwinden,  so  doch  auf  ein 
ziemlich  geringes  Mafs  beschränkt  werden,  namentlich  mufs  die  häus- 
liche Thätigkeit  der  Schüler  und  vornehmlich  in  den  obern  Classen 
auf  die  Studien  des  A Itclassischen  concentriert  werden  und  darf  von 
den  nebengehenden  Disciplinen  dem  Schüler  nur  das  zugemuthet  wer- 
den, was  er  etwa  in  der  Schulstunde  davon  sich  aneignen  kann'  *). 
Die  höhere  Bürgerschule  ist  eine  allgemein  vorbereitende  für  die  hö» 
hern  technischen  Anstalten,  und  dies  wird  um  so  entschiedener  her- 
vortreten, je  sicherer  ,und  unverrückter  die  Gymnasien  ihr  eigenstes 
Ziel  wieder  ins  Auge  fafsen.  Es  wird  die  Forderung  gestellt,  dafs 
den  höhern  Bürgerschulen  die  Universität  eröffnet  werde,  damit  sich 
ihre  Lehrer  für  ihre  Unterrichtsfächer  wifsenschaftlich  ausbilden  kön- 
nen). —  Timm:  Auf  welche  Weise  ist  die  Lectüre  von  Litteratur- 
werken  des  deutschen  Alterthums  zu  betreiben?  (S.  366—374.  Ge- 
zeigt durch  eine  Probe  an  zwei  Gedichten  von  Walther  von  der  Vo- 
gehveide;  doch  ist  der  eigentlich  paedagogische  und  didaktische  Stand- 
punkt nicht  berücksichtigt).  —  II.  Timm:  Das  Nibelungenlied,  nach 
Darstellung  und  Sache  ein  Urbild  deutscher  Poesie,  von  W.  Lang- 
bein (S.  375  —  77,  Empfohlen  unter  Angabe  des  Inhalts).  —  H.  W. 
Stoll:  Anthologie  griechischer  Lyriker,  von  Qu  eck  (S.  378-80. 
Kurze  empfehlende  Anzeige).  —  J,  und  W,  Grimm:  Deutsches  Wör- 
terbuch ,  von  H.  Schweizer  (S.  380 — 83.  Die  Bedeutsamkeit  des 
Werkes  wird  gezeigt).  ■ —  Jüngst:  Erster  Cursus  dps  Unterrichts  in 
der  Geographie,  J.  G.  Fischer:  Geographie,  Oh  1er t:  kleine  Geo- 
graphie, Nöfselt:  Handbuch  der  Geogr. ,  voii  Gribel  (S.  383 — 87, 
An  Nr.  1  wird  unter  grofsem  Lobe  der  gänzliche  Ausschlufs  des  po- 
litischen gerügt,  Nr.  2  durchaus  nicht  empfohlen,  ebenso  Nr.  3,  Nr.  4 
als  in  einzelnen  Abschnitten  zwar  recht  brauchbar,  aber  andererseits 
auch  sehr  leicht  zu  einer  ganz  falschen  Behandlung  des  geogr.  Unter- 
richts   verleitend   bezeichnet).    —    Masius:    Naturstudien   und   Con- 


*)  Wir  haben  diese  Stelle  wörtlich  mitgetheilt,  um  die  Ueberein- 
stimnuing  mit  dem,  was  wir  Bd.  LXVI  S.  177  zu  Ende  gesagt,  be- 
HKrklii;h  zu  juachen,  ü-  P' 


Schul-  und  Personalnachrichleii  u.  s.  w.  3.)7 

gcieiice:  Blätter  aus  dem  Buche  der  Natur,  deutsch  vou  Zoller, 
vou  W.  Langbein  (S.  3«7  H9.  Beide  Bücher  für  Schüierbihliothe- 
ken  empfohlen,  obgleich  an  dem  zweiten  eine  gewifse  Exaltation  ge- 
tadelt wird).  —  A.  Diesterweg:  Astronomische  Geographie  und  po- 
puläre Himmelskunde.  4e  Aufl.,  von  W.  Langbein  (S.  390  f.  Als 
verbefsert  bezeichnet).  —  Facda^oßischc  Zeitung.  Versammlung  der 
Realschulmänner  in  Kosen  26.— 2H.  Sept.  1852  (S.  384—87.  Bericht 
über  die  Verhandlungen).  —  Bayern  (S.  388  f.  lieber  die  Verord- 
nung vom  15.  Juli  1852,  welche  zur  Abfafsung  eines  Lehrbuchs  der 
Landesgeschichte  auffordert).  —  Die  studentlsciieii  Verbindungen  (S. 
389— 9L  Aus  der  Augsb.  Allgem.  Zeitung).  —  Archiv  des  Schulrechts. 
Instruction  du  ministre  aux  recteurs,  relative  ä  Tapplication  du  de- 
cret  du  10.  avril  1852  (S.  398-402).  R.  D. 


Schill-   und   Personalnachrichten,    statistische  und  andere 


Mittheilungen. 


Berlin.  Dr.  Otto  Nitzsch  am  Joachimsthalschen  Gymnasium 
ist  als  ordentlicher  Lehrer  an  das  Gynin.  zu  Duisburg,  dagegen  Dr. 
August  Nauck  in  Prenzlau  als  Adjuuct  an  das  Joachimsthalsche 
Gymn.  zu  Berlin  befördert  worden. 

Breslau.  Das  Lehrercollegium  des  Gymnasiums  zu  St.  Elisa- 
beth bestand  Ostern  1852  aus  dem  Director  Prof.  Dr.  Fickert,  den 
Professoren  Prorect.  Weich  ert  und  Dr.  Kamp  mann,  den  Collegen 
Prof.  Keil,  Oberlehrer  Stenzel,  Oberl.  R  ath,  Oberl.  G  u  tt  man  n, 
Oberl.  Kambly,  Hänel,  Dr.  Körb  er,  Neide,  den  CoUaboratoren 
Thiel  und  Dr.  Speck,  den  technischen  Lehrern  Schreibmeister  Rec- 
tor  Haucke,  Zeichenlehrer  Maler  Beyer,  später  Bräuer,  Gesang- 
lehrer Kantor  Pohsner  und  8  Candidaten,  Dr.  Fischer,  Dr.  Gro- 
fser,  Dr.  Grün  ha  gen,  Dr.  He  n  sei.  Faber,  Kinzel,  Keller, 
Weifs.  Seitdem  sind  Prof.  Keil  und  der  Schreiblehrer  Rector  Hau- 
cke gestorben.  Die  in  Folge  des  erstem  Todesfalls  erfolgte  Ascen- 
sion  s.  Bd.  LXVll  S.  136.  Die  Schülerzahl  war  479  in  9  Classen, 
Abiturienten  II. —  Am  Fr  ied  rieh  s -G  y  m  n  as  in  m  bestand  das  Leh- 
rercollegium  zu  gleicher  Zeit  aus  dem  Director  Prof.  Wimn\er,  den 
Professoren  M.  To  bisch  [  und  Dr.  Lange,  den  Oberlehrern  ]\L 
Mücke,  Tobisch  H,  Gläser,  den  Gymnasiallehrern  Dr.  Geis  1er 
und  Waage,  den  Hilfslehrern  Cand.  Anderssen  (^Mathem.,  Gesch., 
Geogr.),  Oberfeuerwerker  Haberstrohm  (Zeichnen  und  Maschinen- 
lehre), Prediger  Tusche  (Religion  in  1  und  II),  Privatgel.  Dr.  Mag- 
nus, Sprachlehrer  Dr.  Otto  (Englisch),  den  Candidaten  Prifich, 
Dr.  Luchs,  Dr.  Schneider,  Dr.  Stenzel  und  Rabe.  Seitdem 
sind  ausgeschieden  die  Candidaten  Prifich  (s.  BiüKr,  Bd.  LXV  S.  335) 
und  Dr.  Luchs  (an  die  Realschule  zum  heil.  Geist).  Schülerzahl: 
195  in    6  Classen,  Abiturienten:  8. 

BitiEG.  Das  Lehrercolleginm  des  dasigen  kön.  Gymnasiums  be- 
stand Ostern  1852  aus  dem  Director  Prof.  Dr.  Matthison,  den  Pro- 
fessoren Kaiser  und  Schönwälder,  den  Gymnasiallehrern  Oberl. 
Heinze,  Dr.  Döring,  Dr.  Tittler  (üher  die  seitdem  erfolgte  Prae- 
diciernng  dieser  drei  Lehrer  s.  Bd.  LXVII  S.  122),  Künzel,  Mende, 
Dr.  Brix  (über  dessen   Versetzung  und  die  deshalb    erfolgte  neue  Au- 


358  Schul-  und  Personalnachrichten, 

Stellung  s.  Bd.  LXV  S.  335)  und  Holzheimer,  den  Hilfslelirein 
Kaplan  Wink  1er,  Rabbiner  Dr.  Landsberger,  Musikdir.  Rei- 
che. Die  Schülerzahl  war  251  (J92  Evangel.,  2  Luth.,  37  Kathol., 
20  Juden)-      Abiturienten    Mich.    J851  4,  Ostern  1852  6. 

EicHSTÄTT.  Die  unterste  Lehrstelle  an  der  lateinischen  Schule 
erhielt  der  Lehramtscandidat  Wolf  gang  Bauer. 

Glogau.  Das  Lehrercollegium  des  dasigen  Gymnasiums  bildeten, 
nachdem  der  kaum  an  die  Anstalt  versetzte  Gymnasiallehrer  Dr.  Brü  g- 
gemann  gestorben,  Mich.  1852  der  Director  Kiopsch,  Prorect.  Dr. 
Petermaim  (s.  Hirschberg  Bd.  LXV  S.  222),  Prof.  Dr.  Roller, 
die  Gymnasiallehrer  Heyer,  Stridde,  Beifsert,  Lucas,  der 
Gymnasialhilfslehrer  Frafs,  Schulamtscand.  Scholtz  und  der  jüdi- 
sche Privatgelehrte  Dr.  Munk.  Mit  dem  Schlufse  des  Schuljahrs  trat 
der  Director  in  den  Ruhestand  und  übernahm  der  Prorector  die  Arats- 
geschäfte.     Schülerzahl  in  6  Classen  :   207,    Abiturienten  11. 

GÖRLITZ,  Am  Gymnasium  lehrten  Ostern  1852  der  Rector  Prof. 
Dr.  Anton,  Conrector  Dr.  Struve,  die  Oberlehrer  Hertel,  Dr. 
Wiedemann,  Kögel,  Dr.  Rösler,  der  Lehrer  Jehnisch  (s.  Bd. 
LXV  S.  336),  Musikdir.  Klingenberg,  Schreiblehrer  Pinkwart, 
Zeichenlehrer  Kadersch.     Schülerzahl   150   in  5  Classen,  Abitur.  11. 

Hedinge.n  bei  Sigmaringen.  Das  dasige  Gymnasium  hat  nach  Ue- 
bergang  der  Landesherschaft  an  Preufsen  in  Folge  einer  Revision  des 
Geh.  Oberregierungsraths  Dr.  Brüggemann  sehi*  wesentliche  Verän- 
derungen erfahren.  Mit  dem  Beginn  des  Schuljahrs  Mich.  1851  wurde 
der  Cursus  von  7  auf  8  Jahre  ausgedehnt  und  in  6  Classen  getheilt, 
von  denen  die  beiden  ersten  (auch  die  Namen  wurden  nach  der  nord- 
deutschen Weise  umgedreht)  2jähr.,  die  4  untern  Ijähr.  Curse  haben. 
Durch  königl.  Cabiiietsordre  vom  5.  Jan.  1852  wurde  die  Anstalt  dem 
konigl.  Provinzialschulcoll.  zu  Coblenz  unterstellt.  Ferner  ward  die 
Combination  der  Quinta  mit  Quarta  in  einigen  Lehrfächern  aufgeho- 
ben und  eine  solche  nur  mit  Sexta  für  zuläl'sig  erklärt.  Die  Schüler, 
welche  sich  einem  Facultätsstudium  auf  der  Universität  nicht  widmen 
wollen,  können  von  der  Theilnahme  am  Griech.  dispensiert  werden  und 
dafür,  soweit  die  Lehrkräfte  ausreichen,  Realunterricht  erhalten,  sonst 
aber  hat  das  Gymnasium  die  Aufgaben  der  Realschulen  nicht  zu  be- 
rücksichtigen. Das  Lehrercollegium  bestand  aus  dem  Rector  Dr.  Stel- 
zer (Ord.  von  I),  Beneficiat  Sibenrok  (Ord.  von  II),  Praecepto- 
ratsverweser  Schanz  (Ord.  von  III),  Prof.  Dietz  (Ord.  von  IV), 
dem  commissarisch  angestellten  wifsenschaftlichen  Hilfslehrer  Schul- 
amtscand. Dronke  aus  Coblenz  (Ord.  von  V  und  VI),  den  Realleh- 
rern Pfaff,  Nüfsle  (Ord.  von  real.  III  und  IV)  und  provis.  Haid, 
dem  Gesanglehrer  Musiklehrer  B  urts  c  h  er.  Nachdem  im  Herbst  1851 
sämmtliche  Schüler  der  damaligen  ersten  Abtheilung,  14,  zur  Univer- 
sität entlafsen  worden  waren,  belief  sich  die  FVeqiienz  im  verflofse- 
nen  Schulj.  auf84(P:  I,  I":5,  II':  4,  II'':  4,  111:8,  IV:  7,  V:  22,  VI: 
28,  real.  III:  3,  real.  IV:  2).  Der  eine  Oberprimaner  bestand  Mich. 
1852  die  Maturitätsprüfung  nach  dem  preufs.  Prüfungsreglement. 

Heiligenstaht.  Am  dasigen  königl.  Gymnasium  war  am  14.  April 
1852  der  Oberlehrer  Frz.  Seydewitz  gestorben,  und  in  seine  Stelle 
trat  im  Juni  interimistisch  der  Schulamtscandidat  A.  Behlau  aus 
Breslau  ein.  Das  Lehrercollegium  bestand  demnach  Mich.  1852  aus 
dem  Dir.  M.  Rinke,  den  Oberlehrern  Kramarczik,  Burchard, 
Dr.  Gafsmann,  den  Gymnasiallehrern  Fütterer,  Wald  mann  und 
interimistisch  Behlau,  dem  evangel.  Religionslehrer  Dr.  Kirchner., 
Gesang-  und  Zeichenlehrer  Hunold,  Elementarichrer  Arend.  Die 
Schülerzahl  betrug  189  (I:  25,  II:  43,  III:  43,  IV:  38,  V:  40);  Abi- 
turienten waren  9. 


statistische  und  nndoro  MiHhoiliing-on.  350 

HerfoM).  Aufser  dem  Abgange  des  Oberlehrers  Qiiidde  an  das 
Gymnasium  zu  Biickebuig  (s.  Btl.  LXV  S.  4;^7)  hatte  das  dasige  Krie- 
drichsgymnasium  der  7.  Lehrer  Cantor  Theodor  Göcker  verlafsen, 
um  eine  Stelle  an  dem  hohem  Privatgymnasium  zu  Gütersloh  zu  über- 
nehmen. Zu  den  Bd.  LXV  S.  337  erwähnten  Anstellungen  ist  die  des 
vorherigen  Vorstandes  der  höhern  Töchterschule  in  Siegen  H.  A.  A. 
Haase  als  7.  Lehrers  nachzutragen.  Während  des  Schulj.  Mich.  ]H5l 
—  I8j2  wurde  aufserdem  der  Probe-  und  aulserordentliciie  Hilfslehrer 
Schulamtscand.  Ilohnstcdt  als  wifsenschaftl.  Hilfslehrer  an  die  hö- 
here Bürgerschule  zu  Siegen  berufen.  Sein  Probejahr  vollendete  der 
Schulamtscand.  W.  Wink  haus  und  dasselbe  begann  der  Schulamts- 
cand. W.  Bachmann.  Die  Freijuenz  war  im  Wintersemester  126, 
beim  Beginn  des  Sommers  110.  Abiturienten  wurden  Ostern  1852  JO, 
Mich.  2  entlafsen. 

Lauran.  Am  Gymnasium  bestand  Ostern  1852  das  Lehrercolle- 
gium  aus  dem  Director  Dr.  Schwarz,  Conr.  Haym,  den  Oberleh- 
rern Wicher  und  Dr.  Beisert,  den  Collegen  Fl  ade,  Dr.  Prüfer, 
Dr.  Peck  und  dem  Musikdir.  Böttger.  Schülerzahl  in  5  Cl.  90, 
Abiturienten  Mich.  1851  3,  Ostern   1852  8. 

LiEGNiTZ.  Das  Lehrerrollegium  des  dasigen  Gymnasiums  (über 
die  Ritterakademie  s.  Bd.  LXV  S.  339)  bestand  Ostern  1852  aus  dem 
Director  Hauptmann  Köhler,  Prorector  Prof.  Dr.  Müller,  Conr. 
Balsam,  Oberlehrer  Matthaei,  den  Lehrern  Mäntler,  Göbel, 
Schneider,  Hilfslehrer  Hanke,  den  technischen  Lehrern  F'ahi  und 
Franz,  dem  kathol.  Religionslehrer  Caplan  Grieger,  dem  jüd.  Rab- 
biner Dr.  Sammter  und  dem  das  Probejahr  abhaltenden  Candidaten 
Schaub.  Die  Anstalt  zählte  in  6  Cl.  246  Schüler,  von  denen  5  Abi- 
turienten.    Seitdem  ist  der  Director  gestorben. 

Olmütz.  Zum  Professor  der  alttestamentlichen  Bibelkunde  und 
der  orientalischen  Dialekte  ist  der  vorherige  Professor  derselben  Fä- 
cher an  der  Hauslehranstalt  zu  Osseg,  P.  Salesius,  ernannt  worden. 

Ratibor.  Nachdem  der  Collaborator  Hoffmann  und  (20.  März 
1852)  der  Director  Dr.  Mehl  hörn  gestorben  (s.  Bd.  LXV  S.  120), 
bestand  das  Collegium  des  dasigen  Gymnasiums  Ostern  1852  aus  dem 
Prorector  Guttmann,  Conr.  Keller,  den  Oberlehrern  König  und 
Kelch,  dem  Mathem.  Fülle ,  dem  Gymnasiallehrer  Rei  chardt,  dem 
Caplan  Storch,  Superintend.  Redlich,  Zeichenlehrer  Seh  äffer, 
Cand.  Sehn  eck.  Schülerzahl  210  (lOi  Evang.,  27  Kath.,  79  Juden), 
Abiturienten  7. 

Regensburg.  Die  erledigte  Lehrstelle  der  1.  Gymnasialclasse  er- 
hielt der  bisherige  protest.  Religionslehrer  und  geprüfte  Lehramtscan- 
didat  Johann  Langoth. 

San  DEC.  Von  dem  dasigen  k.  k.  Staatsgymnasium  wurden  wäh- 
rend des  Schuljahrs  1850 — 51  versetzt:  der  Director  nach  Rzeszow  (s. 
Bd.  LXVII  S.  240),  die  Lehrer  L.  Siele  cki  nach  Krakau  ,  L.  Eder 
nach  Brzezan,  J.  Klemsch  nach  Sambor.  Der  Lehrkörper  bestand 
am  Schlufse  des  Schuljahrs  aus  dem  Dir.  J.  S  ta war ski  (vorher  Leh- 
rer und  supplierender  Dir.  am  Lemberger  Dominikanergymii,  s.  Bd. 
LXV  8.441),  dem  Katecheten  L.  Lewartowski,  den  Lehrern  J.  Zu- 
rawski,  C.  Kruczkowski,  C.  Tyminski,  J.  Dutkiewioz,  H. 
Panck  (an  Sieleckis  Stelle),  S.  Mi  l  ski  (von  Rzeszow  hierher  ver- 
setzt), Th.  Giowacki  (von  Brzezan  hierher  versetzt),  J.  Bare- 
wicz  (neu  angestellt),  V.  Jüttner  (Zeichnen),  A.  Brabletz  (Mu- 
sik und  Gesang). 

Zara.  Den  Lehrkörper  des  k.  k.  vollständigen  Gymnasiums  bil- 
deten während  des  Schulj.  1851  die  ordentl.  Lehrer:  Canonicus  P. 
Bottura    (Director,    seitdem    in    den   Ruhestand    getreten),    A.    AI- 


360  Todesfälle,     Berichtigungen. 

schinger,  Frc.  Pegger,  Piarist  P.  L.  Torre,  Dr.  Frz.  Lanza, 
Dr.  Ant.  Torre,  Dr.  Ant.  Liihin,  Fil.  ColtelH,  G.  Suttiiui 
(diese  drei  Weltgeistliche),  P.  Pogaiii  (später  beurlaubt),  die  Sup- 
plenten  G.  Alloy  (später  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  befördert, 
s.  Bd.  LXV  S.  443),  P.  D.  Fabianich,  P.  L.  Bereich,  Weltpr- 
M.  Scarante  (seitdem  wirkl.  Gymnasiallehrer,  s.  LXVI  S.  2l6j,  D. 
Perl  in,  die  Nebenlehrer  G.Schutz  und  A.  Martegani. 


Todesfälle. 


Am  10.  December  1852  starb  W.  Empsom,  Prof.  der  Geschichte  und 
Rechtswifsenschaft  zu  Hayleybury,  bekannt  als  Herausgeber  der 
Edinburgh  Review  und  Freund  von  Th.  Arnold,  62  J.  alt. 

Am  20.  Dec.  1852  zu  Lambsheim  der  Hauptmann  a.  D.  K.  Geib,  ein 
Mitarbeiter  an  diesen  Jahrbüchern. 

Am  14.  Jan.  1853  zu  Zeitz  der  Prorector  am  dasigen  Stiftsgymnasium, 
Lehrer  der  Mathematik   Dr.  Mor.  Wilh.    Grebel. 

Am  20.  Jan.  zu  Leipzig  der  aulserordentl.  Professor  an  der  Universität 
und  ehemalige  Director  der  Freischule,  M.  L.  Plato. 

Am  6.  Febr.  in  Berlin  Prof.  August  Kopisch  (geb.  26.  Mai  1799). 

Am  7.  Febr.  in  Strafsburg  Universitätsinspector  J.  Willm,  Verf. 
einer  'Histoire  de  la  philosophie  allemande  depuis  Kant  jusqu'  ä 
Hegel'  und  anderer  philosophischer  und  paedagogischer  Schriften. 

Am  19.  Febr.  in  Tybingen  der  emeritierte  Professor  der  Dogmatik  an 
der  dasigen  Hochschule  Dr.  Joh.  Seb.  von  Drey. 


B  e  r  i  c  li  t  i  g  II  n  g  e  n. 


In  meiner  Berichterstattung  über  Böckhs  Staatshaushaltung  der 
Athener  Bd.  LXV  Heft  4  dieser  Zeitschrift  ist  auf  S.  396  zu  Anfang 
das  Citat  zu  ergänzen:  'Rehdantz  de  vita  Iphicratis  p.  170  ff.'  —  Ferner 
bemerke  ich,  dafs  auf  S-  400  die  von  mir  gebrauchte  Ausdrucksweise  et- 
was undeutlich  ist,  indem  es  scheinen  könnte,  als  sei  Böckh  der  Ansicht, 
die  vier  Classen  der  Solonischen  Verfafsung  seien  eine  Fortbildung 
der  vier  alten  attischen  Phylen:  denn  diese  Vorstellung  ist,  wie 
jeder,  der  das  Werk  selbst  einsieht,  sich  überzeugen  wird,  Böckh  ganz 
fremd,  und  die  Meinungsverschiedenheit  zwischen  Böckh  und  mir  be- 
steht lediglich  darin,  dafs  Böckh  annimmt,  die  gleiche  Berechtigung 
der  vier  Stämme  sei  erst  durch  den  Einflufs  eben  der  neuen  Soloni- 
schen Classeneinthellung  erreicht  worden,  während  Ich  der  Ansicht 
bin,  dieses  Resultat  gehöre  schon  der  vorsolonlschen  Zeit  an.  Eine 
weitere  Begründung  dieser  Ansicht  hätte  mich  zu  tief  In  die  ältere 
attische  Verfafsungsgeschichte  geführt,  daher  ich  mich  auf  jene  An- 
deutung beschränkt  habe,  die  eben  wegen  der  kurzen  und  nicht  ganz 
deutlichen  Fafsung  des  Ausdrucks  leicht  zu  Misverständnissen  Anlafs 
geben  kann ,  denen  ich  hierdurch  vorbeugen  wollte. 

Th.  Bergk. 

Im  ersten  Hefte  dieses  Bandes  S.  83  Z.  9  v.  o.  lies  ''Emendatiün 
von  M.  Hertz'  statt  'Emendatlon  Hertzbergs.' 


Inhalt 

von  des  siebenundsecJmgsten  Bandes  dritlem  Hefte. 

Seite 

Kritische  Beurtheilungeii 241 — 330 

Lauer:    Geschichte   der   homerischen  Poesie.  —    Von  Dr. 

M.  Sengebusch  zu  Berlin 241—269 

Müller  und  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.    Erster 

und  zweiter  Band. —  yonBr. Fr. Suscmihl  zu  Greifswald.  270—288 
E.  Curtius:  Peloponnesos.  Zwei  Bände.  —  Von  Prof.  Dr. 

Classen  zu  Lübeck 288—315 

Lachmann .-  T.  Lucreti  Cari  de  rerum  na- . 

tura  libri  sex.  j  Von  Prof.  Dr. 

Derselbe:    In  T.  Lucretii   Cari   de   rerunif   Th.  Bergk  zu 

natura  libros  commentarius.  ^    Fi'elburg  im 

Bcrnays:  T.  Lucreti  Cari    de  rerum    na-\      Breisgau.    .    •   315  —  330 
tura  libri  sex.  / 

Programmenschau.  —  Von  Prof.  Dr.  R.  Dietsch  zu  Grimma.  331 — 344 
Flock:  De  temporum  ratione  verbi  Graeci  et  Latini.  .  .  331 — 334 
Leitschuh:   Versuch    einer   Begründung   der   Fragsätze   in 

der  deutschen  und  lateinischen  Sprache 334 

Wolf:  Ueber  die  lateinische  Casuslehre 334 

Derselbe:   Ueber    die  Aussprache  der  griech.  Diphthongen.       334 
Reichel:  Horatius  und  die  ältere  römische  Poesie.  .      .      .        334 

Tomaschek:  Zoologische  Briefe 335 

Schömann:  De  Phorcyne  eiusque  familia 335 — 337 

Derselbe:    De  lovis  incunabulis 337 

Walz:  De  Nemesi  Graecorum 337 — 339 

Wehrmann:  Das  Wesen  und  Wirken  des  Hermes.    .      .      .  339 — 341 

Zimmermann:  Ueber  das  Wesen  des  Janus 341 — 343 

Scheiffele :  Ueber  die  Gelübde  der  Alten,  den  ersten  Januar 

in  Rom,  Strenae,  Janus,  Aesculap 343 — 344 

Friebe:   Quinam  fuerint   apud  Romanos   ritus  funerum  ex- 

ponitur 344 

Auszüge  aus  Zeitschriften.     Paedagogische  Revue  yon Mager, 

fortgesetzt  von  Langbein  und  Kuhr.     Bd.  30—32.    .      .  344—357 
Schul-    und    Personalnachrichten,     statistische     und    andere 

Mittheilungen 357—360 

Berlin  S.  357.  Breslau  357.  Brieg  357—358.  Eichstätt 
358.  Glogau  358.  Görlitz  358.  Hedingen  358.  Heili- 
genstedt  358.  Herford  359.  Lauban  359.  Liegnitz  359. 
Olmütz  359.  Ratibor  359.  Regensburg  359.  Sandec  359. 
Zara  359—360. 

Todesfälle 360 

Berichtigungen ,       360. 


Leipzig, 

Druck    und  Verlag   von   B.  G.   Teubner. 
1§53. 


Kritische  Beurtheilungen. 


Geschichte  der  homerischen  Poesie  von  Julius  Franz  Lauer.  Er- 
stes und  zweites  Buch;  Nebst  liiuchstiicken  lionieiisclier  8tudieii. 
Berlin  18J1.  Druck  und  Verlauf  von  G.  Keimer.  XVI  u.  6'1-i  S. 
gr.  8. 

(Fortsetzung  von  S.  241  ff.) 

\^'ir  sind  fertig  mit  der  Lauerschen  Untersuchung-  über  die  Nach- 
richten der  Alten  vom  Vatcrlande  Homers.  Nicht  gerade  viel  von  den 
Lauerschen  Resultaten  ist  stehn  geblieben.  Aber  man  kann  uns  nicht 
vorwerfen,  dafs  wir  eine  blofs   zerstörende  Kritik  geübt  hätten. 

Fafsen  wir  kurz  zusammen,  was  sich  uns  bisher  über  das  Vater- 
land Homers  ergeben  hat.  Auf  Neuheit  macht  es  keinen  Anspruch  ;  es  ist 
etwas  ganz  alles,  es  ist  die  Lehre  Aristarchs.  —  üb  Homer  ein  Mensch 
war  oder  eine  mythische  Personification  der  Thäligkeit  mehrerer  Dich- 
ter, ob  Hias  und  Odyssee  die  ^^'erke  mehrerer  oder  vieler  oder  eines 
sind,  das  vermögen  wir  durch  die  Nachrichten  über  Homer  nicht  zu 
entscheiden ,  sondern  nur  durch  die  Gedichte  selbst.  Den  Aristarch 
hinderten  diese  nicht  an  dem  einen  Homer  festzuhalten,  dem  Verfafser 
beider  Gedichte.  Doch  das  geht  uns  hier  nichts  an.  Ihrem  Ursprünge 
nach  gehört  die  homerische  Poesie  dem  ionischen  Stamme,  und  nur 
ihm,  und  zwar  ist  Athen,  die  Metropolis  dieses  Stamms,  als  ihr 
Vaterland  zu  betrachten.  Von  Athen  aus  verbreitete  sie  sich  nach  los 
und  Smyrna ,  von  Smyrna  aus  dann  weiter  nach  Chios,  Kolophon, 
Kyme.  Ob  diese  Verbreitung  von  Smyrna  aus  dircct  geschah.,  oder  ob 
es  Zwischenstationen  gab,  ist  noch  nicht  ausgemacht;  wir  sind  z.  B. 
durch  nichts  zu  der  Annahme  genölhigt  w  orden ,  dafs  Homer  durch 
die  in  Smyrna  mit  den  loniern  zusammenw  ohnenden  Aioler  nach  Kyme 
gekommen  sei.  Ueberhaupt  haben  die  Ansprüche  Kymes  auf  Homer, 
wie  wir  sie  oben  übereinstimmend  mit  Lauer  begründeten,  unter  allen 
die  wenigst  reelle  Basis:  Kyme  hatte  kein  homerisches  Dichterge- 
schlecht aufzuweisen,  wie  los  und  Chios,  keine  homerische  Dichtung 
gehörte  ihm  unbezweifelt  an,  wie  der  Margites  den  Kolophoniern, 
keine  reine  und  ursprünglich  selbständige  Ueberlieferung  zeugte  für 
den  Ort,  wie  für  Athen  und  los  und  Smyrna;  es  sind  lauter  Combina- 
lionen  und  Sophismen,  die  wir  für  Kyme  aufzustellen  vermochten: 
dafs  es  doch  Mutterstadt  von  Smyrna  sei ,  dafs  es  doch  Hauptsitz  der 
von  Homer  verherlichten  Achaier  sei ,  dafs  es  doch  vom  Geschlechte 
des  Agamemnon  beherscht  werde.    Von  allen  homerischen  Orten  das 

IS.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Bd.  LXVII.    Hß.  4.  24 


362  Lauer:  Gcscliichte  der  liomerischen  Poesie. 

gröfste  Aiisclui  erlanglen  im  Laufe  der  Zeit  die  Ansprüche  Smyrnas. 
Ihnen  fügten  sich  die  andern  Orte,  indem  sie  an  die  smyrnaiische  Sage 
sich  anzuschliefsen,  mit  ihr  auf  gute  Manier  sich  ahzulinden  suchten, 
damit  ihnen  wenigstens  ein  Anlheil  am  Huhme  verbliebe.  Besonders 
deutlich  liefs  sich  dies  Streben  in  Kyme  und  los  nachweisen;  docii 
zeigten  auch  Chios  und  Kolopiion  dasselbe  deutlich  genug,  und,  wenn 
das  berühmte  Epigramm  auf  Peisistratos  so  zu  verstehn  ist,  wie  man 
sich  gewöhnt  hat  es  zu  verslehn,  sogar  Aliien  selbst.  Doch  haben 
sich  überall ,  nur  nicht  in  Kyme,  Spuren  einer  früher  durchaus  selb- 
ständigen Localsage  erhalten;  besonders  viele  und  den  Charakter  der 
Ursprünglichkeit  tragende  fanden  wir  in  los;  in  Chios  wenigstens  die 
niemals  ganz  aufgegebene  Behauptung,  Homer  sei  auf  Chios  auch  ge- 
boren. In  BetrelT  der  Orte,  welche  aiifser  den  schon  genannten  Ho- 
mers Vaterland  heifsen,  stellten  wir  fest,  dafs  die  meisten  deshalb  mit 
diesem  Titel  prunkten,  weil  auch  sie  zeilig  und  mit  Eifer  die  home- 
rische Poesie  gepllcgt  hatten. 

In  welche  Zeit  der  Ursprung  dieser  Poesie  falle,  und  wann  die 
einzelnen  Stöfse  der  grofsen  Bewegung  erfolgten,  durch  welche  sie 
sich  in  so  viele  andere  Orte  verbreitete,  das  wifsen  wir  noch  nicht. 
Vielleicht  verschalTt  uns  darüber  der  nächste  Abschnitt  des  Lauerschen 
Werkes  einigen  Aufschlufs,  der  dritte  des  ersten  Buchs.  Er  beliandelt 
ja  'das  Zeitalter  des  Homer.'  —  Er  beginnt  S.  115  mit  einer  Ilinwei- 
sung  auf  die  vielen  verschiedenen  Angaben  der  Alten  über  Homers 
Zeit.  Die  Unsicherheit  sei  hier  eben  so  grofs  wie  in  BetrelT  des  Vater- 
landes   ^^'ir  fafsen  guten   Mulh.     Wenn  die  Unsicherheit  hier 

nur  nicht  gröfser  ist  als  dort,  so  kommen  wir  hier  vielleicht  auch 
durch.  —  Der  Verf.  geht  zu  einer  Aufzählung  früherer  Zusammen- 
stellungen und  Untersuchungen  über  Homers  Zeitaller  fort:  Talian  und 
Clemens  von  Alexandria,  B.  Thiersch  undNitzsch,  und  als  die  'beste' 
und  'zugänglichste'  Sammlung  die  von  Fischer  und  Soetbcer.  Dabei 
beruhigt  sich  der  Verf.  aber  keineswegs;  in  einer  grofsen  Anmerkung 
erscheinen  mehrere  Engländer,  z.  B.  ein  Hr.  W.  Walkiss  Lloyd,  und 
mitten  in  dieser  vornehmen  Gesellschaft  noch  zwei  ehrliche  Deutsche, 
C.  Müller  und  —  Böckh.  Es  wäre  befser  gewesen,  wenn  der  Verf., 
statt  die  Engländer  zu  eitleren,  die  Hauptstellen  des  Talian  und  des 
Clemens  ordentlich  angesehn  hätte.  Er  sagt,  dieser  habe  aus  jenem 
oder  mit  ihm  aus  derselben  Quelle  geschöpft.  Ein  Blick  genügt,  um 
zu  erkennen,  dafs  dies  falsch  ist. 

Der  Verf.  gibt  sodann  einige  Sätze  über  das  Wesen  der  chronolo- 
gischen Angaben  der  Alten  in  Betreff  der  altern  griechischen  Ge- 
schichte, Ueberliefert  waren  die  scheinbar  sehr  genauen  Zahlen  nicht; 
es  sind  ungefähre  Ansätze;  man  übertrug  entweder  eine  Reihe  von 
yeveaig  in  Zahlen,  wobei  dann  drei  yEveai  auf  ein  Jahrhundert  gerech- 
net wurden;  oder  man  setzte  nach  astronomischen  Kyklen  an,  unter 
denen  besonders  der  zu  60  Sonnenjahren  oder  63  Mondjahren  gebräuch- 
lich war. 

Bei  seiner  Auseinandersetzung  über  die  Rechnung  nach   Kyklen 


Lauer:  Gcscliiclilo  der  !ii)i!;t'ii.s"!icii  Poesie.  868 

bernfl  sich  der  Verf.  (S.  117.  118)  allein  auf  C.  M!iller.s  Frai,niienla 
cliroiiülogica.  Und  das  isl  ganz  in  der  Ordnnng;  denn  diesem  liiielie 
ist  das  hier  vom  Verf.  vorgetragene  enlnonimen.  Ucberlianiit  stellt 
dieser  ganze  Ahschnill  der  Lauerschen  Arbeit  zu  C.  Müller  in  einem 
noch  weil  genanerii  Vcriiallnis  als  der  vorhergehende  zu  0.  Müller 
und  W'elcker.  (ieiiau  nachzuweisen  brauchen  wir  das  um  so  weniger, 
als  der  Verf.  daraus  gar  kein  Geheimnis  macht,  sondern  vielmehr  sei- 
nen Aiiclor  ofl  und  getreulich  cilierl,  so\noIi1  bei  Angabe  der  Lilleralur 
S.  115  als  bei  der  Entwicklung  der  Principien  S.  116.  117.  118  als 
auf  den  folgenden  Seiten  bei  der  Hediiclion  der  einzelnen  chronolo- 
gischen Ansalze.  Für  die  von  C.  Müller  schon  behandelten  Ansalze 
weicht  der  Verf.  sehr  selten  von  jenem  ab;  angezeigt  ist  die  Abwei- 
chung zweimal,  S.  120  Anm.  139,  wo  C.  Müller  'nicht  genügt',  und 
S.  1-21  Anm.  142,  wo  C.  Müller  '^  nicht  belViedigl';  hinzugekommen 
sind  von  den  Ansätzen,  die  C.  Müller  nicht  berücksichtigt,  nur  einige 
wenige.  —  V>"\i-  können  C.  Müller  nunmehr  aus  dem  Spiele  lalsen. 
AVir  halten  uns  an  Lauer.  Dieser  hat  ja  die  betrelTenden  Behauptungen 
und  Beweise  des  erstem  adoptiert:  er  mufs  sie  also  auch  billiger- 
weise als  seine  Kinder  vertreten. 

In  den  vorhin  genannten  allgemeinen  Sätzen  kann  man  ihm  nur 
beistimmen.  Doch  wollen  w  ir  uns  dabei  gleich  gegen  die  Ausschwei- 
fungen verwahren,  die  C.  Müller  durchweg  mit  seinen  Principien 
treibt.  So  ist  es  z.  B.  gleich  nicht  wahr,  dafs  Ol.  1  von  den  meisten 
Alten  7  Kyklen  nach  der  Zerstörung  Trojas  angesetzt  sei,  was  Lauer, 
getäuscht  durch  den  ersten  Anblick  von  S.  129  der  Müllerschen  Schritt, 
gedankenlos  S.  118  hinschreibt.  Mit  Vermeidung  solcher  ^^  illkiir  ha- 
ben Mir  also  die  einzelnen  Nachrichten  über  das  Zeitalter  Homers 
durchzugehn  und,  wo  wir  Zahlen  finden,  auf  yevEai  oder  Kyklen  zu 
reducieren  und  die  Gründe  der  Alten  für  ihre  Ansätze  zu  erforschen. 
Diese  Aufgabe  versucht  nun  auch  der  Verf.  zu  lösen,  von  S.  118 
an.  Er  macht  aber  dabei  von  vorn  herein  den  Fehler,  dafs  er  die  An- 
sätze nach  den  Zeiten  ordnet,  welche  sie  dem  Homer  zuweisen,  und 
in  dieser  Ordnung  die  Untersuchung  führt,  indem  er  bei  dem  Ansätze 
beginnt,  welcher  den  Homer  zum  Zeitgenolsen  des  troischcn  Kriegs 
macht,  und  der  Reihe  nach  durchgehend  bei  denen  endet,  welche  ihn 
in  die  Olympiaden  herabrücken.  Diese  Anordnung  erschwerte  jedes 
tiefere  Forschen  und  blieb,  M'ie  sich  zeigen  wird,  nicht  ohne  sehr 
nachlheilige  Folgen.  Ich  darf  natürlich  den  fehlerhaften  Gang  hier  so 
Avenig  nachgelin  wie  bei  der  Frage  nach  dem  Vaterlande. 

Unter  Nr.  l  erscheint  bei  Lauer  Dionysios  der  Kyklograph.  Die- 
ser macht  den  Homer  zum  Zeitgenofsen  des  thebischen  und  troischen 
Kriegs.  Lauer  bemerkt,  Dionysios  habe  gemeint,  dafs  der  Dichter 
nur  als  Zeilgenofse  die  Ereignisse  so  genau  kennen  und  darstellen 
konnte,  und  fügt  dann  hinzu,  Dionysios  habe  seinen  Ansatz  auch  aus 
Patriotismus  gemacht,  wie  er  später  darthun  werde.  Ohne  Zweifel 
ist  hier  dasselbe  Motiv  gemeint,  welches  S.  243  in  einer  von  den  Her- 
ausgebern aus  einer  frühern  Schrift  Lauers  angefügten   Partie  aufge- 

24* 


364  Lauer:  Gescliiclite  der  homerischen  Poesie. 

stellt  wirtl:  mit  dem  Alter  Homers  sei  das  des  Kreophylos  gewacliseir 
Dies  ist  aber  ein  recht  uiTiiberlegter  Einfall,  \^'eun  Kreophylos  Zeit- 
genofse  des  thebischen  und  troischen  Kriegs  war,  so  konnte  er  entweder 
kein  Samier  oder  kein  Grieche  sein.  Icli  weifs  ein  befseres  Motiv  des 
Patriotismus  für  den  Samier  Dionysios.  Samos  ist  Colonie  von  Argos, 
und  deshalb  war  Homer  dem  Dionysios  ein  Argeier,  ein  Zeitgenofse 
des  thebischen  und  troischen  Kriegs,  in  welchen  beiden  Argos  die 
Hauptrolle  spielt. 

Unter  Nr.  3  behandelt  Lauer  nicht  übel  den  Ansatz  des  Krates, 
60  Jahre  p.  Tr.  Diese  60  Jahre  sind  gerade  ein  Kyklos  in  Sonnen- 
jahren ausgedrückt.  Ueher  Krates  Motive  verbreitet  der  Verf.  sich 
nachher  ausführlicher,  S.  128,  wo  die  Art  misfallt,  wie  ß.  Thiersch  ohne 
Beifügung  irgend  eines  Gegenbeweises  oder  Griuides  abgefertigt  wird. 
Unter  Nr.  4  fafst  Lauer  den  Ansatz  Aristarchs  und  Kastors 
mit  dem  der  ielischen  Sage  bei  Aristoteles  zusammen.  Aristarch 
und  Kaslor  stehen  dabei  am  Ende  als  eine  Art  geduldetes  An- 
hangsei; auf  Aristarch  kommt  gerade  eine  gcmefsene  Zeile;  das- 
jenige, was  von  allen  drei  Ansätzen  gleicherweise  gilt,  wird  an  den 
in  Homericis  nicht  allzu  wohl  berufenen  Philoso|)lien  angeknüpft.  Diese 
Auseinandersetzung  aber  und  überhaupt  der  ganze  .\rtikel  leidet  an 
Unklarheit.  Er  beginnt  so:  *  Dafs  Aristoteles  die  Geburt  Homers  in 
die  Zeit  der  ionischen  Wanderung  verlegt  habe,  wird  aus  der  ohen 
S.  90  mitgetheilten  Stelle  geschlofsen.'  Befser  würde  dies  so  ausge- 
drückt sein:  Die  ietische  Sage  setzt  nach  der  oben  S.  90  mitgetheilten 
von  der  vita  Plutarchi  aus  Aristoteles  beigebrachten  Stelle  Homers 
Geburt  ausdrücklich  und  bestimmt  in  die  Zeit  der  ionischen  Wande- 
rung; und  die  Art,  in  welcher  die  vita  diese  Stelle  des  Aristoteles 
vorführt,  berechtigt  zu  der  Annahme,  dafs  Aristoteles  selbst  den  ge- 
nannten Ansatz  zu  dem  scinigen  gemacht  habe.  —  Lauer  fährt  fort: 
'War  dabei  mit  Eratosthenes  diese  Wanderung  140  p.  Tr.  angenom- 
men, so  fällt  die  Geburt  Homers  einen  Kyklos  nach  der  Rückkehr  der 
Herakleiden,  während  sie  nach  andern  Ansätzen,  z.  B.  bei  Philostra- 
tos  a.  a.  0.  zwei  Kyklen  (2  X  63)  p.  Tr.  fallen  würde,  wenn  man  so 
weit  bis  zur  ionischen  Wanderung  rechnet.'^  Dies  ist  besonders  da- 
durch unklar,  dafs  die  Worte  des  Philostratos  fehlen:  Fiyove  Tioujxrjg 
"Ojxt]Qog  Kai  'ijdsv,  cog  ^ev  cpaGiv  k'vioi^  [xsra  xirxciQa  y,cii  hkoölv  e'vi] 
rtov  TQUiLKÜv  OL  8s  |U£ra  ETtxa  xort  ukoGl  TTQog  xoig  E%axov ,  oxs  xy]\> 
unoiKiuv  oi'Ad'r^vaioi  slg  Icoinav  eGxeiXai'.  Der  letztere  Ansatz,  meint 
der  Verf.,  ist  nicht  verschieden  von  dem  aristotelischen;  dieser  be- 
gnügt sich  Homers  Geburt  in  die  Zeit  der  ionischen  Wanderung  zu 
setzen,  indem  er  es  unentschieden  läfst,  wann  diese  Wanderung  ge- 
schehn  sei;  nun  mag  jeder,  wie  er  will  und  kann,  die  Wanderung 
hinauf  oder  herab  rücken,  der  aristotelische  Ansatz  Homers  geht  mit 
herab  oder  hinauf;  wer  also  wie  jene  Autoren  des  Philostratos  die 
Wanderung  in  127  p.  Tr.  setzt,  der  mufs,  wenn  er  in  Betreif  Homers 
dem  Aristoteles  folgt,  auch  Homers  Geburt  in  127  p.  Tr.  setzen,  wie 
die  bezeichneten  Autoren  thun.     Bei  diesen  aber  ist  offenbar  ebenfalls 


Liiiier:  Gcscliiclite  der  Iiomcrist-lieii  Poesie.  805 

ilic  \N'aiideniii^  das  besliniincnde  liir  Hoiiusr,  niclil  Homer  für  die 
NN  uiulerung;  der  Ansatz  ist  zuniiciist  uicLl  fiir  Homer  bereclinel,  son- 
dern für  die  Wanderung-,  und  gilt  nur  mit  für  Homer,  weil  dieser  für 
gleichzeitig  mit  der  ^Vanderung  gilt.  Hierlici  hat  nun  aber  Lauer  den 
Unterschied  überselm,  dai's  die  Autoren  bei  l'hiloslralos  keineswegs 
Homers  Geburl,  sondern  seine  Blüte  in  die  Zeit  der  ^N'anderung  setzen ; 
und  wenn  nach  Abzug  dieses  Unterschiedes  die  Ansätze  identisch  sind 
und  für  beide  jene  \N  auderung  das  beslimmende  ist,  dann  ist  auch 
die  von  Lauer  gegebene  Heduclion  auf  xvkXol  und  überhaupt  jede  He- 
duction  dieser  Ansätze  muffig,  und  gehört  es  in  keiner  Weise  hier- 
her, dafs  der  eralosthenische  Ansatz  der  Wanderung,  J40  p.  Tr.,  für 
den  Ausdruck  eines  Kyklos  zu  60  p.  red  Heraclid.  anzusehu  sei,  und 
der  bei  Phiioslrafos  für  den  Ausdruck  von  zwei  Kykien  zu  63  Jahren 
p.  Tr.  Uebrigens  sind  zwei  Kykien  zu  63  .laliren  Vlii  .lalire,  nicht  ]27, 
und  es  wäre  also  befser  zu  sagen,  dafs  jene  Autoren  des  Pliiloslralos 
die  ionische  Wanderung  in  das  erste  Jahr  des  dritten  Kyklos  p.  Tr,  c. 
setzten. —  Nun  das  Ende  des  Lauerscheii  Artikels  :  ^Nlit  dieser  (nemlicii 
der  ionischen  Wanderung]  gleichzeitig  setzten  den  Homer  auch  Aristarcb 
und  Kaslor.'  Ja  das  ist  wahr,  es  ist  aber  nicht  die  ganze  Wahrheit. 

Zuvörderst  kann  man  zeigen,  dafs  auch  Aristarcb  sich  begnügte, 
den  Homer  in  die  Zeil  der  \>'an{lerung  zu  setzen,  ohne  diese  zu  fixie- 
ren. Wir  haben  eine  ganze  Reihe  von  Zeugnissen  über  Arislarchs 
Ansatz;  sie  alle  ohne  Ausnahme  lafsen  den  Aristarcb  die  Zeitbestim- 
mung über  Homer  nicht  zunächst  an  die  erste  Olympiade  etwa  oder  an 
die  troische  Aera  anknüpfen,  sondern  unmittelbar  an  die  Wanderung, 
«nd  dann  erst  fügen  s'e  hinzu,  um  wie  viel  später  diese  falle  als  der 
troische  Krieg,  und  bei  dieser  IJeduction  stimmen  sie  nicht  einmal  alle 
überein.  Auf  den  Unterschied  darf  allerdings  nichts  gegeben  werden, 
dafs  in  der  Zusammenstellung  von  Angaben  über  Homers  Zeitalter  bei 
Eusebios  Chron.  II  p.  314  Hom.,  Hieronym.  ed.  Seal.  16ö8  p.  97,  Syn- 
cell.  p.  180  D  Aristarchs  Ansatz  durch  das  hundertste  Jahr  p.  Tr.,  in 
den  übrigen  Zeugnissen  aber  durch  das  huudertvierzigste  ausge- 
drückt wird;  denn  jene  Zusammenstellung  ist  keine  andere  als  die  bei 
Tatian  ad  Graec.  c.  3J  und  Eusebios  Praep.  evang.  X,  11,  und  hier 
wird  nicht  anders  als  bei  den  übrigen  der  aristarchische  Ansatz  durch 
das  l40sle  Jahr  p.  Tr.  ausgedrückt,  so  dafs  es  keinem  Zweifel  unter- 
liegen kann,  dafs  Eusebios  auch  in  der  wörtlichen  Wiederholung  in 
den  Chron.  dies  140ste  Jahr  hatte;  zumal  da  erstens  die  betreffenden 
Stellen  der  Chron.  ed.  Rom.,  des  Hieronymus  und  des  Syncell  ander- 
weilig  die  deutlichsten  Corruptelen  zeigen,  zweitens  die  Wanderung, 
so  viel  ich  wenigstens  weifs,  sonst  nirgends  in  100  p.  Tr.  gesetzt 
wird,  und  drittens  endlich  es  leicht  zu  erklären  ist,  wie  die  falsche 
Lesart  100  für  140  entsfehn  konnte.  Unmittelbar  vorher  gehl  nemlich 
der  bekannte  dem  Eralostbenes  irlhümlich  zugeschriebene  Ansatz  Ho- 
mers in  100  p.  Tr.  Von  Emendation  der  Stelle  in  der  uns  vorliegen- 
den armenischen  Uebersetzung,  im  Hieronymus  und  Syncell  kann  nicht 
die  Rede  sein,  da  ihre  Uebercinslimmung  lehrt,  dafs  sie  den  Fehler 


366  Lauer:  Gescliichte  der  homerischen  Poesie. 

im  Euscbios  schon  trafen  und  aus  ihm  herübernahmen;  aber  für  uns 
fällt  die  Verschiedenheit  weg.  Dagegen  bleibt  eine  andere:  in  der 
zweiten  pliitarchischen  vita  c.  3  und  fast  buchstäblich  mit  ihr  über- 
einstimmend in  der  vita  des  Proklos  lin.  53  wird  zunächst  auf  die  %d- 
'&oöog  der  Herakleiden  reduciert,  und  diese  dann  wieder  auf  den  troi- 
sciien  Krieg;  dagegen  die  andern  reducieren  unmittelbar  auf  den  troi- 
schen  Krieg.  Dies  und  das  allen  Berichten  gemeinsame  nachträgliche 
Beifügen  der  Zahlenangabe  zeigt,  dafs  Aristarch  so  wenig  wie  Aristo- 
teles Homer  in  ein  bestimmles  Jaiir  setzte ,  sondern  in  die  Zeit  der 
Wanderung,  ohne  diese  zu  iixieren;  obgleich  es  vielleicht  nicht  zu 
leugnen  ist,  dafs  auch  er  für  diese  Wanderung  die  fast  allein  her- 
schende  eratosthenische  Aera  als  die  richtige  ansah. 

Identisch  ist  aber  darum  der  aristarchische  Ansatz  mit  dem  ari- 
stotelischen doch  nicht.  Denn  wie  jene  Autoren  des  Philoslratos  setzt 
Aristarch  nicht  Homers  Geburt  in  die  Zeit  der  Wanderung,  sondern  seine 
a/.i.i^.  Das  bezeugt  ausdrücklich  Talian,  c.  31  und  bei  Eusebios  Fraep. 
evang.  X,  11.  Die  Wendung,  deren  sich  die  plutarchiscbe  und  pro- 
klische  vila  bedienen,  ot  ixhv  7tiQl^AQiaxciQ-/(6v  (paGiv  avrov  ysviö&at 
nara  rrjv  Icovcov  ccTtoiKiau,  und  die  des  Syncell,  oi  de  TtSQi  A^LöraQ- 
yov  xara  t'}]P  IcoviKtjv  cntOLvdav  cpadl  yEyovivai  'Oi-irjQOv,  dürfen  ge- 
gen den  genauen  Taiian  nicht  gellend  gemacht  werden,  zumal  in  sol- 
cher Verbindung  das  yeveö&ai.  und  ysyovivat  gar  nicht  auf  die  Geburt 
bezogen  zu  werden  braucht,  sondern  für  gleichbedeutend  mit  fuisse 
oder  p/xisse  gelten  darf,  wie  z.  B.  gleich  die  oben  vorgelegte  Stelle 
des  Philoslratos  mit  ihrem  yiyove  ymI  riös  ^exu  ririaoa  otai  elkoölv 
k'rrj  rcoi'  Toohyacv  lehrt;  die  ganze  Stelle  des  Syncell  ja  aber  lediglich 
eine  V^'iederhohing  gerade  der  Stelle  des  Eusebios  und  des  Tatian  ist, 
A&s  yEyovivaL  des  Syncell  mithin  gar  nichts  anderes  sein  kann  als 
ein  nachläfsiger  Ausdruck. 

Aristarch  also  setzte  für  Homer  kein  bestimmtes  Jahr  fest,  son- 
dern begnügte  sich  darauf  zu  bestehn,  dafs  seine  axfti/  in  die  Zeit  der 
ionischen  ^^'anderung  falle.  Diese  Wanderung  aber  gieng  von  Athen 
aus  und  ward  von  Athen  geleitet;  und  in  Athen  war,  wie  wir  früher 
sahen,  nach  Aristarchs  Ansicht  Homer  geboren  und  erzogen:  wer  ist 
so  blind  noch  nicht  zu  sehn,  dafs  Aristarchs  Meinung  war,  Homer 
habe  an  der  von  seiner  Vaterstadt  ausgehenden  ionischen  Wanderung 
Theil  genommen,  wie  z.  B.  Archilochos  an  der  Colonie  von  Paros  nach 
Thasos,  der  ältere  Simonides  an  der  von  Samos  nach  Amorgos,  Hero- 
dotos  an  der  von  Athen  nachThurioi?  Vom  Kastor  wird  es  ausdrücklich 
berichtet,  dafs  er  den  Homer  an  der  ionischen  \\'anderuug  Theil 
nehmen  liefs,  durch  Eusebios,  Chron.  I  c.  31  p.  J38  Hom.,  wo  er  in 
dem  nach  Kastor  gefertigten  Kataloge  der  athenischen  Könige  sagt  De- 
cimus  nonus  Acaslus  Medonlis  anvis  36,  cuius  oetate  migralio  lo- 
nica  fiitt,  in  qua  Homernm  quoqne  fuisse  trnditum  est;  nach  der 
Fafsung  des  neu  aufgefundenen  griechischen  Originals  in  Cramers 
Anecd.  Paris.  I!  p.  138  'EvvBayMLÖBiiaiog  "Axagrog  MiSovtog  hi]  Xg'. 
icp  Ol)  liüi'ioi'  ciTroiKia-  iv  olg  Oi.i)iQou  Icnoi^ovCH.    Hierzu  die  Parallel- 


LiMior:  Gcschiclile  dor  lioincrisclien  Poesie.  307 

stelle  im  Canon  ed.  Hoin.  p.  317,  llieroii.  ed.  ScjiI.  p.  ]()0  loiu'c/t  emi- 
(jratiu ^  in  qua  quidani  ttomcrum  fitisse  scr/hiinf.  Syncell.  p.  ll>^  I) 
Eni  Amxötov  Icovcoi'  anoLKia.  Kai  O^itjQog  löxoQHtai  yeyovcog  na^y 
"Eklrjöiv ,  (ög  riveg,  oi  öe  oUya  it^orSQOv  Kai  ccXXoi  vGt^QOv.  In  die- 
sem Gewäseh  des  Syncell  hat  nun  die  Ansähe  freilicli  ihren  W'ertli 
verloren;  wir  lalsen  uns  aber  dadurch  nichl  irre  maclien,  wir  hallen 
fest  am  Kusel)ios  selbst  und  sehen  in  dessen  aus  Kastor  gezogenem 
Berichte  zugleicii  eine  Besläligun^  iinsercr  Ansicht  über  den  Ansatz, 
Aristarchs.  Denn  »  em  sonst  sollte  Kastor  hier  wohl  gefolgt  sein  als 
dem  Arislarch? 

Und  Lauer?  Warum  sagt  er  angesichts  des  Eusebios  nur,  dafs 
Kastor  den  Homer  mit  der  Wanderung  gleichzeilig  setze?  Warum 
citiert  er  nur  die  ed.  Uom.  und  den  Syncell  ?  Warum  nicht  auch  den 
Hieronymus  und  das  griechische  Original  der  Anecdola?  Warum  ci- 
tiert er  mit  einem  \N  orte  genau  so  wie  Kischer-Soetbeers  M)esle'  und 
'  zugiingliclisle'  Sammlung,  welche  zwar  vor  die  Anecdola,  aber  nicht 
vor  den  Scaliger  t'alll  und  überall  uuordeullich  verlahrt?  ^^'ar^nl  ci- 
tiert Lauer  überhaui)t  au  allen  Sielleu,  wo  bei  ihm  diese  Clironogra- 
l)hen  ins  Sj)iel  kommen,  immer  genau  so  \\\e  einer  seiner  Vorgänger? 
Warum  erwähnt  er  zuweilen  von  den  Chronographen  gar  keinen  in 
Uebereinslimmung  mit  einem  oder  mehreren  seiner  Vorgänger?  Wa- 
rum? >>'eil  Lauer  weder  den  Syncell  noch  die  Anecdota,  weder  den 
armenischen  Eusebios  noch  den  Hieronymus  jemals  selbst  in  die  Hand 
genommen  hat.  \^'er''s  nichl  glauben  will,  vergleiche  selbst  weiter. 
Mir  ist  es  ein  zu  jämmerliches  Schauspiel,  einen  angeblich  so  bedeu- 
tenden Gelehrten,  in'lem  er  ein  dickleibiges  Hucli  über  die  Geschichte 
Homers  schreibt,  bei  den  chronologischen  Grundzahlen  bestandig  hin- 
ter andern  unordenilichen  Leuten  einherluumeln  zu  sehn. 

Was  aber  nnserm  Lauer  bei  Ilobcrt  \A'ood  so  gefallen  und  ihn 
'angeregt'  hat,  die  Beobachtungen  über  den  Westwind  an  der  ioni- 
schen Küste  und  das  Kräuseln  des  Wafsers  im  sniyrnaiischen  Meer- 
busen und  wenn  noch  sonst  etwas  ist,  das  alles,  jetzt  liegt  es  am 
Tage,  hat  nicht  der  'anregende'  ^^'ood  zuerst  beobachtet:  es  ist 
schrecklich  aber  wahr.  Alle  die  Indicien  aus  den  Gedichten,  an  denen 
die  neuere  Philologie  herumsucht  und  entdeckt,  hatte  Aristarch  an 
den  Schuhen  abgelaufen,  bevor  er  seine  Meinung  feststellte.  Ihm 
waren  auch  die  Indicien  wohlbekannt,  welche  für  Abfafsung  der  Ge- 
dichte auf  der  Westküste  Kleinasiens  sprachen,  ihm  ebenso  bekannt  wie 
etwa  dem  Wood  oder  Lauer.  Nur  dafs  er  etwas  besonnener  zu  Werke 
gieng.  Er  sonderte  zuvörderst  die  unechten  Stellen  und  thürmfe  %.  B. 
nicht  wie  \^'ood  (S.  167  der  Hebers.)  Olymp,  Ossa  und  Pelion  aufein- 
der,  um  von  diesem  erhabenen  Standpunkt  herab  das  Vaterland  des 
Originalgenies  zu  eräugen,  sondern  in  derlei  himmelstürmerischen 
und  halsbrechenden  Fällen  läfst  sich  das  liebevolle  und  vorsorgliche 
ad-exuxuL  hören.  Einiges  andere  war  durch  richtige  Interpretation  be- 
seitigt, wie  zweifelsohne  das  niQr]v  alog  "HXiöog  äura  bei  Wood  S. 
33  Uebers.    Und  was  dann  übrigblieb   an  stichhaltigen  Indicien,  in- 


368  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie 

durch  liefs  Aristarch  sich  nicht  verleiten  wie  Wood  und  Lauer  das 
Kind  mit  dem  Bade  auszuschütten:  er  hehielt  als  Vaterland  Homers 
Athen  bei,  weil  Ueherlieferung  und  innere  Gründe  für  dasselbe  spra- 
chen, aber  die  Abfafsun^  oder  doch  die  Vollendung  der  Gedichte  setzte 
er  nach  Kleinasien,  natürlich  nach  Smyrna,  wohin  er  den  Homer  im 
Strome  der  ionischen  Wanderung  gelangen  liefs. 

Und  war  dieser  Ansatz  der  Zeit,  diese  Theilnahme  am  Zuge  des 
Neleus  und  Androklos  eine  von  Aristarch  gemachte  Combination?  0 
nein!  Er  stützte  sich  auch  hier  auf  eine  Ueberlieferung.  Dies  wifsen 
wir  durch  Aristarchs  eignes  Zeugnis,  in  der  auch  von  Lauer  Anm.  13i 
S.  119  citierten  aber  gleichfalls  nicht  gehörig  ausgebeuteten  Stelle 
des  Clemens  Alex.  Strom.  I,  21,  117  'AQiaxaQ'/pq  öe  iv  xoig  'AqilXo- 
Xsioig  V7tO(ivr}(X(x6L  nara  trjv  IcovkKTjv  aitOLKiav  (p)]Gi  cpeQSö&a i  cwrov. 

^^  ie  Aristarch  sich  die  Verptlanzung  der  homerischen  Poesie  nach 
los  dachte,  getraue  ich  mich  noch  nicht  mit  Bestimmtheit  auszuspre- 
chen. So  viel  ist  gewis,  dafs  die  lonier  unterwegs  längere  Zeit  auf 
Naxos  verweilten,  also  in  der  nächsten  Nähe  von  los,  und  dafs  da- 
mals die  Kykladen  ionisch  wurden.  Man  kann  also  füglich  behaupten, 
dafs  bei  dieser  Gelegenheit  durch  Homer  die  Dichterschule  auf  los 
begründet  ward.  Dafs  dieses  ysvog  dann  später  behauptete ,  Homer 
selbst  sei  auf  los  erzeugt  und  geboren  worden  und  gehöre  überhaupt 
allein  dieser  Insel  an,  das  wird  kein  verständiger  als  Beweis  gegen 
eine  solche  Ableitung  von  Athen  betrachten.  Trotz  aller  originel- 
len Züge  kann  jene  iefisehe  Sage  selber  das  Bewustsein  nicht  ver- 
leugnen, dafs  die  Insel  ihre  homerische  Poesie  von  Athen  her  bei  Ge- 
legenheit der  ionischen  Wanderung  empfieng;  dies  Bewustsein  offen- 
bart sich  deutlich  genug  in  der  Angabe,  Homer  sei  zur  Zeit  der 
ionischen  Wanderung  auf  los  geboren. 

Niemals  können  wir  den  von  Lauer  so  schmählich  behandelten 
Aristarch  genug  bewundern,  seine  Umsicht,  seine  l^nparteilichkeit, 
seinen  Scharfsinn,  seine  Methode,  seine  fast  wunderbaren  Resultate. 
Er  erklärt  den  Homer  für  einen  Athener,  aber  das  hindert  ihn  nicht 
die  sämmllicben  altikisierenden  Interpolationen  zu  erkennen:  er  setzt 
die  Abfafsung  oder  Vollendung  der  Gedichte  nach  Smyrna,  aber  das 
hindert  ihn  nicht  Homer  für  einen  gebornen  Athener  zu  erklären;  er 
läfst  der  ictischen  und  den  sämmtlichen  andern  Localsagen  Gerech- 
tigkeit widerfahren,  aber  das  hindert  ihn  nicht  die  Abfafsung  oder 
Vollendung  der  Gedichte  nach  Smyrna  zu  setzen.  Er  geht  einen  Weg, 
in  den  alle  andern  Wege  einmünden,  so  dafs  zuletzt  am  Ziel  alle  In- 
dicien  aus  den  Gedichten  und  alle  Ueberlieferungen  hinter  dem  Ari- 
starch stehen;  aber  der  hat  diesen  Weg  nicht  gemacht,  nein,  er  hat 
nur  entdeckt,  dafs  er  schon  da  sei  und  nur  gehcirig  aufgeräumt  und 
gegen  Anfälle  befangener  und  unbesonnener  Leute  gesichert  zu  wer- 
den brauche. 

Und  nun  wollen  wir  uns  doch  auch  einmal  das  berühmte  Epi- 
gramm ansehn,  auf  welches  alle  Welt  so  viel  Gewicht  legt  bei  den 
Deduclioncn,  wie  unter   den  homerischen  Orten   Athen    noch    zur 


Lauer:  Gcseliichle  der  Iiniiierisclien  Poesie.  .300 

letzt  sich  einen    Platz    erschlichen    habe.     Dies   Epigramm 
Uuilet  so: 

TqLi;  fis  xvQavvwGctvxa  to6avraKi.g  i^EÖico^Eu 

öij^og  JE^£jj^/Jog,  rpig  ö    inavijyaysro 

Tov  (liyav  iv  ßuvXfjg  IleLßlarQarov ,  og  xov  O^r^Qov 

ijd'QOLOa  67ioQaöt]v  ro  ttqIv  aeidoiievov. 

H^ereQog  yuQ  Keivog  o  iQvaeog  t]v  ■jTokt'>]T}]g, 

Möglich  ist  es  allenralls,  dies  so  zu  verslehn,  wie  es  neben  Tze- 
Izcs  und  vielen  andern  auch  Lauer  verstanden  hat;  ncmlicli  so,  als  ol) 
der  Dichter  einräume,  Homer  sei  in  Sniyrna  gehören,  und  ihn  Allien 
nur  insofern  zueigne,  als  die  Smyrnaier  von  Athen  herstammten; 
obgleich  bei  dieser  Deutung  der  Ausdruck  ijiiireQog  noXi7jrrjg  denn 
doch  etwas  stark  wäre,  ^^'eit  einfacher  ist  es  aber  anzunehmen,  das 
Epigramm  setze  als  bekannt  voraus,  was  es  durfle,  Homer  gehöre  in 
die  älteste  Zeit  des  griechischen  Smyrna.  Blit  dieser  Voraussetzung 
schliefst  das  Epigramm  sehr  richtig  so:  Homer  wiw  unter  den  Grün- 
dern Smyrnas  ;  die  Gründer  Smyrnas  waren  Athener;  folglich  war  Ho- 
mer ein  Athener.  Diese  Interpretation  hat  freilich  die  Autorität  des 
Tzetzes  nicht  für  sich,  aber  doch  wenigstens  die  des  Aristarch. 

In  den  Kreis  der  Tradition  von  Homers  Theilnahme  an  der  ioni- 
schen >^'anderung  gehört  aber  auch  die  Sage,  dafs,  als  die  Athener 
ihre  Ansiedlung  nach  lonien  führten,  die  Musen  in  Gestalt  von  Bie- 
nen der  Flotte  vor.inschwcblen  und  sie  von  Athen  an  die  Küste  Asiens 
hinüberleitelen.  Dafs  es  die  Musen  sind,  welche  die  Flotte  führen, 
dabei  hat  die  Sage  gewis  niciils  anderes  im  Auge,  als  dafs  Homer  mit 
auf  der  Flotte  war ;  die  Bienengestalt,  ein  in  Ephesos  stark  hervor- 
tretendes religiöses  Symbol,  deutet  daraufhin,  dafs  Ephesos,  in  der 
ersten  Zeit  nach  der  Wanderung  bekanntlich  der  Hauptort  der  Dode- 
kapolis,  bei  der  Wanderung  selbst  das  nächste  Ziel  für  die  Hanpt- 
masse  der  lonier  war,  unter  der  sich  auch  Homer  befand;  sodann 
aber  wird  auch  auf  das  liebliche  in  den  Gesängen  des  Dichters  ange- 
spielt, von  dessen  Munde  wie  von  dem  seines  Nestor  die  Hede  süfser 
als  Honig  fliefst;  und  drittens  auf  den  Namen  des  Flnfses  Meles  bei 
Smyrna,  mo  ja  nach  dieser  Tradition  der  von  seinem  Geburtsorte 
Athen  mit  den  loniern  nach  Asien  übersiedelnde  Homer  eine  zweite 
Heimat  fand.  Der  Name  des  Meles  wird  im  Alterthum  bekanntlich 
auch  sonst  mit  dem  Honig  und  dem  lieblichen  Klange  der  homerischen 
Poesie  in  Verbindung  gebracht,  und  gerade  um  jene  Leitung  der  ioni- 
schen Flotte  durch  die  Musen  in  Gestalt  von  Bienen  zu  motivieren 
sagt  der  ältere  Philostratos  im  achten  Gemälde  des  zweiten  Buches, 
dafs  die  3Iusen  an  lonien  Gefallen  fanden  wegen  des  Meles,  dessen 
Wafser  Ttortixcoxeoov  sei  als  Kephisos  und  Olmeios. 

Philostratos  wird  auf  diesen  Punkt  durch  den  Gegenstand  des  be- 
zeichneten Gemäldes  geführt.  Dieses  stellt  nemlich  eine  Liebesscene 
zwischen  der  Smyrnaierin  Kritheis  vor  und  dem  Flufsgotte  Meles,  den 
Eltern  Homers  ,  und  die  Musen  slchn  dabei  und  bereiten  mit  dem  \\'illen 


370  Lauer:  Gescliichle  der  homerischen  Poesie. 

der  Parzen  dem  Homer  seinen  Ursprung.  Dies  Gemälde  selbst  folgt 
also  niclit  der  athenisch -smyrnaiisclien,  sondern  jener  rein  smyrnaii- 
schen  Sage,  nach  der  Homer  zu  Smyrna  geboren  ward.  Und  gibt 
vielleiciit,  so  wird  jetzt  mancher  fragen,  gibt  vielleicht  Philostratos 
Andeutungen  darüber,  welchem  Stamme  dieser  smyrnaiische  Homer 
angehöre,  ob  dem  ionischen  oder  dem  aiolischen?  Andeutungen  nicht, 
Pbilostratos  spricht  deutlich.  Dafs  es  damals  in  Smyrna  überbaupt 
auch  nur  Aioler  gab,  davon  ist  gar  niclit  einmal  die  liede;  dagegen 
wird  hervorgehoben,  die  Sage  ven  Homers  Erzeugung  zu  Smyrna 
durch  3Ieles  und  Kritheis  sei  eine  ionische,  Krilheis  in  lonien  sei  in 
den  Meles  verliebt  gewesen,  Kritheis  habe  auf  dem  Bilde  eine  echt 
ionische  Gestalt,  lonien  sei  um  seines  Flufses  3Ieles  willen  von  den 
Musen  geliebt  worden,  und  deshalb  hätten  diese  die  Athener  nach  lo- 
nien geführt. 

Lauer  gedenkt  dieses  Gemäldes  im  Philostratos  gar  nicht.  Ich 
bin  weit  entfernt  davon  zu  viel  Gewicht  auf  dasselbe  zu  legen;  wir 
haben  das  ja  auch  nicht  nöthig;  es  ist  nur  eben  ein  Zeugnis  mehr  da- 
für, dafs  nach  der  Meinung  der  Alten  Suiyrna  und  sein  Homer  keines- 
wegs, wie  Lauer  meint,  im  Anfange  allein  und  unzweifelliaft  den  Ai- 
olern  gehorten,  sondern  dafs  vielmelir  dieser  smyrnaiische  Homer 
durchaus  ein  lonier  sei,  ein  Eigenthum  jener  altern  ionischen  Colonie, 
welche  von  Athen  und  Ephesos  her  Smyrna  besetzte,  dann  si)äter  den 
Besitz  dieser  Stadt  zuerst  mit  Aiolern  tlieilte,  darauf  von  diesen  nach 
Kolophon  verdrängt  ward,  endlich  aber  von  Kolophon  her  die  Aioler 
gänzlich  vertrieb.  Dafür  liefse  sich  noch  vieles  anilere  von  Lauer 
nicht  berücksichtigte  anführen.  Interessant  wäre  es  gewesen,  wenn 
er  alles  hierher  gehörige  ciliert,  kritisiert  und  neutralisiert  oder  auch 
nicht  neutralisiert  hätte.    Welcher  hat  (S.  156)  wenigsteus  citiert. 

Von  dem  Ansätze  Homers  in  168  p.  Tr.,  welchen  die  vita  A  c.  38 
macht,  behauptet  Lauer  unter  Nr.  7,  er  lafse  nicht  gut  eine  Erklärung 
zu  und  müfse  auf  einer  besondern  Rechnung  beruhn.  Auf  einer  be- 
sondern Rechnung  beruht  er  allerdings,  aber  eine  Erklärung  läfst 
er  recht  wohl  zu;  ja  die  vita  A  gibt  diese  Erklärung  gleich  selbst 
dabei,  und  zwar  in  demselben  38sten  Capilel.  130  Jahre,  sagt  sie,  sind 
vom  Anfange  des  troischen  Krieges  bis  zur  vollständigen  Besitznahme 
von  Lesbos  durch  die  Aioler,  von  da  bis  zur  y.xiöig  von  Kyme  20 
Jahre,  von  da  bis  zur  kymaiischen  Colonie  in  Smyrna  18  Jahre,  und 
zu  der  Zeit  ist  Homer  geboren.  Ano  yaq  xi]g  eig  'IXlov  ctQaDjUjg,  rjv 
Msvikaog  Kai  Ayaixe^pojv  ayeiQccv ,  k'reßLV  vßreQOv  eaaTOv  Kcd  xQia- 
Kovra  Aißßog  (pMG&t]  nara  TToleig ,  itQovcQOv  iovßa  anoXig.  (isia  ds 
Aeßßov  oiruG'&eiGav  e'teGcv  vaTSQOv  ei'KOßt  Kv^i]  r]  AioXuiiXLg  ymI  0QI,- 
aai'lg  yMXeo^ei'yj  (p'/Jß&r].  ^ixa  Öl  Kv^i}]v  oy^xco>icdösKa  e'xsßiv  vGxegov 
Z!^v^pa  ciTTO  Kvixauov  y.ax(p-/.LG&rj,  y.cd  iv  xovx(p  yivixat  O^ijQog. 
Diesen  Nachweis  kennt  Lauer  nicht.  Die  Frage,  wie  das  gekommen, 
da  er  doch  eben  dies  Capitel  citiert  uud  das  Resultat  der  Rechnung 
angibt,  diese  Frage  löst  er  wieder  selbst  durch  jene  zu  Anfang  des 
Abschnilles   S.   115   getbane   Aeufserung,    die  Angaben  über  Homers 


Lauer:  Gosdiiclilc  der  lioDierlscIicii  Poesie,  371 

Zeit  seien  am  besten  und  z  ii  gän  j>l  i  eli  s  leu  bei  Fisciicr  und  Soclbeer 
7jis;in!nicn»esU'lll.  Er  iuil.  die  vila  A  niclil  selbst  nachgelesen ,  son- 
dern nur  Fisclier  nnd  Soelbeer.  Diese  aber  liaben  den  <j;ciiamilen  Nacli- 
>veis  niebl  beigelugl,  oilenbar  deshalb,  ueil  sie  iiin  schon  S.  10  in 
dem  Abschnitt  über  die  troische  Aera  gegeben  ballen;  so  wiederholen 
sie  hier  bei  Homer  S.  45  nur  eben  dasjenige,  was  Lauer  wörtlich  über- 
setzt und  für  nicht  gut  erklärbar  erklärt.  Lauer  bat  also  nicht  einmal 
Fischer  und  Soelbeer  ordentlich  gelesen,  sondern  nur  gerade  den  Ab- 
schnitt über  Homer,  der  noch  dazu  —  sollte  man  es  glauben?  —  bei 
diesem  Ansalze  ausdrücklich  auf  jene  Irühere  Stelle  zurückdeutet. 

\>'oraul'  die  .lahrszahlen  l'ür  die  Ktißcig  von  Lesbos,  Kyme,  Smyr- 
na  beruhen,  fügt  die  vila  nicht  hinzu,  man  erräth  es  aber  leiciit.  Der 
Ansatz  für  Lesbos,  130  J.  p.  Tr.  obsideri  coeptam,  ist  nichts  als  ein 
runder  Ausdruck  für  die  Ueberlieferung,  die  Aioler  hätten  die  Erobe- 
rung von  Lesbos  Mm  vierten  Ges  c  b  1  ech  t' nach  Orestes  vollen- 
det. Hierauf  führt  erstlich  die  Zahl  130  selbst,  zweitens  aber  auch 
die  ausdrückliche  Bestimmung,  sie  sei  von  dem  Zeilpunkt  an  gerech- 
net, wo  Agamemnon  und  Menelaos  gegen  ilios  zogen.  Damals  war 
Orestes  gerade  geboren.  ^A'as  aber  die  Zahl  der  Jahre  und  der  Ge- 
schlechter betrifft,  so  vollcudele  bekanntlich  jene  Eroberung  von  Les- 
bos Gras,  der  Sohn  des  Archelaos,  des  Sohnes  des  Penlhilos,  des 
Sohnes  des  Orestes.  Drei  volle  Geschlechter  sind  r=r  ICO  Jahren;  aus 
dem  vierten  nahm  man  die  runde  Zahl  30,  nicht  20  oder  25,  um  den 
anführenden  Fürsten  möglichst  alt  zu  machen.  Dafs  nun  weiter  Kyme 
20  Jahre  nach  Lesbos,  Smyrna  18  Jahre  nach  Kyme  von  den  Aiolern 
colonisiert  seien,  das  sind  ursprünglich  vereinzelte  locale  Traditionen, 
wie  man  ja  z.  ß.  in  den  einander  benachbarten  Scbweslerstädlen  By- 
zantion  und  Ciialkedon  wüste  oder  zu  wifsen  glaubte,  dal's  Chalke- 
don  gerade  17  Jahre  älter  sei  als  Byzanfion. 

Der  Ansatz  168  p.  Tr.  für  Homer  beruht  nun  also  einerseits  auf 
der  Annahme  der  genannten  Daten  für  die  xrifffig,  andrerseits  auf  der 
Annahme,  Homer  sei  zur  Zeit  der  aioliscben  Colonisalion  von  Smyrna 
geboren.  Worauf  diese  letztere  Annahme  der  vita  A  beruhe,  ist  eine 
neue  Frage.  Die  vila  setzt  Homers  Geburt  mit  der  Gründung  von 
Smyrna  deshalb  gleiclizcitig,  weil  sie  cap.  1.  2.  3  eine  Ueberlieferung 
wiedergab,  nach  welcher  Kritbeis  mit  Homer  schwanger  gebend  dem 
Boiotcr  Ismenias  als  Giittiii  nach  dem  zu  colonisierenden  Smyrna  folgte. 
Hiermit  genau  übereinstimmend  heilst  es  dann  cap.  38  Zi.(VQvci  xottco- 
ntßd'r],  Kai  iv  rovra  y'vexaL  ''0(A.i]Qog.  Ob  aber  der  Ansatz,  Homers 
Geburt  sei  mit  der  aioliscben  Gründung  von  Smyrna  gleichzeitig,  auch 
ursprünglich  gerade  auf  dieser  Version  der  Sage  beruhte,  ist  wieder 
eine  andere  Frage,  unabhängig  von  der  nach  den  Motiven  der  vita. 

Hire  Beantwortung  brauche  ich  hier  nicht  zu  unlernehmen.  Denn 
so  viel  ist  jedesFalls  gewis,  dafs  das  Datum  168  p.  Tr.  sich  nur  auf  den 
aioliscben  Homer  beziehe,  d.  h.  auf  den  wirklichen  oder  vorgeblichen 
Anthcil,  welchen  die  Aioler  durch  Absendung  von  E|)oiken  nach  dem 
ionischen  Smyrna  an  der  homerischen  Poesie  bekamen.    Und  so  v^ol- 


372  Lauer:  Geschichte  der  hoincrischen  Poesie. 

len  wir  denn  nur  noch  hervorheben,  dafs  diese  aiolische  Reclinuiig  die 
aiolische  JtTt'ött;  von  Smyrna  168  Jahre  nach  Beginn  des  Iroischen 
Kriegs  ansetzt,  d.  h.  für  Troja  die  Aera  des  Eratosthenes  angenom- 
men in  1193  —  168  :=  1025  vor  Chr.,  wahrend  bei  derselben  Aera 
für  Troja  und  dem  jüngsten  Ansätze  für  die  ionische  Wanderung,  l-ib 
.].  1».  Tr.  c,  diese  ^^  anderung  doch  schon  in  1038  v.  Ciir.  fallt,  also 
13  Jahre  früher.  Nimmt  man  aber  wie  billig  auch  für  die  ionische 
A\  anderung  den  Ansatz  des  Eratosthenes,  den  zweiljüngsten,  140  Jahre 
j).  Tr.  c,  so  fallt  diese  \N'anderung  18  Jahre  früher  als  die  aiolische 
Colonie  nach  Smyrna.  Auf  die  alleren  Ansätze  der  ionischen  \^'an- 
derung  brauche  ich  gar  nicht  einmal  Gewicht  zu  legen,  was  ich  dürfte; 
denn  so  viel  leuchtet  ein,  dafs  die  lonier  vor  der  Zeit  der  aiolischen 
Epoiken  Smyrna  jedesfalls  lange  genug  allein  besafsen,  um  die  ganze 
llias  und  Odyssee  fertig  zu  dichten,  mag  man  nun  einen  oder  mehrere 
Dichter  annehmen.  Die  Lieder  von  den  Nibelungen  sind  bekanntlich 
sammt  und  sonders  innerhalb  eines  Zeitraums  von  20  Jahren  gedich- 
tet, ein  Umstand,  auf  den  mich  Lachmann  mit  Bezug  auf  Homer  oft 
genug  hingewiesen  hat. 

Wollte  jemand  sagen,  es  fehle  noch  der  Beweis,  dafs  die  lo- 
nier unmitlelbar  oder  doch  bald  nach  iiirer  Ankunft  in  Asien  Smyrna 
besetzten,  so  würden  wir  ihm  zuvörderst  entgegenhalten,  dafs  siimnit- 
liche  andere  Städte  loniens  sogleich  nach  Ankunft  der  lonier  besetzt 
wurden,  und  sodann,  dafs  es  keine  Tradition  über  einen  ephesischen 
Homer  gibt.  Wäre  Homer  oder  die  homerischen  Dichter  lange  in 
Ephesos  geblieben,  so  würde  sich  unfehlbar  eine  solche  Tradition  ge- 
bildet haben  und  von   den   Ephesiern  gebührend  hervorgehoben  sein. 

Aber  setzen  wir  den  Fall,  jemand  hätte  bewiesen,  die  aiolische 
Colonie  in  Smyrna  sei  eben  so  alt  oder  gar  älter  als  die  ionische;  es 
leuchtet  ein,  dafs  dadurch  der  lonisnuis  des  sniyrnaiischen  Homer 
nicht  in  Frage  gestellt  würde.  Dies  würde  nur  dadurch  geschehn  kön- 
nen, dafs  man  bewiese,  in  der  ganzen  Zeit  bis  etwa  auf  Gyges  herab 
hätten  ausschliefslich  die  Aioler  allein  Smyrna  besefsen ,  die  erste  io- 
nische Colonie  daselbst  sei  blofse  Fielion.  Und  diesen  Beweis,  meine 
ich,  wird  niemand  zu  führen  im  Stande  sein. 

Die  vita  A  fügt  ihrer  Berechnung  des  Abslandes  zwischen  Troja 
und  Homer  noch  die  Angabe  hinzu  ,  von  Homer  bis  zur  didßaSig  des 
Xerxes  seien  6:12  Jahre  verilofsen.  Combiniert  man  diese  Angabe  mit 
der  über  den  Abstand  Homers  vom  troischen  Kriege,  so  ergibt  sich 
als  Datum  für  den  Anfang  dieses  Krieges  das  Jahr  1270  v.  Chr.,  als 
Geburtsjahr  Homers  aber  das  Jahr  1102.  Wollte  man  hierauf  Gewicht 
legen  zu  Gunsten  der  Aioler  in  Smyrna,  so  würden  wir  natürlich  für 
die  lonier  ganz  dieselbe  Iroische  Aera  in  Anspruch  nehmen  müfsen, 
und  das  Verhältnis  der  Zeiten  würde  genau  so  bleiben,  wie  wir  es 
eben  sahen,  vorausgesetzt  nemlich,  dafs  wir  auch  dann  noch  so  grofs- 
nuithig  wären  auf  den  Gebrauch  der  älteren  Daten  für  die  ionische 
Wanderung  zu  verzichten.  Uebrigens  aber  dürfen  wir  gar  nicht  die 
beiden  Angaben  der  vita   combinieren;  denn  die  eine,    die  Rechnung 


I,auer :  Gojfcfiiclilo  der  homorisclieii  Poesie.  37'i 

über  den  Abstand  Homers  von  Trojn ,  bernhl,  wie  wir  sahen,  auf  aio- 
lischer  Sage;  die  andere  aber,  welche  niehl  niil  jener  verwel)!,  son- 
dern ga\\7.  lose  nnd  iinlserlich  neben  sie  «reslelll  ist,  der  Abstand  Ho- 
mers von  Xerxes,  diese  Angabe  ist  nichts  als  ein  Heclienexenipel  spä- 
terer. Ich  mache  mir  ein  specielles  Vergnügen  daraus  auch  dies  nocii 
zu  beweisen,  nm  so  mehr,  da  Laners  Behauptung-,  die  Rechnung  der 
vita  lal'se  nicht  gut  eine  Erklärung  zu,  sich  auf  diesen  von  Lauer  ge- 
kannten Abstand  der  622  .1.  zw  ischen  Homer  und  Xerxes  ausdrücklich 
mit  bezieht.  Zwischen  der  Iliov  cclcüöig  nnd  der  ()ia(5ci6ig  des  Xerxes 
liegen  nach  der  Combinalion  ans  der  vita  ()i2  +  KJM  —  10  =  780 
Jahre  ;  das  sind  aber  gerade  J3  y.vxloi  zu  60  .lahrcn,  13  X  60:=  780. 
Also  Avie  z.  B.  Duris  der  Samier  von  der  lUov  alcaatg  bis  zur  Siäßa- 
ßig  Alexanders  runde  1000  Jahre  rechnete,  so  rechnete  irgend  ein  an- 
derer von  der  lUov  üXtoöig  bis  zur  öiaßaatg  des  Xerxes  runde  13  kv- 
oiXoi.  Diesen  Ansatz  hat  der  Autor  der  vita  aufgegrilfen ;  er  zog  von 
der  Zahl  der  13  %vk),oi  zu  60  Jahren  =  780  J.  die  158  Jahre  ab, 
welche  er  aus  der  aiolischen  Sage  für  die  Zeit  von  Trojas  Fall  bis  auf 
Homers  Geburt  halte,  und  so  ergab  sich  ihm  für  die  Zeit  von  Homer 
bis  Xerxes  die  Zahl  von  622  Jahren.  \\\e  kann  man  nur  von  einer  so 
einfachen  Rechnung  sagen,  sie  lafse  nicht  gut  eine  Erklärung  zu? 

Unter  Nr.  16  wird  der  berühmte  Ansatz  Ilerodots,  Homer  habe 
400  Jahre  vor  ihm  gelebt  und  nicht  mehr,  durch  die  Annahme  erklärt, 
Herodot  zähle  die  400  Jahre  vom  Jahre  439  v.  Chr.  rückwärts  und 
setze  den  troischen  Krieg  —  Lauer  drückt  sich  unbestimmt  mit  einem 
p,  Tr.  aus,  so,  dafs  man  wohl  die  TtSQßtg  verstehn  nuifs  —  in  1280  v. 
Chr.,  rechne  also  von  Troja  bis  auf  Homer  7  Kyklen  zu  63  Jahren  =: 
441  Jahre,  und  von  Homer  bis  zur  ersten  Olympiade  einen  Kyklos  zu 
63  Jahren.  Aber  ist  es  denn  so  gewis,  dafs  Ende  oder  Anfang  des 
troischen  Kriegs  dem  Herodot  in  l"i80  v.  Chr.  fiel?  Und  wer  bürgt  uns 
dafür,  dafs  er  die  400  Jahre  gerade  von  439  v.  Chr.  ab  rückwärts 
zählte?  Und  läfst  sich  denn  dem  Herodot  überhaupt  sonst  für  die  grie- 
chische Geschichte  die  Rechnung  in  Kyklen  nachweisen?  Ich  glaube 
kaum;  bekannt  aber  ist,  dafs  er  oft  ausdrücklich  nach  ysveatg  rech- 
net, von  denen  er  nach  der  umständlichen  Berechnung  II,  142  aus- 
drücklich sagt,  dafs  er  3  ysveab  100  Jahren  gleichsetze.  Diese  Art  der 
Rechnung  liegt  ohne  Zweifel  auch  der  Angabe  über  Homer  zum  Grunde. 
Darauf  deutet  schon  der  Umstand,  dafs  Herodot  nicht  ein  bestimmtes 
Jahr  oder  Ereignis  aus  der  Zeit  seines  Lebens  als  terminus  angibt, 
von  welchem  er  die  400  Jahre  rückwärts  zähle ,  sondern  sein  ganzes 
Leben,  oder  genauer,  seine  ganze  ysverj  als  terminus  a  quo  ansieht: 
*  vierhundert  Jahre  vor  mir.'  Also  12  yeveal  vor  der  seinigen  lebte 
Homer  dem  Herodot.  —  Wie  kam  Herodot  zu  dieser  Annahme?  Eine 
interessante  Frage,  deren  Lösung  mir  auf  der  Hand  zu  liegen  scheint. 
Dafs  im  kleinasiatischen  lonien  wie  im  übrigen  Griechenland  die 
Geschlechter  ihre  Stammbäume  hatten,  unterliegt  keinem  Zweifel.  So 
wifsen  wir  z.  B.  aus  Herodot  selbst,  II,  143,  dafs  der  Jlilesier  Heka- 
taios  den  Priestern  im  aegyptischen  Theben  sein  Geschlecht  aufzählte 


374  Lauer:  Gcschichle  der  lionierischcn  Poesie. 

und  im  löten  Gliede  seinen  väterliclien  Stamm  an  einen  Goft  (walir- 
sclioinlicli  den  Apollon)  anknüpfte.  DaCs  auch  Homer  in  solchen 
Slamnibaumen  vorkam,  wer  wollte  es  leugnen?  Oder  sollten  wolil 
nicht  h.  B.  die  Ilomeriden  auf  Chios  in  ihrem  Stammbaum  im  so  und 
so  viellen  Gliede  an  den  Homer  angeknüpft  haben?  Dals  indes  llero- 
dot  diesen  chiischen  Stammbaum  seiner  Berechnung  zum  Grunde  legte, 
ist  nicht  glaublich;  erstens  weil  die  Homeriden  auf  Chios  den  Homer 
sicherlich  in  eine  frühere  Zeit  gerückt  haben,  zweitens  weil  Herodot 
zu  Chios  in  keinem  besonders  nahen  Verhaltnisse  stand.  Zu  einem 
andern  ionischen  Staate  aber  stand  Herodot  bekanntlich  in  einem  be- 
sonders nahen  Verhältnisse,  zu  Samos.  Auf  dieser  insel  halte  er  Ver- 
wandte, aus  seiner  Vaterstadt  vertrieben  lebte  er  hier  längere  Zeit, 
hier  sog  er  seinen  lonismus  ein,  diese  Insel,  sein  zweites  Vaterland, 
kannteer,  wie  seine  Schilderung  zeigt,  in  ihren  einzelnen  Verhält- 
nissen aufs  genauste.  Und  gab  es  denn  nicht  auf  Samos  ein  Geschlecht, 
in  dessen  Stammbaum  Homer  vorkommen  nuiste?  Oder  knüpften  viel- 
leicht die  Kreophylier  von  Samos  ihr  Geschlecht  nicht  an  Homer  an, 
den  Schwiegervater  des  Kreophylos? 

Ich  denke,  es  ist  sicher,  dafs  Herodot  seine  Angabo  auf  Grund 
des  ofliciellen  Stammbaums  der  saniischen  Kreophylier  machte.  Daher 
die  Bestimmtheit,  mit  der  er  redet;  'vierhundert  Jahre  und  nicht 
mehr.'  Und  somit  verschwinden  alle  Schwierigkeilen,  welche  diese 
aulTallende  Angabe  den  Gelehrten  gemacht  hat.  Sie  stellt  nur  das  Al- 
ter Homers  in  Bezug  auf  Samos  dar;  vierhundert  Jahre  vor  Herodot 
kam  die  homerische  Poesie  auf  Samos  an. 

Dafs  Lauer  von  dieser  einfachen  Sache  durchaus  keine  Ahnung 
gehabt  hat,  ist  um  so  bemerkenswerther,  als  er  ja  einen  grofsen  ge- 
lehrten und  theoretischen  Aufsalz  über  die  samischen  Kreophylier  an- 
fertigte. Ein  bedeutendes  Stück  desselben  ist  in  der  uns  vorliegenden 
'Geschichte  der  homerischen  Poesie'  enthalten,  tlieils  noch  von  Lauer 
selbst  hineingearbeitet,  tlieils  von  den  Herausgebern  angefügt,  s.  Vorr. 
S.  Xll.  S.  211  Anm.  108.  Sollen  wir  einmal  diese  Partie  der  Arbeit 
betrachten  und  zusehn,  wie  das  neugewonnene  Kesultat  ihr  passt,  und 
ob  Lauer  sich  nicht  unendlich  viel  leeres  Gerede  hätte  sparen  können, 
wenn  er  die  Augen  aufgemacht  und  vor  allem  den  Ansatz  Herodots 
darauf  bezogen  hätte,  worauf  er  bezogen  werden  mufs? 

Ich  denke  es  ist  befser  sogleich  zur  Stelle  des  Herodot  zurück- 
zukehren, wo  es  noch  etwas  zu  betrachten  gibt. 

Herodot  fafst  nemlich  in  seiner  Zeilbestimmung  den  Ilesiod  mit 
Homer  zusammen;  er  nennt  sie  gleichzeitig,  stellt  aber  beidemal,  wo 
er  die  Namen  nennt,  den  Ilesiod  voran.    Wie  ist  das  zu  verstehn? 

Ueber  Hesiods  Zeitalter  haben  wir  eine  eben  so  grofse  Bienge 
von  Angaben  wie  über  das  des  Homer.  Aber  diese  Masse  ist  quali- 
tativ lange  nicht  so  bedeutend,  es  liegt  ihr  ungleich  weniger  Ueberlie- 
ferung  zum  Grunde.  Der  deutliche  Beweis  ist  der,  dafs  die  weit  über- 
wiegende Mehrzahl  der  Zeugnisse  das  Zeitaller  Hesiods  nach  Homer 
bestimmt,  indem   die  einen   den  Hesiod  älter  nennen  als  Homer,  die 


Lauer:  Gescliiclilo  <ler  liomcrisclien  Poesie.  37.") 

andern  jünger,  eine  drille  Gruppe  aber  einen  Altersgenofsen  Homers; 
ganz  wie  Tzetzes  sagi,  Ciiiliad.  XII,  163: 

HGiO()og  0  TTQOxefJog  Kara  rivag  Oft t^pov, 
VMrd  Ti}'ag  ö  i6o%QOVog^  vöTSQOg  y.a'&  ir^govg. 
Diese  Art  der  Zeilheslimniung  beweist,  dals  bei  Hesiodos  die  Con- 
joelur  einen  uniileich  grölsern  Spielraum  halle  als  bei  Homer.  Man 
slülzle  sich  bei  diesem  Conjicieren  über  Hesiod  vor  allem  auf  die  Ver- 
frleiohtino-  seiner  Gedichte  mit  Homer.  Dem  Arislarch  erj{ab  diese 
Vergleicluinii'  das  Hesnilaf,  dafs  Hesiod  jiiiijier  sein  miiisc  als  Homer, 
nnd  er  bemerkte  durch  Diplen  die  zahlreichen  Stellen,  deren  Kennt- 
nis in  Hesiods  Gedichten  sich  zeige.  Ein  anderes  Ergebnis  halte  He- 
rodol;  er  setzte  beide  Dichter  in  dieselbe  Zeit,  und  zwar  olFenbar 
deshalb,  weil  er  ihnen  ganz  denselben  Wirkungskreis  zuerkannte: 
ovroi  öe  eiGt  ot  nofrjöavrsg  &£oyovi)]v  Ekkrjöt,  nai  xolai  Q'EOlGl  rag 
inoivv^dag  doweg  xal  ri^dg  ts  xal  xeyyccg  ötekövreg,  KCil  el'dia  avtcöv 
öij^t'jvavrsg.  Und  indem  wir  dies  erkennen ,  wird  es  zugleich  auch 
deutlich,  weshalb  Herodot  den  Hesiodos  vor  Homer  stellt:  Homer 
vertritt  die  praktische  Seife  des  Gesehäfls,  Hesiod  die  theoretische. 

Der  Ansatz  des  Sosibios  wird  unler  Nr.  15  ganz  richtig  in  5  Ky- 
klen  zu  63  Jahren  aufgelöst.  Aber  die  Darstellung  ist  undeutlich,  weil 
der  Verf.  nicht  ausdrücklich  sagt,  dafs  diese  3J5  Jahre  vom  Anfange 
des  troischen  Kriegs  zu  zählen  sind.  Vom  Ende  desselben  bis  Homer 
zählte  Sosibios  nur  305  Jahre.  Bei  Talian  wird  Sosibios  nicht  ge- 
nannt, aber  seine  Rechnung  ist  ausgedrückt  in  den  folgenden  Worten, 
die  ich  nach  der  sachlich  gewis  richtigen  Schreibung  Ottos  hersetze: 
Tiveg  de  ttqo  rav  Olv[.i7ti(iS(ov  ecpaGav  avTov  yayovevai  areci-v  ivevt]- 
v.ovxa ,  zovTeßri,  ftfr«  rrjv  IXvov  akcoßLv  l'reGi,  XQuenoöLoLg  enray.alösy.a. 
Hier  ist  Sosibios  Ausatz  auf  Eralosthenes  Jahr  für  Trojas  Fall  redii- 
ciert,  welches  12  Jahr  früher  liegt  als  das  des  Sosibios;  12  +  305 
=  317.  In  den  Handschriften  und  frühern  Ausgaben  erscheinen  Ta- 
tians  Worte  sehr  entstellt,  und  die  Vergleichung  von  Eusebios  Praep. 
evang.  X,  11.  Chron.  II  p.  314  Rom.  Hieron.  p.  97  Seal.  Syncell.  p. 
181  A,  welche  Stellen  sämmtlich,  wie  schon  oben  bemerkt,  nur  eine 
Wiederholung  des  Tatian  sind,  sie  zeigen,  dafs  die  Verderbnis  ini 
Tatian  alt  sei.  In  allen  diesen  Wiederholungen  fehlt  die  Angabe  des 
Abslandes  von  90  Jahren  zwischen  Ol.  1  und  Homer,  und  statt  der  317 
Jahre  werden  400  angegeben.  Durch  Eusebios  und  Syncell  sind  Fi- 
scher-Soetbeer  S.  49  und  C.  Müller  Fragm.  chronol.  p.  197  verfdhrt 
worden  zu  der  Meinung,  es  habe  im  Alterthum  wirklich  einen  Ansatz 
Homers  in  400  p.  Tr.  gegeben,  und  dieser  sei  aus  dem  Ansätze  Hero- 
dols  geflofsen.  Lauer  schweigt  hiervon  wie  von  der  Stelle  Tatians, 
welche  Fischer  und  Müller  nicht  erwähnen.  Die  Sache  scheint  ihm  be- 
denklich vorgekommen  zu  sein.  Hätte  er,  der  die  alten  Herren  mit 
der  Perrücke  so  gern  da  ciliert,  wo  sie  nichts  mehr  nützen,  hier  doch 
den  Maranus  nachgeschlagen;  der  setzt  die  Sache  ganz  leidlich  aus- 
einander. 

Von  dem  Grunde  des  sosibianischen  Ansatzes  ist  bei  Lauer  auch 


376  Lauer:  Gescliichle  der  lionierischcii  Poesie. 

nicht  die  Hede.  Halten  wir  uns,  um  ihn  zu  linden,  nur  wieder  (reif- 
lich und  munter  auf  den  Weg  voran,  welclien  die  Aiigahe  selbst  be- 
zeichnet. Die  Hauptstelle  über  Sosibios,  Clem.  Alex.  Strom.  I,  21, 
117  beginnt  damit,  dafs  Sosibios  den  Homer  in  das  achte  Jahr  von 
Charillos  ßaaiksLa  setze:  ^coölßiog  de  o  ylaxcov  iv  %q6vcov  avciyQacpfj 
KUTcc  xo  oyöoov  erog  rijg  XaQilkov  xov  TLolvdiKxov  ßaai,XHag"0^'riQOV 
(piqu.  Die  Rechnung  beruht,  wie  bemerkt,  auf  der  Uebersetzung  von 
5  Kyklen  p.  Tr.  obsideri  coeptam  in  Zahlen.  Aber  warum  nimmt  So- 
sibios gerade  5  Kyklen,  so  dals  Homer  in  Charillos  Zeit  fallt?  Warum 
nicht  4  oder  3  Kyklen? 

Sosibios  ist  ein  Lakone,  nach  Lakouika  lafst  die  Sage  Homers 
Gedichte  durch  Lykurg  kommen,  Lykurg  ist  Vormund  des  Charillos. 
Wir  haben  hier  also  einen  Ansatz,  welcher  auf  die  Sage  von  der 
Verpllanzung  der  homerischen  Poesie  nach  Lakonika  sich  stützt,  der 
aber,  weil  die  Sage  das  genaue  Jahr  dieser  Verpllanzung  nicht  angab, 
dieses  Jahr  nach  Rechnung  in  Kyklen  bestimmt. 

Aber  Marum  setzt  Sosibios  nicht  geradezu  blofs  die  Verpflanzung 
der  homerischen  Poesie  nach  Lakonika  in  das  achte  Jahr  des  Charil- 
los? Warum  den  Homer  selbst?  ^^'ie  stimmt  das  mit  der  Sage?  Läfst 
diese  nicht  den  Lykurg  die  Poesie  von  den  anoyovoig  des  Kreophylos 
bekommen?  War  Kreophylos  nicht  ein  Schwiegersohn  Homers?  Sind 
wir  doch  auf  falscher  Fährte? 

Ich  denke  doch  nicht.  Oder  es  müste  nicht  neben  dieser  eben 
erwähnten  noch  eine  andere,  von  Lauer  auch  S.  226,  wo  er  des  brei- 
tem über  Lykurg  und  Kreophylos  sich  ausliifst,  völlig  unberührt  ge- 
lafsene  Version  der  Sage  gegeben  haben,  nach  welcher  Lykurg  den 
Homer  selbst  von  Angesicht  zu  Angesicht  sah.  Plutarch  Lyc.  1  Ti- 
(.laiog  de  vnovoEi,  övotv  iv  ZlTtäQX'T]  yeyovoxcov  AvKovQyav  ov  xaxa 
Tov  avxov  'ji^QOvov^  reo  ixigco  xag  a^cpotv  TtQa^sig  6i,a  xrjv  öo^av  ava- 
KEiG&aL  •  nal  xov  ye  TtQSößvxsQov  ov  tcoqqco  xcov  Oii^qov  '/^qopojv  ysyo- 
vivai,  l'vioL  ÖE  Kai  kccv''  oiIjiv  evxvieiv  Ofii^^oj.  Die  Ansicht  dieser 
k'vioi^  vom  persönlichen  ZusammentrelTen  Homers  und  Lykurgs,  sie  ist, 
das  liifst  sich  nicht  wegdisputieren,  die  des  Sosibios;  denn  der  macht 
ausdrücklich  den  Homer  zum  Zeitgenofsen  des  Lykurg. 

Timaios,  der  sich  nach  Polybios  XII,  12  sehr  viel  mit  den  einhei- 
mischen Quellen  der  lakonischen  Chronologie  beschäftigte,  fand  in  ih- 
nen die  Sage  vom  persönlichen  Zusammentreffen  Homers  und  Lykurgs 
so  stark  betont,  dafs  er  sich  veranlafst  sah  den  Lykurg  in  zwei  Per- 
sonen zu  spalten,  deren  eine,  die  ältere,  er  in  die  Zeit  schob,  wel- 
che Homer  nach  den  besten  Ansätzen  einnimmt,  indem  er  nicht  be- 
dachte oder  bedenken  konnte,  dafs  die  Sage  vom  Zusammentreffen 
der  beiden  gar  nicht  den  alten  athenisch- smyrnaiischen  Homer  meint. 

Aehnlich  entstand  die  vulgäre  Sage.  Man  konnte  es  sich  nicht 
reimen,  dafs  Lykurg  sollte  den  Homer  selbst  gesehn  haben,  welchen 
die  meisten  und  gewichtigsten  Autoritäten  fast  200  Jahre  älter  mach- 
ten als  den  Lykurg.     Nun  substituierte  die  Sage  für  Homer  selbst  die 


Lauer :  Geschichte  der  homerischen  Poesie.  377 

Nachkommen  des  Kreophylos ,  von  welchen  Lykurg  die  Poesie  erhal- 
len habe. 

Dals  aber  die  eben  aufgedeckte  Version  der  Sage,  die  Version, 
nach  welcher  Lykurg  den  Homer  selbst  trifft,  die  stolzeste  Version, 
dafs  diese  die  spartanische  Nationalsage  war,  kann  keinem  Zweifel 
unterliegen.  Deshalb  lediglich  folgt  ihr  auch  der  Lakone  Sosibios, 
deshalb  rückt  er  den  Homer  in  die  Zeit  Iierab,  welche  ihm  für  Lykurg 
anderweitig  feststand,  deshalb  nimmt  er  gerade  fünf  Kyklen ,  nicht 
vier  oder  drei. 

Und  nun  ist  es  ein  schönes  Zusammentreffen  zweier  in  ihren  Grün- 
den verschiedener  Hechnungen,  dafs  Sosibios  Ansatz,  der  lakonische, 
mit  Herodots  Ansatz,  dem  samischen,  genau  übereinstimmt.  Denn 
von  Samos  soll  ja  eben  Lykurg  die  Poesie  geholt  haben. 

Herodot  ist  geboren  484  v.  Chr.,  seine  yevs')]  reicht  also  von 
484 — 451  V.  Chr.,  er  setzt  den  Homer  400  Jahre  vor  sich,  also  dessen 
ysveri  in  884 — 851,  Sosibios  Ansatz  aber,  90  Jahre  vor  Ol.  1,  1  =  776 
V.  Chr.,  trifft  in  866  v.  Chr.,  mitten  in  die  yevsij  des  samischen  Homer 
bei  Herodot. 

Und  doch  könnte  gerade  dies  Schwierigkeiten  machen.  Soll  denn 
Lykurg  mit  Homer  gerade  damals  zusammengetroffen  sein,  als  Homer 
18  Jahr  alt  war? 

Verschmähn  wir  getrost  alle  Kniffe  und  Winkelzüge  der  schlech- 
ten Chronologie,  sagen  wir  nicht,  dafs  Herodot  sich  verrechnet  habe, 
dafs  das  Jahr  884  v.  Chr.  nicht  Homers  Geburt,  sondern  seine  ukiitj 
bezeichne,  dafs  12  yeveai  nicht  gerade  4  Jahrhunderte  auszumachen 
brauchten,  dafs  Sosibios  den  Lykurg  zu  früh  ansetze,  dafs  er  nicht 
ausdrücklich  sage,  die  Zusammenkunft  Lykurgs  und  Homers  falle  in 
das  achte  Jahr  des  Charillos,  sondern  dafs  er  nur  bei  diesem  durch 
seine  Kyklen  bestimmten  Jahr,  weil  es  doch  bei  einem  sein  muste,  den 
Homer  als  Zeitgenofsen  des  Lykurg  nenne,  dafs  die  Traditionen  zweier 
Länder  über  dieselbe  Begebenheit  nicht  zu  stimmen  brauchten,  und 
was  sich  noch  sonst  alles  ersinnen  läfst.  Erkennen  wir  ruhig  an,  dafs 
bei  einer  so  langen  Reihe  von  yeveaig  die  Abweichungen  ,  die  hier 
und  da  von  der  gewöhnlichen  Zeit  der  Heirat  vorkommen  mochten, 
sich  in  der  Regel  ausgleichen  werden,  dafs  Sosibios  wie  die  andern 
der  Ueberlieferung  folgt,  die  den  Lykurg  in  den  ersten  Jahren  des 
Charillos  seine  Reiseji  machen  läfst,  kurz,  bleiben  wir  ohne  Ausllucht 
bei  dem  Jahre,  welches  nun  einmal  überliefert  ist,  und  denken  uns  in 
ihm,  dem  18ten  Lebensjahre  Homers,  die  Zusammenkunft  Homers  und 
Lykurgs. 

Dadurch  begehn  wir  keine  Absurdität,  wenn  wir  nur  nicht  das 
Ihun,  was  gethan  zu  haben  Lauer  seinen  Vorgängern  vorwirft,  nem- 
lich  wenn  wir  nur  nicht  die  sagenhafte  Natur  der  Ueberlieferung  vom 
Homer  verkennen. 

W^as  ist  denn  eigentlich  die  yfvfij  Homers  nach  samischer  Rech- 
nung? Mögen  wir  überhaupt  an  Homers  Persönlichkeit  glauben  oder 
nicht,  die  yevei^  desselben  nach  samischer  Rechnung  ist  doch  wohl,  si 
N.  Jahrb.  f.  Phil.  m.  Paed.  Bd.  LXVII.  Hft.  4.  25 


378  Lauer:  Geschichle  der  homerischen  Poesie. 

dis  placet,  in  keinem  Fall  etwas  anderes  als  das  erste  Drilleljahrhun- 
dert der  Plleg-e  homerischer  Poesie  auf  Samos?  Wenn  die  Sage  diese 
erste  Blütezeit  unter  dem  Namen  Homers  personificierte,  so  konnte 
sie  den  Anfang  derselben  nicht  als  axfirj,  sondern  nuiste  ihn  als  Ge- 
burt fafsen.  ^^'er  das  nicht  begreift,  der  begreift  überhaupt  das  We- 
sen der  Sage  nicht. 

Ich  will  ihm  aber  durch  einen  äufsern  positiven  Beweis  zu  Hilfe 
kommen.  Die  homerische  Poesie  auf  los  datiert,  wie  wir  sahen,  von 
der  ionischen  Wanderung  her.  Und  in  welche  Zeit  setzt  die  ietische 
Sage  Homers  Geburt?  Rechnet  sie  etwa  fein  zurück  und  setzt  Homers 
Geburt  33  Jahre  vor  die  Zeit  der  ionischen  Wanderung?  0  nein,  sie  sagt 
ausdrücklich,  Homer  sei  zur  Zeit  der  ionischen  Wanderung  geboren. 

Gerade  so  ist  es  mit  der  samischen  Sage.  Der  ietischen  Sage 
ist  sie  auch  darin  iihnlich,  dafs  sie  aus  guten  Gründen  nicht  wagt, 
Homers  Geburt  nach  Samos  zu  setzen;  denn  nach  los  setzt  wenigstens 
die  spätere  ietische  Sage  Homers  Geburt  auch  nicht.  Doch  ist  der 
Unterschied  da,  dafs  die  leten  wenigstens  Homers  Erzeugung  ihrer 
Insel  stets  vindicierten,  während  die  samische  Sage  nur  von  einer 
Heise  Homers  nach  Samos,  einem  Besuche  daselbst  beim  Kreophylos, 
einer  Heirat  dieses  letztern  mit  Homers  Tochter  u.  dgl.  mehr  weifs. 

Die  Geburt  Homers  aber  setzten  die  Samier,  wie  die  lelen,  in 
die  Zeit,  wo  die  homerische  Poesie  in  Samos  durch  die  Schule  der 
Kreophylier  Eingang  fand,  um  das  Jahr  884  v.  Chr.  Etwa  18  Jahre 
später,  um  866  v.  Chr.,  theilte  diese  Schule  den  Samos  sehr  befreun- 
deten Lakedaimoniern  die  homerischen  Gedichte  mit.  Das  ist  der  hi- 
storische Inhalt  der  Ueberlieferung,  wie  ihn  das  schöne  Zusammen- 
treffen der  beiden  Rechnungen  ergibt,  der  lakonischen  bei  Sosibios 
und  der  samischen  bei  Herodot. 

Was  hätte  Lauer  wohl  gegeben,  wenn  ihm  einer  dies  Zusammen- 
treffen damals  gezeigt  hätte,  als  er  den  grofsen  theoretischen  Aufsatz 
über  Homer  und  die  Kreophylier  schrieb? 

Aber  was  sage  ich  da?  Selber  hat  er  es  ja  gesehn,  er  sagt  ja  in 
seiner  'Geschichte  der  homerischen  Poesie'  beim  Ansätze  des  Sosibios 
S.  J23  ausdrücklich,  Sosibios  habe  den  Homer  ^ziemlich'  in  dieselbe 
Zeit  gerückt,  in  welche  Herodot  ihn  setze I 

Also  mit  sehenden  Augen  ist  Lauer  blind  gewesen. 

Auch  das  hat  er  niciit  bemerkt,  dafs  die  Milesier,  die  Nachbarn 
der  Samier,  eine  eben  so  eigenthümliche  Rechnung  über  Homer  hat- 
ten, wie  diese  ihre  Nebenbuhler,  obschon  er  S.  126  Anni.  158  die 
Nachricht  erwähnt,  Arktinos  sei  Schüler  Homers  gewesen,  welche 
Nachricht  der  von  Lauer  so  vielfach  erwähnte  und  benutzte  Welcker 
S.  211  bespricht.  Sie  ist  sehr  gut  verbürgt,  diese  Nachricht,  von  Ar- 
temon  dem  Klazomenier.  Suid.  AQ'Kxivog^  TijXea),  rov  J\avr£0)  aTtoyo- 
vov,  MiXTqöLOg ,  inonoiog^  fiad"rjri]g  OfxrjQov ,  cog  Xsysi,  o  KXa^ofieviog 
Aqzi^av  iv  tw  negl'O^riQOv:  yeyovcog  xaia  rriv  0'  ^Olvfirtcada,  fieta 
rergazoGia  l'rt]  tmv  TQCoinav.  So  schreibt  ßernhardy.  Er  hätte  wohl 
gethan  die  Variante  vi  zu  berücksichtigen.  In  ihr  ist  zugleich  die  Les- 


Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie.  379 

art  vfj  iiherliefcrt.  Diese  muslc  für  zetgaKOCia  in  den  Text  und  für 
Ttjv  &'  war  zu  schreiben  tijv  a  Olv^xTactöa.  So  restituiert  slimnil  die 
Zeitbeslinimung-  des  Artemon  nicht  nur  mit  sich  selbst  und  mit  Kyrilios 
adv.  lul.  j).  12  B  TT^wri/  Olv^itiädi,  Miktjaiog  BTtoTtoiog  AQKzivog  ktys- 
xai  yEyovevai,  sondern  auch  mit  Eusebios,  »elcher,  >vic  die  Verglei- 
cbung  des  Euseb.  ed.  Rom.,  des  Hieron.,  und  des  Syncelius  p.  2J2  C 
lelirt,  genau  wie  Arlemou  in  Ol.  J,  2  =  775  v.  Chr.  die  cx^tj  des 
Arklinos  setzt.  Nachher  erscheint  bei  Eusebios  Arktinos  noch  einmal 
unter  ül.  4  (Hieron.  Ol,  3),  aber  nicht  mit  einem  jjx|Lia^cV  (florehat), 
sondern  mit  einem  agnoscitur ;  und  nicht  allein ,  sondern  hinter  Eu- 
inelos.  Hier  ist  also  nicht  Arktinos  der  das  Datum  bestimmende,  son- 
dern Eumclos,  und  ersterer  ist  nur  mit  genannt  als  schon  berühmt 
werdend,  »eil  man  die  Ueberlieferung  von  einer  dichterischen  Ge- 
meinschaft beider  im  Auge  hat,  nach  welcher  bekanntlich  die  Titano- 
niachie  bald  dem  einen  bald  dem  andern  zugeschrieben  »ard.  Euse- 
bios freilich  scheint  dies  Motiv  seiner  Quelle  nicht  zu  ahnen;  denn  er 
nennt  andere  Gedichte,  aber  die  Titanomachie  nicht.  Achnlich  ist  die 
Notiz  bei  Clem.  Alex.  Strom.  I,  21,  131,  Phanias  sage,  dafs  Lesches 
älter  sei  als  Tcrpander,  dieser  aber  jünger  als  Archilochos,  Lesches 
aber  habe  mit  Arktinos  gestritten  (^ÖunuXkifixfuL)  »ind  ihn  besiegt. 
Lesches  war  des  Arktinos  Nebenbuhler,  indem  er  einen  von  diesem 
schon  behandelten  Stoff  behandelte;  daraus  wird  sich  eine  Sage  von 
einem  personlichen  Zusammentreffen  und  Wetlsingen  der  beiden  ge- 
bildet haben.  Ebenso  könnte  man  nun  die  Nachricht  erklären  Avollen, 
dafs  Arktinos  Homers  Schüler  gewesen  sei;  man  könnte  sagen,  sie  sei 
lediglich  aus  dem  Verhältnisse  der  beiderseitigen  Dichtungen  zueinan- 
der hervorgegangen.  Die  Frage  aber,  welche  sich  dann  sofort  erhe- 
ben würde,  nemlich  wie  es  komme,  dafs  dieser  3Iilesier  gerade  zu- 
erst den  Homer  fortsetzte,  und  zwar  die  Hias,  diese  Frage  würde 
denn  doch  wieder  nur  dahin  zu  beantworten  sein,  dafs  es  in  Milet,  der 
Hauptstadt  loniens,  eben  so  gut  eine  homerische  Dichterschule  gege- 
ben habe  wie  in  Samos  und  in  so  manchen  andern  Orten,  und  dafs 
Arktinos  eben  ein  Mitglied  dieses  yivog  war.  Hierauf  führt  auch  die 
Art  der  genealogischen  Nachricht  des  Artemon :  ^AQKxivog  Ttjkeco  xov 
JVavTfoJ  unoyövov.  Diese  Worte  deuten  auf  den  Stammbaum  eines 
yivog,  an  dessen  Spitze  Nautes  stand.  Und  angesichts  dieser  Ver- 
hältnisse werden  wir  es  nun  nicht  mehr  bezweifeln  dürfen,  dafs  die 
Sage,  welche  den  Arktinos  einen  Schüler  Homers  nennt,  dabei  eine 
besondere  milesische  Rechnung  über  Homer  berücksichtige,  nach  wel- 
cher Homer  in  der  yevsri  i''^^''  Arktinos  stand.  Arktinos  «jcju.»/  fällt, 
wie  wir  sahen,  in  Ol.  1,  2  =  775  v.  Chr.,  seine  Geburt  also  in  808 
etwa,  die  Geburt  Homers  aber  nach  milesischer  Rechnung  etwa  in 
842  V.  Chr. 

Dies  würde  also  nach  dem  bei  Samos  entwickelten  das  unge- 
fähre Datum  für  die  Stiftung  der  homerischen  Schule  in  Milet  sein. 
Diese  Schule  wäre  demnach  etwa  42  Jahre  jünger  als  die  samische; 
damit  stimmt  es  sehr  gut,  dafs  die  samische  Sage  vom  Homer  reicher 

25* 


380  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

erscheint  als  die  milesische.  Hierbei  ist  freilich  zu  berücksichtigen, 
dafs  in  Milet  die  Verhältnisse  mehr  dahin  wirkten  als  in  Samos,  der- 
gleichen Sagen  zu  verdunkeln:  ich  meine  den  in  Milet  weit  mehr  als 
in  Samos  hervortretenden  ionischen  Charakter,  die  noch  viel  gröfsere 
geistige  Regsamkeit,  die  Neuerungssucht,  auch  die  völlige  Zerstörung 
der  Stadt  nach  der  Schlacht  bei  Lade.  Indessen  scheint  soviel  Avenig- 
stens  sicher,  dafs  die  Milesier  noch  weniger  als  die  Samier  wagten. 
Homers  Geburt  ihrer  eignen  Stadt  zu  vindicieren. 

Unter  Nr.  10  redet  Lauer  über  den  von  Eratosthenes  und  Apollo- 
doros  recipierten  Ansatz.  Mit  Recht  behauptet  er  nach  dem  Vorgange 
mehrerer,  beide  hatten  ganz  denselben  Ansatz  gehabt,  240  Jahre  p. 
Tr.  1183  a.  Chr.  c.  n^  943  v.  Chr.,  und  nach  dem  Vorgange  C.  Mül- 
lers, diese  240  Jahre  seien  nichts  als  4  Kyklen  zu  60  Jahren.  Nach 
den  Gründen  des  Ansatzes  hat  Lauer  nicht  einmal  gefragt,  obgleich 
er  seine  beiden  Vertreter  S.  57  zu  den  ^einsichtigen  Männern'  rech- 
net, 'einsichtige  Männer'  aber,  sagt  man,  ihre  Gründe  zu  haben  ge- 
wohnt sind.  Warum  sie  nicht  1  oder  2  Kyklen  p.  Tr.  nahmen ,  liegt 
auf  der  Hand:  Homer  sollte  jünger  als  die  ionische  Wanderung  sein. 
Hierfür  behalf  man  sich  im  Alterthnm  nicht  blofs  mit  allgemeinen 
Gründen ,  sondern  man  stellte  ganz  specielle  Judicien  aus  den  Ge- 
dichten auf,  wie  z.  R.  Strabo  VHI ,  384  lehrt.  Auf  der  audern  Seite 
waren  5  Kyklen  dem  Eratosthenes  und  Apollodoros  zu  viel ;  sie 
wollten  nicht  den  jüngsten  Ansätzen  allein  folgen.  Sie  wollten  eine 
Durchschnittszahl.  Aber  warum  nahmen  sie  da  nicht  3  Kyklen? 
Zwei  Gründe  wenigstens  des  Apollodoros  musle  Lauer  wilsen;  zv\ei 
des  Apollodoros,  sage  ich;  denn  er  kann  mehrere  und  Eratosthenes 
andere  gehabt  haben.  Den  einen  Grund  musle  Lauer  wifsen  als  Ho- 
meriker;  er  steht  in  den  Schollen  und  im  Eustathios.  Im  Alterthum 
war  ein  Streit,  ob  die  Insel  Samothrake  nach  dem  alten  Worte  <J«,(to? 
benannt  sei,  oder  nach  der  samischen  Colonie.  War  die  Insel  nach 
der  Colonie  benannt,  so  muste  Homer,  der  den  Namen  kennt,  jünger 
als  diese  Colonie  sein.  Und  diese  Colonie  setzte  Apollodoros  209 
Jahre  p.  Tr. ,  indem  er  von  ihr  die  Insel  benannt  sein  liefs.  Schol. 
A  D  iV  12  2ojxi,oi  OL  iv  Icovla  ^lexa  ötaxoöioötov  y.al  e'vaxov  l'rog  tcov 
TQfOiYAOv  iQip^ov  k'Xaßov  naqa  xov  Tlv&iov  eig  xrjv  iv  Tgcoadi  0Qa%7]v 
^STOty.ijt^at,^  acp  o)v  iq  Sa^xod'Qaxri  TtQOörjyoQEv&ij.  i]  iGioQLCi  nccqa 
^ATtokXodcoocp.  Im  A  fehlt  y.cd  evarov  uud  7TQ06i]yoQev&ij  —  AttoXXo- 
öoiQcp.  Eustath.  iV  J2  p.  917,  6  "AXXoi,  81  tceqI  rijg  xOLUvxijg  (.lexoixiag 
cpccöiv  öxi  Zät.uoi  i'^  looviag  fxexa  öiaxoaioGxov  exog  xdv  Tqwiy,K)v  y.al 
f.iix()0v  XL  nqog  iig  xijv  2a(io&QaK7]v  iiexcoMjGav ,  cog  (.itj  au  öia  xovg 
xoiovxovg  2ut.dovg  y.Xrj&ijvat  Za^o&QOixrjv.  ed.  Lips.  jxexaKiGav.  Den 
Zusatz  von  cog  ju.?j  ab  hat  entweder  Eustathios  selbst  gemacht,  oder  er 
bat  die  Nachricht  aus  einer  Widerlegung  des  Apollodoros.  —  Den 
andern  Grund  muste  Lauer  wifsen,  weil  er  in  der  durchweg  von  ihm 
citierten  homerischen  Hauptstelle  des  Clemens  steht:  'AnoXXoöcoQog 
ös  fiera  eyMxov  l'xr]  xijg  IcoviKrjg  anoiyiag  Ayy]6iXciOV  xov  AoQVGGaiov 
ylayeöcufxovitav  (SaaiXsvovxog,  coaxe  STttßaXeiu  ccvxa  AvKOvqyov  xov 


Lauer:  Geschichte  der  honicrisclien  Poesie.  .S>*1 

vofiod'irjjv  eil  veov  ovxa.  Also  Apollodoros  lludet  sicii  veraiilursl  aucli 
die  lakedaimonischc  Sage  vom  Ziisaiiiiiienlreireii  Lykurgs  mit  Homer 
zu  berücksiclitigen.  Aber  der  grol'se  Unterschied  ist  zwischen  ihm 
und  Sosibios,  dals  er  nicht  wie  dieser  rein  der  spartanischen  Sa<>c 
folgt,  sondern  andern  Gründen  zu  Liebe  das  Zusamnu-nlrellen  ans  der 
Zeit  der  iTtLr^onia  in  die  Jugendjahre  des  Lykurg  hinaut'verlegl  und 
überdies  noch  den  Lykurg  etwas  Iruher  ansetzt.  Hier  zeigt  sich  der 
Charakter  des  Ansatzes  so  reciit  deutlich ;  es  ist  ein  Versuch  zur  Ver- 
mittlung, eine  Durchschnittsrechnung,  eine  Combination.  Und  des- 
halb hat  er  keinen  historischen  Werth,  obschon  seine  Autoren  aller- 
dings zu  den  'einsichtigen  Männern'  gehören. 

Lykurgs  ImxQonici  setzten  bekanntlich  Eralosthenes  und  Apollo- 
doros  299  p.  Tr.  c.  =  1183  —  299  =-  884  v.  Chr.,  seine  Geburt  also 
ungefähr  in  die  Zeit  um  920  v.  Chr.  Bei  dem  coör«  mißdldv  rio  Ourj- 
Q<a  AvYMvqyov  xov  vojMod-kyjv  tri  veov  övxc<  ist  an  das  zwanzigste 
Lebensjahr  etwa  des  Lykurg  zu  denken;  so  hätte  denn  Apollodoros  in 
900  V.  Chr.  etwa  das  Zusammenlrelfen  mit  Homer  verlegt.  Wie  alt 
dachte  sich  ApoUodor  damals  den  Homer?  Als  einen  Mann  von  43 
oder  von  76  Jahren?  iMit  andern  Worten,  setzte  er  in  240  p.  Tr.  Ho- 
mers UKiiri  oder  seine  Geburt?  Ich  denke,  für  die  feierliche  Uebergabe 
der  Gedichte  an  Lykurg  behufs  der  Einfülirnng  in  Sparta  ist  der  sechs- 
undsiebziger  passender  als  der  drciundvierziger;  und  ausdrücklich 
sagt  Tatian  (in  der  Hauptstelle),  ApoUodor  setze  Homers  «KfirJ  in  240 
p.  Tr.  Aber  den  Tatian  zeihen  neuere  freilich  des  Irthums.  Was 
thut  unser  Lauer?  In  einer  Anmerkung,  S.  121  Nr.  142  meint  er,  wenn 
man  den  Ansatz  des  Jahres  943  v.  Chr.  auf  Homers  Geburt  beziehe,  so 
sei  mit  ihm  ein  gewi,5ser  anderer  unter  Apollodoros  Namen  gegebener 
Ansatz,  wenn  man  diesen  auf  Homers  Blüte  beziehe,  zu  vereinigen, 
wenn  man  in  der  diesen  zweiten  Ansatz  betrelTenden  Stelle  eine  ge- 
wisse Aenderung  vornehme.  Nun  das  heifst  in  der  That  vorsichtig 
sein!  Aber  Vorsicht  ist  die  3Iutter  der  Tapferkeit,  so  meinte  wenig- 
stens jener  berühmte  General,  der  immer  geschlagen  wurde.  W^ollen 
wir  doch  lieber  etwas  mehr  Dreistigkeit  besitzen.  Die  von  Lauer  be- 
fürwortete Aenderung  in  jener  zweiten  von  mir  noch  nicht  genannten 
Stelle  ist  unzweifelhaft,  der  Ansatz  dieser  Stelle  läfst  sich  nicht  nur 
mit  dem  Ansatz  943  v.  Chr.  vereinigen,  sondern  beide  müfsen  sogar 
vereinigt  werden,  und  —  unser  Lauer  hat  doch  nicht  Recht,  Apollo- 
doros bezeichnet  mit  dem  Jahre  943  v.  Chr.  doch  Homers  axft?;'. 

Bei  Hieronymus  p.  106  anno  1101,  oder  vielmehr,  sage  ich,  zwi- 
schen 1101  und  1102,  und,  sage  ich,  in  der  ed.  Rom.  p.  321,  zwischen 
1104  und  1105,  steht  folgendes:  In  Lalhia  hisloria  ad  verbum  haec 
scripta  reperinms :  Agrippa  apud  Latinos  regnanle  Homeriis  poeta 
in  Graecia  claruit,  ut  lestatur  Apollodorus  grammatictis  et  Euphor- 
Irus  (^Euphorbius  ed.  Rom.)  historicus^  ante  urbem  conditam  annis 
CXXIV ^  et,  ut  ait  Cornelius  Nepos,  ante  ülyinpladem  primani  annis 
C.  Agrippa  regiert  von  915  bis  876  v.  Chr.,  nach  Hieronymus  ed. 
Seal.,  setze  ich  hinzu,  nach  der  ed.  Rom.  regiert  er  von  913 — 873. 


382  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

ISiin  meint  also  Lauer,  die  Worte  ante  urbem  condäam  und  ante 
Olympiadem  primam  müsten  ihre  Plätze  wechseln,  und,  weil  Gellius 
den  Cornelius  Nepos  Homer  in  160  a.  u.  c.  setzen  lafse,  sei  an  unse- 
rer Stelle  ftir  C  zu  lesen  CLX.  Das  ist  beides  unzweifelhaft  richtig-, 
Nepos  setzt  auch  nach  dieser  Stelle  den  Homer  160  J.  a.  u.  c.  ^:i=  910 
V.  Chr.,  unter  Agrippa ,  und  ebenfalls  unter  Agrippa,  124  a.  Ol.  1,  1, 
also  in  das  Jahr  9O0  v.  Chr.  setzte  ApuUodorus  grammaticus  • —  Ho- 
mers ciKfirj!  Ei  bewahre!  Ich  habe  schon  bei  Arktinos  auf  den  Unter- 
schied hingedeutet,  den  die  alte  Chronologie  zwischen  dem  ßorel, 
'^jXjU.a^£^',  und  dem  Berühmtwerden,  dem  agnoscitur  oder  claruit, 
iyvwqi^ixo  macht.  ApoUodoros  setzte  in  900  v.  Chr.  den  Zeitpunkt,  wo 
Homer  in  Griechenland  berühmt  wurde,  iyvtaqi^no^  in  Graecia  cla- 
ruit^  nemlich  im  eigentlichen  Griechenland,  im  Mutterlande,  durch 
die  von  Lykurg  nach  dem  Peloponnes  gebrachten  homerischen  Gedichte. 
Man  erinnere  sich,  dafs  ich  vorhin  auf  einem  andern  Wege  her- 
ausgebracht habe,  gerade  in  diese  Zeit,  um  900  v.  Chr.,  müfse  vom 
ApoUodoros  Homers  und  Lykurgs  Zusammenkunft  gesetzt  sein. 

Scaligers  Conjectur  Ephorus  für  Euphorbus  lafse  ich  dahingestellt 
sein,  wie  überhaupt  den  ganzen  auch  von  Lauer  nicht  behandelten 
Ansatz  des  Ephoros.  Es  gibt  allerdings  Nachrichten,  die  bestimmt 
genug  reden;  aber  es  fragt  sich,  ob  man  den  Auetoren  trauen  darf. 
Auch  darf  uns  diese  Frage  hier  gleichgiltig  erscheinen.  Denn  entwe- 
der folgte  Ephoros  rein  der  aiolischen  Chronologie,  die  wir  schon 
kennen,  oder  er  machte  eine  Combination,  die  für  uns  natürlich  eben 
so  wenig  Werth  hat  wie  die  des  ApoUodoros.  Stimmte  er  mit  diesem, 
wie  Scaliger  will,  nun  gut;  hat  Scaliger  Unrecht,  nun  dann  hat  nach 
der  Stelle  des  Hieronymus  irgend  ein  anderer  Mensch  mit  ApoUodoros 
gestimmt,  wie  viele  mit  dem  'einsichtigen  Manne'  gestimmt  haben 
werden. 

*  Nach  Philochoros'  sagt  Lauer  unter  Nr.  8  '^blühte  Homer  drei 
Kyklen  d.  h.  180  .1.  p.  Tr.  um  die  Zeit  der  ionischen  Wanderung.' 
Wäre  das  richtig,  so  wäre  die  Reduction  auf  xuxAot  müfsig;  denn  dann 
wären  für  Homer  nicht  drei  y.vy.Xot  mafsgebend,  sondern  die  ionische 
Wanderung,  deren  Ansatz  dann  eine  Sache  für  sich  wäre.  Es  ist  aber 
unzweifelhaft,  wer  nur  selber  die  von  Lauer  citierten  Stellen  nach- 
sehn und  gehörig  miteinander  vergleichen  will,  dafs  Lauer  hier  wie- 
der in  einen  schülerhaften  Fehler  hineingerathen  ist,  und  dafs  Philo- 
choros  den  Homer  ausdrücklich  später  als  die  ionische  Wanderung 
setzt,  und  zwar  40  Jahre  später,  so  dafs  also  Philochoros  diese  Wan- 
derung wie  Eratosthenes  und  ApoUodoros  in  140  p.  Tr.  setzt,  die  auf 
3  kvkXol  zu  reducierenden  180  Jahre  aber  ein  selbständiger  Ansatz 
für  Homer  sind.  Wenn  nun  Philochoros  den  Homer  nach  Asien  setzte, 
so  würde  man  sagen  dürfen,  sein  Ansatz  bilde  eine  Art  Complement 
zu  dem  des  ApoUodoros  und  Eratosthenes ;  er  stimme  mit  ihnen  da- 
rin, dafs  Homer  jünger  sei  als  die  ionische  Wanderung  und  nach 
Asien  gehöre,  nehme  aber  drei  Kyklen,  nicht  vier,  wie  jene,  weil  er 
auf  die  samische  Colonie  und  Lykurg  entweder  nichts  gebe  oder  beide 


Lauer:  (uscliiclile  der  lioiiKüischcn  Poesie. 


383 


früher  ansetze.  Nun  haben  wir  es  hier  aber  mit  einer  grolsen  von 
Lauer  gar  nieht  einmal  geahnten  Schwierigkeit  zu  thnn,  nemlich  mit 
der  in  einer  der  von  Lauer  citierten  Stellen  enthaltenen  Nachrielit, 
daTs  Philoehoros  den  Homer  einen  Argeier  nenne.  Dadurch  wird  die 
Sache  ungemein  dunkel,  und  traue  ich  mir  über  die  Motive  des 
Philoehoros  nur  insofern  ein  Urlheil  zu,  als  ich  behaupte,  dafs  ersieh 
keinesfalls  auf  eine  einfache  Localtradition  gestützt  habe,  sondern  dafs 
sein  Ansatz  eine  sehr  willkürliche  Combination  sein  müfse.  Es  kann 
keine  wirkliche  argeiische  Sage  gegeben  haben,  die  den  argeiischen 
Homer  in  1003  v.  Chr.  setzte.  Damit  stimmt  dasjenige  vollkommen, 
was  der  hier  von  Lauer  nicht  berücksichtigte  ^\'ek■ker  S.  191  sagt. 

Euthymenes  und  Archemachos,  bericiilet  Clemens  von  Alexan- 
dria, setzten  Homers  Geburt  200  Jahre  nach  der  Einnahme  Troias. 
Diese  Angabe  läfst  sich  schwerlich  mit  Lauer  (unter  Nr.  9)  als  Aus- 
druck von  3  Kyklen  zu  63  Jahren  fafsen,  sondern  es  sind  doch  ganz 
offenbar  sechs  yaveai.  Sechs  y^veal  machen  ja  genau  200  Jahre  aus, 
wogegen  drei  Kyklen  zu  63  Jahren,  wie  Lauer  seihst  bemerkt,  nur 
:=^  189  Jahren  sind.  Wenn  man  annehmen  dürfte,  Homer  werde  200 
Jahre  nach  Anfang  des  troischen  Krieges  gesetzt,  so  könnte  man  al- 
lenfalls versucht  sein  zu  glauben,  diesem  Ansätze  liege  eine  Berech- 
nung zum  Grunde,  welche  den  Homer  drei  Kyklen  zu  63  Jahren  = 
189  J.  nach  dem  Ende  des  zehnjährigen  Krieges  setzte;  dann  könnte 
man  nemlich  200  vielleicht  als  Abrundung  für  199  betrachten.  Dafs 
Lauer  die  Sache  so  ansah,  erhellt  aus  der  Tabelle,  in  welcher  er  S. 
124  siimmtliche  Daten  zusammenstellt.    Hier  heifst  es 


p.  Tr. 

Kyklen    j     Jahre 

3  200 


a.  Chr. 
(994) 


Euthymenes.  Archemachos  (Nr.  9). 
Dabei  hätte  denn  zum  wenigsten  bemerkt  werden  müfsen,  dafs  das 
'p.  Tr.'  in  Bezug  auf  die  erste  Spalte  ganz  anders  zu  verstehn  ist 
als  in  Bezug  auf  die  zweite;  hier  bedeutet  es  posl  Troiani  obsideri 
coeptam,  1193—199  (rund  200)  -~  994  a.  Chr.;  für  die  erste  Spalte 
bedeutet  'p.  Tr.'  aber  post  Troiom  capfam,  1183  —  189  (3  Kyklen 
zu  63)  =  994  a.  Chr.  Abgesehn  von  dieser  abscheulichen  Confusion, 
welche  den  chronologisch  weniger  geübten  völlig  irre  macht,  fällt 
die  ganze  Lauersche  Berechnung  durch  die  in  der  betreffenden  Stelle 
selbst  beigefügte  Bemerkung,  die  200  Jahre  seien  vom  Ende  des  troi- 
schen Krieges  gezählt:  negi  ro  öiaKoöioGiov  i'iog  vöreQou  Tr]g  Ikiov 
akcoaEcog.    Also  in  der  Tabelle  mufs  es  heifsen 


post  Trojam  captam 
6  yevecd  |     200  J. 


Euthymenes.  Archemachos. 


Chr.  n. 
983 

Nachdem  dies  festgestellt,  drängt  sich  alsbald  die  Frage  auf,  ob 
nicht  auch  hier  der  Stammbaum  nachzuweisen  sei,  auf  dem  die  An- 
gabe beruhe.  Denn  dafs  sie  auf  einem  Stammbaum  beruhe ,  versteht 
sich  wohl  von  selbst. 

Ich  könnte  hier  gerade  denselben  Weg  gehn  wie  bei  Herodot, 
und  die  persönlichen  Verhältnisse  der  Autoren  des  Ansatzes  zum  Lei- 


384  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poeflie, 

ter  der  Untersuchung  machen;  indessen  würde  dieser  Weg  hier  für 
jetzt  noch  etwas  beschwerlich  sein;  so  behalte  ich  mir  es  also  vor, 
ihn  bei  einer  andern  Gelegenheit  zu  zeigen;  sehn  wir  uns  hier  lieber 
allein  die  Stelle  des  Clemens  an,  welche  die  Nachricht  überliefert, 
Strom.  I,  21,  117.  Sie  sagt  deutlich  genug,  daTs  dem  Ansätze  nichts 
mehr  und  nichts  weniger  zum  Grunde  liege  als  der  Stammbaum ,  den 
wir  bei  Herodot  abwiesen,  der  Stammbaum  derHomeriden  von  Cbios: 
Ev&vi-Livrig  öe  iv  Tor,"  j^QOVtnoig  övvccK^aöavra  'H6i6öc3  im  AkccGxov 
iv  Xico  yeviö&at  ne^l  ro  öiaKoGioßtov  k'rog  vöreQov  rrjg  IXCov  crAco- 
aeag.  xavxiig  öi  eötl  xi]g  öo^}]g  Kai  Aq^i^ay^og  iv  Evßoincov  T^irco. 

Diese  Stelle  mit  ihrem  ausdrücklichen  iv  AYco  druckt  Lauer  un- 
rer  dem  Text  ab  und  merkt  doch  nichts.  Welcher  S.  177  läfst  das 
Zeugnis  des  Archemachos  ganz  unerwähnt,  indem  er  in  einer  Note  die 
Stelle  des  Clemens  blofs  nennt  und  im  Text  sagt,  nur  Euthymenes, 
der  auch  das  Jahr  wifse,  in  welchem  Homer  geboren  sei,  sage,  die- 
ser sei  in  Cbios  geboren;  Euthymenes  sei  vermutblich  derselbe  mit 
Hypermenes,  der  in  einer  Schrift  über  Chios  von  Skindapsos,  dem 
Diener  Homers,  etwas  erzähle;  die  Sache  gehöre  also  zu  der  Masse 
gelehrter  Lügen,  die  durch  die  spätere  alte  Litteratur  verbreitet  seien. 

Um  nun  also  von  Skindapsos  und  des  Hypermenes  gelehrten  Lü- 
gen auf  den  chiischen  Stammbaum  zurückzukommen,  dafs  das  Jahr, 
in  welches  er  die  Geburt  Homers  setzt,  nichts  anderes  sei  als  das 
Datum  für  die  Stiftung  der  chiischen  Schule,  daran  brauche  ich  nach 
den  vorangegangenen  Untersuchungen  nur  eben  zu  erinnern.  Chios 
steht  für  die,  welche  an  einen  persönlichen  Homer  glauben,  diesem 
Homer  näher  als  Samos  und  Milet;  aber  nach  Chios  selbst  gehört  er 
auch  nicht,  seine  Geburt  gehört  nach  Athen,  seine  axju,?^  mit  den  Ge- 
dichten in  die  Zeit  der  ionischen  Wanderung,  die  zweite  Hälfte  seines 
Lebens  nach  Smyrna ;  nach  Cbios  in  983  v.  Chr.  gehört  er  nicht.  Ver- 
pflanzt aber  ward  die  homerische  Poesie  aus  Smyrna  nach  Chios ;  von 
dieser  Thatsache  erhielt  sich,  wie  wir  oben  sahen,  die  Erinnerung 
neben  der  (offenbar  Jüngern)  Sage  von  Homers  Geburt  auf  Chios; 
jetzt  wird  die  Wahrheit  durch  die  Zahlen  bestätigt. 

In  demselben  Verhältnis  aber,  wie  die  chiische  Sage  zu  Smyrna, 
steht  wiederum  die  smyrnaiische  zu  Athen.  Auch  in  Smyrna  ist  es 
erst  eine  jüngere  Sage,  welche  Homers  Geburt  nach  Smyrna  selbst 
verlegt ,  und  neben  ihr  erhielt  sich  die  Erinnerung  an  die  Herkunft 
aus  Athen. 

Dreifach  ist  die  Ueberlieferung  in  Bezug  auf  Smyrna.  Die  eine 
Erzählung,  die  aiolische,  setzt  Homers  Geburt  in  die  Zeit,  wo  die 
aiolischen  Epoiken  sich  in  Smyrna  niederliefsen ;  dadurch  schien  der 
aiolische  Stamm  Antheil  an  Homer  zu  erhalten ;  und  da  nachher 
die  Aioler  lange  Zeit  hindurch  allein  Smyrna  besafsen,  war  es  mög- 
lich, eine  förmliche  aiolische  Homersage  mit  den  fingierten  aiolischen 
Genealogien  des  Charax  und  der  anderen  auszubilden;  sie  liefs  den 
Homer  in  Kyme  von  einem  Kymaier  und  der  Kymaierin  Kritheis  er- 
zeugt, in  Smyrna  nur  geboren  sein. 


Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie.  38.) 

Die  zweite,  altere  und  eclitere  Sag-e  nennt  den  Homer  den  Sohn 
der  Nymphe  Kritheis  und  des  Flufse  Meles  und  setzt  ihn  ganz  nach 
Smyrna ;  dies  ist  ionisclie  Sage;  sie  steht  parallel  mit  den  Sagen,  wel- 
che den  Homer  in  los  und  in  Chios  geboren  sein  lalsen,  und  hat  ohne 
Zweifel,  ganz  analog  diesen  beiden  Sagen  und  der  aiolisch-smyrnaii- 
schen  und  der  saniischen  und  milcsischen,  Homers  Gehurt  zu  Smyrna 
in  die  Zeit  der  ionischen  Wanderung  gesetzt,  wo  Smyrna  der  home- 
rischen Poesie  theilhaft  ward. 

Wie  aber  bei  Chios  sich  nachweisen  liefs,  dais  neben  der  jun- 
gem Sage,  welche  Homers  Gehurt  der  Insel  seihst  vindiciert,  die 
ältere  Erinnerung  fortbestand,  dafs  Homer  von  Smyrna  nach  Chios 
gekommen  sei ,  so  bestand  neben  der  rein  smyrnaiischcn  ionischen 
Sage,  welche  den  Homer  ganz  nach  Smyrna  setzt,  die  ältere  Erinne- 
rung fort,  dafs  er  von  Athen  nach  Smyrna  gekommen  sei.  Diese  Er- 
innerung brachte  Aristarch  zu  Ehren. 

Besonders  interessant  ist  es  zu  bemerken,  wie  auch  Chios  seine 
Abhängigkeit  in  letzter  Instanz  von  Athen  fühlt.  Damastes,  welcher 
den  Homer  für  einen  Chier  erklärte,  ohne  Zweifel  doch  auf  Grund  der 
chiischen  Behauptungen,  gab  in  seiner,  ohne  Zweifel  doch  auf  Grund 
des  chiischen  Stammbaums  entworfenen  Genealogie  Homers  als  Ahn- 
herrn desselben  im  zehnten  Gliede  den  Musaios  an,  vit.  F  lin.  1  'Ava- 
^ifiivtjg  Kai  ^aixaaxrjg  Kai  IIlvöaQog  Xtov  xov  Ofir]QOv  aTCocpatvovrat, 
xal  &ioyiQLTog'  o  6s  ^aiiaörTjg  Kai  öeKazov  avrov  aiio  MovGaiov  qjrjöl 
yeyovivai.  Also  selbst  die  rein  chiische  Homersage  mit  ihrem  chii- 
schen Stammbaum,  welche  auch  Homers  Geburt  nach  Chios  setzt, 
selbst  sie  beugt  sich  vor  Athen,  insofern  sie  Homers  Geschlecht  we- 
nigstens von  Athen  herstammen,  ihn  also  xo  avBKa&ev  AQ'^vaiov  sein 
läfst.  Beugt  auch  ihr  euch,  Homeriker  von  heute,  beugt  euch  vor 
Aristarch. 

Unsern  Lauer  verlieren  wir  hier  ganz  aus  dem  Gesichte.  Wel- 
cker  dagegen  hat  erkannt,  dafs  der  Musaios  des  Damastes  auf  Athen 
geht.  Welcher  macht  dabei  jedoch  einen  Fehler.  Nemlich  in  vita  C 
wird  dem  Damastes  ganz  dieselbe  Genealogie  zugeschrieben  wie  dem 
Hellanikos  und  dem  Pherekydes,  eine  kymaiisch-aiolische ,  welche 
den  Musaios  gar  nicht  zeigt,  im  zehnten  Gliede  aber  über  Homer  den 
Dorion.  Nun  meint  Welcher,  diese  Genealogie  sei  wirklich  auch  die 
des  Damastes,  bis  auf  den  einen  Unterschied,  dafs  Damastes  statt  des 
Dorion  den  Musaios  gehabt  habe,  was  die  vita  nicht  zu  bemerken 
brauchte.  Damastes  habe  also  über  Smyrna,  auf  welches  die  Genea- 
logie in  vita  C  unzweifelhaft  hindeutet,  Chios  mit  Athen  in  Verbin- 
dung gesetzt.  Das  ist  gewis  falsch.  W^er  die  kymaiisch-aiolische 
Genealogie  des  Hellanikos  und  Pherekydes  hatte,  mit  dem  Maion  als 
Vater  Homers,  dem  Dios  als  Oheim,  dem  Hesiodos  als  Vetter,  dem 
Melanopos  als  Grofsvaler ,  dem  Gründer  Kymes  Chariphemos  als  Ur- 
urgrofsvater :  der  muste  den  Homer  auch  in  Smyrna  geboren  sein  la- 
fsen,  konnte  seine  Geburl  nicht  nach  Chios  setzen,  wie  Damastes  nach 
dem  nicht  anzuzweifelnden  und  auch  von  Welcher  nicht  angezweifel- 


386  Lauer:  Gescliiclile  der  homerischen  Poesie. 

ten  Zeugnisse  der  vila  F  that.  Es  ist  vielmehr  die  Nennung  des  iNa- 
mens  Damastes  in  der  vita  C,  EkldvtKog  öe  aal  ztaixaGrijg  aal  0eQe- 
Kvörig,  ein  reines  Versehen,  wie  sie  sich  in  den  vifis  Ilomericis  ja 
in  Namen  und  Zahlen  öfter  zeigen ,  ein  Versehn  welches  um  so  leich- 
ter möglich  war  als  jene  drei  Leute  sonst  oft  zusammen  genannt  wur- 
den, ein  Versehn  des  Proklos  selbst,  oder  eines  andern  vielleicht  un- 
wifsenden. 

Aber  wie  man  auch  hierüber  urtheile,  Chios  als  Vaterland  und 
dabei  der  Athener  Slusaios  als  zehnter  Vorfahr  des  chiischen  Homer 
bleibt  als  Behauptung  des  Damastes  und  somit  auch  der  Chier  selbst 
gewis.  Musaios  der  Athener  I  Steht  hiermit  nicht  auch  die  Sage  in 
Verbindung,  welche  die  lonier  von  Alben  nach  Asien  durch  die  Mu- 
sen hinüberführen  läfst,  und  die  andere  Sage,  welche  den  Vater  des 
Homers  von  los  einen  Genofsen  der  Musen  nennt?  los  hat  ja  gerade 
bei  der  ionischen  Wanderung  seine  homerische  Poesie  von  Athen  aus 
empfangen!  Sollte  die  ganze  homerische  Poesie  nicht 
vielleicht  wirklich  in  gerader  Linie  von  jenen  Dienern 
der  Musen,  den  attischen  Thrakern,  abstammen? 

Aber  wo  ist  denn  unser  aiolischer  Lauer?  Sucht  er  ein  Citat  in 
den  vilis,  im  Eusebios  oder  in  den  Scholien?  Dort  sehe  ich  ihn  beim 
Ansätze  Nr.  2.  Er  erklärt  eben,  nach  dem  Vorgange  C.  Müllers,  die- 
ser Ansatz,  24  J.  p.  Tr. ,  stamme  aus  der  DilTerenz  einer  älteren  troi- 
scben  Acra  von  der  des  Eratosthenes.  Er  ist  aber  nicht  deutlich  ge- 
nug. Wie  Sosibios  Trojas  Fall  12  Jahre  später  ansetzte  als  Eratosthe- 
nes, so  gab  es  eine  andere  Rechnung,  welche  ihn  24  Jahre  früher  an- 
setzte als  Eratosthenes.  Nur  haben  wir  gesehn,  dafs  einige  den  Ho- 
mor  mit  dem  troischen  Kriege  gleichzeitig  setzten,  also  bei  der  von 
Eratosthenes  befolgten  Rechnung  in  1193 — 1183.  Anderen  schien  dies 
Datum  für  Homer  bequem,  aber  nicht  für  den  troischen  Krieg,  für 
welchen  sie  jene  ältere  Aera  vorzogen.  Diese  musten  sagen,  Homer 
habe  24  Jahre  p.  Tr.  gelebt. 

Lauer  fügt  zur  Auswahl  noch  eine  Erklärung  bei,  nemlich  man 
habe  dem  Dichter  die  24  Jahre  gegeben,  um  seine  Gedichte  dichten 
zu  können.  Diese  Erklärung  ist  unstatthaft;  denn  wer  bürgt  uns  wohl 
dafür,  dafs  der  Ansatz  sich  ursprünglich  gerade  auf  den  Zeitpunkt  der 
vollendeten  Gedichte  bezog? 

Uebrigens  ist  dieser  Ansatz  identisch  mit  dem,  welcher  bei  Eu- 
sebios unter  der  Form  erscheint,  dafs  Homer  zu  der  Zeit  gelebt  habe, 
als  Orestes  zu  Delphi  den  Pyrrbos  erschlug,  ed.  Rom.  p.  312  bei  853 
Abr.  Hicron.  Seal.  p.  94  zwischen  854  und  855.  Diese  Stelle  im  Euse- 
bios erwähnt  Lauer  nicht,  obschon  der  von  ihm  citierte  C.  Müller 
sie  erwähnt,  der  aber  wieder  ungenügend  citiert. 

Unter  Nr.  5  läfst  der  Verf.  wieder  zwei  Meinungen  frei,  über  den 
Ansatz  150  p.  Tr. :  erstens  zwei  Kyklen  in  Mondjahren  nebst  der  troi- 
schen Differenz  =  2  X  63  +  24  :^  150,  und  zweitens  fünf  Men- 
schcnaller.  Letzteres  ist  aber  gewis  nicht  anzunehmen.  Fünf  ysveai 
sind  166%  Jahre.    Wie  sollte  man  diese  zu  150  und  nicht  vielmehr  zu 


Lauer;  Gescliichte  der  lioiiierisclieii  Poesie.  387 

165  oder  zu  160  oder  zu  170  Jahren  abgerundet  haben?  Die  ersle 
Hechnung-  dagegen  befriedigt  vollkomnien.  Nur  musle  bei  ihr  aus- 
einandergesclÄt  werden,  wie  der  Ansatz  ursprünglich  nacli  der  era- 
lostlienischen  Aera  gemacht  und  dann  durch  licduction  auf  die  ältere 
Aera  in  seine  jetzige  Fafsung  gebracht  ist.  üen  Homer  setzt  er  in 
1057  V.  Chr. ,  also  2  Kyklcn  zu  63  =  126  J.  nach  1183;  wer  das  Jahr 
1057  V.  Chr.  für  Homer  passend  fand,  den  Iroischen  Krieg  aber  1217 
— 1207  ansetzte,  der  nuiste  sagen,  Homer  habe  126  -f-  24  =:r^  150  J. 
p.  Tr.  gelebt. 

Hätte  Lauer  dies  durchdacht,  so  würde  er  auch  geschn  haben, 
dafs  der  ganze  Ansatz  nichts  als  eine  Variante  zu  dem  unter  Nr.  4 
von  ihm  beigebrachten  Ansätze  aus  Pbiloslratos  sei;  es  besteht  zwi- 
schen seiner  ursprünglichen  Fafsung  und  dem  aus  Philostratos  nur  der 
formelle  Unterschied,  dafs  letzterer  den  Homer  in  das  erste  Jahr  des 
dritten  Kyklos  p.  Tr.  setzt,  der  unsrige  aber  in  das  letzte  Jahr  des 
zweiten.  Also  unser  Ansatz,  150  p.  Tr.  c. ,  meint  eigentlich,  wie  der 
aus  Philostratos,  Homer  falle  in  die  Zeit  der  ionischen  Wanderung. 

'Drei  Kyklen'  sagt  Lauer  unter  Nr.  6  'drei  Kyklen  weniger  die 
Differenz  24  haben  wir  in  der  Angabe,  dafs  Homer  165  J.  p.  Tr.  ge- 
lebt habe.'  Lauer  muste  hinzufügen,  bei  dieser  lleduction  gelte  als 
ursprüngliche  Form  des  Ansatzes  folgende :  3  Kyklen  zu  63  J.  = 
1H9  J.  p.  Tr.  1207  a.  Chr.  captam  --:=  1018  v.  Chr.;  dies  Jahr,  1018  v. 
Chr. ,  habe  ein  anderer  für  Homer  passend  gefunden ,  habe  aber  ge- 
glaubt, der  Fall  Troias  sei  24  J.  später  zu  setzen,  hinfolglich  gesagt, 
Homer  falle  in  3  X  63  —  24  =  165  J.  p.  Tr.  c. ;  ursprünglich  also 
sei  der  Ansatz  identisch  mit  dem  des  Philochoros  gewesen. 

So  muste  Lauei  sagen ,  falls  er  für  den  hier  besprochenen  An- 
satz und  den  des  Philochoros  Verschiedenheit  der  Motive  nicht  nach- 
weisen konnte.  Solche  Verschiedenheit  aber  läfst  sich  nun  freilich 
nachweisen. 

Lauer  hat  wieder  einmal  die  Augen  nicht  offen  gehabt.  ^N'ie 
heifst  es  in  der  Stelle,  wo  der  Ansatz  165  p.  Tr.  gegeben  wird,  bei 
Kyrillos  adv.  lulian.  p.  11  D  ?  'E>iaxo6x(o  l^tjxoöro)  nal  nifiitra)  erst 
tfjg  IXiov  aXcoöEcog'OiirjQOv  xal  Hßioöov  cpaßi,  yaveG&at,^  ßaötkevovrog 
ylccKsöccLfiovlcav  Aaßwxov.  Warum  ßaGLlevovxog  ytaKedai^ovlcov  Aa- 
ßcoTOv!  —  Antwort,  weil  es  eine  Ansicht  gab,  nach  der  Lykurg  Vor- 
mund nicht  des  Charilaos,  sondern  des  Labotas  war.  Herodot.  I,  65 
Ol  ^Ev  drj  ziveg  TtQog  xovvolGi  Xiyovdi  Kcd  cpQaaai  avxa  xr^v  nv&irjv 
xov  vvv  Kaxeßxeaxcc  noßnov  ^TCaQXirjxyjöL'  cog  Ös  avxol  ylaKsöaifioinoi, 
leyovöi,  AvKovQyov  imxQOTiEvöavxa  Aecoßojxeco^  aöeXcpiöiov  [lev 
ecavxov  ßaGt,Xevovxog  ^  2naQxi,y]xi(ov^  in  KQ'i]X)]g  ccyayeö&ai.  xavra. 
Diese  Nachricht  Herodots ,  dafs  Lykurg  Labotas  Vormund  war ,  er- 
wähnt Pausanias  III,  2,  3  mit  sichtlicher  Verwunderung,  und  ohne, 
wie  aus  dem  gleich  folgenden  erhellt,  auf  sie  etwas  zu  geben.  Er 
sagt  nemlich  §.  4,  Lykurg  habe  £7x1  rrjg  ^AyriCtdccov  ßaGdelag  die  Ge- 
setze gegeben,  woraus  hervorgeht,  dafs  er  sich  als  Mündel  den  Cha- 
rilaos denkt,  welcher  nachher  mit  Agesilaos  Sohne  Archelaos  herschte, 


388  Lauer:  Geschiclile  der  homerischen  Poesie. 

Plul.  Lyc.  5.  Und  so  steht  überhaupt  Herodots  Zeugnis  g-anz  ver- 
einzelt, und,  wie  Schweigliäuser  zu  Herodot  sagt,  Lykurg  führt  magno 
consensu  auctorum  über  Charillos  die  Vormundschaft.  Auch  kann 
gar  nicht  die  Rede  davon  sein,  dafs  wir  den  Lykurg,  welcher  den 
Homer  aus  lonien  holte,  in  Labotas  Zeit  setzen  sollten;  aber  das  ist 
interessant  zu  bemerken,  wie  viel  Gewicht  im  Alterlhum  die  Sage 
von  Homers  und  Lykurgs  persönlichem  Zusammentrelfen  gehabt  haben 
mufs.  Kaum  dafs  irgendwo  ganz  vereinzelt  die  Behauptung  auftaucht, 
Lykurg  sei  Vormund  des  Labotas  gewesen,  gleich  ist  auch  die  Be- 
hauptung da,  Homer  habe  zur  Zeit  des  Labotas  gelebt. 

Auch  Eusebios  hat  sie  überliefert.  Hieronym.  p.  101  Abr.  996 
Labotae  3  Quidam  Homerum  et  Hesiodum  his  tejnporlbus  f'uisse  scri- 
bunt.  Edit.  Rom.  p.  317  Abr.  1002  Labotae  9  Quidam  Homerum  et 
Hesiodum  his  temporibns  fuisse  asserunt ;  alii  mul/o  ante.  Hierzu 
citiert  Mai  Syncell.  p.  176  \)'^'0^a'}]Qog  zaVHöLOÖog  (oiaza.  rovag) ,  aber 
p.  176  D  setzt  Syncellus  den  Homer  nicht  unter  Salomo,  wie  Eusebios 
und  Hieronymus  11.  cc,  sondern  unter  David,  und  hat  auch  einen  ganz 
andern  Wortlaut:  Etc  avxov  (seil,  rov  /laßiS)  6  ^iyag  noL)]zr]g 
'0^7}Qog  TtaQ  "EXhpi  %al  'HüLodog.  Hierzu  fehlt  bei  Eusebios  und 
Hieronymus  die  entsprechende  Notiz  ;  denn  mit  dem  oben  besproche- 
nen allerdings  unter  David  fallenden  Ansätze  lonica  emigratio,  in  qua 
quidam  Homerum  fuisse  scribunt^  darf  man  die  Angabe  des  Syncel- 
lus nicht  für  identisch  halten,  obschon  sie  offenbar  ebenfalls  auf  die 
ionische  Wanderung  zu  beziehn  ist. 

Lauer  bezieht  sie  an  dieser  Stelle  auf  nichts;  er  hat  sie  über- 
sehn, obgleich  Fischer  wenigstens  die  edit.  Rom.  citiert,  in  sehr  un- 
ordentlicher Art.  In  der  Tabelle  S.  124  bringt  Lauer  diese  Stelle  der 
ed.  Rom.,  falsch  gelesen  und  reduciert  wie  bei  Fischer.  Also  Lauer 
hat  entweder  seine  Tabelle  gar  nicht  nach  seiner  eignen  Arbeit,  son- 
dern nach  Fischer  gemacht;  oder  er  ist  zu  unordentlich  gewesen,  den 
später  gefundenen  Zusatz  auch  in  die  Arbeit  selbst  hineinzubringen. 

Was  Lauer  seiner  Reduction  des  kyrillischen  Ansatzes  165  p.  Tr. 
hinzufügt,  mit  ihm  scheine  der  des  Cassius  identisch  zu  sein,  welcher 
Homers  '^Leben'  'mehr  als  160  J.  p.  Tr.'  ansetzt,  und  der  Ansatz  noch 
anderer  160  p.  Tr.  sei  nur  ein  ungenauer  Ausdruck  für  die  165  J.  des 
Kyrill,  das  ist  ganz  richtig;  aber  bewiesen  hat  es  Lauer  nicht;  denn 
der  Umstand,  dafs  160  ein  ungenauer  Ausdruck  für  165,  und  'mehr  als 
160'  gerade  eben  165  sein  kann,  beweist  doch  nicht,  dafs  es  wirk- 
lich so  sei.  Es  läfst  sich  indessen  dem  Verhältnisse  der  Zahlen  ein 
innerliches  Moment  hinzufügen.  Bei  Eusebios  wie  bei  Kyrillos  werden, 
wie  wir  sahen,  Homer  und  Hesiodos  als  gleichzeitig  genannt;  gerade 
dieselbe  Bestimmung  gab  auch  Cassius,  und  ebenso  verfährt  endlich 
auch  Philostratos  Her.  p.  727  Ol.,  wo  er  den  Wettstreit  Homers  und 
Hcsiods  in  Chalkis  160  p.  Tr.  ansetzt.  Hieraus  sieht  man,  dafs  Philo- 
stratos und  Cassius  ganz  dasselbe  meinen  wie  Eusebios  und  Kyrillos: 
die  Gleichzeitigkeit  der  beiden  Dichter  inhaeriert  dem  Ansätze.  Nur 
darf  man  dies  nicht  so  verstehn ,  als  ob  Hesiod  der  bestimmende  sei  ; 


Lauer :  Geschichte  der  hnmcrisclien  Poesie.  3S1) 

Ilesiod  wird  vielmehr,  wie  nach  der  oheii  von  nns  iiug-eslelllen  Betrach- 
tung hei  Ilerodot  und  hei  vielen  andern,  diircii  Homer  heslimmt,  mit 
dem  man  ilin  nach  Indicien  ans  den  Gedichten  fiir  gleichzeitig  hält, 
und  den  Homer  bestimmt  l.ahotas,  das  vermeintliche  Mündel  Lykurgs. 
Dafs  nun  dieser  Ansatz  von  dem  des  IMiilochoros  innerlich  durch- 
aus verschieden  ist,  erhellt  zur  Genüge  daraus,  weil  (nach  Gellius  III, 
11)  Philochoros  den  Ilesiod  ausdrücklich  für  jünger  als  Homer  erklärte, 
und  weil  Philochoros  den  Homer  sich  als  einen  Argeier  dachte,  wel- 
che Ansicht  jede  Berücksichtigung  der  Sage  ausschliefst,  nach  wel- 
cher Lykurg  die  Poesie  vom  Homer  aus  lonien  holte. 

Für  die  Abrundung  160  p.  Tr.  stellt  Lauer  wie  völlig  gleichbe- 
deutend zwei  Citate  auf,  den  Philostratos  und  die  vita  G  29;  völlig 
gleichbedeutend  sind  diese  beiden  aber  nicht;  denn  vita  G  setzt  mit 
dem  bestimmtesten  Ausdrucke,  reri%9at  O^rjQov,  Homers  Geburt  in 
160  p.  Tr.,  Philostratos  aber,  wie  bemerkt,  den  crycov.  Aber  für  eine 
blofse  Variante  zu  dem  Ansätze  bei  Philostratos  wird  man  den  der 
vita  ansehn  dürfen;  der  Autor  des  letztern  wollte  den  Jüngern  An- 
sätzen Homers  in  etwas  Rechnung  tragen,  und  setzte  daher  in  das  ihm 
gegebene  Jahr  160  nicht  den  aycou ,  sondern  die  Geburt. 

Fischer-Soetbeer  und  C.  Müller  berücksichtigen  den  Unterschied 
zwischen  der  vita  G  und  Philostratos  ebenfalls  nicht;  der  erstere  läfst 
die  Worte  beider  zusammen  abdrucken,  aber  die  des  Philostratos  mit 
Auslafsung  des  Zusatzes,  welcher  die  Angabe  auf  die  Zeit  des  aycav 
bezieht.  Sollte  unser  Lauer  vielleicht  auch  den  Philostratos  nicht  selbst 
nachgeschlagen  haben?  Was  er  sonst  noch  aus  Philostratos  beibringt, 
S.  118  Anm.  131  die  Worte,  in  denen  der  Ansatz  24  p.  Tr.  gegeben 
wird,  und  S.  119  Nr.  4  das  unklare  Referat  über  den  Ansatz  127  p. 
Tr.,  konnte  er  ebenfalls  aus  C.  Müller  und  Fischer-Soetbeer  entneh- 
men, welche  über  diese  beiden  Ansätze  die  betreffenden  Worte  des 
Philostratos  beide  haben  abdrucken  lafsen,  mit  Angabe  der  Seiten- 
zahl nach  Boissonade,  wie  auch  unser  3Iaun  citiert.  Alle  drei  An- 
sätze stehn  in  einer  und  derselben  Stelle  des  Philostratos,  p.  194 
Boiss.,  p.  726.  727  in  der  mir  für  den  Augenblick  allein  zugänglichen 
ed.  Olear.  Es  gibt  jedoch  aufser  dieser  Stelle  des  Philostratos  noch 
eine  andere  in  derselben  Schrift  von  mindestens  eben  so  grofser  Wich- 
tigkeit, welche  C.  Müller  und  Fischer-Soetbeer  nicht  citieren,  und 
welche  denn  auch  unser  Mann  nicht  kennt,  Prooem.  $.  3  p.  667  Ol. 
üonjviM]  jxev  yaQ  rjv  tcsql  te  ra  (.lavtiia,  nsQt  rs  xov  Akxixtjvr]g  Hga- 
kXicc,  Kcid'LGxaiiivri  x£  ccQxi,^  xci  ov7t(ji  ■ijßaßxovöa.  'OfxijQog  6s  ovTtco 
Tjöev.  akX  o[  fisv  Tgolag  alovGijg,^  oi  ös  oUyaig  tj  oxrco  ysvsalg  vaxe- 
Qov  ETtcd'iß'&at  avxov  xij  7toii](i£i  XiyovGiv  aX}!  öficog  olöev  o  IIqcoxs- 
ßllecog  ra  0(i'i]QOV  navxa. 

Die  drei  Data  dieser  Stelle  sind  den  dreien  jener  andern  ähnlich, 
und  Philostratos  mag  sie  wohl  als  so  ungefähr  ihnen  entsprechend  und 
sie  vertretend  angesehn  haben;  aber  für  ursprünglich  identisch  mit 
ihnen  können  sie  nicht  gelten.  Denn  wenn  man  auch  zugeben  wollte, 
mit  dem  Tqoiccg  akovarjg  unserer  Stelle  könne  allenfalls   dasselbe  ge- 


390  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

meint  sein,  wie  p.  726  mit  den  24  J.  p.  Tr.,  und  mit  den  oXlyaiq  ys- 
veatg  unserer  Stelle  dasselbe  wie  p.  726  mit  den  127  J.  p.  Tr.,  so 
würde  doch  das  dritte  Datum  unserer  Stelle  ootw  yeveaig  fiera  t« 
TQioiy.K  "Oii^iQOv  STii'&eß&ai  tjj  Ttoitjöei,  durchaus  unvereinbar  sein  mit 
dem  dritten  Datum  p.  726,  welches  den  oiycov  in  160  p.  Tr.  setzt.  Denn 
hierbei  liegen  doch  höchstens  4,  befser  wohl  nur  3  yeveai  zwischen 
Homers  Geburt  und  dem  Jahre  der  Einnahme  Troias,  und  wenn  man 
nun,  wie  allerdings  billig,  die  yever'j  mitzählt,  in  welcher  Troia  ge- 
nommen wird,  und  die,  in  welcher  Homer  sich  der  Poesie  widmet, 
so  gibt  das  doch  immer  nur  fünf,  höchstens  sechs  ysvsai,  nicht  acht. 
Ebensowenig  lauft  das  erste  Datum  unserer  Stelle  auf  dasselbe  hinaus, 
wie  der  von  Lauer  (unter  Nr.  1)  behandelte  Ansatz  Dionysios  des  Ky- 
Ulographen ;  dieser  läfst  den  Homer  beide  thebische  Kriege  und  den 
Iroischen  erleben,  Philostratos  aber  sagt,  Homer  habe  gleich  nach  der 
Einnahme  von  Uios  sich  der  Poesie  gewidmet. 

Diese  Bestimmung  ist  vielmehr  eine  ganz  selbständige  Conjectur, 
welche  sich  den  Homer  als  Jüngling  von  der  eben  erfolgten  Einnahme 
Troias  begeistert  und  zur  Kunst  hingewendet  denkt. 

Der  dritte  Ansatz  unserer  Stelle  ist  nichts  anderes  als  das  Datum 
des  chiischen  Stammbaums,  welcher  200  Jahre  zwischen  Homers  Ge- 
burt und  der  Einnahme  Troias  hat,  also,  den  terminus  a  quo  mitge- 
zählt, die  yeveij,  in  der  Troia  fallt,  bis  zu  dem  Zeitpunkte,  wo  Homer 
Dichter  ist,  acht  ysveal. 

Das  zweite  Datum  unserer  Stelle,  welches  den  der  Poesie  sich 
widmenden  Homer  einige  Geschlechter  p.  Tr.  setzt,  hat  eine  Genealo- 
gie des  in  Athen  geborenen  Homer  vor  Augen,  und  insofern  dieser  in 
Athen  geborene  Homer  aKfia^cov  die  ionische  Wanderung  mitmacht, 
bei  den  127  Jahren  aber  in  der  andern  Stelle  des  Philostratos  p.  726, 
wie  wir  oben  bei  Nr.  4  sahen,  die  ionische  Wanderung  das  bestim- 
mende ist,  laufen  denn  allerdings  diese  beiden  Ansätze  der  beiden 
Stellen  im  Philostratos  auf  eins  hinaus. 

An  den  Stammbaum  eines  athenischen  yivog  ist  hier  natürlich 
nicht  zu  denken;  denn  so  viele  Nachrichten  auch  Homer  mit  Athen  in 
Verbindung  bringen  und  ihn  einen  Athener  nennen,  ihre  Anzahl  ist 
allerdings  Legion,  von  einer  Homeridenschule  in  Athen  wird  nichts 
überliefert;  und  das  kann  uns  auch  durchaus  nicht  Wunder  nehmen, 
da  ja  Homer  eben  a^fta^ojv  mit  den  loniern  nach  Asien  gegangen  sein 
soll.  Nichtsdestoweniger  ist  es  durchaus  glaublich,  dafs  durch  die 
Sage  eine  Genealogie  Homers  überliefert  war,  welche  seine  Geburt 
nach  Athen  und  etwa  3  ycveac  p.  Tr.,  eine  yevei^  vor  der  ionischen 
Wanderung  setzte;  und  auf  eine  solche  Genealogie  müfsen  wir  die 
oXtyai  yeveai  bei  Philostratos  zurückführen,  weil  alle  andern  Ansätze, 
an  welche  man  der  Zeit  nach  denken  könnte,  nicht  nach  yevealg  rech- 
nen, sondern  nach  nvKkoig  oder  HTLöeig.  Aristarch  wird  unter  an- 
dern! auch  diese  athenische  Genealogie  gekannt  haben. 

Auf  sie  läfst  sich  auch  der  von  C.  Müller,  Fischer-Soetbeer  und 
Lauer  nicht  erwähnte  Ansatz  reducieren,  welchen  die  vita  B  1   ohne 


Lauer:  Gescliiclile  der  homerischen  Poesie.  891 

Nennung  des  Auclors  c.  5  niaclil,  Ilouier  iiube  JOO  .l.ihre  nach  dem 
Iroischen  Kriei^e  gelebt.  Doch  kann  liier  allerdings  auch  hlol's  jenes 
Misversländnia  des  eratoslhenischen  Ansatzes  zu  suchen  sein,  weither 
den  Homer  in  240  p.  Tr.  und  in  100  p.  Ion.  niigrat.  setzte,  wonach  an- 
dere sagten,  Eralosthcncs  habe  den  Homer  100  p.  Tr.  gesetzt. 

Durch  ein  ähnliches  Misverständnis  ist  in  der  vita  E  IG  die  eben- 
falls von  C.  Müller,  Fischer-Soetbeer  und  Lauer  nicht  erwähnte  Angabe 
entstanden,  Homer  falle  in  150  \*.  Ion.  migrat.  Hier  ist  weiter  nichts 
zu  suchen  als  der  oben  betrachtete  auf  einen  falschen  lerminus  a  quo 
bezogene  Ansatz  lüO  p.  Tr. 

Da  wir  einmal  dabei  sind,  Ansätze  zu  bringen,  welche  Lauer 
&eÖ3v  rsQKSööi,  md-i^aag,  will  sagen  unter  den  Auspicien  von  C.  Müller 
und  Fischer-Soetbeer  übergeht,  so  möge  hier  nun  auch  gleich  die  von 
einigen  hartnäckig  durchgefochtene  Behauptung  stehn,  Homer  habe 
gegen  das  Ende  von  Archippos  Regierung  gelebt,  welcher  35  .Jahre 
geherscht  habe.  Proklos  de  genere  Hesiodi  c.  2  ZvinmianivaL  ö  av- 
xov  (seil.  xov'HgIoöov)  ot  [ihv  Oiii']QCO  qjaaiv,  oi  dh  xai  OfxriQov  tcqo- 
yei'eßrsQOv  eivai  SiiGivQi^ovxca.  zal  ot  /xev  nQoysvißXEQOv  eivca  xov- 
xov  Oi^irjQOv  diiG'/vQi^o^Evoi  IV  a^yccig  dvai  (paßt,  xijg  Ao^iimov  ao- 
X'ijs-,  OfxrjQOv  6  if  TW  xslst.  o  d  "AQXiitJtog  ovxog  viog  ?}i'  Av.äaxov, 
uQi^ag  A&r]vaLC0V  e'xi]  as'.  Bei  Eusebios  heischt  Archippos  nicht  35 
Jahre,  sondern,  wie  die  Anecd.  Paris.  II  p.  138,  die  ed.  Rom.,  Hie- 
ronymus  und  Syncellus  p.  185  A  übereinstimmend  halten,  nur  19  Jahre. 
Dagegen  der  folgende  König,  Thersippos,  regiert  bei  Eusebios  äu- 
fserst  lange,  41  Jahre  (Syncell.  40).  Ziehen  wir  nun  vom  Anfange 
dieser  Regierung  des  Thersippos  für  seinen  Vorgänger,  den  Archip- 
pos, so  viel  Jahre  ab,  dafs  dieser  nach  dem  Willen  jener  für  ihren 
Ansatz  so  hartnäckig  kämpfenden  35  Jahre  bekommt,  und  behalten 
wir  dabei  seinen  Regierungsanfang  in  dem  Jahre  des  Eusebios  und 
Hieronymus ,  1004  Abr.,  so  treffen  wir  mit  seinem  letzten  Jahre,  dem 
35sten,  in  1038  Abr.  Dies  Jahr  ist  das  Jahr  978  v.  Chr.  Wir  erin- 
nern uns,  dafs  nach  dem  chiischen  Stammbaum  Homer  auf  Chios  983 
V.  Chr.  geboren  war,  und  begreifen  jetzt  den  guten  Grund,  weshalb 
jene  Leute  ihren  Ansatz  so  hartnäckig  verfochten:  sie  hatten  den  chii- 
schen Stammbaum  hinter  sich. 

Dafs  sie  den  Homer  unter  Archippos  setzten,  Eulhymenes  aber 
und  Archemachos  unter  dessen  Vater  Akastos,  der  Unterschied  thut 
nichts  zur  Sache.  Wir  haben  diesen  Augenblick  erst  gesehu,  wie  co- 
lossal  man  bei  der  Berechnung  der  Regierungszeit  der  einzelnen  athe- 
nischen Könige  voneinander  abwich.  Gleicherweise  ist  es  unwesent- 
lich, dafs  Euthymenes  und  Archemachos  den  Hesiod  für  einen  Alters- 
genofsen  Homers  erklären,  diese  hier  aber  für  älter.  Ueber  Hesiod 
haben  weder  diese  noch  jene  eine  Tradition  gehabt,  sondern  nur  aus 
den  Gedichten  so  ihre  Meinung.  Es  ist  deutlich,  dafs  im  chiischen 
Stammbaum  Homers  weder  Hesiod  noch  der  mit  Homer  gleichzeitige 
athenische  König  Platz  hatten.    Ueber  beide  mochte   jeder  Forscher 


392  Lauer :  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

seine  Meinung  den  aus  jenem  Stammbaum  für  Homer  geschöpften  sechs 
YEveKig  rrrr  200  J.  p.  Tt.  c.  uach  Belieben  hinzufüg-en. 

Und  nun  der  ebenfalls  von  unserni  Triumvirate  gelehrter  Forscher 
übergangene  hübsche  Ansatz  aus  vita  G  26,  welchen  Lauer  übergeht 
trotzdem  er,  mirabile  dictu,  S.  122  Anm.  145  die  Worte  der  Stelle 
selbst  hat  abdrucken  lafsen.  Sie  setzen  den  Homer  mit  einem  unbe- 
stimmten yiyovs  in  57  a.  Ol.  1.  Das  sind  nach  Eratosthenes  350  Jahre 
p.  Tr.  captam,  also  360  Jahre  oder  6  JfuxAot  zu  60  J.  p.  Tr.  obsideri 
coeptam.  Dieser  Ansatz  hat  also  viel  Aehnlichkeit  mit  dem  des  Sosi- 
bios,  welcher  auch  gerade  vom  Beginne  des  troischen  Kriegs  5  Ky- 
klen  bis  auf  Homer  rechnet.  Und  in  der  That  kann  unser  Ansatz 
schwerlich  für  etwas  anderes  gelten  als  für  eine  Variante  zu  Sosibios. 
Er  hat  ebenfalls  die  Zusammenkunft  Homers  und  Lykurgs  vor  Augen, 
welcher  letztere  bekanntlich  durch  eine  Reihe  von  Zeugnissen,  unter 
andern  durch  das  des  Thukydides  in  diese  Zeiten  nahe  vor  Ol.  1  her- 
abgerückt wird.  Ich  verbinde  mit  unserm  Ansätze  das  Datum  Lykurgs 
bei  Eusebios  im  Kanon,  welches  seine  Gesetzgebung  45  Jahre  vor 
Ol.  1  ansetzt;  dabei  verfliefsen  von  der  Zusammenkunft  mit  Homer 
bis  zur  Gesetzgebung  gerade  12  Jahre  oder  3  Olympiaden.  Beide  Er- 
eignisse treffen  in  das  Jahr  vor  einer  olympischen  Feslfeier,  so  dafs 
man  sich  sowohl  die  Gesetze  als  die  Gedichte  in  dem  auf  ihre  Ein- 
führung zu  Sparta  folgenden  Jahre  bei  den  olympischen  Spielen  vor 
dem  versammelten  Hellas  publiciert  denken  kann.  Zwischen  dem 
Jahre  aber,  in  welchem  die  homerischen  Gedichte  eingeführt  wurden, 
und  dem  Jahre,  in  welchem  Koroibos  siegte,  liegen  14  :::=  2  X  7 
volle  Olympiaden,  und  ebenso  zwischen  Lykurgs  Gesetzen  und  Ol.  1 
volle  11  r=  7  +4  Olympiaden.  Und  wenn  man  nun  bedenkt,  dafs 
ja  schon  in  uralter  Zeit  die  olympischen  Spiele  eingesetzt  sein  sollen, 
und  dafs  die  Kyklen  zu  60  Jahren  sich  in  ganze  Olympiaden  auflösen, 
dafs  man  also  bei  unserm  Ansätze  auch  noch  sagen  kann,  von  dem 
Beginne  des  Feldzugs  gegen  Hios  verfliefsen  bis  auf  die  Uebergabe 
der  homerischen  Gedichte  90  Olympiaden  und  bis  auf  die  Einführung 
der  lykurgischen  Gesetze  93  Olympiaden;  da  zeigt  dieser  Ansatz  auf 
allen  Seiten  einen  Grad  von  Abrundung  und  Ebenmafs  und  zugleich 
von  Genauigkeit,  wie  sonst  kein  einziger.  Wahrhaftig,  es  ist  eine 
hübsche  Conjectur,  dieser  Ansatz,  und  ich  möchte  ihm  wohl  folgen, 
wenn  ich  nicht  lieber  doch  dem  Lakonen  Sosibios  folgte  und  der  un- 
verfälschten lakonischen  Chronologie. 

Betrachten  wir  nun  das  Datum,  welches  die  vita  G  dem  so  eben 
analysierten  folgen  läfst,  das  des  Porphyrios,  132  Jahre  vor  Ol.  1.  Die 
erste  Olympiade,  Avird  hinzugefügt,  fällt  407  Jahre  später  als  die  Er- 
oberung Troias,  Homers  Geburt  (zeri'i&aL'Oixijooi')  nach  Porphyrios 
275  Jahre  später  als  diese  Eroberung.  Diese  275  Jahre  nun,  meint 
Lauer  unter  Nr.  13,  liefsen  sich  vielleicht  als  Resultat  einer  Rechnung 
von  4  Kyklen  zu  63  J.  nebst  der  Differenz  24  fafsen.  Das  erscheint 
sehr  bedenklich.  Vier  Kyklen  zu  63  +  24  sind  276  Jahre,  nicht  275. 
Es  fehlt  uns  allerdings  nur  ein  Jahr  an  der  zu   den  Kyklen  nöthigen 


Lauer:  Geschichte  der  iiomcrischen  Poesie.  393 

Zahl,  aber  der  ganze  \^'e^th  solcher  Reduclionen  beruht  ja  in  dem 
g-cnauen  Aufgchii  der  licchming  I  Wer  daran  niclit  streng  fesllialt,  der 
ülTnet  der  ^^'illkiir  Thür  und  Tlior.  >\ir  Iiaben  l)is  jetzt  noch  nielit 
eine  einzige  '  Ungenauigkeit'  der  Art  angenoniincn ,  und  wollen  nun 
am  wenigsten  bei  dem  verständigen  Porphyrios  eine  solche  annelimen. 
Von  Troias  Fall  bis  auf  Homers  Geburt  rechnet  er  275  Jahre,  J32  von 
Homers  Geburt  bis  auf  Ol.  1,  von  Troias  Fall  bis  Ol.  1  ausdrücklich 
407  Jahre.  Das  stimmt  aufs  Haar,  und  das  Jahr  für  Troias  Fall  ist 
gerade  das  des  Eratoslhencs.  An  eine  Abrundung,  wie  wir  sie  bei 
einem  andern  Ansätze  trafen,  ist  bei  einer  so  genau  quadrierenden 
und  von  zwei  Seiten  her  bestimmten  liechnung  von  vorn  herein  nicht 
zu  denken;  und  was  hätten  wir  hier  für  eine  sonderbare  Art  von  Ab- 
rundung ? 

Und  was  fangen  wir  denn  mit  dem  Ansalze  an?  Ich  denke,  wir 
achten  wieder  auf  die  Form,  unter  der  er  auftritt.  Porphyrios  geht, 
worüber  man  die  von  Lauer  nicht  citierte  vita  des  Hesiodos  bei  Suidas 
vergleichen  mag,  nicht  von  dem  Datum  für  Troias  Fall  aus,  sondern 
er  zählt  zunächst  von  Ol.  1  rückwärts  bis  zu  Homers  Geburt  132  J., 
und  legt  diesen  Abstand  seiner  ganzen  Rechnung  zum  Grunde.  Also 
132  Jahre !  Das  erinnert  ja  an  den  Ansatz  der  vita  A,  wo  drei  volle 
Geschlechter  und  vom  vierten  30  Jahre  addiert  waren.  Gerade  vor 
Ol.  1  noch  132  Jahre!  Wir  sind  fertig.  Porphyrios  Angabe  beruht 
auf  einem  Stammbaum  ,  welcher  den  Homer  in  der  dritten  Generation 
vor  einem  Manne  zeigte,  dessen  aK^yj  man  gerade  in  Ol.  1  setzen  zu 
niüfsen  glaubte ,  og  ti'/.^ay.ivaL  iq^eqexo  Kcaa  xi]v  a  Okv^niaöa.  Die 
3  yevecd  vor  ihm  sind  iOO  Jahre;  von  seiner  eignen  yEV£i]=  SSVs  Jah- 
ren musfe  das  Jahr  abgezogen  werden,  in  welchem  Koroibos  siegte; 
dann  blieben  von  dieser  ysyerj  vor  Ol.  1  noch  32%  Jahr,  in  Summa 
ergaben  sich  aber  von  Ol.  1  bis  auf  Homers  Geburt  132V3  Jahre.  Aus 
diesem  Ansätze  muste  natürlich  das  y^  Jahr  wegfallen.  In  ein  volles 
Jahr  dasselbe  zu  verwandeln  und  133  J.  zu  setzen,  gieng  nicht,  weil 
dann  das  charakteristische  des  Ansatzes  verwischt  wäre,  und  andere 
in  den  133  Jahren  vier  volle  yEveai  gesehn  hätten,  ohne  von  der  Be- 
ziehung auf  die  olympischen  Spiele  etwas  zu  ahnen. 

Wohin  der  Stammbaum  gehöre,  welcher  der  Rechnung  zum  Grunde 
liegt,  kann  nicht  zweifelhaft  sein:  es  ist  der  kolophonische  Stamm- 
baum. Die  einzigen  Orte,  an  welche  man  sonst  noch  denken  könnte, 
Chios  und  Samos ,  musten  wir  schon  vorwegnehmen.  Zwischen  diesen 
beiden  Orten,  Samos  und  Chios,  steht  offenbar  Kolophon  mit  seinen 
Ansprüchen  auf  Homer  ,  wenn  man  die  Ansprüche  der  einzelnen  Orte 
gegeneinander  abwägt;  und  gerade  so  sieht  das  Datum  132  vor  Ol.  l 
:=  908  V.  Chr.  zwischen  dem  für  Chios  und  dem  für  Samos  gefunde- 
nen, 983  und  88i  v.  Chr.  Auch  die  Art  der  Berechnung,  die  Beziehung 
auf  die  olympischen  Spiele,  passt  besonders  gut  für  Kolophon:  denn 
unter  den  loniern  Asiens  waren  bekanntlich  vor  allem  die  Kolopho- 
nier  rüstige  Kämpfer  in  Olympia  und  zählten  mehrere  Olympioniken 
zu  ihren  Mitbürgern,  wie  denn  ja  auch  Xenophanes  so  sehr  gerade 

n.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Piied.  Bd.  LXVII.  Hfl.  4.  26 


394  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie, 

gegen  das  Wettkämpfen  in  Olympia  und  den  aus  ihm  erwachsenden 
Ruhm  eifert. 

Selbiger  Xenophanes  ist  es,  dem  wir  das  Datum  über  seinen 
Landsmann,  den  liolophonisciien  Homer,  verdanken.  Wenigstens  ist 
es  gewis,  dals  er  auch  gegen  Homer  eiferte  und  überhaupt  in  seinen 
Gedichten  viel  von  ihm  sprach,  wovon  uns  noch  die  deutlichsten  Spu- 
ren übrig  sind,  wie  -l.  B.  der  berühmte  Vers  l't,  CLq'fJ\c,  v-^x^  "0(it]QOv 
ircel  ^s^ci&rina6t.  n^ureg;  ferner  dafs  er  über  die  KxißLg  von  Kolophon 
und  die  von  Elea  grofsc  erzahlende  Poesien  anfertigte;  ferner  dafs  er 
in  einer  Elegie  sein  Alter  und  die  Zeit  seiner  Studien  höchst  genau 
sogar  nach  Jahren  berechnete,  und  gleicherweise  nach  Jahren  irgend- 
wo das  Leben  des  Epimenides  (Diog.  Laert.),  ebenso  gut  also  auch 
Homers  Zeit  nach  Geschlechlern  oder  gar  selbst  schon  nach  Jahren 
berechnet  haben  kann  ;  ferner  dafs  nachweislich  Xenophanes  behaup- 
tete, Hesiod  sei  jünger  als  Homer;  ferner  dafs  Porphyrios  den  Xeno- 
phanes studierte;  endlich  dafs  Porpliyrios  nachweislich  mit  Xenopha- 
nes darin  übereinstimmt,  dafs  Hesiod  jünger  sei  als  Homer,  worüber 
man  für  Xenophanes  den  Gellius  III,  11  nachsehn  mag,  für  Porphyrios 
aber  die  schon  citierte  vita  Hesiodi  bei  Suidas. 

Es  liegt  scheinbar  sehr  nahe  zu  sagen,  Porpliyrios  habe  sein  Da- 
tum zunächst  oder  zugleich  auch  aus  Anlimachos.  Doch  steckt  hier 
eine  verborgene  Schwierigkeit,  die  gewis  jeder  sehn  wird,  der  sich 
um  die  Sache  kümmert.  Ich  glaube,  der  zu  gelehrte  Antimachos 
machte  eine  Combinalion,  welche  uns  erhalten  ist,  aber  nicht  unter 
Antimachos  Namen.  Für  einen  Kolophouier  aber  gab  er  dabei  den  Ho- 
mer doch  aus,  wie  überhaupt  alle  kolophouischen  Dichter  thaten.  Auch 
Hermesianax  that  es;  man  sehe  nur  nach  der  Stelle,  die  Homer  in  sei- 
nem Gedichte  einnimmt:  erst  kommen  drei  Ausländer,  Orpheus,  Mu- 
saios  ,  Hesiodos ;  dann  drei  Kolophouier,  Homer,  Mimnermos ,  Anti- 
machos; dann  wieder  Ausländer.  Nach  dem  Alter  ist  nur  innerhalb 
der  Gruppen  geordnet.  Auch  ist  die  evQsta  TtccvQlg  '0(Xi'j^ov  Vs.  32 
kaum  weniger  bezeichnend  als  bei  Antimachos  Vs.  45  die  cikqcx  Ko- 
locpcov. 

Dafs  die  Kolophouier  behaupteten,  Homer  sei  in  Kolophon  selbst 
auch  geboren,  kann  hiernach  jetzt  nicht  mehr  zweifelhaft  sein.  Nach 
den  frühern  Untersuchungen  aber  ist  es  gewis,  dafs  das  Datum  für 
Homers  Geburt  nach  kolophonischer  Rechnung  nichts  anderes  sei  als 
das  Datum  für  die  Stiftung  einer  homerischen  Dichterschule  in  Kolo- 
phon. Es  ist  zugleich  das  Datum  für  die  Vertreibung  der  lonier  aus 
Smyrna  durch  die  mitwohnenden  Aioler.  Denn  dafs  die  homerische 
Poesie  damals  nach  Kolophon  kam,  als  die  smyruaiischcn  lonier  sich 
nach  Kolophon  zurückzogen,  das  ist  aufser  aller  Frage. 

Das  bei  Lauer  unter  Nr.  14  folgende  Marmor  Parium  selzt  den 
Homer  in  907  v.  Chr.,  den  Fall  Troias  in  1209  v.  Chr.  Lauer  sieht 
hier  wieder  ungenaue  Zahlen ,  907  v.  Chr.  =  131  vor  Ol.  1  ungenau 
für  126  vor  Ol.  1  --=^  2  Kyklen  zu  63  vor  OL  1;  oder  auch  302  p.  'fr. 
ungenau  für  300  p.  Tr.  ==  5  Kyklen  zu  60  p.  Tr.    Aber  die  Zahlen  sind 


Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie.  395 

offenbar  nicht  ungenau,  sondern  die  UnErenauigkeit  steckt  nur  in  un- 
serm  scharfsinnigen  Lauer.  Wie  sollte  wohl  einer  statt  der  runden 
Zahl  300  die  Zahl  302  in  die  Kechnung  gei)raclit  haben  oder  131  statt 
126?  Vielmehr  ist  es  dcutlic'h,  dafs  hier  ursprünglich  jene  bei  Por- 
phyrios  von  uns  verworfene  Uechnung  zum  Grunde  liegt,  4  X  63  +  24 
^=  276  p.  Tr.  =  1183  —  276  =  907  v.  Chr.  Denn  dafs  das  Marmor 
einen  andern  Abstand  zwischen  Troia  und  Homer  hat,  beweist  nichts 
für  den,  welchem  das  Marmor  das  ihm  bequeme  Datum  Homers  ent- 
nahm, (ianz  analoges  fanden  wir  in  der  Stelle  des  Tatian,  wo  still- 
schweigend Sosibios  Ansatz  auf  eine  andere  troische  Aera  als  die  des 
Sosibios  reduciert  war. 

Ursprünglich  also  war  der  Ansatz  des  Marmor  mit  dem,  Avelchem 
Eratosthenes  und  ApoUodoros  folgen,  4  Kyklen  p.  Tr.  und  zwar  p. 
Tr.  1183  a.  Chr.  captam,  nur  dafs  hier  die  Kyklen  nicht  in  Sonnen-, 
sondern  in  Mondjahre  übersetzt  wurden,  also  nicht  240,  sondern  252 
Jahre  ausmachten,  so  dafs  also  Homer  nicht  in  943,  sondern  in  931 
traf.  Dies  Jahr  schien  einem  andern  für  Homer  passend,  der  aber  für 
den  troischen  Krieg  die  um  24  Jahre  ältere  Aera  annahm;  dieser  muste 
also  zu  den  4  Kyklen,  damit  sie  in  931  v.  Chr.  träfen,  24  Jahre  ad- 
dieren, und  nun  lautete  der  Ansatz  nicht  mehr  252  p.  Tr.,  sondern  276 
p.  Tr.  Diese  Form  des  Ansatzes ,  bei  der  p.  Tr.  die  1207  v.  Chr.  er- 
folgte Einnahme  Troias  bedeutet,  misverstand  wie  soviel  anderes  der 
Auetor  des  Marmor  und  zählte  die  276  Jahre  von  der  1183  v.  Chr.  er- 
folgten Einnahme  der  Stadt,  traf  also  mit  Homer  in  907  v.  Chr.  Für 
den  troischen  Krieg  selbst  glaubt  das  Marmor  einer  ganz  andern  Rech- 
nung folgen  zu  müfse.i. 

Ganz  denselben  Irthum,  der  hier  dem  Marmor  nachgewiesen  ist, 
musten  wir  dem  verständigen  Porphyrios  aufbürden ,  w  enn  w  ir  seinen 
Ansatz  mit  Lauer  in  4  X  63  +  24  auilösten ,  und  uns  nicht  vielmehr 
durchaus  auf  das  eine  Jahr  steiften,  welches  bei  ihm  an  der  Zahl  der 
Kyklen  fehlte. 

Vellejus  sagt  I,  5  vom  Homer  Hie  longhis  a  temporihus  heilig 
quod  compüsuit ,  Troici  quam  quidam  rentur  afuit:  nam  ferme  ante 
annos  nongentos  quinquaginta  floruit^  intra  mille  natus  est.  'Dar- 
nach also,  weil  jene  Worte  30  n.  Chr.  geschrieben  sind',  sagt  Lauer 
unter  Nr.  11  'würde  Homers  Blüte  etwa  920  v.  Chr.  fallen  d.  h. ,  zu- 
folge der  von  Vellejus  angenommenen  Zerstörung  Troias  im  J.  1190, 
neun  Menschenalter  nach  diesem  Ereignis.'  Hier  scheint  Lauer  sich  zu 
verrechnen.  Neun  ytveai  sind  300  Jahre,  also  das  neunte  31enschen- 
alter  nach  1190  endet  erst  890,  nicht  um  920.  Aber  vielleicht  beflei- 
fsigt  sich  Lauer  hier  ausnahmsweise  der  antiken  Redeart,  zählt  den 
terminus  mit  und  meint  eigentlich  8  ysysai.  Die  achte  nach  1190  endet 
924  V.  Chr.,  954  vor  Vellejus  Buche,  und  von  954  kann  allerdings  das 
ferme  950  als  Abrundung  gelten.  Lauer  begnügt  sich  jedoch  mit  die- 
ser Analyse  keineswegs.  Nachher  unter  Nr.  13  sagt  er,  den  Ansatz 
des  Vellejus  könne  man  vielleicht,  wie  den  des  Porphyrios,  als  Resul- 
tat einer  Rechnung  von  4  Kyklen  nebst  der  Differenz  24  fafsen,  so  dafs 

26* 


396  Lauer :  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

das  Jahr  914  v.  Chr.  als  das  cigeiilliclie  homerische  Jahr  des  Vellejiis 
erscheine.  Und  auch  das  Heise  sich  wohl  hören,  in  Bezug  auf  Velle- 
jus,  dem  man  den  Irthum  des  Marmor  Parium  wohl  zutrauen  könnte. 

Und  was  sollen  wir  denn  also  machen?  Welche  von  beiden  Lau- 
erschen  Analysen  ist  die  richtige? 

Ich  denke,  keine  von  beiden.  Bei  der  letztem,  wie  wollte  man 
die  genaue  Uebereinstimnuing  mit  dem  Marmor  Parium  in  jenem  Uech- 
Dungsfehler  erklären?  Durch  Zufall?  Oder  soll  Vellejus  dem  Marmor 
gefolgt  sein?  Und  bei  der  erstem  Analyse,  was  für  absonderliche 
Quellen  soll  denn  dieser  römische  Compendienschreiber  Vellejus  grofs 
benutzt  haben,  um  eine  ganz  eigenthümliche  Rechnung  nach  yevcaig 
zum  Vorschein  zu  bringen,  von  der  sonst  kein  Mensch  etwas  weifs  ? 

Vellejus  zählte  vielmehr  ganz  einfach  von  der  Zerstörung  Troias 
bis  auf  Homers  Geburt  4  Kykleu  zu  60  J.,  so  dafs  ihm  diese  in  1190 
— ■  (4  X  60)  :-^  950  V.  Chr.  oder  980  vor  seinem  Buche  traf,  Homers 
axju.rj  aber  in  917  v.  Chr.  oder  947  vor  seinem  Buche,  wofür  er  ab- 
rundend ferme  950  sagt. 

Vellejus  Ansatz  ist  also  lediglich  eine  Variante  zu  Eratosthenes 
und  Apollodoros.  Diese  rechneten,  wie  oben  gezeigt,  von  Troias  Fall 
bis  auf  Homers  ax^ai/  4  Kyklen,  Vellejus  bis  auf  Homers  Geburt. 

Ist  Vellejus  der  Urheber  dieser  Variante?  Scliwerlich.  Und  wem 
folgte  er?  Und  warum  machte  sein  Auetor  diese  Variante?  Vielleicht 
finden  wir  es  noch. 

Cornelius  Nepos  sagte  nach  Gellius  XVII,  21,  Homer  habe  circiter 
160  a.  u.  c.  gelebt,  also  um  750  +  160  =  910  v.  Chr.  Dies  Datum 
ist  nach  jener,  wie  ich  nachwies,  mit  Lauer  zu  ändernden  Stelle  im 
Eusebios  nicht  auf  die  Geburt  des  Homer  zu  beziehn:  Homenis  poeta 
in  Graecia  claruit,  ut  teslaiur  ApoUodorus  grammaiicus  et  Luplior- 
bus  historicus  ante  Olympiadem  primam  annis  124,  et,  uf  alt  Corne- 
lius Nepos,  ante  urhem  conditam  annis  160.  So  schreibt,  M'ie  wir 
sahen.  Lauer.  Wenn  er  das  nun  aber  thut ,  Avie  kann  er  da  unter 
Nr.  13  sagen:  '  Porphyrios  stimmt  ganz  mit  Nepos'?  Ich  selie  davon 
ab,  dafs  910  nicht  90S  ist,  denn  durch  das  circiter  des  Nepos  könnte 
eine  Abrundung  angedeutet  sein  ;  aber  Porphyrios  setzt  ja  gar  nicht 
Homers  Blüte,  sondern  mit  dem  bestimmtesten  Ausdruck  seine  Geburt 
in  908.  Wenn  ferner  Lauer  neben  denen  des  Porphyrios  und  Vellejus 
auch  die  runde  Zahl  des  Nepos  als  4  X  63  +  24  p.  Tr.  1183  a.  Chr. 
captam  auffafst,  so  müfsen  wir  für  Nepos  wieder  entschieden  prote- 
stieren, nicht  deshalb,  weil  1183  • —  (4  X  63  +  24)  =  907  ist,  nicht 
=^  910,  sondern  deshalb,  weil  bei  dieser  Analyse  ja  dem  Nepos  der 
Irthum  des  Marmor  Parium  zu  imputieren  wäre,  ein  Irthum,  dessen 
Nepos  eben  so  unfähig  war  wie  Porphyrios.  Wenn  endlich  Lauer  unter 
Nr.  12  meint,  dem  Nepos  lägen,  wie  es  scheine,  wie  dem  Vellejus, 
neun  Menschenalter  zwischen  Trojas  Fall  und  Homer,  so  ist  dagegen 
ungefähr  dasselbe  zu  sagen,  was  ich  bei  Vellejus  schon  dagegen  ge- 
sagt habe.  Welche  grausenhafte  ConfusionI  Es  wird  einem  dabei 
ordentlich  bange  um  das  eigne  bischen  gesunden  3Ienschenverstand. 


Lauer;  Gcscliiclile  «lor  liüincrisclicn  Poesie.  897 

Nepos  setzt,  wie  Vellcjus,  4  Kykleii  zu  60  .1.  zwisclien  Troias 
Fall  und  Homers  Gehurl;  da  er  aber  Troias  Fall  7  Jahre  später  an- 
setzt als  Vellejus,  in  1 1H3  v.  Chr.,  so  trilft  er  mit  Homers  Gehurl  niclil 
in  950,  sondern  in  943,  mit  Homers  «xft»;  also  gerade  in  das  von  ihm 
angegebene  Jahr  910. 

Dafs  Nepos  in  diesem  Jahr  der  axjit?^'  Homers  sich  dessen  Zusam- 
menkunft mit  Lykurg  denke,  wie  der  im  Eusebios  neben  Nepos  ge- 
stellte Apollodoros  in  900,  dem  76sten  Jahre  Homers,  das  ist  allerdings 
nicht  glaublich;  aber  die  eusebianische  Stelle  braucht  auch  gar  niciit 
so  verslanden  zu  werden  ,  als  lafse  sie  den  Nepos  diese  Zusammen- 
kunlt  in  dies  Jahr  setzen.  Uebcreinstimmung  zwischen  Nepos  und 
Apollodoros  wäre  ja  auch  dann  nicht  da,  wenn  wir  unter  dem  claruit 
für  beide  ganz  dasselbe  verständen,  denn  das  Jahr  ist  verschieden, 
mögen  wir  nun  mit  Lauer  ändern  oder  nicht.  Augenscheinlich  hat  die 
Stelle  weder  ApoUodors  noch  Nepos  Ansatz  in  ihren  Gründen  begrif- 
fen; dieser  meint  nur  Homers  «jc^iir/,  jener,  wie  ich  zeigte,  nur  den 
nach  dem  eigentlichen  Griechenlande  durch  Lykurg  verbreiteten  Ho- 
mer; die  eusebianische  Stelle  pfercht  beide  Ansätze  ohne  Kritik  zu- 
sammen, gerade  so  wie  Gellius  XVH,  21  die  Ansätze  des  Nepos  und 
Cassius,  oder  wie  Lauer  seine  sämmtlichen  .Ansätze. 

Dem  Nepos  folgte  Vellcjus  in  der  Berechnung  des  Abstandes  zwi- 
schen Troia  und  Homer,  auf  welchen  Abstand  er  nach  seinen  Worten 
allein  Gewicht  legt.  Troias  Fall  setzt  er  aber  7  Jahre  höher  als  Nepos; 
mithin  auch  Homers  ax^t];  und  deshalb  wählt  er  für  seine  ungefähre 
Bestimmung  der  ay.ixt]  nicht  wie  Nepos  das  Jahr 910,  sondern  das  seinem 
eigentlichen  homerischen  Jahre  917  näher  liegende  Jahr  920. 

Nepos  aber  folgte  dem  Apollodoros.  Er  hat  dasselbe  Jahr  f,ir 
Troias  Fall  wie  dieser,  1183,  und  zählt  wie  dieser  von  1183  herunter 
4  Kyklen  zu  60  Jahren,  so  dafs  er  mit  Homer  ebenfalls  in  943  IrilTt. 
Hier  erst  beginnt  die  Abweichung;  Nepos  setzt  nicht  Homers  axfi?^, 
sondern  seine  Geburt  in  943.    Warum  thut  er  das  ? 

Wir  haben  oben  gesehn,  wie  Apollodoros  sich  dreht  und  wendet, 
um  bei  seiner  Homer-Rechnung  die  Zusammenkunft  Homers  und  Ly- 
kurgs zu  ermöglichen.  Nicht  nur,  dafs  er  ganz  passend  den  Homer 
bei  dieser  Zusammenkunft  als  einen  sechsundsiebziger  hinstellt,  er  ver- 
legt auch  noch  die  Zusammenkunft  aus  der  Zeit  der  ETtirQOTcia  in  die 
Jugendjahre  Lykurgs  und  setzt  den  Lykurg  obendrein  noch  in  eine 
frühere  Zeit  als  der  Lakone  Sosibios.  Diese  Kunststücke  erschienen 
dem  ehrlichen  Römer  zu  künstlich;  der  machte  das  Ding  simpler.  Das 
Jahr  943  behielt  er,  aber  es  bezeichnete  ihm  Homers  Geburt. 

Das  iMoliv  des  Cornelius  scheint  Vellejus  nicht  begriffen  zu  haben. 
Wenigstens  schiebt  er  seinerseits  nun  auch  den  Lykurg  verhältnis- 
mäfsig  herab,  indem  er  dessen  Gesetzgebung  I,  6  in  840  v.  Chr.  stellt. 
Damit  gehn  doch  wohl  die  durch  Nepos  gewonnenen  Vortheile  ver- 
loren. 

Aerger  noch  macht  es  der  von  Fischer-Soelbeer  genannte ,  von 
Lauer  übergangene  Solinus  c.  40.    Er  folgt  offenbar  dem  Nepos,  setzt 


398  Lauer :  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

aber  in  das  von  diesem  angegebene  homerische  Jahr  nicht  Homers 
Leben,  wie  Nepos,  sondern  Homers  Tod.  Und  dabei  verrechnet  er 
sich  noch,  wie  auch  bei  der  Angabe  des  Abstandes  zwischen  Roms 
Gründung  und  Troias  Fall,  um  l  Jahr;  er  sagt,  Homer  sei  gestorben 
272  Jahre  p.  Tr. ;  das  wäre  911;  er  meint  910.  Nepos  scheint  nemlich 
nur  den  Abstand  Homers  von  der  Gründung  Roms  in  einer  Zahl  ange- 
geben zu  haben,  so  dafs  man  den  von  Trojas  Fall  ausrechnen  muste. 

Die  Notabilitäfen  aber  der  latinischen  Zunge  scheinen  durchaus 
und  vor  allem  an  der  Gleichzeitigkeit  Homers  und  Lykurgs   festgehal- 
ten und  ihr  alle  andern  Gründe  aufgeopfert  zu  haben:  ein  echt  römi- 
scher Zug.    So  eben  sahen  wir   den  Cornelius   Nepos,  vorhin  trafen 
wir  den  Cassius,  der  Homer  unter  Labotas  setzte,   das  vermeintliche 
Mündel  Lykurgs ,  jetzt  werden  wir  den  Cicero  begrüfsen.    Tusc.  V,  3 
Itaque  et  illos  Septem ,  qui  a  Graecis  6o(poly  sapientes  a  nostris  et  ha- 
bebantur  et  nominahantur  ^  et  multis  ante  saeculis  J.ycurgtim  ^  cuius 
temporibus  Homeriis  etiam  fuisse  ante  hanc  urbem  conditam  fradilur, 
et  /am  heroicis  aetatibus  Vlixem  et  Nesforem  accepimus  et  fuisse  et 
habitos  esse   sapientes.    Brut.  c.  10   Cuius  (seil.  Homeri)  etsi  incerta 
sunt  teinpora,  tarnen  annis  multis  fuit  ante  Romuhim:  siquidem  non 
infra  superiorem  Lycurffum  fuit,  a  quo  est  disciplina  Lacedaemonio- 
rtim  adstricta  legibus.    Also  Cicero  theilt  den  Lykurg,  wie  wir  oben 
bei  Sosibios  Ansatz  den  Timaios  thun  sahen,  in  zwei  Personen,  um  der 
altern  von  ihnen  die  Zusammenkunft  mit  Homer  zu  retten.  Und  in  welche 
Zeit  gehört  denn  der  Ltjcurgus  superior  des  Cicero?    Wir  erfahrenes 
de  republ.  II,  10  Nam  si .,  id  quod  Graecorum  investigatur  annalibus, 
Roma  condita  est  secundo  anno  Olympiadis  septimae,  in  id  saeculum 
Romuli  cecidit  aetas,    cum  iam  plena  Graecia  poetarum   et  musico- 
rum  esset.,  minorque  fabulis,  nisi  de  vetetibus  rebus,  haberetur  ßdes. 
Nam  centum  et  octo  annis  postquam  Lyctirgus  leges  scribere  instituit^ 
prima  posila  est  Olympias :  quam  quidam  nominis  error e  ab  eodem 
Lycuryo  constitulam  pulant.    Homerum  autem,  qui  minimum  dicmit., 
Lycurgi  aetati  triginta  annis  anteponunt  fere.     Ex  quo   intellegi  po- 
lest ,  permultis  annis  ante  Homerum  fuisse  quam  Romuhim.    Also  um 
eine  ysveiq  setzt  Cicero  den  Homer  älter  als  den   Lykurg ,  die  Zusam- 
menkunft aber  in  die  ccKfii^  Lykurgs,  etwa  um  884  v.  Chr.    Weit  jün- 
ger als  Homer  ist  Hesiodos.    Cato  maj.  c.  15  Quid  de  utililate  loquar 
st  er  cor  an  di?    Dixi  in  eo  libro ,  quem  de  rebus  rusticis  scripsi:  de 
qua  doctus  Hesiodus  ne  verhum  quidem  fecit,  cum  de  cultura  agri 
scriberet.    At  Homerüs  ,  qui  multis,  ut  tiiihi  videtur,   ante  saeculis 
fuit,  Laerlem,  lenienlem  desiderium,  quod  capiehat  e  filio ,  colentem 
agrum  et  eum  stercorantem  facit.     Sind   sie    nicht   lehrreich,    diese 
Stellen  des  Cicero?    De  quibus,  um  mit  seinen  Worten  gleich  fortzu- 
fahren ,  doctus  Lauerus  ne  verbum  quidem  fecit,  cum  de  historia  Ho- 
meri scriberet.    At  Fischerus-Soetbeerus ,  qui  multis,  ut  mihi  videtur, 
ante  saeculis  fuit,  Ciceronem ,  lenienlem  desiderium,  quod  ex  profe- 
rendis  in  medium  scriptorum   locis   capiehat,   colentem  Homerum  et 
eins  tempora  testantem  facit.  Leider  hat  Fischerus  aus  den  Stellen  nicht 


Lauer:  Gescliiclili;  der  liunierisclieii  Poesie.  399 

einen  eignen  Ansalz  milder  Aufschrift  'Cicero'  gebildet,  sondern  die 
eine  nur  bei  Hcsiodos,  die  andern  drei  beim  apollodorisohen  Ansalze 
Homers  abgehandeil,  zwei  von  iiinen  auch  in  dem  Abschnitt  über  Ly- 
kurg und  Ipliilos.  Der  böse  Fischerus  !  Das  sind  nun  die  Folgen  von 
solcher  Unordnung  I  Selbständig  forschende  llomeriker  erwähnen  nur 
das,  was  andere  schon  so  recht  deullich  als  etwas  besonderes  unter 
einer  besondern  Ueberschrift  hingestellt  haben;  mit  langem  Durchlesen 
halten  sie  sicli  nicht  auf,  am  wenigsten  der  eigentliche  homerische 
Matador,  was  man  so  den  'gelehrten  Gelehrten'  nennt;  der  hat  zu 
viel  bei  Monsieur  Paquelin  und  Jean  ßoivin  le  cadet  zu  thun,  als  dafs 
er  den  dummen  Cicero  berücksichtigen  könnte. 

Uebrigens  aber  hat  Fischerus  auch  nicht  etwa  alle  hierher  ge- 
hörigen Stellen  Ciceros.  Zwei  kann  ich  nachtragen:  de  nat.  deor. 
111,  5.    Tuscul.  I,  1. 

JSvv  ö  av&  OTtXotiQcov  avÖQCov  aQ-/d(ie&a.  Movöai:  wir  miiken 
zwei  jungen  Männern  zu  Leibe  gehn,  welche  Lauer  auch  nicht  erkannt 
und  daher  mit  Stillschweigen  übergangen  hat:  dem  kymaiischen  und 
dem  kretischen  Homer. 

Dem  kretischen  Homer?  Gibt  es  denn  einen  solchen?  Hat  nicht 
Welcker  S.  195  Anm.  300  gesagt,  der  knosische  Homer  bei  Suidas 
müfse  aus  den  Fabeln  von  Diktys  abstammen? 

^^'elcker  hülle  dabei  nur  auch  gleich  auseinandersetzen  sollen, 
A\arum  Thalelas,  der  berühmte  kretische  Dichter,  bei  Suidas  s.  v.  0«- 
ki^rag,  Eudokia  p.  231  ein  Vorgänger  des  Homer,  bei  Diog.  Laerl.  1, 
38  aber  ein  Zeilgenofse  desselben  genannt  wird.  Die  letztere  Stelle 
beruft  sich  nicht  auf  den  Diktys,  sondern  auf  den  Demetrios  Magnes 
iv  roig  o^covv[.iOLg,  in  welchem  Buche  nemlich  Thaletas  mit  Thaies  dem 
Milesier  und  noch  vier  andern  Thaies  abgehandelt  war. 

Aber  wie  kann  denn  Thaletas,  der  bekannte  Thaletas,  ein  Zeil- 
genofse oder  gar  alter  als  Homer  genannt  werden?  Thalelas  ist  ja 
keine  mythische  Person,  wir  sind  ja  von  ihm  aufs  genauste  unter- 
richtet, wir  wifsen,  dafs  seine  Thäligkeit  in  die  zweite  Hälfte  des  7ten 
Jahrhunderts  v.  Chr.  gehört.  Wie  kann  der  Mann  ein  Zeilgenofse  Ho- 
mers genannt  werden,  und  zwar  von  einem  Gelehrten  wie  Demetrios 
Magnes  ? 

Nicht  Homer,  sagen  wir,  ist  nach  der  Vorstellung  des  Demetrios 
oder  wenigstens  nach  dem  ursprünglichen  Sinn  dieser  Nachricht  in  der 
Zeitangabe  der  bestimmende,  sondern  Thaletas;  nicht  Thaletas  wird 
in  die  Zeit  etwa  jenes  alten  athenisch- smyrnaiischen  Homer  gesetzt, 
sondern  in  die  Zeit  des  Thaletas,  etwa  62j  v.  Chr.,  wird  Homer  ge- 
setzt, der  kretische  Homer,  d.  h.  die  Einführung  der  homerischen 
Poesie  in  Kreta. 

Nicht  als  ob  die  Kreter  vorher  von  Homer  gar  nichts  gewust,  von 
dem  Inhalt  seiner  Gedichte  keine  Ahnung  gehabt  hätten.  Schon  lange 
vor  jener  Zeit  mag  mancher  Kreier  den  homerischen  Rhapsoden  ge- 
lauscht haben  bei  der  Panegyris  auf  Delos  oder  in  den  ionischen 
Städten  Asiens  oder  in  Sparta ;  ja  es  hat  vielleicht  sogar  schon  man- 


400  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

eher  Rhapsode  in  kretischen  Städten  selbst  gesungen;  aber  zuerst  um 
625  etwa  kam  die  homerische  Poesie  in  die  Hände  von  eingebornen 
kretischen  Rhapsoden,  und  ward  mit  Glanz  und  officiell  gleichsam  in 
Kreta  wie  in  jenen  andern  Gegenden  Griechenlands  als  Staatspoesie 
eingeführt.  Und  der  Mann,  der  dies  durchsetzte,  das  war  Thaletas. 
Setzte  der  doch  auch  in  Sparta  die  zweite  Katastasis  durch!  Und  wird 
er  nicht  ausdrücklich  ein  homerischer  Rhapsode  genannt?  Oder  ist 
etwa  der  knosische  Rhapsode  Thaletas ,  den  Suidas  in  einem  zweiten 
Artikel  auf  jenen  berühmten  Lyriker  folgen  läfst,  nicht  der  nemliche 
wie  dieser? 

Ein  knosischer  Rhapsode?  Ist  denn  nicht  nach  dem  überwälti- 
genden Zeugnis  seines  Jüngern  Zeitgenofsen  Polymnastos  von  Kolo- 
phon  der  berühmte  Thaletas  ein  Gortynier? 

Ganz  recht.  Aber  als  Homeride  ist  er  ein  Knosier.  Beides  ver- 
trägt sich  sehr  wohl  miteinander.  Knosos  war  der  erste  Punkt  Kre- 
tas, wo  es  gelang,  der  homerischen  Poesie  in  der  angegebenen  Art 
einen  festen  Sitz  zu  bereiten.  Deshalb  heifst  bei  Suidas  der  kretische 
Homer  ja  auch  gerade  ein  Knosier. 

Knosos  ist  bei  Homer  die  Hauptstadt  Kretas,  die  grofse  Stadt 
Knosos  ,  l'v&a  xe  Mivcog  ivvecoQog  ßaalXevs  Jiog  jxsyaXov  oaQiari^g, 
Minos,  der  Vater  des  Deukalion,  des  Vaters  des  Idomeneus,  das  weite 
Knosos,  wo  einst  Daidalos  der  xor^AiTrAdxßfiog  ^AQiaövrj  einen  Tanzplatz 
machte,  Knosos,  welches  im  Katalog  zuerst  unter  allen  kretischen 
Orten  genannt  wird.  Ist  es  ein  Wunder,  dafs  hier  zuerst  Homer  auf 
Kreta  festen  Fufs  fafste? 

Die  eine  Nachricht  bei  Suidas  nennt  den  Thaletas  nicht  als  Zeit- 
genofsen Homers,  sondern  setzt  ihn  vor  Homer.  Auch  das  ist  wahr 
und  bezeiclinend,  insofern  Thaletas  allerdings  auch  früher  war  als 
der  kretische  Homer,  dessen  Geburt  Thaletas  sah. 

Demetrios  nennt  den  Homer  nicht  allein  als  Zeitgenofsen  des  Tha- 
letas, sondern  auch  des  Hesiod  und  des  Lykurg.  Darüber  braucht  es 
nach  den  vorangegangenen  Untersuchungen  nur  noch  die  Bemerkung, 
Lykurg  Averde  liier  nicht  allein  wegen  der  Ueberlieferung  von  seiner 
Zusammenkunft  mit  Homer  hinzugefügt ,  sondern  auch  wegen  der  an- 
dern Ueberlieferung  von  Lykurgs  Verkehr  mit  Kreta.  Diese  letztere 
Ueberlieferung  bewirkt  es  ja  auch,  dafs  in  andern  sagenhaften  Nach- 
richten Thaletas  allein  ohne  Homer  und  den  durch  diesen  bestimmten 
Hesiod  ein  Zeitgenofse  oder  Vorgänger  Lykurgs  genannt  wird.  Sie 
macht  es  auch  möglich,  dafs  es  bei  Dio  Chrysostomus  heifst,  Lykurg 
habe  die  Poesie  aus  Kreta  oderlonien  geholt,  II  p.  87  R.  inst 
TOI  'ÄCiL  (paGiv  avTOv  (seil,  tov  AvKovQyov)  £7T,cn,vix}]v  O^iqQOV  yevs- 
G&ai,  KciL  TCQ(oxov  (XTto  KQTqxi]g  rj  xr^g  ^Icoi'iag  no^Cöat  xtjv  tcoltjöcv  sig 
xriv  ElXaSa. 

Ueber  diese  Nachricht  bricht  Welcker  bei  einer  andern  Gelegen- 
heit S.  223  Anm.  343  in  Erstaunen  aus.  Er  ruft:  'aber  welche  Ver- 
wechslung!'   Lauer  läfst  schon  eher  mit  sich  reden.     Der  meint  ge- 


Lauer:  Geschiclite  der  homerischen  Poesie.  401 

leffcnllich  S.  227  Aiim.  133,  die  Nenmiri«,^  Kretas  sei  '^ein  grofses  aber 
erklärliclies  Versehen' 

Ja  wolil,  ja  wohl,  ein  Versehen  und  erkhirlich.  Nur  darf  man 
nicht,  wenn  man  es  erklären  will,  den  knosischen  Homer  mit  Lauer 
S.  85  für  eine  blofse  Conjectur  halten  oder  mit  Welcher  aus  den  Fa- 
beln von  Diklys  ableiten. 

Aus  den  Fabeln  von  Diktys !  Warum  hat  Welcher  nicht  wenig- 
stens lieber  gesagt ,  der  kretische  Homer  stamme  aus  der  kretischen 
Ausgabe  der  homerischen  Gedichte? 

Ich  erwähne  diese  Ausgabe  erst  jetzt,  weil  aus  ihr  ein  kreti- 
scher Homer  sich  allerdings  nicht  schliefsen  liefs.  Aber  jetzt  bekommt 
umgekehrt  durch  den  kretischen  Homer  die  kretische  Ausgabe  das 
rechte  Licht. 

Aber  ich  will  lieber  die  ganze  Betrachtung  der  editiones  zarcc 
Ttokstg,  dieses  so  höchst  interessanten  Gegenstandes,  einem  andern 
Orte  aufbehalten,  wo  ich  auf  sie  genauer  eingehn  kann,  als  es  hier 
möglich  sein  würde.  Verlafsen  wir  für  jetzt  das  Land  in  der  Mitte 
des  dunkeln  Meeres  und  stalten  wir  den  braven  Kymaiern,  den  Lieb- 
lingen Welckers  undLauers,  einen  kleinen  freundschaftlichen  Besuch  ab. 

Aus  Kyme  nach  Smyrna  kam  die  homerische  Poesie  nicht,  das 
haben  wir  gesehn.  Die  Gründe  der  Kymaier  sind,  so  wie  sie  Lauer 
selbst  darlegt,  reine  Sophistereien ,  die  kymaiisch-aiolischen  Genealo- 
gien sind  nicht  nur,  wie  alle  Forscher  übereinstimmend  sagen,  fin- 
giert, sondern  auch,  wie  wir  hinzufügen  dürfen,  ohne  reelles  Motiv. 
Dafs  auf  sie  nicht  das  mindeste  zu  geben  ist,  lehrt  schon  der  Umstand, 
dafs  es  eben  mehrere  sind,  nicht  einer,  und  läfst  sich  hier  mit  vollem 
Recht  das  anwenden,  was  Aristarch  von  einem  eingeschobenen  Verse 
sagt:  öij^siov  ös  trjg  ötaöKSvfjg  ro  %al  iveQcog  (piQE6&at  xov  6xliov. 
Hier  haben  wir  allermindestens  ein  halbes  Dutzend  kymaiisch  -  aioli- 
scher  Genealogien:  keine  einzige  ist  die  wahre. 

Dies  festgehalten,  erhebt  sich  die  andere  Frage,  wann  Homer 
aus  Smyrna  nach  Kyme  gekommen  sei? 

Der  pragmatisierenden  Darstellung  der  vita  A  ist  natürlich  in  Be- 
treff dieser  Zeit  nicht  zu  glauben.  Darüber  sind  alle  einig.  Aber 
vielleicht  glaubt  mancher  aus  dem  Welckerschen  Buch  etwas  zu  wifsen. 

Ganz  nahe  südöstlich  bei  Kyme  liegt  der  kleine  Ort  Neontei- 
chos,  eine  Art  Vorstadt  oder  Vormauer  von  Kyme  selbst,  von  den 
Kymaiern  erbaut.  Diesen  kleinen  Ort,  der  sich  in  Bezug  auf  Homer 
zu  Kyme  ungefähr  so  verhält,  wie  Bolissos  zur  Hauptstadt  von  Chios, 
hebt  Welcher  sehr  hervor,  indem  er  ihm  neben  den  grofsen  und  alt- 
berühmten homerischen  Städten  Milct,  Samos,  Chios,  los,  den  andern 
einen  eignen  Abschnitt  widmet,  und  zwar  den  ersten  nach  dem  über 
Homer  selbst. 

Seine  Untersuchung  stützt  sich  auf  zwei  Momente.  Erstens  dar- 
auf, dafs  Kallinos  schon  die  Thebais  ein  Gedicht  Homers  nenne;  zwei- 
tens darauf,  dafs  die  vita  A  erzählt,  die  Neonteichier  zeigten  noch  den 


402  Lauer:  Gescliichte  der  homerischen  Poesie. 

Platz,  wo  Homer  bei  ihnen  vortrug,  und  behaupteten,  bei  ihnen  habe 
er  die  'A^Kfia^eco  i'^slaaia  gedichtet,  welches  eben  die  Thebais  ist. 

Dies  sind  nun  aber  durchaus  schwankende  und  unzuverläfsige 
Dinge.  Diu  vita  A  hat  echte  Localsagen,  gewis;  aber  sie  hat  dazwi- 
schen auch  die  lächerlichsten  Fielionen  von  Menles  und  Mentor  und 
Phemiüs  und  Tychios  und  Homers  Aufenthalt  in  Ithaka  und  Gott  weifs 
wo  sonst;  und  der  Umstand,  dafs  Tychios,  der  angebliche  Freund 
Homers,  gerade  nach  Neonteichos  von  ihr  gesetzt  wird,  c.  9.  26, 
scheint  auch  ihre  andern  Angaben  über  diesen  Ort  stark  zu  verdäch- 
tigen. Keineswegs  zur  Empfehlung  gereicht  es  ihnen,  dafs  sonst  nur 
noch  ein  schlechtes  Scholioa  V  und  fast  wörtlich  mit  ihm  überein- 
stimmend der  von  Welcker  nicht  citierte  Eustathios  den  Homer  von 
Neonteichos  erwähnen,  und  noch  dazu  gerade  auch  eben  bei  Gele- 
genheit des  Tychios  H  220  f.,  von  dem  sie  die  alberne  Geschichte  der 
vita  wiederholen,  und  zwar  genau  in  demselben  Zusammenhange. 
Hierzu  kommt  nun  aber  noch,  dafs  es  ja  nach  Welckers  eigner  An- 
sicht (S.  37.  204)  auch  noch  eine  ganz  andere  Nachricht  gab,  nach  der 
die  Thebais  den  Arktinos  von  Milet  zum  Vcrfafser  hatte.  Diese  Nach- 
richt wirft  Welcker  weit  weg,  und  meint,  auf  keinen  Fall  verdiene 
sie  Aufmerksamkeit.  Ich  meine,  dafs  sie  die  allergrüfste  Aufmerk- 
samkeit verdient,  und  dafs  sich  hier  bei  ^yelcker  eine  unbewuste 
Angst  ausspricht,  es  könne  von  diesem  Punkt  aus,  von  Milet,  der 
altberühmlen  Hauptstadt  loniens,  eine  ionische  Widerlegung  der  aio- 
lischen  Ficfionen  ausgehn.  Ich  behaupte  ganz  entschieden,  dafs  die 
Thebais  ursprünglich  nach  Milet  gehört,  und  werde  darüber,  wie  ein 
milesischer  Dichter  zu  diesem  Stoffe  kam,  und  wie  die  andere  Nach- 
richt entstand,  dafs  die  Thebais  in  Neonteichos  gedichtet  sei,  an- 
derswo einen,  wie  ich  glaube,  überraschenden  Aufschlufs  geben. 
Hier  mufs  ich  mich  darauf  beschränken ,  den  blofsen  ivöraTixog  Mei- 
ler zu  spielen.  Als  solcher  habe  ich  ferner  noch  hervorzuheben ,  dafs 
ja  in  Neonteichos  nach  eben  den  angeblichen  Behauptungen  der  Neon- 
teichier  in  der  vita  A  Homer  nicht  allein  die  Thebais,  sondern  auch 
die  Hymnen  dichtete.  Es  ist  nemlich  einerseits  nicht  zu  leugnen,  dafs 
wenigstens  der  Hymnus  auf  den  delischen  ApoUon  der  eignen  Aussage 
des  Verfafsers  zufolge  nach  Chios  gehört,  dafs  wir  also  hier  ganz 
entschieden  die  Neonleichier  oder  die  vita  A  auf  einer  aiolischen 
Usurpation  altrapicren;  andrerseits  ,  wenn  dem  angeblichen  Homer  von 
Neonteichos  die  Hymnen  gehören,  dann  gehört  dieser  Homer  aller- 
höchstens  in  den  Anfang  des  7ten  Jahrhunderts  v.  Chr. 

Gehen  Mir  nun  zum  Kallinos,  aus  dessen  Zeugnis  manchem  viel- 
leicht ein  hohes  Alter  der  homerischen  Poesie  zu  Neonteichos  her- 
vorzugehn  scheint  für  den  Fall,  dafs  die  Thebais  ursprünglich  doch 
dorthin  gehöre  und  dafs  jenes  Zeugnis  -wirklich  vom  Kallinos  her- 
rühre. Auch  dies  kann  man  nemlich  bezweifeln,  da  der  Name  Kallinos 
überhaupt  erst  durch  eine  blofsc  Conjectur  in  den  Text  des  Pausanias 
gekommen  ist.  Ich  will  hierauf  für  jetzt  kein  GcMicht  legen,  obgleich 
sich  alles,  was  Welcker  an   Gründen  für  seinen  Kallinos  vorbringt. 


Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie.  403 

füglich  bekämpfe»  und  zum  Theil  ffegou  ihn  selbst  wenden  liefse.  Aber 
meinetwegen  mag  Kalliuos  gelesen  werden.  Dann  wifsen  wir  auch 
noch  nichts.  Wann  hat  denn  Kallinos  gelebt?  Darüber  gab  es  be- 
kanntlich keine  Ueberlieferung,  so  dafs  man  sogar  darüber  stritt,  ob 
er  oder  Archilochos  Kriinder  der  Elegie  sei,  und  auf  Vermutiiungen 
aus  einzelnen  Erwähnungen  der  Kimmcrier  in  den  Gedichten  beider 
beschränkt  war.  Angenommen  einmal,  dafs  die  Kimnierier  zu  Kallinos 
Zeil  nach  lonien  kamen,  wann  kamen  sie?  —  Unter  Ardys.  —  Gut, 
aber  w  ie  lange  regierte  der  ?  —  Von  678 — 62!)  v.  Chr.  —  Schön. 
^^'enn  sie  dann  etwa  635  v.  Chr.  kamen  und  Kallinos  damals  lebte, 
wie  ja  die  meisten  Forscher  und  unter  ihnen  Caesar  annehmen,  wio 
da?  Kann  da  nicht,  selbst  alles  zugegeben,  was  Welcher  irgend  will, 
der  Homer  von  Neonteichos  in  den  Anfang  etwa  des  7ten  Jahrb.  v. 
Chr.  geboren?  Sollte  mehr  als  ein  halbes  Jahrhundert,  sollten  zwei 
volle  Generationen  damals  nicht  genügt  haben,  um  einer  vortrcfllichen 
und  in  homerischem  Stile  uutadelhaft  durchgeführten  Dichtung  den  Uuf 
eines  Werkes  vom  Homer  zu  schaffen? 

Ich  glaube  gezeigt  zu  haben,  dafs  wir  über  die  Zeit  des  kymaii- 
schen  Homer  nichts  wifsen.  Wir  werden  aber  sogleich  etwas  erfah- 
ren. Denn  allerdings  ist  ein  fesler  Anhaltspunkt  da,  von  dem  aus  man 
zur  Kenntnis  gelangen  kann. 

Die  vita  A  nicht  allein,  sondern  auch  die  vita  H  c.  15  erzählen, 
Homer  habe  dem  König  Midas  von  Phrygien  eine  Grabschrift  gemacht, 
die  Grabschrift,  welche  Plato  und  andere  eitleren  und  die  wir  noch  ha- 
ben. Die  streng  aiolisch  gesinnte  vita  A  beruft  sich  dabei  auf  die  Aus- 
sage der  Kymaier,  Homer  sei  nach  Kyme  gekommen  und  habe  dort  un- 
niitlelbar  nach  seiner  Ankunft  dem  König  Midas  von  Phrygien  die 
Grabschrift  gemacht,  c.  LI.  Dafs  diese  Angabe  der  vita  wirklich  auf 
den  Sagen  der  Kymaier  ruht,  und  dafs  wir  es  hier  wirklich  mit  dem 
kymaiischen  Homer  zu  thun  haben,  kann  nicht  zweifelhaft  sein,  weil 
eine  Menge  von  Bestätigungen  sich  finden,  wie  man  sogleich  sehn 
wird.  Ebenso  sicher  ist  die  Sache  in  Betreff  des  Königs  Midas.  Jener 
uralte  Midas  kann  schon  deshalb  nicht  gemeint  sein,  weil  sonst  ja  Ho- 
mer in  Zeilen  weit  vor  dem  troischen  Kriege  hinaufgerückt  würde. 
Es  gab  aber  einen  andern  fast  eben  so  berühmten  König  Midas  von 
Phrygien,  eine  durchaus  historische  Person,  der  nach  Eusebios  Ol. 
10,  3  die  Begierung  antrat,  Ol.  21,  2  aber  ^rrz  694  v.  Chr.  starb.  Den 
griechischen  Chronographen  war  dieser  Midas  aus  mehreren  Ursachen 
merkwürdig.  Die  drei  wichtigsten  sind:  erstens  sandte  er  zuerst  unter 
den  Barbaren  Weihgeschenke  nach  Delphi,  Herod.  I,  14;  zweitens 
halte  er  eine  Griechin  zur  Frau,  die  Kymaierin  Hermodike,  HeracUd. 
pol.  Cumaeorum;  drittens  war  er  es,  dem  Homer  die  Grab- 
schrift machte,  der  kymaiische  Homer,  der  Landsmann  von  Midas 
Frau  Hermodike.  Weil  Homer  die  Grabschrift  machte,  deshalb  nannten 
die  Chronographen  diesen  König  nicht  blofs  bei  dem  Jahre  seines  fie- 
gierungsantritls,  wie  sonst  üblich,  sondern  auch  bei  dem  seines  Todes. 
Es  ist  kein  Irthum  möglich.    Die  Sache  erhält  eine  neue  Bestäti- 


404  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

giing  dadurch,  dafs  Terpaiider,  welcher  bekanullich  um  den  Anfang 
des  7ten  Jalirhiinderls  v.  Chr.  lebte,  von  seinem  Landsmann  HeManikos 
Zeifgenorsc  des  Midas  genannt  wurde,  und  ist  es  ein  reines  Misver- 
ständnis,  wenn  Clemens  Alex.  Strom.  1,21,131  diese  Nachricht  auf  jenen 
urallen  Midas  bezieht.  Und  wenn  nach  Diog.  Laert.  I,  89  einige  unser 
Epigramm  dem  Homer  absprachen,  weil  Homer  (nemlich  der  alte  alhe- 
nisch-smyrnaiische)  vi  el  älter  sei  als  Midas,  und  vielmehr  be- 
haupteten, Kleobulos  habe  es  gemacht,  was,  beiläufig  bemerkt,  Wel- 
cker  S.  416  sehr  gut  widerlegt,  so  ist  das  wieder  nichts  als  eine  Be- 
stätigung unserer  Ansicht.  Strabo  I  p.  61  erzählt,  3Iidas  sei  gestor- 
ben, als  die  Kimmerier  in  Phrygien  einen  Einfall  machten.  Dafs  hier 
unser  Midas  gemeint  sei,  erhellt  schon  daraus,  dafs  Strabo  ganz  die- 
selbe Todesart  angibt ,  wie  Ensebios ,  den  Tod  durch  Slierblul;  der 
Einfall  aber  der  Kimmerier  in  Phrygien,  wann  soll  er  geschehn  sein, 
wenn  nicht  um  694,  kurz  vor  Ardys,  unter  dem  die  Kimmerier  bis  lo- 
nien  kamen?  Alle  diese  Anführungen  stimmen  völlig  miteinander,  und 
gehn  unzweifelhaft  sämmllich  auf  unsern  Blidas,  den  Gemahl  der  Ky- 
maierin  Hermodike.  Diese  schlug,  sagt  Ilerakleides ,  den  Kymaiern 
zuerst  Geld;  Midas  aber,  sagt  Herodot,  weihte  zuerst  in  Delphi  Ge- 
schenke. Das  passt  beides  vortrefllich  zu  der  unantastbaren  Zeitangabe 
bei  Ensebios,  694  v.  Chr.,  und  zu  der  kymaiischen  Nachricht,  Homer 
habe  gleich  nach  seiner  Ankunft  in  Kyme  diesem  Midas  die  Grabschrift 
gemacht. 

Epiphanios  sagt,  einige  nennten  den  Homer  einen  Phryger.  Dies 
bezieht  \^'elcker  S.  146  darauf,  dafs  auch  Gryneion,  die  Vorstadt 
gleichsam  Kymes  nach  der  Nordscite  hin  ,  als  homerischer  Ort  ge- 
nannt wird.  Es  bezieht  sich  vielmehr  auf  das  Verhältnis,  in  dem  der 
kymaiische  Homer  zum  phrygischen  Königshause  stand;  deshalb  wird 
auch  in  der  Aufzählung  der  homerischen  Vaterländer  bei  Epiplianios 
neben  Phrygien  Kyme  nicht  genannt.  Der  kymaiische  Homer  ist  eben 
jener  phrygische. 

Wir  liiun  den  Kymaiern  kein  Unrecht,  ^^'ir  haben  jedem  home- 
rischen Orte  nach  seinen  eignen  Worten  gethan.  Wir  haben  den  Athe- 
nern geglaubt,  dafs  ihr  Homer  in  der  Zeit  der  ionischen  Wanderung 
blühte,  den  Chiern,  dafs  der  ihrige  um  983  v.  Chr.  geboren  ward,  so 
eben  noch  den  Kretern,  dafs  iiir  Homer  etwa  in  625  falle.  Ganz  auf 
dieselbe  Art  nehmen  wir  jetzt  die  Kymaier  beim  Wort,  und  glauben 
ihnen,  dafs  694,  wo  Midas  starb,  Homer  zu  ihnen  nach  Kyme  kam. 
Mit  dieser  kymaiischen  Behauptung  stimmt  alles  übrige;  sogar  alles 
das,  was  Welcker  will,  läfst  sich  mit  ihr  vereinigen;  denn  von  allen 
Seiten  zeigte  sich  innerhalb  der  Welckerschen  Argumentation  die  nahe 
liegende  Möglichkeit,  dafs  der  kymaiische  Homer  gerade  in  die  Zeit 
um  694  falle. 

Einigermafsen  ergötzlich  ist  es  aber,  dafs  die  Nichtigkeit  der 
kymaiischen  Homerprahlereien  gerade  auf  diese  Art  bei  uns  wieder 
an  den  Tag  kommt.  Die  Kymaier  waren  bekanntlich  schon  im  Alter- 
Ihum  berühmt  wegen  ihrer  ganz  besondern  Klugheit;  hier  verrathen 


Lauer:  Geschiclilc  der  homerischen  Poesie.  405 

sie  sich  nun  auf  eine  so  unj^eschickle  Art  und  gerade  durch  einen  Mi- 
das  !  An  ihren  Midasohren  lal'sen  sie  sich  hervorziehn  unter  der  ho- 
merischen Löwenhaut,  unter  der  sie  sogar  einen  Mann  wie  Wclcker 
täuschten. 

Nun  aber  noch  ein  paar  notliwcndige  Folgerungen.  Erstens,  die 
Aioler  in  Sniyrna  können  keinen  Anllieil  am  Besitz  der  homerischen 
Poesie  gehabi  liaben,  sondern  allein  in  den  Händen  des  ionischen  Theils 
der  Bevölkerung  ist  Homer  geblieben,  so  lange  Aioler  und  lonier  in 
Smyrna  zusammen  wohnten,  und  als  die  letzleren  vertrieben  wurden, 
gieng  der  ganze  Homer  mit  nach  Kolophon,  und  kam  erst  mit  den  lo- 
niern  wieder  nach  Smyrna.  \^'äre  es  anders,  so  würde  das  Auftreten 
Homers  in  Kyme  nicht  so  jung  sein,  nicht  um  350  Jahre  jünger  als 
sein  Auftreten  in  Smyrna,  sondern  die  aiolischen  Colonisten  in  Smyr- 
na hätten  ihrer  Mutterstadt  wahrlich  schon  lange  vorher  den  Homer 
mitgetheilt;  wenn  sie  ihn  nur  gehabt  hätten. 

Sie  hatten  ihn  aber  nicht,  und  gaben  nur  nachher,  als  sein  Buhni 
ganz  Griechenland  erfüllte  ,  aus  Eitelkeit  vor,  er  sei  der  ihre  gewe- 
sen; und  damit  fanden  sie  bei  vielen  Glauben,  weil  es  notorisch  war, 
dafs  sie  in  alter  Zeit  Smyrna  lange  besefsen,  und  weil  in  den  home- 
rischen Gedichten  scheinbare  und  wirkliche  Aiolismen  sind,  welche 
letzteren  nach  der  auch  von  allen  spätem  griechischen  Dichtern  be- 
folgten Sitte  Homer  aus  der  Rede  der  den  loniern  zugesellten  aioli- 
schen Völker  xara  7iot,}]ZLy.i]v  c4Qe()KeLav  ausgewählt  hatte. 

Zweitens:  Homer  kann  nicht  direct  von  Smyrna  nach  Kyme  ge- 
kommen sein,  sondern  mufs  seinen  Weg  über  irgend  einen  dritten 
homerischen  Ort  genommen  haben.  Oder  wäre  es  denkbar,  dafs  die 
ionischen  Smyrnaier,  welche,  wie  es  scheint,  nicht  lange  vor  Gyges 
Smyrna  wieder  genommen  hatten,  in  frischem  Hafs  gegen  die  eben 
vertriebenen  Aioler,  durch  welche  sie  so  lange  aus  dem  Besitz  ihrer 
Stadt  verdrängt  waren ,  diesen  zum  Dank  um  694  den  Homer  mit- 
theilten ? 

Der  Weg,  auf  dem  damals  die  homerische  Poesie  zu  den  Aiolern 
kam,  ist  mit  leichter  Mühe  aufzudecken.  Ich  behalte  mir  diese  Ent- 
hüllung für  eine  andere  Gelegenheit  vor,  wo  ich  auch  erklären  werde, 
warum  (bei  Suidas)  Terpander  Homers  Abkömmling  und  zwar  im  fünf- 
ten Gliede  heifst.  Diese  Genealogie  ist  sehr  gut.  Auf  den  Homer  von 
Kyme,  wie  Welcker  S.  152  annimmt,  bezieht  sie  sich  nicht,  auch 
sagt  das  Suidas  keineswegs.  Jetzt  aber  ist  es  wirklich  die  höchste 
Zeit,  dafs  wir  uns  um  Euphorion  und  Tbeopompos  bekümmern.  Sic 
sind  schon  sehr  ungeduldig. 

Tbeopompos  (in  der  Hauptstelle  bei  Clemens)  setzt  den  Homer  500 
J.  p.  Tr.,  Euphorion  (ibid.)  in  die  Zeit  des  Gyges.  Tatian  hat  beide 
Ansätze,  aber  ohne  Nennung  eines  Auetors  ;  Euphorion  und  Tbeopompos 
erscheinen  auch  in  seinem  Quellenverzeichnis  nicht. 

Lauer  identificiert  beide  Ansätze  unter  Nr.  17,  und  weiterhin  S. 
126  identificiert  er  mit  beiden  eine  dritte  Angabe,  Homer  habe  mit 
Archilochos  Ol.  23  gelebt. 


406  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

Es  ist  wahr,  dafs  schon  Tatian  so  verfährt,  aber  als  Beweis, 
dafs  die  Ansätze  auch  ursprünglich  identisch  waren,  kann  das  nicht 
gelten,  um  so  weniger,  als  die  ältesten  Zeugen,  Theoponipos  und  Eu- 
phorion,  nicht  so  verfahren,  sondern  jeder  nur  einen  Ansatz  geben, 
zu  denen  dann  bei  Tatian  der  dritte  ebenfalls  ohne  Nennung  einer 
Autorität  hinzukommt.  Ein  anderweitiger  Beweis  aber  dürfte  schwer 
zu  führen  sein. 

Die  Meinung,  Homer  sei  Zeitgenofse  des  Archilochos,  beruht 
offenbar,  wie  auch  Lauer  annimmt,  auf  dem  Umstände,  dafs  in  der 
Odyssee  am  Eingange  zum  Hades  ein  Volk  der  Kimmerier  erwähnt 
ist,  während  jenes  nordische  Volk,  welches  die  lonier  ebenfalls  Kim- 
merier nannten,  in  Gedichten  des  Archilochos  vorkam.  Diese  Kim- 
merier verheerten  lonien  und  erregten  einen  gewaltigen  Schreck, 
dessen  Erinnerung  sich  lange  erhielt.  Man  machte  den  Schlufs,  diese 
Leute  seien  die  Kimmerier  Homers,  und  Homer  habe  sie  '/Mtd  ri  kol- 
vov  rav'lcovcov  k'x&og  an  den  Hades  versetzt,  Strabo  III  p.  149.  Ja 
die  Chronographen  giengen  so  weit,  dafs  sie  den  grofsen  Einfall  der 
Kimmerier,  auf  welchem  diese  bis  in  lonien  vordrangen,  in  die  von 
ihnen  für  Homer  angenommene  Zeit  setzten,  Strabo  I  p.  20  f.  III  p. 
149.  Zugleich  ergab  sich  der  Schlufs,  Homer  sei  Zeitgenofse  des  eben- 
falls die  Kimmerier  erwähnenden  Archilochos,  um  so  leichter,  als  die 
Allen  beide  Dichter  gern  und  mit  Recht  zusammenstellten. 

Mit  diesem  Ansätze  ,  dem  dritten,  kann  nun  aber  ursprünglich  der 
zweite,  nach  welchem  Homer  Kata  rvyijv  lebte,  nicht  identisch  ge- 
wesen sein;  denn  die  Kimmerier  verheerten  lonien  nicht  als  Gyges, 
sondern  als  Ardys  in  Lydien  König  war,  Herod.  I,  15. 

Allerdings  wird  in  andern  Berechnungen,  wo  von  Archilochos 
allein  die  Rede  ist,  dieser  auch  wohl  einmal  -/Mta  rvyr]v  angesetzt, 
und  nun  kann  man  sagen  :  Homer  erwähnt  die  Kimmerier ,  Archilochos 
erwähnt  sie,  folglich  sind  beide  gleichzeitig;  Archilochos  lebt  nara 
rvyi]v^  Homer  ist  mit  Archilochos  gleichzeitig,  folglich  lebt  auch  Ho- 
mer YMxa  rvyi]v.  Solche  Doppelschlüfse  werden  aber  gewis  immer 
erst  spätere  in  gröfsern  Combinationen  machen,  nicht  der  einfache 
Sinn  derer,  welche  zuerst  ohne  Rücksicht  auf  die  Ueberlieferung  und 
die  Conjecturen  anderer  dergleichen  Betrachtungen  über  Gleichzeitig- 
keit anstellen.  Wer  zuerst  sagte,  Archilochos  und  Homer  müsten 
gleichzeitig  sein,  weil  sie  beide  der  Kimmerier  gedächten,  der  wird 
auch,  wenn  er  die  Zeit  nach  einem  lydischen  Könige  bestimmen  wollte, 
den  genannt  haben,  unter  welchem  die  Kimmerier  kamen,  den  Ardys. 

Also  der  Zusatz  der  23sten  Ol.  bei  der  Zeitbestimmung  avv  'Aq- 
liXox^  ist  erst  später  gemacht  worden,  um  diese  Bestimmung  mit  der 
r.aza  Fvy^jv  zu  idenlilicieren.  Gyges  starb  678,  die  23ste  Ol.  war  688 
—  685  v.  Chr. 

Ist  nun  dies  richtig,  so  kann  auch  der  erste  Ansatz,  500  p.  Tr., 
mit  dem  dritten,  övv  ^AQ'itl6%ui,  ursprünglich  nicht  identisch  sein. 
Denn  Ardys  beginnt  nm  678  zu    herschen,  das  öOOste  Jahr  aber  seit 


Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie.  407 

dein  Beginn  des  Iroischen  Kriegs  ist  693,  das  öOOste  seit  seinem  Ende 
ist  683. 

Ist  aber  die  Untersuchung  über  den  Ansatz  6vv  Aqidoia  falsch, 
inhaeriert  ihm  die  23ste  Olympiade,  dann  ist  er  gleichfalls  nicht  für 
identisch  mit  dem  der  500  Jahre  zu  halten.  Man  mag  die  500  Jahre 
vom  Beginn  oder  vom  Ende  des  troischen  Kriegs  zählen,  ihr  Schlufs 
Iriirt  nicht  in  Ol.  23  --  688  —  685.  Die  Annahme  der  Abrundung 
einer  andern  Zahl  zu  500  Jahren  ist  unstatliiaft,  weil  man  nicht  den 
mindeslen  Grund  sieht,  warum  denn  gerade  doch  die  23ste  Ol.  als  Er- 
klärung bleiben  muste,  warum  man  nicht  ebensogut  die  2iste  oder 
24ste  statt  ihrer  setzen  konnte.  Dafs  Theopompos  einer  andern  troischen 
Aera  gefolgt  sei,  welche  von  der  durch  Eratosthenes  vertretenen  um 
einige  Jahre  abwich,  diese  Bede  würde  als  leere  Ausihicht  erschei- 
nen, so  lange  sie  nicht  den  Beweis  einer  genau  so  abweichenden  Aera 
für  Theopompos  anderweitig  führte.  Denn  man  erinnere  sich,  dafs 
Theopompos  von  der  23slen  Ol.  und  von  Archilochos  gar  nieht  redet, 
sondern  nur  von  den  500  Jahren,  und  dafs  nur  Tatian  und  Lauer  beide 
Angaben  combinieren. 

Dagegen  mit  dem  zweiten  Ansatz,  %axa  Fvyrjv,  dem  des  Eupho- 
rion,  stimmt  der  erste,  der  des  Theopompos,  die  500  Jahre,  was  die 
nakte  Zeitbestimmung  betrifft.  Denn  die  500  Jahre  ,  mag  man  sie  vom 
Beginn  oder  vom  Ende  des  Kriegs  zählen,  gehn  unter  Gyges  aus.  Doch 
würde  man  liier  wieder  nicht  begreifen,  Meshalb  der  gelehrte  und 
verständige  Euphorien,  wenn  er  einmal  dem  Theopompos  folgen  wollte, 
auf  kindisclie  Art  den  Ausdruck  der  Ueberlieferung  änderte,  in  einem 
prosaischen  \A'erke,  über  die  Aleuaden. 

Ich  habe  die  drei  Ansätze  wieder  auseinandergebracht;  nun  gilt 
es  zu  zeigen,  wohin  der  erste,  die  500  Jahre,  und  der  zweite,  xata 
rvyrjv,  gehören;  denn  diese  ruhen  auf  Ueberlieferung;  der  dritte,  6vv 
^Aq%lX6%ü)^  ist  eine  biofse  Conjectur,  der  man  keinen  bestimmten  Ort 
anweisen  kann. 

Der  zweite,  Kaxa  rvyrjv,  ist  das  Datum  für  den  prokonnesischen 
Homer. 

Prokonnesos  ist  eine  milesische  Colonie  in  der  Propontis.  Von 
Prokonnesos  war  der  berühmte  und  berüchtigte  Aristeas ,  der  Ver- 
fafser  des  Arimaspenliedes.  Er  wird  von  Suidas  in  die  Zeit  des  Kroi- 
sos  und  Kyros  gesetzt,  wenn,  was  ich  nicht  glaube,  die  bei  Bern- 
hardy  im  Text  stehende  Zahl  richtig  ist,  in  Ol.  50  :=  580  ■ — •  577  v. 
Chr.  Jedesfalls  setzt  diese  Angabe  den  Aristeas  viel  zu  spät.  Hero- 
dot  macht  IV,  15  eine  andere  Angabe,  nach  der  Aristeas  später  als 
784  V.  Chr.  nicht  gelebt  haben  könnte.  Diese  Angabe  lehrt,  dafs  Ari- 
steas in  ziemlich  frühe  Zeit  falle;  genaueres  ist  aber  aus  ihr  nicht  zu 
entnehmen,  weil  Ilerodot  sie  nicht  aus  der  reinen  Ueberlieferung  eines 
einzigen  Ortes  hat,  sondern,  wie  er  selbst  sagt,  durch  Coinbination 
zweier  localer  Ueberlieferungen  gewann,  der  von  Jletapont  und  der 
von  Prokonnesos.  Dazu  kommt,  dafs  wir  durch  Strabo  wifsen,  die 
milesische  Colonie  habe  die  Insel  Prokonnesos  erst  zur  Zeit  des  Gyges 


Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

besetzt,  also  nach  716  vor  Chr.  Dafs  Aristeas  älter  sei  als  diese  mi- 
lesische  Colonie,  kann  man  nicht  annehmen,  erstens,  weil  es  gar 
nicht  das  Ansehn  hat,  als  sei  überhaupt  vor  der  milesischen  Colonie 
Prokonnesos  ordentlich  bewohnt  gewesen;  zweitens,  weil  Aristeas 
und  sein  Gedicht  bekanntlich  in  genauer  Beziehung  steht  zu  den  Han- 
delsniederlafsungen  im  Pontos,  welche  die  Milesier  gründeten,  drit- 
tens, weil  der  Name  Aristeas  mehrmals  in  Milet  wiederkehrt.  Aber 
in  die  älteste  Zeit  der  milesischen  Colonie,  in  die  Zeit  des  Gyges,  wer- 
den wir  den  Aristeas  setzen  müfsen,  wegen  Herodots  Zeugnis,  wegen 
der  Sagen,  die  sich  um  Aristeas  Person  bildeten,  wegen  seiner  Ver- 
bindung mit  Apollon,  unter  dessen  s])eciellem  Schutze  die  milesischen 
Colonien  gegründet  wurden,  und  endlich  wegen  der  sehr  bekannten, 
von  Lauer  jedoch  gar  nicht  berücksichtigten  und  S.  126  Anm.  158  nur 
eben  erwähnten  Tradition,  welche  den  Aristeas  Homers  Lehrer  nennt. 

Dafs  die  Prokonnesier  und  überhaupt  die  milesischen  Colonien 
an  der  Propontis  ihr  Alter  nach  Gyges  bestimmten,  ist  natürlich.  Denn 
die  ganze  Gegend  stand  unter  lydischer  Herschaft,  die  Lyder  halten 
mit  der  Mutterstadt  Milet  die  manigfachsten  Berührungen  im  guten  und 
bösen.  Gyges  selbst  führte  mit  3Iilet  Krieg,  Gyges  erlaubte,  Avie 
Strabo  erzählt,  den  Milesiern  Abydos  zu  gründen,  und  an  einer  an- 
dern Stelle  sagt  Strabo,  Prokonnesos  hätten  die  3Iilesier  gerade  zu 
derselben  Zeit  gegründet  wie  Abydos.  Daher  ward  denn  natürlich 
Aristeas  mit  seinem  Schüler  Homer  auch  xata  rvyr]v  angesetzt. 

Der  Ansatz  Theopomps,  500  J.  p.  Tr.,  ist  das  Datum  für  den  ky- 
prischen  Homer. 

Lauer  betrachtet  diese  500  Jahre  als  Ausdruck  von  8  Kyklen  zu 
63.  Aber  das  gibt  ja  504  .Tahre ,  nicht  500.  Offenbar  sind  diese  500 
Jahre  vielmehr  die  Uebersetzung  von  15  yevsaig.  Hierauf  führt  auch 
die  Art,  wie  Theopompos,  der  älteste  Zeuge  dieses  Ansatzes,  sich  aus- 
drückt. Er  sagt  nicht:  500  J.  (lerce  rriv  ^IXlov  uXcoölv ,  sondern  ju-£t« 
h'rr]  TtEvraKoGia  rcov  enl  IXta  Gr Qarsvöavrojv  ysyovivca  xov 
"OfifjQOv.  Also  ähnlich  wie  Herodot  gibt  er  kein  einzelnes  Ereignis 
als  Basis  der  Rechnung  an,  sondern  die  yEveyj  rcöv  inl  IXlm  GxQarev- 
6avrcüi'. 

Sind  nun  aber  demnach  in  den  500  Jahren  15  ysveai  zu  erkennen, 

so  haben  wir  auch  gar  keine  Wahl  mehr  in  Bezug  auf  den  Ort.    Denn 

aufser  Kypros  haben  wir  keinen  Ort  mehr  übrig,  an  dem  wir  uns  ein 

geschlofsenes  homerisches  yivog  mit  einem  Stammbaum  denken  kön- 

.  nen;  in  Kypros  aber  müfsen  wir  uns  ein  solches  denken. 

Dazu  zwingt  die  isolierte  Lage  der  Insel,  welche  ein  festes  Zu- 
sammenhalten der  dortigen  Homeriden  nothwendig  machte,  zwingt 
das  bedeutende  homerische  Gedicht,  welches  hierher  gehört,  zwingt 
der  Umstand,  dafs  sogar  noch  wir  die  Namen  der  Eltern  des  kypri- 
schen  Homer  wifsen,  zwingt  die  Sage  von  der  Verwandtschaft  des  Sta- 
sinos  und  Flomer,  zwingt  der  alte  kyprische  Dichter  Eukloos,  angeb- 
lich ein  Vorgänger  Homers,  mit  seiner  Prophezeiung  über  die  Um- 
stände bei  der  Geburt  desselben.    Die  Verse,  in  denen  er  vorherge- 


Lauer:  Gescliiclite  der  homerischen  Poesie.  409 

sagt  haben  sollte,  Homer  werde  auf  dem  Laude  bei  Salamis  geboren 
werden,  hat  uns  Pausauias  X,  24,  3  erhallen.  Ohne  Zweifel  gehörte 
Eukloos  nach  kyprischer  Sage  selbst  unter  Homers  Vorfahren.  Als 
sein  Vorgänger  wird  er  auch  X,  12,  6  und  X,  14,  3  vom  Pausanias  und 
vom  Tatian  c.  41  genannt. 

Den  Anknüpfungspunkt  für  die  Berechnung  der  Zeit  nach  dem 
Iroischen  Kriege  gab  den  Kypriern  ihr  König  Kinyras,  welcher  nach 
A  20  dem  Agamemnon  ein  i^uviiiov  sandte.  Ein  Beispiel  solcher  an- 
knüpfenden Berechnung  bietet  z.  B.  gleich  Tatian  c.  41  vlivog  filv  ya^ 
HfjanXeovs  f'<^^^  öiöccöncxkog,  o  ös  H^uK^jg  jxia  zcov  T^mlymv  n^oye- 
viöTSQog  nicptjvs  yevea '  rovro  Ös  (pavs^ov  ano  xov  naiöog  avrov  Tktj- 
TioXi^ov  OzQarsvöavrog  inl  "Ikiov.  Wendete  man  dies  z.  B.  auf  Cha- 
rax  fingierte  Genealogie  Homers  an,  in  der  ebenfalls  Linos  vorkommt, 
so  würde  nach  ihr  Homers  ysvs^  die  elfte  ^stu  tu  T^ootyM  sein,  in 
Zahlen  übersetzt,  er  wäre  333  p.  Tr.  geboren.  Das  will  freilich  Cha- 
rax  kymaiisch-aiolische  Genealogie  nicht,  denn  nach  ihr  soll  ja  Homer 
geboren  sein,  als  die  Aioler  nach  Smyrna  kamen,  um  1025  v.  Chr., 
nicht  um  850;  daraus  folgt  aber  weiter  nichts  als  dafs  diese  Genealo- 
gie eben  an  einem  Innern  Widerspruche  leidet  und  auch  dadurcii  sich 
als  fingiert  erweist.  Eben  solche  Widersprüche  liefsen  sich  bei  allen 
andern  kyinaiischen  Homer- Genealogien  nachweisen;  es  lohnt  nicht 
der  Mühe. 

Unsere  kyprische  Genealogie  bricht  sich  auf  solche  Art  nicht  den 
Hals  ;  ja  die  ist  aber  auch  echt.  Betrachten  wir  sie  etwas  aufmerksamer. 

Fünfhundert  Jahre  nach  der  yeverj  twj/  inl  'ZA/w  örQatsvaavtcov. 
Die  Könige  sind  ohne  Zweifel  gemeint.  Deren  yevei^  ist  beim  Beginn 
des  Krieges  zu  Ende.    Also  500  Jahre  nach  1193,  also  693. 

Ist  dies  das  Jahr  für  die  Geburt  oder  für  die  aKfitj  des  kypri- 
schen  Homer?  Theopomp  und  Tatian  sagen  ycyovhat,.  Daraus  läfst 
sich  nichts  schliefsen.  Wenn  man  aber  bedenkt,  dafs  Tatian  diesen 
Ansatz  mit  demjenigen  identiliciert,  welcher  den  Homer  avv  'Aq%iI(>x(o 
xara  xr\v  %y'  OA.  ansetzt,  und  ausdrücklich  hinzufügt,  damals  sei  die 
«xftjj  des  Archilochos  gewesen;  wenn  man  bedenkt,  dafs  Tatian  un- 
mittelbar vorher  bei  der  Zahl  des  Sosibios,  welche  ganz  entschieden 
nicht  auf  Homers  Geburt  geht,  auch  yeyovfVat  sagt,  sonst  aber  in  die- 
ser Uebersicht  dies  Wort  nicht  gebraucht,  also  für  die  Geburt  es 
sonst  nirgends  anwendet;  dafs  er  endlich  bei  sämmtlichen  noch  übri- 
gen Ansätzen  unzweifelhaft  ebenso  wie  bei  dem  des  Sosibios  die 
av.\iYi  angibt;  dafs  er  seine  ganze  Uebersicht  mit  der  Aufzählung  sämmt- 
licher  ihm  bekannter  Autoritäten  in  diesen  Worten  beginnt:  TitqX 
yc(Q  rijg  TioirjGscog  rov  OfirjQOV,  yivovg  rs  avrov  ymI  iqovov  y.a&  ov 
'i]ii(ia6ev,  nQorjQSvvrjöav  oi  ÖEiva:  da  wird  man  annehmen  müfsen, 
wenn  man  nicht  dem  Tatian  allen  Sinn  und  Verstand  absprechen  will, 
dafs  er  die  aKfir]  Homers  von  unserm  Ansätze  in  500  p.  Tr.  gesetzt 
sah,  nicht  die  Geburt,  und  dafs  er  nur  um  dem  zu  wiederholenden 
rfKlianivai  zu  entgehn,  bei  unserm  und  dem  vorhergehenden  Ansätze, 
den  beiden  letzten,   das  allgemeine  yeyovsvcci  wählte.     Also  Homers 

iV.  Jahrb.  f.  Phil.  II.  Paed.  ßd.  F.XVII.   Hft.  4.  27 


410  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

Geburt  setzte  unser  kyprischer  Stammbaum  in  726  v.  Chr.,  14  yevecii 
(nacli  unserer  Art  zu  reden)  p.  Tr.  Theopomp  und  Tatians  Auetor 
nahmen  die  an^iiq,  weil  sie  eine  runde  Zahl  haben  wollten,  500,  nicht  466. 

Ganz  vortrefflich  stimmt  diese  Zeitbestimmung  zu  dem,  was  wir 
über  den  Stasinos  und  die  RvTtqia  eTtr]  wifsen. 

Die  Werke  sämmtlicher  Kykliker  werden  von  den  Alten  Werke 
des  Homer  selbst  genannt,  mit  einer  Uebertreibung,  welche  niclit  un- 
passend das  Verhältnis  dieser  Gedichte  zu  den  homerischen  bezeich- 
net. Bei  zweien  dieser  Dichter  gieng  man  aber  ungleich  weiter ;  man 
setzte  sie  mit  Homer  in  persönliche  Berührung;  und  das  ist  niclit  mehr 
passende  Uebertreibung,  das  beruht  auf  der  Sage.  Diese  beiden  Dich- 
ter sind  bekanntlich  Arktinos  von  Milet  und  Stasinos  von  Kypros.  Sta- 
sinos heifst  sein  Schwiegersolin,  Arktinos  sein  Schüler.  Arktinos 
axjitjj  fällt,  wie  wir  sahen,  in  Ol.  1,  2  =  775  v.  Chr.,  nacli  ausdrück- 
licher, genauer  und  einziger  Ueberlieferung.  Ueber  Stasinos  Zeit 
gibt  es  keine  Angabe  der  Art.  Dal's  er  aber  um  ein  erkleckliches 
jünger  sei  als  Arktinos,  ist  von  neueren  mit  gewichtigen,  aus  der  Art 
und  Anschauungsweise  des  Gedichtes  entnommenen  Gründen  darge- 
than.  Diesen  kann  man  die  Bemerkung  hinzufügen,  dafs  es  weit  leich- 
ter sei  und  überhaupt  weit  näher  liege,  eine  Erzählung  fortzusetzen, 
wie  Arktinos  mit  der  Erzählung  der  llias  that,  als  einen  vorbereiten- 
den ersten  Theil  zu  machen,  wie  Stasinos.  Das  Gedicht  des  Stasinos 
also  fällt  um  ein  ziemliches  später  als  775  v.  Chr. 

Andrerseits  müfsen  die  Kvnqici  enfj  noch  vor  dem  Gedichte  des 
Lesches  publiciert  sein.  Denn  wie  sollte  wohl  dieser  zu  dem  misli- 
chen  Unternehmen  gekommen  sein ,  gerade  den  von  Arktinos  behan- 
delten Stoff  noch  einmal  zu  behandeln,  wenn  ihm  nicht  jener  andre, 
nach  Publication  der  Poesie  des  Arktinos  zunächst  liegende  Stoff,  die 
Einleitung  zur  llias,  von  einem  andern  schon  vorweggenommen  wäre  ? 
Nun  fällt  aber  Lesches  «Xjti^  wieder  nach  genauer  und  unzweifelhafter 
Ueberlieferung  in  Ol.  30,  3  =  658  v.  Chr. 

Also  zwischen  658  und  775  v.  Chr.  müfsen  die  Kvnqia  STttj  ge- 
dichtet sein ,  wahrscheinlich  an  775  nicht  so  nahe  wie  an  658. 

Fafsten  wir  nun  die  kyprische  Sage  vom  Homer  rein  historisch 
auf,  und  nähmen  wir  für  die  Zeit  der  Verheiratung  Homers,  seiner 
Tochter  und  des  Stasinos  die  gewöhnlichen  Durchschnittszahlen  ,  so 
würde,  da  das  Geburtsjahr  des  Homer  nach  dem  kyprischen  Stamm- 
baum in  726  fällt,  die  a%^rj  des  Stasinos  etwa  in  673  v.  Chr.  fallen, 
15  Jahre  vor  die  axjiit^  des  Lesches,  102  Jahre  nach  der  des  Arktinos. 

Gegen  dies  Ergebnis,  dächte  ich,  wäre  von  Seiten  des  Lesches 
so  wenig  wie  von  Seiten  des  ganzen  Entwicklungsganges  der  grie- 
chischen Poesie  irgend  etwas  einzuwenden.  Denn  dafs  Stasinos  mit 
Homer  in  persönliche  Berührung  gebracht  wird,  der  nur  um  15  Jahre 
jüngere  Lesches  aber  nicht,  läl'st  sich  befriedigend  aus  der  isolierten 
geographischen  Lage  und  poelisch  ungleich  selbständigem  Stellung 
von  Kypros  erklären. 

Und  doch  ist  noch  nicht  alles  in  der  gehörigen  Ordnung.    Es  ist 


Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie.  411 

in  der  kyprischen  Sage  selbst  noch  ein  Zug,  der  zu  einer  Modilication 
zwingt.  Die  Kvjiqia  t'-rctj  werden  nemlich  von  der  Sage  nicht  dem 
Stasinos  zugeschrieben,  sondern  dem  Homer  selbst,  welcher  sie  bei 
der  Heirat  des  Stasinos  mit  seiner  Tochter  dieser  als  Mitgift  schenkte. 
Dieser  Zug  hat  etwas  zu  bedeuten,  und  zwar  will  er  sagen,  dafs  die 
KvTtQici  k'itt)  etwas  früher  fallen,  als  wir  sie  so  eben  versuchsweise 
ansetzten,  nemlich  noch  in  die  ysvs'^  des  kyprischen  Homer  selbst. 

Dabei  mufs  man  sich  vor  allem  an  das  erinnern,  was  ich  von 
los  und  den  anderen  Orten  nachwies,  dafs  die  yevst'j  Homers  nach 
Hechnung  dieser  einzelnen  Orte  nichts  anderes  bedeute  als  die  erste 
Blütezeit  homerischer  Poesie  an  diesen  einzelnen  Orten.  Ganz  das- 
selbe gilt  natürlich  auch  für  Kypros.  Das  Datum  für  die  Geburt  des 
kyprischen  Homer  ist  lediglich  das  Datum  für  die  Stiftung  der  home- 
rischen Dichterschule  auf  Kypros.  Und  bald  nachher,  in  der  Zeit  um 
700  etwa,  dichtete  Stasinos,  der  bedeutendste  Dichter  dieser  Schule, 
sein  grofses  Gedicht.  Dieses  deutet  die  Sage  an,  indem  sie  die  Kv- 
TCQia  snrj  noch  dem  Homer  selbst  zuschreibt. 

Was  aber  den  Stammbaum  betrifft,  so  sah  dieser  den  Homer  als 
einen  Altersgenofsen  des  Stasinos  an,  so  dafs  ihre  yersi]  zusammen- 
liel ;  man  dachte  sich,  dafs  Homer  und  seine  Tochter  früh  heirateten, 
Stasinos  aber  spät,  etwa  um  das  45ste  oder  50ste  Lebensjahr. 

Wem  das  nicht  gleich  einleuchten  will,  der  bedenke  nur ,  dafs 
die  Stifter  der  kyprischen  Schule  selbst  unmöglich  den  Homer  als 
einen  Kyprier  und  ihren  Schwiegerpapa  in  den  Stammbaum  des  yiuog 
setzen  konnten ;  sondern  sie  stellten  nur  eben  die  wirkliche  Genealo- 
gie ihres  wirklichen  Hauptes  als  den  Stammbaum  des  yevog  auf.  In 
späteren  Geschlechtern  dann  erst,  vielleicht  um  660  v.  Chr.  etwa,  bil- 
dete sich  im  Volk  allmählich  die  Sage  vom  Kyprier  Homer.  Sie  setzte, 
nach  der  oben  erwiesenen  Art  dieser  Sagen,  seine  Geburt  in  die  Zeit, 
wo  auf  Kypros  in  Wirklichkeit  die  Pflege  der  homerischen  Poesie  be- 
gann. Die  Bestimmung  dieser  Zeit  haftete  im  Gedächtnis  der  Masse  an 
irgend  einem  grofsen  einzelnen  Ereignisse,  wie  in  Kyme  am  Tode 
des  Midas.  Nun  fiengen  die  Kvtvqi«  STirj  an  ein  Gedicht  Homers  zu 
heifsen,  weil  im  Volk  eine  Erinnerung  daran  geblieben  war,  dafs  sie 
nicht  allzu  lange  nach  dem  ersten  Aufti'eten  der  homerischen  Poesie 
auf  der  Insel  entstanden.  Andererseits  ward  Stasinos  Homers  Schwie- 
gersohn genannt,  um  das  Verhältnis  zu  bezeichnen,  in  dem  er  wirk- 
lich zur  homerischen  Poesie  stand.  Man  liefs  die  KxntQia  k'm]  ihm 
von  Homer  schenken,  um  die  üeberlieferung,  welche  sie  ein  Gedicht 
des  Stasinos  nannte,  mit  der  neu  entstandenen  Sage  zu  verbinden. 

Nun  waren  natürlich  die  derzeitigen  Glieder  des  yivog  durch  die 
vox  populi  gezwungen,  den  Homer  auch  im  schon  feststehenden 
Stammbaum  des  yivog  als  Kyprier  und  Schwiegervater  des  Stasinos 
unterzubringen.  Sie  thaten  das  in  ehrlichem  Glauben,  die  Hand  der 
Zeit  habe  seinen  Namen  nur  gelöscht,  sie  thaten  es  ohne  die  fest- 
stehende Genealogie  zu  ändern.    Und  schwer  war  das  nicht. 

Dafs  die  yeven'i  des  bedeutendsten  kyprischen  Dichters,  des  Stasi- 

27* 


412  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

nos,  auf  die  yevs'^  der  wirklichen  Stifter  dieser  Schule  folgte,  ist  von 
vorn  herein  das  wahrscheinlichste;  wir  müfsen  es  annehmen,  wenn 
wir  die  kyprische  Sage  rein  historisch  fafsen;  wir  müfsen  es  auch 
hier  annehmen.  St^sinos  Geburt  traf  also  ungefähr  mit  der  anfirj  der 
Stifter  und  mit  der  Stiftung  der  Schule  selbst  zusammen.  In  eben 
diese  Zeit  aber  setzte  die  neu  entstandene  Sage  gerade  auch  Homers 
Geburt  auf  Kypros,  und  so  ergab  sich  als  einfachster  Weg  der,  den 
Homer  im  Stammbaum  zum  Altersgenofsen  des  Stasinos  zu  machen. 

Die  14  ysveai  also,  um  welche  man  den  kyprischen  Homer  von 
der  ytverj  jenes  Königs  Kinyras,  des  Zeitgenofsen  vom  Agamemnon, 
entfernt  sein  liefs,  beruhn  demnach,  meine  ich,  ursprünglich  auf  Sta- 
sinos Genealogie.  Durch  diese  Annahme  kann  natürlich  der  Ansatz 
an  Glaubwürdigkeit  nur  gewinnen. 

Ganz  auf  die  nemliche  Art  verhält  es  sich  mit  den  homerischen 
Stammbäumen  der  anderen  Orte.  Homer  ward  natürlich  überall  erst 
da  hineingebracht,  als  sich  die  Homer-Sage  des  betreffenden  Orts  ge- 
bildet hatte.  Diese  setzte  überall,  wie  ich  nachwies,  die  Geburt  Ho- 
mers in  die  Zeit,  wo  an  dem  betreffenden  Orte  die  Pflege  der  homeri- 
schen Poesie  begann;  Homer  muste  also  überall  in  den  Stammbaum 
treten  als  Glied  der  Generation,  deren  Geburt  mit  der  Stiftung  der 
Schule  zusammentraf. 

So  weit  ist  es  überall  dasselbe;  Abweichungen  aber  zeigen  sich 
in  der  Art,  wie  die  bedeutenden  Dichter,  welche  die  Schule  wirklich 
hatte,  zu  Homer  gestellt  werden. 

Ganz  analog  der  kyprischen  Sage  ist  im  wesentlichen  der  Fall  mit 
Kreophylos  von  Samos,  dem  Homer  die  Ol%aUcig  aXioaig  geschenkt 
haben  sollte.  Kreophylos  gehört  der  ersten  Generation  nach  Stiftung 
der  Schule  an,  war  also  nach  samischer  Rechnung  Altersgenofse  Ho- 
mers. Nur  bei  dieser  AulTafsung  läfst  es  sich  begreifen,  wie  die  sa- 
mische  Sage  den  Kreophylos  bald  zum  Wirth  ,  bald  zum  Schwieger- 
sohn, bald  aber  auch  wieder  zum  Lehrer  Homers  machen  konnte.  Das 
war  alles  möglich,  weil  man  gewohnt  war,  Kreophylos  als  den  Alters- 
genofsen Homers  zu  denken;  von  dieser  Basis  gieng  die  Sage  nach 
allen  Seiten  in  allerlei  Einzelheiten  aus. 

Anders  als  mit  Kreophylos  und  Stasinos  verhält  es  sich  mit 
Aristeas  und  Arktinos.  Bei  diesen  begnügt  sich  die  Sage  mit  dem 
Verhältnisse  des  Lehrers  und  Schülers.  Dies  Verhältnis  glaube  ich 
bei  Arkfinos  richtig  so  aufgefafst  zu  haben  ,  als  w  erde  eine  gröfsere 
Entfernung  des  Arktinos  von  der  Stiftung  der  milesischen  Schule  an- 
gedeutet; ich  setzte  seine  Geburt  um  eine  yeve'ri  später  als  diese  Stif- 
tung. Was  Aristeas  betrilTt,  der  nicht  Homers  Schüler,  sondern  sein 
Lehrer  heifst,  so  haben  wir  oben  gesehn,  dafs  er  den  ältesten  Zeiten 
der  milesischen  Colonie  auf  Prokonnesos  angehört.  Er  war  ein  Zög- 
ling der  milesischen  Schule,  gieng  mit  der  Colonie  von  Milet  nach 
Prokonnesos  und  richtete  hier  eine  Art  Filial  der  milesischen  Schule 
ein.  Später  dann  erhielt  er  durch  die  Handelsverbindungen  zwischen 
Prokonnesos  und  den  milesischen  Orten  am  Pontos  einen  reichen  und 


Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie.  413 

wunderbaren  Stoff  ganz  neuer  Art,  durch  dessen  Bearbeitung  er  als 
Prokonnesier  berühmt  ward. 

So  gehörte  also  zu  Prokonnesos  gleich  dem  Stifter  der  Schule 
das  bedeutendste  Werk,  was  diese  hervorbrachte,  anders  als  in  Sa- 
mos  und  Kypros,  wo  erst  dem  auf  die  Stiftung  der  Schule  folgenden 
Geschlecht,  anders  als  in  Milet,  wo  gar  erst  dem  zweiten  Geschlecht 
nach  Stiftung  der  Schule  das  Hauptwerk  gehört.  Daher  das  besondere 
der  prokonnesischen  Sage,  dafs  Aristeas  nur  Homers  Lehrer  heilst, 
nicht  auch  Homers  Schüler,  Schwiegersohn,  Empfänger  des  Gedichts 
vom  Homer. 

Man  sieht,  die  Abweichungen  der  Sage  sind  nicht  gesetzlos.  Sie 
geben  ;^u  erkennen,  ob  der  Hauptdichter  der  Schule  mit  seiner  aKfirj 
in  die  Zeit  der  Stiftung  der  Schule,  oder  um  eine  oder  um  zwei  Gene- 
rationen später  fällt.  Danach  modiliciert  sich  die  Sage,  indem  sie  sich 
dem  Stammbaum  zur  Seite  hält. 

Ob  Theopomp  und  der  Auetor  des  Tatian  wüsten,  dafs  der  ky- 
priscbe  Stammbaum  ihrer  Homer-Kechnung  zum  Grunde  liege,  ist  un- 
entschieden; dafs  sie  es  nicht  wüsten,  sondern  den  Ansatz  aus  Kv- 
TfQiaKOig  ohne  Kenntnis  seines  Motivs  als  bequem  herüber  nahmen, 
ist  das  wahrscheinlichere.  Ich  sage  dies  deshalb,  damit,  wenn  jemals 
ein  Fragment  Theopomps  gefunden  würde,  welches  andere  Motive  des 
Ansatzes  aufstellte,  niemand  in  ihm  eine  Waffe  gegen  meine  Unter- 
suchung zu  besitzen  glaube.  Und  dies  gilt  für  alle  ähnlichen  Fälle. 
Meine  Motivierungen  haben  nicht  sowohl  die  Motive  späterer  im 
Auge,  welche  die  Ansätze  blofs  annehmen,  als  vielmehr  die  ursprüng- 
lichen. 

Gewicht  für  das  übrige  Griechenland  erhielt  die  kyprische  Rech- 
nung erst  dadurch,  dafs  sie  mit  der  prokonnesischen  und  mit  dem  ge- 
wis  sehr  beliebten  Ansätze  6vv  'AQ^doxa  so  ungefähr  stimmte.  Alle 
drei  Rechnungen  sahen  wir  bei  Tatian  vereint  und  identificiert.  In  die- 
ser Form  bekamen  sie  ein  solches  Gewicht,  dafs  Aristarch  sich  ver- 
anlafst  sah,  ihnen  insbesondere  entgegenzutreten.  Dies  erhellt  dar- 
aus, dafs  die  Darlegung  von  Aristarchs  eigner  Ansicht  (bei  Clemens) 
aus  seinem  Commentar  über  Archilochos  citiert  wird:  'ÄQCöxaQiog  ds 
iv  toig  ^ AqiiXo%eioig  vnoiivi^fiaat  Kaza  rr]v  Icoviy.rjv  anoiaiav  (prjOl 
(pEQeö^ca  avrov.  Dafs  aber  Aristarch  durch  die  in  den  Text  des  Ho- 
mer X  14  für  Kififie^lcov  aufgenommene  Lesart  KeQßeQirov  oder,  wie 
Buttmann  will ,  KsQßsQiav  der  Argumentation  der  Gegner  sollte  eine 
Stütze  entzogen  haben,  ist  nicht  glaublich.  Alt  ist  diese  Lesart,  So- 
phokles und  Aristophanes  der  Komiker  (Etym.  m.s,  t.  KijAfisoöovg)  lasen 
KegßsQifov,  nachher  Krates;  aber  dafs  Aristarch  Kii.if.i£Qi(ov  behielt, 
dafür  spricht  zunächst  die  Fafsung  gewisser  Notizen  in  der  Scholien- 
litteratur  und  sodann  vor  allem  der  Umstand,  dafs  Ki^niQiav  das 
richtige  ist.  Aristarch  wird  vielmehr  gegen  Krates  gezeigt  haben, 
dafs  der  Name  KL^^iqtoi  aus  dem  ältesten  Locale  dieser  Sage  stamme, 
aus  Epirus,  woselbst,  wie  uns  Strabo  VII,  ;v:4  zeigt,  der  Flufs  Ache- 
ron  und  der  acherusische  See  und  das  Vorgebirge  Xu^iqiov  beieinan- 


414  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

der  lagen ;  dafs  deshalb  auch  für  Kif.i(jieQi(ov  im  Homer  eine  dritte 
Lesart,  Xsiiitqmv ^  ihre  Berechtigung  habe;  dafs  es  aber  befser  sei 
lanag  zu  lesen  KifiiieQicov ,  TtQog  öiaörolriv  t(dv  xeifiSQLfov  •  '  ^'ftatt 
leifiEQUp  ore  t  6)Qero  (jn^riExa  Zavq  vetcpsiJLSv';  endlich  dafs  die  lonier 
aus  Homer  erst  den  Namen  der  Kimmerier  auf  jenes  nordische,  lo- 
nien  verwüstende  Volk  übertrugen,  welches  sich  selbst  gewis  ganz 
anders  nannte. 

Ob  Julius  Franz  Lauer  diese  Sächelchen  erörtert  habe;  geneigter 
Leser,  wolle  danach  nicht  forschen.  Folge  mir  lieber  zur  Betrach- 
tung der  Tabelle,  in  welcher  Lauer  S.  124  seine  sämmtlichen  Ansätze 
zusammenstellt. 

Dafs  diese  Tabelle  äufserst  unvollständig  und  unrichtig  sein 
müfse,  ist  aus  dem  bisher  entwickelten  klar.  Aber  ganz  abgesehn 
davon  ist  es  gewis  ein  neuer  ungeheurer  Fehler ,  dafs  Lauer  in  ihr 
nun  gänzlich  die  Rechnung  nach  yEveaig  fallen  läfst,  und  überhaupt 
nur  nach  nvnloig  rechnet.  In  der  Einleitung  stellte  er  beide  Rechnun- 
gen als  gleichberechtigt  der  Theorie  nach  nebeneinander.  Beim  Durch- 
gehn  der  einzelnen  Ansätze  sodann  erkannte  er  nirgends  die  Rech- 
nung nach  yEveatg^  wo  sie  wirklich  war,  dagegen  bei  ein  paar  An- 
sätzen, bei  denen  gerade  an  sie  nicht  zu  denken  ist,  liefs  er  sie  gel- 
ten. Das  war  freilich  ein  Stück  aus  der  verkehrten  X'S'elt;  aber  die 
Rechnung  nach  yeveaig  war  doch  noch  überhaupt  da;  hier  in  der  Ta- 
belle läfst  er  sie  ganz  fallen  und  vertilgt  damit  die  letzte  Spur  der 
Wahrheit.  Hat  er  denn  gar  keine  Ahnung  davon  gehabt,  dafs  die 
ganze  ältere  griechische  Geschichte  bis  auf  die  Perserkriege  hinab 
ursprünglich  auf  Stammbäumen  ruht?  Stammbäume  der  Geschlechter 
waren  die  sehr  sicheren  Anhaltspunkte  für  die  Sagen  wie  für  histori- 
sche Ueberlieferungen,  waren  für  die  griechischen  Logographen  und 
Historiker  die  Grundlage  der  Forschung,  und  mufsen  es  ebenso  für 
uns  sein,  so  weit  wir  sie  oder  wenigstens  ihre  Jahressummen  aufzu- 
spüren im  Stande  sind.  Und  dafs  uns,  was  Homer  betrifft,  in  diesem 
Punkte  die  Ueberlieferung  keineswegs  im  Stiche  läfst,  sondern  uns 
vielmehr  mit  allem  wesentlichen  versorgt,  glaube  ich  gezeigt  zu  haben. 

Lauer  ist,  ich  deutete  es  schon  bei  dem  Abschnitt  über  die  Quel- 
len an,  der  in  den  Stammbäumen  gegebene  Anhaltspunkt  der  localen 
Homer-Sagen  gänzlich  entgangen,  und  wieder  müfsen  wir  sagen,  er 
sei  mit  sehenden  Augen  blind  gewesen,  da  er  ja  in  seiner  schönen 
theoretischen  Einleitung  zu  diesem  Abschnitte  die  Rechnung  nach  ye- 
vEcctg  neben  die  nach  nvKloLg  stellt. 

Hier  in  der  Tabelle  will  er  nun  mit  seiner  überall  durchgeführ- 
ten Rechnung  nach  %v%Xoig  eine  Gleichförmigkeit  erzielen,  welche 
eben  in  den  Angaben  nicht  liegt,  und  welche  deshalb  vollkommen 
willkürlich  und  gesetzlos  ist.  Eine  Folge  dieser  Uniformierung  ist 
nun  die  neue  ^^  illkür,  dafs  L.  die  sänimllichen  Ansätze  in  drei  Grup- 
pen theilt,  deren  jede  ungefähr  hundert  Jahre  umfafse  und  von  der 
andern  um  50  Jahre  entfernt  sei.  Weiche  Eintheilung!  Hier  ist  ja  gar 
nicht  Rücksicht  genommen  auf  die  sehr  verschiedenartigen  Gründe,  auf 


Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie  415 

denen  die  einzelnen  Dala  heruhn ,  sondern  das  rein  äul'serliche  Mo- 
ment der  Jahreszahl  v.  Chr.  oder  p.  Tr.  ist  malsf^ehend;  ein  zufälliges 
Znsammentrelfen  von  Ang-ahen,  die  in  ihrem  Wesen  himmelweit  ver- 
schieden sind,  M'ird  als  g-esetzlich  betrachtet! 

Ich  habe  «gleich  im  EiiiSfange  meiner  Kritik  dieses  Abschnitts 
hervorgehoben,  wie  L.  sich  die  Untersuchung  von  vorn  herein  dadurch 
erschwert  und  verpfuscht,  dafs  er  die  einzelnen  Ansätze  in  der  Reihen- 
folge prüft,  welche  die  Jahrszahl  gibt,  liier  sieht  man  nun  die  Fol- 
gen dieses  Verfahrens,  welches  von  der  viel  g-escholtenen  F^achmann- 
schen  "^  Principlosigkeit'  eben  so  weit  entfernt  ist,  als  es  dem  ^syste- 
matischen' Treiben  der  Pedanten  nahe  steht. 

Uebrigens  ist  Lauer  mit  seiner  ganzen  Anordnung  nicht  einmal 
Original;  's  ist  alles  aus  Fischer- Soetbeer,  die  Reihenfolge  und  die 
Idee  der  Sonderung  in  die  drei  Gruppen.  Nur  die  Ausführung  zeigt 
kleine  Abweichungen. 

Berücksichtigen  aber  mufs  man  zu  Lauers  Gunsten,  dafs  er  eben 
nur  bei  sehr  wenigen  Ansätzen  die  wahren  Motive  gefunden  hat,  dafs 
er  vielmehr  der  Ansicht  ist,  die  Ansätze  möchten  nun  auch  wohl  ih- 
ren Motiven  nach  so  in  drei  Gruppen  zusammengehören.  Wir  wer- 
den das  gleich  näher  betrachten,  nur  wollen  wir  uns  vorher  noch  an- 
sehn, wie  possierlich  bei  dem  schönen  Aufmarsch  in  drei  Gruppen 
Theopompos  und  Euphorion  hinterdrein  baumeln.  Sie  sind  zu  jung,  die 
armen  Knaben,  um  in  Lauers  dritte  Gruppe  zu  passen,  sie  haben  die 
reglementsmäfsige  Gröfse  selbst  nicht  für  das  dritte  Glied;  eine  eigne 
Gruppe  konnte  aber  Lauer  aus  ihnen  um  so  weniger  bilden,  als  er 
ihre  Ansätze  ja  für  identisch  hielt.  So  läfst  er  sie  denn  als  eine  Art 
Trofsbuben  hinterher  zotteln. 

Und  nun  zu  Lauers  gruppenweiser  Motivierung  en  gros. 
Es  sei  sehr  glaublich,  meint  Lauer,  dafs  alle  Ansätze  der  Gruppe 
B  ihren  terminus  a  quo  in  der  ionischen  Wanderung  hätten.  Wir  ha- 
ben vielmehr  gesehn,  dafs  dies  sehr  unglaublich  ist,  dafs  der  Ansatz 
des  Kyrillos  z.  B.  ganz  andere  Motive  hatte  als  Euthymenes  und  Ar- 
chemachos,  beide  aber  von  der  ionischen  Wanderung  gar  keine  Notiz 
nahmen. 

Für  die  Gruppe  C,  meint  Lauer,  sei  es  schwierig  einen  gemein- 
samen Beziehungspunkt  zu  finden.  Ja  das  glaube  ich  wohl ;  denn  ein 
solcher  ist  eben  nicht  da,  und  Apollodors  Motive  z.  B.  sind  in  ihrem 
Wesen  durchaus  von  denen  des  Herodot  verschieden. 

Die  Ueberlieferung  vom  Zeitalter  Homers,  meint  Lauer,  ruhe  wie 
die  von  seinem  Vaterlande  auf  Sage  und  Combination.  In  diesem  all- 
gemeinen Satze  von  der  Sage  und  Combination  sonnt  der  Verf.  sich 
ordentlich  so  recht  mit  Behagen.  Wenn  man  aber  nicht  befser  als  er 
diesen  Satz  ins  einzelne  hineinleuchten  läfst ,  so  lockt  man  mit  ihm 
keinen  Hund  vom  Ofen. 

Die  Behauptung,  meint  Lauer,  dafs  Homer  zur  Zeit  der  ionischen 
Wanderung  lebte,  Gruppe  B,  stütze  sich  auf  die  Sagen  von  Kyme  und 
los,  die  Gruppen  A  und  C  dagegen  seien  aus  Combination  hervorgegan- 


416  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

gen.  Das  ist  halb  wahr  und  darum  ganz  falsch.  Einiges  ist  in  A  und 
C  aus  Combination  hervorgegangen,  anderes  beruht  unleugbar  auf 
reiner  Sage,  und  in  B  steht  ganz  gewis  nicht  alles  mit  den  Sagen 
von  Kyme  und  los  oder  der  ionischen  Wanderung  in  Zusammenhang. 

Nur  einige  Combinationen ,  meint  Lauer,  seien  uns  möglich  zu 
erklären,  weil  wir  nur  eben  die  nakten  Angaben  ohne  die  Gründe  hät- 
ten. Das  ist  wieder  so  recht  ein  Gedanke  nach  Art  der  quaestio. 
Wenn  wir  die  Gründe  bei  den  Angaben  hätten,  co  ^ike,  was  bliebe 
uns  da  noch  zu  erklären?  Und  abgesehn  davon,  welche  Trägheit  des 
Denkvermögens  spricht  sich  in  den  wenigen  Worten  aus!  W\r  sollen 
eben  die  Gründe  finden ,  dazu  sind  wir  da ,  und  sie  liegen ,  denke  ich, 
meistens  recht  offen  vor,  wer  überhaupt  etwas  zu  finden  vermag. 

Einzelnes  gibt  L.  hier  nur  über  den  jüngsten  Ansatz,  und  über 
die  Gruppe  A,  namentlich  Krates.  Die  Auseinandersetzung  über  die- 
sen habe  ich  schon  erwähnt,  auch  von  dem  über  die  Gleichzeitigkeit 
mit  Archilochos  gesagten  ist  schon  die  Rede  gewesen,  wir  werden 
es  aber  späterhin  in  seinem  ganzen  Zusammenhange  betrachten.  Ueber 
die  Gruppen  B  und  C  spricht  sich  der  Verf.  nicht  genauer  aus,  son- 
dern thut  mit  ihnen  etwas  geheimnisvoll.  Er  wünsche,  sagt  er  S.  128, 
seine  Ansichten  über  die  Data  dieser  Gruppen  bis  auf  eine  spätere  Ge- 
legenheit zu  Wersparen.' 

Das  unvollendete  Buch  liefert  diese  Versparnisse  nicht  nach. 
Vielleicht  gehören  sie  doch  noch  zu  dem  *  Schatze',  welcher  laut 
Vorr.  S.  XIV  auf  der  Berliner  Universitätsbibliothek  seiner  Hebung 
von  'geschickten  Händen'  entgegenharrt.  Ihn  da  zu  heben  würde  auch 
nölhig  sein,  wer  ihn  haben  mag,  denn  durch  Nachdenken  ihn  zu  ero- 
bern, ist  unthunlich.  Die  Wahrheit  kann  man  errathen  und  einem  an- 
dern nachfinden,  der  Irthum  aber  ist  tausendfach.  Hätte  dieser  Ab- 
schnitl ,  auf  den  für  den  Erfolg  des  ganzen  alles  ankam,  richtig  vor- 
gearbeilet  und  die  auf  echter  Sage  ruhenden  Zeitangaben  über  Homer 
mit  den  richtigen  Orten  in  Verbindung  gebracht:  da  müste  sich  alles 
weitere  beinahe  von  selbst  ergeben.  Nun  aber  können  die  versparten 
Lauerschen  Ansichten  nur  Lauersche  Confusionen  sein,  vor  denen  die 
Wifsenschaft  gnädig  bewahrt  worden  ist. 

Die  Wahrheit  dieser  Behauptung,  denke  ich,  wird  in  ein  noch 
helleres  Licht  treten,  wenn  wir  der  Tabelle  Lauers  unsre  Tabelle  ent- 
gegenstellen, wie  sie  aus  der  Widerlegung  der  Lauerschen  Reductio- 
nen  und  Motivierungen  und  der  Ergänzung  der  fehlenden  Ansätze  uns 
unversehens  erwuchs. 

(Schlufs  folgt  im  nächsten  Hefte.) 

Berlin,  Dr.  M.  Sengebnsch. 


Müller  (1.  Steinhart:  Plalons  sämmtliche  Werke.    Ir  ii.  2r  Bd.   417 

Piatons  sämmiliche  Werke.  Ucbcr.sctzt  von  Hieronymus  Müller,  mit 
Einleitungen  begleitet  von  Karl  Steinhart.  Erster  und  zweiter 
Band.  Leipzig,  F.  A.  Brockliaii.s.  1850  und  IH51.  XXIV  u.  541, 
Vlir  11.  680  S.  gr.  8. 

(Fortsetzung  von  S.  270  ff.) 

Tm  zweiten  Theile  läfst  der  Hr.  Verf.  den  Eiithydemos  mit 
Hermann  a.  a.  0.  S.  464  IT.  iinniiffelbar  auf  den  Protafforas  folgen, 
wogegen  er  Ref.  mit  Schleiermao  her  unmittelbar  vor  den  Kraty- 
los  zu  gehören  scheint.  Von  Hermanns  Seite  ist  übrigens  die  obige 
Annahme  ganz  consequeuf,'  indem  er  zwischen  den  beiden  Haupt- 
massen des  Gesprächs,  der  persiflierenden  Rufwicklung  eristischer 
Sätze  durch  Eufhydemos  und  Dionysodoros  und  andererseits  der  Ka- 
techese des  Sokrates  mit  dem  Kleinias.  gar  keine  positive  Beziehung 
anerkennt,  vielmehr  behauptet,  dafs  die  Trugspiele  hier  noch  gar  nicht 
in  ihrer  philosophischen  Bedeutung  aufgefafst  würden,  daher  auch 
den  Zweck  des  Gesprächs  auf  den  Gegensatz  sophistischer  Protreptik 
und  sokratischer  Weisheit  beschränkt.  Anders  verhält  es  sich  mit 
Hrn.  Steinhart,  welcher  unseres  Erachfens  richtiger  iirtheilt,  dabei 
aber  auf  halbem  Wege  stehn  bleibt.  Er  macht  mit  Recht  geltend 
(S.  JO),  dafs  Sokrates  erklärt  sich  bei  den  beiden  Sophisten  in  die 
Schule  gegeben  zu  haben  (p.  272  R  IT.),  und  erkennt  darin  die  An- 
deutung, dafs  jene  Antinomien  eine  Vorstufe  zur  wahren  Erkenntnis 
sind.  Eben  so  richtig  bestimmt  er  ferner  S.  16  f.  darnach  als  den 
Zweck  des  Dialogs  den  Begriff  des  wahren  Wifsens  und  Lernens  und 
des  Strebens  nach  der  höchsten  Wifsenschaff ,  welche  zugleich  die 
vollendete  Tugend  und  die  höchste  Sfaatskunst  ist.  Mit  Recht  tadelt 
er  es  endlich,  wenn  Stallbaum  Opp.  VI,  I  p.  10  ff.  die  sophistischen 
Trugschlüfse  ausschliefslich  von  herakleitisch-profagoreischen  Prae- 
missen  herleitet,  und  behauptet  seinerseits  ,  dafs  sie  eben  so  gut  von 
eleatischen  auslaufen:  S.  74  Anm.  7.  Er  erblickt  daher  sogar  hinter 
dem  Angriffe  gegen  diese  Sophismen  (S.  26)  den  ersten,  wenn  auch 
noch  mehr  spielenden  Versuch  Piatons,  zAvischen'den  schroffen  Ein- 
seitigkeiten der  in  ihren  letzten  Endpunkten  noch  dazu  zusammenlau- 
fenden Lehren  des  Herakleitos  und  der  Eleaten  eine  Ausgleichung  zu 
finden.  —  Unmöglich  konnte  doch  Platou  an  eine  solche  Kritik  der 
frühern  metaphysischen  Principien  denken,  so  lange  seine  eigne 
Dialektik  noch  in  den  Schranken  der  Ethik  befangen  lag,  wie  noch 
im  Menon  und  Gorgias! 

Hr.  St.  hätte  auch  darin  noch  einen  Schritt  weiter  gehn  sollen, 
die  Trugsätze  ausschliefslich  als  ein  sophistisches  Spiel  mit  dem 
eleatischen  Sein  zu  bezeichnen.  Seine  Reweisführung  S.  16.  20.  21. 
23  legt  nur  dar,  dafs  man  auch  herakleitische  Voraussetzungen  zu 
denselben  Resultaten  misbranchen  konnte,  nicht  aber,  dafs  Euthy- 
demos  und  sein  Bruder  dies  hier  wirklich  thun.  Dagegen  ist  es 
ein  tiefer  Blick,  dafs  er  hinter  den  sophistischen  Folgerungen  den 
leisen  Angriff  auf  die  philosophischen  Praemissen  der  altern  Specula- 


418  Müller  u.  Steinhart.  Plafons  sämmtliche  Werke.    Ir  u.  2r  Bd. 

tion  nicht  übersehn  hat.  Die  Truffschlüfse  haben  hier  wirklich  die 
philosophische  Bedeutung,  dafs  durch  sie  die  Einseitigkeit  des  elea- 
tischen  absoluten  Seins  ans  Licht  gestellt  wird,  welches  vom  unbe- 
dingten zum  endlichen  gar  keine  Brücke  darbot. 

Damit  steht  offenbar  die  Hindeutung  auf  die  platonische  Ideen- 
lehre p.  300  E  ff.  in  Verbindung-.  Hr.  St.  erkennt  freilich  S.  25  nur 
ein  Anstreifen  an  dieselbe,  läfst  aber  jede  Andeutung  vermifsen,  wo- 
durch denn  das  hier  beschriebene  avro  to  zaXov  von  der  Idee  des 
schönen  irgendwie  abweicht.  Piaton  verwirft  ohne  Zweifel  schon  hier 
das  eleatische  Sein  nur  in  seiner  einseitigen  Starrheit,  deutet  dem- 
nach darauf  hin,  dafs  demselben  vielmehr  eine  solche  Fafsung  zu  ge- 
ben ist ,  um  es  vor  sophistischem  Misbrauch  wahren  und  das  endliche 
Sein  aus  ihm  ableiten  zu  können,  und  dafs  er  eine  solche  Fafsung  in 
seiner  Idee  gefunden  zu  haben  glaubt.  Stellen  wir  nun  den  Euthy- 
demos  zunächst  vor  den  Kratylos,  so  empfangen  wir  hiefür  die  Be- 
stätigung, denn  im  Kratylos  wird  die  Idee  auf  die  eleatische  ov6ic< 
basiert,  zugleich  aber  nicht  als  blol'ses  Sein,  sondern  als  Wesen, 
d.  h.  als  die  allgemeinste  Qualität  gefafst,  welcher  alle  Sonderqua- 
litäten immanent  sind.  S.  u.  So  erklärt  es  sich  auch,  warum  jene 
eristischen  Sätze  keines  eigentlich  dialektischen  Gegenbeweises  ge- 
würdigt zu  werden  brauchen:  sobald  das  Princip,  auf  welches  sie 
sich  stützten,  seiner  Einseitigkeit  entkleidet  war,  stürzten  sie  ihrer- 
seits in  sich  selber  zusammen. 

Bei  dieser  Stellung  des  Euthydemos  fällt  nun  auch  jeglicher 
Grund  fort,  welcher  verhindern  könnte,  dafs  nicht  bei  den  Trug- 
sätzen der  beiden  Sophisten  an  ähnlich  lautende  derjenigen  Sokrati- 
ker ,  welche  gleichfalls  in  einseitiger  Fafsung  auf  das  eleatische  Prin- 
cip zurückgiengen,  d.  h.  des  Antisthenes  und  vielleicht  auch  der  Me- 
gariker,  zu  denken  wäre  (Steinhart  S.  26).  Im  Gegentheil,  die 
Behauptung  des  Euthydemos  p.  277  A,  dafs,  wer  die  Lautelemenle 
oder  Buchstaben  kennt,  damit  alles  wifse,  klingt  schon  ganz  nahe  an 
die  im  Kratylos  bekämpfte  Lehre  des  Antisthenes  an,  dafs  man  mit 
dem  Worte  auch  die  Sache  kenne. 

Mit  dem  vorbemerkten  stimmt  es  völlig  überein,  dafs  hier  zu- 
erst der  Name  der  Dialektik  auftritt,  p.  290  C.  Dafs  der  Dialog  nicht 
vor  dem  Menon  geschrieben  sein  kann,  geht  daraus  hervor,  dafs  die- 
jenige Beweisführung  für  die  Einheit  aller  Tugenden  in  der  Weisheit, 
welche  im  Menon  die  letzte  Entscheidung  bildet ,  hier  nur  in  dem 
ersten  Theile  der  Katechese  mit  Kleinias  wiederkehrt,  wogegen  deren 
zweifer  Abschnitt  nach  des  Hrn.  Verf.  eigner  Erklärung  (S.  21)  eine 
weiter 'gehende  Fafsung  enthält.  In  der  That  aber  empfängt  auch  im 
ersten  Theile  dieselbe  Entwicklung  bereits  eine  ganz  eigenthümliche 
Färbung  dadurch ,  dafs  die  Weisheit  ausdrücklich  als  das  einzige 
Mittel  zur  Glückseligkeit,  mit  andern  Worten  also  selber  als  das 
höchste  Gut  bezeichnet  wird.  Das  höchste  Gut  ist  also  nicht  mehr, 
wie  bisher,  das  höchste  Princip  aller  Philosophie,  sondern  blofs  noch 
der  Ethik.     Die  Weisheit,  welche  im  zweiten  Theile  der  Katechese 


Müller  u.  Steinhart:  Piatons  sämnitliche  Werke.   Ir  u.  2r  Bd.    419 

gesucht  wird,  ist  daher  nur  scheinhar  oder  nur  iti  ahgeleiteter  Weise 
die  Politik,  in  Wahrheit  die  Dialektik,  wie  ehen  an  der  obiffen  Stelle 
angedeutet  wird.  Die  vorläufige  Herausbildung  der  Dialektik  aus  der 
Ethik  ist  eben  der  Mittelpunkt  deg  Dialogs,  ihren  materiellen  Inhalt 
erhält  sie  erst  in  den  folgenden  Werken.  Der  Euthydemos  ist  somit 
als  das  erste,  vorbereitende  Glied  der  zweiten  oder  dialektischen 
Reihe  der  platonischen  Werke  anzusehn. 

Hr.  St.  selbst  findet  S.  17  f.  in  der  Antinomie,  dafs  bald  den  ein- 
sichtigen, bald  den  unwilsenden  das  Lernen  zukommt,  p.  275  D  IT., 
den  tiefern  Sinn  angedeutet,  dafs  das  Wifsen  der  Möglichkeit  nach  in 
der  Seele  liegen  mufs ,  und  sein  eigner  Genofse,  Hr.  Müller,  ver- 
muthet  S.  80  Anm.  32  mit  Recht  in  dem  ewigen  Besitze  des  Wifsens 
p.  294  E  tf.  eine  Rückdeutung  auf  die  avci(A,v)-j6i,g  des  Menon.  Es  fin- 
det aber  eine  solche  noch  viel  directer  und  bestimmter  p.  282  C  f. 
statt,  wo  die  Nothwendigkeit  eines  Beweises  für  die  Lehrbarkeit  der 
Weisheit  oder  des  Wifsens  abgelehnt  wird,  und  nicht  etwa  ist  dies 
ein  Rückblick  auf  den  Protagoras ,  wie  Hr.  St.  S.  17  und  76  Anm.  20 
will.  Denn  einmal  ist  von  der  FiChrbarkeit  der  Tugend  überhaupt 
an  dieser  Stelle  gar  nicht  die  Rede;  sodann  folgt  dieselbe  ja  auch  im 
Protagoras,  ebenso  wie  im  Menon.  aus  der  Zurückführung  der  Tugend 
auf  das  Wifsen  ganz  unmittelbar  und  konnte  daher  auch  hier  ganz  un- 
mittelbar daraus  gefolgert  w  erden ;  eine  solche  Rückdeutung  auf  den 
Protagoras  wäre  also  gänzlich  unnütz  gewesen. 

Die  Stelle,  wo  Kleinias  plötzlich  eine  Reihe  tief  eingreifender 
Gedanken  ohne  weitere  Hilfe  der  sokratischen  Älaeeutik  entwickelt, 
p.  290  B  ff.,  erklärt  der  Hr.  Verf.  ungenügend  S.  11  und  75  Anm.  13 
als  Beleg  für  die  grofsartigen  Nachwirkungen  der  sokratischen  Me- 
thode. Es  ist  vielmehr  in  der  nachfolgenden  Unterredung  mit  dem 
Kriton  allgemeiner  von  dem  geistigen  Einflufse  des  Sokrates 
überhaupt  die  Rede,  und  so  weist  auch  diese  Stelle  dem  Dialog  eine 
spätere  Zeit  an,  wo  die  blofse  sokratische  Methode  nicht  mehr  diese 
ausschliefsliche  Bedeutung"  für  den  Piaton  hatte. 

Dagegen  ist  Ref.  mit  dem  Hrn.  Verf.  S.  13  f.  ganz  dahin  einver- 
standen, dafs  man  bei  dem  ungenannten  Redenschreiber  p.  305  an 
keine  bestimmte  geschichtliche  Persönlichkeit  zu  denken  braucht. 

Ein  höchst  glücklicher  Griff  ist  es,  dafs  Hr.  St.  dem  Menon 
vor  dem  Gorgias  seine  Stelle  anweist,  und  zwar  läfst  er,  in  Anerken- 
nung dessen,  dafs  die  Drohung  des  Anytos  p.  94 E  die  schon  erhobene 
Anklage  desselben  voraussetzt,  ihn  in  der  Zeit  bald  nach  der  letztern 
entstehn,  als  Piaton  noch  keinen  unglücklichen  Ausgang  des  Processes 
fürchtete.  So  erklärt  sich  vortrefflich  die  mildere  Stimmung,  welche 
hier  gegen  die  altern  athenischen  Staatsmänner  im  Gegensatz  zu  dem 
herben  Tadel  derselben  im  Gorgias  herscht ,  und  dafs  auch  die  sonsti- 
gen historischen  Anspielungen  nicht  widersprechen,  wird  S.  123  f. 
überzeugend  nachgewiesen. 

Erst  so  tritt  klar  hervor,  wie  es  gemeint  ist,  wenn  einmal  der 
Schlufs  des  Protagoras  und  von  neuem  der  des  Menon    auf  eine  künf- 


420  Müller  II.  Steinhart:  Plalons  sämmtliche  Werke.    Ir  u.  2r  Bd. 

tige,  tiefer  gehende  Erörterung  des  Tugendbegriffs  hinweist:  der  Pro- 
fagoras  deutet  so  auf  die  des  Menon,  der  Menon  auf  die  des  Gorgias 
voraus.  Kehrt  man  dagegen  die  Stellung  der  letztern  beiden  Dialoge 
um,  so  weifs  man  in  der  That  niclit,  wo  jene  tiefere  Untersuchung  zu 
finden  sein  sollte,  welche  der  Menon  verlangt. 

Viel  überzeugender  hätte  indessen  die  Darstellung  des  Hrn.  Verf. 
noch  werden  können,  wäre  sie  nicht  durch  die  Einschiebung  des  Eu- 
thydemos   zwischen   Protagoras  und   Menon   beirrt   worden,   denn   es 
dürfte  in  der  That  der  Nachweis  nicht  schwer   fallen,  wie   der  Menon 
bis  ins  einzelnste  unmittelbar   die  Gedankenreihen  des  Protagoras 
fortsetzt  und  vertieft.     Um  hier  nicht  weitläufig  zu  sein,  begnügt  sich 
Ref.  hervorzuheben,  dafs  der  Protagoras  die  Frage  nach  der   Lehrbar- 
keit  der  Tugend  allmählich  auf  die  tiefer   liegende  nach  ihrer  Identität 
mit    der   Erkenntnis   zurückführt,    d.   h.   auf  die  nach  ihrem  Begriffe, 
während  der  Menon  gleich  in  seinem  Eingänge  diesen  Verlauf  seines 
Vorgängers  kurz  recapituliert.    Während  die  Lehrbarkeit  der   Tugend 
dort  das  ostensible  Gesprächsthema  war,  so  ist  dieselbe  dagegen  hier 
nur  noch  eine  zu  prüfende  Hypothese,  p.  86  E  ff.     Dort  wird  also  die 
Induction  vollzogen,  hier  an  dieselbe  ihr   kritisches   Complement  an- 
gelegt,  die  hypothetische  Begriffserörterung,  welche  Hr. 
St.  freilich  S.  109  f.  auffallenderweise  als  ein  der  echten  platonischen 
Dialektik    fremdartiges    Verfahren    bezeichnet.    S.    dagegen    Zell  er 
Philos.  der  Griechen  II  S.  174  f.,  wo  in  Anm.  1  auch  die  eben  erwähnte 
Stelle  des  Menon  citiert  wird.    Es  ist  ein  blofses  Vorgeben,    dafs  So- 
krates   lediglich    seinem    Gesprächsgenofsen    zu    gefallen   sich   dieser 
Methode  bedient.    In  Wahrheit  bietet  dies  vielmehr  nur  die  Handhabe 
dazu,  um  auch  diese  Seite   der    platonischen    Methodik  ins  Licht  zu 
stellen,  nachdem  vorher  bereits    p.  75  D  E   die  Technik  der  Induction 
gegeben  worden  ist.    Gerade  diese  methodische  Seite  liefert  aber  ein 
neues   unmittelbares  Ergänzungsstück   zum  Protagoras:  wie  dort  die 
richtige  Lehrmethode,  so  wird  hier  tiefer  gehend  die  richtige  Denk- 
methode geltend   gemacht.     Dort  dämmert  ferner   die  Unterscheidung 
einer  doppelten  Tugend  auf.  hier  findet  sie  durch  die  Unterscheidung 
von  Erkenntnis    und    richtiger  Vorstellung  p.  97  f.   ihre  wifsenschaft- 
liche  Form.    Die  Einsicht  in  diesen  Zusammenhang  wird  freilich  völlig 
gestört,  wenn  man  mit  Hrn.  St.  S.  86  und  17]  Anm.  5  nach   dem  Vor- 
gange von    Br  andis  a.  a.  0.  II,  I  S.  36  und  Krische   Forschungen 
S.  211  aus  p.  98  B  folgern  wollte,  dafs  diese  letztere  Unterscheidung 
bereits  dem  historischen  Sokrates  angehört,  während  die   Stelle  doch 
nur  besagen  will  ,  dafs  dieselbe   der  Möglichkeit  nach  schon   in 
der  sokratischen  Lehre  liegt:  zur  Wirklichkeit  tritt  sie  dagegen  eben 
erst  vermittelst  des  Dogmas  von  der  Praeexistenz  un(\avcif.iv}]Gig  hervor. 
Die  eigenthümliche  Einkleidung  der   Stelle  dient  nur  dazu,   dem    So- 
krates ein  möglichst  historisches  Gepräge  zu  bewahren.    Endlich  geht 
der  Menon  aber  auch  tiefer  auf  die  praktischen  Momente   der    Tugend 
und  des  Wifsens  ein,  aufweiche  im  Protagoras  vornehmlich  nur  dem 
gleichnamigen  Sophisten  die  Andeutungen  in  den  Mund  gelegt  wurden. 


Müller  11.  Steinliarl:  Plalons  sämmtliche  Werke.    Ir  u.  2r  Bd.  421 

Es  sind  dies  die  (pvGig,  d.  h.  die  aus  der  Praeexistenz  niitgebraciiteii 
Keime,  die  äcMjaig,  d.  li.  Erfahrung  und  Uel)ung-,  und  die  d'eia  fioi^cc 
oder  Begeisterung,  welche  das  eigenllich  treibende  Munient  bildet. 
Ihr  gegenseitiges  Verhältnis  hat  der  Hr.  Verl'.  S.  115 — 120  ini  ganzen 
befriedigend  erörtert.  Nur  hiitte  Hof.  die  bestimmte  Hervorhebung 
davon  gewünscht,  worin  eigentlicii  das  ironisciie  in  der  Darstellung 
der  d'HDi  ^oiQa  besteht,  gegen  dessen  Anerkennung  Hermann  in 
diesen  NJahrb.  Suppl.  Bd.  VI  S.  51  If.  sich  sträubt.  Üies  liegt  nemlich 
darin,  dafs  das  gemeine  Bt!wustsein  (repraeseutiert  durch  Weiber  und 
Spartaner  p.  99  E)  verkennt,  wie  gerade  der  Piiilosopiiie  die  höchste 
und  wahrste  Begeisterung  zu  Grunde  liegt,  und  wie  nicht  dieser  wil- 
lenlose göttliche  Zug  der  Seele,  sondern  einzig  die  bewuste  mensch- 
liche Durchbildung  desselben  das  wahrhafte  Verdienst  und  die  echte 
Tüchtigkeit  des  3Iannes  begründet.  Ebenso  wäre  zu  zeigen  gewesen, 
(lafs  der  höhere  oder  niedere  Grad  dieser  Begeisterung  die  gröfsere 
oder  geringere  Festigkeit  der  llüchtigen  Vorstellungen  hervorbringt, 
dafs  sie  also  in  gewissem  Mafse  schon  allein  und  ohne  den  ctixtug  ko- 
fiö^og  eine  Art  von  Bindemittel  derselben  abgibt.  INur  so  löst  sich 
das  Häthsel,  dafs  einmal  richtige  Vorstellungen  allen  Menschen  ein- 
wohnen, p.  86  A,  und  dafs  doch  nur  so  wenigen  grofsen  Staatsmän- 
nern die  vorstellungsmäfsige  Tugend  zugesprochen  wir<l.  Endlich  hat 
der  Hr.  Verf.  auch  darauf  aufmerksam  zu  machen  unterlafsen,  dafs 
der  göttliche  Trieb  in  der  Menschenseele  und  besonders  im  Philoso- 
phen nichts  anderes  als  der  spätere  e^cog  ist,  wie  er  aber  schon  im 
Lysis,  nur  noch  nitfhf  unter  diesem  Namen  auftritt.  Daher  schildert 
sich  denn  auch  Sokrates  p.  76  C  D  als  Erotiker.  Ein  Fortschritt  gegen 
den  Lysis  ist  es,  dafs  dieser  Trieb  jetzt  auch  unphilosophischen  Na- 
turen zugeschrieben  wird. 

Den  Erörterungen  des  Hrn.  Verf.  über  die  Charaktere,  Bau  uud 
Grundgedanken  des  Gesprächs  kann  Ref.  im  wesentlichen  seine  Bei- 
stinimung  nicht  versagen.  Nur  inufs  er  bekennen,  dafs  ihm  nach  den 
Bemerkungen  von  Ast  Piatons  Leben  und  Sehr.  S.  401  die  Zeichnung 
des  Menon  in  diesem  Dialog  nicht  besonders  gelungen  erscheint.  Wer 
einen  so  scharfsinnigen  Einwand  auslindig  machen  kann,  wie  er  in 
dem  eristischen  Satze  p.  80  D  enthalten  ist,  von  dem  kann  man  sich, 
mag  sein  Scharfsinn  eine  noch  so  verkehrte  iiichlung  genommen  haben, 
doch  nicht  wohl  denken,  dafs  er  den  klaren  methodischen  Auseinan- 
dersetzungen des  Sokrates  so  schwer  zu  folgen  vermag.  Man  müste 
denn  annehmen,  er  habe  den  Salz  nicht  selbst  gefunden,  sondern  nur 
als  einen  der  damaligen  Eristik  geläuligen  (Euthyd.  p.  275  D  ff.)  von 
aufsen  aufgegrilfen,  s.  Socher  lieber  Piatons  Schriften  S.  170.  Dann 
aber  kann  auch  nicht  mehr  mit  Hrn.  St.  S.  92  von  Talent  und  Bega- 
bung, am  wenigsten  von  einem  Mhessalischen  Alkibiades',  sondern 
lediglich  von  Einfalt  und  Dünkel  die  Rede  sein. 

Mit  Hecht  bezeichnet  der  Hr.  Verf.  S.  95.  97  den  kleinen  Mythos 
von  der  Seeleuwanderung  als  den  Höhepunkt  des  Gesprächs  und  dar- 
nach S.  97  f.  als  Gesamnitaufgabe  die  Untersuciiung  über  Begriff  und 


422  Müller  u.  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.    Ir  u.  2r  Bd. 

Bedingungen  des  Wifsens  und  seine  Verschiedenheit  von  der  Vorstel- 
lung, so  aber,  dafs  diese  Untersuchung  mit  dem  praktischen  Zwecke 
untrennbar  verbunden  ist,  die  Tugend  als  eine  vom  Wifsen  ausge- 
gangene, Wifsenschaft  und  Kunst,  Theorie  und  Praxis  in  ungetrennter 
Einheit  umfafsende  Lebensweisheit  darzustellen.  Bestimmter  noch 
möchte  ich  mit  Schleiermacher  sagen,  dafs  die  theoretische 
Frage  in  die  praktische  verschränkt  und  eingespannt  ist,  d.  h.  mit  an- 
dern Worten,  die  Dialektik  ist  noch  nicht  selbständig  aus  der  Ethik 
herausgetreten.  Daher  polemisiert  auch  Hr.  St.  S.  114  mit  Recht  ge- 
gen Schlei  er  macher,  welcher  hier  schon  den  spätem  Gegensatz 
der  philosophischen  und  der  bürgerlichen  Tugend  lindet.  Denn  die 
spätere  philosophisclie  Tugend  bedient  sich  des  Staatslebens  blofs  als 
eines  Mittels  zum  Zwecke,  wogegen  hier  die  vollendete  Tugend  mit 
der  vollendeten  Staatskunst  identisch  ist.  Aber  Hr.  St.  hätte  anderer- 
seits anerkennen  sollen ,  dafs  der  Menon  allerdings  bereits  eine  zwie- 
fache Tugend,  die  der  Erkenntnis  und  der  Vorstellung,  unterscheidet, 
und  dafs  diese  Unterscheidung  den  Keim  zu  jenem  spätem  Gegensatze 
bildet. 

Als  besonders  neu  müfsen  wir  es  noch  rühmend  hervorheben, 
dafs  Hr.  St.  S.  99 — 101  den  drei  falschen  Delinitionen  der  Tugend, 
welche  Menon  im  ersten  Abschnitte  gibt,  nicht  blofs  einen  positiven 
Kern,  sondern  auch  eine  fortwährende  Annäherung  an  die  richtige  im 
dritten  Abschnitt  zuschreibt.  Ueberhaupt  hat  eine  consequente  Durch- 
führung des  richtigen  Grundsatzes,  dafs  Piaton  niemals  negiert,  ohne 
zugleich  im  negierten  Momente  der  Wahrheit  hervorzuheben ,  unserm 
Hrn.  Verf.  zu  den  bedeutendsten  Resultaten  verholten.  Nur  darin  kön- 
nen wir  nicht  beipflichten,  wenn  S.  101  zu  der  dritten  Erklärung,  Tu- 
gend sei  die  Fähigkeit  sich  das  schöne  anzueignen ,  die  Bedingung  ge- 
stellt wird,  unter  dem  schönen  müfse  ein  wahrhaft  sittliches  Gut  ver- 
standen werden.  Vielmelir  wird  es  an  sich  durchaus  etwas  sittlich 
gleicbgiltiges  sein,  es  kommt  nur  darauf  an,  dafs  Aneignung  und  be- 
sonders Gebrauch  von  der  Weisheit  geleitet  sind ,  w  eiche  das  höchste 
Gut  zum  31afsstabe  und  Vorbilde  nimmt.  Insofern  stimmen  wir  übri- 
gens ganz  mit  Hrn.  St.  S.  109  überein,  wenn  er  mit  Hermann  a.  a. 
0.  S.  483  f.  und  646  Anm.  427  die  Beweisführung  des  dritten  Ab- 
schnitts, nach  welcher  die  Tugend  als  die  Weisheit  im  nützlichen  Ge- 
brauche der  Lebensgüter  bezeichnet  wird,  von  rein  platonischen  Prae- 
missen  ausgehn  läfst,  während  Stallbaum  Opp.  VI,  2  p.  16  und 
Nitzsch  De  Piatonis  Phaedro  p.  23  f.  eine  Anbequemung  an  den  so- 
phistischen Eudaemonismus  erblicken.  Doch  sind  wir  geneigt,  den 
beiden  letztem  das  Zugeständnis  zu  machen,  dafs  diese  Entwicklung 
absichtlich  zweideutig  gehallen  ist,  so  dafs  unter  der  Nützlichkeit 
auch  die  sophistische  blofs  äufserliclie  Zweckmäfsigkeit  verstan- 
den werden  kann  und  von  dem  sophistischen  Mitunterredner  nothwen- 
dig  so  verstanden  werden  mufs,  so  dafs  also  zugleich  sich  ergibt, 
wie  selbst  vom  sophistischen  Standpunkte  aus  die  Tugend  als  Wifsen 
gefafst  werden  mufs. 


Müller  u.  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.   Ir  i>.  2r  Bd.  423 

Wenn  aber  Hr.  St.  S.  104  in  dem  kleinen  Mythos  von  der  Un- 
sterblichkeit p.  81  B — E  die  Wanderung-  der  Seele  durch  alle  Räume 
der  über-  und  Unterwelt  nur  als  sinnvolle  Dichtung  fafst,  so  dürfte 
dazu  schwerlich  ein  Grund  vorhanden  sein.  Es  scheint  mir  vielmehr 
gerade  das  eigenthüniliche  dieses  Mythos,  dal's  Begrilf  und  Symbol 
hier  noch  nicht,  wie  später,  auseinander  treten.  Hr.  St.  fügt  zwar 
den  Grund  hinzu,  Piaton  spreche  dies  selbst  deutlich  genug  aus,  in- 
dem er  seine  Vorstellung  von  Priestern  und  Prieslerinnen  empfangen 
7Ai  haben  versichere  und  sie  zunächst  an  ein  Wort  des  Pindaros  an- 
knüpfe. Allein  schon  Ast  a.  a.  0.  S.  405  vergleicht  mit  Hecht  die  Be- 
rufung auf  weise  Männer  und  Frauen  im  Phaedros ;  man  denke  auch 
an  die  Diotima  im  Gastmahl.  Diese  Formel  drückt  nur  aus,  dafs  So- 
krates  von  einem  Standpunkte  ans  spricht ,  welcher  ihm  fremd  ist,  sei 
es  dafs  er  ihm  ^widerstrebt  oder  aber  über  ihn  hinaus  liegt.  Letzteres 
ist  hier  der  Fall,  es  wird  dadurch  nur  die  Freiheit  gemildert  dem  So- 
krates  eine  solche  Lehre  in  den  Mund  zu  legen.  Es  folgt  daher,  bei- 
läulig  bemerkt,  hieraus  auch  gar  nicht,  dafs  Piaton  damals  die  pytha- 
goreische Lehre  noch  gar  nicht  gekannt  habe,  wie  Stall  ha  um  a.  a. 
0.  will,  vielmehr  ist  dies  Dogma  wahrscheinlich  schon  hier  pythago- 
reischen Ursprungs:  Simmias  und  Kebes  waren  ja  damals  bereits  nach 
Athen  gekommen.  Die  skeptische  Wendung,  mit  welcher  Piaton 
schliefst,  p.  86  B,  ist  von  dem  Hrn.  Verf.  unrichtig  wiedergegeben. 
Piaton  sagt  nicht,  er  müfse  daran  festhalten,  dafs  die  Seele  lernen 
könne,  was  sie  nicht  wil'se,  'weil  ihr  Lernen  nur  Erinnerung  des  frü- 
her geschauten  sei',  sondern  rein  praktisch,  weil  diese  Ueberzeugung 
die  Seele  veredle  und  kräftige. 

Auch  den  E  uth  yphron  versetzt  Hr.  St.  in  die  Zwischenzeit 
zwischen  Anklage  und  Verurtheilung  des  Sokrates  bald  nach  dem  Me- 
non,  gleichfalls  abweichend  von  Hermann.  Allein  hier  mufs  Ref. 
entschieden  auf  die  Seite  des  letztern  treten.  Wie  war  es  nur  mög- 
lich, dafs  Hr.  St.  S.  195  im  Euthyphron  das  Vorhandensein  der  Ideen- 
lehre anerkennen  und  ihn  dennoch  vor  den  Gorgias  stellen  konnte ,  in 
welchem  dieselbe  noch  durchaus  nicht  zu  finden  ist?  Ueberdies  dürfte 
es  ihm  schwerlich  gelungen  sein ,  S.  199  f.  die  Gründe  zu  entkräften, 
welche  gegen  die  von  ihm  angenommene  Abfafsungszeit  geltend  ge- 
macht worden  sind.  Dafs  eine  komische  Schilderung,  wie  die  des  Me- 
letos  p.  2  f.,  für  ein  an  die  alte  Komoedie  gewöhntes  Volk  nichts  auf- 
fallendes hatte,  wird  niemand  bestreiten.  Es  handelt  sich  aber  viel- 
mehr darum,  ob  sie  nicht  trotzdem  nothwendig  dazu  dienen  muste, 
den  Meletos  und  seinen  Anhang  noch  mehr  zu  erbittern.  Gewis  waren 
ferner  solche  freiere  Religionsansichten,  wie  hier,  von  Dichtern  längst 
ausgesprochen  worden;  allein  gesetzt,  man  hätte  deshalb  einen  Dich- 
ter auf  Tod  und  Leben  angeklagt,  so  würde  doch  wahrlich  derjenige 
seiner  Freunde  eine  nicht  geringe  Unklugheit  begangen  haben,  wel- 
cher während  dieser  Zeit  in  einer  Vertheidigungsschrift  für  ihn  sei- 
nen Freimuth  in  recht  grellen  Farben  geschildert  oder  gar  ihm  weit 
polemischere  Ansichten  angedichtet   hätte,   als    er    wirklich   besafs  ! 


424  Müller  u.  Steinhart:  Piatons  säinmtliche  Werke.  Ir  u.  2i'  Bd. 

Denn  dafs  Sokrates  wirklich  jemals  so  ausdrücklich  gegen  die  An- 
thropoinorphismen  der  Volksreligion  aufgetreten  sein  sollte ,  dafür 
fehlt  nicht  blofs  jedes  sonstige  Zeugnis,  sondern  es  ist  dies  auch  bei 
der  rein  populären  Haltung  aller  seiner  Erörterungen  über  Gottheit 
und  Weltordnung  durchaus  nicht  wahrscheinlich.  Auf  jeden  Fall 
scheint  es  gesicherter,  statt  der  vagen  Möglichkeit,  dafs  Xenophon 
dies  aus  apologetischem  Interesse  verschwiegen  (S.  225  Anm.  10), 
vielmehr  anzunehmen,  dafs  Piaton  nach  des  Sokrates  Tode  diesem  sei- 
nem Gesprächsleiter  seine  eignen  philosophischen  Ansichten  über  He- 
ligion  in  den  Mund  gelegt  hat.  Und  gevvis,  noch  unglücklicher  wäre 
es  gewesen,  nicht  allein  die  gewöhnlichen  theologischen  Vorstel- 
lungen, sondern  auch  die  vom  Cultus  zum  Nutzen  und  Frommen  des 
angeklagten  Sokrates  anzugreifen,  denn  gerade  in  dieser  Beziehung 
hieng  die  Religion  am  engsten  mit  dem  politischen  Leben  zusammen, 
und  nur  darum  wurde  die  Persiflage  der  Götter  ebenso  gut  wie  die 
der  einflufsreichsten  Staatsmänner  von  Seiten  der  Komiker  geduldet, 
weil  ebenso  wenig  die  Tempel  und  Altäre  der  erstem  dadurch  ver- 
ödeten, als  die  Autorität  der  letztern  dadurch  gestört  wurde.  Und 
noch  dazu  spricht  sich  der  Verf.  dabei  so  wenig  unzweideutig  aus, 
dafs  mancher  Athener  ebenso  gut  wie  ein  scharfsinniger  moderner  Er- 
klärer *)  hinter  dieser  Verspottung  der  gemeinen  Ansichten  über  den 
Cultus  die  Tendenz,  den  ganzen  volksthümlichen  Cultus  überhaupt 
stürzen  zu  wollen,  wittern  konnte. 

Was  nun  den  Zweck  des  Werkes  betrilft,  so  kann  Ref.  es  nur 
billigen,  wenn  der  Hr.  Verf.  S.  198,  seinem  oben  erwähnten  Grund- 
satze getreu,  nicht  mit  Hermann  a.  a.  0.  S.  6il  Anm.  409  u.  a. 
die  polemische  Tendenz  gegen  die  Vorstellungen  der  Volksreligion, 
sondern  trotz  der  skeptischen  und  etwas  aphoristischen  Behandlung 
die  positive  Bestimmung  des  FrömmigkeitsbegritTes  an  die  Spitze  stellt. 
Wenn  er  dagegen  dieselbe  wesentlich  in  der  Erklärung  lindet,  dafs 
Frömmigkeit  dienende  Sorge  für  die  Götter,  Mitarbeitung  an  ihrem 
Werke  sei,  p.  12  f.,  so  würde  darnach  allerdings  Hermanns  Be- 
hauptung a.  a.  0.  gerechtfertigt  sein,  dafs  hier  der  Werth  der  alles 
durchdringenden  Wifsenschaft  nicht,  wie  sonst,  nach  Gebühr  hervor- 
gehoben sei.  Nur  braucht  man  andererseits  auch  nicht  mit  dem  letz- 
tern a  u  s  s  c  h  I  i  e  f  s  1  i  c  h  in  p.  14  D  ,  Frömmigkeit  sei  die  Wifsenschaft 
dessen,  was  man  den  Göttern  geben  und  von  ihnen  begehren  müfse, 
die  echt  platonische  Definition  zu  suchen.  Wohl  aber  mufs  man,  wenn 
überhaupt  ein  wifsenschaftlicher  Verlauf  in  dem  Werke  stattfinden 
soll,  anerkennen,  dafs  die  letztere  Erklärung  in  Wahrheit  nur  die  Er- 
weiterung und  Vertiefung  der  erstem  ist.  Das  Werk  der  Götter  ist 
offenbar  die  Welt  als  harmonisches  Ganzes  und  zwar  wohl  nicht  blofs, 
wie  Hr.  St.  S.  197  will,  die  sittliche,  sondern  (wenn  wir  nur  den 
Euthyphron  hinter  den   Gorgias  stellen)  auch  die   physische  Welt. 

♦)  Der    von   Steinhart   citierte   Schwalbe    Oeuvres   de   Platon  I 
p.  41. 


Müller  u.  Steinhart:  Piatons  sämmiliche  Werke.    Ir  ii.  2r  Bd.  425 

Die  vom  richtigen  Wifsen  geleitete  Mitarbeiterschaft  an  diesem  Werke 
der  sittlichen  Harmonie  ist  eben  das  edelste  Opfer,  welches  man  den 
Göttern  darbringen  kann,  einerseits,  und  zugleich  ist  damit  die  Er- 
werbung der  höchsten  sittlichen  Güter  für  den  Menschen  vollzogen: 
Empfangen  und  Geben  ist  dabei  eins.  Alle  einzelnen  Opfer  und  Gebete 
müfsen  einzig  von  diesem  allgemeinen  Geiste  getragen  sein.  Dafs 
dann  jene  Schlufsdefinition  scheinbar  selbst  wieder  in  Zweifel  gezo- 
gen und  ironisch  behandelt  wird,  darauf  hätte  Hr.  St.  in  der  That 
kein  Gewicht  legen  sollen,  da  er  doch  selber  die  Bedeutung  ähnlicher 
zurückschreitender  Schlufsweudungen  im  Lysis,  Charniides ,  auch  Eu- 
thydemos  so  trefflich  zu  beleuchten  gewust,  und  zwar  um  so  weniger, 
da  schon  Hermann  a.  a.  0.  jener  Misdeutung  so  schlagend  vorge- 
beugt hat.  Jene  skeptische  Wendung  soll  nur  darauf  hinweisen,  an 
jene  Erklärung  auch  wirklich  den  richtigen  Mafsstab  anzulegen  und 
sie  nicht  selbst  wieder  auf  den  Standpunkt  der  gemeinen  Frömmigkeit 
herabzuziehn,  wo  das  Opfern  und  Beten  allerdings  eine  blofse  Mäke- 
lei zwischen  Göttern  und  Menschen  ist.  Nur  dieser  letztern  gilt  die 
Ironie.  Sie  glaubt  den  Göttern  mit  ihren  Opfern  gutes  zu  erweisen 
und  erwartet  dafür  desto  gröfsere  Gegendienste  von  ihnen.  So  wird 
die  Niedrigkeit  des  Sinnes  aufgedeckt,  in  welchem  vorhin  p.  6  E  Eu- 
thyphron  das  fromme  für  das  gottgefällige  erklärt  hatte. 

Hinsichtlich  der  Apologie  ist  es  Hrn.  S  t  e  i  n  h  a  r  t  s  Verdienst, 
zum  erstenmale  recht  bestimmt  diejenigen  Gedanken  herausgehoben 
zu  haben,  welche  eigenlhümlich  platonisch  und  nicht  mehr  rein  sokra- 
tisch  sind.  So  S.  241  die  leise  Anerkennung  der  Naturphilosophen 
p.  19  C,  S.  243  das  fluchtige  Hingleiten  über  den  Punkt  der  Anklage, 
welcher  von  Sokrates  Feindschaft  gegen  den  populären  Götterglauben 
handelt,  und  die  Zurückführung  dieses  Anklagepunktes  auf  den  Glau- 
ben an  Götter  überhaupt  p.  26  f.,  endlich  die  Unsterblichkeitslehre 
(S.  246).  Um  so  weniger  hätte  aber  Hr.  St.  auf  Asts  Einwurf  gegen 
die  Echtheit  des  Werkes,  Sokrates  erscheine  hier  abweichend  vom 
Phaedon  als  Skeptiker,  die  Antwort  geben  sollen,  es  finde  hier  nur 
jene  gewöhnliche  Redeweise  statt,  ^  nach  welcher  der  redende  seine 
eigne  Ansicht  dadurch  in  ein  helleres  Licht  zu  stellen  liebt,  dafs  er 
derselben  die  entgegengesetzte  Meinung  vorausschickt  und  dann  dem 
Hörer  zum  Scheine  die  Wahl  zwischen  beiden  läfst,  während  er  ihm 
doch  durch  die  Stellung  der  Sätze  und  durch  die  Art,  wie  er  von  bei- 
den redet,  sein  eignes  Urtheil  klar  genug  zu  erkennen  gibt.'  Mir 
will  es  scheinen,  als  ob  man  diese  Redeweise  doch  nur  gebrauchen 
kann,  wenn  mau  seine  eigne  Ansicht  eben  nur  als  eine  unmafsgeb- 
liche,  als  eine  noch  erst  zu  begründende  hinstellen  will.  Näher 
hätte  wohl  die  Antwort  gelegen ,  dafs  hier  eben  eine  durch  die  Ein- 
kleidung gebotene  Anbequemung  an  den  Standpunkt  des  historischen 
Sokrates  stattfindet,  welchem  wohl  höchstens  eine  solche  skepti- 
sche Form  dieser  Lehre  sich  zumutheu  liefs.  S.  Her  mann  a.  a.  0. 
S.  529.  Zugleich  liegt  aber  auch  darin,  dafs  dem  Piaton  selbst,  wie 
aus  der  gleichfalls  skeptischen  Wendung  iniMenon  zu  ersehn  ist,  dieses 

iV  Jahrb.  f.  Phil.  ii.  Paed.    Bd.  LXVII.  Hfl.  4  28 


426  Müller  u.  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.   Ir  a.  2r  Bd. 

Dogma  dermalen  wohl  in  seiner  innern  Ueberzeugung,  aber  noch  kei- 
neswegs in  wifsenscha Etlicher  Begründung  feststand.  Dafs  sich  der 
Phaedon  bestimmter  aulsert,  beweist  eben  nur  den  entwickeitern 
Standpunkt,  welchen  Piaton  in  demselben  einnimmt. 

Nach  alle  dem  steht  es  aber  nun  endlich  fest,   dafs  die  Apologie 
nicht,    wie  Schleiermacher  wollte,    die  wirklich  vom  Sokrates 
gehaltene  Vertheidigungsrede,  sondern  dafs  sie  vielmehr  nach   Hrn. 
Stein harts  geistreicher  Bemerkung  (S.  236)  mit  den  Heden  zu  ver- 
gleichen ist,  welche  die  alten  Historiker  ihren  Werken  einzullechten 
liebten.     Es  ist  ein  frei  geschaffenes   Kunstwerk,   welches  aber  die 
wesentlichen  historischen  Grundzüge  von  Sokrates  Persönlichkeit,  nur 
in   künstlerisch   idealisierter   Weise   wiedergibt.      Ihren    Zweck    be- 
stimmt der  Hr.  Verf.   mit  Hermann  dahin,  die  vereinzeilen  Strahlen 
der   sokratischen  Thätigkeit  in   einem  abschliefsenden   Gesammtbilde 
zu  vereinigen   und  so   den  Gegensatz  der  Principien  darzustellen,  in 
welchen  Sokrates  gegen  die  verschiedenen  Zeitrichtungen  treten  muste 
(S.  281  Anm.  4).     Nur  hätten   wir  S.  234  f.  gern  mehr  im  einzelnen 
hervorgehoben  gesehn,  dafs  eben  vermöge  der  idealen  Auifafsung, 
und  je  mehr  Piaton  in  seinem  bisherigen  Streben  sich  noch  wesentlich 
eins  mit  seinem  Meister  fühlte ,   diese  Anschauung  zugleich  zu  einem 
Ueberblick  über  seine  eigne  Thätigkeit  wird,  ihm  seinen  eignen  prin- 
cipiellen  Gegensatz  gegen  die  Zeitrichtungen  in  gröfserer  Schärfe  zum 
Bewustsein  bringt  und  so  zugleich  Keime  neuer  Entwicklungen  hervor- 
ruft.   Solch  ein  vorbildender  Keim  ist  zunächst  für  den  Gorgias  alles, 
was  hier  gegen  die  falsche  Rhetorik  gesagt  wird  (z.  B.  p.  34  D  ff.): 
St.  S.  239,  womit   übrigens   Böckhs  von  Hrn.    St.  S.  237  aufgenom- 
mene Vermuthung,  dafs  die  Apologie  ein  würdigeres  Gegenstück  zu 
der  vom  Lysias   dem  Sokrates  angebotenen   Vertheidigungsrede  sein 
solle,  recht  wohl  übereinstimmt.     Aber  überhaupt  bildet  der  Gegen- 
satz des  wahrhaften  Philosophen   Sokrates  gegen  alle  sonstigen  Be- 
strebungen  die  Gegenüberstellung  eines   dem  guten  und  ewigen  und 
eines  der  llüchtigen  Lust  des  Augenblicks  geweihten  Lebens,   wie  sie 
im  Gorgias  auftritt,  unmittelbar  vor,  die  sich  dann  im  Theaetetos  zu 
einer  noch  idealeren  Höhe  entfaltet.     Hr.  St.  selbst  macht  S.  243  dar- 
auf aufmerksam,  dafs  hier  der  Gegensatz  des  still  wirkenden  Philo- 
sophen und  des  Politikers  in  seinen  ersten  Zügen  hervortrete;  er  kehrt 
dabei  aber  nur  die  allgemeine  historische   Bedeutung  dieses  Gegen- 
satzes heraus,  nicht  den  Einilufs  auf  Piatons  Entwicklung.     Nicht  min- 
der steht  die  Wärme  der  Ueberzeugung,    mit  welcher  hier  die  Un- 
sterblichkeit ausgesprochen  wird,  zwischen  der  Art,  wie  sie  im  Me- 
non  und  wie  sie  im  Gorgias  erscheint,  mitten  inne  und  bekundet  die 
Einwirkung,  welche  die  Geistesgröfse,  mit  der  Sokrates  dem  Tode 
entgegengieng,  auf  sie  ausgeübt  hat.    In  der  Schilderung  der  Thätig- 
keit des  Sokrates  als  eines  dem  Dienste  des  Gottes  zur  Veredlung  der 
Menschen  geweihten  werden  wir  nach  dem  vorigen  nicht  mit  Hrn.  St. 
S.  244  einen   Rückblick  auf  den  wahrhaften  Gottesdienst  im  Euthy- 
phron,  vielmehr  gleichfalls  einen   Keim   desselben  erkennen.    Durch 


Maller  u.  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.    Ir  u.  2r  Bd.    427 

die  Beseitigung  der  vum  llru.  Verl',  angenommenen  Abfafsungszeit  des 
Euthyphron  wird  es  nutiiiiühr  auch  möglich  sein,  entschiedener,  als 
es  S.  "li'i  f.  geschieht,  darauf  xu  bestehen,  dal's  IMaton  ein  gut  Theil 
von  seinen  eignen  religiösen  Ansichten,  namentlich  die  verdeckte 
Polemik  gegen  die  Volksreligion  bereits  in  der  Apologie  in  das  Bild 
des  Sokrates  hinübergetragen  habe. 

Ueberhaupt  legt  der  Hr.  Verf.  bei  seiner  Bestreitung  Sohl  ei  er- 
machers  auf  das  specilisch  platonische  in  der  Apologie  weniger  Ge- 
wicht, als  auf  andere  minder  entscheidende  Gründe,  S.  235  f.  Dal's  in 
den  dürftigen  Berichten  in  Xenoph.  Mem.  über  die  vom  Sokrates  ge- 
haltene Vertheidigungsrede  wirklich  Abweichungen  von  dem  hier  aus- 
gesprochenen vorkamen,  darüber  vermil'se  ich  die  Belege.  Die  Un- 
sicherheit der  pseudoxenophontischen  Apologie  als  Geschichtsquelle 
räumt  Hr.  St.  selber  ein.  Wenn  es  endlich  heilst,  dafs  es  dem  Piaton 
nicht  um  einen  wortgetreuen  Bericht  zu  thun  sein  konnte,  weil  sich 
erwarten  liefs,  dafs  die  von  vielen  treuen  Anhängern  vernommenen, 
wirklich  gehaltenen  Vertheidigungsreden  noch  lange  sich  in  fester 
Ueberlieferung  von  Mund  zu  Mund  erhalten  würden,  so  ist  zu  ent- 
gegnen, dafs  es  an  sich  gar  kein  Piatons  unwürdiger  Gedanke  gewe- 
sen wäre,  auch  der  spätem  Nachwelt  dies  historische  Documeut  zu 
bewahren.  Nur  darin  stimmt  Kef.  bei,  dafs  Sokrates  wahrscheinlich 
Mie  einzelnen  Anklagepunkte  ausführlicher  und  mit  Hervorhebung 
entlastender  Thatsachen  aus  seinem  Leben,  wie  deren  Xenophon  (bes. 
Mem.  I,  1,  2)  mehrere  anführt,  widerlegt  haben  wird'. 

Den  Kriton  betrachtet  Hr.  St.  mit  Recht  als  ein  p]rgänzungs- 
stück  zur  Apologie,  als  ein  Zeugnis  für  Sokrates  Bürgertugend  und 
seine  Gerechtigkeit  in  Bezug  auf  die  bestehenden  Gesetze,  als  einen 
Beweis  dafür,  dafs  der  in  der  Apologie  erörterte  Gegensatz  gegen 
die  Demokratie  ihn  doch  nie  zum  Ungehorsam  gegen  die  Gesetze  der- 
selben verleitet,  dafs  er  vielmehr  in  den  positiven  und  namentlich  in 
den  athenischen  Gesetzen  ein  Abbild  des  göttlichen  Vernunftrechts 
erkannt  habe.  Hinter  dieser  persönlichen  Frage  verbirgt  sich  aber 
wieder  die  allgemeinere  und  wil'senschaftlichere  nach  dem  rechten 
Verhältnis  des  Staatsbürgers  zum  Staatsganzen.  Zu  diesem  Zweck 
stellt  das  Gespräch  im  ersten  Theile  (bis  p.  50  A)  den  Mafsstab  der 
absoluten  Verwerflichkeit  alles  Unrechtthuns,  auch  gegen  den  eignen 
Beleidiger  auf,  um  ihn  dann  im  zweiten  auf  dies  besondere  Verhält- 
nis anzuwenden.  Der  Hr.  Verf.  ist  der  erste,  welcher  nach  diesem 
allgemeinen  Schema  den  Bau  des  kleinen  Gespräches  vortrefflich  de^ 
tailliert  hat,  S.  296 — 302.  Mit  Hecht  hebt  er  S.  299  nach  Hermanns 
Vorgange  (a.  a.  0.  S.  473  f.)  jenen  absoluten  Mafsstab  als  ein  weit 
über  den  historischen  Standpunkt  des  Sokrates  hinausgehendes  3Ioral- 
princip  hervor  (s.  die  Citate  bei  Hermann  S.  632  Anm.  377)-  Da  er 
aber,  abweichend  von  Hermann,  dem  Piaton  selbst  schon  früher 
eine  absolute  Theorie  der  Ethik  beigelegt  hat  (s.  das  zum  Protag.  be- 
merkte), so  hätte  er  sich  nicht  damit  begnügen  sollen,  hier  einfach  die 
Grundlage  der  tiefer  gehenden  Erörterungen  im  Gorgias  zu  erblicken, 

28* 


428  Müller  u.  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.  Ir  u.  2r  Bd. 

vielmehr  hinzufügen  sollen,  dafs  sich  allerdings  in  den  bisherigen 
Schriften  und  selbst  noch  im  Menon  nirgends  mit  solcher  Bestimmtheit 
und  Klarheit  jener  absolute  Mafsstab  ausgesprochen  ündet.  Mit  Kecht 
gesteht  dagegen  der  Hr.  Verf.  Hermann  das  Verdienst  zu,  zuerst  auf 
die  Zusammengehörigkeit  des  Kriton  mit  dem  Gorgias  aufmerksam 
gemacht  zu  haben  (S.  303  und  325  Anm.  18):  die  Entwicklung  des 
Begriffs  der  Gerechtigkeit,  an  welchem  hier  nur  eine  Seite  hervor- 
gehoben werde,  sei  eine  der  wesentlichsten  Aufgaben  des  Gorgias. 

Auch  hier  hätte  übrigens  Hr.  St.  das  speciüsch  platonische  ge- 
nauer zur  Widerlegung  Sciil  ei  er  mach  e  r  s  geltend  maclien  können, 
welcher  auch  den  Kriton,  ähnlicli  wie  die  Apologie,  als  treue  Wie- 
dererzählung eines  wirklich  vom  Sokrates  geführten  Gespräches  an- 
sieht. Was  er  im  übrigen  hiergegen  bemerkt,  S.  324  f.  Anm,  10.  16, 
ist  gewis  richtig.  Eben  so  behauptet  er  mit  Grund,  dafs  eine  er- 
schöpfende wifsenschaftliche  Erörterung  des  fraglichen  Gegenstandes 
bei  dem  Vorwiegen  der  apologetisciien  Tendenz  und  gemäfs  der  gan- 
zen Einkleidung  nicht  möglich  war.  Genauer  hätte  aber  vielleicht  er- 
innert werden  können,  dafs  Piaton  eine  Collision  des  göttlichen  und 
des  positiven  Rechtes  in  vielen  Füllen  gewis  damit  nicht  hat  leugnen 
wollen  und  gewis  unter  solchen  Umständen  empfohlen  haben  würde, 
Gott  mehr  zu  gehorchen  denn  den  Menschen.  Nahe  liegt  auch  die 
Frage,  wie  es  doch  möglich  ist,  dafs  die  positiven  Gesetze  überhaupt 
ein  Abbild  des  Vernunftrechtes  seien,  da  doch  die  Gesetzgeber  sicher- 
lich nicht  von  der  Vernunflerkenntnis  geleitet  waren,  und  man  hat 
hierin  die  sichere  Gewähr,  dafs  Piaton  den  im  Menon  gewonnenen 
Boden  einer  den  grofsen  Staatsmännern  einwohnenden  Gottbegeiste- 
rung und  richtigen  Vorstellung  trotz  der  herberen  Urtheile,  welche  er 
im  Gorgias  über  sie  fällt,  doch  im  wesentlichen  keineswegs  wieder 
aufgegeben  hat. 

Mit  einem  höchst  glücklichen  und  einsichtigen  Blicke  ist  der  Hr. 
Verf.  in  das  innere  Getriebe  des  Gorgias  eingedrungen.  Nach  einem 
lichtvollen  Ueberblick  über  die  bisherigen  Auffafsungen  S.  337  —  341 
findet  er  in  dem  Ideal  einer  höchsten,  vollkommensten,  jedes  wahr- 
hafte Wifsen  und  jede  echte  Kunst  in  sich  fafsenden  ethisch  -  politi- 
schen Lebenskunst  S.  341 — 346  den  Mittelpunkt  des  Werkes.  Dann 
mifst  er  nach  diesem  Grundgedanken  S.  346 — 3J6  vortrefflich  die  Wahl 
und  Charakteristik  der  Personen  ab  und  erkennt  in  den  drei  Mitunter- 
rednern die  Vertreter  der  falschen  Lebenskunst  in  ihrer  Abstufung 
von  den  mildesten  Anfängen  bis  zu  den  sittenlosesten  Consequenzen. 
Besonders  neu  und  verdienstlich  ist  es  dabei,  dafs  er  zuerst  gezeigt 
hat,  wie  auch  Kallikles  keineswegs  ein  schlechter  Mensch  ist,  viel- 
mehr von  einem  (wenn  auch  vornehm  herablafsenden)  Wohlwollen 
gegen  Sokrates  und  noch  nicht  ganz  unempfänglich  gegen  die  Macht 
der  Wahrheit,  so  wenig  er  es  sich  auch  gestehen  will  (p.  513  C). 
Es  geht  ihm  'wie  so  vielen,  welche  ein  fehlerhaftes  Princip  in  der 
Theorie  bis  in  seine  äufsersten  Consequenzen  verfolgen,  im  Leben  aber 
viel  befser  sind  als  ihre  Grundsätze'  (S.  353). 


Müller  II.  Steinhart:  Plalons  sämmlliche  Werke.    Ir  u.  2r  Bd.  429 

S.  357  360  foij^f  die  '  aestliotisrhc'  und  S.  360—387  die  '^phi- 
losophische'' Gliederung  des  Gespräches.  Hef.  kann,  beiliinfiff  be- 
merkt, mit  diesen  von  Hrn.  St.  öfter  g-ewählten  Bezeichniinpen  sich 
nicht  befreunden.  Unter  der  erstem  Rubrik  wird  ja  in  Wahrheit  nur 
die  Composilion  im  ganzen  und  grofsen ,  unter  der  zweiten  das  De- 
tail abgehandelt.  Sehr  richtig  spaltet  Hr.  St.  die  gewöhnliche 
Zweitheilung,  deren  Grenzscheide  die  Theilnahme  des  Kallikles  am 
Gespräche  bildet,  noch  wieder  in  eine  Fiinftheilung.  Der  erste  Haupt- 
abschnitt (bis  p.  481  B) ,  welcher  mehr  eine  vorbereitende  Bedeutung 
hat,  umfal'st  die  Unterredung  mit  den  beiden  Sophisten  und  sondert 
sich  äufserlich  schon  durch  das  gänzliche  Zurücktreten  des  Gorgias 
p.  ^66  A  in  zwei  Unterabtheilungen.  In  der  ersten  wird  das  Wesen 
der  falschen  Redekunst  besprochen,  zuletzt  aber  allgemeiner  auf  die 
Künste  des  Scheins  überhaupt  übergegangen,  in  der  zweiten  der  ab- 
solute Werth  der  Gerechtigkeit,  welche  die  Grundlage  aller  wahren 
Lebenskunst  ist,  erhärtet  und  der  Boden  für  die  Unterscheidung  des 
guten  und  angenehmen  gewonnen.  Das  Gespräch  mit  dem  Kallikles 
führt  zunächst  darauf,  dafs  Kallikles  die  Sache  des  Scheins  und  der 
Lust  auf  die  Spitze  treibt  (bis  p.  492  D) ,  sodann  zweitens  Sokrates 
sie  durch  die  wirkliche  Unterscheidung  des  guten  und  angenehmen 
niederschlägt  (bis  p.  505  D),  endlich  aber  —  und  dieser  letzte  Ab- 
schnitt markiert  sich  dadurch,  dafs  Sokrates  eine  Zeit  lang  die  Rolle 
des  Fragens  und  Antwortens  zugleich  übernimmt  —  wird  dieser  Un- 
terschied wirklich  im  einzelnen  und  auf  die  bisherigen  Untersuchun- 
gen angewandt,  am  Schlufse  aber  auf  einen  noch  tiefer  im  Hinter- 
grunde liegenden  Gegensatz,  den  des  zeitlichen  und  ewigen,  in  dem 
Mythos  von  der  Unsterblichkeit  hingewiesen. 

Den  schlagendsten  Punkt  für  das  höhere  Alter  des  Menon  hebt 
Hr.  St.  S.  361  hervor:  'der  erste  Theil  (des  Gorgias)  bezeichnet  so- 
gleich den  richtigen  Standpunkt  der  ganzen  Untersuchung,  indem  er 
anf  den  im  Menon  erörterten  Unterschied  zwischen  dem  \^'ifsen  und 
der  Vorstellung  zurückweist.'  Derselbe  gestaltet  sich  sodann  in  Be- 
zug auf  die  Mittheilung  hier  zum  Gegensatze  einer  blofsen  Ueberre- 
dung,  welche  lediglich  Glauben,  und  einer  belehrenden  Ueberzeugung, 
welche  ein  Wifsen  hervorruft.  Dafs  dagegen  hier  zwischen  öo'^a  und 
möTig  noch  ein  Unterschied  gemacht  werde,  kann  ich  nicht  finden. 
Wird  doch  beiden  nur  ein  gemeinsamer  Gegensatz,  die  iniörrj^rj  oder 
(i,ad-})6ig  (erlerntes  Wifsen)  gegenübergestellt.  Seltsam  wäre  es  auch, 
wenn  diese  Unterscheidung  schon  im  Theaefetos,  welcher  so  gründ- 
Hch  das  gesammte  theoretische  Geislesleben  mustert,  wieder  verloren 
gegangen  sein  sollte,  und  das  müste  man  doch  nach  des  Hrn.  Verf. 
eigner  Bemerkung  Bd.  III  S.  99  annehmen,  wo  es  heifst,  dafs  erst  die 
Republik  zwei  wichtige,  im  Theaetetos  noch  nicht  berührte 
psychische  Momente,  mang  und  einaaia^  hinzuhringe.  Endlich  hat  Hr. 
St.  auch  nicht  einmal  anzugeben  versucht,  wie  und  worin  sich  denn 
nicxig  und  ö6^<x  im  Gorgias  unterscheiden. 

Man  kann  hinzufügen ,    dafs  sich  der  erste  Hauptabschnitt   des 


430  Müller  u.  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.  Ir  u.  2r  Bd. 

Gorgias  mit  seiner  Scheidung  wesentlicher  und  unwesentlicher  Giiter 
p.  467  E  f.  und  seiner  blofs  factischen  Verschiedenheit  des  guten  und 
angenehmen  p.  475  in  einer  ähnlichen  blofs  formalen  Haltung  bewegt, 
wie  die  Definition  der  Tugend  im  Menon  als  Weisheit  im  nützlichen 
Gebrauche  der  Lebensgüter.  Die  letztere  läfst  noch  dazu  eine  sophi- 
stische Auslegung  zu,  je  nachdem  man  das  absolute,  höchste  Gut  da- 
bei zum  Mafsstabe  nimmt  oder  nicht.  Erst  durch  die  Unterscheidung 
des  guten  und  angenehmen  erhält  diese  Form  des  höchsten  Gutes  selbst 
auch  einen  realen  und  absoluten  Inhalt. 

Eine  genauere  Beachtung  hätte  wohl  der  nahe  liegende  Einwand 
verdient,  ob  nicht  die  Unsterblichkeitslehre  im  Menon,  weil  sie  einen 
wifsenschaftlicheren  Charakter  an  sich  trägt,  später  sein  müfse  als 
die  rein  mythische  des  Gorgias.  Indessen  läfst  sich  dies  wohl  aus  der 
vorwiegend  praktischen  Haltung  des  Gorgias  erklären.  Der  Ton  leben- 
digerer Ueberzeugung  im  Gorgias  (vgl.  p.  523  A  mit  Men.  p.  86  B) 
ist  auch  Hrn.  St.  S.  121  nicht  entgangen.  Bestimmter  liegt  in  der  Be- 
stimmung des  Todes  als  Trennung  des  Körpers  von  der  Seele  die  Un- 
terscheidung eines  rein  körperlosen  und  eines  körperlichen  Daseins 
derselben,  als  im  Menon  p.  86  A. 

Man  sollte  denken,  es  hätte  nahe  gelegen,  zumal  bei  der  orphisch- 
pythagoreischen  Bezeichnung  des  Körpers  als  Grabes  der  Seele  p.  493 
A,  die  Zwiespältigkeit  des  Seelenlebens  in  einen  vernünftigen  und 
sinnlichen  Theil  (vgl.  bes.  p.  493  B)  mit  ihrer  Einsargung  in  den  Kör- 
per zusammenzubringen  und  das  ruhelose  Fluctuieren  des  dem  materiel- 
len zugewandten  Theiles  von  der  gleichgearteten  Beschalfenheit  die- 
ses letzteren  —  mit  Herakleitos  —  abzuleiten.  Allein  man  sieht  hier 
recht  lebhaft,  wie  weit  der  speculative  Hintergrund  noch  in  der  Ent- 
wicklung zurück  ist. 

Erwägungen  dieser  Art  würden  das  fast  unbeschränkte  Lob  des 
Hrn.  Verf.  gemäfsigt  und  ihn  namentlich  auch  bewogen  haben  manche 
Ausdrücke  zu  vermeiden,  welche  leicht  dazu  verleiten  können,  eine 
gröfsere  speculative  Tiefe  zu  suchen.  So  S.  379:  'die  Sphaere  des 
angenehmen  gehört  dem  ewigen  Flufse  des  Werdens,  die  des 
guten  dem  ewig  unwandelbaren  Sein  an,  wie  es  die  Eleaten  im 
Gegensatz  e  zu  Herakleitos  au  fs  teilten'.  SoS.  386  in  der 
sonst  vortrefflichen  Bemerkung:  'diese  Idee  der  ewigen  Vergeltung 
steht  in  der  genauesten  Verbindung  mit  der  vorher  angedeuteten  Idee 
der  durch  die  ganze  sinnliche  und  natürliche  Welt  herschenden  Har- 
monie, indem  beide  den  beiden  Haupttheilen  der  wahren  Staafskunst 
entsprechen ;  die  Gesetzgebung  nemlich  findet  ihr  Urbild  und  ihre 
höchste  Bewährung  in  den  Gesetzen,  durch  welche  das  Universum  re- 
giert wird,  die  Becbtspflege  aber  oder  die  strafende  Gerechtigkeit  des 
Staates  ist  ein  Ausflufs  jener  ewigen,  göttlichen  \Veltordnung,  welche 
die  unslerbliche  Seele  auch  nach  dem  Tode  noch  die  Folgen  ihres  ir- 
dischen Thuns  empfinden  läfst.  So  erscheint  das  Gebiet  der  ethischen 
Lebenskunst  nach  Zeit  und  Baum  als  ein  Glied  einer  unendlichen  Beihe-, 
das  endliche  findet    im  unendlichen,    das  zeitliche  im  ewigen  seine 


Müller  u.  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.    Ir  ii.  2r  Bd.    431 

Regnindiing''.  Niemand  beffroift,  wie  eiinnal  die  menschliche  fiebens- 
kiinst  hiofses  Abbild  der  ^yötllichen  Wellregieninf?  und  doch  wieder 
Glied  einer  unendlichen  Reihe  sein  kann.  Was  soll  man  sich  unter 
dieser  Sinendlichen  Reihe'  denken?  Anstatt  sieh  selber  so  unklar  aus- 
zudrücken, hiitte  die  Erklarun<r  vielmehr  die  Unklarheit  des  Schrift- 
stellers hervorheben  sollen.  Ganz  riciifij,'^  hat  Hr.  St.  S.  382  f^esehen^, 
dafs  die  Weltharmonie  im  Gorgias  pythagoreischen  Ursprungs  ist  — 
das  einzige  schon  hier  tiefer  eingreifende  ältere  Philosophen»  —  ;  ganz 
richtig  verbindet  er  mit  ihr  die  ewige  Vergeltung,  ja  er  hätte  noch 
entschiedener  herauskehren  dürfen,  dafs  eben  damit  auch  die  posi- 
tive Weltordnung  vom  blofs  natürlichen  Gebiete  auch  auf  das  sitt- 
liche übertragen  wird.  Diese  Weltharmonie  ist  das  eigentliche  Werk 
der  Götter,  aber  noch  weifs  man  weder,  was  Götter  sind  noch  was 
Weltharmonie,  noch  wie  sie  realisiert  wird.  Hier  ist  der  Punkt,  wo 
der  Euthyphron  den  Gorgias  Avieder  aufnimmt,  ohne  selber  die  Sache 
zur  vollen  Entscheidung  zu  führen,  und  wo  die  Ideenlehre  und  die 
Lehre  von  der  Wellseele  eingreift. 

Während  sonst  immer  die  Tugenden  auf  die  GO(pLa  ((pQovrjßig') 
zurückgeführt  werden ,  so  hier  p.  507  vielmehr  auf  die  0(Ofp(ioGvvt]. 
Hr.  St.  meint  S.  377,  die  Beweisführung  bequeme  sich  hier  dem  Stand- 
punkte des  Kallikles  an,  welcher  blofs  Klugheit  und  Tapferkeit  für 
Tugenden  gelten  läfst,  freilich  mit  der  unsittlichsten  Auftafsung  von 
der  Welt;  Sokrates  begnüge  sich  daher  ihm  nachzuweisen,  dafs  auch 
Besonnenheit  und  Gerechtigkeit  Tugenden  seien.  Nur  diese  fafse  er 
deshalb  in  ihrer  strengsten  Bedeutung,  Klugheit  und  Tapferkeit  lafse 
er  im  populären  Sinne  stehen.  Im  populären  Sinne?  d.  h.  also  in  der 
unsittlichen  Bedeutung,  wie  sie  Kallikles  fafsti  Die  Sache  ist  viel- 
mehr einfach  so.  Nachdem  Kallikles  die  einsichtigen  für  die  besten 
erklärt  hat,  fragt  Sokrates  sofort,  ob  dieselben  nicht  mit  den  beson- 
nenen identisch  seien  (p.  491  D);  Kallikles  dagegen  behauptet,  viel- 
mehr mit  den  zügellosen;  er  wird  hierauf  widerlegt  und  dadurch  of- 
fenbar der  vom  Sokrates  vorbin  angedeutete  richtige  Standpunkt  wie- 
derhergestellt, so  dafs  also  die  Tugenden,  wenn  sie  mit  der  Beson- 
nenheit eins,  es  eben  dadurch  auch  mit  der  Weisheit  sind.  Es  han- 
delt sich  hier  eben  nur  um  die  Identität  der  praktischen  Tugenden 
untereinander,  ihr  Zurückgehen  auf  die  Weisheit  wird  bereits  aus 
frühern  Darstellungen  als  genauer  bewiesen  vorausgesetzt.  Im  übri- 
gen findet  Hr.  St.  S.  382  mit  Recht  das  gegenseitige  Verhältnis  sämmt- 
licher  Tugenden  tiefer  begründet  als  im  Protagoras,  vergifst  aber 
hinzuzusetzen,  worin  diese  tiefere  Begründung  bestehe.  Nach  dem 
Protagoras  sollten  die  Tugenden  weder  quantitative,  noch  qualitativ- 
organische Theile,  noch  endlich  blofse  Namen  der  einen  und  allge- 
meinen Tugend  sein.  Es  bleibt  nur  übrig,  dafs  sie  sich  nach  den  ver- 
schiedenen Relationen  unterscheiden,  unter  welchen  die  eine  und  un- 
theilbare  Tugend  aufgefafst  werden  kann.  Vielleicht  liefse  sich  dieser 
Gesichtspunkt  recht  w  ohl  hier  nachw  eisen :  Beziehung  des  Subjects  auf 
sich  selbst  (Besonnenheit)  und  auf  andere  (Gerechtigkeit),  beide  in 


432     Müller  u.  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.    Ir  u.  2r  Bd. 

ähnlichem  Verhältnis  zur  Tapferkeit  wie  die  Gesetzgebung  zur  Rechts- 
pflege: jene  constiluierend,  diese  nachhelfend. 

Hinsichtlich  der  Darstellungsform  hebt  der  Hr.  Verf.  S.  355  den 
ungescheuten  Gebrauch  fortlaufender  Reden  im  Munde  des  Sokrates 
hervor,  aber  die  wichtige  Form  des  philosophischen  Selbstgespräches 
p.  505  E  ff.  ist  nicht  beachtet  (s.  oben  zum  Ion).  Auch  das  Zurück- 
treten des  dramatischen  Elements  im  Menon  und  Gorgias  hätte  wohl 
als  Zeichen  gröfserer  Verliefung  des  Inhalts  geltend  gemacht  werden 
können,  obwohl  hierin  kein  absoluter  Mafsstab  liegt. 

Die  Einleitung  zum  Kratylos  bedauert  Ref.  als  mislungen  be- 
zeichnen zu  miifsen.  Erst  der  ausgezeichneten  kleinen  Schrift  von  Jul. 
Deuschle:  die  platonische  Sprachphilosophie ,  Marburg  1852,  4  ist 
es  bald  nachher  gelungen,  den  verwickelten  Gang  dieses  Dialogs  auf- 
zuhellen. Hinsichtlich  der  voraufgeschickten  geschichtlichen  Ueber- 
sicht  über  die  Sprachphilosophie  vor  Piaton  S.  531 — 543  kann  ich 
mich  lediglich  auf  die  Polemik  des  letzteren  S.  52—  54  berufen.  Was 
aber  den  Zweck  des  Gespräches  betrilTt,  so  gibt  Hr.  St.  denselben 
S.  572  dahin  an,  Piaton  habe  allen  Anhängern  einseitiger  Theorien 
über  Entstehung  und  Bedeutung  der  Sprache  und  über  ihr  Verhältnis 
zu  den  Gegenständen  selbst,  so  wie  zu  unsern  Vorstellungen  und 
Begriffen  eine  Ansicht  entgegenstellen  wollen,  durch  welche  er  neben 
dem  sinnlichen,  blofs  nachbildenden  Elemente  der  Sprache  ihr  geisti- 
ges, die  Idee  ausdrückendes  Wesen  erkannte,  andererseits  aber  dar- 
that,  dafs  Idee  und  Wort  sich  nicht  immer  vollständig  decken,  dafs 
daher  die  Dialektik  durch  die  mitunter  falsch  gewählten  Wortbezeich- 
nungen der  Ideen  sich  nicht  dürfe  fefseln  und  zu  Irthümern  hinreifsen 
lafsen.  Der  Gegenstand  der  Untersuchung  ist  auf  diese  Weise, 
wenn  auch  in  einem  weitern  dialektischen  Interesse,  einzig  und  allein 
die  Sprache;  Hr.  St.  vermag  daher  im  Dialog  nicht  eine  Begründung, 
sondern  höchstens  eine  Vorbereitung  der  Ideenlehre  zu  erblicken,  und 
es  ist  mithin  natürlich,  dafs  er  das  wirkliche  Auftreten  derselben  am 
Schlufse  mit  Ast  a.  a.  0.  S.  274  f.  für  ein  Hinübergreifen  über  die 
nächste  Aufgabe  des  Gespräches  erklärt  (S.  569).  Dann  wäre  dieser 
Schlufs  in  der  That  ein  unorganisches  Anhängsel.  Allein  auch  diesem 
Werke  fehlt  der  organische  Mittelpunkt  im  strengsten  Sinne  nicht. 
Hr.  St.  hat  eben  übersehn,  wie  innerhalb  des  Dialogs  die  Ideenlehre, 
von  ihren  ersten  Keimen  ausgehend,  allmählich  eine  immer  durchgebil- 
detere Gestalt  gewinnt,  und  wie  nicht  blofs  am  Schlufse  angedeutet 
werden  soll ,  dafs  die  scheinbaren  Widersprüche  der  Sprache  und 
Sprachforschung  vom  Standpunkte  der  Ideenlehre  verschwinden  (St. 
S.  567),  sondern  wie  vom  Anfang  her  die  sprachliche  Betrachtung  an 
die  Keime  dieser  Lehre  anknüpft,  und  wie  vermöge  der  genauem  Be- 
trachtung der  Sprache  zugleich  diese  Keime  allmählich  entwickelt  wer- 
den ,  so  dafs  mit  andern  Worten  eine  Wechselbeziehung  zwischen 
beiden  Seiten,  ein  Herüber-  und  Hinübergehn  stattfindet.  Schon 
Schleiermachers  mit  Unrecht  von  Hrn.  St.  S.  570  ganz  verwor- 
fene Behauptung,    dafs    in  den  Erörterungen  über   Bild   und   Urbild 


Müller  u.  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.    Ir  ii.  2r  Bd.    433 

(p.  423  f.  430  ff.)  die  Sprache  blofses  Bei.spiel  sei,  hat  den  zutreffen- 
den Gedanken  zum  Hinterhalt,  dal's  durch  jene  Erörterungen  aller- 
dings nicht  blofs  die  richtige  Sprachhelraclilung,  sondern  auch  die 
Ideenlehre  begründet  wird. 

Der  Verlauf  ist  nemlich  folgender:  dem  protagoreischen  und  eu- 
thydemischen  Skeplicismus  oder  absoluten  Subjectivismus  (dessen  Un- 
richtigkeit übrigens  mehr  vorausgesetzt  als  bewiesen  wird,  s.  Her- 
mann a.  a.  0.  S.  494)  setzt  Piaton  anfänglich  die  elcatische  ouöi'k, 
d.  h.  ein  objectives  Sein  und  Wesen  der  Dinge  überhaupt  entge- 
gen p.  386  D  ff.  Durch  die  Beispiele  von  verfertigenden  und  gebrau- 
chenden Künstlern  gewinnt  er  dann  die  Annahme  eines  Urbildes,  nach 
welchem  die  ersteren  arbeilen,  mithin  für  den  Wortverferliger  ein 
elöog  des  ovoft«  p.  389  D.  Gemäfs  der  Thatsache,  dafs  die  Sprache 
in  logischer  Beziehung  die  Gattungen  benennt,  mufs  sodann,  wenn 
überhaupt  irgend  welche  Uebereinstimmung  zw  ischen  der  Sprache  und 
den  Dingen  stattlinden  soll,  in  die  ovölu  nothw endig  das  Merkmal  des 
Gattungsbegriffes  hineingetragen  werden.  Gemäfs  der  fernem 
Thatsache,  dafs  die  Sprache  in  phonetischer  Beziehung  zuletzt  auf 
die  Lautelemente  (Buchstaben)  zurückführt,  mufs  eben  in  diesen  die 
ursprüngliche  Bedeutsamkeit  der  ^^'orte  gesucht  werden ,  w  iederum 
zum  Zweck  einer  Coincidenz  müfsen  aber  demnach  ebensowohl  die 
Dinge  auf  Elemente  mit  entsprechender  Classification  zurückgeführt 
werden,  d.  h.  auf  die  Ideen  nach  ihren  verschiedenen  Qualitätsbestim- 
mungen:  p.  424  D  *),  wie  sich  nachher  genauer  ergibt.  Denn  es  zeigt 
sich  näher  in  den  Untersuchungen  über  die  ^ujxi]6ig  schon  p.  423  f., 
dafs  die  Sprache,  um  die  Dinge  zu  bezeichnen,  die  ovö/or  nachahmt. 
So  wird  die  ovöia  zum  allgemeinen  Urbild  der  Dinge.  Endlich  wird 
die  Nachahmung  unter  den  Begriff  der  Qualität  gestellt  p.  430  ff.:  die 
ovöi'o;  wird  mithin  endlich  zum  Wesen  oder  zur  allgemeinsten 
Qualität,  welcher  alle  besondern  Qualitäten  immanent  sind.  Sein 
und  Wesen,  Begriff  und  Urbild  und  Element  —  vollständig  liegen 
alle  Momente  der  platonischen  Idee  vor  uns  da. 

Es  könnte  scheinen,  als  ob  Piaton  selbst  in  den  Fehler  verfallen 
wäre,  aus  der  Sprache  selbst  dialektische  Schlüfse  zu  ziehen,  wäh- 
rend er  doch  gerade  gegen  die  Erkenntnis  der  Dinge  aus  den  Worten 
polemisiert.  Allein  von  vorn  herein  hat  er  ja  das  rein  dialektische 
Princip  der  ovoia  zu  Grunde  gelegt,  alle  weiteren  Schlüfse  hieraus 
sind  also  nicht  sprachlicher,  sondern  dialektischer  Natur. 

Aber  auch  in  Bezug  auf  die  ostensibel  vorliegende  Frage  nach 
der  Sprachentstehung  ist  der  Entwicklungsgang  des  Dialogs  ein  an- 
derer, als  Hr.  St.  annimmt.    Zunächst  wird  der  in  gröfster  Schroffheit 


*)  Ref.  hält  sich  hier  an  die  vortreffliche  Einendation  Stall- 
baum.s.  Die  des  Hrn.  Müller  S.  677  Anm.  75  pa.sst  in  den  ganzen 
Znsammenhang  nicht.  Hr.  Steinhart  findet  hier  den  Sinn,  daf.s  die 
Sprache  alles,  was  den  Tdeenkreis  eines  Volkes  ausmacht,  in  sich  auf- 
nehmen müfse. 


434  Müller  11.  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.    Ir  u.  2r  Bd. 

aufgefafslen  &£6ig  die  eben  so  einseitig  behandelte  cpvöig  gegenüber- 
gestellf.  Zuerst  wird  sie  sogar  rein  objectiv  betrachtet,  darnach  ist 
die  Sprache  unmittelbarer  Ausflufs  von  der  Natur  der  Dinge,  dann 
wird  das  subjeclive  Medium  des  Sprachbildners  oder  Nomotheten  hin- 
eingezogen —  eine  rein  mythische  Persönlichkeit,  wie  Deuschle 
S.  44 — 51  nachweist.  Diese  schroffe  Auffafsung  der  cpvGig,  bei  wel- 
cher die  menschliche  Freiheit  in  der  Sprachbildung  ganz  verloren 
geht,  führt  zu  absurden  Consequenzen  und  Widersprüchen,  deren 
Aufzählung  hier  zu  weitläufig  sein  würde,  namentlich  aber  auch  zu 
der  flachen  Anschauung,  als  ob  jeder,  der  zu  fragen  und  zu  antwor- 
ten versteht,  damit  schon  ein  Dialektiker  wäre,  p.  390  C,  wovon  die 
Wahrheil  nur  die  sein  dürfte,  dafs  die  Sprache  allerdings  Organ  auch 
des  Dialektikers  ist,  mithin  eine  solche  Beschaffenheit  haben  mufs, 
um  die  Ideen  ausdrücken  zu  können.  Die  Beispiele,  welche  hierbei 
von  den  materiellen  Künsten  der  Verfertigung  und  des  Gebrauches 
hergenommen  werden,  dienen  nur  dazu,  um  das  Urbild  des  ö'vO|ita, 
den  Nomotheten,  den  Dialektiker  und  ihr  gegenseitiges  Verhältnis  zu 
gewinnen,  nicht  aber  dazu,  um  den  Unterschied  der  Sprachbildung 
von  den  andern  Künsten  darzulegen,  wie  Hr.  St.  S.  556  f.  durchzufüh- 
ren sucht.  Der  Sprachbildner  wird  unter  die  Aufsicht  des  Dialek- 
tikers gestellt,  d.  h.  wie  die  Sprache  objectiv  ein  Product  der  ovala, 
so  ist  sie  subjectiv  ein  Product  wirklicher  Vernunfterkenntnis.  Mit 
dieser  unrichtigen  Hypothese  schliefst  der  erste  Theil,  welcher  all- 
gemeiner von  der  q)vaig  in  der  Sprachentstehung  handelt.  Mit  Un- 
recht theilt  ihn  Hr.  St.  noch  wieder  in  zwei  Abschnitte,  einen  dia- 
lektisch-grundlegenden und  einen  auf  die  Sprache  angewandten:  die 
nähere  Bestimmung  der  Principienlehre  zieht  vielmehr  nach  dem  obi- 
gen sich  durch  die  ganze  Untersuchung.  Der  Grundirthum  des  Hrn. 
Verf.  ist  übrigens  darin  zu  suchen,  wenn  er  S.  558  den  Sprachbildner 
nach  der  Idee  des  jedesmaligen  Gegenstandes  schauen  läfst  und 
schon  hier  den  Sinn  hineinträgt,  dafs  die  Sprache  nicht  das  natürliche 
Sein,  sondern  den  Begriff  ausdrücke,  während  doch  nur  von  der 
Idee  des  ovofia  und  hinsichtlich  der  Dinge  nur  von  der  ovßia 
die  Rede  ist,  deren  genauere  Bestimmung  erst  im  folgenden  gewon- 
nen wird.  Unrichtig  ist  daher  auch  der  weitere  Schlufs  (S.  559),  dafs 
die  Sprache  ein  mittleres  zwischen  Begriff  und  Erscheinung  sei;  da  es 
eine  Idee  des  ovoficc  gibt,  so  sind  die  vielen  ov6fi,ata  einfach  die  Er- 
scheinungen derselben. 

Der  zweite,  specielle  Abschnitt  weist  nun  in  den  allgemeinen 
Betrachtungen,  mit  welchen  seine  Etymologien  durchwebt  sind,  nach: 
1)  dafs  hinsichtlich  des  logischen  Elements  der  Sprache  die  Ueber- 
einstimmung  derselben  mit  der  Natur  der  Dinge  darauf  zu  beschrän- 
ken ist,  dafs  sie  a)  objectiv  die  Gattungen  bezeichnet,  b)  sub- 
jectiv nicht  aus  der  Erkenntnis,  sondern  nur  aus  der  Vorstellung 
hervorgeht.  Das  letzte,  etwas  verhüllt  angedeutete  Resultat  findet  im 
dritten  Theile  des  Theaetetos  seine  volle  Bestätigung,  wogegen  sich 
Ref.  bei  des  Hrn.  Verf.  Ansicht  (S.  552  f.),  dafs  sie  gemeinsames  Er- 


Müller  u.  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.  Ir  u.  2r  Bd.    435 

Zeugnis  der  Verniinfl  und  der  Einplinduiio;  sei,  nichts  klares  zu  den- 
ken vermag.  Ueherdics  erkennt  ja  Hr.  St.  selbst  S.  565  f.  an,  dafs  im 
zweiten  Theil  des  Theaeletos  dieselbe  Entstehung  des  Irthums  durch 
die  Verwechslung  von  Bildern  von  Seiten  des  Vorstellungsurtheils, 
wie  p.  430  f.,  vorgetragen  wird.  2)  Hinsichtlich  des  phonetischen 
Elements  der  Sprache  ergibt  sich:  a)  objectiv  die  Congruenz  der 
Laut-  und  Dingelemente,  welche  aber  b)  subj  ectiv  wiederum  durch 
die  Vorstellung  richtig  oder  irrig  aufgefalst  sein  kann. 

Der  letzte  Theil  dieser  Erörterung  (2,  b)  greift  aber  (p.  428^ — 
432)  schon  in  den  dritten  Abschnitt  hinüber,  von  wo  ab  Kratylos  der 
Mitsprecher  wird.  Es  ergibt  sich,  dafs  die  qovfftg  nothwendig  durch 
die  als  s&og  oder  ^vv&'^Krj  bestimmte  &iGi,g  ergänzt  werden  mufs,  p. 
435  B  — D. 

Den  vierten  Abschnitt  endlich  beginne  ich  mit  den  Erörterungen 
über  das  Verhältnis  der  Erkenntnis  zur  Sprache  -  -  denn  die  eigent- 
liche Frage  nach  der  Sprachentstehung  ist  ja  nunmehr  abgeschlolsen 
—  p.  435  E,  an  welche  die  über  den  wahrhaften  Gegenstand  der  Er- 
kenntnis, die  Ideen,  ganz  unmittelbar  sich  anschliefsen.  Hr.  St.  da- 
gegen nach  seiner  mangelhaften  Fal'sung  der  Grundidee  nimmt  S.  554 
die  letztern  als  besondern  Abschnitt  (von  p.  439  B  an). 

Von  einer  weitern  Fortbildung  der  Sprache  und  der  Art  dersel- 
ben (St.  S.  569)  ist  im  Dialog  gar  nicht  genauer  die  Rede,  eben  so 
wenig  davon ,  dafs  in  der  ersten  Zeit  ihrer  Ausbildung  die  Phantasie 
(sie!)  noch  mächtiger  war  als  der  Verstand  (!).  Unter  den  frühern 
Erklärern  fehlt  Di  ttrich  Prolegg.  in  Crat.,  s.  D  euschle  S.  72  ff. 

Uebersehn  ist  die  eigentliche  Bedeutung  einer  Masse  wichtiger 
metaphysischer  Winke  innerhalb  der  Etymologien.  Wir  wollen  nur 
die  Hervorhebung  des  anaxagoreischen  vovg  p.  413  A  ff.  400  A  ff.  er- 
wähnen, die  in  einer  Art  geschieht,  dafs  man  so  recht  eine  Ergänzung 
der  eleatischen  ovaia  durch  ihn  wahrnimmt:  nicht  so  gar  undeutlich 
erscheint  er  als  Weltseele  und  als  wirkende  Ursache.  So  empfangen 
wir  über  das  Wesen  des  göttlichen  und  der  Weltharmonie  die  Auf- 
schlüfse,  die  wir  im  Gorgias  und  Euthyphron  vermifsten.  Die  \^'elt- 
seele,  so  scheint  es,  ist  das  göttliche,  welches  die  Idee  der  Endlich- 
keit einprägt,  dieses  Eingeprägtsein  der  Ideen  bildet  aber  eben  die 
Harmonie  der  endlichen  Welt.  Ich  kann  nicht  umhin,  bei  dieser  Ge- 
legenheit auf  den  ganz  übereinstimmenden  Standpunkt  im  Phaedros 
und  die  gänzliche  Abweichung  vom  Sophisten,  wo  der  i'ovg  und  die 
Bewegung  in  die  Ideenwelt  hineinverlegt  sind,  aufmerksam  zu  machen. 
Vgl.  m.  Prodromus  S.  87.  90;  ich  vermag  mir  dies  bisher  nur  durch 
die  Abfafsung  des  Phaedros  vor  dem  Sophisten  zu  erklären. 

Dagegen  sieht  man  noch  gar  nicht,  wo  es  mit  dem  herakleiti- 
schen  Werden  hinaus  will;  am  Schlufse  des  Kratylos  wird  es  eigent- 
lich ganz  negierend  behandelt  und  nicht  einmal  auf  das  materielle  Da- 
sein angewandt.  Der  eigentliche  Unterschied  von  Idee  und  Erschei- 
nung ist  noch  nicht  klar.  Jedesfalls  läfst  der  Dialog  tiefe  Blicke  in 
die  Genesis  der  Ideenlehre  thun. 


486  Müller  n.  Steinhart:  Piatons  sätnmf liehe  Werke.  Ir  u.  2r  Bd. 

Aber   auch    hinsichtlich    der  historischen   Beziehungen    des   Ge- 
sprächs vermag  ich  nicht  mit  Hrn.  St.  übereinzustimmen.    Worauf  sich 
zunächst  die  Behauptung  S.  555  stützt,   der  sophistische  Satz  des  Eu- 
thydemos  werde   mit  der  rein  willkürlichen,  der  des  Protagoras  mit 
der  rein  natürlichen   Sprachentstehung  zusammengebracht,    sehe  ich 
nicht  ab.     Vielmehr  wird  aus  der  absoluten  Subjectivität  des  Be- 
nennens  auf  die  des  Denkens  zurückgeschlofsen ,  dieser  letzlern  aber 
entweder  die  protagoreische  oder  aber  die  euthydemische  Form  zuge- 
schrieben, p.  386.     Daher  ist  auch  kein  Grund,  den  Kratylos  zu  einem 
Protagoreer   zu  stempeln  (mit    Hrn.   St.   S.   540.  546.  549.  550  u.   s. 
w.).    Meines  Wifsens  kennt  ihn   die  Geschichte  nur  als  Herakleiteer. 
Beachtenswerth  ist   ferner,  dafs  Piaton  die  Lehre  des  Protagoras  mit 
der  rein  willkürlichen  Sprachentstehung  nur  in  einen  logischen,  nicht 
in  einen  historischen  Zusammenhang  setzt.    Schwerlich  hat  daher  die- 
ser Sophist  eine  eigne  Sprachtheorie  aufgestellt,  wie  Hr.  St.  S.  572 
meint,  obwohl  auch  Stall  bäum  Opp.  V,  2  p.   16  so  sehr  hiervon 
überzeugt  ist,  dafs  er,  ohne  diese  Vorfrage  nur  zu  berühren,  sogleich 
zu  entscheiden  sucht,   ob  Protagoras   sich  für  die  (pvGig  oder  %i6i,g 
erklärt  habe.     Dafs    vielmehr  dieses  Sophisten  in  grammatischer  Be- 
ziehung erst  dann  erwähnt  wird,  als  es  an  die  Wortableitungen  geht, 
p.  391  A,  läfst  vermuthen,   dafs  Protagoras  das  Princip  des  Werdens 
(wahrscheinlich  in  seiner  L^A^^^fm,  s.  Stallb.  z.  d.  St.),  ähnlich  wie 
auch  wohl  Kratylos  (vgl.   p.  428  C)  durch  solche  Etymologien  zu  er- 
härten   suchte.     Einer   Beweisführung   für  philosophische   Principien 
aus  sprachlichen  Analogien  liegt  nun  stillschweigend   bereits  der  Ir- 
thum  zu  Grunde,  als  liefse  sich  aus  den  Worten  eine  Erkenntnis  der 
Dinge  schöpfen.    Wirklich  herausgetreten  in  ausgesprochener  Weise 
ist  diese  Verwechslung  von  Wort  und  Begriff  aber  erst  bei  den  altern 
Sokratikern,  s.  Hermann  S.  496,  beim  Antisthenes  und  wahrschein- 
lich den  Megarikern.     Gegen  sie  ist  daher  auch  die  betreffende  Pole- 
mik ganz  vorzugsweise  und  im  eigentlichen  Sinne  gerichtet,  und  nicht 
blofs  nebenbei,  wie  Hr.   St.  S.    572  meint.     Nur  darin  hat  er  Becht, 
dafs   die  Bestreitung   der  Unmöglichkeit  des  Irthums  nicht  mit  jener 
Frage,  sondern  unmittelbar  mit  der  vom  Ursprünge  der  Sprache  zu- 
sammengebracht wird.     Man  sieht  übrigens  daraus  um  so  mehr,  dafs 
die  letztere  nur   der  äufsere   Faden  des  Gespräches  ist,    an  welchem 
sich  dann  alle  Fragen,  die  überhaupt  nur  auf  das  Verhältnis  der  Spra- 
che zur  Erkenntnis  Bezug  haben,  aufreihn.    Daher  fehlt  auch  Prodikos 
mit  seiner  Synonymik  nicht. 

Trotz  alle  dem  hat  sich  Hr.  St.  auch  hier  durch  die  zuerst  von 
ihm  angesprochene,  meines  Erachtens  durchaus  richtige  Stellung  des 
Kratylos  vor  den  Theaefetos  (S.  574  f.)  gerechte  Ansprüche  auf  un- 
sern  Dank  erworben. 

Den  dritten  Theil  hoffe  ich  in  einem  der  nächsten  Hefte  zu  be- 
sprechen. Manches  ,  was  ich  hier  hinsichtlich  meiner  eignen  positi- 
ven Ansichten  nur  andeuten  konnte,  hoffe  ich  später  dem  Publicum 
ausführlicher  selbständig  darzulegen.     Den  Hrn.  Verf.  aber  bitte  ich, 


Sillig:  C.  Plini  Secundi  naturalis  historiae  libri  XXXVII.      437 

in  diesen  Blättern  ein  Zeichen  meiner  dankbaren  Hochaclitung-  erken- 
nen zu  wollen. 

Greifswald.  Dr.  Franz  Susemihl. 


C.  Plini  Secundi  naturalis  historiae  libri  XXXVII.  Recensuit  et 
commentariis  criticis  indicibus(jue  instruxit  lulius  Sillig,  Haiii- 
burgi  et  Gothae  sumptibus  F'riderici  et  Andreae  Perthe.>«.  gr.  8. 
Vol.  I.  MDCCCLl.  LXXXIV  u,  487  S.  Vol.  11.  iMDCCCLII.  VI 
u.  491  S.     Vol.  V.  MDCCCLI.  XLI  u.  471  S. 

V^enn  erst  jetzt  in  dieser  Zeitschrift  der  Sillig-schen  Aus- 
gabe des  Plinius  Erwähnung  geschieht,  so  mufs  der  unterzeichnete 
die  Schuld  auf  sich  nehmen;  denn  die  verehrliche  Hedaction  hat  es 
nicht  versäumt  ihn  sogleich  bei  dem  Erscheinen  des  ersten  Bandes 
mit  der  Beurlheilung  dieser  Ausgabe  zu  beauftragen,  aber  der  \^  unsch, 
Sie  erst  bis  ins  einzelne  kennen  zu  lernen,  ehe  er  die  Feder  ansetzte, 
um  sie  in  einer  philologischen  Zeitschrift  zu  beurlheilen,  bewirkte, 
da  seine  Zeit  manigfach  anderweitig  in  Anspruch  genommen  war,  dafs 
der  Herausgeber  ihn  übertlügelte ,  so  dafs  nun  drei  Bände  zur  Beur- 
lheilung vorliegen.  Dafs  der  fünfte  Band  gleich  nach  dem  ersten  er- 
schien, davon  liegt  der  Grund  bekanntlich  darin,  dafs  der  Heraus- 
geber die  sechs  letzton  Bücher  zuerst  bearbeitete,  weil  diese  allein 
sich  in  der  Bamberger  Handschrift  linden,  die  er  gewis  mit  Recht 
als  die  sicherste  Richtschnur  für  die  Kritik  des  Plinius  betrachtete. 

Die  Entstehung  dieser  Ausgabe  darf  so  ziemlich  als  bekannt  vor- 
ausgesetzt werden;  es  soll  daher  nur  so  viel  davon  hier  erwähnt  wer- 
den, als  des  Zusammenhangs  wegen  nöthig  ist.  Die  Vorrede  gibt  dar- 
über ausführlich  Aufschlufs. 

Im  Jahre  1826  machte  Böttiger  auf  der  Versammlung  der  Na- 
turforscher in  Dresden  den  V^orschlag,  eine  Ausgabe  des  Plinius  durch 
Zusammenwirken  von  Philologen  und  Naturforschern  zu  veranstalten. 
Auf  der  Versammlung  in  München,  im  Jahre  1827,  rieth  T  hi  ersc  h 
vor  allem  auf  die  Herstellung  eines  kritisch  berichtigten  Textes  be- 
dacht zu  sein,  und  veranlafste  dann  die  kün.  bayer.  Akademie  der 
Wifsenschaften  sich  der  Sache  anzunehmen  und  die  Ausführung  dem 
Überlehrer  Dr.  Sillig  in  Dresden  zu  übertragen,  der  zum  Behufe  ar- 
chaeologischer  Studien  sich  schon  früher  mit  glücklichem  Erfolge  mit 
der  Kritik  der  letzten  Bücher  dieses  Schriftstellers  beschäftifft  hatte. 
Für  die  HerbeischafFung  des  nöthigen  Materials  wurde  zunächst  da- 
durch gesorgt,  dafs  König  Ludwig  I  von  Bayern  die  Veranstaltung 
der  Vergleichung  des  codex  Riccardianus  in  Florenz  und  der  Pariser 
Handschriften  übernahm,  womit  der  unterzeichnete  beauftragt  wurde. 
Anfserdem  schien  noch  besonders  die  Vergleichung  der  Toleta  n  er 
und  der   Vossischen  Handschrift  in  Leiden  wünschenswerth.    Die 


438     Sillig:  C.  Plini  Secundi  naturalis  historiae  libri  XXXVII. 

erstere  wurde  durch  Vermittlung  des  Prinzen  Johann  und  des  Kö- 
nigs Anton  von  Sachsen  von  zwei  Toletaner  Geistlichen,  aber  leider 
so  hergestellt,  dafs  sie  mehr  auf  die  Schönheit  des  von  ihnen  mit  gro- 
fser  Sorgfalt  im  äufseru  ausgestatteten  Bandes  als  auf  die  Vollständig- 
keit und  Genauigkeit  sahen  ;  die  letztere  wurde  1828  durch  die  Naturfor- 
scher-Versammlung in  Berlin  und  die  Zuschüfse  Li  chte  ns  te  i  ns  mög- 
lich gemacht,  und  noch  eine  zweite  Vossische  Handschrift  mit  verglichen. 
Hiermit  schien  der  nöthige  Apparat  zusammengebracht  zu  sein,  als 
Kef.,  der  in  seiner  Inauguraldissertation  (Observationes  aliquot  crili- 
cae  in  C.  Plinii  Secundi  Naturalis  Historiae  libros,  Monach.  MDCCCXXX) 
zuerst  darauf  aufmerksam  gemacht  hatte,  dafs  alle  Exemplare  des 
Plinius  am  Sciilufse  theils  mehr  theils  weniger  defect  seien,  im  Jahre 
1831  in  der  oben  erwähnten  Bamberger  Handschrift  den  vermifsten 
Schlufs  des  Werkes  fand,  was  ihn  natürlich  sogleich  auf  die  Wich- 
tigkeit dieser  Handschrift  aufmerksam  machen  muste,  bei  deren  Ver- 
gleichung  er  bald  sah,  dafs  sie  viele  bisher  nicht  geahnte  Lücken 
trefflich  ausfüllte  (s.  die  beiden  Programme:  Lectiones  Plinianae,  p.  I 
et  11.  Suevofurti  MDCCCXXXIV)  und  auch  für  die  Kunstgeschichte 
viele  treffliche  Lesarten  bot,  die  er  zuerst  in  dem  Kunstblatte  zum 
Morgenblatt  in  den  Jahren  1831  —  33  bekannt  machte.  Inzwischen 
veranstaltete  Hr.  Sil  1  ig  seine  kleinere  Ausgabe  des  Plinius,  in  wel- 
cher er  den  bisher  bekannten  kritischen  Apparat  zusammenstellte,  und 
dem  letzten  Bande  derselben  wurde  vom  Ref.  eine  vollständige  Ver- 
gleichung  der  Bamberger  Handschrift  mit  kurzen  kritischen  Bemer- 
kungen beigegeben.  Da  er  später  bei  nochmaliger  Einsicht  der  Hand- 
schrift bemerkte ,  dafs,  obgleich  er  sie  schon  zweimal  durchgemacht 
hatte,  doch  manches  theils  übergangen  theils  durch  den  Druck  ent- 
stellt war,  verglich  er  sie  nochmals,  wobei  er  namentlich  auf  die  Or- 
thographie sein  Augenmerk  richtete,  und  diese  Vergleichung  stellte 
er  dann  Hrn.  Sillig  für  seine  Bearbeitung  des  Textes  zu  Gebote. 

Mit  den  bisher  genannten  Hilfsmitteln  ausgerüstet  gieng  dieser 
an  die  Herstellung  des  Plinianischen  Textes ,  nahm  aber  dazu  nicht 
nur  die  Schriftsteller,  aus  welchen  Plinius  selbst  schöpfte,  sondern 
auch  die  spätem  zu  Hilfe,  welche  sein  Werk  benutzten.  Ueber  diese 
sprach  er  sich  zuerst  in  dem  eigentlich  zum  Vortrag  bei  der  Natur- 
forscher-Versammlung zu  Wien  bestimmten  Aufsatze:  ^  Ueber  das  An- 
sehn der  Naturgeschichte  des  Plinius  im  Mittelalter'  aus,  welcher  in 
der  Allgemeinen  Schulzeitung  1833  Abth.  II  Nr.  52  f.  abgedruckt  ist ; 
und  in  dem  Programm: 

Quaestionum  PHniarum  specimsn  primum.  Drcsdae  1839 
zeigte  er,  wie  viel  die  Kritik  der  Bücher  XIX  und  XX  durch  Benutzung 
einer  in  einer  sehr  alten  Handschrift  der  Pariser  Bibliothek  schon  von 
Salmasius  gebrauchten,  jetzt  vor  dem  fünften  Bande  dieser  Ausgabe 
abgedruckten  Compilation  de  remediis  salutarihns ,  die  fälschlich  dem 
Appulejus  zugeschrieben  wird,  gewinnen  könnte. 

Im  Jahre  1848  lagen  die  sechs  letzten,  aus  dem  oben  angeführten 
Grunde  zuerst  bearbeiteten,  und  die  sechs  ersten  Bücher  fertig  vor 5 


Sillig:  C.  Pliiii  Secundi  naturalis  liistoiiae  lihri  XXXVII.     439 

allein  es   schien  der  Verüü'enllichung  und  somit  auch  der  Vollendung 
der   Ausgabe    eine    unvorhergesehtMie    Schwierigkeit    entgegenzutre- 
ten, indem  kein  Buchhändler  bei  den  besonders  damals  traurigen  Ver- 
hältnissen des  Buchhandels  den  Muth  hatte,  ein  so  umfalsendes,  rein 
wifsenschaftliches  Werk  in  Verlag  zu  nehmen.    Nach  mehreren  frucht- 
losen Versuchen  entschlols  sich  Hr.  Sillig  ein  Specimen  des  bis  da- 
hin vollendeten  auf  eigene  Kosten  drucken  zu  lalsen,  unter  dem  Titel; 
Gai  Plini  Secnndi  naturalis  kistoriae  praefalio  et  über  XX\  V. 
Recensuit,    commeiitario     critico    iiistruxit    luHus    Sillig.      Dres- 
dae,    excuderunt    C.    C.    Meinholdu.s    et    filii    typographi     regii 
MDCCCXLVIIII. 

Vorausgeschickt  ist  ein  Brief  an  den  Uef. ,  in  welchem  Hr.  Sillig  sich 
über  den  Stand  des  Unternehmens  und  seine  vergeblichen  Bemühun- 
gen einen  Verleger  aufzulinden  ausspricht;  dann  folgt  die  Vorrede  des 
Hrn.  Sillig,  hierauf  die  Vorrede  oder  Dedicationsepistel  des  Plinius  und 
das  äöste  Buch  sammt  Commentar,  wie  in  der  grofsen  Ausgabe  selbst. 

Als  einen  Anhang  dazu  bezeichnete  der  Verfafser  selbst  das  Pro- 
gramm : 

Quaeslionum  Plinianarum  specimen  IL     Scripsit  lulius  Sillig. 

Dresdae  1849. 
In  diesem  ist  kurz  über  den  handschriftlichen  Apparat  Rechenschaft 
gegeben,  und  dann  eine  Anzahl  von  Stellen  aus  den  beiden  ausgear- 
beiteten Bänden,  so  ziemlich  alle,  bei  welchen  ausführlichere  Bemer- 
kungen beizugeben  waren,  behandelt.  In  den  Anzeigen  dieser  Vor- 
läufer von  Hrn.  Schneidewin  und  von  dem  unterzeichneten  ist  die 
Hoffnung  ausgesprochen ,  dafs  die  freilich  durch  so  manche  unange- 
nehme Erfahrung  zu  entschuldigende,  aber  an  sich  doch  allzu  trübe  An- 
sicht von  der  Sache,  wonach  Hr.  Sillig  sie  als  ein  specimen  editio- 
nis  non  proditurae  bezeichnete ,  durch  den  Erfolg  ihre  Widerlegung 
finden  würde;  allein  diese  Hoffnung  wäre  wohl  so  bald  noch  nicht 
in  Erfüllung  gegangen,  wenn  nicht  Hr.  Prof.  Wüstemann  auf  eine 
sehr  dankenswerthe  Weise  sich  der  Sache  angenommen  und,  nach- 
dem er  über  400  Subscribenten  zusammengebracht  hatte ,  die  Herren 
Perthes  dazu  bestimmt  hätte  den  Verlag  zu  übernehmen,  der  aufser- 
dem  vielleicht  an  einen  englischen  Buchhändler  übergegangen  wäre, 
was  bei  einem  solchen  Producte  deutscher  Wifsenschaft  in  mehr  als 
einer  Hinsicht  hätte  beklagt  werden  müfsen. 

Gehen  wir  nun  auf  die  Vorrede  des  Hrn.  Sillig  über,  so  ent- 
hält sie  aufser  den  vorausgeschickten  historischen  Notizen  zunächst 
eine  Besprechung  des  kritischen  Apparats. 

An  der  Spitze  steht  die  Bamberger  Handschrift,  über  welche, 
wie  hier  angeführt  wird,  Hr.  Prof.  Schneidewin  in  den  Götting. 
gelehrten  Anzeigen  1849  St.  181  S.  1804  in  Betreff  des  Alters  und  des 
Ursprungs  mit  dem  Kef.  nicht  ganz  einverstanden  ist.  Die  Worte 
Schneidewins  lauten  folgendermafsen :  H)benan  steht  natürlich  der 
alle  übrigen  weit  überragende  ßambergensis  (B),  den  v.  Jan  ins  X. 


440     Sillig:  C.  Plini  Secundi  naturalis  historiae  libri  XXXVII. 

Jahrh.  setzt.  Dem  Ref. ,  der  den  köstlichen  Codex  vor  einigen  Jah- 
ren einsah,  schien  er  doch  dem  XI.  anzugehören,  gleichwie  andere 
alte  Handschr.  Bambergs,  welche,  wie  ihm  damals  vorkam,  von  dem- 
selben Schreiber  geschrieben  sind.  .  .  Warum  Jan  an  einen  italieni- 
schen Abschreiber  denkt,  ist  uns  nicht  klar;  vielmehr  schienen  Ref. 
alle  jene  Handschr.  aus  einem  deutschen  Kloster  zu  stammen.'  Was 
hier  zuvörderst  das  Alter  betrifft,  so  ist  es  schwer,  darüber  zu  rech- 
ten. Ref.  schlofs  sich  darin  der  Ansicht  Jäcks  an,  der  eben,  als 
Ref.  nach  Bamberg  kam,  den  Bogen  seines  Katalogs,  in  dem  diese 
Handschrift  vorkommt,  zur  Correctur  vor  sich  hatte,  und  den  Ref. 
darüber  befragte,  ob  er  an  dem  über  diese  Handschrift  gesagten  nichts 
auszusetzen  hätte,  worauf  er  ihn  nur  auf  ein  Versehen  aufmerksam 
machen  zu  müfsen  glaubte,  dal's  nemlich  das  letzte  Buch  als  das  38ste 
bezeichnet  war.  Dafs  statt  dessen  der  neue  Schlufs  sich  nicht  erwähnt 
fand,  wunderte  ihn  um  so  mehr,  als  er,  wo  die  Ausgaben  aufhören, 
am  Rande  die  Worte  Caret  in  impressis  beigeschrieben  sah.  Ref. 
urlheilte  übrigens  auf  den  ersten  Anschein,  nachdem  er  seinen  Blick 
durch  so  manche  Handschriften  in  Italien  und  Frankreich,  freilich 
schon  zwei  Jahre  vorher,  geübt  halte;  er  fand  aber  auch  nachher  kei- 
nen Grund  von  seiner  Ansicht  abzugehen.  Als  Richtschnur  galt  ihm 
in  solchen  Fällen  immer  das  zwar  alte  aber  noch  brauchbare  Büch- 
lein: '  Miscellanea  meist  diplomatischen  Inhalts.  Bearbeitet  von  Kon- 
rad Mannert,  Nürnberg  1795',  das  ihm  von  Hrn.  Bibliothekar  Kra- 
binger  in  München  empfohlen  worden  war,  der  ihn  zuerst  in  die 
Handschriftenkunde  einführte.  Es  finden  sich  nemlich  nirgends  die 
Abkürzungen  für  us  und  für  con,  welche  das.  S.  16  als  Kennzeichen 
des  Uten  Jahrh.  angeführt  werden,  und  die  Schrift  schien  ihm  mehr 
den  Eindruck  der  gedrungenen  Kürze  zu  machen,  die  das.  S.  15  der 
Schrift  des  lOten  Jahrhunderts  im  Gegensatze  zu  den  späteren  beige- 
legt wird.  Uebrigens  gibt  Ref.  gern  zu,  dafs,  wenn  man  bedenkt, 
dafs  Heinrich  II  zu  Anfang  des  Uten  Jahrh.  das  Bisthum  Bamberg  er- 
richtete, es  nicht  unwahrscheinlich  ist,  dafs  er  die  Bibliothek  der 
Kathedrale  mit  Handschriften  ausstattete,  die  er  zu  diesem  Behufe 
schreiben  liefs.  Hierauf  führen  auch  die  von  alter  Hand  auf  die  erste 
Seite  geschriebenen  Worte:  ille  est  maioris  ecclesiae  bbb.  Fragt 
man  aber,  wo  er  wohl,  jene  Annahme  vorausgesetzt,  die  Handschrif- 
ten schreiben  liefs,  so  ist  es  an  sich  nicht  unwahrscheinlich,  dafs  es 
in  Italien  geschah.  Dafs  aber  die  Bamberger  Handschrift ,  wenn  nicht 
selbst  in  Italien  geschrieben,  doch  aus  einer  italienischen  Handschrift 
abgeschrieben  war,  das  zeigt  die  italienische  Schreibweise  iscola  für 
scola,  isquaiina  für  squatina,  istrangulare  für  strangiilare^  tisana 
für  ptisana,  tolemueus  für  Pto/emaeus,  silotrum  für  psilothrum,  schia- 
dici  für  ischiadici  u.  dgl.  doch  wohl  deutlich  genug.  Uebrigens  ist 
mit  dem  von  Hrn.  Sillig  hier  über  diese  Handschrift  gesagten  noch  zu 
vergleichen,  was  sich  p.  XLVIII  ff.  findet,  wo  namentlich  das  Ver- 
hältnis der  Verbefserungen  von  zweiter  Hand  (B*)  zu  den  ursprüng- 
lichen Lesarien  der  Handschrift   (B')  sehr  gut  auseinandergesetzt  ist. 


Sillig:  C.  Plini  Secundi  naturalis  liisloriae  libri  XXXVIl.     441 

Von  den  übrigen  llaiidsciirirten  liomint  dieser  an  Werth  die  Leide- 
ner oder  erste  Voss  is  che  (A)  am  näciisten ,  die  aber  leider  nur 
wenige  Fragmente  der  ersten  Bücher  enthält.  In  den  Theilen  des 
Werkes,  in  welchen  keine  von  diesen  beiden  Handschriften  zu  Gebole 
steht,  vordient  die  zweite  Vossische  Handschrift,  welche  übri- 
gens nur  die  Bücher  20  — 36  mit  nicht  unbedeutenden  Lücken  enthält, 
und  die,  wie  Hr.  S.  nachweist,  mit  dieser  aus  einer  Quelle  entsprun- 
gene H  i  cca  r  di  ani  s  c  he  (U)  am  meisten  Beachtung.  Die  letztere 
ist  von  einer  alten  Hand  durchcorrigiert.  Den  von  dieser  herrühren- 
den Lesarten  (B^)  hat  Hr.  S.  einen  etwas  zu  grofsen  Werth  beige- 
legt, und  ist  denselben  daher,  wie  wir  im  folgenden  sehn  werden, 
hier  und  da  gefolgt ,  wo  es  kaum  zu  rechtfertigen  sein  möchte.  Mit 
dieser  Handschrift  stammt  theilweise  sicher  aus  einer  Quelle  die  erste 
Pariser  (a) ,  wie  eine  gemeinsame  grofse  Umstellung  in  den  ersten 
Büchern  zeigt,  welche  den  Bef.  dazu  verleitete,  eine  durchgängige 
Gleichheit  derselben  anzunehmen,  welche  in  dieser  Ausdehnung  nicht 
stattfindet.  Selbst  diese  ersten  Bücher  sind  wohl  nicht  unmittelbar 
aus  derselben  Quelle  geflofsen ;  andere  gehn  aber  noch  weiter  aus- 
einander, wie  denn  überhaupt  bei  vielen  Handschriften  des  Plinius 
sich  nachweisen  läfst,  dafs  die  Abschreiber  keine  vollständige  Hand- 
schrift vor  sich  hatten ,  sondern  zu  den  verschiedenen  Büchern  ver- 
schiedene benutzten.  Eine  Classe  für  sich  bilden  die  zweite  Pari- 
ser Handschrift  (d),  die  Toletaner  (T)  und  die  von  Dalechamp 
benutzte  Chi  fflet  ische  (0)  nebst  der  Va  tican  is  eben  (D),  die 
am  Rande  mitunter  Ergänzungen  hat,  die  von  einer  der  Bamberger 
ähnlichen  Handschrift  herzurühren  scheinen.  So  sind  diese  Hand- 
schriften ohne  Zweifel  richtig  von  Hrn.  S.  classificiert.  Ueber  die  mit 
unbestimmten  Zeichen  (M,  Ms.  Vet.  u.  dgl.)  von  Dalechamp  angeführ- 
ten Lesarten  stimmt  er  der  Ansicht  des  Bef.  in  der  Verwerfung  der 
von  Harduin  ausgesprochenen  Meinung  bei,  dafs  man  hier  nur  Con- 
jecturen  vor  sich  habe.  Ebenso  erfreut  sich  Bef.  der  Zustimmung  des 
Hrn.  S.  in  Betreff  der  Ueberschätzung  des  Codex  Burbonicus  (N)  von 
Seiten  des  Grafen  Bezzonico  und  des  Petropolitanus  von  Seiten  Fal- 
conets.  Wenn  in  dem  literarischen  Centralblatte  1851  Nr.  22  behaup- 
tet wird,  dafs  nach  den  von  Haupt  zu  Ovids  Halieut.  p.  11  gegebenen 
Varianten  die  aufserordentliche  üebereinstimmung  der  Wiener  Hand- 
schrift 234  aus  dem  12ten  Jahrhundert  mit  der  Bamberger  Handschrift 
dem  Herausgeber  nicht  habe  entgehen  können ,  und  er  sich  demnach 
eine  Vergleichung  der  Wiener  für  die  frühern  Bücher  hätte  verschaf- 
fen sollen,  so  kann  Bef.,  wie  er  schon  anderswo  bemerkt  hat,  nicht  an- 
ders glauben,  als  dafs  hier  eine  Verwechslung  dieser  Handschrift  mit 
den  p.  XXXVIl  unmittelbar  nachher  besprochenen  Wiener  Fragmen- 
ten stattgefunden  hat.  Hr.  S.  hat  darauf  mit  bewunderungswürdiger 
Ruhe  und  Gelafsenheit  sämmtliche  von  Haupt  a.  a.  0.  gegebene  Les- 
arten in  der  Vorrede  zum  5ten  Bande  mit  den  Lesarten  der  Bamberger 
Handschrift  zusammengestellt  und  gezeigt,  dafs  die  Handschriften 
zwölfmal  zusammentreffen  und  vierzigmal  voneinander  abweichen,  un- 

rn.  Jahrb.  f  Phil.  n.  Paed.    Titl  LXVfI.  Hft.  4.  29 


442     Sillig:  C.  Plini  Secundi  naturalis  historiae  libri  XXXVII. 

ter  jenen  12  Stellen  aber  nur  eine  einzige  ist,  wo  diese  beiden 
Handschriften  allein  zusammentreffen,  dagegen  dreimal  (vielmehr 
viermal)  die  Vulgate  und  sechsmal  (vielmehr  siebenmal)  andere  Hand- 
schriften damit  übereinstimmen.  Wäre  es  jenem  Kec.  um  Wahrheit 
zu  thun  gewesen,  so  hätte  er  seinen  Irthuni  bekennen  müfsen;  statt 
dessen  behauptet  er,  wie  wenn  er  ein  Privilegium  hätte  Recht  zu  be- 
halten (das.  1851  Nr.  52),  die  Rechtfertigung  des  Hrn.  S.  niiiste  so 
lange  für  mislungen  gelten,  bis  er  nachwiese,  dafs  eine  andere  Hand- 
schrift mehr  mit  der  Bamberger  übereinstimme!  —  Wie  leicht  wäre 
dies  für  Hrn.  S.,  wenn  er  es  noch  thun  wollte;  allein  es  ist  ihm  nicht 
zu  verdenken,  wenn  er  auf  solche  Animosität  nicht  weiter  antwortet. 
Jene  Anzeigen  sind  aber  auch  im  übrigen  in  diesem  Tone  gehalten, 
so  dafs  selbst  Bemerkungen,  die  an  sich  nicht  ohne  Grund  sind,  wie 
dafs  es  befser  gewesen  wäre,  wenn  die  Zeilen  beziffert  worden 
wären,  oder  dafs,  was  ja  so  leicht  begegnen  kann,  eine  irgendwo 
vorgebrachte  glückliche  Conjectur  übergangen  sei,  gerade  dadurch 
an  Gewicht  verlieren,  dals  ihnen  ein  ungebührliches  Gewicht  beige- 
legt wird.  Dahin  gehören  auch  die  Vorwürfe,  welche  Hrn.  S.  daselbst 
über  seine  allzu  grofse  Vorsicht  in  der  Kritik  gemacht  werden,  die 
hier  als  3Iangel  an  allem  Princip  erscheinen  soll.  Jene  Vorsicht  oder 
wenn  man  sagen  will  Verzagtheit  ist  in  den  Büchern,  welche  in  der 
Bamberger  Handschrift  nicht  stehen,  durch  die  Unsicherheit  des  kri- 
tischen Bodens  gerechtfertigt,  und  durch  die  Besorgnis,  es  könnte 
über  kurz  oder  lang  eine  jener  ähnliche  Handschrift  aufgefunden  wer- 
den, die  ein  zu  grofses  Vertrauen  in  jene  unzuverläfsigeren  Hilfsmittel 
Lügen  strafen  würde,  ^^'as  soll  aber  in  den  Büchern  geschehn,  welche 
sich  in  der  Bamberger  Handschrift  finden?  Jener  Rec.  sagt,  es  sei 
^einfach  die  Lesart  der  Bamberger  Handschrift  in  den  Text  zu  setzen.' 
Doch  dafs  eine  Forderung  der  Art  höchstens  als  allgemeiner  Grund- 
satz zu  betrachten  ,  keineswegs  aber  überall  durchzuführen  ist,  zeigen 
die  dort  angeführten  Beispiele,  XXXV  §§.  53,  57,  71,  wo  verlangt 
wird,  es  sollen  einige  Worte  ausgeworfen  werden,  weil  sie  sich  in 
der  Bamb.  Hs.  nicht  finden,  während  otfenbar  der  Text  dadurch  ver- 
stümmelt würde.  Jene  Worte  sind  nemlich  nur  durch  Abirren  der  Ab- 
schreiber auf  Wörter  mit  gleichem  oder  ähnlichem  Schlufse  ausge- 
fallen,  wie  es  auch  in  dieser  Hs.  öfters  der  Fall  ist,  die  überhaupt 
keineswegs  so  frei  von  Fehlern,  ja  von  Interpolationen,  ist,  dafs  man 
ohne  weiteres  ihr  folgen  könnte.  Dies  mag  gerade  als  ein  Ausspruch 
des  Ref.  glaubwürdig  erscheinen,  der  jene  Handschrift  gewis  nicht 
tiefer  stellt,  als  sie  es  verdient.  Wer  sich  aber  ernstlich  mit  der 
Kritik  des  Plinius  beschäftigt,  wird  sich  ohne  allen  Autoritätsglauben 
davon  überzeugen;  er  wird  aber  auch  die  Schwierigkeit  der  Sache 
einsehn  lernen,  und  sich  nicht  so  gegen  die  Humanität  versündigen, 
dafs  er  wegen  einzelner,  zum  Theil  nur  scheinbarer  Misgriffe  einer 
mühevollen  und  wahrlich  nicht  fruchtlosen  Arbeit  von  mehr  als  zwan- 
zig Jahren  alle  Anerkennung  versagt.  —  Ref.  ist  kein  Neuling  mehr 
in  der  Kritik  des  Plinius,  vierundzwanzig  Jahre  sind  verllofsen,  seit 


.  Sillig:  C.  Plini  Secundi  naturalis  historiae  libri  XXXVII.     443 

er  die  bedeulendsleii  Haiidschrifteii  desselben  kennen  gelernt  bat;  er 
nimmt  aber  keinen  Anstand,  sieb  mit  den  von  Hrn.  S.  p.  LX  IT.  aiis- 
gesprociiencn  Grundsälzen  der  Haiipisaclie  naeb  einverslandeii  zu  er- 
klären, was  ibn  nalürlicii  nicbl  abliäll  in  der  Anwendung  derselben 
von  den  durcb  ibn  gewonnenen  Kesultalen  abzugebn,  wie  er  im  naeb- 
l'olgenden  und  scbon  öfter,  namentlieb  aber  in  den  der  k.  b.  Aka- 
demie vorgelegten  Bemerkungen  'Zur  Kritik  des  zweiten  ßucbes  des 
Naturalis  Hisloria  des  Plinius'  [s.  oben  S.  121]  gezeigt  bal. 

Aueli  die  Anlülirung  der  trüber  von  andern  (ieleiirlen  benutzten 
Handsebriften  kann  Hef.  nur  da  für  unnütz  ballen,  wo  eine  Lesart  un- 
bestritten, dureb  die  Handsciiriften  des  Herausgebers  bestätigt,  im 
Texte  siebt,  ein  Fall  der  übrigens  gar  niebt  so  bäullg  vorkommt;  und 
er  läfst  sieb  niebt  durcb  das  Anatbem  jenes  Kecensenten  scbrecken : 
'Wer  den  unnützen  Wust  baben  will,  der  den  verständigen  Leser  nur 
stört,  bat  keinen  Ansprucb  darauf,  dal's  man  für  ibn  Ausgaben  macbt.' 
Möglicbste  Vollständigkeit  der  Angaben  ist  für  eine  solclie  Ausgabe 
zu  wünschen,  sowobi  um  der  Einsiebt  in  die  Gescbicbte  des  Textes 
willen,  als  aucb  desbalb ,  weil  sonst  mancber,  dem  die  frübern  Aus- 
gaben niebt  zur  Hand  sind,  zu  dem  Irtbum  verleitet  werden  könnte, 
als  babe  er  durcb  Conjectur  etwas  neues  gefunden,  wäbrend  frühere 
Gelehrte  dasselbe,  sei  es  aus  Handsebriften  oder  nach  eigner  Ver- 
mutbung,  vorgebracht  baben. 

Für  die  Geschichte  des  Textes  sind  auch,  wenn  sie  mit  Vorsicht 
gebraucht  werden,  die  Schriftsteller  von  Bedeutung,  welche  den 
Stoff  zu  ihren  Werken  ganz  oder  tbeilweise  ans  dem  Plinius  entnom- 
men haben.  In  erster  Linie  steht  hier  das  oben  erwähnte,  in  einer  sehr 
alten  Handschrift  vorhandene,  jetzt  von  Hrn.  S.  (vor  dem  öten  Bande) 
zuerst  herausgegebene  Fragment  des(Pseudo-)  Appulejus  de  remediis 
salutaribus,  welchem  sich  die  scholia  ad  Germanici  prognoslica  an- 
schliefsen.  Ebenfalls  gute  Handsebriften  (Hr.  S.  vergleicht  sie  mit 
dem  Vossianus  A)  bat  Dicuil  benutzt  in  seinem  Werke  de  mensura  or- 
bis,  so  wie  auch  Isidorus  Hispalensis  in  einigen  Capitelu  seiner  Ety- 
mologien. Von  geringerer  Bedeutung  ist  die  Heinrich  II  gewidmete 
defloratio  Pliniana  von  Robertus  Canutus  Crikeladensis,  einem  üx- 
forder  Prior,  und  ganz  unzuverläfsig,  deshalb  aucb  hier  unbenutzt, 
sind  die  von  andern  gerühmten  specula  Vincentii  Bellovacensis.  Et- 
was stiefmütterlich  ist  die  Geschichte  des  Textes  in  den  Aus- 
gaben bebandelt,  worüber  sich  nur  weniges  auf  p.  LXIV  f.  findet, 
wenn  schon,  wie  anzuerkennen  ist,  das  vorzugsweise  wichtige.  In- 
dessen wird  mancher,  der  hierüber  eine  Belehrung  sucht,  selbst  wenn 
er  vorher  die  Vorrede  schon  durchgelesen  bat,  vergeblich  suchen, 
zumal  da  in  dem  Monitum  am  Scblufse  der  Vorrede,  wahrscheinlich 
nur  durcb  ein  Druckversehn,  auf  p.  LXIX  sqq.  verwiesen  ist.  Ueber- 
haupt  würde  die  Vorrede  an  Uebersichtlichkeit  und  sonach  auch  an 
Brauchbarkeit  zu  praktischen  Zwecken  gewonnen  haben,  wenn  sie  in 
einzelne  Abschnitte  zerlegt  worden  wäre.  Für  die  Handsebriften  gibt 
die  dem  zweiten    Bande  vorangestellte  Erklärung  der  Abkürzungen, 

29* 


444     Sillig:  C.  Plini  Secundi  naturalis  historiae  libri  XXXVII. 

die  der  Hauptsache  nach  auch  in  den  übrigen  Bänden  wiederholt  wer- 
den dürfte,  die  nöthigen  Nachweisung-en. 

Warum  Hr.  S.  auf  Harduin,  der  gewöhnlich  über  Gebühr  ge- 
schätzt wird,  fast  gar  keine  Uücksicht  genommen  hat,  darüber  ist  der 
nöthige  Aufschlufs  p.  XXXIV,  wo  von  den  von  ihm  benutzten  Hand- 
schriften die  Rede  ist,  zu  suchen;  in  wie  weit  er  die  Ausgabe  ß ro- 
tier s  der  Beachtung  werth  gehalten  hat,  das.  p.  XXXV.  Dieser  hat 
er  wenigstens  eine  besondere  Chiffre  (y)  gewidmet,  indem  er  die  in 
derselben  angeführten  Handschriften  erwähnt,  wo  sie  mit  den  übrigen 
nicht  zusammentreffen,  und  öfters  auch  angibt,  was  in  derselben  im 
Texte  steht. 

Aufserdem  ist  nur  die  D  a  1  ech  am  psche  Ausgabe  (ß)  beige- 
zogen, deren  Text  als  die  Vulgata  betrachtet  wird.  Aus  welchem 
Grunde,  ist  p.  LXV  angegeben;  weil  sie  nemlich  ein  Abdruck  der  aus 
Handschriften  verbefserten  Ausgabe  des  J.  Nicolaus  Victorius  v.  J. 
1582  ist.  Die  Jahrzahl  der  Ausgabe  selbst,  1586,  sucht  man  verge- 
bens. Im  allgemeinen  ist  gegen  die  Bevorzugung  dieses  Textes  nichts 
einzuwenden,  da  er,  mit  Besonnenheit,  wie  es  scheint,  unter  Benutzung 
guter  Quellen  hergeslellt,  bis  auf  Harduin  der  stellende  blieb,  von  die- 
sem aber  vielfach  willkürlich  selbst  nach  Handschriften  dritten  und 
vierten  Ranges  geändert  wurde.  Ref.  hat  früher  einmal  den  Wunsch 
ausgesprochen,  dafs  es  Hrn.  S.  gefallen  haben  möge  die  Lesarten  der 
wichtigsten  Ausgaben,  wie  es  in  des  Rec.  Ausgabe  des  Macrobius  ge- 
schehn  ist,  zur  fortlaufenden  Darlegung  der  Geschichte  des  Textes 
aufzuHehmen ;  allein  er  bescheidet  sich  dessen  gern,  da  der  Aufwand 
an  Zeit  und  Raum  mit  dem  dadurch  zu  erlangenden  Vortheile  in  kei- 
nem Verhältnis  stünde.  Hier  kann  also  nur  die  Frage  noch  zur  Spra- 
che kommen,  ob  Hr.  S.  recht  daran  gethan  hat,  so  häufig,  nament- 
lich in  den  geographischen  Büchern,  bei  dieser  Vulgata  stehn  zu 
bleiben.  Im  Princip  kann  dies  Ref.  nicht  gut  heifsen,  da  von  der 
neuen  Ausgabe  doch  in  jeder  Beziehung  ein  Fortschritt  verlangt 
werden  mufs ;  ob  aber  durch  das  Streben  einen  Fortschritt  zu  erzie- 
len, bei  dem  Mangel  an  festen  Anhaltspunkten  überall  oder  auch  nur 
in  den  meisten  Fällen  etwas  gewonnen  worden  wäre,  mufs  er  dahin 
gestellt  sein  lafsen;  ihm  selbst  ist  es  wenigstens  nur  in  einzelnen  Fäl- 
len gelungen,  solche  Stellen  mit  Evidenz,  sei  es  vermittelst  des  hier 
gegebenen  Apparates  oder  durch  Conjectur  zu  verbefsern. 

Dafs  Hr.  S.  bei  der  Aufnahme  eigner  und  fremder  Conjectu- 
ren  in  den  Text  sehr  vorsichtig  verfuhr,  ist  im  allgemeinen  nur  zu 
billigen;  in  einzelnen  Fällen  würde  Ref.  allerdings  keinen  Anstand 
genommen  haben ,  solche  aufzunehmen ,  wo  es  hier  nicht  geschehn 
ist.  Im  Commentar  findet  sich,  namentlich  in  dem  zweiten  Bande, 
manche  gute  Conjectur.  Dafs  manchmal  eine  naheliegende  übersehn 
oder  zur  Verbefserung  nicht  der  rechte  Weg  eingeschlagen  wurde, 
kann  Ref.  nicht  in  Abrede  stellen;  aber  eben  dadurch  erscheint  jene 
Vorsicht  nur  um  so  mehr  gerechtfertigt;  denn  wer  kann  sich  bei  der 
Beurtheilung  seiner  eignen  Einfälle  vollkommen  vertrauen,  wenn  ihm 


Sillig:  C.  Plini  Secundi  naliiralis  historiac  libri  XXWII.     445 

nicht  eine  geraume  Zeil   vcrfrönnt  i.sl ,   dafs  er  sie  g-leichsam  mit  kal- 
tem Blute  wieder  vornehmen  und  prüfen  kann? 

Die  0  r  I  li  o{)  la  p  h  i  e  hat  von  Hrn.  S.  die  verdiente  Würdigung 
gefunden,  lieber  die  dabei  beobachteten  Grundsatze  gibt  er  p.  LXIX 
tr.  Rechenschaft.  Die  Hauplrichfschnur  bot  ihm  auch  hier  die  Bamber- 
ger Handschrift  (B),  theihveise  auch  die  mit  diesem  in  der  Hauptsaciie 
übereinstimmende  alte  Hs.  des  pseudo-appulejischen  Fragments  (vgl. 
Vol.  V  p.  XXI).  Dafs  jene  Hs.  nicht  durchaus  in  dieser  Beziehung 
zuverläi'sig  ist,  geht  schon  aus  den  oben  angeführten  Beispielen  von 
italienischen  Schreibweisen  hervor;  dazu  kommt  noch,  dafs  sie  sich 
in  der  Schreibung  eines  und  desselben  Wortes  keineswegs  überall 
gleich  bleibt.  Um  in  solchen  Fällen  eine  Norm  zu  haben,  schlofs  sich 
Hr.  S.  an  die  Regeln  an,  welche  Wagner  im  5ten  Bande  seines  Vergilius 
gegeben  hat,  da  im  allgemeinen  die  Orthographie  von  Augustus  bis 
Theodosius  so  ziemlich  dieselbe  blieb.  Auf  p.  LXXl  finden  sich  die 
öfter  vorkommenden  Schreibweisen,  welche  von  den  jetzt  gebräuch- 
lichen abweichen,  zusammengestellt,  wobei  man  die  allerdings  auf 
der  Autorität  des  B  beruhende  aber  sehr  auffallende  Schreibweise 
der  mit  sin  anfangenden  Wörter  vermifst,  welche  überall  mit  zm  ge- 
schrieben werden,  wie  zma7'at/(i>is,  Zvnjrna  u.  dgl. ;  allein  Hr.  S.  recht- 
fertigt diese  Schreibweise  in  einer  besondern  Note  zu  XXXII,  151, 
auf  welche  p.  LXXIV  verwiesen  ist.  —  Wenn  V,  33  losere  geschrie- 
ben ist,  während  die  meisten  und  besten  Handschriften  lasari  haben, 
so  fragt  es  sich ,  ob  nicht  das  a  vorzuziehen  war,  da  dieses  sich  auch 
in  dem  Schlufs  des  Werkes  von  zweiler  Hand  in  B  findet.  —  Für 
die  Superlative  und  die  hier  nicht  mit  angeführten  Ordinalzahlen  ist 
die  Regel  beobachtet,  dafs  die  dreisilbigen  mit  w,  die  mehrsilbigen 
mit  t  geschrieben  sind.  W^agner  stellt  p.  474  nur  das  als  unbestreitbar 
hin,  dafs  bei  Vergilius  die  mehr  als  dreisilbigen  Superlative  nur  mit 
i  gebildet  erscheinen.  Dies  gilt  nach  B  auch  für  Plinius.  Von  den 
dreisilbigen  hat  sich  Ref.  öfters  opluimis ,  pessnmvs ,  maxumus  und 
einmal  (levumus  aufgezeichnet,  dagegen  nirgends  miininms  ^  pluruini, 
und  es  fragt  sich  daher,  ob  dies  nur  im  Zufall  seinen  Grund  habe.  — 
Vor  (/  verlangt  B  allerdings,  wie  Hr.  S.  geschrieben  hat,  vi;  bemer- 
kenswerth  ist  aber,  dafs  Priscian  I  p.  555  berichtet,  Plinius  habe 
sich  für  die  Schreibart  nunyuis  und  mmquam  ausgesprochen.  —  Eine 
nicht  unbedeutende  Schw  ierigkeit  macht  die  Assimilation  der  Praepo- 
sitionen  bei  Zusammensetzungen.  Bei  von  bleibt  sich  Hr.  S.  nicht 
gleich;  so  hat  er  praef.  §.  25  compunebal ;  aber  II  §.  53  conposilo 
geschrieben.  Die  Praeposition  oh  ist  vor  s  und  /  in  der  Regel  op  ge- 
schrieben ,  dagegen  XXXIV,  42  obsessae  Rhodu ,  wo  B  opsessa  rhndo 
hat.  Ref.  glaubt  in  den  Hss.  des  Macrobius  wahrgenommen  zu  haben, 
dafs  vor  s  und  l  überall  op  steht,  wenn  die  Silbe  betont  ist,  während 
im  entgegengesetzten  Falle  sich  theils  oh  theils  op  findet.  An  sich  ist 
hier  gegen  die  tenuis  p  nichts  einzuwenden,  da  sie  sich  auch  in  op~ 
pono  u.  dgl.  findet;  dagegen  fragt  es  sich,  ob  sie  in  ab  zu  billigen 
sei.   Bei  Wagner  p.  414  findet  sich  nur  apsetts,  bei  Mai  zu  Cic.  de 


446     SiHig:  C.  Plini  Secundi  naturalis  historiae  libri  XXXVII. 

rep.,  auf  den  er  verweist,  nur  oh  und  suh.  Hr.  S.  hat  nach  B  fast 
überall  apsolulus  geschrieben;  dag-egen  folgt  er  ihm  nicht  XXXIV, 
108  und  XXXVIl,  82  in  apsunt  und  apslulit.  Dafs  in  solchen  Dingen 
den  Hss.  nicht  allzu  sehr  zu  vertrauen  ist,  zeigen  Schreibweisen  wie 
(idque^  adherciiles.  Bei  iti  spricht  B  für  imperiu?»  und  impetvs.  In 
der  Schreibung  der  Eigennamen  folgt  Hr.  S.  theils  dieser  Hs.,  wie 
XXXIV,  29  bei  Porsina,  XXXV,  60  bei  Erilhis.  theils  geht  er  von 
der  Schreibweise  dieser  und  der  übrigen  Hss,  ab,  wie  XXXIV,  19  in  Al- 
tinni  und  20  in  Duellio ;  XXXV,  16  in  Aridices ;  XXXV,  86  in  Pan- 
casfen.  Was  die  Casusendungen  betrifft,  so  sagt  Hr.  S.  p.  LXXI,  er 
habe  den  Accnsativ  des  Pluralis  der  Wörter,  welche  im  Genitiv  tum 
haben,  auf /s  gebildet;  dagegen  p.  LXX:  Mum  autem  aliquoties,  ubi 
ex  aequalitate  ambiguitas  aliqua  oriri  poterat,  sciens  fui  inconstans, 
quod  potissimum  de  accusativo  plurali  tertiae  declinationis  in  is  ex- 
eunte  valet,  qua  paucis  in  locis,  ne  lector  turbaretur,  repudiata  usita- 
tam  in  es  exeuntem  servavi  (v.  37,  176  ir/nes).'  Eine  Autorität  ist  hier 
nicht  angeführt.  In  B  findet  sich  bei  weitem  häufiger  es;  dagegen 
liest  man  Vol.  V  p.  XXI  über  die  Hs.  des  pseudo-appulejanischen  Frag- 
ments: ^accusativus  plur.  tertiae  declinationis  substantivorum,  quae 
genit.  plur.  in  ium  terminant,  saepius  per  /'s  quam  per  es  finitur.' 
Charisius  I  p.  103  und  111  sagt,  Plinius  wolle  alle  diese  Wörter  auf  ts 
gebildet  wifsen;  deshalb  läfst  sich  gegen  den  von  Hrn.  S.  aufgestellten 
Grundsatz,  der  auch  durch  die  Bemerkung  Wagners  noch  unterstützt 
wird,  dafs  die  Grammatiker  frühzeitig  diesen  Accusativ  wegzuschaf- 
fen bemüht  gewesen  wären,  was  auch  Macrobius  in  den  ausVergilius 
entlehnten  Stellen  bezeugt,  nichts  einwenden;  freilich  sollte  es  aber 
dann  consequent  durchgeführt  sein.  Die  eigenthümlicheArt  der  Formen 
der  4ten  Declination  ist  p.  LXXIV  etwas  allzu  rasch  durch  die  Bemer- 
kung abgemacht:  'Sciendum  etiam  codicem  B  .  .  ubi  genitivus  singu- 
laris  vel  nominativus  et  accusativus  pluralis  quartae  declinationis  le- 
gunlur,  eum  ubique  ^^u  pro  ?/  exhibere.'  In  solcher  Ausdehnung  ist 
nemlich  diese  Bemerkung  nicht  richlig;  denn  es  findet  sich  im  35sten 
und  37sten  Buch  kein  Beispiel  der  Art,  und  auch  in  andern  Büchern 
steht  manchmal  us ;  XXXIV,  41  findet  sich  die  von  Stallbaum  zu  Rud- 
dimanns  Instit.  I  p.  102  sq.  und  Schneider  lat.  Gramm.  II  S.  329  ange- 
führte Genitivform  specn/s.  Bei  der  grofsen  Zahl  von  Beispielen  der 
Formen  auf  im  (Ref.  hat  deren  40  gezählt)  fragt  es  sich,  ob  wir  nicht 
hier  eine  Eigenthümlichkeit  der  Sprache  des  Plinius  vor  uns  haben, 
der  sich  ja,  wie  wir  wifsen,  auch  mit  den  Formen  der  Sprache  viel- 
fältig beschäftigt  hat. 

Gegen  die  in  der  Aufführung  der  Lesarten  eingehaltene 
Weise  hat  Ref.  nichts  von  Bedeutung  zu  erinnern ,  aufser  dafs  das 
Aufsuchen  im  Commentar  öfters  dadurch  erschwert  ist,  dafs  die  zwei 
einander  gegenüberstehenden  Seiten  so  miteinander  ausgeglichen 
sind,  dafs  Text  und  Commentar  einen  gleich  grofsen  Raum  einnimmt, 
was  dem  Auge  allerdings  wohl  thut,  aber  dadurch  unbequem  wird, 
dafs  man  öfters  das  zu  einem  \\'orte  gehörige   auf  der  gegenüber- 


Sillig:  C.  Plini  Scuiindi  nadiralis  hisloiiae  libri  XXXVII.     447 

stehenden  Seife  zu  suclien  lial ,  oIiik;  dal's  eine  andere  ZilTer  als  die 
des  Paragraphen  daraul'  aiilinerksam  niaelit.  Die  längeren  Bemerkun- 
gen zu  einzelnen  Stellen,  namenliieh  im  üten  Bande,  führen  eine  ge- 
wisse Ungleichheit  und  mitunter  eine  Trennung  des  zusammengehöri- 
gen herbei.  Uebersichtliilier  würde  die  Sache  sein,  wenn  die  ganz 
verglichenen  Handschriften,  da  hierin  öfters  innerhalb  der  Bücher  ein 
Wechsel  eintritt,  auf  jeder  Seite  bemerkt  wären.  Sehr  zweckmäfsig 
ist  jedem  Bande  ein  index  cnthiis  beigegeben,  der  über  den  Ursprung 
der  aufgenommenen  Lesarten  Aufschlufs  gibt  und  die  noch  verdorbe- 
nen Stellen  durch  beigesetzte  Fragezeichen  als  solche  bezeichnet; 
wodurch  die  Andeutung  von  Corruptelen  im  Texte  durch  Kreuzchen, 
Sternchen  n.  dergl. ,  die  sich  allzu  oft  wiederholt  haben  würden,  un- 
nöthig  gemacht  wird. 

Die  Erklärung  tritt  nach  der  ganzen  Bestimmung  und  Anlage 
der  Ausgabe  in  den  Hintergrund;  doch  ist  hier  und  da  der  Sprachge- 
brauch des  Schriftstellers  erörtert  und  dabei  die  nölhigen  Belegstellen, 
freilich  mit  blofsen  Zahlen  (s.  unten  zu  XXXV,  43)  citiert;  besonders 
schwierige  Worte  werden  öfters  durch  kurze  Bemerkungen  des  Her- 
ausgebers oder  seiner  Vorgänger  erklärt,  und  endlich  alle  die  Stel- 
len, auf  welche  Plinius  verweist,  angegeben  und  die  Stellen  des 
Aristoteles  und  Theophrast,  aus  welchen  er  schöpfte,  oder  des  Soli- 
nus,  Marcianus,  Plinius  Valerianus  u.  a.,  welche  den  Plinius  excer- 
pierten ,  meist  ohne  wörtliche  Anführung  citiert.  Aulfallend  ist  die 
Art,  wie  neuere  Schriften  citiert  werden;  mitunter  sind  nemlich  die 
Titel  in  der  Sprache,  in  welcher  die  Werke  geschrieben  sind,  ange- 
führt, und  dies  hält  i>ef.  für  recht,  da  diejenigen,  welche  die  Sprache 
nicht  verstehn,  sonst  nur  in  den  Irthum  gerathen ,  sich  dort  belehren 
zu  können ;  gewöhnlich  sind  aber  die  Titel  ins  lateinische  übersetzt, 
mitunter  unverständlich  z.  B.  '^lahnii  horreum'  für  das  ^Archiv  für 
Philologie  und  Paedagogik'. 

Den  Gewinn,  der  aus  dieser  Ausgabe  des  Plinius  ohne  allen 
Zweifel  hervorgeht,  hat  Hr.  S.  selbst  p.  LXXXI  mit  folgenden  Wor- 
ten bezeichnet:  Hd  certe  me  praestitisse  puto,  ut  iam  Plinii  oratio  certo 
fundamento  nitatur,  unde  tuto  progredi  possis,  ut  sit  cognitum,  quid 
codicibus,  quid  coniecturis  virorum  doctorum  debeatur.'  Dafs  übri- 
gens für  die  Kritik  des  Plinius .  auch  abgesehn  von  der  Erklärung, 
noch  manches  zu  thun  übrig  ist,  hat  er  p.  LXX  selbst  anerkannt.  Um 
so  ungerechter  wäre  es,  w^enn  man  das  mit  so  grofsen  Opfern  aller 
Art  geleistete  nicht  dankbar  anerkennen  und  das  bei  einem  Schrift- 
steller w'ie  Plinius  geradezu  unmögliche  fordern  wollte,  dafs  allen, 
wenn  auch  an  sich  billigen  Anforderungen  an  eine  solche  Ausgabe 
vollkommen  genügt  sein  sollte. 

Wenn  wir  uns  nun  zu  dem  einzelnen  wenden ,  sei  es  uns  ver- 
gönnt von  dem  zuerst  bearbeiteten  äten  Bande  zu  sprechen  und  zwar 
alles,  was  wir  über  die  aufgenommenen  Lesarten  oder  die  im  Com- 
menlare  vorgeschlagenen  Verbefserungen  für  und  wider  zu  sagen  ha- 


448     Sillig:  C.  Plini  Secundi  naturalis  hisloriae  libri  XXXVII. 

ben,  in  möglichster  Kürze  vorzutragen,  indem  wir  bei  einigen  Stellen, 
die  eine  ausführlichere  Besprechung  erfordern  würden,  mit  (M.  G.  A.) 
auf  eine  an  die  Münchner  gelehrten  Anzeigen  eingesandte,  noch  nicht 
abgedruckte  Anzeige  dieses  Bandes  verweisen. 

Im  3'2.  Buche  §.  4  ist  es  nicht  recht  klar,  warum  Asiurn  An- 
tium  rennvigantis  mit  Tilgung  der  Praepositiou  rib  geschrieben  ist, 
für  welche  die  Lesart  der  Hss.  ahsturn  zu  sprechen  scheint.  —  §.8 
weifs  Ref.  nicht,  warum  inerfior  mit  feneresr/f  unverträglich  sein  soll 
(M.  G.  A.).  —  §.  16  war  die  Lesart  der  drei  besten  Hss.  lahrayndi^ 
die  auch  die  Münchner  durch  ihre  Lesart  lahraindi  unterstützt,  nicht 
so  ohne  weiteres  zu  übergehn,  da  ja  Hemsterhuys  bei  Herodot  V,  119 
nach  dem  cod.  Med.  auch  AaßQavvöa  lesen  will.  —  §.  19  läfst  das 
Verbum  rocenf  doch  auf  den  Namen  des  Volkes,  Locedaemonii^  schlie- 
fsen.  —  §.  24  in  den  Worten  coiilraque  torminum  nc  vesicae  oc  cal- 
culnrum  mala  ist  das  zweite  nur  in  B  stehende  ac  nicht  sowohl  we- 
gen des  folgenden  c  als  wegen  des  unmittelbar  vorausgegangenen  ac 
zu  beanstanden.  —  §.  68  ist  das  Futurum  in  den  Worten:  nisi  oleum 
ore  contineant  quae  lincjuent^  das  sich  in  B  findet,  nicht  wohl  zu- 
läfsig.  Da  die  übrigen  Hss.  tinginit  haben,  fragt  es  sich ,  ob  nicht 
tinrinonl  zu  schreiben  sei.  ■ —  §.  111  in  den  Worten:  ilem  flmnatiles 
tritt  ustique  cinere  et  ex  oleo  suhacti  möchte  Ref.  cinere ,  was  Hr.  S. 
in  in  cinerem  ändern  will,  jetzt  beibehalten  wifsen  in  dem  Sinn,  dafs 
cinere  im  Gegensatze  zu  et  ex  oleo  suhacti  'durch  die  blofse  Asche' 
bedeute.  —  §.  J24  ist  die  Conjectur  des  Ref.  snc/cntes,  wie  Hr.  S. 
in  der  Vorrede  p.  LXVIII  selbst  anerkennt,  nur  ein  Nothbehelf.  Viel- 
leicht ist  eine  Lücke  anzunehmen:  ergo  sugere  [quamdiu  noiunt  non 
s/nunt,  sed  sugenfes]  rufas  forficihiis  praecidunt. 

Im  33.  Buche  §.  2  ist  wohl  mit  B  qua  statt  quaqua  calcatur  zu 
schreiben;  §.  5  gegen  dieselbe  nach  der  Vulgata  didicit  hämo  naturam 
provocare ;  auxere  et  artem  vitiornm  inritamenta ^  und  §.  6  sacrum 
fame  (M.  G.  A.).  —  §.7  beruht  die  Angabe  der  Auslafsung  der  Worte 
legum  avt/quarum  pecore  in  Baufeiner  misverstandenen Notiz  im  Hand- 
exemplare des  Ref. —  §.  13.  Die  schwierige  Stelle,  wo  von  der  Sitte  die 
Rede  ist,  dafs  die  Ringe  an  der  linken  Hand  getragen  werden,  hat  Hr. 
S.SO  geschrieben:  Quodsi  ivpedimentum  potuit  in  eo  aliquod  intellegi, 
etiam  ser  ior  is  usus  argumenlum  est,  et  malus  in  laeva  fuisset,  qua 
scutum  capitur.  Harduin  hatte,  wahrscheinlich  nach  der  Handschrift 
d,  serioris  usus  geschrieben,  was  sich  auch  in  B  findet.  Hr.  S.  erklärt 
seine  Conjectur  so:  Mam  vero  .  .  si  quis  eo  potuit  progredi,  ut  hanc 
celationem  impedimento  alicui  in  de.xtra  manu  sito  tribueret  (tacite 
hie  redarguit  Ateium  Capitonem  ap.  Macrob.  Saturn.  7,  13),  serior 
quoque  is  usus ,  anulum  scilicet  in  manu  laeva  gestandi ,  argumentum 
meae  est  opinionis,  primis  temporibus  homines  suos  anulos  magis 
abscondere  quam  proferre  voluisse'  etc.  Hier  mufs  zuerst  das 
auffallen,  dafs  serior  is  usus  die  Sitte,  die  Ringe  an  der  linken 
Hand  zu  tragen  bedeuten  soll,  während  es  vorher  doch  heifst,  der 
Erfinder  hätte  sie  an  die  linke  Hand  verwiesen;  ferner  kann  nicht  wohl 


Sillig:  C.  Plini  Seciindi  naturalis  historiae  libri  XXXVII.     449 

//rfiiimcnlum  est  «ranz  ohne  ObjccfsseniJiv  sfelin,  dafs  man  sicli  ein 
willkiirliclies  Object  dazu  denken  kann.  Ref.  liesl  deshalb  mit  Har- 
duin  lind  den  Handschriften  et/ntn  serioris  usus  f/rf/nmentum  est, 
und  bezieht  dies  auf  die  vorausgegangenen  Worte:  Kquidem  nee  Ilia- 
cis  lempurihvs  iillos  fiiissc  avu/as  rideo.  Demnach  scheint  der  Ge- 
danke, den  Plinins  aussprechen  will,  der  zu  sein:  'Wenn  man  sich 
ein  Hindernis  für  die  rechte  Hand  denken  konnte,  so  muste  dies  erst 
in  der  spätem  Zeit  der  Fall  sein,  denn  in  der  Heroenzeit,  wo  man  die 
rechte  Hand  noch  nicht  so  vielfach  brauchte,  hätte  zur  Führung  der 
Waffen  das  Tragen  des  Bings  kein  besonderes  Hindernis  für  die  rechte 
Hand  abgegeben,  und  es  wäre  vielmehr  ein  gröfseres  Hindernis  für 
die  linke  da  gewesen,  mit  der  man  den  Schild  fafst.'  Ist  dies  richtig, 
so  fehlt  der  Zwischengedanke  '  denn  .  .  .  abgegeben  %  und  es  ist  eine 
Lücke  zwischen  art/nmenlum  est  und  cf  mains  anzunehmen.  —  Ueber 
die  letzten  Worte  desselben  Paragraphs:  Est  qnidem  apud  eimdem 
Homerum  iv'roriitn  er hnhiis  durum  inplexxim ;  ideo  iiescio  an  prior 
usus  a  feminis  coeperif,  bemerkt  Hr.  S. :  'Palam  est  Plinium  h.  1.  crc- 
dere,  morem  auri  in  crinibus  geslandi  non  a  feminis,  sed  a  viris  pri- 
mum  institutum  fuisse,  in  quo  hoc  offendat  necesse  est,  quod  ad  hanc 
opinionem  commendandam  .  .  forniula  illa  notissima  neseio  an  ita  usus 
est,  ut  eam  contrario  quam  quo  scriptores  Latinos  sensu  usurpasse 
videamus  .  .  .  Hinc  nata  mihi  suspicio  vitium  omnes  nostros  Codices 
sive  potius  archetypum,  unde  omnes  sunt  deducti ,  insedisse  et 
pro  an  scribendum  esse  annon.'  Wenn  die  Voraussetzung  richtig 
wäre,  so  müste  wohl  7ion  bei  a  feminis  stehn ;  allein  es  handelt  sich 
wohl  hier,  wie  eben  bei  serioris  usus,  nur  um  das  Ringetragen.  Dann 
ergibt  sich  der  Gedanke:  'Bei  Homer  liest  man  zwar,  dafs  die  Männer 
Gold  in  den  Haaren  trugen  (aber  nicht  an  den  Fingern);  deshalb  scheint 
es,  als  hätten  zuerst  nur  die  Frauen  Binge  getragen.'  —  §.  18  ist  das 
Satzverhältnis  im  ganzen  ohne  Zweifel  richtig  erklärt;  ob  aber  der 
Plural  in  proptir  quae .  was  sich  auf  den  ganzen  vorhergehenden  Satz 
beziehn  soll,  richtig,  und  nicht  vielmehr  mit  zwei  Pariser  Hss.  propfcr- 
que  zu  lesen  ist,  in  dem  Sinne:  'und  zwar  wegen  des  Namens  der 
Bitter  hinzugefügt  ist',  will  Bef.  nicht  entscheiden.  —  §.  23  sind  und 
bleiben  die  Worte  auffallend:  aurumque  milibus  lapillorum  vilias 
/"ec/V,  wozu  hier  nichts  bemerkt  ist.  Es  ist  die  Rede  davon,  dafs 
manchen  Edelsteinen  keine  Platten  untergelegt,  sondern  dieselben  nur 
mit  einem  Ring  umgeben  werden.  Man  könnte  daher  vermuthen ,  Pli- 
nius  habe  geschrieben  milli s  lapiUorum  'dadurch  dafs  man  Schutz- 
ringe für  Steine  davon  machte.'  Vergl.  Festus  s.  v.  milhis.  Dasselbe 
Wort  ist  vielleicht  auch  XXXVI,  98  einzusetzen,  wo  in  den  Ausgaben 
steht:  fifum  aureum  commissuris  omnihus  poJili  Japidis  subiecit  ar- 
fifex,  in  B  aber  milium,  in  andern  /w  ilhid,  und  Hr.  S.  mitum 
vermuthet  hat,  was  an  sich  ganz  gut  ist,  aber  nur  sich  etwas  weiter 
von  der  Lesart  der  Hss.  entfernt.  —  §.  23  haben  die  Worte  aha  per 
sese  mero  auro  deeorant  eine  in  der  That  etwas  allzu  lange  Bemer- 
kung hervorgerufen,  in  welcher  Ref.    billigt,  dafs  diese  Worte  als 


450     Silliff:  C.  Plini  Secundi  iialuialis  liisloriae  libri  XXXVII 

Parenthese  betrachtet  werden,  aber  bezweifelt,  dafs  alia  andere  Kör- 
pertheile,  im  Gegensatze  zu  den  Fingern,  die  ja  im  vorhergehenden 
nicht  genannt  sind,  bedeuten  könne.  Nimmt  man  dazu,  dafs  unter  den 
zuXXXlI,45  angeführten  Beispielen  sich  aufser  unserer  Stelle  nur 
noch  eine  (XVII,  52)  findet,  wo  per  sese  steht,  so  möchte  Ref.  lie- 
ber lesen:  alia  (^sertiiti(i)  per  se  se  mero  auro  decoranf,  so  dafs  in 
diesen  Worten  ein  ähnlicher  Seitenblick  läge,  wie  unten  §.  33.  — 
Die  folgenden  Worte  cuins  licentiae  origo  nomine  ipso  in  Samothrace 
id  ivstilutum  declaral  bilden,  wenn  sie  richtig  sind  und  nicht  viel- 
mehr etwas  ausgefallen  ist,  eine  eigenthümliche  Brachylogie  für  cuius 
licentiae  urigo  nomine  ipso  deprehetidifur,  quod  in  Samothrace 
id  institulum  decfarat.  ■ —  Wenn  §.  24  zu  den  Worten  (juo  signan- 
tem.  $ignent  bemerkt  ist:  '  ut  ille  (anulus),  quem  gestant,  modo  sit 
symbolum,  indicium  reconditi  signando  destinati.  Apte  Gesner.  chre- 
stom.  Plin.  p.  808  comparavit  nostrum  L.  .S. ',  so  hat  sich  Hr.  S.  von 
Gesner  zu  einer  unrichtigen  Auffafsung  der  Worte  quo  .  .  .  signenl 
verleiten  lafsen.  Vergleicht  man  §.  26 :  Quae  fuit  illa  vita^  in  qua 
nihil  sign  abaturl  Nunc  cibi  quoque  ac  polus  anulo  vindicantur 
a  rapma,  und  §.  27:  Nunc  rapiendae  cunparantur  epulae  pariterque 
qui  rapiant  eus^  et  clav is  quoque  ipsas  signasse  71071  est  sa- 
tis,  so  ergibt  sich  vielmehr  der  Sinn:  ^mit  dem  sie  ihren  Siegelring 
versiegeln.'  —  §.  25.  Wenn  zu  den  Worten  ut  pluruitia  opum  sce~ 
lera  anulis  ßimt.'  bemerkt  ist:  ^  operum  lan.',  so  mufs  jedermann 
glauben,  Ref.  habe  operutu  scelera  verbinden  wollen,  was  sinnlos 
wäre.  Er  vermuthete  vielmehr:  ut  phnima  operu7n^  scelera  anulis 
ßunt.  Uebrigens  hat  er  sich  in  den  Münch.  gel.  Anz.  1851  Oct.  Nr.  61  S. 
496  bereits  für  opum  scelera  erklärt.  Eine  andere  Frage  ist  aber,  ob 
der  Satz  mit  Recht  als  Ausruf  gofafst  wird.  Keine  der  angeführten 
Stellen  hat  ein  «/,  geschweige  denn  in  Verbindung  mit  einem  Super- 
lativ. Soll  ut  phirimo;  stehn  bleiben,  so  ist  ut  wohl,  wie  sonst  bei 
dem  Adverbium  im  Superlativ,  beschränkend  zu  fafsen:  ^  so  ziemlich 
die  meisten';  allein  es  fragt  sich,  ob  nicht  von  der  einen  Bergkschen 
Conjectur  i^el  plurimn  aufzunehmen  ist.  Gerade  so  steht  XXXVII,  54 
quando  rel  p/urima  prodldere.  Wie  leicht  ut  und  vel  verwechselt 
werden,  ist  bekannt,  und  hier  läfst  denique  mehr  auf  einen  einfachen 
Ausdruck  als  auf  einen  Ausruf  schliefsen.  —  §.  33  hat  sich  Ref.  aller- 
dings, wie  Hr.  S.  sagt,  einen  Irthum  zu  Schulden  kommen  lafsen,  aber 
nur  in  der  Note,  welche  voraussetzt,  dafs  pro7iiiscuum  ohne  id  da 
stände,  während  seine  drei  Collationen  id  promiscuum  bieten.  -- 
§.  34  ist  wohl  nicht  mit  Recht  in  CaliJinariis  rebus ^  und  II,  137  in 
batilinariis  prodigiis  nach  den  Hss.  des  Cicero  geschrieben,  während 
B  Catilinanis  hat,  worauf  auch  alle  andern  Hss.  hindeuten.  —  §.  38 
hat  Hr.  S,  im  Coramentar  so  geschrieben:  quis  prijtms  donaverit,  a  L. 
Pisone  traditur  A.  Posfnmius  dictalor,  apud  lacum  Regillum  castris 
Lativorum.  expngmitis,  enm  cuius  mnxumc  opera  capto  essent,  und 
ergänzt  dazu  donasse.  ßefser  wäre  aber  wohl  nach  traditur  ein  Kom- 
ma oder  ein  Kolon  gesetzt,  so  dafs  das  folgende  A.  Postmnius  .... 


Sillig:  C.  Plini  Seciindi  naturalis  liisloriae  libri  XXXVM.     451 

capto  esscnt  als  Epexegese  zu  hedaciilen  wäre.  Dann  ist  aber  vor 
hf/7i('  eine  gröfserc  Inferpunctioii  zu  setzen,  weil  mit  diesem  Satze 
ein  neues  Verbum ,  f/(v///,  eintritt ,  das  aucli  auf  den  folgenden  Salz 
fortwirkt.  ■ —  §.  89  ist  mit  B  allein  cftitsd  nach  hcmoris  eing-esetzt, 
und  §.  IS  pcrsereraf;  Ref.  betrachtet  aber  beides  als  Interpolationen; 
ebenso  das  §.  82  aus  B*  aufgenommene  scireinc.  —  §-73,  wo  von 
dem  Abgraben  eines  Berges  zum  Behufe  der  Gewinnung  des  Goldes 
die  Rede  ist,  hat  Hr.  S.  richtig  nach  B  geschrieben:  e(]He  efftrifu  incre- 
dibiJi  specfant  iiicfores  ruiiidiu  vnliirae .  allein  er  verbindet  wohl  nicht 
mit  Recht  rninam  ex  cffJf/fn,  so  dafs  er  ein  Participium  wie  prodcnn- 
tem  oder  ortam  ergänzt.  Ref.  verbindet  wenigstens  eqnv  efffatu  m- 
credihili  speclant^  in  dem  Sinne:  die  in  der  Ferne  stehenden  Sieger. 
Sie  sehen  den  Einsturz  aus  der  gewaltigen  Staubwolke  hervor,  die 
daraus  emporfährt  und  sie  umgibt.  So  erscheinen  als  begleitende  Um- 
stände 1)  frat/(ii'  qni  coiu'ipi  humnna  mente  tion  possit^  2)  efpalus 
incred'hilis.  —  §.  103  hat  Hr.  S.  aus  Conjectur  geschrieben:  Dein 
vas,  in  qnod  turhida  trarisfiisa  sinf^  nperfuru  Jiiileo  per  vocteni  rehn- 
qvfhir;die  frühern  Ausgaben,  mit  denen  die  Hss.  aufser  B  zusam- 
menstimmen, haben  snnf,  diese  s/7,  was  übrigens  auch  aus  der  Ab- 
kürzung sf  entstanden  sein  kann.  Der  Conjunctiv  möchte  hier  kaum 
recht  begründet  sein.  Von  den  36  Beispielen,  die  Hr.  S.  für  den  frei- 
em Gebrauch  des  Conjunctivs  angeführt  hat,  haben  die  drei  letzten 
in  seiner  Ausgabe  den  Indicativ;  von  den  übrigen  stehn  einige  in  in- 
directer  Rede ,  andere  nach  negativen  Sätzen ,  andere  bezeichnen  eine 
Bedingung,  andere  eine  0"alität,  andere,  wie  quad  mirenmr ^  lafsen 
sich  mit  qnod  sciam  vergleichen;  mit  unserer  Stelle  läfst  sich  kaum 
eines  zusammenstellen,  wenn  man  nicht  die  hierher  rechnen  will,  wo 
von  der  Bereitung  von  Heilmitteln  die  Rede  ist.  —  §•  J15  hält  Ref. 
statt  indicio  nominum  nach  Iiidico  nomine  für  richtig  (M.  G.  A.).  — 
§.  140.  lam  vero  et  mensas  reposiloriis  inponhmis  ist  ohne  Zweifel 
richtig.  In  der  Note  glaubt  aber  Ref.  die  Worte  beanstanden  zu  müfsen: 
*Quodsi  locum  Petronii  contulerimus ,  tum  nobis  fatendum  erit  Plinium 
habuisse,  cur  superiorem  repositorii  partem  sive  quasi  contignationem 
novam  mensam  diceret.'  Er  versteht  nemlich  unter  mensas  die  Schü- 
fsein mit  den  Gerichten  (s.  die  Note  zu  Macrob.  Sat.  VII,  1,  l)  und 
nimmt,  da  mensis  vorher  schon  da  war,  an,  der  Ton  liege  auf  repo- 
Sftori/s,  in  dem  Sinne:  'auf  Untersätze  von  Silber',  so  dafs  sich  dar- 
auf auch  die  Worte  ad  sustinenda  ohsonia  bezögen.  —  §.  147  glaubt 
Ref.  seine  Conjectur  Scitum  noch  vertheidigen  zu  müfsen  (M.  G.  A.). 
Im  34.  Buche  §.  14  hält  Ref.  ebenfalls  seine  Conjectur  qnod 
ene  maxime  Apollini  Delphico  dieahanlur  noch  für  richtig  (M.  G. 
A.),  vergl.  zu  XXXVII,  132.  —  §.  42  liest  man:  Duodecim  annis 
tradnnf  effectnm.  ccc  talentis^  quae  conti fjerant  ex  adparatn  reqis 
Demetrii  relicto  morne  taedio  ohsessae  Rhodo  nach  einer  Conjectur 
Gronovs.  B  hat  ohsessa  Rhodo,  womit  die  Münchner,  eine  Dalechamp- 
sche  und  eine  von  P.  Victorius  benutzte  Hs.  bis  auf  die  Orthographie 
übereinstimmen ;   die  andern  Hss.  haben  obesse  a  Rhodo.     Der   Dativ 


452     Sillig:  C.  Plini  Secundi  naluralis  historiae  libri  XXXVU. 

schliefst  sich  allerdings  ganz  gut  an  cnnti(jeranf  an;  allein  das  Parti- 
cipium  ohsessae  passt  nicht  recht  dazu.  Man  erwartete  den  Begriff  des 
Aufgebens  der  Belagerung,  der  sich  in  der  Conjectur  Harduins  findet: 
relicta  morae  taedio  obsessa  Hlmdo  ^  welcher  Ref.  den  Vorzug  geben 
würde,  wenn  man  nicht  mit  den  Hss.  die  beiden  Participien  im  Abla- 
tiv mit  verschiedenen  Subjecten  zulafsen  will,  wo  übrigens  ohsessa 
Bhodo  den  Sinn  gibt:  ''nach  der  Belagerung  von  Rhodus.'  —  §.  47 
würde  Ref.  die  von  Hrn.  S.  im  Commentar  gebilligte  Lesart  des  B  Cas- 
sio  Calano  in  den  Text  aufnehmen.  —  §.  66  möchte  Ref.  zu  den  Wor- 
ten :  simviacrum  ipsinn  Trophoiiii  ad  oraculttm  nicht  mit  Hrn.  S.  im 
Commentar  als  Gegensatz  annehmen  '  non  aliam  quamcumque  illius  he- 
rois  statuam',  sondern  vielmehr  'non  aliam  in  aede  ea  statuam.'  Aus 
einem  Zusätze  der  Art  könnte  in  den  Hss.  aufser  B  im  folgenden  das 
sinnlose  Medeae  entstanden  sein,  was  Hr.  S.  auf  eine  auch  nicht  ohne 
weiteres  abzuweisende  Art  als  aus  einer  Glosse  Lebadeae  entstanden 
annimmt.  —  §.  80  in  Naucerus  luctalorem  anhelantem  fecif  findet 
sich  das  Verbum  nur  in  der  jungen  Münchner  Hs. ;  B  hat  Inctatore 
hanellante.  Der  Ablativ  schliefst  sich  gut  an  das  vorausgegangene 
cevsetnr  an;  Ref.  hält  daher  dies  für  richtig  und  nimmt  an,  es  sei  ein 
mit  einem  dem  folgenden  Nicernttis  ähnlichen  Namen  beginnender  Satz 
ausgefallen,  der  das  fecil  enthielt  (M.  G.  A.).  —  §.  83  steht  im 
Texte:  tnnlne  parpitatis  ul  fofr/m  eom  ctirrumque  et  cmrigam  inte- 
f/eret  alis  simul  facta  mnsca.  In  der  Note  aber  stellt  Hr.  S.  die  An- 
sicht auf,  es  seien  die  Worte  miracuh)  pictam,  die  B  statt  tolam  hat, 
in  ftcfam  abgeändert  als  richtig  zu  betrachten;  allein  man  könnte  einen 
solchen  Zusatz  eher  bei  simvJ  facla  mnsca  erwarten,  wozu  sie  viel- 
leicht eine  etwas  ungeschickte  Erklärung  bilden,  die  am  unrechten 
Orte  in  den  Text  gesetzt  wurde.  —  §.  90.  In  den  Worten :  Simun 
canern  et  safiittarium  fec?t,  Stratunicus  caelator  lle  pht/osnphos,  Sco~ 
pas  vterqve  nimmt  Hr.  S.  wohl  mit  Recht  an,  in  Scopas  sei  eine  Art 
von  Werken  verborgen,  die  beide  Künstler  gemacht  hätten ;  vielleicht 
ist  dies  horoscopos,  wovon  die  erste  Hälfte  oder  auch,  wie  in  ei- 
nigen Hss.  das  ganze  Wort,  wegen  der  vorausgehenden  philosopkos 
leicht  ausfallen  konnte.  —  §  100  tadelt  Hr.  S.,  der  geschrieben  hat, 
nt  ipse  lapis,  ex  qtio  ßf  res,  cadmea  vocafiir,  Harduin,  der  die  Vul- 
gata  quo  f'if  aes  durch  Verweisung  auf  §.  2  stützt,  worin  dieser  nach 
des  Ref.  Ansicht  ganz  Recht  hat.  Hr.  S.  meint,  es  würde  dann  viel- 
mehr heifsen  ex  quo  ßt  et  aes,  allein  es  steht  ja  auch  §.  110  ex  quo 
coquitnr  aes  und  §.  117  ex  quo  et  ipso  aes  coquitur.  —  Die  folgenden 
Worte  sie  rvrsus  in  fnrnacibus  exsistit,  aliamque  nominis  sui  oriiji- 
vrm  recipit  gesteht  Ref.  nicht  zu  verstehn.  Sollte  vielleicht  zu  lesen 
sein:  aJiaque  aliam  nomivis  sni  (iricjinem  recipit,  in  dem  Sinne 
'  und  die  verschiedenen  Arten  haben  einen  verschiedenen  Ursprung, 
der  ihnen  verschiedene  Namen  gibt',  nemlich  capnitis^  bofryitis,  pla- 
cif/s.  —  §.  J06  sind  dem  Ref.  die  Worte  vase  c/rcumlito  spiramento 
so  unvorsländlich,  dafs  er  (M.  G.  A.)  die'  Vermuthung  ausgespro- 
chen hat,  es  sei  in  vase  ein  dem  französischen  la  rase  entsprechender 


Sillig:  C.  Pliiii  Secundi  naturalis  historiae  libri  XXXVII.     453 

Ausdruck  aus  der  lingua  rustica  verboi'ocn.  —  *iij.  108,  wo  davon  die 
Kede  ist,  dafs  die  Aerzle  ihre  Heilmittel  nielit  mehr  selbst  bereiten, 
sondern  fertig  kaufen,  steht  im  Text  tabesque  mercium  aul  frans  üe- 
plasiae  sie  exteritür ;  in  der  Note  wird  vorgeschlagen  sie  ex- 
siecatur.  Sollte  aber,  da  B^  sie  cexate  luv  hat,  nicht  siece  la- 
xe/'ur  zu  lesen  sein,  in  dem  Sinne:  MN  as  für  verdorbene  Waare 
darunter  kommt,  oder  wie  man  dabei  betrogen  wird,  kann  man 
unter  diesen  Umständen  berechnen.'  — §.  109  könnte  man, 
um  die  Lesart  des  B  excussuri  zu  halten,  den  Punkt  vor  quidani  strei- 
chen und  lesen;  Nev  non  urinu  pueri  prius  maeerunt  clavus  panes- 
que  quidam  excussuri  squanium.  Das  so  ziemlich  überllüfsige  prius 
könnte  durch  Dittographie  aus  pueri  entstanden  sein.  —  §.  HO  ist  an 
sich  die  Verbindung  der  Worte  aeetum  opturatum  nicht  zu  beanstan- 
den,  wohl  aber  die  Zusammenstellung  von  acre  opturatumque;  doch 
mufs  man  wohl  bei  dieser  jetzt  von  mehreren  Hss.  bestätigten  Lesart 
stehn  bleiben, —  §.  114  sind  die  Worte  quod  ita  niaxime  constal 
wohl  zu  übersetzen:  'welches  so  (unter  diesem  Namen)  am  meisten 
bekannt  ist.'  So  passt  wenigstens  temperatur  autem  id  dazu. — •  §.  116 
möchte  Ref.  die  Lesart  der  Hss.  duae  partes  quam  fuere  aceti  nicht 
verwerfen ,  da  man  ja  auch  duplex  quam  sagt.  Im  folgenden  niiisfe 
aber  urinae  gelesen  werden.  Das  Perfectum  fuere  kann  nicht  auffal- 
len,  da  ja  zuerst  blofs  der  Efsig  da  war,  nach  dem  der  Urin  gemefsen 
werden  soll.  —  §.  138  erklärt  Kef.  die  zu  metaUa  ferri  gehörigen 
Worte:  'welche  dem  Leben  sehr  gute  und  sehr  schlimme  Dienste  lei- 
sten.' Wenn  diese  \^'orte  mit  quidem  statt  siquidem  nach  ß  mit  dem 
folgenden  verbunden  werden  sollten,  dürfte  n\c\\l pessimoque  dabei  stehn, 
da  dies  zu  der  zweiten  Hälfte  des  Satzes  sed  eodetn  elc.  gehörte.  — 
§.  164  ist  es  auffallend,  dafs  mit  Hardnin  Owe/an«/«  geschrieben,  dieses 
aber  im  Commentar  geradezu  verworfen  ist.  —  §.  174  ist  vielleicht  in 
lipara  als  Ablat.  im  Singular  zu  betrachten,  wenn  schon  dieses  Wort 
sonst  nur  im  Plural  vorkommt  (XXIII,  162;  XXXllI,  105  und  HO). 

Im  35.  Buche  §.  4  nimmt  Ref.  keinen  Anstand  mit  Hrn.  S.  zu 
schreiben:  ut  frangat  heres  furisque  detrahat  laqueum,  doch  ohne 
seiner  Erklärung  sich  anzuschliefsen  (M.  G.  A.).  —  §.7  liegt  die 
in  dem  Commentar  vorgebrachte  Conjectur  triumphabantque  etiam 
dominis  mutatis  tarnen  domus  der  Lesart  der  Hss.  etme  nicht  sehr 
nahe  und  ist  namentlich  wegen  etiam  unpassend.  —  §.9  ist  die 
Partikel  siquidem  den  beiden  Erklärungsweisen  des  Hrn.  S.,  non 
als  für  nonne  oder  für  non  dico  gesetzt  zu  betrachten,  nicht  gün- 
stig. —  §.  11  steht  die  Vermuthung  von  Hertz  ut  praesetites  esse 
ubique  ceu  di  possent  offenbar  der  Lesart  der  Hss.  cludi -dm  näch- 
sten (vergl.  II,  82  in  a  celi  für  ceu)^  und  ist  auch  dem  Sinne  nach 
passend:  nur  die  Stellung  ist  etwas  auffallend.  —  ^.  21  er- 
scheint die  Lesart  fast  aller  Hss.  in  eo  richtig,  wenn  man  nach  con- 
silium  ein  Komma  und  vor  in  eo  ein  Kolon  oder  einen  Punkt  setzt 
so  dafs  darunter  zu  verstehn  ist  in  eo  consilio ,  und  am  Anfange  der 
Periode  fuil  nicht  mit  non  omittendum  verbindet,  sondern  erklärt :  'es 


454     Sillig:  C.  Plini  Secundi  naturalis  historiae  libri  XXXVII. 

fand  statt.'  Veigl.  §.  119  Fuit  et  nuper,  dagegen  §.  121  Non  est 
omittenda.  —  §.  27.  Die  schwierigen  Worte:  Nemean  sedentem 
supra  leonem^  palmiger  am  ipsam^  adstante  cum  baculo  sene,  cuius 
supra  Caput  tabella  bigae  dependel^  erscheinen  auch  iiier 
noch  uiiberichtigf.  Der  Weg,  den  Hr.  S.  eingeschlagen  hat,  dafs  er 
in  biger e ,  was  B  hat,  den  Namen  eines  Baumes  sucht,  und  also  vor- 
schlägt: tabella  a  biete  dependet,  oder  larice  oder  ab  acere,  scheint 
dem  Kef.  ebensowenig  zum  Ziele  zu  führen  als  der  Vorschlag  Bergks 
tabellae  piceae  dependent.  Ref.  vermuthet  vielmehr,  es  sei  darin 
etwas  den  folgenden  Worten  supervolante  aquila  draconem  conplexa 
entsprechendes  darin  zu  suchen.  —  §.  29  hat  Hr.  S.  geschrieben: 
Quae  rnux  neogrammatea  gener a  picturae  vocantur  qui  deinde  et 
quae  invenerint  et  quibus  temporibus ,  dicemus  in  mentione  arti/icum, 
während  die  Hss.  ^«2  haben.  Kef.  hatte  daher  vermuthet,  es  sei  zu 
lesen :  (Jui  quae  monochromatea  genera  picturae  vocantur  (pinxe- 
rintj ,  was  Hr.  S.  mit  den  Worten  abweist:  *  qua  coniectura  oratio 
non  modo  languida,  verum  etiam  perobscura  redditur.'  Er  wird  es 
dem  Kef.  nicht  übel  nehmen,  wenn  er  dies  Urtheil  aufsein  ^«ae  über- 
trägt;  den  der  Satz,  der  im  Indicativ  steht,  kann  nicht  geradezu  von 
dicemus  abhängen ;  man  müste  also  verbinden :  Quae  mox  .  .  .  vocan- 
tur qui  deinde  .  .  .  invenerint^  wo  das  mox  so  ziemlich  unerklärlich 
wäre.  Ref.,  der  das  von  allen  befsern  Hss.  gebotene  mox  sammi  dem 
freilich  noch  nicht  erklärten  Wort  neogrammatea  sich  jetzt  gefallen 
lafsen  zu  mülsen  glaubt,  möchte  dagegen  den  Ausfall  eines  g-uae  nach 
picturae  annehmen,  so  dafs  zu  verbinden  wäre:  Qui  mox  neogram- 
matea genera  picturae  quae  vocantur  invenerint,  woran  sich  dann 
gut  anschliefst  qui  deinde  et  quae  invenerint;  oder  sollte  neogram- 
matea .  .  .  vocantur  ohne  Relativ  als  Parenthese  erklärt  werden?  — 
§.  41  läfst  sich  die  Conjectur  des  Hrn.  S.  qui  carbones  iniectos  se- 
pulchris  ejJoderenthiWigen,  wenn  msin  mir  sepulchris  mit  effoderent 
und  nicht  mit  iniectos  verbindet,  da  dieses  sonst  'darauf  geworfen' 
hiefse.  Wollte  man  mit  den  Hss.  zweiter  Classe  infectos  festhalten, 
so  müste  es  erklärt  werden  'getränkt',  nemlich  vom  Fett  des  ver- 
brennenden Leichnams;  vergl.  XXXII,  77  conchylio  infecta  lana;  XI, 
32  mel  fronde  infectum.  Die  Lesart  der  Hss.  erster  Classe:  infectant 
führt  aber  Aui  insec  tantes.  —  §.  43.  Die  Note  zu  den  Worten  fit 
et  ligno  e  taedis  conbusto  gibt  ein  deutliches  Beispiel  davon  ,  dafs 
Hr.  S.  öfters  den  von  ihm  angeführten  Beweisstellen  dadurch  alle 
Kraft  benimmt,  dafs  er  sie  zu  sehr  häuft  ohne  die  Worte  anzuführen. 
Diese  schlagen  wohl  die  wenigsten  auf,  und  wenn  sie  es  thun,  werden 
sie  manchmal  unangenehm  dadurch  berührt  werden,  wenn  sie  ziemlich 
fernliegende  Dinge  linden,  wie  hier  Signum  e  marmore  u.  dergl. 
Schlagender  wäre  die  Anführung  des  einen  Beispiels:  XVII,  253  Hoc 
idem  fit  et  amygdalis  e  robore  cuneo  adacto ^  in  piris  forbisque  e 
taeda. —  §.  50  fragt  es  sich,  aus  welchem  Grunde  Hr.  S.  Echion 
beibehalten  hat,  da  die  befsern  Hss.  für  Aetion  sprechen  [vgl.  Stark 
in  der  Zeitschr.  f.  d.  Alterthumswifs.  1852  S.  73j.  —   §■  55  haben  die 


Sillig:  C.  Plini  Sccundi  naturalis  hisforiao  libri  XXXVII.     455 

Hss.  erster  und  zweiler  Classc  enim,  duodepicesma  Olympiade  in- 
leriit  Candaiiles^  so  dal's  enim  an  der  Spitze  eines]  Salzg^liedes  steht. 
Die  Vul^ata  duo  enim  de  vicesima  ist  sicher  falsch.  Vielleicht  hat 
aber  Pliiiius  die  auffallende  Stellung  eben,  weil  jenes  nicht  angieng, 
sich  erlaubt.  Elenim^  was  Hr.  S.  will,  ist  wegen  des  vorausgehen- 
den est  nicht  gerade  abzuweisen  ,  dafs  aber  die  Hss.  keine  Spur  da- 
von haben,  ist  bei  der  Frage  über  die  Stellung  der  Partikel  enim  an 
die  Spitze  eines  Satzes  oder  Satzgliedes  jedesfalls  nicht  zu  übersehn. 

—  §.  59  möchte  lief,  jetzt ,  wo  es  bekannt  ist,  dal's  die  guten  Hss.  fast 
alle  pel  maior  knie  auclorilas^  nicht  unde  haben,  jenem  nicht  mehr 
entgegen  sein;  allein  es  mufs  das  Semikolon  vor  ch/m  gesetzt  werden, 
so  dafs  die  Worte  verbunden  werden:  cum  partem  eius  Micon  mer- 
cede  pingeref,  vel  maior  huic  auctoritas  ^  wodurch  auch  das  Prono- 
men hic^  auf  den  fernerstehenden  bezogen,  weniger  auffallend  wird. 

—  §.  76  ist  vielleicht  doch  das  autem  nach  docuit  aufzunehmen,  so 
dafs  man  oben  zu  Ipse  Macedo  natione  ergänzt  fuit ;  denn  dem  Sinne 
nach  passt :  'Er  selbst  ein  Maccdonier  .  .  .  lehrte  niemanden  um  ei- 
nen geringern  Preis  als  um  ein  Talent'  nicht  recht  in  einen  Satz.  Doch 
vergl.  §.  114  ipse  in  Aegypto  natus  didicit  a  Ctesidemo.  —  §.  79 
legt  wohl  Hr.  S.  der  Lesart  des  cod.  Tolet.  propinavit  einen  zu  gro- 
fsen  Werth  bei;  denn  den  Sinn  des  Förderns  des  Kunst,  welchen  hier 
das  Verbum  contuiit  ganz  gut  ausdrückt,  kann  jenes  Verbum  nicht 
wohl  haben.  —  §.  114  hat  Hr.  S.  vermuthet  Ide7n  iocans  in  no- 
mine Gryllum  deridiculi  habitus  pinxil,  und  es  ist  gegen  seine  Er- 
klärung nichts  einzuwenden.  Die  Lesarten  der  Hss.  iocosis  oder  loco- 
sis  führen  aber,  wenn  man  nicht  zu  dem  ersten  nach  comicis  tabellis 
in  §.  113  ergänzen  will  tabellis^  eher  auf  ioc  o  s  itis.  —  §.  1J5  ist 
das  Epigramm  des  Tempels  zu  Ardea  gut  hergestellt  und  erklärt.  Hrn. 
S.s  jetzige  Conjectur  Cleoetas  Alalia  exoriundus  verdient  vor  seiner 
frühern  Italia  exoriundus  und  der  Lachmann -Bergkschen  cluet  (qui) 
Asia  lata  esse  oriundus  insofern  den  Vorzug,  als  sie  eine  bestimmte 
Stadt  anstatt  der  vagen  Angabe  eines  Landes  einsetzt;  aber  anderer- 
seits ist  zu  erwägen,  dafs  esse  oriundus  in  den  Hss.  steht,  was  vorn 
cluet  nöthig  macht.  Der  Vers  kann  also  noch  immer  nicht  als  voll- 
kommen sicher  hergestellt  betrachtet  werden.  —  §.  117  vertheidigt 
Hr.  S,  wohl  mit  Recht  jetzt  die  Vulgata  sponsione;  wenn  er  aber  dazu 
die  Vermuthung  zu  Hilfe  nimmt,  dafs  die  Wette  durcb  gewisse  allge- 
mein anerkannte  Gebährden  ausgedrückt  worden  sei,  so  ist  dagegen 
einzuwenden,  dafs  diese  Gebährden  in  der  vom  Maler  gewählten  Si- 
tuation der  Ausführung  der  Wette  sich  kaum  anbringen  liefsen,  und 
dafs  die  Wette  schon  durch  das  Bestreben  einander  zuvorzukommen 
hinlänglich  angedeutet  werden  konnte.  — •  §.  130.  Zu  den  Worten 
Eodem  tempore  fuit  et  Cydias  ist  u.  a.  bemerkt:  'In  exercitt.  Plin. 
2,  8  Bergk.  coniicit  Cydias  Cyfhnius  coli.  Steph.  Byz.  s.  v.  Kvövog, 
cui  coniecturae  obstat,  quod  in  omnibus  codd.  fuere  neque  fuit  legi- 
lur.'  (So  auch  zu  §.  11  'Eadem  de  causa  dicit  fuerat  neque  fuit.') 
Die  Hss.  haben  allerdings:  fuere   cydi  (cydius,   ciclius'i   et   cydias; 


456     Sillig:  C.  Plini  Secundi  naturalis  historiae  libri  XXXVII. 

allein  es  konnte  ja,  nachdem  man  aus  Cynthius  einen  zweiten  Künst- 
lernamen gemacht  hatte,  schon  in  der  Originaliiandschrift  das  Ver- 
bum  in  den  Plural  abgeändert  worden  sein.  —  §.  142  hat  Hr.  S. 
übersehn ,  dafs  Ref.  in  seiner  letzten  Vergleichung  des  B  in  cuius 
nilo  statt  eins  bemerkt  hat.  —  §.  159  hat  er  einen  neuen  Satz  mit  Et 
iam  ut  omittantur  in  frugum  .  .  .  generibus  beneßcia  eins  begonnen; 
allein  die  Vulgata  etiam  ut  omittantur  etc.,  die  er  in  der  kleinen 
Ausgabe  beibehalten  hatte,  schliefst  sich  weit  befser  an  das  vorher- 
gehende inenarrabili  terrae  benignitate ^  si  qui  singula  aestumet  an; 
vergl.  XXXVI,  I:  Lapidum  natura  restat,  hoc  est  praecipua  morum 
insania.,  etiam  ut  gemmae  .  .  .  sileantur.  Der  Satz  schliefst  dann 
mit  quaeque  adhuc  diximus ,  wo  quaeque  richtig  mit  quaecutnque  er- 
klärt ist.  —  In  den  unmittelbar  darauf  folgenden  Worten  vel  adsi- 
duitate  satiant  ftglinarum  opera  will  Hr.  S.  gegen  alle  Hss.  satiat  le- 
sen, 'cum  benehcia  terrae  satiare  figlinas  vix  dici  possit;  immo  ipsa 
terra  hoc  faciat.'  Hier  ist  opera  als  Accusativ  betrachtet,  was  offen- 
bar Nominativ  ist;  vergl.  XII,  81:  Adeo  nulla  est  voltiptas,  quae  non 
adsiduitate  fastidium  pariat.  —  In  Betreff  der  Worte,  in 
vk'elchen  die  verschiedenen  Arbeiten  aus  Thon  angeführt  werden,  ist 
Uef.  mit  Hrn.  S.  darin  einverstanden,  dafs  imbricibus  mit  ad  tecta  in 
ein  Satzglied  gehört;  es  bleibt  ihm  aber  trotz  der  Erwähnung  der 
l'undamenta  caemenficia  auffallend,  dafs  die  fundamenta  coctilia  den 
laterculis  coctilibus  parallel  gestellt  sind,  und  dafs  quae  rota  fiunt 
nur  auf  die  kleinern  Gefäfse  gehen  soll,  während  doch  auch  die  dolia^ 
tubuli  und  mammata  auf  dem  Bade  verfertigt  werden  (vgl.  Horat.  art. 
poet.  21  sq.  Amphora  coepit  Institui ;  currente  rota  cur  urceus  exit?). 
Es  sind  demnach  die  Schwierigkeiten  dieser  Aufzählung  keineswegs  ganz 
gelöst  und  es  scheint  dem  lief,  im  Hinblick  auf  Isidor.  Origg.  XX,  4,  3 
immer  noch  nicht  unwahrscheinlich,  dafs  Plinius  quae  aut  manu  aptan- 
tur  usibus  humanis  aut  quae  rota  ßunt,  oder  etwas  ähnliches  geschrie- 
ben habe.  —  §.  165  hält  Bef.  immer  noch  Quid  non  excogitavit  vita 
für  das  richtige,  da  ja  im  folgenden  etwas  wirklich  bereits  ausgedach- 
tes angeführt  wird.  Die  gleiche  Silbe  findet  sich  nur  einmal  in  der 
Lesart  der  Hss.  VB  excogitavit  a,  und  excogitat  vita  in  B  ist  wohl 
nur  ein  unrichtiger  Befserungsversuch.  Die  folgenden  Worte  scheint 
Hr.  S.  misverstanden  zu  haben,  wenn  er  abtheilt:  fractis  etiam  tesfis 
utendo  sie  ut  firmius  durent  tunsis,  calce  addita,  quae  vocant  Signi- 
na und  tunsis  als  Ablativ,  von  firmius  abhängig,  betrachtet,  und  als 
Gegensatz  zu  fractis ,  so  dafs  hier  von  zusammengebrochenen  Scher- 
ben die  Bede  wäre,  nicht  von  gestofsenen.  Es  fragt  sich  vor  allem, 
was  unter  Signina  zu  verslehn  sei.  Hat  Grofse  Recht,  der  Gefäfse  dar- 
unter versteht,  so  kann  von  zusammengebrochenen  Scherben  keine 
Bede  sein,  und  für  jene  Ansicht  sprechen  die  folgenden  Worte:  Quo 
genere  etiam  pavimenta  excogitavit.  Was  soll  man  auch  anders 
als  vasa  dazu  ergänzen?  Der  Gegensatz  von  fractis  und  tunsis 
wäre  aber  auch  gar  nicht  klar,  da  man  ja  XXXIV,  171  haec  in  mor- 
turiis  mimiHm  fracta  liest.  Es  sind  also  hier  wohl  fractae  testae  durch 


Sillig:  C.  Piini  Sormidi  luiliiralis  liisloriao  libri  XXXVII.     457 

den  Gehraucli  zerbrochene  Scherben,  die,  wenn  sie  zu  neuen  Ge- 
liilsen  gebrauchl  werden  sollen,  geslolsen  und  niil  Kalk  vermischt 
werden.  Die  Worte  s^6•  ut  lirmius  duirnl  bedeuten  dann:  'mit  dem 
Erfolg,  dafs  sie  daiicrhaFler  werden',  nomlich  als  gewöhnliche  Ge- 
färse  von  Thon.  Demnach  wäre  das  erste  Komma  vor  tu/isis  zu  setzen 
oder  beide  zu  streichen.  —  'ij,.  J67  in  den  NN  orten :  Non  tnultum  a 
pulvere  Puleulaiio  distal  e  Nilo  lutrena  tenuissima  sui  parle,  non  ad 
sustinenda  maria  jUictusqjte  l'raiitjendos  sed  ad  debellaiida  Cor- 
pora palucslrae  studiis  wird  dehellare  mit  cincere,  franr/ere  erklärt 
und  hinzugesetzt:  'et  corpus  talibus  studiis  vinci  recfe  dicitur ,  qua- 
tenus  eins  moUities  et  iguavia  frangitur  sive  debellatur.'  Dies  kann 
aber  doch  dehellare  nicht  bedeuten.  In  den  beiden  angeführten  Stellen, 
XX,  50;  XXII,  99,  bezeichnet  es  das  Entkräften,  ünsciiädlichmachcn 
eines  Giftes.  Uef.  versieht  daher  unter  corpora  den  angreifenden 
Theil,  gegen  dessen  Angriife  man  sich  durch  das  Salben  mit  Oel  und 
Bestreuen  mit  Sand  schützte,  und  diese  Aul'fafsung  passt  allein  zu  den 
Gegensätzen  ad  suslinendu  maria  fUicttisque  fraiKjeiidos.  Aufserdem 
müste  man  delerandis  corporihus  lesen,  womit  sich  XXXVI,  154  ver- 
gleichen liefse  in  usu  levandornni  corporum.  In  jedem  Falle  ist  aber 
slndiis  als  dat.  commodi  zu  fafsen.  —  §,  175  möchte  Ref.  die  Vul- 
gata  (juotriain  candore?n  tanlum  inolliUeinque  afj'ert,  obgleich  dieses 
dritte  tanlum  allerdings  etwas  auffallend  ist,  doch  der  Aenderung 
Silligs  tarnen  vorziehn.  Seine  Erklärung  würde  his  lamen  erfordern. 
—  §.  180.  Was  hier  über  die  Worte  sitque  ponderosnm  ac  grave, 
leve  autem  modice  gesagt  ist,  hat  den  Hef.  auch  nicht  überzeugt 
(M.  G.  A.). 

Im  36.  Buche  §.  18  schreibt  Hr.  S. :  sed  in  scuto  eins  Amaz-o- 
num  proelium  caclavit  infutnescente  ambitu  parmae,  eiusdem  con- 
Cava  parte  deorum  et  gigantum  dimicalioues,  und  erklärt  parmae  als 
einen  andern  Ausdruck  für  sculum.  Allein  mit  dieser  Interpunction 
wäre  der  Satz  wohl  nur  so  zu  verslehn,  dafs  parma  eine  runde  Er- 
höhung auf  dem  viereckigen  Schilde  bedeutet;  soll  dagegen  parma  als 
Synonymum  von  sculum  gelten,  so  muls  es  in  das  folgende  Satzglied 
gebracht  und  parmae  eiusdem  cuncava  parle  verbunden  werden.  So 
ist  es  in  dem  angeführten  Beispiele  auch  mit  inventa  und  reperta  der 
Fall.  —  §.  19  möchte  Uef.  vernnithen ,  nascentes  sei  aus  nascenli 
dona  f er entes  entslanden,  wie  XXXVII,  17  in  B-perstruebai  steht 
statt  personis  et  cubilia  amatoria  union  ibus  conslru- 
ebat.  Vor  Victoria  sollte  wegen  des  Ablat.  absol.  statt  des  Punktes 
nur  ein  Komma  stehn.  —  §.  57  hat  Hr.  S.  geschrieben:  Rubel  por- 
phyrites  in  eadem  Aegyplo  ,•  candidis  intervenienlibus  punclis  lepto- 
psephos  rocatur;  allein  die  befsern  Hss.  haben  vor  candidis  noch  ex 
eodem,  worin  Ref.  eine  Brachylogie  sieht:  ex  eodem  .  .  .  vocatur  iiir 
ex  eodem  fit  qui  vocalur.  —  §.  76  ist  die  Conjectur  des  Ref.  cacti- 
mina  L  ulnas  extra  aquam  eminer e  dicuntur  im  Commentar  in  ca- 
cumina  h.  ulnas  entstellt.  —  §.  86  kann  sich  Ref.  noch  nicht  mit  der 
etwas  gewaltsamen  Aenderung  Silligs  :  columnis  domoque  reliqua  be- 

iV.  Jalirb.  f.  PIM.  u.  Paed.  ßä.  LXVII.    Uß,  4.  30 


458     Sillig:  C.  Plini  Secundi  naturalis  historiae  libri  XXX VIT. 

freunden,  und  zieht  noch  die  seinige  quaeque  rehqiia  vor.  —  §.  98- 
S.  zu  XXXIII,  23  (M,  G.  A.).  —  §.111  habilaterant  als  relalivo 
Zeitbestimmung,  der  Zeit  des  Nero  gegenüber,  ist  neben  dem  allge- 
mein und  absolut  ausgesprochenen  qui  fever e  nicht  zu  beanstanden, 
■ —  §.  117.  Statt  postremo  iam  die  discedentihus  tahuiis  ist  nach  B  zu 
schreiben  post  pritnos  dies  etiam  sedentibiis  aliquis  (M.  G.  A.).  -— 
§.  128.  Gegen  die  Conjeclur  S.s  a  Boebe  luteum  lafst  sich  nur  da» 
einwenden,  dafs  sie  sich  in  der  Mitte  etwas  weit  von  der  handschrift- 
lichen Lesart  entfernt.  —  §.  175  hat  Hr.  S.  nach  ß  geschrieben  :  Ab 
Appennino  ad  Pcidum  inveiiitur  fussicia  nee  Irans  tnaria,  und  sagt, 
dies  stände  in  Einklang  mit  den  Worten  Vitruvs  11,  6,  5:  qua  muns 
Apenninvs  regiones  Italiae  Elruriaeque  c,rcu?»eiti(jit  .  .  .  non  de- 
sunt  fossicia  arenaria;  allein  da  Plinius  die  Gegend  nördlich,  Vitru- 
vius  aber  südwestlich  von  den  Apenninen  bezeichnet,  stimmen  beide 
Schriftsteller  nur  zusammen,  wenn  man  nach  der  Vulgata  nü7i  ince- 
nitur  schreibt.  —  §.  177  liest  man  nach  Vorgang  des  ß  tecturium  in- 
duxil  late  e  croco  subaettim^  statt  der  Vulgata  tacle  et  croco. 
Das  Wort /cf/e  ist  unerklärt  geblieben,  wegen  e  croco  subactum  ist 
aber  auf  XXXII,  111  ex  oleo  subacti  verwiesen,  wo  noch  zwei  Stellen 
angeführt  sind  :  XVIII,  106  ex  ovis  aut  lade  subigunt  und  XXVIII,  67 
cinere  ex  ea  (^urina^  subaclo.  Schon  aus  diesen  ßeispielen  ist  er- 
sichtlich, dafs  die  Praeposition  ex  so  nur  bei  Flüfsigkeiten  stehn 
kann,  so  dafs  man  wohl  e  tacte  et  croco  subactum  sagen  könnte,  aber 
nicht  e  croco  allein.  Dies  hat  Ilr.  S,  auch  zu  §.  188  übersehn,  wo  er 
dem  Kef.  vorwirft,  dafs  er  nicht  erwogen  habe,  dafs  man  carbonibus 
ex  sabiilo  mixtis  sagen  könne. 

Im  37.  Buche  §.  1  werden  die  Worte  quae  causa  gemmarttm  est 
nach  violari  sign/s  erklärt:  'quarum  causa  tamen  (ad  signandum  sci- 
licet,  non  ut  ad  corpus  ornandum  gestentur)  dii  gemmas  procrearint', 
so  dafs  causa  die  Bestimmung  bedeuten  soll.  Wenn  dies  an  sich 
schon  bedenklich  erscheint,  so  ist  es  um  so  mehr  der  Fall,  wenn  man 
auf  das  Verbum  violari  Uücksicht  nimmt,  weshalb  es  dem  Ref.  immer 
noch  fraglich  erscheint,  ob  wir  hier  nicht  eine  Randbemerkung  ein- 
gesetzt finden,  die  den  Inhalt  von  §-  2  angeben  sollte.  — ■  §•  -i  möchte 
es  doch  noch  zweifelhaft  sein,  ob  gegen  die  Autorität  des  B  Augusti 
zu  schreiben  ist,  was  von  denselben  Hss.  dhr  geboten  wird,  die  auch 
§.  27  divus  Auguslus  haben ,  wo  Hr.  S.  ohne  Angabe  des  Grundes  /«- 
tia  statt  Livia  Augusla  geschrieben  hat.  Hier  könnte  einer  jener  Na- 
men ausgefallen  sein,  wenn  man  nicht  annehmen  will,  dafs  die  Livia 
vorzugsweise  Augusta  genannt  sei.  —  §.  7  scheint  aus  B  das  eni7H 
nach  Nicomachus  nicht  mit  Recht  aufgenommen  zu  sein,  denn  die 
Worte  qui  tertius  eodetn  tempore  tnter  musicos  fuit  müfsen  doch  auf 
Nicomachus  bezogen  werden,  da  vorher  von  zwei  miteinander  welt- 
eifernden Malern  die  Rede  ist.  Die  Worte  ut  sie  quoque  par  vide- 
relur  hängen  von  aemulus  ab,  und  sollte  qui  tertius  .  .  .  fuit  dazu 
gehören,  so  raüste  es  esset  heifsen.  Im  folgenden  ist  dagegen 
wohl  mit  Recht  mit  Sed  forte  qnadam  eine   neue  Periode  begonnen; 


Sillig:  C.  Pliiii  Sccimdi  natiinilis  liistoiiac  libri  XXXVH.     4.')0 

allein  sed  möelile  Ref.  lieber  7,(1  Polytrafis  ffhnnia  herabbczicliri ,  iiiid 
forfe  (jtiadam  .  .  .  Untiere  als  Parenlliose  lafsen.  —    ^.  18  liabcii  alle; 
bekannten  IlsSi  abacis  etiaru  escariisijne  vasis   expetifis,   allein    Uel'. 
zweifelt  nicht,  dafs  expetila  (sc.  miirrina)   belesen   werden  nuifs; 
vergl.  IX,  125  flarnn  illum  linr/unuhs  expelititm  reslihiis  und  X\'l<4l 
(ibieli  expe/ifae  iuicigiis.  —    <^.  18  ist  im  Coninientar    vorgesclila}>eii 
7,u   schreibell :  Lt  clescil  in  dies  eitis  luxuria.     Murriuo  LXX  US. 
emplo,  capaci  plane  ad  sexlurios  trei  calice,  potavit  L.  Ann  iu  s  con- 
snlaris,  wo  Hef.  nur  billigen  kann,  dafs  vor  Murrino  ein   Punkt  ge- 
setzt und  also  damit  der  neue  Satz  bo<ronnen  ist.     Im  übrigen  ist  eins 
(sc.  murnni^  ^  da  nuf  der  Plural  tinininu  vorausgeht,  unverslaiidlicii 
und  eins  r ei  (wo,  wenn  ei'  rei  geschrieben  war,  in  ß  leicht  rei  aus- 
fallen konnte)  wiederherzustclleli.     In  Hetrelf  des   L.  Annius  consu- 
laris    ist   zu   bemerken ,   dafs  er  erst  im  .1.  70  n.  Chr.    und    zwar    nur 
Consul  sulfectus  gewesen  sein,  nach  dem  folgenden  aber  Nero  dessen 
Kindern  seine  Sammlung  abgenommen  haben  soll,   was  nicht  zusam- 
men passt.    Ref.  hat  deshalb  in  der  Zeitschrift  für  die  Alterthumswifs. 
1849  S.  463  vermuthet,  es  sei  annosns  dafür  zu  lesen  in  dem  Sinne: 
*er  war  in  seinen  allen  Tagen   noch   so   ein  Thor^,  was  Hr.  S.  niclit 
angeführt  hat.  ■^—    %.  '21   hat  Ref.  nie   Bergks   Conjectur  vertheidigt; 
'ibidem  1849  nr.  113'  ist  aber  ein  falsches  Cilat  statt  der  erstem  Stelle, 
das  dem  Ref.  selbst  zur  Last  fällt.  — -    §.  65  ist  wohl  nur  aus   Ver- 
sehn nitent   im   Texte    geschrieben,  während    R    internilent   hat.    — 
§.  79  sind  die  Worte  addiloqtie  auri  repercussu  auf  umnino  constrala 
perspicuitatis  crassifudine  evklixrt:  ^  constrala  idem  est  quod  sopita, 
fracta  .  .  . .,  perspicuUatis  crassiliido  vero  de   ea  crassitudine  intelli- 
genda  est,  quae  in  perspicuitate  iiiest  et  proinde  eam  arcet',  was  Ref. 
nicht  recht  zu  verstehn  gesteht.     Er  würde  lieber    schreiben:   haud 
omnino  con  traria  perspicirita ti  crassitudine.   —    'ij.  91   weifs   Ref. 
ebenfalls  die  aus  R  entlehnte  Lesart:  Nee  sarda  est  huic  (jemmae  di- 
ridna.,  ex  eoderu  et  ipsa  nomine.,  nicht   zu  erklären.     Im   Commenlar 
ist    nur    das    Pronomen    hie   in   Rezug    auf  das    entfernte    sardunyx., 
und  diridua  mit    dem  Dativ   gerechtfertigt,   aber   nicht  der   Sinn  der 
ganzen  Stelle  angegeben,  der  namentlich  durch  die  Negation  nee  er- 
schwert wird.  Man  sollte  Nee  non  oder  Nee  w«wms  erwarten,  wenn  nicht 
diff'erenda  wieder   eingesetzt   werden  soll.  —    '5^.   94   ist    vi   positns 
(carbtincnhis)  extremo  visu  nubilantis   attullat  exardeseente   InU/nre 
erklärt:  '  ut  positns  (sc.   in   tabula  aliqua)  exardeseente  suo  fulgore 
attollat  (i.  e.  eorum  visum  infendat,  eos   splendidiores ,   visu   acriores 
reddat)  alios  carbnnculos  inxta  posilos  extremo    visu  nubilantes    i.  e 
qui  in  extremitate  sua  nubilum  adspectum  praebent,  ut  igitur  ille  car- 
bunculus  suum  fulgorem  cum  aliis  communicet.'    Hier  sind  also   meh- 
rere nebeneinander  liegende  Carfunkel  angenommen,  wozu  kein  rech- 
ter Grund  vorhanden  ist;  ferner  soll  attollat  im    Gegensatz  stehn   mit 
nubilantis,  was  sich  nicht  reclit  denken   läfst,  und  extremo  visu  soll 
sich  auf  die  Ränder  der  Edelsteine  heziehn  (denn  dies  heilst  doch  wohl 

30* 


460     Sillig:  C.  Pliiii  Secimdi  naturalis  historiae  libri  XXXVII. 

in  extremitate  sua?).  Allein  extremus  Visus  bezieht  sich  nach  der 
Ausdrucksweise  des  Plinins  auf  den  Punkt,  wo  man  nicht  weiter  sehn 
kann,  also  hier  den  Hintergrund  des  Eldelsteins,  der,  wenn  man  nach 
dem  Vorschlage  des  Ref.  liest:  extreino  visu  nnbilante  se  adtollaf. 
trüb  ist,  so  dafs  sich  der  daliegende  Edelstein  durch  seinen  gleichsam 
aus  dem  dunkeln  Hintergrunde  hervorsprühenden  Glanz  zu  erheben 
scheint.  Vergl.  §.  68  Nubecula  est  alhicantis  Vitium^  cum  viridis 
non  pertransit  adspectus ,  sed  aut  intus  occurrit  aut  excipit  in 
fine  Visum  candor  hie  coloris.  —  §.  9i  ist  nach  der  Lesart 
des  B  lignizonte  geschrieben  lignyzontem.  Gewis  mit  Recht  wird  ein 
von  XLyvvi;  abgeleitetes  Wort  verlangt;  allein  die  Form  auf  v^w  findet 
sich  nur  bei  Verbis  die  von  andern  Verbis  abgeleitet  sind,  wie  e^TTv^co, 
es  fragt  sich  daher,  ob  nicht  nach  der  Analogie  von  cntOTivtanai  zu 
schreiben  ist  lignyizontem?  —  §.  Jü3  kann  Ref.  a  luccrnarum  as~ 
sensu  nicht  für  richtig  halten  (M.  G.  A.).  — ■  §.  105  ist  Babylon  am 
wohl  nur  ein  Druckfehler  für  Bahylona,  wie  B  hat.  ■ —  §.  109  ist  et 
Cottbus  nach  Naxio  wohl  nicht  mit  Recht  getilgt  (M.  G.  A.).  —  §.  114 
möchte  Ref.  aus  B  a/>  ea  distantem  jetzt  hebeti  distanfem  ohne  ac 
ableiten,  so  dafs  brevi  ef  fnl lad  aine  Epexegese  bildete.  • — ■  §119 
könnte  man  etwa  nach  B  und  Theoplirast  de  lap.  §.  55  schreiben: 
poslremo  Aegypiia  adulleratur  maxume  tincfura,  idque  in  cfloriam 
requm  Aegypti  adscribifui- ,  et  qui  primus  tinxit.  Bei  der  Silligschen 
Interpunction  adulteratur  maxime  tincfura;  idque  in  gloriam  reguiu 
Aegypti ,  passt  adulteratur  in  gloriam  gewis  weniger  gut  zusammen, 
als  nach  jener  Weise  in  gloriam  adscrihitur.  Allein  die  Worte  Thco- 
phrasts  ot  yqucpovreg  xa  TtSQi  rovg  ßaßdeL^  sprechen  mehr  für  ///  ht- 
storia.  War  dies  im  Originalcodex  nach  der  im  B  noch  sichtbaren 
Weise  STORIA  geschrieben,  so  konnte  es  leicht  in  GLORIA  übergehn. 
Vergl.  auch  XXI,  152  in  remediis  eins  adscribi.  —  §.  12^3  glaul)t 
Ref.  wegen  decere  bei  dem  Accus,  et  speciem  et  colorem  stehn  blei- 
ben zu  mufsen.  —  §.  126.  Für  die  Schreibweise  aurichnlcum.  spricht 
sich  Schneider  (Gramm.  I  S.  59)  nicht  so  entschieden  aus  als  Hr.  S. 
glaubt  (M.  G.  A.).  —  §.  132.  Sollte  wirklich  eam  nach  cerauniam  so 
matt  sein,  zumal  da  ein  Relativsatz  darauf  folgt?  Vergl.  §.  142  und 
das  zu  XXXIV,  14  bemerkle.  —  §.  UO  hat  Hr.  S.  von  den  Achaf- 
arlen  geschrieben:  tnagnis  et  aliis  miraculis ;  reddunt  enim  fluminum 
species,  nemorum,  iumentorum,  iam  hederae  staticula  et  equorum  or- 
namenla.  Dafs  hederae  verdorben  sei,  ist  im  Commentar  bemerkt; 
allein  vergleicht  man  die  dabei  citierte  Stelle  XXXIV,  162  argentnm 
incoquere  simili  modo  coepere  equorum  maxume  ornamentis  iumen- 
torumque  ac  iugormn,  so  zeigt  sich,  dafs  iumentorum  und  equorum 
zusammengenommen  werden  mufs,  und  da  dort  im  §.  163,  wo  vom 
Wagenschmuck  die  Rede  ist,  auch  staticula  genannt  werden,  so  ge- 
hört dieses  Wort  wohl  zu  iumentorum.  Betrachtet  man  das  dazwi- 
schenstehende  iam  hederae.,  so  läfst  die  Zeitpartikel  vermuthen,  es 
läge  in  hederae  ein  Verbum  verborgen,  etwa  dedere,  was  freilich 
den  ungewöhnlichen  Sinn  haben  müste:  'sie  haben  abgegeben,  gelio- 


Sillig:  C.  Pliiii  Seciindi  aaluralis  liisluriue  libri  XXXVH.     4GI 

fort',  was  iibriffoiis  in  den  Gedanken  giil  passle,  da  hier  Dinge  ge- 
nannt sind,  wozu  der  Achal  gobrauclil  werden  kann,  aber  nicht,  die 
seine  Adern  nachuhnien  können.  Ist  dies  richlig,  so  ist  vor  iumeitto- 
rum  ein  Semikolon  zu  setzen,  und  nach  species  ein  et.,  das  hier  leicht 
ausfallen  konnten,  einzufügen,  so  dafs  die  ganze  Stelle  lautet:  red- 
dunt  einm  jluminum  species  el  nemorum ;  inmentorum  iam  dedere 
statt'cula  el  equorum  orvumenla.  —  §.  147  verlangt  die  alphabeti- 
sche Ordnung,  dafs  man  Aphidanes  schreibe.  —  §.  18G  hätte  aus 
dem  Index  des  B  Ädadu  ophthalmos ^  Ädadii  dacty/os  eingesetzt  wer- 
den können,  da  die  Stelle  selbst  in  dieser  Hs.  ganz  fehlt.  Die  Erklä- 
rung zu  Ädadu  nephros  lüfst  sich  aus  Macrob.  Sal.  I,  23,  17  wenig- 
stens dem  Sinne  nach  ergänzen:  quasi  summi  Assijriorum  deirex.  — 
§.  199  liest  man:  Decussi  fragmenti  quod  in  lamna  ferri  moratnr^ 
ej'ficacissimum  experimenhim  excusant  mangones  gemmarum.  Hier 
ist  vor  allem  die  fehlerhafte  Interpunclion  zu  rügen,  da  entweder  das 
Komma  nach  nwrolur  zu  sireichen  oder  vor  quod  noch  eines  zu  setzen 
ist,  da  ja  doch  die  \^'orte  decussi  fragmenti  experivientum  in  dem 
Sinne:  'die  Probe  mit  einem  abgeschlagenen  Stückchen'  zu  verbinden 
sind.  Was  heilst  aber  quod  in  lamna  ferri  moratur?  Der  hier 
überhaupt  sehr  fehlerhafte  B  hat  statt  lamna  iura ^  weshalb  Ref.  frü- 
her vermulhete,  es  sei  lima  zu  lesen.  Hr.  S.  setzt  hinzu  *  quod  a 
vero  prope  abesse  vidclur';  allein  es  folgt  nachher  erst  limae  proba- 
tio.  SVegen  ferri  statt  der  Vulgata  ferrea  verweist  Hr.  S.  auf  XXXIIl, 
121.  Dort  liest  man  vom  tninivm:  Probatur  auro  candcnle ;  fucalum 
enim  tiigrescil,  sincerum  ret.'nef  colorem.  Invenio  .  .  simili  rafione 
ferri  candentis  lamna^  si  non  sit  aurum,  dcprehendi.  Hält 
man  damit  die  Lesart  des  B  moratur  und  die  Vulgata  teratur  zusam- 
jinen,  ist  dann  wohl  noch  zu  zweifeln,  dafs  torreatur  zu  lesen  ist? 

Am  Schlufs  des  5ten  Bandes  angelangt  nimmt  Ref.  unter  der 
wärmsten  Anerkennung  der  Mühe,  Sorgfalt  und  Gewifsenhaftigkeit, 
womit  der  Herausgeber  sein  schwieriges  Werk  bisher  gefördert  hat, 
von  demselben  Abschied,  indem  er  die  übrigen  Bände  in  diesen  Blät- 
tern zu  besprechen  einem  andern  Berichterstatter  überläfst. 

Schweinfurt,  L.  i\  Jan. 


Verhandlungen  der  paedagogischen  Section  bei  der  Philolo- 
gen-Versammlung zu  Götlingen. 

(Amtliche  Protokolle.  —    S.  oben  S.  108.) 

Erste    Sitzung    am    29.    September    1852. 

Nach  dem  Schlnfse  der  er.sten  vorbereitenden  und  allgemeinen 
Sitzung  begaben  .sirh  die  Mitglieder  der  Section  in  den  von  dem  Ma- 
gi.strate  der  Stadt  Göttingen  gütigst  bewilligten  grofsen  Saal  des  Gym_ 


4G2  VerliaiuUiing-cn  der  pacdagogisclien  Seclion 

ii;islnms,  wo  der  Praesident  der  Versammlung  Prof.  Dr.  Hermann 
«lie  Verliandlimgen  mit  dem  Ausdrucke  des  Bedauerns  erölfnete,  dal's 
er  trotz  des  lehhaften  Interesses,  das  er  an  der  Sache  nehme  und  das 
er  auch  bei  frühem  Versammlungen  immer  bethätigt  zu  haben  glaube, 
bei  der  Fürsorge  für  die  allgemeine  Versammlung  weitern  thätigen 
.Antheil  zu  nehmen  verhindert  sei.  Derselbe  leitete  noch  die  Wahl  des 
JJüreau  und  schlug  vor,  um  die  VVi)hl  kurz  und  glatt  abzumachen,  sie 
per  acclamationem  zu  vollziehn,  Die  Versammlung  war  einverstanden 
und  es  wurde  Director  Dr.  Geffers  aus  Göttingen  zum  Praeses,  der 
unterzeichnete  zum  Secretär  vorgeschlagen  und  angenommen. 

Geffers  sagt  der  Versammlung  den  besten  Dank  für  die  Ehre, 
die  er  von  sich  auf  würdigere  abzulehnen  vergebens  gesucht  habe, 
bittet  um  Nachsicht  bei  der  Leitung  der  Verhandlungen,  für  die  er 
i]on  besten  Willen  nnd  die  herzlichste  Theilname  an  allen  Gegenstän- 
<len  versprechen  könne,  —  Ueber  die  Zeit  der  Sitzungen  war  bereits 
«Mitschieden  durch  die  Anfangszeit  der  allgemeinen  Versammlungen;  es 
solle  um  8  und  ausnahmsweise  die  zweite  Sitzung  um  7'/2  Uhr  begon- 
nen weiden.  Auf  die  Aufforderung  des  versitzenden,  Gegenstände  der 
Verhandlung  vorzuschlagen,  sciiweigt  alles.  Da  knüft  der  unterzeich^ 
nete  an  die  in  Erlangen  abgebrochenen  Verhandlungen  über  den  grie- 
i-iiischen  Unterricht  im  allgemeinen,  insbesondere  über  die  Schreib- 
iihungen  an  nnd  fordert  Director  Dr.  Ahrens  aus  Hannover  auf,  da 
fv  mit  der  dortii;en  Art  der  Beendigung  der  Discussion  nicht  zufrie- 
den gewesen  sei,  diesen  Gegenstand  wieder  aufzunehmen,  Geffers 
unterstützt  den  Antrag,  der  auch  von  der  Versammlung  genehmigt 
wird.  Zur  Vorberathung  wird  eine  Commjssion  ernannt,  bestehend 
aus  Ahrens,  Prof.  Dr.  Classen  aus  Lübeck,  Rector  Halm  aus 
IMünchen  und  Director  Dr.  Krüger  aus  Braunschweig. 

Als  zweiten  Gegenstand  empfiehlt  Eckstein  ejne  Besprechung 
der  paedagogischen  und  philologischen  Zeitschriften,  um  einerseits  der 
immer  mehr  in  denselben  einreiisenden  Anarchie  entgegenzutreten,  an- 
«lererseits  das  Literesse  dafür  zu  wecken  und  neu  zu  beleben.  Auch 
liier  wird  die  Vorbereitung  einer  Commission  übertragen,  in  welche 
«lie  zwei  anwesenden  Journal-Redactoren,  Professor  Dr.  Caesar  aus 
Marburg  und  Gymnasiallehrer  Fleckeisen  aus  Dresden  nebst  dem 
Antragsteller  eintreten. 

Geffers  lenkt  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Ausgaben  classischer 
Schriftsteller,  in  denen  deutsche  tfebersetzungen  dem  Texte  gegen- 
iiberstehn.  Wer  solle  dieselben  gebrauchen?  Doch  wohl  die  Schüler. 
Darin  liegen  viele  Bedenken  für  das  Gedeihn  der  Alterthumsstudien, 
Er  beabsichtige  mehr  nach  den  F>rfahrungen  zu  fragen,  als  eine  grofse 
Verhandlung  zu  veranlalsen.  Krüger  meint,  das  werde  sich  mit  der 
ersten  Frage  leicht  verbinden  lalsen,  weil  blofs  Griechen  so  erschie- 
nen seien.  Allein  es  gibt  auch  Lateiner,  Dichter,  wie  Horaz ,  Histo- 
riker, wie  Sallust  n,  a.  Obersciiulrath  Dr.  Rost  aus  Gotha  hält  da- 
für, dafs  über  die  Sache  wohl  kein  Zweifel  sein  könne,  dal's  es  darauf 
ankomme  Mittel  vorzuschlagen,  durch  welche  die  nachtheiligen  Folgen 
hintertrieben  werden,  und  er  fordert  Geifers  auf,  diese  F'rage  als 
dritten  Gegenstand  unserer  Verhandlungen  zu  betrachten  und  das  Re- 
ferat über  denselben  zu  übernehmen. 

Zweite  Sitzung  am  30.  September. 
Der  Vorsitzende  ersucht  Ahrens,  der  das  Referat  über  die  erste 
Frage  übernommen  hat,  dasselbe  zu  erstatten.  Ahrens:  Die  Com- 
mission, welche  den  ehrenvollen  Auftrag  erlialten  habe,  Thesen  über 
den  ersten  Gegenstand  aufzustellen,  habe  denselben  besprochen,  sich 
aber  bald   überzeugt,  dafs  sie  in  ihrer  Gesammtheit  die  materielle  Ver- 


bei  der  Pliilologcii-Vcrsaiiiinliing  /.u  Gölliiigoii.  4ö3 

aiitwortung  dafür  nicht  übernelini<Mi  könne  und  daher  dieselben  mehr 
als  Grundlage  und  Stoff  für  die  Verh;indlun>ien  betraciite.  Ihm  sei  es 
Hl)ertra{reii  die  Tliesen  aufzustellen.  Was  ist  Z\>eck  und  Auf{;al)e  des 
{griechischen  Unterrichts;  wie  viel  Zeit  halieii  \>ir,  das  Ziel  zu  errei- 
chen; welchen  VVe^;  müfsen  wir  einschia;;en  ,  um  in  der  j^ef^ebeiien  Ztit 
das  gef^ebene  Ziel  zu  erreichen?  J)as  seit'u  <lie  Fragen,  deren  Beant- 
wortung er  lu  den  ersten  Thesen  versucht  habe,  die  für  die  heutige 
VerJi  indlung  ausreichenden  Stoif  darbieten  würden. 

Da  Praejudicialfragen  nicht  zu  erledigen  waren,  so  gieng  die  Ver- 
.sammhing  sofort  zur  l3iscussion  über  und  Ahrens  verlas  die  erste 
Thesis:  D  e  r  griech  is  c  he  Unterricht  ist  ein  wesentliches 
Element  des  Gymnasialunterrichts  und  deshalb  obliga- 
torisch. 

Ahrens:  Er  .sei  anfänglich  nicht  der  Meinung  gewesen,  diesen 
Satz  vorauszuschicken  oder  irgendwo  einzus<:halten ;  Kckstein  habe 
ihn  dazu  veranlafst.  Wie  das  'obligatorisch'  zu  verstehii  sei,  werde 
keinem  zweifelhaft  sein.  Es  solle  keinem  Schüler  Dispensation  von 
diesem  Unterricht  ertheilt  werden,  wie  etwa  beim  Hebräischen.  Einer 
besondern  Motivierung  bedürfe  die  Thesis  niciit.  Dr.  Wagner  aus 
Darmstadt  erklärt  sich  gan«  mit  derselben  einverstanden;  es  ist  ein 
integrierender  Theil  des  Gymnasialunterrichts;  die  Tiieilnahme  daran 
ist  unerläfslich.  Aber  Dispensationen  müsten  doch  gestattet  werden 
fiir  künftige  Militairs,  Forstleute,  Fabrikanten  und  dergleichen,  die 
dafür  in  der  Mathematik  und  in  den  Naturwifsenschaften  Privatstun- 
den nehmen  könnten.  Ahrens:  Das  sei  nicht  ausgeschlofsen;  es  ge.be 
ja  keine  Regel  ohne  Ausnahme.  Gelten  dürfe  es  nur  für  die  Schüler 
des  Gymnasiums,  insofern  sie  Gymnasialschüler  seien.  Die  Besucher 
der  Realclassen  z.  B.  seien  ganz  andere  Schüler.  Diese  Erklärung 
muste  bestimmter  gefafst  werden,  daher  meinte  Classeu:  Gymna- 
sialschüler, d"e  zur  Universität  vorbereitet  werden  sollen,  und  Halm 
schlug  den  Zusatz  vor:  'die  Erlangung  eines  Maturitäts- 
zeugnisses hängt  von  der  T  h  e  i  1  n  a  h  m  e  an  diesem  Unter- 
richte ab.'  Ein  solcher  Zusatz  würde  grol'seu  Misständen  abhelfen, 
wenn  anders  die  Schulhehörden  auf  unsere  Beiathungen  und  Beschlüfse 
achteten.  In  Bayein  seien  Fälle  vorgekommen,  dafs  Schüler,  di,e  an 
den)  griechischen  Unterrichte  nicht  Theil  genommen,  das  Maturitäts- 
examen  hätten  machen  wollen.  Wagner  ist  nicht  geneigt  den  Be- 
grilf  des  Gymnasiums  zu  beschränken,  weil  z.  B.  in  Siiddeutschland 
sehr  viele  junge  Leute  das  G}uinasiiim  besuchen,  die  später  keinen 
gelehrten  Beruf  ergreifen.  Diese  müsten  sonst  den  Gewerbeschulen 
überwiesen  werden  und  das  sei  gewis  zu  beklagen,  weil  es  oft  recht 
gute  Lateiner  unter  ihnen  gegeben  habe.  Oberschulrath  Dr.  Kohl- 
rausch ans  Hannover  erwähnt  die  hannoversche  Einrithtung,  nach 
welcher  das  Lyceum  in  Hannover  und  das  Paedagoglum  zu  Ilfeld  als 
rein  gelehrte  Anstalten  erhalten,  an  allen  übrigen  Gymnasien  aber 
Realclassen  errichtet  sind.  Eckstein  will  nicht  gegen  diese  Orga- 
nisation spreclien,  so  wenig  er  sie  au<^h  billige,  sondern  für  die  streng- 
ste Aufrechthaltung  des  '  oi)ligatoris(h'.  Er  wolle  gar  keine  Schüler 
von  dem  Griechischen  dis[iensiert  wifsen,  am  wenigsten  mit  Rücksicht 
auf  den  künftigen  Lebenslieriif  der  Schüler  und  die  für  denselben  sich 
herausstellende  Entbehrlichkeit  der  Kenntnis  jener  Sprache.  Nur  dann 
wirke  man  dem  Nützru  hkeitsprincipe  mit  Nachdruck  entgegen.  Sei 
dieser  Unterricht  ein  wesentlicher  Theil  des  Gymnasialunterrichts  ,  so 
niüfse  auch  jeder  Schüler  daran  Theil  nehmen.  Wer  daran  fest  halte, 
werde  die  Beiläufer  des  Gymnasiums  zum  gröfsten  Vortheile  für  seine 
Schüler  bald  los  werden.  Geffers  ist  gleichfalls  dafür,  dafs  Gym- 
Ba;sialscbüler  nicht    dispensiert   werden.     Ahrens    findet   die    Angrilfe 


464  Verliaiullimgeii  der  paedagogischen  Seclioii 

gegen  die  Thesis  nur  durch  die  bisher  geführten  Erörterungen  veran- 
laf.st.  Man  dispensiere  ja  auch  von  dem  Religionsunterrichte  die  Is- 
raeliten. Man  dürfe  nicht  hart  gegen  die  Schüler  sein.  Wenn  die 
nöthige  Vorbereitung  auf  ein  bestimmtes  Fach  den  Wunsch  nach  Dis- 
pensation vom  Griechischen  bei  den  Schülern  hervorrufe,  so  möge 
man  sie  ihm  gewähren  für  ein  Halbjahr,  ein  Jahr,  dann  aber  müfse 
ein  solcher  abgehn.  Für  eine  Reihe  von  Classen  sie  zu  gewähren,  sei 
um  so  unzweckmäfsiger,  je  enger  der  griechische  Unterricht  mit  an- 
dern Unterrithtsgegenständen  in  Verbindung  stehe.  Kohlrausch 
spricht  gegen  die  von  Eckstein  vertretene  rigoristische  Richtung,  sich 
berufend  auf  das  ^nulla  regula  sine  exceptione'. 

Nachdem  Geffers  aus  der  Erörterung  gefolgert,  dafs  im  Prin- 
cip  wohl  allgemeines  Einverständnis  vorhanden  sei ,  fragt  er  die  Ver- 
sammlung, ob  sie  für  die  Annahme  der  ersten  Thesis  stimme.  Die 
Majorität  ist  dafür. 

Die  Discussion  wendet  sich  hiernach  zu  dem  von  Halm  beantrag- 
ten Zusätze.  Der  Antragsteller  fügt  zu  näherer  Begründung  desselben 
hinzu,  dafs  zu  manchen  ßerufsarten  kein  eigentliches  Maturitätszeug- 
nis, wohl  aber  die  Absolvieriing  des  vierten  Gymnasialrursus  (d.  h. 
der  Prima  norddeutscher  Gymnasien)  verlangt  werde.  Solche  Schüler 
verlangten  in  der  Regel  die  Dispensation  vom  Griechischen.  An  seiner 
Schule  würde  dieselbe  nicht  mehr  gestattet  und  die  Erfahrung  habe 
gelehrt,  dafs  sich  die  Eltern  immer  mehr  daran  gewöhnten,  ihre  Kin- 
der auch  an  diesem  Unterrichte  Theil  nehmen  zu  lalsen.  Dieser  Grund- 
satz, mit  Consequenz  durchgeführt,  müfse  sehr  wohlthätig  wirken 
selbst  für  die  Schulordnung,  da,  besonders  bei  grofsen  Classen,  immer 
Störungen  im  Unterrichte  durch  die  Dispensationen  herbeigeführt  wür- 
den. Eckstein  kann  ähnliches  aus  seiner  Erfahrung  bestätigen.  In 
Preufsen  bestehe  das  Recht  auf  Dispensation  Ansprüche  machen  zu 
können,  ja  für  künftige  Militairs  sei  dieselbe  von  der  Secunda  an  so- 
gar Vorschrift.  In  früheren  Jahren  habe  er  dieselbe  nach  einer  Be- 
rathung  mit  dem  Lehrercollegium  zuweilen  gewährt  und  die  Benutzung 
der  Stunden  freigegeben,  dann  aber  die  dispensierten  in  der  Classe 
zurückbehalten  und  sich  mit  andern  Arbeiten  beschäftigen  lalsen.  Seit- 
dem habe  das  Verlangen  nach  Dispensation  aufgehört  und  schon  seit 
einigen  Jahren  sei  kein  derartiger  Antrag  an  ihn  wieder  gestellt  wor- 
den. Freilich,  wenn  die  Eltern  über  die  Verweigerung  bei  der  höhern 
Schulbehörde  klagten,  so  würde  ihn  diese  zur  Gewährung  nöthigen 
können  ,,  aber  eine  solche  Erfahrung  habe  er  bis  jetzt  noch  nicht  ge- 
macht. 

Der  während  dieser  Discussion  beantragte  Zusatz:  'Es  ist  wün- 
schenswerth,  dafs  die  dispensierten  Schüler  während 
der  Zeit  in  andern  Gegenständen  unterrichtet  werden' 
wird  zunächst  beseitigt,  um  den  Ha  Im  sehen  zu  erledigen,  der  in  sei- 
nem Inhalte  kein  Bedenken  fand,  wohl  aber  in  seiner  Fafsung  undeut- 
lich erschien.  Geffers  schlug  vor  :  •■  Die  Theilnahme  am  Griechischen 
berechtigt  allein  zur  Maturitätsprüfung'  ('natürlich  zur  Universität'  wie 
Classen  erläuternd  hinzufügte);  Krüger;  'Die  Zulafsung  zur  Ma- 
turitätsprüfung wird  durch  die  Theilnahme  am  griechischen  Unter- 
richte bedingt."  Bei  der  Abstimmung  ward  Halms  Zusatz  von  der 
Majorität  angenommen,  aber  auch  die  dissentierende  iMinorität  er- 
klärte, dafs  sie  nur  formelle  Gegner  desselben  seien,  weil  sie  densel- 
ben als  überflül'sig  betrachteten. 

Der  weitere  Zusatz  ward  von  Eckstein  bekämpft,  weil  eine  sol- 
che Einrichtung,  namentlich  an  kleineren  Gymnasien  mit  geringern 
Lehrkräften,  grofse  Schwierigkeiten  mache,  das  Gymnasium  wesent- 
Ilt;h    alteriere    und    doch    nur   geringen    Nutzen    schaffe.     Lieber   möge 


bei  der  IMiilologcu-Vcrsaiumliitig  zu  Gülliiigcn.  405 

mau  solche  Schüler  den  Realschulen  üherlalsen.  Geffers  erwähnt 
der  in  Hannover  in  dieser  Beziehnnj;  {retrodenen,  alle  Gymnasien  be- 
treflenden  Kiiirichtunjien  und  fra^t,  oh  dieselben  auch  wohl  ander- 
wärts Nachahmunj;  verdienten.  Inzwischen  wird  auf  den  Antrag;  von 
Ahrens  von  einer  weitern  Hetrachtunj;  dieser  Krage  Abstand  genom- 
men und  in   der  Tagesordnung  f'ortgeiahren. 

Zweite  Thesis :  J)  i  e  Hauptaufgabe  desselben  ist,  durch 
den  g  r  i  e  c  h  i  s  c  h  e  n  G  e  i  s  t ,  wie  er  s  i  <:  h  i  n  d  e  r  L  i  1 1  e  r  a  t  u  r  u  n  d 
Sprache  o  f  f  e  n  i)  a  r  t ,   bildend   a  u  f  d  i  e    Jugend    e  i  n  z  u  w  i  r  k  e  n. 

Ahrens:  Ks  ist  als  die  Aufgabe  des  griechischen  Unterrichts  hin- 
gestellt, den  griechischen  Geist  auf  die  Bildung  der  Jugend  einwirken 
zu  lafsen.  Das  geschieht  auch  in  der  Geschichte  und  in  andern  Un- 
terrichtsgegenständen, z.  B.  im  Deutschen,  selbst  im  Lateinischen  bei 
der  Leetüre  des  Horaz.  Doch  davon  kann  hier  zunächst  gar  nicht  die 
Rede  sein.  Die  griechischen  Leclionen  können  sich  nur  um  Litteratur 
und  Sprache  bekümmern  und  darumist  gesagt  'Hauptaufgabe'.  W,ag- 
ner  fragt  an,  warum  nicht  gesagt  sei  'in  der  Sprache  und  Littera- 
tur', worauf  A  h  ren  s  erwiedert ,  dals  gerade  seine  Fafsung,  wie  sich 
aus  den  folgenden  Thesen  ergeben  werde,  sehr  wesentlich  sei;  die 
Sprache  werde  erst  durch  die  Litteratur  bestimmt.  Auf  Rosts  Ein- 
rede, dals  ja  die  Litteratur  das  bezweckte  nur  wirken  könne,  wenn 
]Man  die  Sprache  verstehe,  dafs  also  deren  Verständnis  vorausgehn 
müfse,  beharrt  Ahrens  bei  seiner  Fafsung,  nur  in  dem  Falle  zu  einer 
Aenderung  bereit,  Avenn  man  die  umgekehrte  Folge  als  blofs  histo- 
risch hinstelle.  Wagner  vertheidigt  die  Umstellung,  weil  doch  die 
Sprache  F'orm  und  Träger  der  Litteratur  sei;  Eckstein  warnt  vor 
rascher  Zustimmung,  weil  bei  der  Schärfe  der  Argumentation,  die  der 
Antragsteller  überall  zeige,  eine  solche  zu  Consequenzen  führen  müfse, 
denen  zuzustimmen  man  Bedenken  tragen  würde.  Bei  der  Abstimmung 
wird  der  Satz  im  allgemeinen  angenommen,  die  von  Wagner  bean- 
tragte Umstellung  '  Sprarhe  und  Litteratur'  von  der  Majorität  geneh- 
migt, die  ursprüngliche  Fafsung  dagegen  nur  von  12  Stimmen  gebilligt. 

Dritte  Thesis  :  Zu  diesem  Zwecke  hat  sich  d  e  r  S  c  h  u  1  e  r  im 
wesentlichen  nur  mit  der  Litteratur  und  Sprache  vor  300 
V.  Chr.  zu  beschäftigen,  insbesondere  mit  folgenden 
Schriftstellern:  Homer,  den  Ueberresten  der  Lyrik,  den 
Tragikern,  Herodot,  Tliukydides,  Xenophon,  Piaton,  De- 
mosthenes.  Die  Sprache  bildet  nur  insoweit  einen  Ge- 
genstand des  Schulunterrichts,  als  sie  dem  Kreise  der 
S  c  h  u  1 1  i  1 1  e  r  a  t  u  r  angehört. 

Ahrens  zu  der  ersten  Hälfte  der  Thesis:  Der  rechte  griechische 
Geist  sei  hier  bis  zum  Untergange  der  Freiheit  gemeint.  Der  von  dem 
peloponnesischen  Kriege  liereits  beginnende  Verfall  zeige  sich  zunächst 
mehr  in  dem  politischen  Leben  als  in  der  Litteratur.  Was  nach  dem 
angegebenen  Zeitpunkte  komme,  sei  nicht  in  das  Gebiet  der  Schule 
hineinzuziehn.  Es  gebe  allerdings  auch  in  dieser  Epoche  Ausnahmen, 
bei  denen  man  den  altgriechischen  Geist  antreffe,  z.  B.  Plutarch,  aber 
ein  echter  Grieche  sei  dieser  doch  nicht,  sondern  in  Gesinnung  und 
Sprache  ein  Halb-Romer.  Die  getroffene  Auswahl  von  Schriftstellern 
möge  man  nicht  bemängeln;  andere  Schriftsteller  sollen  ja  nicht  aus- 
geschlofsen  sein.  So  könnte  man  Lysias  hinzufügen,  auch  einige  Re- 
den des  Isokrates,  aber  als  wesentlich  für  die  Scitule  betrachte  er 
dieselben  nicht,  ihre  Leetüre  sei  höchstens  eine  Vorbereitung  für  De 
mosthenes.  Rost  erklärt  sich  gegen  die  Leetüre  der  Lyriker  gleich 
nach  Homer  und  meint,  dafs  es  überhaupt  wenige  Gymnasien  geben 
werde,  wo  bedeutenderes  von  diesem  Zweige  der  Litteratur  getrieben 
vverde.     Ahrens   verlangt    nur   eine    Blumenlese,    in    der  man    Selon, 


4G6  Verhandlungen  der  paedagogischen  Section 

Tyrtaeos,  Theognis  nicht  vermifsen  dürfe.  Piiidar  mache  sclioii  grö- 
fsere  Schwierigkeiten,  überhaupt  sei  sehr  >yenig  von  ihm  zu  gebrau- 
chen, aber  ganz  zu  vermeiden  sei  er  nicht.  Uebrigens  hätten  die  Ly- 
riicer  nur  mit  Rücksicht  auf  ihre  Zeit  jenen  Platz  erhalten.  Kohl- 
rausch fragt  an,  ob  Hesiodos  ausgeschlofsen  sein  solle.  Einiges  aus 
ihm  will  Ahrens  in  einer  Sammlung  von  poetae  minores  gelten  lafsen, 
aber  zu  bedeutend  sei  dieser  Dichter  nicht. 

Ahrens  zu  der  zweiten  Hälfte:  Die  Sprache  kann  über  die  Litte- 
ratur  liinausgehn.  Da  aber  diese  hier  auf  einen  bestimmten  Zeitraum 
beschränkt  ist  und  auf  bestimmte  Schriftsteller,  so  ist  es  nicht  ge- 
rechtfertigt, wenn  Schulgrammatiken  auch  spätere  Schriftsteller  be- 
rücksichtigen. Dialekte,  wie  z.  B.  der  boeotische,  gehören  gar  nicht 
dahin.  In  der  Versammlung  wird  kein  Widerspruch  gegen  diese  An- 
sicht laut. 

Vierte  Thesis :  An  einem  Gymnasium  mit  nennjährigem 
G  e  s  a  m  m  t  c  11  r  s  u  s  ist  der  griechische  Unterricht  mit  dem 
vierten  Jahrescurse  von  unten  zu  beginnen. 

Die  Kriäuterung  dieses  Satzes  und  die  Discussion  über   denselben 
Avurde  auf  die  nächste  Sitzung  vertagt,    nachdem    Halm  das  Amende 
inent  gestellt,  dafs  bei    einem  ächtjährigen  Gesammtcursus  dieser  Un- 
terricht mit  dem  dritten  Jahrescurse  beginnen  nuil'se. 

Drille  Silzung  am  1.  Oclober. 
'  Bei  dem  Beginne  der  Sitzung  fordert  Geffers  Ahrens  auf,  die 
vierte  Thesis  genauer  zu  motivieren.  Ahrens:  Den  Anfang  des  Gym- 
nasialcursus  setze  er  da  au,  wo  der  Unterricht  im  Latein  beginne; 
sogenannte  Vorbereitungsclassen  dürften  nicht  in  Betracht  kommen.  In 
den  meisten  Gymnasien  seien  3  Classen  mit  zweijährigem,  '6  mit  ein- 
jährigem Cursus,  man  werde  also  mit  der  Tertia  den  griechischen 
Unterricht  beginnen  und  dann  6  Jahre  für  denselben  haben.  Gegen 
einen  frühern  Anfang  müfse  er  sich  erklären,  weil  erst  im  Lateinisihen 
ein  fester  Grund  gelegt  sein  müfse,  ehe  man  die  neue  Sprache  begin- 
nen könne.  Die  beiden  ersten  Jahre  werde  der  Schül-r  das  Latein 
lernen,  im  dritten  das  gelernte  verdauen.  Erst  dann  werde  es  räth- 
lich,  eine  so  abweichende  und  schwierige  Sprache  wie  die  griechische 
anzufangen.  Gegen  den  neunjährigen  Cursus  ist  Eckstein;  an  vie- 
len Gymnasien  bestelle  der  achtjährige;  er  komme  an  seiner  Schule  so- 
gar mit  7V5  Jahren  aus  und  es  werde  doth  dasselbe  erreicht,  was  an- 
dere  in  9  Jahren  erreichen.  Der  Grund  liege  in  der  spätem  Aufnah- 
me der  Schüler,  in  der  gröfsern  Zahl  der  Classen  und  der  dadurch  zu 
erreichenden  gröfsern  Gleichmälsigkeit  der  Srhüler.  I^aruin  möge  man 
den  achtjährigen  Gesammtcursus,  den  die  Erfahrung  gutheifse,  nicht 
verwerfen  und  bei  einem  solchen  den  Beginn  des  griechischen  Unter- 
terrichts  bei  dem  dritten  Jahrescursus  belafsen.  Ahrens  hält  nur  9 
Jahre  für  zweckmäfsig,  unzweckmäfsig  sei  es,  2  Jahre  nach  dem  Anfang 
des  Latein  an  das  Griechische  zu  gehn.  Nachdenken  und  Erfahrung 
habe  ihn  in  dieser  Ansicht  befestigt.  Sind  nun  (i  Jahre  für  das  Grie- 
chische erforderlich,  der  frühere  Anfang  desselben  nicht  heilsam,  so 
dürfe  eben  ein  achtjährigei' Cursus  nicht  gestattet  werden.  C  las  seil 
hebt  hervor,  dafs  dies  eine  reine  Erfahrungsfrage  sei;  in  Lübeck  seien 
bei  zehnjälirigem  Cursus  8  Jahre  für  das  Griechische  bestimmt  und 
er  halte  gerade  einen  recht  frühen  Anfang  wegen  des  schweren  Ge- 
däclitniswerkes  für  rathsam.  Eine  Gefahr  der  Vermischung  des  Latei- 
nischen und  Griechischen  sei  ni  ht  zu  befürchten,  wie  ilin  die  Er- 
fahrung gelehrt.     Die  Gleichzeitigkeit  habe  ihren  grofsen  Nutzen. 

Da  der  Vorsitzende  zu  JVIittheiluugeu  über  die  an  den  verschiede- 
nen Schulen    bestehenden    Einrichtungen    aulTordert,    so  erfolgen  der- 


bei  der  Pliilologon-VerÄiinunliiii«»'  zu  fiöllinj^cn.  407 

gleichen  aus  den  vprscliiedeiiea  Ländern.  Direktor  Dr.  Wex  ])ericli- 
tet,  dafs  in  .Schwerin  ()  Jahre  für  das  (Jriecltisehe  hestininit  seien  l)el 
einem  a(htjiihrif;en  Gesanmiti-iirsiis,  in  den  die  «Scliiiler  etv.a  mit  dein 
Jl.  Leheiisjahre  eintreten,  also  im  ].?.  das  (»'riecliische  beginnen.  In 
der  Ke{>el  faih*  nun  in  jene  Zeit  auch  der  Anfanj;  <ier  französisclien 
.Sprache,  so  dal's  die  Knaben  3  Sprachen  in  ihren  Elementen  erlernen 
m  listen. 

Professor  Dr.  Lothholz  berichtet  aus  Weimar,  dafs  dort  bei 
einem  aciitjährifien  Cursiis  «las  Giiechisdie  sonst  in  IV''  mit  3  .Stunden 
l>c|^()nnen  liabe;  jene  .Stunden  seien  al)er  jetzt  dem  Lateinischen  und 
J)eutschen  zu{>elef;t  und  das  (Jriechische  bej^inne  erst  in  IV"  mit 
b  wöchentlichen  Stunden,  welche  in  den  übrifien  Classen  auf  6  ver- 
melirt  N>erden.  .So  habe  man  7  Jahre  für  das  Griechische.  Die  I^in - 
riclitung  habe  sich   bis  jetzt   bewährt. 

Professor  Dr.  Steinhart:  .Schulpforte  Iiabe  überhaupt  nur  einen 
sechsjähri»en  ("ursus,  aber  bei  dem  aufzunehmenden  werde  eine  Kennt- 
nis des  Ciriechisclien  bis  /.u  dpr  Conjugation  V()raus<;esetzt ,  so  dafs 
man  {>enau  genommen  7  Jalire  für  diese  .Sj)rache  reciinen  könne.  Al- 
lein die  meisten  Rei  ipienden  seien  durch  Privatunterricht  vorbereitet, 
ihre  Kenntnisse  daher  mangelhaft  und  deshalb  die  Lehrer  doch  genö- 
thigt,  mit  den  Elementen  anzufangen.  Insofern  beginne  man  mit  der 
Tertia,  wie  dies  die  Lehrerconferenz  in  Berlin  angeordnet.  Die  Leh- 
rer wünschten  lieber  .Schüler  ohne  alle  Vorkenpttiisse,  mit  denen  si.e 
dann  in  ö  oder  auch  7  wöchentlichen  .Stunden  den  Unterricht  begifi- 
nen  könnten.  Die  früheste  Aufnahmezeit  sei  das  1*2.,  in  der  Regel  das 
13.  und   14.  Lebensjahr. 

Director  Dr.  S  c  h  w  e  ck  en  di  ek  :  Li  Emden  bestehe  der  sechsjäh- 
rige Cursus;  das  Griechls>  he  lai'se  sich  erst  in  III  beginnen,  \^eil  in 
IV  wegen  der  nichtstudierenden  das  Englische  anfange.  Damit  aber 
die  Tertianer  dann  rascher  vorwärtsschreiten,  so  würden  in  IV  zwei 
vvöchentliclie  Stunden  aufser  der  .Schulzeit  für  die  griechischen  Ele- 
mente benutzt,  Avas  namentlich  bei  einer  geringen  Schülerzahl  sehr 
zweckmäfsig  befunden  sei.  Eckstein  hat  eine  solche  Einrichtung  in 
seiner  V"  auch  einmal  getroilen ,  freilich  in  der  Schulzeit  statt  zwei 
naturgeschichtlicher  .Stunden;  aber  die  Sehulbehörde  habe  es  alsbald 
nntersagt  und  so  sei  er  der  olVenbaren  Vortheile  wieder  verlustig  ge- 
gangen. 

Director  Mün  scher  aus  Marburg:  Bei  ihm  beginne  man  in  V, 
also  iin  zweiten  Jahres  urse  mit  2  wöchentlichen  Stunden,  in  IV  4, 
in  Ml  H  und  so  fort,  so  würden  H  Jaiire  für  das  Griechische  gewon- 
i)en.  Die  frühere  Anordnung,  nach  welcher  in  IV  begonnen  wurde, 
habe  sich  mit  andern  Einrichtungen   nicht  recht  vertragen. 

Professor  Dr.  Rein  berichtet  ähnliches  ans  seiner  Heimat  Eise- 
nach,  wo  aber  seit  der  Abkürziing  des  achtjährigen  Cursus  ein  gro- 
Jser  Abfall  nicht  zu  verkennen  sei. 

Director  Dr.  Kraft  berichtet,  an  dem  Hamburger  Johanneuni, 
dieser  altehrwürdigen  Anstalt,  habe  er  den  Anfang  des  Griechischen 
in  V  vorgefunden  und  in  seinem  fünfundzwanzigjährigen  Directorate 
keinen  Grund  gehabt,  diese  alte  Elinrichtung  aufzugeben.  Zur  gründ- 
lidien  Erlernung  der  .Sj)raclie  sei  es  auch  nöthig,  schon  in  V^  damit 
zu  beginnen,  jedoch  n'cht  etwa  mit  2  Stunden,  das  sei  zu  wenig.  In 
4  .Stunden  kämen  die  .Scliiiler  so  weit,  dafs  sie  die  regelmäfsigen  Ver- 
ba  ,  auch  die  in  fti  kennen  und  anwenden  lernten.  In  IV  werde  dies 
Pensum  wiederholt  und  weitere  Anwendungen  träten  hinzu.  Mit  sol- 
chen Voikcnntnissen  gelangten  die  Schüler  nach  III,  wo  Homer  und 
Xenophon  gelesen  und  gewandt  übersetzt  würden.  In  II  und  I  werden 
dann  7   Slunden  genumiuen  und  bei  dem  grol'sen  Eifer  und  der  grolsen 


468  Verhandlungen  der  paedagogischen  Section 

Liebe  der  Schüler  ein  recht  erfreuliches  Ziel  erreicht.  Da  Eckstein 
an  dem  raschen  und  doch  sichern  Fortschreiten  der  Anfänger  zwei- 
felt, so  ergänzt  Prof.  Dr.  Ullrich,  dafs  in  V  allerdings  noch  nicht 
volle  Sicherheit  erreicht  werde,  darin  müfse  man  später  noch  nach 
helfen,  aber  eine  ganz  leidliche.  Wenn  man  gar  zu  spät  anfange,  so 
werde  nie  Vertrautheit  mit  den  Formen  erreicht  werden:  dazu  miifse 
mechanisch  conjugiert  werden,  durchaus  mechanisch,  das  sei  seine 
IVIethode.  Bei  der  Manigfaltigkeit  der  Verhältnisse  miifse  man  nichts 
festes  bestimmen  wollen.  Die  Vertheilung  des  Unterrichts  habe  sich 
in  Hamburg  bewährt,  und  er  freue  sich,  dafs  Kraft  in  solchen  und 
andern  Dingen  conservativ  gewesen  sei. 

Oberlehrer  Dr.  Lange  berichtet  aus  Blankenburg,  dafs  man  dort 
beides  versucht  habe:  man  habe  in  III  und  in  IV  das  Griechische  an- 
gefangen. Da  in  Tertia  das  Französische  anfieng,  nahm  man  zur 
Kinprägung  der  Formen  4  Stunden  Griechisch  in  IV,  behandelte  in 
III  die  Verba  auf  (ii ,  in  11  die  irregulären  Verbalflexionen  und  in  I 
Syntax.  So  sei  es  bis  zu  dem  Reformjahre  18-t8  gehalten  gewesen. 
Da  aber  die  Lehrerconferenz  in  Wolfenbüttel  den  Anfang  des  Griechi- 
.schen  in  die  III  verlegt  habe,  so  sei  jene  frühere  Einrichtung  danach 
abgeändert,    aber    auch    die    früheren    Resultate  nicht  wieder  erreicht. 

Kohlrausch  erinnert  daran,  dafs  das  Leben  mächtiger  sei  als 
die  Theorie.  In  der  Theorie  würde  er  ganz  mit  Ahrens  übei einstim- 
men. Aber  es  sind  nun  einmal  verschiedene  Einrichtungen;  in  man- 
chen Gymnasien  werde  7  Jahre  Griechisch  getrieben;  man  könne  an 
andern  einen  zehnjährigen  Gesammtcursus  rechnen,  weil  die  Kinder, 
namentlich  gebildeter  Eltern  ,  mit  dem  8.  oder  9.  Lebensjahre  in  das 
Gymnasium  kämen.  Bei  beiden  Cursen  scheinen  die  Resultate  gleich 
und  so  gleiche  sich  die  Verschiedenheit  der  Theorie  in  der  Praxis  aus. 

Ahrens  knüpft  noch  an  Classens  Bemerkung  wegen  des  Ge- 
dächtnisses an;  diese  sei  ganz  richtig,  aber  es  sei  doch  ein  wesent- 
licher Unterschied  von  dem  Lateinischen.  So  reines  Gedächtniswerk 
sei  der  griechische  Unterricht  nicht,  mit  dem  blofsen  Erlernen  der 
Paradigmen  sei  es  nicht  gethan.  Habe  man  doch  seit  Thiersch  er- 
kannt, dafs  die  Formenlehre  am  besten  durch  scharfe  Analyse  der 
Formen  erlernt  werde;  dazu  müfse  der  Verstand  schon  gereift  sein, 
und  was  man  an  Jahren  zu  spät  anfange,  werde  sich  leichter  und 
rascher  nachholen  lafsen. 

Geffers  wünscht  wegen  der  grofsen  Verschiedenheit  der  Jahres- 
curse  die  Frage,  bei  welchem  Cursus  das  Griechische  beginnen  müfse, 
ganz  fallen  zu  lafsen,  wenn  nur  hinlängliche  P^estigkeit  im  Lateini- 
schen und  genügende  Entwicklung  der  Verstandeskräfte  vorausgesetzt 
werde.  Aber  Ahrens  will  wegen  der  dann  entstehenden  Ungewisheit 
nicht  gern  ändern  an  seiner  Thesis.  Geffers  erinnert  weiter  daran, 
dafs  man  in  Preufsen  gesetzlich  in  dem  10.  Jahre  Latein  beginne. 
Anderwärts,  selbst  in  Göttingen,  beginne  man  schon  im  8.  Jahre, 
weil  das  Verlangen  des  Publicums  darauf  gehe,  Wenn  das  13.  Jahr 
als  das  Durchschnittsjahr  angenommen  werde  für  den  Anfang  des 
Griechischen,  dann  werde  man  so  ziemlich  zu  einer  Einigung  kommen. 

Da  Ahrens  gerade  mit  Rücksicht  auf  die  Difi^erenzen  die  Thesis 
ganz  allgemein  gestellt  hat,  und  ein  bestimnites  Aussprechen  für  noth- 
wendig  in  seiner  Fafsung  erachtet,  so  tritt  ihm  auch  die  Majorität 
der  Versammlung  bei.  Ueber  Halms  Antrag,  den  Eckstein  wie- 
der aufnahm,  kam  es  bei  der  Menge  der  einzelnen,  dankbar  entgegen- 
genommenen Mittheilungen  gar  nicht  zu  einer  Abstimmung. 

Fünfte  Thesis:  Von  da  an  sind  durch  alle  Classen  in  der 
Regel  6  Stunden  wöchentlich  auf  diesen  Unterrichts- 
zweig  zu  verwenden. 


bei  der  Pliil(»l()0;en  Vorsnmmliin*»'  zu  fiiHliiijTon.  400 

Ahrens  motiviert  sein  "'in  der  Refiel' ;  vielleicht  sei  'mindestens' 
befser,  aber  er  habe  sich  geniert,  weil  bei  solclien  Bestiiiimuiifien 
sehr  viel  von  andern  Verhältnissen  abhän^ie;  da  nu'iise  man  abw;i{;en  ; 
mancher  könnte  vielleicht  mit  einer  {jeringern  JStundcn'/ahl  fertig 
Averden.  Gegen  diese  letztere  Ansicht  ist  Kckstein,  weil  eine  nene 
Sprache  mit  möglichst  grofser  Stundenzahl  begonnen  werden  miil'se. 
Münscher  führt  an,  dafs  es  in  seinem  Lande  anders  sei,  weil  IV 
bereits  viele  andere  Lehrstiinden  habe,  deswegen  hal)e  man  im  Grie- 
chischen eine  Krleichternng  eintreten  lafsen.  Eckstein:  Die  V  sei 
aber  dann  in  Kiirhessen  gar  nicht  als  eine  griechische  Classe  zu  be- 
trachten, sondern  als  eine  propaedeutische.  Die  Versannnlung  ist  mit 
dieser  Thesis  durchaus  einverstanden. 

Ahrens:  Mit  dieser  Thesis  ist  ein  gewisser  Abschnitt  in  der  Er- 
örterung dieser  Frage  erreicht.  Die  fünf  Thesen  sollen  den  Grund 
und  Boden  legen.  Der  steht  nun  fest.  Es  fragt  sich  zunächst  weiter: 
wie  soll  der  griechische  Unterricht  gegeben  werden?  Aber  zu  dieser 
Erörterung  rei(-ht  wohl  unsere  Zeit  nicht  aus.  Deshalb  ist  es  wün- 
schenswerth,  zu  einer  Behandlung  der  beiden  andern  aufgestellten  Auf- 
gaben überzugehen.  Auf  den  allgemeinen  Wunsch  der  Versammlung 
und  die  besondern  Bitten  von  Geifers  und  Münscher  entschliefst  sich 
Ahrens  fortzufahren. 

Sechste  Thesis :  Die  oben  bezeichnete  griechische  Schul- 
litteratur  zerfällt  in  zwei  wesentlich  getrennte  Massen: 
a)  die  ältere  und  mit  Ausnahme  des  halb  dichterischen 
Herodot  poetische;  b)  die  jüngere  durchaus  prosaische 
und  attische. 

Der  ersten  Masse  der  Litterat ur  und  ihrer  Sprache 
mufs  vom  Schulunterrichte  eine  gleich  gründliche  Sorg- 
falt gewidmet  werden  wie  der  zweiten. 

Insbesondere  ist  es  von  Wichtigkeit,  dafs  der  Schü- 
ler mit  den  homerischen  Gedichten  und  ihrer  Sprache 
möglichst  vertraut  werde. 

Ahrens  gibt  zwar  schon  in  dieser  Sitzung  eine  genaue  Moti- 
vierung, an  die  sich  auch  eine  kürzere  Debatte  anknüpft,  weil  Mün- 
scher sofort  den  letzten  Kern  der  Frage,  den  Beginn  des  Unterrichts 
mit  Homer,  entwickelt  haben  will,  auch  über  Krügers  Ansichten  von 
dem  Atticismus  eine  Differenz  mit  Rost  auszugleichen  ist.  Rost 
mahnt  auch,  mit  der  Erörterung  fortzufahren,  da  sich  dieselbe  im- 
mer mehr  dem  praktischen  Felde  nähere  und  die  Versammlung  mit 
ihren  früheren  Verhandlungen  das  Unglück  gehabt  habe,  dafs  nichts 
herausgekommen  sei.  Professor  Dr.  Graven hörst  aus  Hildesheim 
wünscht  alle  übrigen  Thesen  in  ihrem  Zusammenhange  zur  Debatte 
gebracht  zu  sehn,  wogegen  sich  Ahrens  uni  der  Klarheit  willen  er- 
klärt; Geffers  wegen  der  Kürze  der  Zeit  nur  die  Hauptpunkte  hin- 
gestellt und  diese  scharf  ins  Auge  gefafst,  wogegen  Ahrens  drin- 
gend bittet ,  die   Sache  nicht  übers  Knie  zu  brechen. 

Die  letzte  Sitzung  wird  deshalb  auf  den  Antrag  von  Kohl- 
rausch eine  halbe  Stunde  früher  angesetzt  und  die  Fortsetzung  die- 
ser Debatte  auf  die  Tagesordnung  gesetzt. 

Vierte  Sitzung  am  2.  October. 

Nachdem  der  Vorsitzende  ermahnt,  dafs  sich  jeder  der  möglich- 
sten Kürze  betteifsige ,  fordert  er  Ahrens  auf,  die  übrigen  Thesen 
im  ganzen  vorzutragen. 

Ahrens:  In  der  sechsten  Thesis  habe  er  zwei  seines  früheren 
Entwurfes  zusammengezogen. 

Siebente   Thesis.      Die    Beschäftigung    mit    der    griechi- 


470  Verhandlungen  der  paeda^ojischen  Section 

sehen  Litterat  ur  kann  (abgesehn  von  etwaigen  votberei- 
te n  d  e  n  U  e  b  u  n  g  e  n )  n  a  t  u  r  g  e  lu  ä  r.s  mit  keinem  andern  S  c  h  r  i  f  t- 
steller  als   mit  Homer  begonnen   werden. 

Achte  The.sis-  Dem  entsprechend  hat  a  n  c  h  der  E  i  e  m  e  n^- 
tarnnter rieht  zunächst  nicht  die  attische,  sondern  die 
homerische  Formenlehre  ins  Auge  zu  fafsen. 

Er  sei  der  Sache  scharf  auf  den  Leih  gegangen,  jedoch  nicht  wei- 
ter vorgeschritten.  Ist  der  angegebene  Weg  zweckmäfsig,  dann  werde 
man  fragen  müfsen,  wie  ist  er  zu  gehen?  Dazu  miifse  er  am  Ende 
sein  eignes  Buch  em[)fehlen.  Deshalb  habe  er  es  für  angemefsen  er- 
achtet, hierbei  einen  Abschitt  zu  machen. 

Die  Erörterung  geht  zunächst  zur  sechsten  Thesis  über,  deren 
ersten  Satz  Ahrens  genau  motiviert.  Er  erkenne  zwei  wesentlich 
geschiedene  Massen  der  griechischen  Schnllitteratur.  Eine  bedeutende 
Kluft  zwischen  diesen  beiden  Theilen  ist  durch  den  peloponrtesischen 
Krieg  gebildet,  wo  zugleich  durch  die  Sophistik  die  ganze  geistige 
Richtung  nachtheilig  afficiert  wurde.  Die  ältere  Masse  gehöre  der 
Zeit  vor  dem  peloponnesischen  Kriege  an:  Homer,  die  Lyriker,  Tra- 
giker, also  das  poetische,  auch  Herodot,  der  nach  Inhalt  und  Dar- 
stellung ein  epischer  Dichter  in  Prosa  ist.  Zu  der  Jüngern  Masse  ge- 
hören Thnkydides,  Piaton,  Xenophon ,  Demosthenes,  die  alle  dem 
vierten  Jahrluindert  angehören,  alle  echte  Prosaiker  und  zugleich  At- 
tiker  sind.  Erhebliche  Unterschiede  zwischen  beiden  Massen  fallen  in 
die  Augen.  Hier  ist  alles  prosaisch,  dort  poetisch;  hier  ist  reine  atti- 
sche Prosa,  dort  grofse  Manigfaltigkeit  in  der  epischen,-  der  lyrischen 
Sprache  mit  ihren  künstlichen  Dialekten,  endlich  in  der  poetischen 
Sprache  der  Tragiker,  die  bedeutende  Elemente  der  epischen  und  der 
altern  Sprache  enthält,  aber  nicht  attisch  ist:  hier  also  Einfachheit 
des  Dialekts,  dort  Manigfaltigkeit,  hier  jüngere,  dort  ältere  Sprache: 
hier  herscht  der  Verstand,  die  Speculation  vor,  dort  die  Phantasie, 
das  Gefühl.  Warum  lege  ich  einen  Werth  auf  diese  Trennung?  Das 
wird  sofort  klar  durch  einen  Blick  auf  die  lateinische  Schnllitteratur. 
Diese  nmfafst  einen  viel  geringeren  Zeitraum,  selbst  von  Plautus  bis 
Tacitus  sind  höchstens  3üü  Jahre,  die  griechische  erstreckt  sich  über 
mindestens  6ü0  Jahre-  In  der  lateinischen  Litteratur  sind  keine  Dia- 
lekte, sondern  die  einzige  römische  Sprache,  und  in  dieser  kaum  ein 
Gegensatz  von  älterer  und  jüngerer,  der  überhaupt  nicht  sehr  grofs 
ist.  Es  ist  ferner  kein  Gegensatz  zwischen  prosaischer  und  poetischer 
Litteratur;  die  erstere  ist  das  wesentliche,  denn  der  Charakter  des 
Volkes  ist  ein  prosaischer,  praktischer;  Poesie  ist  nur  schöner  Zier- 
rat. In  der  Prosa  bildet  wieder  ein  Schriftsteller  den  Mittelpunkt. 
Dies  Verhältnis  verlangt  natürlich  auch  eine  ganz  andere  Art  der  Be- 
handlung. 

Beide  Massen  der  griechischen  Schnllitteratur  sind  also  getrennt; 
beide  müfsen  mit  gleicher  Gründlichkeit  behandelt  werden.  Dies  sei 
in  älteren  Zeiten  nicht  geschehn,  gescheite  auch  jetzt  nicht.  Sonst 
kannte  man  nur  die  prosaische  Litteratur,  man  lernte  Griechisch,  lun 
schreiben  und  sprechen  zu  lernen;  auf  die  Dichter  verwendete  man 
geringere  Sorgfalt.  In  neuern  Zeiten  ist  die  Ansicht  verbreitet,  dals 
die  attische  Litteratur  und  Prosa  vorzugsweise  den  Gegenstand  des 
Unterrichts  bilden  miifse;  ja  man  hat,  wie  den  Cicero,  so  Xenophon 
als  Normalschriftsteller  aufgestellt,  weil  er  das  reinste  Attisch  ge- 
schrieben hat  (was  beiläufig  nicht  richtig  ist).  Die  ganze  Schulein- 
richtung bestätige  dies,  in  der  %  der  Zeit  für  die  Prosa,  %  für  die 
Poesie  bestimmt  werde.  Wir  sind  nun  in  der  Lage  beide  Massen 
gleich  gründlich  betreihen  zu  köunen,  und  müfsen  es  auch  tliiin,  Dals 
eine    genaue    Bekanntschaft    mit    Homer  und  der  homerischen  Sprache 


bei  der  Pliilolon^cn-Versammliino;  zu  fiülliiiffcn.  471 

<lie  Grundlage  sei,  werde  wolil  keinen  AVIderspnieli  fmdeii,  iii<le.ssen 
hescbäitiffe  mau  .si<li  damit  iiiclit  so  viel,  als  er  iür  notlivveiidif;  er- 
achte. Wenn  es  übrij^ens  heilst,  dafs  sich  die  liesehüftif^iiHj^  mit  der 
griechischen  Ijitteratiir  auf  die  oben  {genannten  Schriftsteller  be/ielm 
solle,  so  heilst  das  nicht,  dafs  >vir  vorher  kein  anderes  Griecliiscii 
treiben  dürfen.  Die  Lectiire  eines  Elementarbuches  ist  noch  keine 
Beschäftij^ung  mit  griechischer  Litterat ur. 

Geffers  macht  den  Vorschlag,  die  einzelnen  Punkte  In  der  Ord- 
nung zu  behandeln,  in  welcher  sie  Von  dem  Proponeiiten  aufgestellt 
seien,  also  zuerst  die  Forderung  gleich  gründlicher  Behandlung  beider 
Theiie  der  8chullitteratur. 

Rost:  Ihm  sei  es  zweifelhaft,  ob  Ahrens  etwas  neues  beabsich- 
tige oder  nur  das  auch  bisher  beobachtete  mit  Schärfe  und  princip- 
gemäfs  darlege.  Handle  es  sich  um  eine  frühzeitige  Leetüre  des 
Homer,  so  sei  das  nicht  neu:  schon  jetzt  würden  die  Schüler  zur 
rechten  Zeit  und  in  dem  rechten  Umfange  in  den  Homer  eingeführt. 
In  Gotha  beginne  der  Unterricht  in  der  vierten  Classe  von  oben  mit 
Einübung  der  Formenlehre  an  kurzen  Sätzen;  in  der  dritten  Classe 
seien  drei  Stunden  für  die  Leetüre  der  Odyssee  bestimmt,  auf  die  in 
der  2-  Classe  mit  einem  zweijährigen  Cursus  die  llias  folge.  Die  ho- 
merische Sprachform  als  Grundlage  der  griechischen  Formenlehre  zu 
nehmen,  das  sei  vollkommen  neu,  werde  sich  aber  praktisch  schwer- 
lich bewähren.  Bei  besonderer  Tüchtigkeit  der  Lehrer  und  bei  gu- 
ten Köpfen  der  Schüler  sind  gute  Erfolge  möglich;  Ahrens  werde  es 
erreichen.  Wollten  wir  es  probieren,  so  dürfte  es  wohl  nur  wenigen 
gelingen.  Die  Simplicität  der  attischen  P'ormen  ist  dem  Schüler  zu- 
gänglicher, die  Manigfaltigkelt  der  homerischen  erschwert  die  Sache. 
Münscher!  Er  für  seine  Person  sei  für  die  bisherige  Praxis, 
aber  er  wolle  wohl  etwas  für  Ahrens  sagen.  Wie  in  historischer  Ent- 
wicklung bei  den  Griechen  sich  die  Sache  gemacht,  so  solle  es  auch 
dem  Schüler  vorgeführt  werden,  die  Schüler  sollen  eben  so  durch  die 
griechische  Sprache  und  Litteratur  geführt  werden,  wie  der  liebe 
Gott  das  griechische  Volk  geführt  habe.  Zunä(  hst  wünsche  er  nur 
eine  kurze  Antwort,  ob  sich  dies  zunächst  nur  auf  die  Entwicklung 
der  Ideen  oder  auch  auf  die  Formen  in  ihrer  genetischen  Entwicklung 
beziehen  solle. 

Ahrens:  Er  müfse  in  seinem  und  im  Interesse  der  Sache  drin- 
gend wünschen,  dafs  die  Reihenfolge  festgehalten  werde.  Rost  habe 
bereits  vorgegriffen.  Auf  Münschers  BVage  wolle  er  nur  sagen,  dafs 
der  historische  Gang  gar  nicht  beobachtet  werden  solle.  Das  würde 
eben  so  verkehrt  sein  ,  als  wenn  man  das  Lateini:iche  mit  Plautus  an- 
fangen wollte. 

Classe  n  geht  auf  den  eigentlichen  Gegenstand  tiefer  ein.  Ihm 
erscheint  die  Theilung  der  Litteratur  in  zwei  Massen  höchst  bedenk- 
lich; zwischen  den  Tragikern  und  Homer  ist  ein  gröfserer  Abstand 
als  zwischen  den  Tragikern  und  der  prosaischen  Litteratur.  Nicht 
der  peloponnesische  Krieg  ist  der  Entscheidungspuukt ,  sondern  die 
Perserkriege,  seit  denen  das  geistige  Leben  in  Athen  sich  zusammen- 
drängt und  hier  alle  Strahlen  des  griechischen  Geistes  sich  concen- 
trieren.  Der  peloponnesische  ist  eine  Zeit  der  Krisis,  die  natürlich 
gutes  und  böses  zu  Tage  fördert.  Piaton  und  Demosthenes  gehören 
zu  den  edelsten  und  schönsten  Erscheinungen  in  der  Entwicklung 
Griechenlands;  zwischen  Platon  und  Sophokles  ist  ein  inniger  Zusam- 
menhang. Die  innere  Harmonie  der  Formen  ist  das  Rand  zwischen 
der  prosaischen  und  der  poetischen  Litteratur.  Wie  ein  glänzender 
Hintergrund  steht  Homer  da;  seine  Gedichte  in  steter  Geläufigkeit 
zu  erhalten,    darin   sind  wir  einig.     Die  Odjssee  ganz,   die  llias  zum 


472  Verhandlungen  der  paedagoglsdien  Sectlon 

gi-öfsten  Tliell  gelesen  zu  sehen,  dahin  mufs  unser  Streben  geheit. 
J^lnen  andern  Dialekt  als  den  attischen  bei  der  Erlernung  der  Spra- 
che zu  Grunde  zu  legen  ist  schon  darum  bedenklich,  weil  *j^  der  Lit- 
teratiir  in  attischer  Sprache  geschrieben  ist.  Eine  Entscheidung  der 
Controverse  ist  nur  von  der  Erfahrung  zu  erwarten  und  zwar  von 
einem  Lehrer,  der  beide  Wege  eine  Reihe  von  Jahren  hindurch  ver- 
folgt hat.  Die  zweite  Thesis  gebe  nur  ein  schönes  Ideal  in  einem 
Ziele,   das  wir  absolut  doch  nicht  erreichen. 

Geffers:  Der  Widerspruch  gegen  die  vorgenommene  Theilung 
der  Litteratur  scheine  ihm  wenig  begründet.  Homer  sei  der  iMittel- 
punkt,  ihm  sei  besonderer  Fleii's  zu  widmen,  aber  mit  ihm  stünden 
auch  die  Tragiker  im  engsten  Zusammenhange.  Deshalb  erscheine 
ihm  die  Theilung  nicht  so  schroff. 

Ahrens:  Mit  Classen  stehe  er  gar  nirht  im  Widerspruche.  Dafs 
aber  seine  Scheidung  in  Prosa  und  Poesie  nicht  die  natürlichste  sei, 
davon  sei  er  noch  nicht  überzeugt.  Zunächst  biete  sich  die  Frage 
nach  der  Sprache  dar.  Es  sei  eine  sehr  verbreitete  Meinung,  dafs 
die  Tragiker  attisch  geschrieben  haben  und  dafs  die  attische  Prosa 
auch  die  Sprache  der  Tragiker  lehre.  Das  ist  ein  Irthum.  Der  gro- 
fse  Unterschied  ist  besonders  in  Krügers  Grammatik  hervorgetreten. 
Die  Scheidung  ist  jedesfalls  da,  mag  man  sie  auch  für  mehr  oder  we- 
niger bedeutend  halten.  Eine  Brücke  stelle  er  gar  nicht  in  Abrede; 
denn  Eiiripides  stehe  im  Geist  und  auch  in  der  Sprache  halb  auf  der 
andern  Seite.  Bisher  hat  das  attisch- prosaische  Element  im  Unter- 
richte das  Uebergewicht  gehabt;  warum  hat  man  für  die  andere  Seite 
nicht  dasselbe  gethanV  Ungerecht  sei  seine  B^rderung  nicht. 

Münscher  erinnert,  dafs  auf  seine  Frage  nicht  geantwortet  sei; 
er  müfse  also  annehmen,  dafs  sie  bejaht  werde.  Ahrens  hat  die- 
selbe ganz  allgemein  verstanden  und  darum  auch  so  geantwortet;  in 
Bezug  auf  das  Griechische  will  er  sich  die  Begründung  aufsparen. 

Münscher:  Der  gemachte  Vorschlag  hat  eine  schöne  Seite,  kann 
aber  aus  principiellen  Gründen  nicht  angenommen  werden.  Wollen 
wir  den  griechischen  Sprachunterricht  nach  Ahrens  ordnen,  um  be- 
fser  in  die  griechischen  Ideen  einzuführen,  so  können  wir  wohl  mit 
Homer  anfangen,  aber  es  geht  nicht  weiter,  sobald  wir  zu  den 
Lyrikern  kommen.  Selbst  im  Homer  kann  das  schönste  nicht  in 
der  Tertia  absolviert  werden,  das  geht  erst  in  der  Prima.  Sodann 
soll  der  Gang  der  Sprachentwicklung  festgehalten  werden.  Das  ist 
sehr  schön  und  aulserordentlich  bildend,  aber  grofse  Bedenken  stehen 
dem  Verfahren  entgegen.  Es  würde  dann  die  Sprache  in  liüfsigem 
Zustande  bei  den  Schülern  bleiben  und  Festigkeit  in  den  Formen 
nicht  erreicht  werden.  Man  braucht  nur  daran  zu  denken,  dasselbe 
auf  dem  Gebiete  des  Lateinischen  und  Französischen  versuchen  zu 
wollen,  und  wird  die  Unzuträglichkeit  leicht  einsehen.  Was  auf  dem 
Gebiete  der  Wifsenschaft  vortrefflich  ist,  geht  nicht  sofort  auch  in 
der  Schulpraxis.  Indessen  wird  hier  das  deutsche  Sprachgebiet  einen 
Ausweg  darbieten,  auf  dem  man  den  historischen  Gang  auch  in  der 
Schule  verfolgen  kann. 

Ahrens:  Auf  solche  Ansichten  und  Behauptungen  könne  er  sich 
noch  nicht  einlafsen,  da  es  sich  zunächst  nur  um  die  Behauptung 
handle,  dafs  beide  Massen  der  Litteratur  gleich  gründlich  behandelt 
werden  müfsen,  und  um  die  gröfste  Vertrautheit  mit  Homer. 

Geffers:  Im  allgemeinen  werde  ja  der  Ansicht  beigestimmt; 
darüber  sei  wohl  keine  Meinungsverschiedenheit.  Aber  der  Punkt  sei 
verfänglich.  Wegen  der  Consequenzen  werde  er  die  FVage  mit  Nein 
beantworten;  denn  dann   müfse  ja  die  homerische  Sprache  ebenso  wie 


bei  der  Pliiloloi,^en-VersaininUiiig-  kii  Göttingcri.  47-? 

die   attische    in    der   Scliule    eiiificüht    werden,    und  das  halte  er  weder 
für  nützlich  noch  zum  Verständnis  des  Homer  für  nöthig. 

Ahrens  protestiert  gegen  den  Verdacht,  dafs  er  die  Versamm- 
lung captivieren  oder  gar  eine  versteckte  List  anwenden  wolle,  was 
aber  auch  Cef  fers  gar  nicht  eingefallen  ist  zu  sagen.  Ist  mein  .Satz 
richtig,  repliciert  Ahrens,  so  mufs  er  bejaht  werden;  auf  die  C'oiise- 
quenzen  dürfen  wir  nicht  eingehen,  noch  weniger  danach  das  Urtheil 
abgeben  wollen. 

Professor  Dr.  CJ.  Curtius  aus  Prag  kehrt  von  dieser  Abschwei- 
fung zu  dem  wesentlichen  der  Hauptfrage  zurück.  Die  Scheidung  der 
zwei  Massen  könne  er  nicht  nach  dem  Proponcnten  aulfafsen;  wir 
müsten  vielmehr  das  gemeinschaftliche  der  beiden  Hälften  festhalten. 
Das  Attische  ist  offenbar  überwiegend,  im  Attischen  wird  auch  das 
Homerische  gelernt,  wie  umgekehrt  im  Homerischen  das  Attische.  Die 
Schreib-  und  andern  Uebungen  kommen  beiden  Dialekten  zu  gute. 

Ahrens:  Der  gemeinschaftliche  Mittelpunkt  griechischer  Litte- 
ratur  ist  an  ein  r  andern  Stelle  zu  suchen.  Der  Quell  des  Geistes 
dieser  Litteratur,  der  Schlüfsel  für  alle  Zweige  derselben  ist  nicht  im 
Attischen  zu  finden.  Dies  ist  nur  eine  einseitige  Aeul'serung  dessel- 
ben. In  der  vollsten  Vielseitigkeit  finde  er  dies  nur  im  Homer,  der 
der  gemeinsame  Schatz  des  ganzen  helleni.-chen  Volkes  sei.  Ganz  rich- 
tig sei ,  dafs  aus  Homer  Attisches  gelernt  werde.  Das  spreche  ja  ge- 
rade für  seine  Ansicht.     Warum  machen  wir  es  nicht  so  ? 

Geffers:  Kaum  läfst  sich  noch  etwas  neues  über  den  Gegen- 
stand sagen.  Die  Gemeinschaft  iafse  sich  nicht  verkennen;  es  könne 
wohl  zur  Abstimmung  geschritten  werden. 

Da  schlägt  Classen  vor,  im  zweiten  Alinea  zu  setzen  ^Allen 
Theilen  der  Schullitteratur  —  mufs'  u.  s.  w.  und  Eckstein  empfiehlt 
diesen  Verbefserungsantrag ,  weil  er  ihm  wenigstens  eine  grofse  Be- 
ruhigung gewähre.  So  gern  er  es  sähe,  wenn  er  der  Ahrensschen  For 
derung  entsprechen  könnte,  so  halte  er  doch  die  Ausführung  in  der 
Schule  für  eine  Unmöglichkeit:  gleich  gründliche  Sorgfalt  auf  beide 
Theile  verwenden  könne  er  nicht. 

Professor  Dr.  Wittich  aus  Eisenach  meint,  der  Widerspruch 
gegen  Ahrens  rühre  nur  daher,  dafs  dieser  die  Kenntnis  des  homeri- 
schen Dialekts  der  bisherigen  Schulpraxis  substituieren  und  dieselbe 
vorausgehen  lafsen  wolle.  Vielleicht  sei  auf  Seite  der  Gegner  nur 
ein  Misverständnis.  Ahrens  habe  ja  ein  Elementarbuch  mit  einzelnen 
Sätzen  von  jener  Praxis  zugestanden  (Ahrens  bestreitet,  dafs  dies 
seine  Ansicht  sei;  nach  der  Fafsung  der  Thesis  würde  es  allerdings 
erlaubt  sein)  und  dann  bleibe  man  bei  der  bisherigen  Praxis,  sofern 
nur  der  poetischen  Leetüre  gleichviel  Stunden  zugestanden  würden. 

Ahrens:  Die  Schwierigkeit  liege  in  den  Worten  '^  eine  gleich 
gründliche  Sorgfalt.'  Eckstein  halte  das  nicht  für  möglich,  und  habe 
sein  Bedenken  darin  ganz  kurz  ausgesprochen.  Stillschweigend  ver- 
stehe sich  dabei  'soweit  dies  eben  möglich  ist';  aber  auch  das  sei 
nicht  geschehn,  neuerdings  sogar  weniger  als  in  früherer  Zeit.  Wir 
legen  grofsen  Werth  auf  griechische  Scripta  und  das  mit  Recht  für 
die  Befestigung  in  der  Formenlehre.  Für  die  dichterische  Sprache 
thun  wir  aber  nichts  ;  da  wird  die  Production  gar  nicht  geübt.  Sonst 
habe  man  Verse  gemacht,  natürlich  in  der  Sprache  des  Homer;  das 
erscheine  ihm  als  ein  wiclitiges  Förderungsmittel. 

Geffers  führt  den  Schlufs  der  Debatte  über  diesen  Punkt  her- 
bei und  die  Majorität  genehmigt  das  zweite  Alinea  in  der  Fafsung: 
'Allen  Theilen  der  oben  bezeichneten  griechischen  Schullitteratur  und 
ihrer  Sprache  mufs  vom  Schulunterrichte  eine  gleich  gründliche  Sorg- 
falt gewidmet  werden.' 

^.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Hd.  LXVII.   Hft.  4.  31 


474  Verhandlungen  der  paedagogischen  Section 

Mii  »scher  verlangt  sofort  eine  Discussion  der  Frage,  oh  der 
iirieeliisclie  Unterricht  mit  dem  homerischen  Dialekte  und  der  Lectiire 
des  Homer  begonnen  werden  solle,  und  beantragt  eine  Erklärung,  dal's 
dies  sich  mit  der  Aufgabe  der  Schule  nicht  vertrage,  dafs  es  princi- 
piell  für  dieselbe  nicht  geeignet  sei. 

Ahrens,    der  sich   anfangs    weigert    ferner  als   Referent   zu    fun- 
gieren ,    will    doch    nicht    eigensinnig    erscheinen  und  fährt  In  der  Be- 
gründung   fort.     Münschers    Ansicht    fufse    darauf,    dafs    er   einen  hi- 
storischen  Gang    (Homer,  Pindar,    Tragiker    u.    s.    w.)    wolle    eintre 
ten  lafsen  ,  daran  habe  er  nicht  denken  können  noch  wollen.     Den  hi- 
storischen  Gang    streng   einhalten    zu  wollen  ist  nicht  möglich.      Von 
Homer   läfst   sich    die    Litteratur    wegen    der   grofsen    Schwierigkeiten 
nicht    weiter   verfolgen.      Beide    Theile   der  LItteratur  müfsen  neben- 
einander  getrieben   werden    und    die   Endpunkte    von    beiden  fallen  in 
die    oberste    Classe.     Da    ihn    C  lassen    an  die  schwankenden  Formen 
der    homerischen   Sprache   erinnert,    so  geht  er  sofort  darauf  ein,    die 
daraus  befürchteten    Gefahren    zu  beleuchten.     Im  Griechischen  mufs 
der  Schüler  verschiedene  P'ormen  und  Dialekte  kennen  lernen,  das  Ist 
gar  nicht  zu  vermelden,  auch  kein  Unglück.     Fangen  wir  nun  mit  ei- 
nem andern  Dialekte  an  und  gehen  dann  zur  attischen  Prosa  über,  so 
ist  es  gerade  sehr  förderlich,    wenn  die  Schüler  Immer  den  Gegensatz 
auffafsen ;  die  Formen  prägen  sich  viel  fester  ein.     Das  habe  sich  Ihm 
durch    die    Erfahrung  bestätigt.     Wie  beim  deutschen  Unterrichte  der 
historische  Gang  der  Sprache  gezeigt  werden  solle,  begreife  er  nicht, 
man  müste    denn    In    Hessen  In  IH  Gothlsch,  In  U  Althochdeutsch,  In 
I  Mittelhochdeutsch   treiben   (M  uns  eher   berichtigt,    dafs    dies    alles 
blofs  In  der   Prima   gemacht  werde).     Dann  wird  der  Gang  allerdings 
sehr  rasch    gemacht  und    dennoch  macht  der  Schüler  keine  historische 
Entwicklung    durch,    weil    er    sein    Neuhochdeutsch    zu    jenem    Unter- 
richte  bereits    mitbringt.     Im    Deutschen    seien    4    Perloden    zu   unter- 
scheiden, im   Griechischen  nur  2,  die  ältere  und  die  jüngere  Sprache, 
die   homerische   mit    ihren    Abzweigungen   und    die    attische   Prosa    Im 
vierten    Jahrhundert.     Danach    ist    es    also  hier  viel   leichter  eine  Idee 
der  Spraclientwickhing  zu  geben.     Man  mufs  in  der  St'hule  nicht  nach 
reinen  Theorien  gehen,  sondern  auf  die  historischen  Verhältnisse  Rück- 
sicht iieluuen.     Im   Griechischen  haben  wir  nun  bereits  die  historische 
Entwicklung  in  der  Schule,    weil  Homer  und  die  Attiker  nothwendige 
Schriftsteller   sind ,    warum   wollen    wir    also    nicht    den    historischen 
Gang    verfolgen?    Ursprünglich   war    das    Griechische   auch    zum    Ge- 
brauche bestimmt,  sowohl  Schreiben  als  Sprechen  wurde  erzielt,    was 
bei    der    Analogie    des    Lateinischen    ganz    natürlich    war,    das  sich  als 
halb  -  lebendig   Immer   erhalten    hatte.     Aber    ebenso    war  es    auch  mit 
dem  Griechischen  In  dem  byzantinischen  Reiche  und  bei  der  ■noivrj  ist 
es  im  wesentlichen  geblieben. 

Classen  verweist  nochmals  auf  die  vielen  verschiedenen  Formen 
<les  homerischen  Dialekts,  die  aber  Ahrens  In  so  grol'ser  Ausdehnung 
nicht  zugibt,  weil  sie  naturgemäfs  auseinander  entstanden  sind.  Im 
Atticismus  gebe  es  auch  Doppelformen  und  wir  gehen  selbst  künstlich 
auf  contrahierte  und  nichtcontrahierte  Formen  zurück.  Es  komme 
nur  darauf  an,  die  Formenlehre  ordentlich  zu  docieren. 

Münscher  will  sich  für  die  neue  Theorie  bedanken  und  lieber 
die  historische  Theorie  an  dem  Deutschen  festhalten;  das  Schwanken 
bringe  Gefahr,  mit  etwas  festem  und  bleibendem  müfse  begonnen 
werden. 

Dr.  G.  Wolff  aus  Berlin  meint,  dafs  auch  bei  dem  jetzigen  Ver- 
fahren   die   historische   Entwicklung    nicht    abgeschnitten   werde;    der 


bei  (1(M-  riiilologcn-Versainmliin!?  zu  Göllinucn.  475 

Schüler  lei'iie  (lic;<e!he  freilich  f^pätcr,  aber  auf  einem  bequemem  und 
sicherern  Wege. 

Geffers:  Was  Ahrens  über  die  Tradition  des  griecliisclien  Un- 
terrichts gesa{];t  hat,  ist  falsch.  J)er  Grund  des  bisherigen  Verfah- 
rens liegt  in  der  Bedeutung  der  attischen  Litteratur,  die  keine  ein- 
seitige, sondern  die  eigentliche  Hlüte  ist.  Durch  einen  sichern,  na- 
türlichen Takt  geleitet  hat  man  den  bisherigen  Gang  bei  dem  Unter- 
richte festgehalten. 

Doch  die  Zeit  drängte  zum  Schlufse.  Vor  der  Abstimmung  trägt 
Ahrens  an  auf  eine  Pirklärung,  dahin  lautend,  dafs  die  kSaclie  noch 
nicht  genügend  durchsprechen  sei  und  darum  noch  kein  Urtiieil  abge- 
geben werden  könne.  Die  Abstimmung  über  diesen  praejudicielien 
Antrag  war  zweifelhaft,  bei  der  Zählung  ergaben  sich  '2'2  .Stimmen 
dafür  und  21  dagegen,  welche  die  Sache  als  bekannt  genug  durch  die 
Schriften  von  Ahrens  betrachteten.  Nach  diesem  Resultat  war  es 
auch  nicht  räthlich ,    über  die  sechste  Thesis  im  ganzen  abzustimmen. 

Geffers  ergreift  zum  Schlufse  das  Wort:  Gern  hätte  er  die  Er- 
örterung noch  weiter  geführt,  aber  die  Zeit  sei  abgelaufen.  Aber 
auch  so  wolle  er  seine  Freude  über  die  Besprechung  dieses  Gegen- 
standes aussprechen  und  darin  eine  grofse  Uefriedigung  finden,  weil 
ja  gerade  der  griechische  Unterricht  vielfache  Angrill'e  erfahren  habe. 
Wir  mül'sen  das  Palladium,  das  wir  in  ihm  besitzen,  festhalten  und 
ihn  immer  eifriger  betreiben.  Ahrens  gebühre  besonderer  Dank,  denn 
sein  Vortrag  werde  einen  grofsen  Einflufs  auf  die  Verbefserung  und 
Belebung  dieses  Unterrichts  ausüben.  Der  Versammlung  sage  er  herz- 
lichen Dank  für  die  Nachsicht,  welche  sie  seiner  Leitung  habe  anoe- 
deihen  lafsen,  und  er  schliefse  dieselbe  mit  dem  Wunsche,  dafs  wir  uns 
alle  im  nächsten  Jahre  zu  Altenburg  wieder  treifen  mögen. 

Auf  Classens  Antrag  erhebt  sich  die  Versammlung,  um  dem 
Praesidenten  und  dem  Secretär  für  ihre  Mühwaltung  ihre  Anerkennung 
zu  bezeugen. 

Halle.  Dr.  Fr.  Au!r.  Eckstein. 


P  r  o  g-  r  a  m  111  e  n  s  c  li  a  11. 


[Fortsetzung.] 

Wir  besprechen  jetzt  solche  Programmabhandlungen  ,  welche  sich 
auf  deutsche  Litteratur,  Sprache  und  Unterricht  beziehn,  und  schüefsen 
daran  einige,  welche  geschichtliche  Partieen  und  Geographie  zum  Ge- 
genstande haben. 

Da  der  Gandersheimer  Nonne  Hroswitha,  wenn  schon  sie  sich 
nicht  der  deutschen  Sprache  bedient,  immer  mit  Recht  eine  Stelle  in 
der  deutschen  Litteratur  eingeräumt  worden  ist,  so  erwähnen  wir  zu- 
erst die  Uebersetzung ,  welche  von  ihrem  Gedichte:  Geschichte  Oddos 
des  Grossen  Hr.  Rect.  Prof.  Nobbe  in  den  Programmen  der  Nicolai- 
schule zu  Leipzig  von  1851  und  1852  herausgegeben  hat.  Durch  die- 
selbe wird  jenes  Heldengedicht  eben  so  bekannt  gemacht,  wie  durch 
Bendixens  Arbeit  die  dramatischen  Werke  derselben  Verfafserin  (s. 
Bd.  LX  S.  221),  was  um  so  dankenswerther  ist,  als  das  lateinische 
Original  wenigen  zugänglich  und  in  manchen  Partieen  schwer  ver- 
ständlich ist.  Die  Uebersetzung  liest  sich  leicht  und  gibt  von  dem 
Originale  ein  deutliches  Bild.  Durch  Nachweisungen  aus  gleichzeiti- 
gen   und    anderen    Quellen    und    neueren    Darstellungen,    so    wie    am 

31* 


470  Programmenscliau. 

.Schlurse  durch  Bemerkungen  über  die  Sprache,  Prusodik  und  Metrik 
der  Hroswltha  hat  der  Hr.  Verf.  das  verdienstliche  seiner  Arbeit  noch 
wesentlich  erhöht.  Einen  nicht  unwichtigen  Beitrag  zur  mittelhoch- 
deutschen Litteratur  hat  Hr.  Dir.  Dr.  H.Knebel  in  dem  Programm 
des  Friedrich- Wilhelms -Gymn.  zu  Köln  von  1852  geliefert.  Durch 
Zufall  war  er  in  den  Besitz  eines  Pergamentblattes  gekommen,  das 
ein  Fragment  des  IJilhclm  von  Orlens  von  Rudolf  von  Ems  enthielt, 
mit  ungemeiner  Sorgfalt  ohne  alle  Rasui-en  und  Correcturen ,  aber 
auch  ohne  alle  Interpunctionszeichen.  Weil  es  ihm  nun  klar  ward,  dafs 
man  das  Werk  den  übrigen  defselben  Dichters  nicht  so  weit  nachge- 
setzt haben  würde,  wenn  man  dasselbe  in  der  reineren  Gestalt,  wie 
sie  jenes  Handschriftenfragment  bietet,  vor  sich  gehabt  hätte,  so  enl- 
schloi's  er  sich  dasselbe  abdrucken  zu  lafsen.  Da  es  ihm  zugleich 
möglich  war  die  auf  der  Bonner  Universität  befindliche,  ehemals  zur 
Bibliothek  in  Blankenhain  gehörige  Handschrift,  welche,  wenn  sie 
auch  weniger  als  die  v.  Lassbergische  sich  zur  Grundlage  einer  kriti- 
schen Textes  eignet,  doch  der  Heidelberger  und  Casseler  weit  voizu- 
zlehen  ist,  und  eine  Papierhandschrift  in  Cöln  zu  vergleichen,  so 
fügte  er  die  Varianten  dieser  hinzu  und  lieferte  so  eine  Arbeit,  wel- 
che für  einen  künftigen  Herausgeber  des  Gedichts  eben  so  viel  er- 
munternde Aufforderung,  als  Weg  zeigende  Winke  bietet.  —  Tirols 
jfntheil  an  der  poetischen  Nationallittcratur  im  Mittelalter  hat  Hr. 
Tgn.  Zingerle  im  Programm  des  k.  k,  Staatsgymn.  zu  Insbrnck  1851 
(20  S.  4)  behandelt.  Wenn  auch  tiefere  Kenner,  wie  z.  B.  der  Ref. 
in  der  Ztschr.  für  die  österr.  Gymnasien  1852  1  Hft.  S.  45  f.  an  die- 
ser Abhandlung  vieles  auszusetzen  finden  werden  ,  so  glauben  wir  doch 
dieselbe  mit  gutem  Gewil'sen  empfehlen  und  den  Hrn.  Verf.  zur  Fort- 
setzung seiner  Studien  ermuntern  zu  dürfen.  Wir  stützen  die  Em- 
pfehlung auf  die  trotz  der  skizzenartigen  Darstellung  doch  sich 
kund  gebende  Frische  und  Lebendigkeit  der  Auffafsung  und  das  rich- 
tige klare  Urtheil,  so  wie  darauf,  dafs  sie  manche  Notiz  enthält,  wel- 
che man  sonst  nur  mit  Mühe  erlangen  dürfte.  Die  Dichter,  welche 
Tirol  erzengte,  werden  in  chronologischer  Folge  aufgezählt,  ihre  Fa- 
milienverhältnisse und  Schicksale  erörtert  und  ihre  Werke  unter  Mit- 
thellung  von  Proben  beschrieben  und  beurtheilt.  Dabei  fehlt  es  nicht 
an  Blicken  auf  andere  gleichzeitige  Dichter  und  die  Zustände  der  ge- 
sammten  deutschen  Litteratur,  so  wie  denn  auch  die  Beweise  für  den 
Antheil,  welchen  auch  in  anderer  Hinsicht  Tirol  an  der  literarischen 
Bildung  des  grofsen  Gesammtvaterlandes  genommen,  und  die  Ursachen, 
welche  in  dem  südlichsten  Gebirgslande  so  reges  Geistesleben  hervor- 
riefen, nicht  übergangen  sind.  Den  Inhalt  werden  wir  am  besten 
«lurch  die  Nennung  der  behandelten  Dichter  anschaulich  machen:  Leu- 
told  von  Sehen  (oder  Seven),  Waltram  von  Gresten,  Geltar,  Neune, 
Rubeln  Havvard,  Walter  von  Metz,  Friedrich  von  Sonnenburg,  der 
vielgewanderte  letzte  Minnesinger  Oswald  von  Wolkenstein,  defsen 
Bedeutsamkeit  für  seine  Zeit  in  den  Litteraturgeschichten  noch  nicht 
hinlänglich  gewürdigt  scheint,  Sendlinger,  Conrad  (nicht  Hans,  wie 
f)el  Gervinus)  Vintler,  denen  sich  endlich  die  Volkslieder  anschliefsen. 
In  Beziehung  zu  der  eben  erwähnten  Abhandlung  steht  das  Programm 
desselben  Staatsgymnasiums  von  ]852,  indem  es  auch  einen  Antheil 
Tirols  an  der  deutschen  Litteratur  zur  Anschauung  bringt.  Hr.  Gym- 
nasiallehrer Dr.  med.  Ad.  PI  c  hier  veröffentlicht  hier  nemllch  das 
mittelalterliche  Schauspiel:  Liidits  de  ascerisione  domini  (17  S.  4).  Es 
gehört  dies  zu  den  im  Sterzinger  Archiv  von  A.  Jäger  aufgefunde- 
nen Schauspielen,  welche  dem  Hrn.  Herausgeber  zu  seiner  mit  Unter- 
stützung der  k.  k.  Akademie  der  Wifsenschaften  erschienenen  Schrift: 
'Ueber  das  Drama  des  Mittelalters  in    Tirol'    (Innsbruck  1850)   Ver- 


l'rogTamincii.scIiaii.  477 

aiiiarsiinft  {;egebcii.     iMuls  sclion  an  im<l   für  sich    jede   dcrnrllfie    (inhe. 
v\illkoiiiiiit!ii   sein,   ncil   .sie    eine    nocli    iinmer    ni<lit    f;eiiiif;    Jinffieliellte 
Seite  des  Geisteslebens  im   Mittelalter  in   ein   deiitliclieres    I^iciit  setzt, 
so  verdient  es  namentlich   das  hier  vollstiindi^    mit{;etlieilte    Stück,   da 
es  in  Gedanken   nnd  .Sj>rache  und  in  der   Kinlachlieit  der  Anlage  ei{;en- 
thiiinliche  Vorzüge  besitzt.     Der  llr.    Herausgeber  hat  zwar  die  Ortho- 
graphie,   wo    sie     allen     Sprachgesetzen     zuwider,     geändert,    scheint 
sonst  aber  die   Handschrift  ganz  getreu  wiedergegeben  zu    hatten,    we- 
nigstens ist  dem   Ref.  manches  beim    Durchlesen    als    Schreibfehler   er- 
schienen.  —     Recht   i;iterersant  ist  die  Abhandlung  (VAcr  6'«(7/<e,v  v/rA»7- 
Icis,  welche  Dr.    Klein    im    Programm   des   Gymnasiums    zu   Kmmerich, 
I8ö()  (19   S.   4)  geli<'fert   hat.      Nachdem   zuerst  haiipisächlich  aus  Goe- 
thes Briefen,    besonders  aus  denen  an  Schiller,  die  Veranlafsuug,   welche 
den  Dichter  zur  Achilleis  getrieben,   die    Vorarbeiten,    die    er    zu    der- 
selben gemacht,  und  die  Art  wie,  nebst  den  Umständen,  unter  welchen 
das  Fragment  gearbeitet  ward,  erörtert  sind,  entwirft    der   Hr.   Verf. 
mit  geschickter  Hand  einen  doppelten  Plan,  den  Goethe  befolgt  haben 
könne,  wofür  er  natürlich  die  im  ersten  Buche   niedergelegten    Motive 
nnd    Aeufserungen    des    Dichters    selbst    als    Angelpunkte   benützt    und 
festhält.     In  einem  dritten  Abschnitt  gibt  er  dann  als  Gründe,   uarum 
das  Gedicht  unvollendet  geblieben  an    I)  Vergreifung  in  der  Wahl  des 
Stoffes,  ^2)  die  Erkenntnis  der    Unnachahmlichkeit    und   Unerreichbar- 
keit der  llias,  3)  den  erneuerten   Zug    des    Dichters    zum    Drama,    na- 
mentlich   die    Entwerfnng   der    natürlichen    Tochter,    4)    das   Arbeiten 
nach  kritisch-theoretischen  Grundsätzen,  endlich    5)  die  vor  der  Aus- 
führung gemachte  IMittbeilung  des  Plans  und   Entwurfs  ,  die  dem  Dich- 
ter jedesmal  das  Fertigmachen  verleitet  habe.   —     Einem  andern  neu- 
ern   Dichter    ist    die    Abhandlung    im    Programm    des    Gjninasiums    zu 
Brandenburg    an    der    H.    IHÖ'2    gewidmet,    Stendener:    Zur    Jicur- 
thciluiig    von    L.    Vhlunds   Dichtungen.     Zwar    ist    ein    grofser  Theil 
der  Arbeit  wegen  indes  eingetretener  Versetzung  des  Verf.  in  ein  an- 
deres Amt  skizzenhaft  und  unausgeführt  geblieben,  indes  wird  sie  von 
Schülern    und    sonstigen    Verehrern    des    Dichters    mit    Interefse    und 
Nutzen  gelesen  werden.     Die  Hauptabsicht,  denselben  als  einen  de  ut- 
schen   Dichter  darzustellen,  kann  man  als  recht  wohl  erreicht  ansehn. 
Sehr  glücklich  werden  die  Stolfe,   welche    der   Dichter   zn   Gegenstän- 
den seiner  Dichtung  gewählt,    in    viei-    concentrische    Kreise  gebracht, 
deren  gemeinsamen  Mittelpunkt  der  heilige  Heerd  des  Vaterhauses  bil 
det.     Den   innersten    und    ersten    Kreis  nehmen  die  Findrü<-ke   der  un- 
mittelbaren Heimat  ein,    den    zweiten   die  würtembergischen   Gedichte, 
den    dritten,    den  reichhaltigsten,  die  den  deutschen  Heldensagen   ent- 
nommenen   (Siegfrieds    Sciuvert,    der     Rosengarten,    der   Schenk    von 
Ijimburg  u.  s.  w.),  die  frei  aus  dem  Volksleben  geschöpften  oder  doch 
aus  deutschem    Geiste    geschaffenen,    wie   der  gute  Kamerad,    der  Ab- 
schied,   der   Wirthin   Töchterlein   u.  s.  w.  und  die  irgend  einen  Stan- 
descharakter als  Titel  tragenden:  .Täger,  Schäfer,   Hirte  u.  s.  w,,  den 
vierten  endlich  die  Gedichte  ans    nordischen  und  englischen  Ueberlie- 
fernngen.     Auch    die   spanischen   Romanzenlieder   werden    mit    Uhlands 
poetischer    Natur   in   Zusammenhang    gesetzt,    weil    die  Völker,   denen 
sie    angehören,    romanisierte    Germanen    sind    und    überhaupt   seit    der 
Völkerwanderung   die    schroffen  Gegensätze  zwischen  den  Völkern  des 
Abendlands  fehlten,  im  Ritterthume  al)er  nnd  in   dem  Bewiifstsein  der 
gemeinsamen  alleinwahren  Religion  ein  grofses  gemeinsames  Leben  und 
Streben   gegeben    war.      Was    in  diesen  äufsersten  Kreis  nicht  hinein- 
pafst,    das    betrachtet    der   Hr.    Verf.   entweder   als    der    reinen    gegen 
alle    Nationalität    gleichgültigen    Gedankenlyrik    angehörig,    wie    zum 
Theil  die  Sonette  und  Ottaven ,  theils   als  neutral,    z.  B.   der  antiken 


478  Programmenscluui. 

Welt,  dem  Gemelngute    aller  modernen  Völker,   entnommen.     Die  Ge- 
dichte   letzterer    Art    sind    übrigens    so    gering    an  Zalil  und  so  wenig 
hervorstechend,    dafs   sie    bei    der  Charakteristik  des  Dichters   füglich 
l)ei  Seite   gelafsen    werden   können.     Aber  nicht  allein  an  den  Stollen 
weist  der  Hr.   Verf.    Uhlands   deutsche    Natur    nach  ,    sondern  auch  in 
der  Darstellung  und  Färbung,  in  der  Staffage  und  in  einzelnen  Zügen, 
in    der    Sprache,    die   öfters    selbst    durch   den    Wortlaut    an    deutsche 
Volkslieder  und  ältere  deutsche  Poesie  erinnere,  und  sucht  den  Lesern 
die    Einsicht    näher   zu    bringen,    worin    die    Festigkeit,    Frische    und 
Klarheit   begründet   seien,    die    sie    selbst    schon    an    Uhland  gefunden 
und  lieb  gewonnen.  —  Die  an  die  deutsche  Nationallitteratur  sich  an- 
knüpfenden paedagogischen  und  methodischen  Fragen   erörtert  Dir.  P. 
F.    Zingerle   im    Programm    des    Gymn.    zu    Meran    am    Schlufse  des 
Schuljahrs    185"2:     Ucber    die   Zulässigkeit   und    Behandlung   der   Ge- 
schichte der  deutschen  Nationallitteratur  an  den  Gymnasien  (10  S.  4). 
Obgleich   wir   gegen   manches    "vom    katholischen    Standpunkte    aus  ge- 
äufsertes    Einwendungen    zu   machen   hätten,    so  müfsen  wir  doch  den 
Eifer  und  Ernst    des    Hrn.  Verf.,    so  wie  seine  klare  und  durchdachte 
Entwicklung    und   seine    Kenntnisse  anerkennen.     Allerdings  erfal'st  er 
nicht  den  Gegenstand  in  der  Tiefe  und  erschöpft  ihn  auch  nicht,  son- 
dern bekämpft  nur  einzelne    Vornrtheile,    Einwendungen  und  Befürch- 
tungen, welche  man  gegen  die  Einführung  der  deutschen  Litteraturge- 
schichte    als   besondereu    Lehrgegenstandes    geltend  gemacht    hat,    und 
zeigt,    wie    namentlich   die    letzteren   beseitigt    werden    können.      Dafs 
ein  Gegenstand  bildende  Kraft  besitzt  und    recht   gelehrt   grofsen   und 
vielseitigen    Nutzen    stiften    kann,    beweist   noch   nichts    für  seine  Zu- 
läfsigkeit   im    Gymnasium,    da   von  jeder    Wifsensihaft  jenes  sich  be- 
haupten   läfst,    es    mufs  seine  Nothwendigkeit  zu  der  in  jener  Anstalt 
zu    erzielenden    Bildung    bewiesen   werden.     Wenn  deshalb  der  zweite 
Satz  des  Hrn.  Verf.,  dafs  der  Unterricht  in  der  Geschichte  der  deut- 
schen Nationallitteratur  eben  so  berechtigt  sei,    wie  der  in  jeder  Ge- 
schichte und  namentlich  in  der  vaterländischen  ,    auch  an  und  für  sich 
richtig  ist,   so  beweist  er  doch  nicht  genug,    weil  man  —  denn  zuge- 
ben wird  man  wohl    die  Nothwendigkeit    einer  Kenntnis   der  vaterlän- 
dischen Geschichte  —  dann  seine  Verbindung  mit  der  letzteren ,  nicht 
seine  Abgesondertheit  fordern  mufs.     Es  kommt   alles  darauf  an,    wel- 
che Kenntnis    der   vaterländischen  Litteratur   gefordert   wird    und  wie 
weit  zu  derselben  Litteraturgeschichte  erforderlich  ist.     Da  nun  einer- 
seits nur  das  durch  eigne  Anschauung  und  Studium  gewonnene  in  der 
Gymnasialbildung  Werth  hat ,  andererseits  dazu  nur  das  dienen  kann, 
was  selbst  schon  erkannt,    mit  dem  zu  kennenden  in  erkennbarem  Zu- 
sammenhange steht,   so  kann  der  Unterricht  in  der  deutschen  Littera- 
turgeschichte  nur    den   Zweck    haben,    das    durch    Leetüre   gewonnene 
zusammen    zu   fafsen,    zu    ordnen  und  unter  sich,    so  wie  mit  dem  an- 
dersher  bekannten  in  Beziehung  zu  setzen,  so  dafs  allerdings  die  Ver- 
ordnung des  österreichischen   Unterrichtsministeriums,  wodurch  in  der 
obersten    Klafse    das    durch    Leetüre    in    den    drei  vorhergehenden  be- 
kannt   gewordene    in    eine    Uebersicht    zu    bringen  gefordert  wird,    als 
das    richtige   treffend    bezeichnet   werden    mufs.      Deshalb    können  wir 
es  auch  nicht  billigen,    wenn  der  Hr.  Verf.  in  dem,    was  er  über  Äle- 
thodik  sagt,    die    Gegenüberstellung   abweichender  Urtheile  empfiehlt, 
da    diese    nur   dann    geistig   und    selbst    sittlich   bildende   Kraft    haben 
kann,    wenn    der    Schüler   die    Berechtigung   oder    die  Haltlosigkeit  zu 
erkennen    und    das    Urtheil    mit    dem    beurtheilten    zu    vergleichen  ver- 
mag.    Und    wenn    derselbe    die    Leetüre    althochdeutscher   Dichtungen 
in   neuhochdeutscher  Uebersetzung  gehandhabt  wil'sen  will,    so  können 
wir   davon    keinen    andern    Nutzen    sehen,    als    wenn    Proben    aus    den 


Prograinincnscliaii.  471> 

allen  Grieclieii  nn<l  Koiikm'ii  in  liclx-rsol/imficii  vorgele^^L  \ver<lcii,   IkicIi 
stens  Aneiftniiiifi des   Iiilialts,   iii<-lit,  Ki-mitiiis  des  LiU<"rii(iir\v<>rks.    Doch 
«las   verinirstc,    soll    dein    Hrn.   ^"(M■f.  nicht,  zmu    Voi'umle  ficrciclion ,   dii 
CS   aurscrliall)    seiner    Aljsiclü,    laji.     J)er    zuletzt   ciuälinte  Pnnkt   l'iilirt 
uns  zu    l{es|)reT-hiinf;  eines  anderen    \\  i<;liti<i<'n   l'rojiraniiiis  :    C)  I  a  w  s  k  y  : 
FjV.  Maltli.   /',  33 —  / /,   ](),   rti/s   dem  f>olhisc/icn    Tcjctc  ins   ISv.uImch- 
(leutschc  iibcrtrnfrcn  mit  einleitenden    Vorbemerkungen    (33  S.  4.  Ijissa 
1852).     Der  Hr.    Verf.    lej^t    seU)st  auf  die  Vorhenierknngen  mehr  Ge- 
wicht,   als    auf  den  eif;entli<heM  (iegensand,    der  denn  aiKrh  nur  drei 
Seiten    einnimmt,    Mohei   allerdings    zu    hemerkeii  ist,    dal's   der  Druck 
i\es  Glossars    we^en    des    l^aumes    und   der  Kosten   unterbleiben   muste. 
Wir  unters(^lieiden  die  Leistunf;en   rücksichtlich  der  Kenntnis  <les  Deut- 
schen  von  denen   dir    die   Methodik  des   Unterrichts.      In  ersterer  }lin- 
sicht  finden  ^^ir  viele  wichtige  ljemerkun;:en  (wir  verweisen  auf  die  über 
''Schilder''    und    "'Schilde'    S.  JS,   über  das   Part.   fut.    |)ass.,   worüber  die 
schon  in  der  Zeitsclir.  für  d.  (r.-W.  ].SJ()  von   dem   Hrn.  Verf.  dar<;ele<rte 
Ansicht  wiederholt  und  ausgeführt  wird,  S.    ]|    f.,   über  J)erivafion   und 
Composition    S.    19,    über    die    lateinische    Wurzel    (»ar,     worauf    auch 
sepelio  zurückgeführt  wird,  S.  21,   und  so  noch  viele  andere).     Die  iiu 
zweiten  Theile  der  Vorbemerkungen  v.  S.    15  an  gegebene  Entwicklung 
einiger    Grundgesetze    der   deutscheu    Sprachen    ist  recht  geeignet  den 
Unkundigen  in  die  Sache  einzuführen,   auch  die  Zusammenstellung  des 
gothischen    Textes    mit    der  neuhochdeutschen  Uebersetzung  nebst  den 
untergesetzten  sprachlichen  Bemerkungen  kann  Ref.  nur  als  eine  tüch 
tige  Leistung  bezeichnen,   indes  überlal'.-en  wir  dies  denen,  welche  des 
Fachs  kundiger  sind    als  wir,    und   halten  nns  nur  an  die  methodische 
und  paedagogische  Frage.     Des  Hrn.    Verf.  Ansicht  ist    die,    dafs  das 
Studium  der  altdeutschen  Dialekte  in  das  Gymnasium  eingeführt  wer- 
den   müi'se,    weil    ohne    die    Kenntnis   jener  die  gegenwärtige  Sprache 
nicht  zu  begreifen  und  zu  erklären,    und  ein  gründliches  Studium  der 
deutschen  Literatur    unmöglich  sei,  jenes  Studium  habe  aber  mit  dem 
Gothischen  zu  beginnen,   weil  auf  dies  liei  allen  gründlichen  Erklärun- 
gen   zurückgegangen    werden    müfse.      Ref.    hat    seine    Ansichten    über 
diesen    Gegenstand    Bd.    LVJII,     S.    331    f.    ausgesprochen.      ])ie    dort 
geäufserte    Befürchtung,    dafs    dadurch    andere   Lehrfächer  beeinträch- 
tigt werden  würden,  besteht  im  wesentlichen  auch  jetzt  noch  bei  ihm, 
indes  sieht  er  sich  genöthigt,    möglichen    IVIisverständnissen  vorzubeu- 
gen.    Dafs    die    Ueberfüllung    mit  Lehrstunden    und  Lehrgegenständeii 
und    die    dadurch    l^ewirkte   Verdrängung    des   Sell)studiunis  durch  An- 
häufung   von    Wifsen    einer    der    Hauptmängel    unserer    gegenwärtigen 
Gymnasien    sei    und    für    die    Bildung  die  naiditheiligsten   Folgen  habe, 
ist  eine  Wahrnehmung,  welche   sicli   immer  weiter  verbreitet   und  immer 
lautere   nnd   entschiedene  Aussprache  findet.     Wer  es  mit  der  Jugend  gut 
meint,    darf   dieser  Stimme   sein    Ohr   nicht    verschliefsen ,     mufs    viel- 
mehr mit  allen  Kräften    dahin    arbeiten,    dafs   ein    richtigeres    Princip 
an    die    Stelle   des   bisher   geltenden   gesetzt   werde.     Wenn    daher  ein 
neuer  Gegenstand    des   Studiums   für   das  Gymnasium  nicht   allein  em- 
pfohlen,   sondern  gefordert  wird,    so  ist   die  Frage  wohl  eine  berech- 
tigte: ob  eine   neue  Beorderung  an  die  Kräfte  der  Schüler  gestellt  wer- 
den dürfe ,    wenn    die    übrigen    alle    bleiben    und    festgehalten   werden, 
um  so  berechtigter  bei  einem  Gegenstande,  der  so  ausgedehnt  werden 
kann,  dafs  sogar   besondere    schriftliche  Arbeiten  darin  als  Forderung 
erscheinen    (vgl.    die   Frage    in    der  Zeitschr.  f.  d.  Gymn.-AV.   VIT,  S, 
89),  und  deshalb  müfsen  wir  von  jedem  Lehrer,  welcher  eine  derartige 
Forderung  stellt,    verlangen    entweder,    dafs    er    zeigt    welche  P'ächer 
wegzulafsen  sind,  damit  an  ihre  Stelle  der  neue  Unterricht  als  frucht- 
barer und   bildender  treten  könne,    oder  dafs  er  den  Nachweis  liefert, 


48p  Programmenschaa. 

■wie    ohne    eine    erhöhte    Anstrengung  der  Kräfte  der  geforderte  Zweek 
erreicht   werden    könne.      Indes    können   wir    beide  Forderungen  nach- 
sehn,   wenn    die    Nothwendigkeit    eines  Unterrichts  mit  ganz  überzeu 
gender  Gewisheit  dargethan  wird,  weil   dann  von  selbst  die  Noth\>en 
digkeit  der  Eriiiäfsigung  anderer  Forderungen  oder  der  gänzlichen  Be- 
seitigung anderer  Fächer    einleuchtet,    und    so  sehn  wir  denn  auch  in 
dein  vorliegenden  Falle  davon  ab  und  beschränken  uns  auf  die  Frage, 
ob    und    wie    weit    Unterricht   in    den    altern    deutschen    Dialekten    im 
Gymnasium    nothwendig   ist.      Dafs  diese    nicht    aus    gleichem    Grunde 
und  in  gleicher  Weise    auf  den    Gymnasien    getrieben  werden  können, 
wie  die  alten  klassischen  Sprachen         wir  reden  hier  nur  von  sprach- 
licher Bildung  in  engerem  Sinne  —  ist  so  einleuchtend,    dafs    darüber 
gar  nicht  weiter  gesprochen  Averden  daif,  und  es  kann  deshalb  nur  die 
Frage  sein,   ob  zu   dem,    was    der   Schüler  in  Hinsicht  auf  seine  Mut- 
ters|)rache    erreichen    soll    und   mufs,    die    Kenntnis    der    älteren   Ent- 
wicklungsstufen unumgänglich  nothwendig  ist.     Ref.  ist  von  der  Wich- 
tigkeit   der  historischen    Sprachforschung  und    Grammatik    durch    und 
durch    überzeugt    und    räumt   ihr    deshalb    einen    gebührenden  Einflufs 
auf  Schule    und   Unterricht    ein.     Aber   der   Zweck    der    Gynuiasialbil- 
dung  schliefst  die  Einsicht   in    den  historischen  Entwicklungsgang  der 
Sprache  aus.     Da   in    derselben    nur   das   Werth    und    Kraft   hat,    was 
durch  eigene  Anschauung  und   Uebung  gewonnen  und  angeeignet  wird, 
jene  Einsicht    aber    auf  diesem  Wege  und  in  so  kurzer  Zeit  nicht  er- 
reicht werden   kann,    so    ist    eine  solche  Forderung  als  übermäfsig  so- 
fort abzuweisen,  wenn  man  nicht  blofses  Gedächtnis- wifsen  mit  Ein 
sieht    verwechselt.      Dafs    die    Fertigkeit    im    Gebrauche    der    IMutter- 
sprache,    welche    von    dem    Abiturienten    gefordert    werden  mufs   (vgl. 
unsere  Bemerkungen  a.    a.  O.  S.  329),    ohne  Zurückgehn  auf  die  älte- 
ren deutschen  Dialekte  erreichbar  ist,  wird  durch  die  Erfahrung  aufser 
allen    Zweifel  gesetzt.      Es    kann    Jemand    selbst  INIeister  der  Darstel- 
lung in    der    Muttersprache    sein,    ohne    ihre    historische    Entwicklung 
zu  kennen,  und  dieselbe  richtig  verstehn  und  brauchen,  ohne  erklären 
zu  können,    wie    diese  oder  jene  Form  entstanden  und  geworden.     Es 
ist  z.  B.  an  und  für  sich  gleichgiltig,    ob    man  weifs,    dafs  ^ich   darf 
eigentlich  ein  Praeteritum  war,  da  es  die  jetzige  Sprache  als  Praesens 
behandelt.      Ref.    hätte    deshalb    auch    gewünscht,    dafs    sich    der   Hr. 
Verf.    nicht    auf    die    Römer    berufen    hätte,    um    uns    die    historische 
Kenntnis    unserer  S])rache    zu    empfehlen  ,    da    jene  sich  gar  nicht  ge- 
schämt haben,  ihre  Unkenntnis  der  alten  axamenta  einzugestehn  (Hör. 
Ep.  H,    I,  i^G;    Quint.  [,  6,  40).      Dafs    der   Schüler    alle    Formen    er- 
klären   könne,    diese    Forderung    wird    auch    in  den  übrigen  Sprachen 
nicht    erfüllt    und    nicht    gestellt.     Oder  geht  man  im  lateinischen  Un- 
terrichte   auf  die    alte    Sprache    zurück,    bezeichnet    man    nicht   Reste 
derselben  schlechthin  als  Ueberbleibsel ,  ohne  auf  das  Gesetz  der  Ent- 
wicklung   hinzuweisen,    begnügt   man   sich    nicht  damit  den  Sprachge- 
brauch   nachzuweisen    ohne    ihn    zu  erklären?    Und  betraclitet  man  im 
griechis<dien  nicht  den  attischen  Dialekt  als  den  Kern  und  Mittelpunkt 
(vgl.    Bd.    LXV    S.    84)    und    wenn   man    auch    auf  Homer  zurückgeht, 
werden  die  Mittelglieder  und  die  Gesetze,  nach  welchen  die  Umwand- 
lung der  Formen  vor  sich  gegangen,  im  Unterrichte  gezeigt  und  dar- 
gelegt?   Man    hat    dies    wohl    hier   und  da  gefordert,    aber  die  Praxis 
hat  sich  mit    Recht   dagegen    gestemmt.     Also  P^inslcht  in  den  histori- 
schen   Entwicklungsgang    der   Sprache    ist    an    und    für  sieh  eine  For- 
derung,   die    auf  dem    Gymnasium  nicht  erfüllt  werden  kann,  und  sie 
ist  nicht  nöthig ,  um  das  zu  erreichen,  was  in  Bezug  auf  das  Neuhoch- 
deutsche gefordert  werden  mufs.      Damit    ist    eben  so  wenig  abgewie- 
sen,   dafs    die    Ergebnisse    der    historischen    Spra(  hforschung    in    dem 


grammatischen    Unterrichte    als    riclitenil    und    bedingend    freliiihreiule 
Beriicic.sichtigung  finden,    als    der   [Jnterriclit  in  den  älteren  deutschen 
Sprachen  vom  (Jymnasium  ausgeschlofsen,  nur  ein  Zweck,  um  deswil- 
len er  empfohlen  wird,  ist  damit  geliiui^net ,    bei  allen  paedagogischen 
Gegenständen    ist   aber    der  Zweck,    um  dessen  willen   eine  Sache  ge- 
trieben   wird,     mafsgebend    für    die    Methode.      Ks    gibt    zwei    andere 
Gründe,    welche    das    Studium    der   altern    deutschen  Dialekte  für  das 
Gymnasium    wünschenswerth,  ja    fast    nothwendig  machen,     üer  erste 
ist  die  Kenntnis  der  deutsclien  liitleratur.     Wenn  die  Behauptung  auf- 
gestellt  worden    ist,    die    griechischen    und    römischen    Schriftsteller, 
stehen  uns   näher,    als  die   Dichter  des  deutschen  Alittelalters,    so  hat 
man  damit  etwas  sehr  wahres  getrollVn;    denn   factisch   haben  auf  un- 
sere   gegenwärtige    Bildung    die    alten  Klassiker    mehr   EinHufs    geübt, 
als  die  deutschen  Dichter  des  Mittelalters,    und    es    ist  demnach  nicht 
den    Schulen,    wie    der   Hr.    Verf.    zu    tliun    geneigt  ist,    ein   Vorwurf 
daraus  zu  machen  ,  wenn  sie  die  letztern  vernachläisigten.     Aber  wir 
haben    uns    zu    besinnen    begonnen.     Das    Wiederaufleben  jener  herrli- 
chen   Blüteperiode    unseres    Volkes    vor    unserer    Anschauung    ist    mit 
Recht    als    eine    Nothwendigkeit    erkannt   worden  ,    nicht   allein    damit 
unser    Nationalbewulstsein     durch    die     lebendige     Erinnerung    einer 
grofsen    V^ergangenheit    gestärkt  und  gekräftigt    werde,    sondern  auch 
damit  die  ureignen  herrlichen   Eigenschaften    des    Volksgeistes   in    uns 
wieder  Wurzel    und    Gedeihen    finden.     Längst  hat  dies  Bedürfnis  An- 
erkennung gefunden,  längst  hat  man  zu  seiner  Befriedigung  die  Schu- 
len als  das  geeignetste   Mittel    in  Anspruch    genommen,    aber  nachdem 
man    sich    erst   auf   den   Weg  des  todten  Wiisens  in  der  Litteraturge- 
schichte  verirrt,    ist    man    nun    endlich    auf    das    paedagogisch    einzig 
richtige  Princip  zurückgekommen,  dafs  Lesung  der  Dichter  selbst  das 
einzige    Mittel    sei,    das    fruchtbare    und    befriedigende   Bekanntschaft 
mit  jeuer  Vergangenheit  unseres  Volkes  herbeiführen  könne.     Wir  wei- 
sen die  Rücksichten  auf  den  praktischen  und  wifsenschaftlichen  Beruf 
des  Theologen  und  des  Juristen  zurück,    weil  diese  nie  für  die  Gym- 
nasien mafsgebend  sein  können  und  dürfen,  aber  unsere  ganze  Bildung 
erheischt  jene  Wiedererweckung.     Von  der  Ansicht ,  in  der  einmal  be- 
fangen gewesen  zu  sein  Ref.  jetzt  bereut,  dafs  man  blofs  Proben  von 
jenen  Dichtern  vorzulegen   brauche,    ist  man  wohl  jetzt   allgemein  zu- 
rückgekommen.     Auch    bei    ihnen  ist  ja  die  Form  so  wesentlich,    dafs 
man  nur  mit  ihr  und  durch  sie  eine  wahre  Kenntnis  jener  Dichter  ge- 
winnen   kann,    um    nicht    von    dem    sittlichen   Nachtheil    zu    sprechen, 
den  der  Glaube  an  ein  Verstehen,  wo  davon  nicht  die  Rede  sein  kann, 
bringt.     Zunächst    wäre   damit   nur  die  Nothwendigkeit  der  Beschäfti- 
gung mit  der  mittelhochdeutschen    Sprache   gegeben,    denn,    was  man 
auch  sagen  mag,  die  älteren  Erzeugnisse  der  deutschen  Litteratur  ha- 
ben mehr  ein  geschichtliches,    als  ein  unmittelbar  bildendes  Interesse. 
Es  tritt  aber  ein  zweiter  Grund  hinzu.     Die  Sprachwifsenschaft  ist  in 
unseren  Tagen  auf  eine  Weise  ausgebildet  worden,  dafs  sie  der  Schule 
nicht  fern  stehend  bleiben  kann.  Indem  wir  dies  aussprechen,  stellen  wir 
uns  keineswegs  auf  den    Standpunkt    derer,    welche   die  Anfänge  jeder 
Wifsenschaft,    welche    für   unser  Leben  Bedeutung  gewonnen  hat,  auf 
das  Gymnasium  bringen   wollen,    sondern    wir  halten  uns  daran,    dafs 
die  Sprache    als    Bildungsmittel   anerkannt  ist,    und  zwar   weil   sie  die 
eigenste    und    unmittelbarste    sinnlich    wahrnehmbare    Schöpfung    des 
Geistes  ist.     Dafs  dieselbe  etwas  gewordenes  und  gebildetes  ist,  kann 
dem,    welcher   sich    mit  Sprache  beschäftigt,  nicht  unbewufst  bleiben, 
dafs  aber   bei    der    Bildung    derselben    nicht  Willkür,   sondern    Gesetz 
obgewaltet  hat,    das    hat  erst  die  neuere  Wifsenschaft  in  helles  Licht 
gesetzt.     Soll  und  darf  nun  davon  eine  Anschauung    dem  wifsenschaft- 


482  Progframmeiiscliau. 

lieh  Gebildeten  fehlen?  inul  wo  kann  eine  solche  belser  gewonnen 
werden,  als  an  der  Mntterspraciie  ?  Wir  ver!anf2,en  also  nicht  Einsicht 
in  den  historischen  Entwicklungsgang  der  »Sprache,  wir  verlangen 
nicht  Vorbildnng  des  künftigen  Sprachforschers,  nein,  nur  eine  An- 
schauung von  Entwicklungsstufen,  welche  die  Muttersprache  gehabt 
hat,  ehe  sie  zu  ihrer  gegenwärtigen  Gestalt  gelangt  ist,  und  dadurch 
ein  JJewufstsein  von  der  schöpferischen  Kraft  und  Thätigkeit  des  Gei- 
stes. Dafs  dabei  das  iVIittelliociideutsche  nicht  ausreicht,  sondern  auf 
das  Althochdeutsche  und  Gothische  zurückgegangen  werden  müfse,  da- 
rüber sind  wir  mit  dem  Hrn.  Verf.  Verf,  und  mit  R.  v.  ilaumer  ein- 
verstanden, eben  so  wie  darüber,  dafs  dieser  Unterricht  erst  in  der 
obersten  Stufe  des  Gymnasiums  statt  finden  könne  und  dürfe.  Wir 
stimmen  aber  um  so  mehr  dafür,  als  man  dann  dem  grammatischen 
Unterrichte  in  den  unteren  Classen  eine  Gestalt  geben  kann  oder  zu 
geben  bereitwilliger  sein  wird,  die  den  Forderungen  einer  gesunden 
Paedagogik  entspricht.  Wie  steht  es  nun  mit  der  Uefürciitung,  wel- 
che wir  vorausgestellt  hatten?  Werden  wir  nicht  unseren  Grundsätzen 
und  Principien  untreu,  indem  wir  der  Einführung  eines  neuen  Unter- 
i-ichts  im  Gymnasium  das  Wort  reden?  Wir  finden  allerdings  darin 
eine  nm  so  dringendere  Aufforderung  den  Sprachstudien  in  den  obern 
Classen  einen  freieren  Raum  zu  gewähren,  in  der  That  aber  ist  auch 
die  Zeit  für  ihn  gegeben,  wenn  man  die  viele  Theorie,  Poetik,  Rhe- 
thorik,  Stilistik,  und  die  Litteraturgeschichte  als  abgeschlolsenen 
Lehrgegenstand,  wie  sie  jetzt  auf  den  Lectionsplänen  figurieren,  hin- 
auswirft und  an  ihre  Stelle  diesen  Unterricht  setzt,  wofür  R.  v.  Rau- 
mer in  seinem  von  uns  öfter  erwähnten  Aufsatze  so  treffiithe  Winke 
gibt.  Freilich  wird  aber  auch  hier  rechte  Methode  eine  Hauj)tsache 
bilden.  Man  vergefse  ja  nicht,  dafs  es  hier  nicht  auf  Fertigkeit  und 
Aneignung  einer  fremden  Sprache  abgesehn  sei ,  sondern  nur  auf  an- 
schauende Vergleichnng  früherer  Entwicklungsstufen  der  Mutterspra- 
che mit  der  gegenwärtigen.  Wird  der  Unterricht  auf  rechte  Weise 
ertheilt,  dann  wird  auch  die  liefürchtung  einer  Abziehung  und  Ab- 
lenkung der  Schüler  A'on  dem  eigentlichen  Mittelpunkte  seiner  Thätig- 
keit, dem  Studium  der  Alten,  als  grundlos  widerlegt  werden.  Ref. 
ist  also  mit  dem  Hrn.  Verf.  in  den  wesentlichsten  Punkten  einver- 
standen und,  wo  er  seinen  Ansichten  entgegengetreten  ist,  hat  er  dies 
mit  der  Absicht  gethan,  die  Sache  selbst  durch  Abscheidung  von  nicht 
lialtbarem  zu  fördern. 

Den  auf  deutsclie  Sprache  und  Litteratur  sich  beziehenden  Pro- 
grammabhandlungen schliefsen  wir  an:  Beda  Piringer:  Ucbcr  JVc- 
sen  lind  licdcutung  der  Poesie,  Kremsmünster  1851  (20  S.  gr.  4). 
Die  Abhandlung  ist  mit  viel  Geist  und  grofser  Belesenheit  geschrie- 
ben ,  wenn  schon  die  letztere  öfter  zu  Anbringung  eines  Citates  ver- 
leitet,  wo  ein  solches  überflüfsig  oder  nicht  ganz  trelfend  ist.  Das 
Wesen  und  der  Ursprung  der  Poesie  werden  im  ganzen  richtig  er- 
kannt und  nur  etwas  zu  eng  auf  die  Auffafsung  von  gegebenem  be- 
schränkt. Nicht  ganz  genügend  finden  wir  auch  die  Nachweisung  im 
Leben  ganzer  Völker,  da  hier  namentlich  das  Heidenthum  fast  als  eine 
ganz  natürliclie  Bildungsstufe  ,  nicht  als  eine  P>ntfremdung  von  Gott, 
als  Verlust  <1er  wahren  Erkenntnis  und  falscher  vergeblicher  Versucii 
sie  wieder  zu  finden  erscheint.  Trotzdem  können  wir  die  Abhandlung 
nur  loben  und  empfehlen  und  mögen  auf  dns  berührte  uui  so  weniger 
Gewicht  legen,  als  die  Sache  auf  dem  beschränkten  Räume  zu  er- 
schöpfen  als  unmöglic'h    erscheint. 

Wir  lafsen  einige  Programme  geschichtlichen  Inhalts  folgen:  Die 
Vcbcrsicht  der  staatlichen  Gestaltung  Europas  seit  dem  Uvlerga7if>e 
des  ircslrUmischcn    Reiches    bis   gegen  die  MiKc  des  7.  Jahrhunderts. 


l'rüi>ramiucnscliiiii.  4'<,'J 

Von  Prof.  Dr.  K.  S.  Sieb  er  (Salzburg  1852.  JI  S.  gr.  4)  ist  <]arauf 
berechnet  den  8ohülorn  anscliaiilich  die  Vollmer,  weiche  im  Besitze  der 
einzelnen  Länder  Kiiropas  in  der  f;;enannten  Zeit  einander  ablösten 
oder  sich  behaupteten,  vorzuführen  und  erfüllt  diesen  Zweck  recht 
gut,  hat  auch  den  Vorzug  vor  manchem  Jjehrbuch,  dafs  auf  die  sla- 
vischen  und  übrigen  östlichen  Völker,  besonders  unter  IJenutzung 
Schaü'ariks,  mehr  Rücksicht  genommen  ist.  Zu  einer  klaren  Anschauung 
der  Völkerwanderung  werden  freilich  die  Schüler  dabei  niciit  gelangen, 
da  der  Zeitraum  zu  eng  begrenzt  und  der  Zweck  nur  auf  die  einzelnen 
Länder  gerichtet  ist.  Von  den  Veranlafsungen  der  einzelnen  Wande- 
rungen und  deren  Zusammenhang  konnte  da  natürlich  k<>ine  Rede  sein. 
Wifsenschaftlichen  VVerth  müfsen  wir  zuerkennen  der  Abhandlung  des 
Oberl.  Pieier:  Bruno  I,  Erzb'tscliof  von  C'öln  (Progr.  d.  Gymn.  zu 
Arnsberg  liSöl.  38  S.  4).  Die  allgemein  anerkannte  Bedeutsamkeit  der 
Regierung  Ottos  I  und  der  vielseitige  tliätige  Antheil,  den  Bruno  an 
den  verwickelten  Angelegenheiten  genommen,  lafsen  den  Gegenstand  als 
einer  besondern  Darstellung  würdig  erkennen,  und  um  so  mehr  als  die 
Wirksamkeit  eines  Mannes  sich  nur  dann  recht  begreifen  läfst,  wenn 
alle  Züge  derselben  zusammengestellt  werden  und  daraus  die  Grundzüge 
seines  Charakters  hervorspringen.  Der  Hr.  Verf.  hat  zu  dem  Gegenstande 
jene  Liebe  mitgebracht,  welche  zur  tüchtigen  Behandlung  nothwendig 
ist  (dieselbe  erscheint  zuweilen  eher  etwas  zu  grofs,  wie  wenn  Bruno 
954  als  der  eigentliche  Retter  des  Reichs  dargestellt  wird,  als  wel- 
cher doch  immer  Otto  selbst  gelten  mufs,  so  hoch  man  auch  die  Ver- 
dienste des  Bruders  zu  stellen  hat).  Gewifsenhafte  und  vorsichtige 
Benutzung  der  Quellen  verleiht,  verbunden  mit  einer  fliefsenden  und 
lebendigen  Trockenheit  wie  Ueppigkeit  gleich  verschmähenden  Dar- 
stellung, der  Schrift  die  beste  Empfehlung.  Dafs  der  Hr.  Verf.  man- 
ches speciellere  seine  Heimat  betreffende  ausführlicher  behandelt  (z. 
B.  die  Geschichte  von  Soest) ,  erscheint  als  ganz  natürlich.  Bei  der 
Darstellung  des  kirchlichen  wird  allerdings  der  protestantische  Leser 
manches  anders  fafsen  und  zurechtlegen,  doch  stört  dies  den  Eindruck 
um  so  weniger,  als  der  Hr.  Verf.  sich  immer  streng  auf  die  alleinige 
Darstellung  der  Thatsachen  beschränkt.  —  Bekanntlich  hat  man  die 
Fällung  der  heiligen  Eiche  durch  Bonifacius,  welche  Willibald  (Pertz 
Mon.  H)  als  bei  dem  Orte  Gaesmere  vorgefallen  eizählt,  nach  dem 
Dorfe  Geismar  verlegt  und  den  bei  Heiligenstadt  liegenden  Staufen- 
oder  Hülfensberg  damit  in  Verbindung  gebracht,  indem  man  gesagt, 
derselbe  habe  seinen  Namen  von  dem  durch  den  Apostel  der  Deutschen 
gestürzten  Götzen  Stuffo  und  einer  Aeul'serung  Karls  des  Gr.  über  die 
That,  dafs  dabei  nur  Gott  geholfen.  In  dem  Progr.  v.  Heiligenstadt 
1852  nun  hat  Gymnasiallehrer  H.  Wald  mann  {Kirchen  geschichtliche 
Untersuchungen.  I.  Der  Hülfensberg  rind  Geismar.  51  S.  4)  diesem 
Gegenstande  eine  kritische  Untersuchung  geAvidmet,  die  im  wesent- 
lichen mit  Wolf  (krit.  Abhandlung  über  den  Hülfensberg.  Göttingen 
1808)  das  gleiche  Resultat  gewinnt.  Es  wird  nämlich  ausführlich  und 
überzeugend  dargethan,  dafs  der  Hülfensberg  bis  1350  kein  W'allfahrts- 
ort  war,  kein  älterer  Schriftsteller  von  demselben  etwas  weifs,  und 
erst  spätere,  ziemlich  unkritisciie  Schriftsteller  die  oben  berührte  Ge- 
staltung der  Erzählung  haben,  dafs  von  einem  deutschen  Gotte  Stulfo 
nirgends  etwas  sonst  vorkommt  und  er  wahrscheinlich  unter  die  vie- 
len aus  neuern  Namen  erdichteten  altdeutschen  Götter  gehöre,  der 
Name  Staufenberg  aber  wahrscheinlich  von  einem  vorbeifliefsenden 
Gewäfser  herrührt.  Sehr  interessant  ist  die  Nachricht,  dafs  seit  dem 
14.  Jahrhundert  in  ganz  Norddeutschland  namentlich  bei  Pestfällen  ein 
christlicher  Heiliger  'Sente  Huipe  oder  Hülpe  (Hilfe)'  verehrt  wurde, 
auf  den  jedesfalls  der  Name  Hülfensberg  zurückzuführen   ist.     Freilich 


484  Prooframmenschau. 

bedarf  dieser  Märtyrer,  wie  auch  die  heilige  WUnefortis,  und  das 
Kruzifix  zu  Lucca,  Suiite  Hulpe  genannt,  noch  einer  aufklärenden 
Untersucluing,  indes  wird  an  dem  Resultate  wenig  geändert  werden 
können.  Wo  aber  jener  von  Willibald  erwähnte  Ort  Gaesmere  zu 
suchen  sei  ,  dies  ist  allerdings  eine  weitere  Aufgabe  der  F^or- 
schung.  Uebrigens  bietet  die  Abhandlung,  in  der  man  nur  hier 
und  da  eine  geglättetere  Sprache  wünschen  möchte,  auch  man- 
che nicht  unmittelbar  zum  Gegenstande  gehörige ,  aber  zur  Ver- 
gleichung  herbeigezogene  Notiz  und  gibt  von  umfänglichen  und  griind- 
lichea  Studien  das  beste  Zeugnis.  —  An  etwas'  specieli  iocales 
knüpft  allgemein  interessante  Resultate  an:  Witz  s  che  1:  Ucbvr  den 
Sommcr^cwinn  in  FAsenach  (Programm  185'2.  14  S.  4),  über  welche 
Abhandlung  wir  nach  dem  Berichte  eines  geehrten  Mitarbeiters  refe- 
rieren: 'Das  noch  immer  in  Eisenach  und  Umgegend  am  Sonntage  Lae- 
tare  gefeierte  Volksfest,  'der  Sommergewinn'  genannt,  gehört  nach 
des  Hrn.  Verf.  Untersuchungen  zwar  der  im  Mittelalter  fast  allgemei- 
nen Sitte  der  Feier  des  Frühlingsanfangs  an  (darüber  werden  inter- 
essante Erörterungen  angestellt),  erscheint  aber  identisch  mit  dem  in 
Dresden,  Meifsen,  Gera,  Jena,  einigen  Schwarzburgischen  Orten  und 
Frankenhausen  bis  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  gefeierten  'Tod- 
austragen %  welches  durch  die  in  Böhmen,  Schlesien  und  der  Lausitz 
bestehenden  Gebräuche,  sich  als  aus  der  slavischen  Sitte  mit  dem 
Anfange  des  Jahres  (im  März)  zugleich  das  Andenken  der  verstorbe- 
nen zu  feiern  entstanden  herausstellt.  Der  Hr.  Verf.  ist  denn  über- 
zeugt, dal's  auch  der  Sommergewinn  zu  Eisenacli  slavischen  Ursprungs 
und  unmittelbar  durch  Slaven  selbst  dahin  gebracht  worden  sei.  Die 
Abhandlung  bietet  demnach  einen  sehr  wichtigen  Beitrag  für  die  Er- 
forschung der  vaterländischen  Urgeschichte  und  der  altdeutschen 
Volksfeste  und  man  mufs  wünschen,  dafs  die  alterthumsforschenden 
Vereine  der  Osthälfte  Deutschlands  auf  diese  solide  Arbeit  Rücksicht 
nehmen  und  die  hier  begonnene  Sammlung  derjenigen  Orte,  an  denen 
das  behandelte  Fest  früher  gefeiert  wurde  oder  noch  jetzt  gefeiert 
wird,  vervollständigen,  um  sodann  weitere  Untersuchungen  über  die 
slavischen  Colonien  im  Herzen  Deutschlands  und  über  den  Eintiufs  des 
Slaventhnms  auf  die  germanischen  Stämme  anzuknüpfen.'  —  Auch 
über  ein  ferneres,  einen  speciellen  Gegenstand  der  deutschen  Geschichte 
angehendes  Programm,  K  ölst  er:  Von  den  Schlössern  und  üöftcn  des 
alten  DU hmar sehen.  Erster  Theil.  (Meldorf  1852.  29  S.  4.  Der 
zweite  Theil  soll  dem  Vernehmen  nach  im  nächsten  Programm  folgen) 
berichten  wir  nach  einer  uns  zugegangenen  Mittheilung:  'Der  Hr. 
Verf.  hebt  zuerst  hervor  die  Wichtigkeit  und  Bedeutung  Aleldorfs  als 
Haupt[)unktes  des  alten  Dithmarschens ,  wozu  es  seine  Lage  auf  einer 
Geestinsel  in  der  Nähe  der  Wafserstrafse  besonders  geeignet  machte. 
Den  Namen  Dithmarschen  leitet  er  im  Gegensatze  zu  Waitz  (Gesch. 
Schleswig-Holst.  I  S.  40)  von  den  grofsen  Niederungen  in  seinem  In- 
nern ab,  da  das  deutsche  Wort  mari,  meri  (nach  einer  brieflichen 
Mittheilung  von  Prof.  Müllenhof  in  Kiel)  nicht  die  ursprüngliche  Be- 
deutung 'Meer'  habe,  sondern  nur  Meer,  insofern  es  flaches  Ufer- 
land bedeute,  daher  auch  Sumpf,  so  dafs  der  alte  Landesname 
Thiodmari  oder  Diotmeri  so  viel  als  grolse  IMarsch,  Volksmarsch.  Die 
Beschatlenheit  des  Landes  rechtfertigt  diese  Namensherleitung,  da  sich 
fünf  ungeheure  Niederungen  oder  Wiesenländereien  in  demselben  be- 
finden, von  denen  drei  gegen  12(K)0  Morgen,  die  beiden  übrigen  nicht 
viel  weniger  enthalten.  Diese  beiden  letzten,  zugleich  die  Grenzdi- 
stricte  Dithmarschens,  werden  nun  in  dem  folgenden  Theile  der  Ab- 
handlung näher  beleuchtet,  so  wie  an  die  zwischen  den  5  Niederun- 
gen in  Gestalt  einer  Reihe  von  Halbinseln  liegende  Geest  interessante 


Proffranimcnscliaii.  485 

Bemerkungen  über  das  alte  Kiderbolte  imd  die  früher  so  reichen  und 
ninfafseiiden  Waldungen  in  ein/eliieii  Tlieilen  des  Ländchens  ange- 
knüpft. Zn  diesen  ursprünglichen  IJe.standtheilen  kam  nun  seit  dem 
11.  Jahrhundert  noch  die  Marsch,  zuerst  in  einer  Urkunde  von  1140 
erwähnt.  Die  zum  Schutz  derselben  erbauten  Deiche  entstanden  viel- 
leicht gleichzeitig,  wenn  sie  gleich  erst  im  Jahre  12S7  zum  erstenmal 
erwähnt  werden.  Die  («estalt  der  Marsch  verdeutlicht  der  Aufsen- 
«ieich  (der  Abhandlung  ist  eine  Karte  Dithmarschens  beigegeben),  nur 
war  er  wohl  ausgedehnter  als  heutzutage,  im  Winter  ein  Tummelplatz 
der  Seevögel,  im  Sommer  eine  vortreftiiciie  Weide  für  die  zahlreichen 
Heerden  der  Einwohner.  Um  Walser  zu  erhalten  muste  man  Cister- 
nen  graben,  welche  man  zinn  Schutz  gegen  Ueberschwemmung  durch 
die  Sturmfluthen  mit  einem  Deiche  umgab.  Diese  Deiche  wurden  s|)ä- 
ter  höher  und  stärker  angelegt,  Häuser  darauf  erbaut  und  so  fingen 
die  Marschen  an  den  Menschen  zu  Wohnsitzen  zu  dienen.  Solche 
Steilen  hiefsen  Wurthen,  gleichsam  inselartige  Punkte  für  die  An- 
lage von  Dörfern  in  ältester  Zeit.  Immer  meiir  wuchs  die  Zahl  die- 
ser Wurthen,  immer  mehr  deren  Bevölkerung.  Der  Hr.  Verf.  weist 
nun  die  Richtung  des  Deiches,  der  von  einem  Wurth  zum  andern  ge- 
schlagen wurtle,  um  sie  miteinander  zu  verbinden,  näher  nach.  Dith- 
marschen  wurde  nach  dieser  Schilderung  von  Holstein  im  Osten  gänz- 
lich getrennt,  die  Walserstrafse  bildete  seinen  bequemsten  Communi- 
cationsweg ,  so  dafs  es  nahe  lag,  es  mit  den  am  andern  Eibufer  lie- 
genden Elbinseln  zn  einer  Grafschaft  der  beiden  Eibgestade  zu  ver- 
binden, deren  Hauptstadt  Stade  Avar.  Darauf  geht  der  Hr.  Verf.  zu 
den  Regierungssitzen  oder  Burgen  über,  deren  es  drei  gab,  Burg, 
Stelle  und  Lunden.  Die  Böckeinburg  wird  zuerst  1032  erwähnt  zur 
Zeit  des  Einfalls  des  Obotritenfursten  Gottschalk.  Näheres  ist  über 
ihre  Gründung  nicht  bekannt.  Die  Gegend  ,  in  welcher  sie  lag ,  war 
damals  reich  an  Waldungen,  der  Ort  selbst  stark  befestigt.  Nach 
dem  Erlöschen  des  Grafenhauses  kam  das  erledigte  Lehen  an  das  Erz- 
stift zu  Bremen ,  dessen  Erzbischof  der  Bruder  des  letzten  Grafen  war, 
indes  setzte  Heinrich  der  Löwe  einen  Grafen  Reinh(dd  über  das  Land, 
welcher  die  Stellerburg  (Burg  Stelle)  erbaute.  Der  dithmarsische 
Adel  zerstörte  diese  wieder.  Während  der  Fehden  nach  dem  Sturze 
Heinrichs  des  Löwen  machte  der  Erzbischof  Siegfried  von  Bremen  das 
Recht  seines  Erzstifts  wiederum  geltend.  Die  Dithmarschen  aber,  von 
den  Erzbischöfen  bald  bedrückt,  warfen  sich  1187  dem  Bischof  Wal- 
demar  von  Schleswig  in  die  Arme,  musten  sich  aber  nach  dessen  Sturze 
der  harten  Herschaft  des  Erzbischofs  wieder  beugen,  bis  um  1200  das 
Land  dem  dänischen  Könige  Waldemar  II  unterthan  wurde.  Dieser 
gründete  zur  Abwehr  deutscher  AngriiTe  eine  Burg,  zu  Lin  genannt. 
Dies  ist  ohne  Zweifel  der  noch  jetzt  blühende  Flecken  Lunden  in  der 
Nähe  der  Eider,  dessen  Lage  sich  zur  Anlegung  einer  Burg  ganz  vor- 
trefflich eignete.  Bald  aber  verschwand  die  neue  Anlage  sogleich  mit 
dem  Sturze  Waidemars  des  Siegers  und  dessen  Gefangenschaft  in  der 
blutigen  Entsc-heidungsschlacht  bei  Bornhövede,  wo  ihn  die  Dithmar- 
schen verlielsen.  Nun  wurde  die  Herschaft  des  Erzstifts  wieder  her- 
gestellt und  zum  Segen  für  das  Land  dessen  Beamte  aus  den  Landes- 
kindern genommen.  Vögte  standen  fortan  an  der  Spitze  der  Verwal- 
tung, daneben  ein  deputierter  Rath  (coiisulcs)  und  die  Gemeinde  (uni- 
versitas  terrae  Ditmarsiae).  Die  Verhandlungen  waren  Öffentlich  und 
standen  unter  der  Controle  des  Volks.  Der  Vogt,  anfänglich  einer, 
war  ein  angesehener  Mann;  später  waren  ihrer  fünf.  Ueber  die  dem 
Vogte  zustehenden  Befugnisse  fehlt  es  an  zuverläfsigen  Nachrichten, 
doch  gewis  ist,  dafs  er  in  Angelegenheiten  und  Verhandlungen  mit 
auswärtigen  Fürsten  das  Land  vertrat.     Die  ritterbürtigen  Geschlech- 


486  Programmenschau. 

ter  waren  im  Lande  zahlreich,  wurden  aber  durch  innere  Unruhen 
und  auswärtige  Kämpfe  sehr  vermindert.  Die  Stadgevere,  der  Rath, 
wurde  aus  den  angesehensten  Familien  genommen,  wahrscheinlich  48 
an  der  Zahl.  Schliefsllch  bespricht  der  Hr.  Verf.  noch  die  Distrlcts- 
eintheilung  des  Landes.  Es  gab  fünf  Districte,  D  öffte  genannt,  oder 
nach  dem  im  dithmarsischen  Landrechte  üblichen  Ausdrucke  Duffte 
(in  der  Wilstermarsch  noch  jetzt  Duchte,  dort  meist  von  geringem 
Umfang,  so  dafs  mehrere  Dorfschaften  in  der  Regel  einen  Ducht  bil- 
den). Obgleich  noch  manche  Unsicherheit  dabei  obwaltet,  so  ist  doch 
die  Zahl  fünf,  als  der  der  Vögte  ganz  entsprechend ,  nicht  zu  bezwei- 
feln. Der  Fortsetzung  der  interessanten  Abhandlung  sehen  wir  mit 
Verlangen  entgegen.''  Der  am  '2b.  März  gefeierte  I50ste  Jahrestag  der 
Besitzergreifung  in  der  Grafschaft  IMörs  und  Stadt  Crefeld  durch  die 
Krone  Preufsen  hat  dem  Rector  der  hohem  Stadtschule  zu  Crefeld 
Dr.  A.  Rein  Veranlassung  gegeben  in  der  Einladungsschrift  zur  Schul- 
feier zu  veröffentlichen:  Urkunde  Hermanns,  Grafen  von  Neuenar 
und  Mlirs,  über  die  Markt-  und  Stadtrechte  von  Crefeld  nebst  den 
Vergleichungs-  und  Bestätigungsurkunden  der  Kaiser  Karl  IV  und 
Maximilian  11  aus  den  Jahren  1361,  1373,  1570  und  lö7J.  Das  Ori- 
ginal der  hier  mitgetheilten  Urkunde  befindet  sich  in  dem  städtischen 
Archive  in  Crefeld.  Hr.  R.  hat  sie  mit  den  im  Archive  zu  Düsseldorf 
befindlichen  lateinischen  Originalurkiiuden  des  Kaisers  Karl  IV  ver- 
gliciien  und  eine  sehr  getreue  Uebersetzung  des  lateinischen  Textes 
und  einige  zweckmäl'sige  Anmerkungen  hinzugefügt.  Für  die  Ge- 
schichte des  deutschen  Städtewesens  ist  die  Gabe  nicht  ohne  Werth. 
—  Als  sehr  interessant  bezeichnen  wir:  Tirols  Antkeil  am  venedigi- 
schen Krieg  zur  Zeit  Kaiser  Maximilians  vom  Jahre  1507 — 1517.  Ur- 
kundlich dargestellt  \o\\  Prof.  Th.  Mairhofer  (Programm,  ßrixen 
]85"2.  43  S.  8).  Zu  Gebote  stunden  dabei  eine  in  der  Bibliothek  des 
Stifts  Neustift  sich  befindende  Chronik  des  Jörg  Kirchmayr  von 
Ragen  (1522—1553  Hofrichter  von  Neustift.  88  Blätter  Folio)  und 
das  überaus  reichhaltige  fürstbischöfliche  Hofarchiv  zu  Bx'ixen.  Der 
Hr.  Herausgeber  verfährt  so,  dafs  er  den  betreuenden  Abschnitt  aus 
Kirchmayrs  Chronik  abdruckt  und  in  Anmerkungen  aus  dem  Archiv 
Erläuterungen  und  Ergänzungen  dazu  gibt.  So  weit  wir  die  Sache 
beurtheilen  können,  ist  der  Abdruck  jener  ein  buchstäblich  genauer, 
mindestens  sind  manche  offenbare  Schreibfehler  nicht  berichtigt.  Der 
Stil  kann  von  der  damals  herschenden  Unbeholfenheit  Zeugnis  geben. 
Für  die  Geschichte  haben  die  Mittheilungen  unbezweifelten  Werth 
und  wird  niemand,  welcher  jene  so  verwickelte  und  freilich  durch  ihre 
Resultate  so  niederschlagende  Zeit  gründlich  kennen  und  beurtheilen 
will,  dieselben  ohne  wesentliche  Förderung  benützen.  Ganz  besonders 
interessant  ist  dem  Ref.  die  seinem  Wifsen  nach  noch  nirgends  so  ge- 
gebene Rede  des  Kaiser  Maximilian  an  die  aufrührerischen  Söldner 
(^  des  Ich  warhaft  geschrifte  gesehen.'  S.  38  f.).  Aus  den  Anmerkun- 
gen wird  man  namentlich  recht  inne,  woraus  eigentlich  der  Jammer 
der  Zeit  in  politischer  Hinsicht  hervorgieng,  aus  der  Unmöglichkeit 
bei  den  noch  bestehenden  Formen  und  Verhältnissen  des  Mittelalters 
den  neuen  Anforderungen  zu  genügen  ,  und  wie  dadurch  nicht  blofs  in 
den  Verhältnissen  der  hohen,  sondern  auch  der  niedern  der  beste 
Wille  und  das  ehrenhafteste  Bestreben  gehemmt  ward.  Wenn  auch 
der  Gegenstand  nicht  mit  den  grofsen  Weltbegebenheiten  in  Verbin- 
dung steht,  erwähnen  wir  doch  hier  der  Biographie:  Marx  Weiser, 
Sladtpfleger  der  freien  Reiehsstadt  Augsburg ,  welche  in  dem  Pro- 
gramm der  Kreisgewerbschnle  für  Schwaben  und  Neuburg  1852  Hr. 
M.  Schätzler  veröffentlicht  hat  (15  S.  4).  Das  vielseitige  Wirken 
des  mit  eben  so  vieler  Grazie  und  Eleganz  der   Darstellung,    wie  mit 


ProgTammenscIiati.  4^7 

ernstem  .sitlli<-liem  Stiebea  aii.sp,erii.steteii  Mamies,  welclier  den  Ge- 
.scliiclitsforsclipiii  und  AlteitluiinsrrciiMdcüi  (sclion  «lurcli  die  Her;uis<;abc 
der  Peuün^erisehen  Tafel)  wtdil  liekannt  ist,  der  CJegeiiwart  lebendig 
vorzuführen,  war  {;ewis  verdienstlich,  je  seltener  in  unserer  Zeit  der- 
gleichen Männer,  die  in  wichtigen  j)olitisclien  und  andern  Geschäften 
und  Aeintern  die  aufopferungsfällige  Begeisterung  für  die  Wifsenschaf- 
ten  und  Künste  zu  wahren  wifsen ,  zu  finden  sind  und  je  mehr  unsere 
Zeit  des  Vorhaltes  bedarf,  dafs  durch  gründliche  Alterthumsstudien 
die  beste  Vorbereitung  für  ein  vielseitiges  thätiges  und  jiraktisches 
Wirken  geboten  werde.  Der  Hr.  Verf.  der  vorliegenden  Sihrift  hat 
seine  Aufgabe  recht  gut  erfüllt  und  manches  in  den  frühern  liiogra- 
phien  von  Melchior  Adam  und  Arnold  erhaltene  irthümliche  aus  Veiths 
Bibliotheca  Augustana   berichtigt. 

Wir  schliefsen  hieran  zwei  auf  Geographie  bezügliche  Programme. 
Der  Abhandlung:  Altgricchcnland ^  chorographiscfi  darf^cstcllt.  Vom 
Oberl.  Dr.  Pfefferkorn  (im  Programm  von  Königsberg  in  d.  N. 
1852.  l-i  S.  4.  Die  Fortsetzung  wird  versprochen.  Die  mitgetheil- 
ten  ,^§.  handeln:  1)  Name;  2)  Lage,  Gröfse,  Grenzen;  3)  Boden  und 
Gebirge;  4)  Meer,  Meerbusen,  Meerengen;  5)  Landseen,  Flüfse,  Ka- 
näle, Quellen;  6)  Klima  und  natürliche  Produkte)  wollen  wir  Fleifs 
nicht  absprechen,  können  derselben  aber  keinen  Werth  zuschreiben. 
Neben  manchen  unsichern  und  unhaltbaren  Behauptungen  wird  der  Ge- 
lehrte nichts  finden,  was  ihm  nicht  schon  anderswoher  bekannt  wäre, 
für  den  Schüler  aber  findet  sich  einerseits  manches  überflüfsige ,  an- 
dererseits aber  mangelt  die  Uebersichtüchkeit.  Die  allgemeine  Erd- 
kunde, von  dem  Gymnasiallehrer  Dommerich  im  Progr.  des  Gym- 
nasiums zu  Hanau  1852  verölTentlicht  (67  S.  8),  nennen  wir  nur  ohne 
eingehende  Beurtheilung,  da  sie  ein  Theil  eines  gröfsern  Werks  ^Lehr- 
buch der  vergleichenden  Erdkunde  in  drei  Lehrstufeu'  ist,  welches 
eine  besondere  ausführlichere  Bespi-echung  finden  wird.  R.  D. 


Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Göttin nischc  gelehrte  Anzeigen,  unter  der  Aufsieht  der  Königli- 
chen Gesellschuft  der  Jfissenschaften.  Jahrgang  1852.  Nr.  12.  13. 
Alb  recht  Weber:  indische  Studien.  2r  Bd.  Is  und  2s  Heft  (Berlin 
1851),  sehr  empfehlende  Anzeige  von  Th.  Benfey.  =  Nr.  20.  2L 
George  Dennis:  the  cities  and  cenieteries  of  Etruria,  2  Voll.  (Lon 
don  1848)  und  G.  Dennis:  die  Städte  und  Begräbnisplätze  Etruriens, 
deutsch  von  N.  N.  W.  Meifsner,  le  Abth.  (Leipzig  1852),  aner- 
kennende Anz.  von  Fr.  Wiesel  er.  —  Nr.  24.  25.  T.  Beranke: 
Lehrbuch  der  höhern  Mathematik  (Hannover  1851),  Anz.  von  Schnu- 
se.  —  Nr.  28.  29.  I.  Ph.  Fletcher:  narrative  of  a  two  years'  re- 
sidence  at  Niniveh  and  travels  in  Mesopotamia,  Assyria  and  Syria, 
second  edition  (London  1850),  tadelnde  Anz.  von  H.  E(wald).  — 
Nr.  33 — 35.  Monumenti  antichi  inediti  posseduti  da  Raffaele  Barone,  ne- 
goziante  di  antichitä,  con  brevi  diluzidazioni  di  Giulio  Minervini. 
Vol.  |)rimo  (Neapel  1850),  anerkennende  Anz.  von  Fr.  Wieseler. — 
Nr.  36.  H.  Brugsch:  inscriptio  Rosettana  hieroglyphica  (Berlin 
1851),  tadelnde  Anz.  von  Uhlemann.  —  Nr.  43.  Scolies  inedites  sur 
Hippocrate,  publiees  d'  apres  deux  manuscrits  du  Vatican  et  suivies 
de  remarques  sur  les  Lexiques  hippocratiques  de  Bacchius  et  d'  Epi- 
cles,   par   Ch.   Daremberg   (Paris   1852),   eingehende  Anz.   von   F. 


488  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

W.  S(chneiclewin)-  —  Nr.  44—46.  H.  M.  Melford:  gemeiniiütz- 
liches  englisch -deutsches  phraseologisches  Handwörterbuch  der  engl. 
Haupt-,  Zeit-  und  Eigenschaftswörter  (Leipzig  1802) ,  Selbstanzeige 
des  Verf.  —  Nr.  47.  H.  Brugsch:  Sammlung  demotisch-griechischer 
Eigennamen  aegyptischer  Privatleute  (Berlin  1851),  empfehlende  Anz. 
von  Uhlemann.  —  Nr.  49.  W.  C.  Folwer:  englisch  grammar.  The 
english  language  in  its  elements  and  forms.  With  a  history  of  its 
origin  and  development  (New- York  183]),  anerkennende  Anz.  von  Mel- 
ford. —  Nr.  51.  J.  F.  W.  Zimmer:  the  german  teacher  or  the  ele- 
ments of  german  grammar,  second  edition  (Heidelberg  1851),  lobende 
Anz.  von  Melford.  —  Nr.  52  —  57.  Zeitschrift  fiir  vergleichende 
Sprachforschung  auf  dem  Gebiete  des  Deutschen,  Griech.  und  Latein, 
von  Th.  Aufrecht  und  A.  Kuhn,  Ir  Bd.  3s  und  4s  Heft  (Berlin 
1851),  eingehende  Anz.  von  T  h.  Benfey.  —  Nr.  60.  W.  S.  W.  Vaux: 
Nineveh  and  Persepolis,  an  historical  sketch  of  ancient  Assyria  and 
Persia,  with  an  account  of  the  recent  researches  in  those  countries 
(London  1851),  tadelnde  Anz.  von  H.  E(wald).  —  Nr.  61.  Horae 
Belgicae  studio  atque  opera  Hoffmanni  F  alle  rs  1  eb  e  n  s  is.  P. 
Vni:  Loverkens  (altniederländische  Lieder  herausgeg.  von  H.  v.  F.), 
anerkennende  Anz.  von  Ellissen.  —  Nr.  80 — 85.  H.  L.  Ahrens: 
griechische  F'ormenlehre  des  homer.  und  attischen  Dialekts  (Göttingen 
1852),  eingehende  und  anerkennende  Anz.  von  L.  Lange.  —  Nr.  87. 
A.  Weifs:  Handbuch  der  Trigonometrie  (Fürth  1851),  Anz.  von 
Sehn  US  e,  die  Weitläuftigkeit  tadelnd.  —  E.  S.  Unger:  die  Geo- 
metrie des  Euklid  und  das  Wesen  derselben  erläutert  durch  eine 
Sammlung  von  Aufgaben  etc.  (Leipzig  1851),  anerkennende  Anz.,  die 
Breite  tadelnd.  —  Nr.  91.  Chr.  H.  Nagel:  geometrische  Analysis 
(Ulm  1850),  lobende  Anz.  von  Schnuse.  —  Nr.  100  —  102.  R.  H. 
Lotze:  medicinische  Psychologie  oder  Physiologie  der  Seele  (Leip- 
zig 1852),  Selbstanzeige.  —  Nr.  104.  C.  A.  F.  Brückner:  Leben 
des  M.  Tullius  Cicero.  Ir  Thl.:  das  bürgerliche  und  Privatleben  des 
Cic.  (Göttingen  1852),  anerkennende  Anz.  von  L..n,  mit  besonderer 
Hervorhebung  des  unparteiischen  Standpunktes  in  der  Beurtheilung 
Ciceros.  —  Nr.  111.  Reineke  Vos.  Mit  Einleitung,  Anmerkungen  und 
Wörterbuch  von  Hoffmann  v.  Fal  I  e  rsleb  en.  2e  Ausg.  (Breslau 
1851),  kurze  Anz.  von  W.  M(üller).  —  Nr.  112.  Scheffler:  der 
Situationscalcul  (Braunschweig  1851),  Anz.  von  Schnuse.  —  Nr. 
113.  114.  M.  W.  Heffter:  Geschichte  der  lateinischen  Sprache 
(Brandenburg  1852),  eingehende  durchweg  tadelnde  Anz.  von  L.  Lan- 
ge. —  Nr.  115.  Rothmann:  das  Theatergebäude  zu  Athen  (Torgau 
1852)  und  Donaldson:  the  theatre  of  the  Greeks  (London  1849), 
Anz.  von  Fr.  Wie  sei  er,  der  die  erstgenannte  Arbeit  als  höchst  unge- 
nügend bezeichnet,  dem  Verf.  der  zweiten  bei  aller  Mangelhaftigkeit 
der  Arbeit    die    Anerkennung    eines    wifsenschaftlichen    Strebens  zollt. 

—  Nr.  116.  117.  Kenrich:  ancient  Egypt  under  the  Pharaohs  (Lon- 
don 1850),  Poole:  horae  Aegyptiacae  (London  1851),  Lesueur: 
Chronologie  des  rois  d'  Egypte  (Paris  1848),    Anz.  von  H.    E(wald). 

—  Nr.  118.  J19.  Bruch:  Welsheitslehre  der  Hebraeer  (Strafsburg 
1851),  Anz.  von  Elster.  —  Nr.  119.  Mnemosyne,  tijdschrift  voor 
classische  litteratuur  onder  redactie  van  Kiehl,  Mehler,  Naber. 
le  deel.  le  stuk  (Leiden  1852),  Anz.  von  L.  Lange.  —  Nr.  120-123. 
Keim:  die  Reformation  der  Reichsstadt  Ulm  (Stuttgart  1851),  Anz. 
von  W.  Di  eckhoff.  —  Nr.  126.  127.  Gaupp:  deutsche  Stadtrechte 
des  Mittelalters  (Breslau  1851),  Anz.  von  Härder.  —  Nr.  132—134. 
Willing:  allgemeine  Zahlenlehre  (Berlin  1851),  Anz.  von  Schnuse. 

—  Nr.  135.  A.  L.  Pleibel:  Handbuch  der  Elementargeometrie  (Stutt- 
gart 1852),    Anz.    von   Schnuse.  —   Nr.    136—139.  H.  Berg  haus: 


Auszüge  aus  Zeilsclirifteti.  489 

physikalischer  Tfandatlas.  7e  u.  8e  Al)tli.  (Gotha  IHJI),  Aiiz.  von  Kie- 
pert. —  Nr.  140—143.  Iheriiig:  Geist  des  römischen  Rechts.  IrThi. 
(Leipzig  1852),  Anz.  von  R  u  d  ol  f  El  v  ers.  —  Nr.  J43.  R.  I.ep- 
sius:  Briefe  aus  Aegypten,  Aethiopien  und  der  Halbinsel  des  Sinai 
(Berlin  J8j2),  Anz.  von  H.  K(wald).  —  Hartman  n:  Leitfaden  für 
den  geographischen  Unterricht  in  höhern  Lehranstalten  (Osnahriick 
1852),  tadelnde  Anz.  von  Wappaeus.  —  Nr.  J44 — 146.  Th.  Hen- 
fey:  vollständige  Grammatik  der  Sanskritsprache  (Leipzig  ]852), 
Selbstanz.  —  Nr.  148 — 150.  Overbeck:  Gallerie  heroischer  Bild- 
werke. Is  und  2s  Heft  (Halle  1852),  anerkennende  Anz.  von  Fr. 
Wiese  1er.  —  Nr.  151.  Die  Teubnersche  neue  Sammlung  griechi- 
scher und  lateinischer  Classiker,  lobende  Anz.  von  K.  VV.  S(chnei- 
dewin).  —  Nr.  152 — 154.  W.  Riistow  und  H.  Köchly:  Geschichte 
des  griechischen  Kriegswesens  (Aarau  1852),  anerkennende  Anz.  von 
L.  Lange.  —  Nr.  J54.  Synesii  Cyrenaei  quae  extant  opera  omnia  ed. 
Krabinger.  Tom.  J  (Landshut  J850),  Anz.  von  Holz  hausen.  — 
Nr.  155.  Grel  I  e  t-Dumazeau:  le  barreau  Romain.  Recherches  et 
etudes  sur  le  barreau  de  Rome,  depuis  son  origine  jusqu'  ä  Justinien 
et  particulierement  au  tenips  de  Ciceron  (Moulins  et  Paris  1851),  Anz. 
von  El  Vers.  —  Nr.  156 — 258.  Dienger:  Grundziige  der  algebrai- 
schen Analysis  (Carlsruhe  1851),  Anz.  von  Schnuse.  —  Nr.  160—162. 
G.  Waitz:  Schleswig- Holsteins  Geschichte  in  3  Büchern.  Ir  Bd. 
2n  Bdes  le  Hälfte  (Göttingen  185L  52),  Selbstanzeige  des  Verf.  — 
Nr.  164- J 66.  H.  Ritter:  Geschichte  der  Philosophie,  llr  Tbl.  (Ham- 
burg 1852),  Selbstanzeige  des  Verf.  —  Nr.  168—171.  A.  Haacke: 
Beiträge  zu  einer  Neugestaltung  der  griech.  Grammatik.  Is  und  2s 
Heft  (Nordhausen  1850.  52),  Anz.  von  L.  Lange,  der  die  gewandte 
und  scharfe  Polemik  gegen  die  bisherige  Praxis  grammatischer  Dar- 
stellung anerkennt,  die  positive  Auffafsung  der  Sprache  und  die  dar- 
aus resultierende  Methode  für  ungenügend  erklärt.  —  Nr.  181 — 183. 
Buckman  and  C  H.  Newmarch:  illustrations  of  the  remains  of 
Roman  art  in  Cirencester,  the  ancient  Corinium.  2.  ed.  (Cirencester 
1850),  gedrängte  Inhaltsanzeige,  das  Werk  als  werthvoll  bezeichnend. 
—  Nr.  188 — 190.  J.  Sommerbrodt:  de  Aeschyli  re  scenica,  p.  I  et 
11  (Liegnitz  1848.  51),  Anz.  von  Fr.  Wieseler,  der  den  Takt  in 
der  Auswahl  des  vorhandenen  anerkennt,  die  eigne  Forschung  sei 
schwächer.  —  Nr.  203.  Fr.  Bopp:  vergleichende  Grammatik  des 
Sanskrit,  Zend,  Griechischen,  Lateinischen  u.  s.  w.  (Berlin  1833 — 52), 
kurze  Inhaltsanzeige  von  T  h.  Benfey. 

Nachrichten  von  der  G.  A.  Universität  und  der  Kiinigl.  Gesell- 
schaft der  Wissenschaften  zu  Göttingen  1852.  Nr.  5  enth.  einen 
Aufsatz  des  Prof.  Schneidewin  über  den  cod.  Mutinensis  A  des 
Theognis,  jetzt  in  Paris  befindlich,  und  dessen  Benutzung  bei  einer 
Elegie  des  Dichters.  —  Nr.  6  eine  Mittheilung  des  Prof.  Fr.  Wie- 
seler über  eine  vollständige  Handschrift  und  bevorstehende  neue  Aus- 
gabe der  Homilien  des  Clemens.  —  Nr.  7  einen  Aufsatz  des  Srhul- 
rath  G.  F.  Grotefend  über  eine  merkwürdige  Nachschrift  einiger 
Backsteine  aus  Kujjundshik,  und  des  Prof.  Schneidewin:  Profanes 
aus  des  Bischofs  Hippolytos  Aiqsgscov  ilsyxos. 


Schul-   und   Personalnachrichten,    statistische  und  andere 
Mittheilungen. 

Anclam.     Am  Gymnasium  ist  der  Schulamtscand.  A.  L.   J.    Mül- 
ler als  ordentl.  Lehrer  berufen  und  bestätigt  worden. 

iV.  Jahrb.  f.  PMl.  u.  Paed.   Bd.  LXVH.   Hft.  4.  32 


490  Schul  -  und  Personalnaclirichten, 

Bi-AKKENBURG  AM  Harz.  S.  Bd.  LXV  S,  437.  Schülerzahl  am 
.Schluls  des  Schuljahres  1852—1853:  61  (I:  12,  II:  9,  III:  20,  IV:  20). 
Mit  dem  Maturitätszeugnis  abgegangen  3.  Veränderungen  im  Lehrer- 
personal kamen  nicht  vor. 

Breslau.  Professor  Dr.  Low  ig  in  Zürich  ist  zum  ordentlichen 
Professor  der  Chemie  und  Director  des  chemischen  Laboratoriums  an 
die  hiesige  Universität  berufen. 

CösLiN.  Am  Gymnasium  erhielt  der  Oberlehrer  Dr.  Friedr.  H. 
Hen  nicke  den  Titel  Professor,  der  Lehrer  Dr.  Baumgardt  den 
Titel  Oberlehrer. 

Dresden.  In  dem  Lehrercollegium  der  Kreuzschule  [s.  Bd. 
LXV  S.  219  f.]  trat  im  Schuljahre  1852 — 1853  keine  Veränderung  ein. 
Schulamtscand.  G.  Mosen  war  von  Ostern  bis  Weihnachten  1852  mit 
Probelectionen  beschäftigt.  Im  Herbst  1852  wurden  4,  Ostern  1853 
24  Primaner  mit  dem  Zeugnis  der  Reife  für  die  Universität  entlafsen. 
Die  Schülerzahl  betrug  im  März  1853:  311  (I:  30,  IP:  28,  IP:  28, 
III^:  44,  IIl'-:  46,  IV":  58,  IV»:  42,  V^ :  I7,  V":  18).  —  Ueber  das 
Vitzthum  s  che  Ges  chlech  t  sgy  mna  si  um  und  die  damit  verei- 
nigte Blochmann-ßezzenbergersche  Erziehungsanstalt 
s.  Bd.  LXVI  S.  101.  Aufser  der  das.  S.  325  berichteten  kam  keine 
Veränderung  im  Lehrercollegium  vor.  Die  Zahl  der  Zöglinge  betrug 
im  März  1852:  108;  davon  gehörten  zum  Vitzthumschen  Geschlechts- 
gymn.  18,  zur  Blochmann-Bezzenbergerschen  Erziehungsanstalt  90,  dar- 
unter 42  Ganz-  und  48  Halbpensionäre,  auf  die  9  Classen  in  folgen- 
der Weise  vertheilt:  Gymnasium  I:  15,  II*»:  11,  III:  12,  IV:  25;  Real- 
gymn.:  I:  3,  11:  5,  III:  9;  Progymn.  I:  16,  11":  8,  11»*:  4. 

Glückstadt.  Zu  dem,  was  Bd.  LXVI  S.  325  über  die  dasige  Gc- 
lehrtenschule  gegeben  ist,  tragen  wir  nach:  Das  Lehrercollegium  be- 
steht aus  dem  Rector  Prof.  Hörn,  Conr.  Lucht,  Subr.  Petersen, 
Collab.  Dr.  Harri  es,  Dr.  Keck,  den  Lehrern  Kram  er,  Meins, 
Granse  und  dem  Gesanglehrer  Jantzen.  Erfreulich  ist  neben  vol- 
ler Berücksichtigung  des  classischen  Unterrichts  auch  die  sorgfältige 
Vertretung  einerseits  der  neueren  Sprachen,  welche  für  Tertia  und 
Secunda  auch  in  Parallelstunden  neben  dem  ordentlichen  Unterrichte 
in  denselben  gelehrt  werden  (vom  Subr.,  Collab.  und  Lehrer  Kramer), 
andererseits  der  Naturwifsenschaften  (vom  Conr.  und  Lehrer  Meins 
gelehrt). 

Halle.  Zum  Director  der  Frankeschen  Stiftungen  und  des  Wai- 
senhauses ist  der  bisherige  Director  des  College  fraufais  zu  Berlin, 
Dr.  G.  Kr  am  er,  ernannt  worden. 

Kiel.  Die  hiesige  Gelehrtenschule  hat  Ostern  1852  kein  Programm 
ausgegeben.  Das  Lehrercollegium  besteht  aus  dem  Rector  Prof.  Lucht, 
Conr.  Dr.  Wittrock,  Subr.  Dr.  Müller,  Collabor.  Dr.  Jessen, 
Dr.  Struve,  Jungclaufsen,  Brünning,  Scharenberg,  dem 
Lehrer  der  franz.  Sprache  Schwob-Dolle  und  dem  Zeichenlehrer 
Voll  per  ding.  Turnunterricht  wird  nicht  ertheilt.  Die  Anstalt  hat 
im  Winter  1852 — 53  in  6  Classen  170  Schüler,  obgleich  in  der  Stadt 
mehrere  Privatanstalten  bestehn  (I:  11,  II:  13,  IIP:  36,  IIP:  41,  IV: 
39,  V:  30).  In  Parallelstunden  wird  für  diejenigen,  Avelche  nicht  stu- 
dieren wollen,  aufserordentlicher  Unterricht  im  Englischen,  Franzö- 
sischen und  in  der  Mathematik  ertheilt.  Der  Unterricht  im  Dänischen 
ist  nach  Verfügung  des  holsteinischen  Ministeriums  mit  je  2  Stunden 
für  die  obern  Classen  in  den  Lectionsplan  wieder  aufgenommen  worden. 

Kurhessen.  Folgende  zwei  Verordnungen  sind  neuerdings  publi- 
ciert  worden.     I.  Der   evangelische   Religionsunterricht   an   den   Gym- 


statistische  und  andere  Millheilungen.  491 

nasieii  ist  dtililn  einziiricliteii ,  dafs  1)  auf  der  uiitera  Stufe  des  Un- 
terrichts die  biblische  Geschiclite  nach  dem  {geschichtlich -kirchlichen 
Gange  der  Verheifsung  (Cl.  VI  und  V)  und  <ler  evangelische  Landes- 
katechisiuus  (Cl.  IV)  erklärt  und  eingeübt,  aiilserdeui  eine  niemoriale 
Kenntnis  der  Hauptsprüche  der  heiligen  Schrift  und  einer  hinreichen- 
den Anzahl  von  Kernliedern  der  evangelischen  Kirche  erzielt  werde, 
2)  auf  der  obern  Stufe  Lesung  der  heiligen  Schrift  des  alten  Testa- 
ments (Cl.  III)  und  des  neuen  Test.,  namentlich  der  vier  Kvangelien, 
der  Apostelgeschiciite  und  des  Römerbriefs  (Cl.  II)  stattfinde  und  (Cl. 
I)  Geschichte  des  Reiches  Gottes  alten  und  neuen  Bundes  und  Sym- 
bolik gelehrt  werde,  die  systematische  Behandlung  der  Glaubens-  und 
Sittenlehre  aber  aus  dem  Gymnasialunterrichte  entfernt  bleibe.  Hin 
sichtlich  der  Religionsübungen  wird  angeordnet,  dafs  1)  das  tägliche 
Morgengebet  nur  von  erprobten  Lehrern  geistlichen  Standes  abgehal- 
ten oder,  wo  dies  nicht  ausführbar  ist,  als  Morgengebet  lediglich  das 
Gebet  des  Herrn  gesprochen  werden  soll,  2)  in  der  wöchentlichen 
Schlufsbetstunde  (Hora)  alle  Lehrvorträge  gänzlich  wegfallen,  dagegen 
die  Gebete  den  kirchlichen  Zeiten  angeschlofsen  und  3)  in  dem  Cho- 
ralgesangunterricht der  Gymnasien  nur  die  Kernlieder  der  evangeli- 
schen Kirche  eingeübt  und  gebrau(  ht  werden  sollen.  If.  Der  evange- 
lische Religionsunterricht  an  den  Gymnasien  ist  entweder  von  ordi- 
nierten Pfarrern  oder  von  ordnungsmäfsig  geprüften  und  admittierten 
Candidaten  der  Theologie  zu  ertheilen,  von  letzteren  jedoch  nur,  so- 
fern der  Superintendent  der  Dioecese  sie  für  diesen  Unterricht  be- 
fähigt erklärt  und  in  kirchliche  Pflicht  nimmt.  Die  kirchliche  Ver- 
pflichtung derjenigen  gegenwärtig  in  Function  stehenden  evangelischen 
Religionslehrer  an  Gymnasien,  welche  die  kirchliche  Weihe  noch  nicht 
erhalten,  ist  alsbald  durch  den  betreffenden  Superintendenten  in  der 
Kirche  und  in  Gegenwart  des  betreffenden  Gymnasialdirectors ,  so  wie 
der  übrigen  Lehrer  des  Gymnasiums  dahin  vorzunehmen  ,  dafs  die  ge- 
dachten Lehrer  sich  verpflichten,  dem  evangelischen  Bekenntnisse  nach 
Mafsgabe  der  hessischen  Kirchenordnung  von  1657  gemäfs  zu  lehren 
und  zu  leben. 

Magdeburg.  Am  Paedagogium  zum  Kloster  U.  L.  Fr.  ist  der  pro- 
visorisch beschäftigte  Candidat  Dr.  R.  J.  Krause  definitiv  als  Hilfs- 
lehrer angestellt  worden. 

Meldorf.  Ueber  das  dasige  Gymnasium  berichten  wir  jetzt  ge 
nauer ,  als  es  Bd.  LXVI  S.  326  geschehen.  Die  in  den  letzten  Jahren 
vielfachen  Veränderungen  im  Lehrercollegium  ausgesetzte  Anstalt  erfreut 
sich  nunmehr  eines  festern  und  ruhigem  Bestandes  desselben.  Der  bishe- 
rige Conrector  Dr.  K  o Ister  wurde  zum  Rector,  der  Lehrer  an  der  See- 
cadettenanstalt  in  Kiel ,  Dr.  Prien,  zum  Conrector  ernannt  und  beide 
durch  den  Prof.  Nitzsch  als  Regierungsmitglied  am  1.  Juni  1861  in 
ihre  Aemter  eingeführt.  Am  18.  Sept.  wurden  die  bisher  nur  consti- 
tiiierten  Lehrer  Jansen  und  Büng  zu  resp.  sechsten  und  siebenten 
Lehrern  ernannt.  Zugleich  hörten  die  in  mehreren  Classen  combinier- 
ten  Stunden  auf,  mit  Ausnahme  des  Schreibens,  Rechnens  und  Zeich- 
nens. Die  Tertia  wurde  Ostern  1851  im  Griechischen  in  zwei  Coetus 
getheilt,  dasselbefand  mit  der  Quarta  im  Lateinischen  um  Mich,  des- 
selben Jahres  statt.  Der  Unterricht  im  Englischen  und  Französischen 
wurde  erweitert,  desgleichen  der  naturwifsenschaftliche  Unterricht  in 
Prima,  während  der  geographische  in  Secunda  wegfallen  muste.  Den 
Singunterricht  ertheilte  Hr.  Piening,  den  Turnunterricht  Hr.  La- 
demann.  Das  ganze  Lehrercollegium  bestand  aus  folgenden  ordent- 
lichen Lehrern,  Rector  Dr.  Kolster,  Conrector  Dr.  Prien,  Sub- 
rector  Dr.  Vechtmann,  CoUaborator  Dr.    Hansen,   fünfter   Lehrer 

32* 


492  Schul-  und  Personalnachrichten, 

Dr.  Delff,  sechster  Lehrer  Jansen,  siebenter  Lehrer  Büng.  Im 
Laufe  des  Jahres  1851  —  52  hatte  der  frühere  Rector  zu  Husum,  Dr. 
Schutt,  die  Meidorfer  Schule,  an  welcher  derselbe  seit  seinem  ge- 
zwungenen Aufenthalte  in  Holstein  längere  Zeit  unterrichtet  hatte, 
verlafsen,  um  die  interimistische  Verwaltung  des  erledigten  Rectorates 
an  der  Gelehrtenschule  zu  Plön  zu  übernehmen. 

MÜNCHEN.  Dr.  Conrad  Hof  mann  von  Bamberg  ist  zum  aufser- 
ordentlichen  Professor  bei  der  philosophischen  Facultät  der  dasigen 
Hochschule  für  das  Fach  der  altdeutschen  Sprache  und  Litteratur  er- 
nannt worden. 

Oesterreich.  Von  den  in  dem  Kaiserstaate  erlafsenen  den  höhern 
Unterricht  betreffenden  Verordnungen  erwähnen  wir  folgende:  1)  Er- 
lafs  des  k.  k.  Ministeriums  des  Cultus  und  Unterrichts  vom  16.  Mai 
1852.  Die  Prüfung  der  aus  dem  Schuljahre  1851  eingegangenen  Jah- 
resberichte hatte  vielfach  eine  verfehlte  Richtung  in  der  Behandlung 
der  Muttersprache  herausgestellt:  ungebührliche  Ausdehnung  der  Theo- 
rie der  Stilgattungen  und  der  Litteraturgeschichte,  zu  grofses  Detail 
von  Theorien  aus  der  neuesten  Sprachwifsenschaft ,  besonders  rück- 
sichtlich der  Wahl  der  Aufgaben  F''ehlgrifFe  (rhetorische  und  poetische 
Künsteleien,  Uebungen  im  Entwerfen  von  Tropen  und  Figuren,  Ab- 
fafsung  von  Oden  mit  vorgezeichnetem  Versmafse,  Nachahmungs- 
versuche von  Dramen,  Uebertragung  prosaischer  Stellen  in  die  ge- 
bundene Rede  und  dergl.,  theoretische  Abhandlungen  mit  zu  abstrac- 
ter  Richtung,  wodurch  zu  leicht  Eigendünkel  und  leeres  Geschwätz 
erzielt  wird,  im  Gegensatze  davon  Themen,  welche  durch  naheliegende 
unlautere  Beziehungen  zur  Verweichlichung  der  Phantasie  führen,  Dis- 
cussionen  über  Persönlichkeiten  und  Ereignisse,  die  nach  irgendeiner 
Richtung  hin  geeignet  sind,  die  Vorstellungen  und  die  Gefühle  der 
.Jugend  zu  beirren  und  zu  verleiten).  Die  Schulbehörden  werden  an- 
gewiesen auf  die  Durchführung  und  Einhaltung  der  im  Organisations- 
entwurf enthaltenen  Bestimmungen  streng  zu  sehn  und  auf  Festhaltung 
des  Zweckes  der  schriftlichen  Aufgaben  (Belehrung  und  Anregung  zu 
einem  klaren  und  bestimmten  Denken,  Erstarkung  der  reinen  Phanta- 
sie, Aneignung  der  Reinheit  der  Sprache  und  eines  guten  Stils)  hin- 
zuwirken. 2)  Erlafs  des  Ministeriums  vom  17.  Mai  1852.  Das  Verhält- 
nis der  Mathematik  und  Physik  im  Obergymnasium  hat  vielfache 
Schwierigkeiten  in  der  Ausführung  gefunden.  Man  hat  vorgeschlagen 
in  V  und  VI  systematische  Naturgeschichte  und  in  gelegentlicher  Vei'- 
bindung  mit  ihr  die  itix  Organisationsentwurfe  der  VIII.  Classe  zuge- 
wiesenen Disciplinen ,  VIT  und  VIII  Physik,  wie  sie  der  Organisa- 
tionsentwurf für  VI  und  VII  festgestellt.  Da  dieser  Pl&n  grofse  Vor- 
theile  bietet,  ohne  den  Gesamtlehrplan  zu  stören,  aber  ihm  das  Be- 
denken entgegensteht,  ob  aus  dem  Untergymnasium  genug  Kenntnisse 
zu  dem  Unterrichte  mitgebracht  werden,  so  werden  die  Schulbehörden 
veranlafst ,  mit  sachverständigen  Männern  Erörterungen  darüber  an- 
zustellen und  die  eingehenden  motivierten  Gutachten  bis  Ende  Juni 
einzusenden.  3)  Erlafs  des  Ministeriums  vom  9.  Juni  1852.  Der  Ge- 
brauch des  Handbuchs  der  Statistik  des  österr.  Kaiserstaates  v.  Vinc. 
Prasch.  Brunn  1852,  in  der  VHI.  Gymnasialclasse  wird  gestattet. 
4)  Erlafs  des  Ministeriums  vom  31.  Aug.  1852.  Es  wird  die  Verthei- 
lung  der  Lehrgegenstände,  wonach  in  jeder  Classe  so  viele  Lehrer 
unterrichten  als  Lehrfächer  gelehrt  werden,  als  dem  erziehlichen 
Zwecke  nachtheilig  streng  gerügt  und  für  das  Untergymnasium  un- 
bedingt gefordert,  dafs  ein  Lehrer  in  einer  Classe  mehrere  Lehrfächer 
habe  und  die  ganze  oder  doch  den  gröfsten  Theil  seiner  Thätigkeit 
einer  Classe  widme;  auch  für  das  Obergymnasium  wird  möglichst  an- 
nähernd die  Verwirklichung  dieses  Princips  verlangt.     Den  Directoren 


statistische  und  andere  Mittlieilungen.  49.'? 

wini  zur  Ptiicht  gemaclit,  durcli  zweckmäfsiges  Hospitiere»  und  JJe- 
.s|)recliuiigeii  über  die  tlal)ei  erlialteneu  Krgebiiisse,  worüber  Protolvollc 
■/AI  iübreu,  auf  den  Gang  des  Unterrichts  und  da.s  Cedeibn  des  Gym- 
nasiums hinzuwirken,  dagegen  die  Kanzlei-  und  Schreibgeschäfte  zwar 
in  Ordnung  zu  erhalten,  doch  auf  das  nothwendige  zu  beschränken. 
5)  Erlafs  des  iMinisteriuujs  vom  2.  Sept.  1W32.  Ks  wird  an  den  Gym- 
nasien, wo  sich  das  Bedürfnis  herausstellt,  die  Errichtung  eines  Vor- 
bereitungscurses,  in  der  9 — 10  Stunden  auf  Rechnen  und  die  Mutter- 
sprache zu  verwenden,  der  Unterricht  von  zwei  Gymnasiallehrern  zu 
ertheilen  und  von  den  Schülern  zu  honorieren  sei,  unter  der  Leitung 
und  in  Verbindung  mit  der  Direction  des  Gynuias.  gestattet.  6)  Die 
griech.  Grammatik  von  G.  Curtius  wird  zur  Einführung  vornherein 
für  zuläl'sig  erklärt.  Erlafs  des  Ministeriums  vom  5.  Sept.  1852.  — 
Jm  Schuljahre  1851 — 52  wurden  für  das  Gymnasiallehramt  geprüft 
durch  die  Prüfungscommission  zu  Wien  45  (darunter  17  für  Latein, 
und  Griech.,  12  für  Geogr.  und  Gesch.,  6  für  Mathem.  und  Physik, 
die  übrigen  für  andere  Lehrfächer,  1  mosaischer  Religion.  Bei  4  war 
die  Unterrichtssprache  nur  Italienisch),  vor  der  Prüfungscoramission 
in  Innsbruck  22,  vor  der  zu  Lemberg  10.  Die  überwiegende  Zahl  ist 
für  nichtphilologische  Lehrfächer. 

Petersburg.  Die  evangelische  Schule  bei  der  St.  Annenkirche  ist 
der  bei  der  St.  Peterskirche  in  jeder  Hinsicht  gleichgestellt  worden 
und  hat  daher  die  vollen  Rechte  eines  Gymnasiums  zuertheilt  erhalten. 

RAsTE^cuRG.  Als  Hilfslehrer  am  Gymnasium  wurde  der  Schul- 
amtscand.  O.  Fabricius  angestellt. 

Sa-az.  Das  k.  k.  Gymnasium,  welches  mit  dem  Schulj.  1852  die 
7.  Classe  zu  eröffnen  in  Begriff  war,  hatte  folgende  Lehrer  (Chor- 
herrn des  Praemonstratenserstifts  Strahow  in  Prag):  Director  AI.  Do- 
stal, Religionsl.  M.  Opitz,  Th.  Lischka,  Dr.  Leon.  Skuczek, 
V.  Strach,  E.  Kaiser,  O.  Müchel,  A.  Neuz-il,  Nebenlehrer  F. 
VV.  Lhotsky. 

Königreich  Sachsen.  Der  bisherige  Minister  des  Cultus  und  des 
öffentlichen  Unterrichts  Freiherr  v.  Beust  ist  nach  definitiver  Ue- 
bernahme  des  Ministeriums  des  Innern  von  der  Leitung  jenes  Depar- 
tements entbunden  und  an  seiner  Stelle  der  bisherige  Staatsminister 
a.  D.  Dr.  v.  Falkenstein  zum  Minister  des  Cultus  und  des  öffent- 
lichen Unterrichts  ernannt  worden.  Der  erste  Rath  im  genannten  Mi- 
nisterium, Geh.  Kirchenrath  Dr.  Hübet,  wurde  unter  unveränderter 
Beibehaltung  seiner  bisherigen  Stellung  und  Verleihung  des  Titels  Ge- 
heimer Rath  zum  Praesidenten  des  evangelichen  Landesconsistoriums 
ernannt. 

Salzwedel.  Zum  Director  des  Gymnasiums  wurde  der  bisherige 
Oberlehrer  am  Gymnasium  zu  Halberstadt  Prof.  Dr.  Jordan  gewählt 
und  erhielt  als  solcher  die  königl.  Bestätigung. 

Schleswig.  Zum  erstenmal  seit  1850  ist  Mich.  1852  wieder  ein 
Programm  erschienen.  Dasselbe  enthält  eine  Abhandlung:  Ucitrü^c 
zur  neusten  Geschichte  der  Domschule  vom  Rector  Junge  1  a  u  fsen. 
S.  1 — 25.  Vor  dem  Ausbruch  der  Erhebung  der  Herzogthümer  zählte 
die  Schule  135  Schüler  (nicht  138,  wie  S.  16  steht;  vergl.  S.  42),  in 
den  folgenden  Zeiten  nahm  diese  Zahl  rasch  ab,  so  dafs  Ostern  1848 
einige  Wochen  nach  den  Märzereignissen  sich  nur  noch  90  vorfanden. 
Das  kurz  vorher  von  Christian  VllI  erlafsene  neue  Regulativ  konnte 
unter  den  damaligen  Verhältnissen  nicht  ins  Leben  treten;  dies  ge- 
schah erst  Michaelis  1848.  Die  von  den  holsteinischen  Ständen  bean- 
tragten Verbefserungen  waren  in  demselben  vollständig  gewährt.  An 
deren  Aufführung  knüpft  Hr.  Jungclaufsen  folgende  Bemerkung:  ''Gleich- 
wohl  und  als  ob  das  Regulativ  gar  nicht  vorhanden  gewesen  wäre,  er- 


494  Schul-  und  Personalnachrichlen, 

folgten  bald  Versammlungen  der  Lehrer  der  Gymnasien  u.  s.  w.  Die 
Versammlung  der  Gymnasiallehrer  wurde  zu  Rendsburg  am  30.  Sept. 
1848  gehalten.'  Jedesfalls  hätte  er  seine  eigne  Betheiligung  dabei  nicht 
verschweigen  sollen.  Derselbe  nahm  Theil  ,  und  zwar  als  Altersprae- 
sident,  bekleidete  diese  Stelle  bis  zuletzt  und  stimmte  für  die  Absen- 
dung einer  Deputation  an  die  in  Rendsburg  anwesende  provisorische 
Regierung.  In  Folge  der  Idstädter  Schlacht  wurden  5  Lehrer,  Subr. 
Siefert,  Collaborator  Dr.  Hudeman,  fünfter  Lehrer  Dr.  Gleifs, 
Dr.  Burmeister  und  Lehrer  Kirchhof  abgesetzt  (die  Bemerkungen 
darüber  im  Programm  wären  wohl  befser  weggeblieben).  Es  waren 
noch  3  Lehrer  übrig,  der  Rector  J  u  n  gc  la  u  f  sen,  Conr.  Dr.  Hen- 
richsen  und  der  6.  Lehrer  Grünfeld,  welche  27  Schüler  in  zum 
Theil  combinierten  Stunden  unterrichteten.  Erst  Mich.  J851  wurden 
folgende  Lehrer  neu  ernannt:  der  Subrect.  Listow,  der  Collab.  Bor- 
ries, beide  Dänen,  der  5.  Lehrer  Lorenzen,  in  Dänemark  erzogen, 
der  7.  Lehrer  Lorenz,  ein  Holsteiner,  der  Seminarist  Jes  Nielsen 
Schmidt,  gleichfalls  dänisch  gebildet.  Gleichzeitig  war  die  Schü- 
lerzahl im  Wachsen  begriffen,  Ostern  1852  auf  37,  Mich,  auf  44  ge- 
stiegen (6  Primaner,  4  Secundaner,  7  Obertertianer,  5  Untertertianer, 
12  Quartaner,  10  Quintaner).  Gegenwärtig  soll  sie  sich  auf  72  be- 
laufen. Während  der  Sommerferien  starb  Collab.  Borries  auf  einer 
Reise  nach  England,  am  1.  Sept.  1851  der  Sem.  Schmidt,  an  des- 
sen Stelle  abermals  ein  Däne,  Preysz  aus  Odensee,  rückte,  während 
im  Laufe  dieses  Semesters  (seit  Erscheinen  des  Programms)  Hr.  J  o  - 
hannsen  als  9.  Lehrer  die  neu  eingerichtete  Vorbereitungsciasse  über- 
nahm. Auch  ist  der  5.  Lehrer  in  die  4.,  der  7.  in  die  5.  Stelle  ein- 
gerückt. Vergefsen  ist  im  Programm,  dafs  der  von  der  provisorischen 
Regierung  zum  Conrector  ernannte  Dr.  Henrichsen  im  Jahre  1850 
abgesetzt ,  aber  sofort  wieder  constituiert  wurde  und  bis  heute  con- 
stituiert  geblieben  ist.  Wenn  die  Schule  schon  1848  aufser  durch  den 
Krieg  noch  dadurch  manche  Schüler  verlor,  dafs  eine  Privatrealschule  in 
Schleswig  errichtet  wurde,  wie  der  Verf.  S.  18  berichtet,  so  geben 
wir  dies  zu,  aber  falsch  ist,  dafs  dieselbe  durch  Privatunterzeichnun- 
gen zu  Stande  gekommen,  'nachdem  sie  in  Bürgerversammlungen  auf 
das  lebhafteste  als  eine  durchaus  zeitgemäfse  Errungenschaft  für  hö- 
here Bürgerbildung  empfohlen  war.'  Die  Realschule  trat  Ostern  1848 
ins  Leben,  nachdem  sie  bereits  während  des  ganzen  Winters,  aber 
nicht  in  damals  noch  nicht  existierenden  Bürgerversammlungen,  be- 
sprochen und  ihre  Einrichtung  gesichert  war.  Die  geschickte  Direc- 
tion  der  letztern  Anstalt  (Fischer  aus  Braunschweig)  trägt  zu  dem 
Flore  derselben  (200  Schüler)  eben  so  sehr  bei,  wie  der  Mangel  an 
Vertrauen  gegen  die  dänischen  Lehrer  am  Gymnasium  in  der  deutsch 
gesinnten  Stadt  die  geringe  Schülerzahl  dieses  erklärlich  macht.  Bei 
den  Gnadenbezeugungen,  welche  der  Domschule  zu  Theil  geworden, 
übergeht  Hr.  J.,  dafs  er  im  Jahre  1851  mit  dem  Ritterkreuz  des  Da- 
nebrogordens  belohnt  worden  ist.  Aus  dem  Lectionsberichte  erhellt, 
dafs  1)  die  dänische  Sprache  sehr  bevorzugt  wird.  2  St.  in  I,  2  in 
II,  2  in  III A,  2  in  HIB,  3  in  IV,  wozu  nach  dem  Lectionsplane  die- 
ses Winters ,  der  dem  Ref.  vorliegt ,  noch  3  in  V  kommen.  Man  be- 
ginnt also  in  der  untersten  Classe  sogleich  mit  zwei  fremden  Sprachen, 
der  lateinischen  und  der  dänischen  und  thut  mehr,  als  das  Regulativ 
von  1848  gesetzlich  bestimmt.  2)  Der  deutsche  Unterricht  wird  er- 
theilt  in  I  in  2  St.,  in  II  2,  in  HI  2,  in  IV  3,  in  V  2,  das  Regula- 
tiv schreibt  aber,  wenn  wir  nicht  irren,  in  den  obersten  Classen  2, 
in  den  mittlem  3,  in  den  untern  4  Stunden  vor.  3)  in  IV  und  V  wird 
kein  Unterricht  in  den  Naturwifsenschaften  ertheilt.  In  der  dem  Ref. 
vorliegenden  Lectionstabelle   für  den   Winter   1852 — 53   finden   wir   — 


statistische  und  andere  Mittheilungen.  495 

und  dies  loben  wir  —  zwar  in  den  untern  Classen  naturhistorischen 
Unterricht,  aber  der  latein.  Unterricht  in  IV  wird  darnach  in  6  Stun- 
den ertheilt  und  zwar  in  4  Stunden  Parall.,  wie  ausdrücklich  dabei 
steht,  in  2  Stunden  aufserdem  und  nicht  'parallel',  und  zwar  sind 
letztere  Exercitienstunden.  Wir  erlauben  uns  die  Krage:  Sind  jene 
4  Stunden  nur  für  einzelne  Schüler  und  ist  dies  der  B'all,  wie  können 
dann  die  Exercitienstunden  für  alle  bestimmt  sein?  Der  Parallelun- 
terricht für  die  französische  Sprache  ist  weggefallen,      (Eingesandt.) 

SCHWEiDNiTZ.  Nachdem  das  im  J.  1708  in  Folge  des  Altranstädter 
Friedens  vor  der  hiesigen  Stadt  in  einer  der  Vorstädte  errichtete  Gym- 
aasialgebäude  baufällig  geworden  war,  und  da  die  zunehmende  Schü- 
lerzahl einen  blofsen  Umbau  nicht  angemessen  erscheinen  liefs,  so 
wurde  von  der  städtischen  Behörde  der  Platz  zu  einem  neuen  im  In- 
nern der  Stadt  angekauft  und  nach  beendeten  Vorarbeiten  am  Geburts- 
tage des  Königs,  15.  Oct.  1852,  unter  Theilnahme  aller  Behörden,  in 
Beisein  des  abgeordneten  Consistorial-  und  Schulraths  Menzel,  mit 
den  angemessenen  Feierlichkeiten  der  Grundstein  gelegt.  —  Im  vor- 
ausgegangenen Schuljahre  hat  das  LehrercoUegium  keine  Veränderung 
erlitten.     Das  Gymnasium  zählte  256  Schüler  und  entliefs  2  Abitur. 

SoNDEUSHAUSEN.  Nachdem  der  Director  des  fürstl.  Gymnasiums 
Dr.  F.  Gerber  nach  54jähr.  Amtsthätigkeit  emeritiert  worden  war, 
trat  in  seine  Stelle  der  bisherige  zweite  Lehrer  Prof.  Dr.  W^.  Kie- 
ser. Die  CoUaboratoren  Dr.  Hartmann  und  Irmisch  wurden  zu 
Oberlehrern  ernannt  und  die  Lehrer  W.  Kühn  und  Wankel  von 
dem  Gymnasium  zu  Arnstadt  an  das  hiesige  versetzt. 

SoRAU.  An  das  Gymnasium  ward  der  Candidat  des  höhern  Schul- 
amts F.  G.  Scoppewer  als  Lehrer  berufen. 

Spalato.  Der  Lehrkörper  des  k.  k.  Gymnasiums  zählte  im  Schulj. 
1851  die  ordentlichen  Lehrer:  Weltpr.  G.  Franceschi  (Director), 
Weltpr.  M.  Ivcevich,  Dr.  G.  Pangrazzi,  Franc.  Petter, 
Weltpr.  L.  Scariza,  Weltpr.  Dr.  D.  Silvan,  L.  Svillovich  (seit- 
dem zum  Oberlehrer  befördert,  s.  Bd.  LXVI  S.  213),  die  Supplenten: 
V.  Benevoli,  Dr.  Nie.  Cattini  (Cattanj  ,  zum  wirkt.  Lehrer  er- 
hoben, s.  Bd.  LXV  S.  441),  Ordensgeistl.  B.  Maroevich,  G.  Po- 
liteo,  den  Nebenlehrer  G.  Rossi. 

Stanislawow.  Lehrkörper  des  k.  k.  Obergymnasiums  am  Schlufse 
des  Schulj.  1851:  ordentl.  Lehrer:  Job.  Pi^tkowski  (Director),  Er. 
Strzeleski,  Ant.  Bielikowicz  (Religiosl.  lat.  Kit.),  Ign.  Za- 
walkiewicz,  Frz.  Konzer  (an  das  Tarnopoler  Gymn.  versetzt), 
Const.  V.  Stupnicki  (s.  Bd.  LXV  S.  441),  den  Supplenten:  B.  v. 
Ilnicki  (Religionslehrer  griech.  Rit.,  vertreten  bei  einer  Erkrankung 
durch  Ant.  Deputjowicz,  s.  übrigens  Bd.  LXV  S.  441),  St.  Wa- 
remski,  J.  Schmettauer,  Cl.  Hauptmann,  Joh.  Noire,  den 
Nebenlehrern  J.  Markt,  AI.  Krug,  J.  Pfister. 

Tarnow.  Der  Lehrkörper  des  k.  k.  Gymnasiums  bestand  am 
Schlufse  des  Schulj.  1851  aus  dem  Dir.  L.  Handschuh  (s.  Bochnia 
Bd.  LXVII  S.  235),  Dr.  W.  Sacher,  Dr.  Frz.  Nowotny,  Dr.  L. 
Klemensiewicz,  L.  Petri,  Br.  v.  Trzaskowsky,  Andr.  Os- 
kar d,  den  Supplenten:  P.  J.  Chowanici,  P.  V.  v.  fcubiewski, 
St.  Sobieski,  AI.  Kosminski  (seitdem  zum  ordentl.  Lehrer  beför- 
dert, Bd.  LXV  S.  214),  Theoph.  Bayli,  Mark.  Uniszewski, 
Ign.  Kulisseky.  Der  Bd.  LXV  S  441  erwähnte  zum  wirkt.  Leh- 
rer beförderte  Supplent  Rodecki  ist  nach  dem  Schlufse  des  Schulj. 
von  Bochnia  nach  Tarnow  versetzt  worden. 

Temesvar.  Am  k.  k.  Gymnasium  lehrten  während  des  Schulj. 
1851  folgende  Professoren,  sämmtlich  geistl.  Standes:  Schulrath  J. 
Mannhardt  (Director),  Dr.  J.   Nacht igal,  J.  Duchon,  A.  Kor- 


496  Todesfälle. 

b  o  n  1 1 s ,  E.  L  e c  h  II  e r ,  Frz.  H  a r 1 1 ,  E.  P  o  1  e s  z  n  I ,  M.  K r  o  m m  e  r, 
St.  Giefswein,  an  dessen  Stelle  im  2.  Sem.  A.  Pex  trat,  Dr.  K. 
Bammer,  L.  Ernyosy,  J.  Prifach,  G.  Nikolits  (Religioslehrer 
für  die  nichtun.  Griechen),  P.  Poperzku  (romän.)  und  D.  Tyrol 
(serbisch). 

Tuschen.  An  dem  k.  k.  kat  ho  lis  ch  en  Gymnasium  lehrten  wäh- 
rend des  Schulj.  J851  die  ordentl.  Lehrer:  Fz.  Jiudolowski  (Dir.), 
B.  Nitsche,  Fl.  Lukas,  Dr.  J.  E.  Blaha,  J.  Jiitta  (Weltpriest.) 
und  die  Supplenten:  L.  Sobetzky,  E.  Janota,  Dr.  F.  Peche 
(später  zum  ordentl.  Lehrer  befördert,  s.  Bd.  LXV  S.  441),  A.  Jn- 
dra,  Dr.  J.  Fischer,  Th.  Pantke,  Frz.  Danel  (Weltpriester) 
und  die  Nebenlehrer  Frz.  Wruhl  und  J.  Wanke;  am  k.  k.  evan- 
gelische n  Gymnasium,  das  durch  allerhöchste  Entschlielsung  vom 
9.  Juni  1850  als  eine  öffentliche  Lehranstalt  in  die  PJrhaltung  des 
Staates  gestellt  ist,  die  evangeljschen  Gymnasialephoren  und  Prediger 
G.  H.  Klapsia  und  A  n  d  r.  Zlik  und  die  Gymnasiallehrer:  H.  L. 
Sittig,  E.  Plucar,  P.  Kaisar, 'J.  Kukutsch  und  K.  Gasda. 

TuKGAU.  Am  Gymnasium  ward  der  Cand.  des  höhern  Schulamts 
Dr.  C  G.  DöUen  als  ordentlicher  Lehrer  angestellt. 

TrutsT.  Am  k.  k.  Gymnasium  lehrten  im  Schulj.  1851  die  or- 
dentl. Lehrer:  Steph.  Viditz  (Director),  Joh.  Marufsig,  A. 
Stimpel,  Dr.  J.  Loser,  M.  Galant  (Religionslehrer),  Fl.  Gre- 
gor itsch,  B.  Beende,  Frz.  Foytzik,  die  Supplenten:  Dr.  Frz. 
de  Fiori  (Prof.  an  der  k.  k.  Handels-  und  nautischen  Akademie), 
Dr.  A.  Elschnigg  (zum  wirklichen  Lehrer  befördert ,  s.  LXV  S.  442), 
W.  Leitgeb,  P.  Picciola,  A.  Teutschl  und  die  Nebenlehrer  J. 
Shemerl  und  K.  Kr  aufs. 

Zwickau.  Aus  dem  Collegium  des  dasigen  Gymnasiums  sind  aus- 
geschieden der  Sextus  Dr.  Klitzsch,  um  sich  der  Musik,  für  welche 
er  bisher  schon  unter  dem  Namen  Em.  Kronach  thätig  gewesen,  aus- 
schliefslich  zu  widmen,  und  der  ordentliche  Lehrer  Dr.  Ed.  Bauer, 
um  das  Pfarramt  zu  Rübenau  anzutreten. 


Todesfälle. 


Am  28.    Oct.    1852   starb   zu   Breslau    der    Oberlehrer    am  Priedrichs- 

Gymnasium  V.  E.  Tobisch. 
An  demselben  Tage  zu  Lauban  der  Oberlehrer  Wicher. 
Am  4.  März    1853   zu    Berlin    der  gröfste   Geognost   des  Jahrhunderts 

Leopold  von  Buch  (geb.  26.  April  1774). 
Am  7.  März  zu   Rom  der   Legationsrath  A.  K estner,   Vicepraesident 

des  archaeologischen  Instituts,  Verfafser  der  ''Römischen  Studien' 

(Berlin  1850). 
Am  12.  März  zu  Paris  der  berühmte  Chemiker  und  Decan  der  medici- 

nischen  Facultät ,  Professor  Dr.  Mathieu  Josef  Orfila    (geb. 

27.  April  1783  in  Mahon  auf  der  Insel  Minorca). 


Geordnete    Uebersiclit 

aller  auf  dem  Gebiete  der  classischen 

ALTERTHUMSWISSENSCHAFT 

wie  der  alleren  und  neueren 

SPRACHWISSENSCHAFT 

vom  Juli  bis  December  1852 
in  Dcutscliland  und  dem  Ausland  neu  erschienenen  Bücher. 


Besonderer  Abdrucli   aus  der 

BIBLIOTHECA  PHILOLOGICA 

von 

Ludwig    Ruprecht. 


Da  wir  das  seither  im  Deceinberheft  der  Jahrbücher  gegebene 
bibliographische  Verzeichniss  in  der  Folge  gedenken  wegfallen  zu 
lassen,  so  liefern  wir  als  Ersatz  dafür  halbjährlich  diese  Ueber- 
sicht  als  unentgeltliche  Beilage. 

DIE  REDACTION. 


Inhalt. 


Classische   Alterthumsfrissenschaft. 

I.  Zeitschriften.     Gemischte  Schriften pag.  39 

II.  Griechische  und  Römische  Geographie,     Geschichte, 

Culturgeschichte  und  Antiquitäten —    40 

III.  Archaeologie  und  Epigraphik.     Mythologie —  44 

IV.  Griechische  und  lateinische   Literaturgesch.     Philosophie.  .  —    47 

V.  Lexicographie ,  Griechische  u.  Latein.  Grammatik.     Metrik  —    49 

Griechische  Classiker.    Erklärungrsschriften. 

I.  Classiker —    53 

II.  Erklärungsschriften —    57 

liateinische  Classiker.     Erklärung-sschriften. 

I.  Classiker —    60 

II.  Erklärungsschriften —    63 

Sprachwissenschaft. 

I.  Zeitschriften.     Philosophische   u.  vergleichende  Grammatik. 

Allgemeine  Schriften —    65 

II.  Ost-  und  nordasiatische  Sprachen —   66 

III.  Westasiatische  Sprachen —    68 

IV.  Afrikanische  Sprachen —    69 

V.  Amerikanische  und  oceanische  Sprachen —    70 

VI.  Türkisch.      Ungarisch —    70 

VII.  Slavische  Sprachen —    70 

VIII.  Keltisch     . _    71 

IX.  Germanische  Sprachen. 

1.  Deutsch —   72 

2.  Angelsächsisch  und  Englisch —    78 

3.  Altniederländisch.     Holländisch.     Flamländisch      ...  —    84 

4.  Altnordisch.     Schwedisch —    84 

X.  Romanische  Sprachen. 

1.  Französisch —    85 

2.  Italienisch —    92 

3.  Spanisch —    94 

4.  Portugiesisch ,     ...  —    94 

5.  Rhaetoromanisch —    94 

6.  Provenzalisch  und  Altfranzösisch —    95 

XI.  Wörter-  und  Conversations-Bücher,  welche  mehrere  Spra- 
chen umfassen —   95 


1)111.1,    .Icr    l»iclcrii-!iMlicn     lliii..    nml.diiMli. 
(W.     FK.     KAESINER.) 


Classische  Altertliuniswissenschaft. 

I.     Zeitschriften.      Gemischte  Schriften. 

Esercitazioni  filologiche.  Nr.  7.  Strcnna  pel  nuovo  anno  1851.  16. 
Modena.  54  Xr. 

Ftriiria,  l\  studj  di  filologia  di  lettcratura  di  pubblica  islruzione  c  di 
belle  arli  Tanno  primo  per  1852.  T.  II.  12  Fase.  p.  anno.  gr.  8.  Flo- 
renz.    Abonnements -Preis  10  fl.   48  Xr. 

Overijsselsche  Almanak  voor  Oudheid  en  Lelleren.  Deventer,  J. 
de  Lange.  lYa  fl. 

Philolog'iis.  Zeitschrift  f.  das  klass.  Altcrlhura.  Hrsg.  v.  F.  W. 
Schneidewin.     7.  Jahrg.    4  Hfte.    gr.  8.     Gtltingen,   Dieterich. 

n.  5  4. 

Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  auf  dem  Gebiete  des 
Deutschen,  Griechischen  u.  Lateinischen  hrsg.  v.  Privatdoc.  Dr.  S  i  m. 
Thdr.  Aufrecht  u.  Gymn.-Lehr.  Dr.  Ada  Ib.  Kuhn.  2.  Jahrg.  2. 
u.  3.  Hft.  gr.  8.  ©.81—240,  Berlin,  Dümmler's  Verl.     ä  Hft.  n.%  •#• 

.4rchaeoIo§:isehe  und  numismatische  Zeitschriften  siehe  bei  n.4r- 
chaeologie,«  allgemein  sprachwissenschaftliche  bei  »Sprach- 
wissenschaft.« 

NB.     Die   übrigen   Zeitschriften   sind   schon    im    ersten    Hefte    dieses 
Jahrganges  aufgeführt. 

Abhandliing'en  der  philosoph. -philologischen  Classe .  der  Königl. 
Bayer.  Akademie  der  Wissenschaften.  VL  Bd.  3.  Abth.  In  der  Reihe 
der  Denkschriften  der  XXVU.  Bd.  gr.  4.  IX  S.  u.  S.  513— G87.  Mün- 
chen, (Franz)  geh.  n.  2  4.  (3  fl.  36  Xr.  rh.) 

—  philologische  u.  historische,  d.  K.  Akademie  der  Wissenschaften  zu 
Berlin.  Aus  d.  J.  1851.  gr.  4.  III  u.  790  S.  m.  11  Sleintaf.  in  gr.  4. 
u.  qu.  Fol.     Berlin,    (Dümmler.)    geh.  n.  8V3   4' 

BakluSi,  Joh. ,  scholica  hypomnemata.  Vol.  iV\  334  S.  8.  Leyden, 
Brill.  3  fl.   30  Xr. 

Berichte  über  die  Verhandlungen  der  Königl.  Sachs.  Gesellschaft  der 
Wissenschaften  zu  Leipzig.  Philologisch -historische  Classe.  Jahrg. 
1852.   I  u.  IL  Hft.   gr.8.    S.71-99   mit   6  Taf.     Leipzig,  Weidmann. 

ä  Hft.   n.  V,  ^. 

Bibliotheca  philologica  od.  alpbabet.  Verzcichniss  derjenigen  Gram- 
matiken, Wörterbücher,  Chresloinalhien ,  Lesebücher  und  anderer 
Werke,  welche  zum  Studium  der  griechischen  u.  laleinischen  Sprache 
gehören,  u.  vom  J.  1750,  zum  Theil  auch  früher,  bis  zur  Mitte  des 
J.  1852  in  Deutschland  erschienen  sind.  Hrsg.  v.  Wil  h.  En  gel  m  a  n  n. 
Nebst  e.  syslemat.  Ucbersicht.  3.  umgearb.  u,  verb.  Aufl.  gr.  8.  VI  u. 
236  S.     Leipzig,    W.  Engclmann.     geh.  n.    1   ^. 

Bulletin  de  la  classe  des  sciences  historiqucs,  philologiques  et  polili- 
ques  de  Tacademie  imperiale  des  sciences  de  St.-Petersbourg.  Tome  X. 
24  Nrs.  m.  Kpfrn.     gr.  4.     St.-Pelersbourg.     Leipzig,  Voss.      n.   3  4-. 


40     Class.  Altertliumswlss.    I.  Zeitschriften.  Gem.  Schriften. 

Cobet,  C.  G.,  alloculio  ad  cornmililoncs  qua  lecliones  de  liticris  graecis 
et  antiquilatibus  romanis  in  aoademia  Lugduiio-Balava  a.  1852  —  1853 
habendas  die  21.  m.  Sept.  1852  auspicalus  est.  gr.  8.  18  S.  Lugduni 
Bat.,    Brill.     geh.  6  ngt 

Denkschriften  der  kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften.  Philoso- 
phisch-historische Classe.  III.  Bd.  Fol.  VI.  u.  378  S.  m.  2  lilhochrom. 
u.  2  lilh.  Taf,     Wien,  (Braumüller.)     geh„    7  4    (I— III.:   n.  30%  ^.} 

Hulakovskj,  Joan.  M. ,  abbreviatiirae  yocabulorum ,  usitatae  in 
scripluris  praecipue  latiiiis  medii  aevi,  tum  eliam  slavicis  et  germa— 
nicis ,  coUectae ,  et  ad  potiorem  usum  archivariorum ,  diplomatarum, 
bibliothecariorum  ,  aliorumque  vetustatis  indagalorum  editae.  Et.  s.  t. : 
SrbEi'irjuiujen  ü.  Söörtern,  roie  jic  ücrjiujüc^  in  lattin.  ^'lanbfc^tiftm  b.  WH- 
tdaUcrS  oorEommcn ,  in.  beigefügten  flnre.  u.  bcutfj^en  bcrj}!.  (St^riftjiiijcn.  4. 
XV  u.  88  lit^.  <B.     fxaii,  (9?ciireutter.)     gel).  n.    i\^  ^. 

^ttitnatin ,  5)ir.  ^Hof.  Dr.  ^uinr. ,  fotl  man  bei  bem  llutcrricfite  bcr  ctjrips 
liefen  ^ugenb  bie  ®i$riftficUtr  b.  {)eibni[c^en  Sltterttjumö  beibet)altcn  ei.  'ocx- 
werfcn?  ©efproc^cn  bei  ©ele^cnljeit  bet  ©(^lujjfeicr  b.  f.  SfKjenäumS  am  29. 
3uü  1852.  gr.  8.  12  ©.    Siiffelborf,  (Sn^iM  u.  Sufc^.    gc^.  2V2  ngt 

liübker,  Gymn.-Dir.  Dr.  Frdr. ,  gesammelte  Schriften  zur  Philologie 
u.  Paedagogik.  gr.  8.  X  u.  424  S.  Halle,  Buchh.  d.  Waisenhauses, 
geh.  2  ^. 

Jflahne^  Guil.  Leonard.,  miscellanea  latinitatis.  Pars  II.  gr.  8.  98  S. 
Lugduni  Bat.,    Brill.     geh.  n.  2/5  ■4'- 

jüelangres  greco-romains  tircs  du  bulletin  historico-philologique  de 
l'academie  imperiale  des  sciences  de  St.-Petersbourg.  Tome  I.  2.  Livr. 
Avec  une  planche  lith.  in  4.  Lex.-8.  HI  u.  83-192  S.  Sl.-Peters- 
bourg.     Leipzic ,  Voss.     geh.  n.n.  V2  4-    (1-2.:    n.  n.  */g  »^.) 

—  russes  tires  du  bulletin  historico-philologique  de  l'academie  impe- 
riale des  sciences  de  St.-Pelersbourg.  Tome  1  u.  II.  2.  Livr.  Lex.-B. 
III  u.  1—217  S.     Ebd.    geh.     n  n.  14  ität.  (1-11,2.:  n.n.  3  4.  281131.) 

JHemoircs  de  la  sociele  imperiale  d'archeulogie  de  St.-Petersbourg. 
Publies  sous  les  auspices  de  la  societe  par  B.  de  Köhne.  Nr.  XVI  — 
XVIIi.  [Vol.  VI.  3Nrs.]  Annec  1852.  gr.8.  iNr.  16.  172  S.  m.  15  Ku- 
pfertaf.  in  lmp.-4.  St.-Pelersbourg.    Berlin,  Mittler  et  fils.    geh.  n.  4»^. 

Miscellanea  philologica  et  paedagogica.  Ediderunt  gymnasiorum  Ba- 
tavorum  doctores  societate  conjuncti.  Nova  series.  Fase.  II.  gr.8. 
VI II  u.  282  S.     Amslelodami,  Müller,     geh.  ä    n.  1   ^t.   26  n(>r. 

fSiUe^f  Dr.  ©ufl. ,  gerbinanb  (S)ott[)elf  |ianb  na^  feinem  ßebcn  unb  SBirtcn 
bargcpeUt.  gjebfl  STufuigni  ouS  abriefen  ü.  .gicljnc ,  6aru8 ,  ^"»affow ,  ©.  .^tx- 
mann  u.  Sf.  u.  bcr  ©rabrcbe  b.  ©el).  Äirdienrat^ö  Si^warj.  gr.  8.  IV  u. 
100  ©.  3ena,  ©oebereiner.  gel).  _  _  n.  161131. 

Sitznng-sberichte  der  kaiscrl.  Akademie  der  Wissenschaften.  Phi- 
losophisch-historische Classe.  VII.  Bd.  [Jahrg.  1851].  3-5.  Hft.  Mit 
3  lith.  Taf.  in  gr.8  u.  qu.  gr.  4.  S.  357  — 850.  Lex.-8.  Wien,  (Brau- 
müller.) n.  2  ^. 

—  dieselben.  VIII.  Bd.  [Jahrg.  1852].  5  Hefte.  Mit  3  Taf.  IV  u. 
618  S.     Lex.-8.     Ebd.  n.  2V3  4. 

Ißevjeid^nifl  ber  im  ©ebietc  ber  ^übagogi!  u.  ^tljUoIogic,  (M)X-  u.  ©c^uU 
biic^cr  jcber  Slrt)  tom  3uti  bis  ©eptbr.  1852  neu  crf(^ienenen  S^üdjer.  gr.  8. 
14  ©.  aScrlin,  JDaüib'S  S5.  pro  3al)rg.  t».  6  |)fin.  baar  n.  V3  ^. 

II.      Griechische    und    Römische    Geog^raphie,     Geschichte, 
Culturgcschichte    und   Antiquitäten. 

(Geographie.) 
Bevan  1,    W.  L, ,    a    Manual    of   Ancient   Geography ,    for   the    Use    of 
Schools.     12mo.  pp.  160,   clolh.  2  S.  6  d. 


Class.  Altertliumswiss.  —  II.  Grlccli.  u.  Röui.  Gcogr.  etc.     41 

Bormann,  Lehr.  Dr.  Albert,  alllatinischo  Chorograpbie  u.  Sliidtege- 
schichle.  Mit  1  litli.  (jhaiie  in  Fol.  u.  3  lilh.  Plänen,  gr.  8.  XII  u. 
263  S.     Halle,  Pfeiler,     geh.  n.   2  4. 

.Cookesley,  (he  Uev.  W.  G. ,  explanalory  Iudex  lo  the  Maps  of  An- 
cient  Alhens.     Post  8vo.  clolij.  5  S. 

Curtiiis,  Prof.  Ernst,  Pcloponnesos.  Eine  hislorisch  -  geograph.  Be- 
schreibung der  Halbinsel.  2.  Bd.  Mit  21  lilh.  u.  iheils  illum.  Karten 
in  8.  u.  4.  u.  eingedr.  llolzsclin,  gr.  8.  NU  u.  G39  S.  Gotha,  J.Per- 
thes.    In  engl.  Einb.  n.    4^/3   4.     (cpllt.    n.  8  «f.) 

Cavedoni,  C.,  dell'  anlica  Wa  Roniana  che  da  Modena  melleva  ad 
Osliglia  passando  par  Colicaria  nclle  vicinanze  di  Mirandola.  9  S.  8. 
Modena. 

Gaisberg^er^  Chorherr  Schulralh  Prof.  Jos.,  Ovilaba  u.  die  damit  in 
nächster  Verbindung  stehenden  römischen  Allerthümer.  Mit  4  lith. 
Abbildgn.  [Aus  d.  3.  B.  d.  Denkschriften  der  k.  Akad.  d.  Wiss.  ab- 
gedr.]     Fol.     20  S.     Wien ,  (Braumüller.)     geh.  n.    1   ^.   6  g^^, 

llolle^  L. ,  historisch-geographischer  Scliulwandallas  zur  Alten,  Mitt- 
lern u.  Neuen  Geschichte.  1.  Abth.:  Alle  Geschichte.  Nr.  6.  u.  li.  ä 
4  lith.  u.  illum.  Bl.  in  Imp.-Fol.     Woifenbültel .  Holle,     ä  Nr.  %  4; 

auf  Leinwand   u.  in  Mappe   n.    1%  •«^• 

lubalt:     6.     GallU     nelst     Bclliaitc.      GallU     >or     Cüsar's    Zeit.         11.     Das    Röraieclie 
Keich    in    &ciaor   grünsten    Att«<lc]iuiing, 

nioltke,  Adjutaule  Barone  di,  carla  topografica  di  Roma  e  dei  suoi 
contorni  fino  alla  distauza  di  10  miglia  l'uori  le  niura,  indicante  tutti 
i  siti  ed  edifizj  moderni  ed  i  ruderi  anlichi  i>i  esislenti.  Eseguita 
coli'  appoggio  delle  osservazioni  astronomiche  e  per  mezzo  della 
mensola  delineata  sulla  proporzione  di  1  :  25000.  2  Blätter  in  Kpfrst. 
Imp.-Fol.     Berlin,    Schropp  et  Co.  n.  4  4- 

Oettingfer,  Dr.  Ludvv. ,  die  Vorstellungen  der  alten  Griechen  und 
Römer  über  die  Erde  als  Himmelskörper.  116  S.  4.  Fest-Progr. 
Freiburg   i.  B. 

Plan  nouveau  de  Pompej  par  Sl  d'Alo^.     Fol.     Neapel.  2  fl. 

Raonl-Bochette,    sur  la   lopographie  d'Athenes.    4.    Paris. 

Reichard,  Chrn.  Theoph. ,  orbis  terrarum  antiquus  post  auctoris  obi— 
tum  in  usum  juventulis  denuo  descriplus  ab  Alberto  Forbigero. 
Editio  V.  Fase,  111  et  IV.  Fol.  8  BI.  in  Kpfrst.  Norimbergae,  Campe 
et  fil.  ä  6  ngc.  (21   Xr.  rh.) ;    color.  ä  9  nst.  (30  Xr.  rh.) 

Bing*,  Max.  de,  memoire  sur  les  etablissements  romains  du  Rhin  et 
du  Danube,  principalement  dans  le  sud-ouest  de  l'Allemagne.  Tom.  I. 
•  .    23  B.  8.     Paris,    Treutlel  et  Würtz. 

Schuberth's,  J.,  kleiner  Atlas  der  alten  Welt,  nebst  e.  Abriss  der 
biblischen  Geographie  vom  Oberlehr.  H.  Peter  s  en.  22  S.  12.  2.  Aufl. 
qu.  Fol.  4   in  Kpfr.  gest.  u.  illum.  BI.      Hamburg,    Schuberlh   et  Co. 

geh.  ...  .  ^-   Vz  ^^ 

Smith  i,  H.  E. ,   reliquiae  Isurlanae;   the  remains  of  the  roman  Isurium 

(now   Aldborough,   near  Boroughbridge ,    Yorkshire)  illuslraled.     With 

37  plates,   royal  4.     London.     25  S.;   col'd,  42  S. 

Stark,   Prof.  Dr.  K.  B. ,    Forschungen   zur  Geschichte   u.  Alterthums- 

kunde    d.  hellenistischen  Orients.      Mit   2    in   Kpfr.  gest.  u.  lilh.  artist. 

Taf.  in  gr.8.  u.  qu.  gr.  4.     A.  u.  d.  T.:  Gaza  u.  die  philistäische  Küste. 

Eine  Monographie,    gr.  8.    XVI  u.  648  S.     Jena,  Mauke,    geh.    3  4. 

(Geschichte    und    Cultur geschieht e.) 

9C«|lilt9,  3.  S.  Sleftor,  om  ©racc^cr^lpprorcu.  (Stt  f)ifJorifft  utfajit  tiU  gtjm: 
nafioUimgbommö  tjcnp.  35®.  4.  ©pmn.  :^  ^^rcjv.  ©tcd^olm,  SZorficbt 
u.  (Söncr. 


42     Class.  Alteitbumswiss.  —  IL  Gricch.  ii.  Rom.  Gcogr.  etc. 

Boeckh,  A.,  de  honeslo  et  ulili  apud  yeteres.  8  S.  4.  Ind.  schol. 
Berlin. 

SButif^ar^lt,  3ac.,  bic  3cit  eonfiantinS  tcS  ©rofcn.  gr.S.  Vlil  u.  512  ©. 
ffiafel,  ©cl;ireiöt)aii[tr.    get).  n.  IVz^.   (2  fl.   42  Xx.  x\).). 

Capellmann,  AI.,  de  Scipionibus  commenlalionis  parlicula.  12  S. 
gr.  4.     Gjmn.-Pr.    Düsseldorf.   1841. 

Friedländer,  L. ,  über  den  Kunstsinn  der  Römer  in  der  Kaiserzeit. 
40  S.   8.     Königsberg. 

<3V0U,  ©fo. ,  ©cfc^idjte  ©ricd;cnlnnte.  9ta^  ttr  2.  Sfufl.  aitS  b.  Gn^l. 
übirtr.  ü.  Dr.  9L  2^.  58.  5« eigner.  2.  a?i).  2.  5fbt^l.  gr.  8.  XX  ©.  u. 
©.337-648.   ßeipäig,  ^\)t  gct).  2%  4.  (l-ll,  2.:  11V+  »f.) 

Caumpach,    Jobs.    v. ,    die    Zeilrechnung    der    Babj-lonier    u.    Ass^rer, 

-     Nebst  Excursen  u.  e.  Zeiltafel,    gr.  8.    XVI  u.  170  S.  m.  5  Tab.  in  qu. 

gr.  4.     Heidelberg,    J.  C.  B.  Älohr.     geh,  n.   IVg   4'.   (2  fl.  rh.) 

Beitz,  Aem.,  de  polilico  Graeciae  statu  inde  ab  Achaici  foederis  in- 
lerilu  usque  ad  Vespasianum  Auguslum.     32  S.  8.     Diss,  acad.  Strasb. 

Hermann ,  Prof.  Dr.  C.  Fr. ,  defensio  dispulationis  de  Graeciae  post 
caplam  Corinthum  condilione.     22  S.    4.    Progr.    Göttingen. 

History  of  the  roman  enipire  froin  ihe  time  of  J.  Caesar  to  ihat  of 
\  ilellius.  By  Dr.  T.  .\rnold  and  other  learned  raen.  Ulustrated  from 
designs   by  E.  E.  Sarge  nt.    8.     London,  IOV2  S. 

•Snste,   Th.,    histoire  grecque.   T.  I.    95  S.    gr,  18.    Bruxelles.        15  ngr. 

^tetfCf  •&.,  iai  2(ltcrt(jum  in  [i-iiun  ^lauptmoincntin  bar^rpdlt.  (Sine  Striae 
Ijiflor.  5[uffa|e  t.  Sßoedi) ,  S-aljtmaiin ,  5:)roi;[m  k.  gr.S.  XI  u.  631  <S. 
a?nSlau,  S'rcivfnbt  11.  ©ranicr.  grf).  2V4  »f- 

BLratz,  Prof.,  Abhandlung  über  die  Brücken  des  Xerxes,  Herod.  7,  33f. 
15  S.  4.     Gymn. -Progr.    Stuttgart. 

JKiebnhr,  B.  G,,  Lectures  on  Ancienl  Ilistory,  from  the  Earliest  Times 
to  the  Taking  of  Alexandria  by  Octavianus;  comprising  the  Ilislory 
of  the  Asiatic  Nations,  the  Egyplians,  Greeks,  Älacedonians ,  and  Car- 
ihaginians.  Translated  from  the  Gerniau  Edilion  by  Dr.  Leonard 
Schmitz;  -\vith  Additions  and  Corrections  from  his  own  Notes.  3  vols. 
8vo  pp.  1366,   clolh.  31  S.  6  d. 

jniflller,  Otto,  de  tempore  quo  bellum  Peloponnesiacum  inilium  ceperil. 
Parlicula  commenlalionis  de  slrategis  Atheniensium  scriptae.  41  S.  8. 
Dr.- diss.   Marburg. 

Pütz,  W.,  Grundriss  der  Geographie  u.  Geschichte  der  allen,  milllern 
u.  neuern  Zeit  f.  die  obcrn  Klassen  höherer  Lehranstalten.  1.  Bd.: 
Das  Allerlhum,  7.  verb.  u.  \erm.  Aufl.  gr.  8.  XU  u.  433  S.  Coblcnz, 
Boedeker.    geh.  n.  Ve  »^• 

Biedel,  Dr.  H. ,  algemeene  geschicdenis  Tan  de  volken  en  slalen  der 
oudhcid,  hunne  zeden,  slaalsleven,  beschaving,  kunslen  en  lilteraluur. 
6e  deel  niet  eeu  algemeen  register.  672  S.  gr.  8.  Groningen,  W. 
Tan  Boekereu.  7^/2  fl, 

—  kort  bcgrip  der  oude  hislorie,  3de  sluk.  Romeinsch  kcizerrijk  van 
Tiborius  tot  op  Arcadius  en  Honorius.     207  S.    gr.  8.     Ibid.  2  fl. 

Scalig^er,  Jos.,  'Oi.vf(:iiadwp  uy^yijnqrj.  Prolegomena  de  Olympiadum 
recensu  universa  et  de  auclore  ejus  Jos.  Scaligero  scripta  praemisit, 
notas  tum  Mauricii  Ditlrichii  tum  suas,  Teteruni  scriptorum  locis ,  et 
Scaligeriani  hujus  opuscuii  et  tolius  fere  hisloriae  anliquac  foulibus, 
inslruclas  subiecit,  denique  indices  Olympionicarum,  Archonluni,  scri- 
plorum  locuplelissimos  addidit  Dr.  Et  al  d. Seh  ei  bei.  gr. 4.  LXXXVTI 
u.  232  S.     Berolini,    G.  Reimer,     geh,  3  4. 

&^tiiftU,  ^Hof.  Sf.,  3al;vbiict)n-  bfr  9U^niifd)m  ©cfdjidjtc,  i\  bcn  fiii^i-jlm 
(Sajfu  bis  jitm  llntiTtiangt'  b.  UH'flröm.  9trid;cß  mit  crlüiit.  Sfninctfiingcn 
VIlI.  .f^ft.  2?cm  3.  30  ü.  &)t.  bis  476  n.  6l;r.  4.  ©,477  —  663.  9;örb= 
tiiigen,  2?ccf.  1\^^.  (2  fl.  24  Ar  rl;.)   (cpit.  i  4.  8  ngt.  —  7  fl.  39ir.tt).) 


Class.  Altcrtliumswiss. —  II.  Grlccli.  u.  Köm.  Gco{fr.  de.     '43 

iSStttcie,   ®i;mii.  =  2f!)r.  Dr.  8ubli\,   (yrjüljlimjjm   auö   bcr   alten  ©rf^idjte   in 

.'    biot)röp(;ifd)cr   J^crin.   2.  Sljl.   Sf.  u.  t.  X.:    iSxY\[)limicn   auö   brr   rcniifdjcn 

.     ©ffdjic^tc.  8.  VIII  u.  214  ®.   Dlbniburo,  etalluuj.  ^tl).  ä   n.  ^/^  nf. 

Sternborg:,    P.  Chr.,    Ucilrägc   zur  alloslcn  rhoinisclicn  Gcschichlo  ». 

zur  richtigen  Auslegung  des  Fiorus ,   Tacilus,    ISuclonius  u.  Ausonius. 

2.  Aull.   8.     IV  u.  68  S.     Trier,  Braun,     geh.  Vj  «!*• 

Inhalt:     tjljcr   <lie   Entstolmiig   v.  Mainz,    Itonn    ii.   Culn.       Die  f^agc    r.  Bingen    ii.    der 
Uüikziig    d.    Trierers    Tulor    im    J.  71    n.    C.lir. 

Yoclkcl,  II.,  de  Chaucorum  nomine  scdibusquc  ac  rebus  geslis.   69  S. 

8.     Dr.-diss.     Berlin. 
Tömcl,    Prof.  Dr.  J.  Th.,    quo  tempore   bellum  Peloponncsiacum  Oni- 

tum  sit.     8  S.    4.     (jynin.-Progr.     Frankfurt  a.  M. 
SSSerntdFe,  Dbtrldjr.  Dr.  S.,  tie  (Scfd)id}te  brr  2Bdt  jiinad)^  f.  bü5  irciblidjc 

(SJcfc^lcc^t  bcarb.    1.21;l.:    Me  ©cf(^id)te  b.  ?lltirtt}umö.  l'tT.--8.    Vlll  u.  703 

®.    2?erlin ,  Sf.  3)imcfcr.    ^t\).    n.  2  ^f.  24  iißr.  5  in  m^i  &]\i\  0. 3%  4. 

(Antiquitäten.) 

9(ifntC<l^t,  ^Hof.  3.  a?cnfbift,  bcr  rcmifd/c  enint.   9  e.    ijr.  4.    yrosjr.  bc8 

S^iTffian.  ©pinn.  5ßiin. 
Becker.,    Dr.  Jac.  Aloys,    de  Romanorum  ccnsura  scenica.     Accedunt 

variae    de    Didascaliis    Terentianis    quacsliones     partim    chronologicae 

partim  criticae.     Ex  programm.  gymnas.  Magont.  descripf.    gr.4.    III  u. 

40  S.     Magontiaci,  a  Zabern.     geh.  n.    12  ngr.    (40  Xr.  rh.} 

Bojesen,  Dr.  E.  F.,  handboek  der  romeinscbe  antiquiteiten.     Naar  de 

hoogd.  vert.  van  Dr.  J.  H  o  f  f  a  ,  bewerkt  door  II.  C.  iVl  i  c  h  a  e  1  i  s.   3e  dr. 

217  S.  8.     Haarlem,    Krusemann.  fl.  2,  15. 

Boebbelin,  A.,  de  auxiliis  sociorum  ac  Latin!  nominis.   Fasel.   28  S. 

8.     Dr.-diss.     Berlin. 
drosser,  W.,  de  spectione  et  nuntiatione  dissertatio.    30  S.  8.    Breslau. 
Helfreich,    Fr.,    üb.  Erziehung   u.  Unterricht   bei   den    alten    Römern 

(Fortsetzung).     15  S.  4.     Gjmn.-Pr.     Zweibrücken. 
J.asaulx,    Ernst  v.,    zur   Geschichte   v.  Philosophie   der  Ehe   bei   den 

Griechen.     Aus  d.  Abhandlungen  d.  k.  bay-r.  Akad.  d.  W.  I.  Cl,  VII.  Bd. 

I.  Ablh.     gr.4.     108  S.     München,  (Franz),     geh.  n.   1  ^'. 

IVIarx,    Dr.,    ossa    temporibus    Honiericis   esse    diis    cblata.      14  S.    4. 

Gjmn.-Progr.     Coesfeld. 
S92entt^  Dr.  CSatI,   über  bie  römifd)in  ^rcoinjiaUSonbtagc     Gin  SBcilra^  jur 

©taatSi   u.  3tr^tS>]cfct)ic^tc.     5fbiiibr.   auö    bnn   yrocjramm  b.  ©pninafiumS 

}u  9tiu^  ecm  3.1852.  jjr.  4.  16(2.  ilcin  u.  9icu^,  gdjironn.  flc(;.   n.  Ve  ^• 
Niemeyer,  C. ,    de  equilibus  Rotnanis.    94  S.  4.    Dr.-diss.    Greifswald. 
Richard,    II.,    de  servis  apud  Ilomerum.    52  S.  8.    Dr.-diss.    Berlin. 
Rubino,    J.  C.  Fr.,    disputalio  de  augurum  et  pontificum  apud  veleres 

Romanos  numero.     20  S.   4.     Progr.     Marburg, 
Schönbeck,    Dr.,    de  potestate  tribunicia  particula     17  S.  4.     Gjmn,- 

Progr,     Bromberg. 
)U^,  yrof.  (i()r.  S^'f)ccp^il,  yritiataUfrtl;ümcr  ci.  UMffinfifjciftlicfic?,  rcliijic; 

ffS  u,  t)äu6lid)cö  8cbcn  bcr  Stcnur.     Sin  2ft)v=    u.  .fianbbud)    f.  Stubircnbc 

u.  5nttrtl;umSfrcunbc.    2.  Sfiiösj.    gr.  8.   XXX  u.  7Ü0  <S.  SxntUxu^e,  ©rccö. 

flft;-  ,       .  n.  IV3  .f   (2  fr.  r^.) 

Tophoff,    Oberlehrer    Dr. ,    de    lege   Valeria    Iloralia ,    prima    Publilia, 

Ilortensia     23  S.  4.     Gj'mn.- Progr.     Paderborn. 

H'alter,  Ferd.,  storia  dcl  dirillo  di  Roma  sino  ai  tempj  di  Giustiniano. 

N'ülgarizz.  d'all  Avo  Em.  Bollati.     Vol.  I.    p.  2.    16.    Turin.     IV2  fl. 
Zell,   Prof.  C. ,    de  mixto  rerum   publicarum  genere  Graecorum  et  Ro- 

mauorum  scriptorum  sententiis  illustralo.    17  S.  4.    Progr.   Heidelberg. 


44 


Class.  Alterthumswiss.  —    III.   Archacol.  u.  Epigr.  etc.     ^ 


Zumpt,  Prof.  C.  G. ,  über  die  bauliche  Einrichtung  des  römischen 
Wohnhauses.  2.  Aufl.  Alit  1  lilh.  Taf.  in  qu.  gr.  4.  gr.  8.  29  S. 
Berlin  ,    Diimmler's  Verl.     geh.  n.  V5  o^. 

III.      AicIiaeolo{fic  und  Epigrapliik.     Mythologie. 

Aiinales  de  l'Academie  d'Archeologie  de  Belgique.  Tome  IX.  1852; 
paraissant  par  livraisons  trimeslrielles.    8.     Antwerpen.  4  »fi.  10  ngc 

—  de  la  Sociele  archeologique  de  Namur.  Tome  11.  le  et  2e  livr.  avec 
planches.     Namur.  2  o»^. 

Annali  dell'  Instituto  di   corrispondenza   archeologica   per   Tanne   1851. 

Vol.  XXllI. 
British  Archaeological  Association,    Journal  of  ihe,    established  1843. 

8vo.   pp.  464,    44  plates,    79  woodcuts.  31  S.  6  d. 

Bulletin  de  l'lnslitut  archeologique  licgeois.  Tome  I,   livr.  1.    XXII  u. 

121  S.   8.     Lüllich.  I  4.   10  ngc 

Jahrbücher  des  Vereins  v.  Alterlhumsfreundcn  im  Rheinlande.   XVIII. 

9.  Jahrg.   2.  Hfl.     Mit  3  lilh.  Taf.  u.   1   Karle  in  8.,    4.  u.  Fol.     gr.  8. 

267  S.     Bonn,    Marcus.  ä    n.  IV2  «?•    (2  fl.  42  Xr.  rh.) 

Beviic    de    la    numismatique    beige,     publice    sous    les    auspices    de    la 

sociele  numismalique,  par  R.  Chalon,    L.  de  Cosler  et  Chr.  Piot, 

He  Serie,  lome  II,  1852;  4  livr.  par  an  avec  planches.  Bruxelles.    5»^. 

Archaeologie. 

QC^^tl^ungen  o.  SOIainjcr  Sntcrtljiimcrn.  Wit  (Srflänunjcn  \)x&q.  ü.  bem 
ajmin  jur  (ärforfdiuns)  im  rljdn.  ©t#ict)tc  u.  Sntctt(;iinur.  II.  |)ft. :  ©c^trcrt 
fc(6  SibcruiS.  gr.  4.  33  @.  m.  2  (gtcintnf.  III.  |)ft. :  Urbcr  t.  befonbcre  ®at- 
tiing  t).  ©cironbnabeln  au6  beutfc^cn  ®rdbcrn  beS  V'.  u.  IV^  3al)rt).  9?ad); 
trag  Sil  "-  (Sc^tvfvt  bfö  Sibfriiiö.  3nip.=  4.  26  ©.  111.  1  Iitt)oc^rcm.  u.  l 
lit().  Saf.  auf  c^ituf.  fc^.  ^J^ainj,  (ü.  Babtxn.)    ä  n.  1  «^.  (1  fl.  45  Kt.xi).) 

Alcssandro  e  Bucefalo.,  bassorilievo  Pompejano  scavato  nel  1849. 
Riflet^sioni  archeologico-milico-sloriche  con  parallelo  di  Alessandro  e 
Romolo  per  Dom.  de  Guidobaldi  de'  ßaroni  di  S.  Egidio.  336  S.  8. 
Neapel.  5  fl.   15  Xr. 

Aloe,  Slanisl. ,  les  ruines  de  Pompei,  avec  un  plan  tres-exact  et  la 
reslauralion   des    monumeas    publics    de    celte   ville.     16.     Neapel. 

2  fl.  42  Xr. 

—  nouveau  plan  de  Pompei.     Fol.     Neapel.  2  fl. 
Beaulieu,  antiquiles  des  eaux  minerales  de  Vichy,  Plombi^res,  Bains 

et  Niederbronn.     8.     Paris. 
Blacliburn,  John,  Nineveh;  ils  Rise  and  Ruin.    New  edilion,  12mo. 

pp.  180,  clolh,  2  S. 

Bononii^  Joseph,  the  Palaces  of  Nineveh  and  the  Buried  Cities  of  Ihe 

East:  a  Narralive  of  Lajard  and  ßolla's  Discoveries  at  Khorsabad  and 

Nimroud.     8vo.    pp.  422,   clolh.  6  S. 

f&vtti^et,  Äflrl,  bie  SettoniE  bcr  ^cUciien.  2.  23b.  2.  Stbtt;.    SOTit  24Äpfrtaf. 

in  ßv.  gol.  or.  4.   2.  u.  3.  S3iid; :  Soiüea  in.  ein[d)Iu^  ber  STttifd)  ^Sonifc^en 

SBcifc.     5lovintl;iafa ,    128  ©.5    4.  Surf} :     J)cr  |)eUenifc^e  Scnipcl   in  feiner 

giaumanlage  f.  äwtdt  bcö  SiullnB.     ©.217—413.    ^■»otsbam,   5iiegere  S3er(. 

3n  5J}appe.  n.  QVj  4-,  (<^P"-  "•  19  4-) 

Canina,  Luigi  Cav.,  gli  edificj  di  Roma  antica  cognili  per  alcune  im- 

porlanli   reliquie    descrilti    e    dimonslrali   nell'  inlera    loro   architetlura. 

Vol.  III  e  IV.     Imp.-fol.     Roma.  compl.  H2  fl. 

Delesse^  A.,  Unlersuchungen  üb.  den  rolhen  Porphyr  der  Allen  u.  üb. 

den   rolhen    egypiischen    Syenit.      In's    Deutsche    überlr.  v.  G.  Leon- 

hard.      Mit    1    color.  Taf.    in   Slahlsl.     gr.  8.     32  S.     Stuttgart,    J.  B. 

Müller,     geh.  V+  4- 


Glass.  Altcrthumswiss.  —    III.  Arcliacol.  ii.  Kpigr.  etc.     45 

Erbkam,    G.,    über  den  Gräber-  und  Tempelbau  der  allen  Aegypter, 

'  Ein  Vortrag  bcarb.  f.  die  Versammlung  deulscber  Architekten  in 
Braunschweig  im  Mai  1852.  gr.  8.  46  S.  Berlin,  Ernst  et  Korn, 
geh.  %  4- 

Garrncci,    P.    Raf. ,    inlorno    alla    leggenda    Vespasiano  III.   et   Figlio 

.!  scrilta  sul  collo  di  un  anfora  recentamenle  scavata  in  Pompej.  8. 
Neapel.  30  Xr. 

Gerhard,  Ed.,  auserlesene  griechische  Vascnbilder,  hauptsächlich 
ctruskischen  Fundoris.  36-38.  Hft.,  zugleich  als  1—3.  Hft.  der  Va- 
senbilder griech.  Alltagslebens.  Taf.  CCXLI-CCLVIll.  in  Farbendr. 
lmp.-4.     4.  Tbl.     S.  1— 24.     Berlin,    G.  Reimer.  ä  n,  2  «f*. 

Heller,  Prof.  B.  K,,  arcbäologisch-artisliscbe  Millhcilungen  m.  22  Plat- 
ten üb.  die  Ausgrabungen  auf  der  Akropolis  zu  Alben  1835,  36  u.  37. 
qu.  Fol.  iV  u.  7  S.  m.  22  Steinlaf. ,  wovon  5  in  Tondr.  Nürnberg, 
Bauer  et  Raspe,     carl.  n.  4%  «^. 

Jäg:er,  Albert,  über  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Alterthumsfor- 
schung  in  Tirol.  Aus  d.  Sitzungsber.  1851  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  Lex.-8. 
13  S.  mit  2  Steinlaf.  in  qu.  gr.  4.    Wien,  (Braumüller.)   geh.     n.  Vj  »f . 

Röhler's,  H.  K.  E.,  gesammelte  Schriften.  Im  Auftrage  der  Kaiserl. 
Akademie  der  Wissenschaften  hrsg.  v.  Lu  d  o  I  f  S  te  p  ha  n  i.  4.  Bd. 
A.  u.  d.  T. :  Kleine  Abhandlung  zur  Gemmen-Kunde.  1.  Tbl.  Mit  2 
lilh.  Taf.  in  4.  u.  qu.  Fol.  Lex. -8.  VII  u.  238  S.  St.  Petersburg. 
Leipzig,  Voss.     geh.  n.  n.   l"/.  «f.    (1  —  4.:    n.  n.   10  »f.   1   ngc) 

liardi,  Franc,  de,  indicazioni  slorico-arcbeologico-artistische  utile  ad 
un  forestiero  in  Adra,  cillä  del  regno  Lomb.  Venelo.  Con  11  lav., 
ed  uno  ritratto.     gr.  8.     Venedig.  4  fl. 

Eiepsius,  C.  R.,  Denkmäler  aus  Aegypten  und  Aelhiopien  nach  den 
Zeichnungen  der  v.  Sr.  M.  dem  Könige  v.  Preussen  Friedrich  Wil- 
helm iV.  nach  diesen  Ländern  gesendeten  u.  in  den  J.  1842  —  1845 
ausgeführten  wissenschafll.  Expedilion  auf  Befehl  Sr.  M.  des  Königs 
hrsg.  u.  erläutert.  Tafeln.  25  —  32.  Lfg.  Imp.-Fol.  80  Steinlaf.  in 
Bunt-  u.  Tondr.     Berlin,  Nicolai.  ä  haar  n.  n.  5  «^. 

mincrvini,  G.,  illustrazione  di  un  vaso  Ruvese  del  real  Museo  Borb. 
Memoria  Iclta  nclla  reale  Acc.  Ercolanese.  Con  2  lav.  ine.  4.  Neapel.   2  fr. 

JMiiSUineci,  Prof.  Mar.,  opcre  archeologiche  ed  artistiche.  3  Vol.  con 
9  tav.  ine.  8.     Calania.  1845  —  51. 

Normand,  Charles,  nouveau  parallele  des  ordres  d'archilecture  des 
Grecs,  des  Romains  et  des  auteurs  modernes.  6  Bog.  fol.  mit  63  Ta- 
feln.    Paris,   Normand  alne.  42  fr. 

Qtuandt,  v. ,  u,  Hofralh  Dr.  Heinr.  Schulz,  Boschreibung  der  im 
neuen  Miltelgebäude  d.  Pohlbofs  befindl.  Kunst  -  Gegenstände ,  m.  e. 
Vorwort  d.  Sammlers,  Slaatsministers  v.  Lindenau.  2.  Ablh.  gr.  8. 
96S.m.  1  Steinlaf.  Altenburg,  (Schnuphase.)   carl.  n.  V.^  »f .  (cpit.  n.  Vz»^.) 

Ctuaranta,  Bern.  Cav.,  de'  funerali  di  Archemoro  rappresentati  sopra 
un  vaso  Greco  dipinlo  che  si  conserva  nel  reale  museo  Borbonico. 
Con  3  tav.  intagl.   4.     Neapel.  5  11.   15  Xr. 

Ross,  Ludw. ,  das  Theseion  u.  der  Tempel  des  Ares  in  .Athen.  Eine 
archaeologisch-topograph.  Abhandlung.  Umgearb.  u.  erweitert  aus  d. 
Griech.  Mit  1  lilh.  Plane  d.  Marktes  in  lmp.-4.  gr.  8.  XVI  u.  72  S. 
Halle ,  Pfeffer,     geh.  n.  24  iigt 

Rucea,  Giac,  memoria  su  l'lpogeo  dell'  anfitealro  Puleolano.  4. 
Neapel.  IV2  fl. 

<B^nttmann,  ©.,  bas  Si'6m\\iie  Zxux  II.  bie  llmjf.jrnb  md)  bm  erijcbniffm 
bcr  bie't)crioen  giiiibc.  8.  VIII  u.  88©.  Sricr,  «in^.^  gclj.    V..  4-  (36ifr.rf;.) 

Seidl,  J.  G. ,  Fortsetzung  der  Beiträge  zu  e.  Chronik  der  archäologi- 
schen Funde  in  der  österreichischen  Monarchie.  Aus  d.  Sitzungsber. 
1852  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.    Lex.-8.    13  S.     Wien,    (Braumüller.)     geh. 

n.  4  ngc  (cplt.  n.  22  ugt) 


4C     Class.  Altcrtliuniswiss.  —    III.  Archaeol.  u.  Epigr.  etc. 

Stark,    Prof.   Dr.,    archäologische    Studien    zu    o.   Revision   v.   Müllers 

Handbuch  der  Archäologie.     Abdr.  aus  der  Zeilschr.  f.  d.  Alterlhumsw. 

gr.  8.     IV  u.   105  S.     Wetzlar,    ilalhgebcr.     geh.  i/^  ^rfi. 

Siudien,    hjperboreisch- römische,    f.  Archäologie.      Mit  Beiträgen  v. 

K.O.Müller,  Th.  Panofka  etc.     Hrsg.  v.  Ed.  G  e  r  ha  rd.    2.  Thl.     A.  u. 

d.  T.:    Archäologischer  Nachlass   aus  Rom.      Von    Ed.  Gerhard    u. 

dessen  Freunden,    gr.8.    IX  u.  322  S.    Berlin,  G.  Reimer,   geh.    IV3  »f . 
Teissier-Roland,   le  doct.  Jules,    histoire  des  eaus  de  Nimes  et  de 

l'aqueduc  romain  du  Gard.     Tome  III.      1186S.  8.     Nimes,  Ballivel. 
Thisted,  V.,    et  Brev  fra  Pompeji.    24  S.  8.    Schulprogramni.    Aarhus. 
Torteroli ,    P.  Mon. ,    monumenti    di    piltura ,    scullura    e    archiletlura 

della   cillä    di  Savona.     4o    con    figure   in   fol.     Savona.     Fase.  18.  19. 

ä   1  fl.   24  Xr. 

natter,  M. ,    une  cxcursion  gnoslique  en  Italic.    40  S.    gr.8.    geh.  mit 

12  littograph.  Tafeln.     Sirassburg,   Berger-Levrault.  n.   18  n^x. 

^iptt,    ^\o\.  Dr.  ^.,    übt-r    fcm  c^rif^Uc^cii  SSilbcrfreiö.     Wü   einer  Saf.  in 

©teintr.  in  gol.  IV.  u.  66  ®.  gr.  8.    fficrlin,    SBifijauM  luib  ©nibcn.  Qt^. 

n.  %  4. 
(Numismatik.) 
Dcscripiion  de  la  colleclion  de  medailles,  en  or,  grecques,  romaines, 

byzantines  et  visigolhes,   recueillies  p.  J.  P.  Me  j  n  a  er  t  s,  de  Louvain. 

VIII  u.  140S.  8.  mit  Tafeln.     Gent.  2  «|'.  20  njc 

Grässc,  Dr.  J.  G.Th.,   Handbuch  der  alten  Numismatik  v.  den  ältesten 

Zeiten  bis  zur  Zerstörung  d.  röm.  Reichs.    3 — 7.  Lfg.    gr.8.    15Taf.  in 

Congrevcdr.  ni.  15  Bl.  Erklärung.    Leipzig,  E.Schäfer,    geh.     h  n.  V2  «f'. 
I^uynes,  II.de,  numismalique  et  inscriplions  cvpriotes.    TVg  Bog.  gr.  4. 

mit  12  Tafeln.     Paris,  Impr.  de  Plön. 
niittheilung'en  der  Gesellschaft  f.  vaterländische  Alterthümer  in  Basel. 

V.  Hft.   gr.4.     Basel,  Bahnmaier.  n.   28  n^t   (1   (1.   36  Xr.  rh.) 

Inhalt:  Der  Münzrcind  t.  ReieLoDslein  Iiesclirielien  t.  Dr.  Willi.  Visclicr,  nebst 
c.  liiirien  Anli.  üb.  röm.  Bronzen  aus  Wallenbiirg.  Mit  2  litb.  Taf.  in  gr.  4.  u. 
Fol.       IV    11.    .54    S. 

I^ibiljan,  Priester  P.  Clemens,  Beschreibung  v.  XVII  noch  unedirten 
Münzen  der  Armenisch -Rubenischen  Dynastie  in  Kilikien.  Mit  Ab- 
hildgn.  auf  3  Sleintaf.  Aus  d.  Sitzungsbcr.  1852  d.  k.  Akad.  d.  Wiss. 
Lcx.-8.   28  S.     Wien,    (Braumüller.)     geh.  n.  Vj  «f. 

Epigraphik. 
Vouchcronii,    Car.,    inscriplioncs   perpetuis    animadversionibus   auxit 

Th  om.  Vallauri  US.      Accedit   vita    Car.  Boucheronii.    8  maj.     Aug. 

Taurinorum.    1850.  1  fl.  45  Xr. 

CaTCdoni,    Abb.  Celcst.,    annotazioni  al  corpus  inscriptionum  graeca- 

rum   che   si   pubblica  dalla   R.  Accademia  di  Berlino.     gr.  8.     Modena. 

1  fl.  48  Xr. 
Fusco,    Gius.  Mar.,    di   alcune    iscrizioni  di  Pozzuoli    e  sue   vicinanze. 

Fol.  con  4  tavole  incise.     Neapel.  6  fl. 

Gervasio,  Agost. ,    sopra  una  iscrizione  Puteolana  de'  Luccei  osserva- 

zione  con  una   appendice  su'  pretori  e  i  diltalori  municipali  lette  nella 

Reale  Accad.  Ercolanese.     Con   1   tav.  ine.  4.     Ebd.  3  fl. 

—  sopra  una  iscrizione  Sipontina    osscrvazioni.    2.  ediz.  4.     Ebd. 
Garriicci,    P.  Raf.,    suU'  epoca   c  sui    frainmenti  della   iscrizione  deir 

anfiteatro  Puteolano.     Memoria.     Con  tavole  incise.   8.     Ebd.      45  Xr. 

—  intorno  ad  alcune  iscrizioni  autiche  di  Salerno.  Illuslrazioni.  Con 
1   lav.  lilogr.    8.     Ebd.  ,        45  Xr. 

—  interne  ad  una  iscrizione  Osca  recentamenle  scavata  in  Ponipej. 
Brovi  osservazioni.     Con  1  lav.  lilogr.    4.    Ebd.  1  fl. 


Glass.  Alterlhumswiss.  —    IV.  Gr.  u.  lat.  Litteratiirgescli.     47 

l<e^is    Rubiiac    pars    supcrsles.      Ad    fidcm    aoris    Parmensis    exeniplo 

lith.    exprimcndam    iiiravil    Prof.    Fr  id.  U  i  t  s  c  h  e  1  i  u  s.     gr.  8.     III  u. 

IGS.  m.  1  Steinlaf.  in  Imp.-Fol.  Berlin,  Trautwcin'sche  B.  geh.  n.  1  ^, 
JMinervini.,  G. ,    iuterpretazione  di   nna   cpigrafe  Osca  scavata  ullima- 

mcnte  in  Pompej.     Memoria  lelta  alla  reale  Accad.  Ercolanese,  2.  Seit. 

I8J1.     Con  una  lavola  ine.  4.     Neapel.  IVa  fl. 

QLuaranta,  Bern.  Cav.,  inlorno  ad  un'  osca  iscrizione  iiicisa  nel  cippo 

disoUeralo  a  Pompei  nel  Agosto,  1851.  82  S.  4.  m.  1  Tal".  Neapel.  311. 
Rilsrhl,    Prof.   Frid. ,     liluhis    ÄIumniianiLs    ad    fideni    lapidis    V'alicani 

exemplo  lilhographo  expressus  alcjne  enarralus.  4.  Will  S.  m.  1  Steinlaf. 

Beroliui ,    libr.   1  raulwein.     geh.  n.  %  ot^'. 

—  monuinenta  epigraphica  Iria.  Ad  archelyporum  fidcm  exemplis  lilh. 
expressa  commcntariisque  grammalicls  inlustrata.  gr.  4.  56  S.  m.  3 
Sleinlaf.     Ebd.     geh.  n.    \%  «^. 

Zell^  Geh.  Hofralh  Prof.  Carl,  Handbuch  der  römischen  Epigraphik. 
2.  Tbl.  A.  u.  d.  T. :  Anleitung  zur  Kenntniss  der  römischen  Inschriften, 
gr.  8.  XIV  u.  385  S.  m.  3  Steintaf.  in  gr.  4.  Heidelberg ,  K.  Winter, 
geh.  ä    n.   2   »f.   8  ngr    (3  fl.    54  Xr.  rh.) 

(Mythologie.) 

DorfinüHer,    C.  F.,    über   die  Grundidee   des  Gottes    Hermes.     Erste 

Ablh.     40  S.   4.     Gymn.-Progr.     Augsburg. 
f&e^,   Dr.  g^. ,   über  bie  3cuß-3bee   in    iljrcr  centralen  (Stellung    jum    Ijetlen. 

©ötterfrcife.   23©.  4.     ®pmn.  =  «Pr.  COTünif)cn.. 
Figrnrski,  J.,  die  Götter  des  homerischen  Zeitalters  und  deren  CuUus. 

23  S.  4.     Progr.  d.  Marien -Gymn.  Posen. 
X^aut^,  3of.,  bie  ©ebiirt  ber  9}Jinerpa  auf  ber  SoSpianif^fn  ©c^ale.  28  <B.  4. 

©tjmn.i^^r.  iDJiindjcn. 
JHinck^witz ,    Jobs.,     illustrirtes    Taschenwörterbuch    der    Mythologie. 

3  — 12.  Lfg.   16.   S.  113  —  579.  m.  eingedr.  Hoizschn.     Leipzig,  Arnold. 

geh.  ä  n.  4  ngr 

Rivola,    Bacchus  und  Penlheus.     Gymn.-Progr.   Bruchsal. 

Schoeinann,  Prof.  Dr.  Geo.  Frid.,  de  Cupidine  cosmogonico  disser- 
tatio.     gr.  4.     26  S.     Gryphiae ,    libr.  Kochiana.     geh.  9  ngt 

—  dissertatio  de  Typhoeo  Hesiodeo.     28  S.  4.     Index  schol.     Ebd. 

(S:|)i^eir,  ßef)r.  3af.,  S?Jt)t[;olci3ie  ber  ©riechen,  JRömer,  Sfeijt;ptcr,  \i.  ber  beut« 
f^en  u.  norbifc^en  SSölferj  nebfl  r.  ©rläuterj].  ber  in  ber  Äunfi  am  tjäufiqften 
toortommcnben   atlcgor.   S)arftelluni]en.    2  S;f)le  gr.  8.     (Srfurt,    Äörner.    gel). 

n.  I9V2  W 

StoII,  Gymn.-Conrector  Heinr.  Wilh.,  Handbuch  der  Religion  u.  My- 
thologie der  Griechen  u.  Kömer.  Für  Gymnasien.  Mit  12  lilh.  Taf. 
Abbildgn.  2.  verb.  u.  verm.  Aufl,  8.  VIH  u.  327  S.  Leipzig,  Teubner. 
geh.  1    ^. 


IV.     Griechische   und   lateinische   Litteraturg^eschichle. 
Philosophie. 

Anton,  W. ,    quaestionis  de  origine  libelli  Tir^l  ^n'/r'ci  ylanot  xitl  (fvotroq 

inscripli ,  qui  vuigo  Timaeo  Locro  Iribuitur.    Part.  I.    48  S.  8.    Dr.-diss. 

Berlin. 
Botzon,  L.,  quaeslionum  mimicarum  specinien.  36  S.  8.   Dr.-diss,  Ibid. 
Browne,  U.  W. ,   a  Hislory  of  Classical  Literalure.   2  vols.   8vo,  clolh, 

reduced  to  21    S. 

Chassang",    A.,    de    corrupta    post   Ciceronem    a   declamatoribus    eio- 

quentia  disserlalio.     6  B.  8.     Paris,  Durand. 


48     Class.  Altertliiiinswlss.  —  IV.  Gr.  ii.  lat.  Lltteraturgescli. 

Damien,  A.,   de  C.  Julil  Vicioris  arte  rhelor.  tlispul.    lOVzBog.  8.    Ebd. 

Elsperg-or,  Dr.  Chr.,  commenlatio  de  satira  Lucilii.  21  S.  4.  Gymn.- 
Progr.    Ansbach. 

Grotemeyer,  H.,  de  L.  Auii  tragoediis.    60  S.  8.    Dr.-diss.    Münster. 

Haenel^  de  epigrammatis  Graeci  historid.  Spec.  I.  23  S.  4.  Progr.  d. 
St.  Elisabet.-Gjnm.    Breslau. 

Hermann,  Prof.  Dr.  Car.  Frdr. ,  dispiitatio  de  Thrasyllo  grammatico  et 
malhematico.  Praefatio  indicis  scholarum  in  academia  Geo.  Ang.  ha- 
bendarum.    gr.  4.    18  S.     Gottingae,   (Dieterich.j    geh.  n.  4  ngu 

^inbcmanil,  *Prof.  3.  i^.,  üicr  ?[bliaiibliiinjcn  üb.  bie  rcUijiöSjfittlic^e  Södt; 
flnfd)auuiuj  bcS  |)crobot ,  2:()iici)bibc6  u.  Ä"cncp()ou  u.  bcn  *pragmati6miiö  beö 
^olpbiuS.  8.  94  ©.    Berlin,  (Sacrtiicr.  gct)-  n.  %^' 

Eiitzing-cr,    J. ,    de  Thalcta  poeta.     12  S.  4.     Gjmn.-Pr.     Essen. 

IWitzsch,  Gregor  Wilh. ,  die  Sagenpoesie  der  Griechen  kritisch  darge- 
stellt. Drei  Bücher.  l.Ablh.  gr.8.  I.Buch:  Die  Homerische  Kunst- 
epopöe in  nationaler  Theorie.  VII  U.294S.  Braunschweig,  Schwetschke 
et  Sohn.     geh.  IV2  *f  • 

Peterinann,  Dr.,  über  die  Satire  des  Ennius,  23  u,  20  S.  4.  Zwei 
Gymn.-Programnie.     Hirschberg. 

Pierron,  A.,  histoire  de  la  littörature  romaine.  28  Bog.  12.  Paris, 
Hachette.  4  fr. 

Rhoiisopoiiliis,  Athanas.  Serg. ,  de  Zamoixide  secunduin  veterum  au- 
ctoritatem.  Dissertatio  graece  scripta,  gr.8.  48  S.  Goltingae,  Van- 
denhoeck   et  Ruprecht  in  Coinm.     geh  n.  Yj  -i^. 

Roseng-ren,  A.  Fr.,  de  argenlea  ,  quae  dicitur,  littcrarum  latinarum 
aetate  aphorismi.     ISS.    8.     Upsala ,   Wahlslröm  et  C. 

&Uttntt,  3.  ®-,  33oetl;iu5,  bcr  Ic^tc  giönur.  (£ciu  Scben,  fein  cl^rifili^fß 
2?ftcnntnip,  [ein  9iad}nit)in.    4(3  @.  4.    föiimn.^^Hogr.     eidiflätt. 

Weber,  Dir.  Carol.  Frid. ,  Dissertatio  de  latine  scriptis  quae  Graeci 
veteres  in  linguam  suam  transtulerunt.  4.  275  S.  Cassellis,  Fischer, 
geh.  n.  SVsxJ^. 

?8c(f ,  Sfrc^ibiaf.  6nrl,  yiatonS  ^n;itofppI)ic  im  mm^  iljrcr  ijmftif^fn  (gntn^irf; 

Uui;].  gr.8.  X[  11.  270  ©.  ©tuttgort,  ^^Jäcfcn.  flf[).   iV^  4-  (2  ft-  42  Jr.  r(j.) 
Deiischlc,    Dr.   Jul. ,    die    platonische  Sprachphilosophie.     4.     (Vll!   u. 

83  S.)     Marburg,  Elwert.     geh.  %  4.  (1  fl.  12  Xr.  rh.) 

Deuting'er,    Prof.    Dr.  M. ,  Grundlinien    e.    positiven    Philosophie,    als 

Torläufiger  Versuch  e.  Zurückl'uhrung   aller  Theile  der  Philosophie  auf 

christl.    Principien.      7.  Thl.    A.  u.  d.  T. :     Geschichte    der    Philosophie. 

1.  Bd.:    Geschichte    der    griech.    Philosophie.      1.   Abth. :    Die    griech. 

Philosophie  v.   ihren   Anfängen    bis  SoKrales.      gr.  8.      LVI  u.    464  S. 

Regensburg,    Manz.     geh.        24.   (3  n.   12  Xr.  rh.j    (I  — Vll.:    W  ^. 

2&%när..-17fl.    36  Xr.  rh.) 
CiOettling:,  Prof.  G. ,    addilamentuni  ad  symbola  Pythagorica.     6  S.    4. 

Ind.  schol.  Jenensiiim. 
Mvt^i^matf  ^H"v-  G'^-,  fcct  j?ampf  bc6  ^piato  um  bie  rcligil^fcn  11.  fittlid;cn 

^rincii-nfn  b.  ©taatSlcbcnS.     (?ine  ®ratulaticnffd;rift.     gr.  8.     III  u.  99  ®. 

Scipjig,    Scubncr.     cje().  V2  4- 

Renan,  E  ,  de  philosophia  peripatetica  apud  Syros  commentatio  hislo- 

rica.     5  Bog.     8.     Paris,  Durand. 
Saal,  Dr.  N  ,  de  Aristonc  Chio  et  Hcrillo  Carlhaginiensis  toicis,  com- 
mentatio.    Pars  I.:     De  Arislonis  Chii  vita,  scriptis  et  doclrina.     gr. 4. 

38  S.     Coloniae,  (J.  et  W.  Boisscree).     geh.  n.  V3  »^• 

Trendelenbiirg',  Prof.  Dr.  Frider.  Adolph.,  Elementa  logices  Aristo- 

teleac.     In  usum   scholarum   ex  Arislolele  excerpsit  convertit  illustravit. 

Editio  IV.  relractalior.     8.     XVI   u.  Jj9  S.     ßerolini ,    G.  Belhge. 

n.    I7V2  W 


Class.  AUeilliuinswlss.  —  V.  Lexicogi-.  Gr.  u. Lat. Gramm.   49 

Zellcr,  Dr.  Ed.,  die  Pliilosopliie  der  Griechen.  Eine  Untersuchung 
üb.  Charakter,  Gang  u.  Ilaiiplniotnenle  ilirer  Entwickelung.  3.  Thl,: 
Die  nacharisloleiische  Philosophie.  2.  Halllo.  gr.  8.  XII  S.  u.  S. 
453—983.  Tiib.,  L.F.Fues.  2Vä  xf .  (4  fl.  3üXr.rh.]  (1-111,2.  OVe  4') 

V.    Lcxlcograplile.     Grleclilsclie  und  lateinische  Grammatik. 

MctiiK. 

(Lex  i  CO  g  ra  ph  i  e.) 

Anflrei%s,  E.  A.,  LL.  D.,  a  copious  and  ci  ilical  Lalin-Englisch  lexicon, 

founded  on  thc  larger  German  Lexicon  of  Dr.  William  Freund.     New 

edition,    royal  8  vo.  pp.   1089,  cloth.  2t   8. 

^ettmtV,    i5o[laboxatox  Dr.  ßavl,   fflocatutlnvium  f.  bi'ii    (jrit'd;ifd)fn  (glemen; 

tnrunterridit.     Du-bfl  ^lufijnbtu  ju  iiiiuiM.  u.  fd)viftl.  Uttniiiijeti  ii.  e.  bcutfd)fn 

Söortrcgiflcv.     8.      VIII  u.  120  ©.     Siraiinfc^aH'i^ ,    (gdiroctfc^fe  u.    (3o()n. 

cart.        _  _  n.  Vs  ;^. 

Döderlein's    Handbook    of   Laiin    Synonymes.      Translated    from   the 

German  by  ihe  Rev.  H.  H.  A  r  n  old.  2d  edil.   I2mo.  pp.  206,  cloth.   4  s. 
Finckh ,  Prof.  Dr.  C.  E. ,  iSachlräge  und   Derichligungen  zu  W.  Pape's 

Handwörterbuch    der    griechischen    Sprache.      17  S.      4.      Gymn.-Pr. 

Heilbronn. 
Georgres.,    K.   E.,    handwoordenhook  der  Lat.  laal,    voor  bijzondcr  en 

schoolgebruik.     Naar  de   lOe  hoogd.  uitgave  voor  Nederl.  bewerkt  door 

Mr.  J.  A.  S  chn  e  i  t  h  e  r.     le  afl.   80  S.     Lex.  8  in  2  Col.    Groningen, 

Erven   E.  M.  van  Uolhuis   Hoitscma.  90  c. 

Ing:erslev,  C.  F.,  de  vocibus  et  locis  quibusdam  scriptorum  Lalinorum 

in    lexicis    plerisque    non    salis    rede    explicatis.      Part.  H.      18  S.     8. 

Schulprogranim.    Kolding. 
Ml0^,  ^"*rof.  9tciii[)ctb ,  -^laiu'^nH^rti'rbud)  ter  latcinifi^cn  S'pvadjc.      Unter  OTit; 

wni<i.  D.  @i)inn.=Sir.  Dr.  ßübfcr  u.  Dr.  |)u  bemann  \)x^.  7  u.  88ft]. : 

Denique  —  Hytanis.      8c!i:  =  8.      1.  Sb.     XIV    <B.    u.   ®.    249  —  1718. 

J8raunfd)roci9 ,  SScflcrmann.     get).  ä   n.  16  ngc 

lieopold,  Dr.  E.  F.,  Lexicon  graeco-latinum  manuale  ex  optimis  libris 

concinnatum.      Altera    editio    slercot.    emendalior    et    locupletior.      16. 

VI  u.  895  S.     Lipsiae,  C.  Tauchnilz.     geh.  IVs  >#• 

fJUam^f^P'^n,  Dr.  garl,  S)ciitfd):®rird}ifd)cS  |)anb»rbrti'r()ud)  net'fl  c.  23evjeic^= 

nijj  ber  bcmcrfcnSirert^fflen  (5:ii)cnnanu'n.     ©tcr.^Sfugij.     gr.  8.     VI  u.  531  ®. 

Ccipjig,  23.  3:aud)ni<5  jun.     gcf).  1%  ^• 

Riddle,    Rev.  J.  Esmond  M.  A.,  a  copious   and  crilica!  Latin -English 

lexicon;     founded    on    the    German -Latin    Diclionary    of  Dr.  William 

Freund.     2d  edit.   4to.   pp.   1408,    clolh.  31   s.    6d. 

Yocabolario    universale   latino-italiano  e  ilaliano-latino   compilato  c 

disposto   da    Ant.  Bazzarini.      Opera    riveduta    per   cura    de!  C  a  v. 

Toram.  Vallauri.     gr.4o,     Fase.  12—15.     Turin.  a  50  kr. 

(Griechische  Grammatik.) 

Ahrens,  Dr.  Henry  L, ,  an  elemcnlary  greek  reader,  from  Homer.  Ed. 
Th  o  mas  Kerchcvcr  A  rn  old,  W.  A.     12.  3  s. 

Aken,  Grundzüge  der  Lehre  vom  Tempus  und  Modus  im  Griechischen 
IL  Modi.     35  S.     4.     Gymn.-Pr.     Güstrow. 

fSaumtein,  ©emin.=®pI;oru8  5ffi.,  überfic^tUc^e  SufammcnflcUung  bcr  ülegeln 
üb.  ben  ©ebrauc^  bev  Sempora,  bct  SJlobi  u.  ber  Siegationcn  im  ©riec^ifdjcn 
flr.  8.     34  @.    .f>cilbronn,  ßanbl;crr.     Qe\).  6  iigt  (21ifr.  xl).) 

fSeUetmann,  ®i)mn.=S5ir.  Dr.  grbr.,  s)rie4)ifc^t'  ®d)ulgrammatif  jitr  ©rler: 
nung  b.  S[ttifd)en  ©ialectö,  ncbfl  c.  ßeffbuc^e.  gr.  8.  VHI  u,  379  @.  fön-- 
lin,  görflncr.    gel;.  u.  27 Vg  ngr. 


50  Class.  Altci'thumswiss.  —  V.  Lexicogr.  Gr.  u.  lat.  Gramm. 

Blackic ,  J.  S. ,  the  pronunciation  of  greek  acccnt  and  quantity ;  a 
philological  inquiry.     8.     Edinburgh.  3  s,  3  d. 

f&lume,  ©oni^err  ©9mn.=S)ir.  Dr.SBilt).  ^am.,  Utbunöcn  im  Ucberfc^en  au8 
bem  ©cutfc^eti  in  baS  ®ricd;ifc^e  jut  ffiefcfligunö  i"  ^fr  grii-d).  gormenk^rc. 
2.  srbtf).    3.  »erb.  SfuS^.     8.     IV  u.  163  ©.     ©tralfunb,    2vf\kx.     ^/z  4- 

Burnoufi)  J.  L. ,  melhode  pour  etudior  la  langue  grecque.  50e  ed. 
22V2  Bog.     8.     Paris,  Delalain.  3  fr. 

(^UirtiUS/  -yrof.  Dr.  ©co.,  9vicct)i[rf)e  ©c^ulcjranimatif.  gr.  8.  XII  u.  312 
©.     ^proij,  6i-,lüe"S  Serl.     cjd;.  21  iigr. 

Fritsch,  Oberlehrer  Dr.,  Probe  einer  Bearbeitung  der  griechischen 
und  lateinischen  Adverbien  vom  sprachvergleichenden  Standpunkte  aus. 
16  S.     4.     Gjmn.-Progr.    Wetzlar. 

Giraudcau,  le  P.  Bonav.,  introduction  ä  la  langue  grecque.  Nouvelle 
ed.  12  Bog.     12.     Lyon,  Pelagaud. 

Ilaache,  Dr.  Aug.,  Beiträge  zu  e.  neugestaltung  der  griechischen  gram- 
niatik.  2.  Hfl  A.  u.  d.  T. :  Der  gebrauch  der  gencra  d.  griech.  ver- 
bums, gr.  8.  Ylllu.  80  8.     Nordhausen,  Büchting.     V2  «^-  (1-2.:  27  ngr) 

^alm,  Slcctcr  ^.Tof.  Siaxl,  Gkinnitarbud)  tiT  örkdjif^m  (Styinclcgic,  in  SPd= 
[pit'k'u  äUm  Ucbcrfcf^cn  au&  bcm  5)cutfd;ni  ins  ©vicdjifc^c.  1.  Gurfuö.:  2)ü6 
Sternen  u.  rcgrlmii^.  Scrbum  auf  ot  5.  in'vb.  Sfufl.  5f.  u.  b.  S'. :  Sfnkitmii] 
3uni  lkbcr[f|cn  aus  bnn  J^cutfdjtn  ing  ©ricd;ifd)c.  S^c6  1.  ob.  cti;nicki]. 
S[;tS.  1.  GurfuS.  5.  ücrb.  Sluft.  gr.  8.  VIII  u.  160  (2.  a}?ünd)cn,  8in= 
baucr.    gel;.  V2  xf .  (48  i"r.  xl).) 

MtinnitlQtV ,  Dr.  U. ,  bie  grirdjifdjc  Skcfntk'(;rc  für  Sfnfünger.  16  ©.  8. 
^Bamberg,  Suc^ncr.     gel;.  9  na,i  (18  Kx.) 

fi-ühncr,  R.,  greek  grammar.  Translatcd  bj  Edwards  and  Taylor.  12- 
New-York. 

liOberli,  C.  Aug.,  pathologiae  graeci  sermonis  elementa.  Pars  prior 
qua  cont.  dissertationes  de  proslhesi  et  aphaeresi,  de  syncope,  de  pa- 
rectasi,  de  metathesi,  de  parathesi  et  scriptiua  hyphen.  gr.  8.  ^  III 
u.  67U  S.     Regiomontii  Boruss.     Borntraeger  fratres.  n.  3  »^   18  ngt 

Pluijers,  Dr.  W.  G.,  leerboek  der  Grieksche  taal,  hooldzakelijk  van 
het  attische  taaleigen,  voor  scholen.     362  S.  gr.  8.     Amsterdam,  Sulpke. 

3V2  fl. 
(^d^cttfl/    (Si)mn.--M)x.  Dr.  fvarl ,    gnfd)ifd)fS  (5-knimtarbud}    f.    bic  3.  u.  4. 

(ilüffe    tcr  ©pninaficn  b.    of^errcid).  ÄaifcrftüQtcS.     SZod;    bcr  ©rannnntit  beß 

^xc\.  (Surtiuö   bcavb.     gv.  8.     VlI.  u.  138  ©.     ^^rag,    (SalvcS:  SScrl.     gel). 

9  ngc 
Schmidt,     Dir.,  über    das    Plusquamperfeclum.      34  S.      4.      Gymn.- 

Progr.    Bielfeld. 
Schraut,    Dir.,  zum  Organismus  der  Sprache,    mit   bes.  Rücksicht  auf 

die  griech.  Sprache.     Gymn.-Progr.    Rastatt. 
Zief^lcr,  Dir.  Dr.,  de  diversis  quibus  Graeci  et  Roniani  in  dicendo  usi 

sunt  brevitatis  generibus,     32  S.     4.     Gymn.-Progr.  Lissa. 

(Lateinische  Grammatik.) 

Arnold,  Thom.Kerchever,  a  Practical  Introduction  to  Latin  Prose  Com- 
position.     9th  edition,   Part  I,   8vo.  pp.  220,   cloth.  6s.  6d. 

ferset,  @pmn.-9lfct.  Dr.,  lateinifd)e  ©rammatiE  f.  bcn  Unterrid;!  auf  ©pms 
naficn.    2.  »erb.  Sfufl.     gr.  8.     VIII  u.  279  ©.     gcüc,    gflpaun=Jt(irloSra. 

flil-  .  .  ,  Ve^. 

—  Dr.  Fr. ,  de  nominum  quantitate.  26  S.  4.  Gymn.-Progr.  Gotha. 
SBlume/    ®t)mn.-S)ir.  ^rof.  Dr.  3Bil().  .f^rni. ,   Sel)r  =  (iurfuö  bcr  ßatcinifc^cn 

©pradjc  ob.  botipünb.  ßatcin.  (Stcinmtarbud;.  3  STfjk.    1.  S^.,  jum  Ikbcrff^cn 

au8    bem  Satein.  in  baS  S5eutfd)e.     10.'  fcl;r  t?crb.  u.  fiart  berm.  Slufl.     gr.  8. 

VIII  u.  76  (S.     yotSbam,   Siicgcrs  2?erl.  Vs  4. 


Class.  Altei'lliumswiss. —  V.LcxIcogi*.  Gr.  u.Lal.  Gramm.   51 

mtume,  ©t)mn.  =  2)ir.  ^^rof.  Dr.  2BiU).  .^crm.,  ßf{)r={Surfii6  bcr  lat.  ©prai^c 
ob.  üoÜpanb.  lat.  (flciiicutarbucf).  3  St)Ie.  3.  Sljl.,  iücld}cr  ia&  grommotifc^e 
fciifum  f,  untere  Glaffcn  eut(;ält.  3.  Sfiifl.  5f.  u.  b.  S.:  Älcinc  Inteiiiifdje 
©c^ulgronimatiü,  ob.  furjqffafite  gormciilclirc  ber  lotein.  (Sprache.  3.  -Sfufl. 
ör.8.     VIII  u.  112  ©.    '^'»otSbam,   giicjicre  OJetl.  Vj  nf*. 

IBv^det/  ©iipcrint.  ^aflot  C^[)rn.  ©leb.,  fleine  latcinifdjc  ©rammatif  m.  lei^: 
tcn  öcctioncn  f.  Slnfiinger.  ^fufö  »fiic  biirdjgef.  u.  ücr'o.  ü.  ©pmn. --^Hof. 
Dr.  8ubn?.  ginmSljorn.  27.  uerb.  u.  üerm.  Drig.sSfuft.  Siicucr  unücriinb. 
Sfbbr.     flr.  8.     VI  u.  266  ©.     Seipjic],  «Böget.  n.  Vs  «1^- 

SBurd^ntrd,  ®pmn.  =  J)ir.  ^rof.  3.  g.  5B.,  latcinifcf)c  ©djuliiramniafie  f.  ^ie 
unteren  ©pmnafial  =  Älaffen.  5?ebft  Uct)nnii6tH'ifpifIcn  jum  Ueberfe^cn  in6  Ca; 
teinifdie  u.  e.  Sefebudjc.     6.  ?fufl.     8.     IV  u.  404  ©.     iJcipjig,  °0.  ®d;ul§f. 

(ift;.  %  4- 

&t(enH,  ®t)m.  =  ©ir.  Dr.  grbr.,    Iatcinifd)e6  ßefebud)  f.  bic  unterficn  J\lnjTen 

ber  ©i;mnafiien.     12.  reo.,   untjeriinb.  STujT.    8.      VIII  u.  2.54  <3.    ÄcnigS; 

berg,   (Sebr.  löorntriiger.  n.  Vz  «^• 

^n^lmann ,   @t)mn.=?,el)r.  8or. ,    SdjuJgrammatit   bj;r  latcinifdjrn  eprad)e. 

gr.  8.     VI  u.  337  ©.     SRündjen,  ßinbaucr.  n.  28  113t 

^elbtfanf^,   gelij:  <Bch&\i.,  Iateinifd}f8  UrbungSbuc^    jur  ©inübung  ber  ^^cx: 

menlel)re  u.  ber  crjli'n    fijntatt.  Siegeln    nebfl   leidsten    äufammentjangenben  8c; 

[epücfen  f.  2(nfanger.     6in  Srn()ang  ju  ber  latein.  Sdjulgramnnitif.     4.  5fujT. 

gr.  8.     IV  u.  225  ©.    .fjeibelberg,  3.  ©rooS'  SJerl.  gc(;.     n.  ISngt  (1  fl.rb.) 

—  lotcinifdic  (3d;ut9rammatif  f.  @i;mnn[icn  u.  l;ö()cre  ."Pürgcrfd^ulen.  4.  Stuft, 
gr.  8.     XIV  u.  394  ©.     ©bb.     gcf;.  n.  28  nji;  (1  fl.  36  fr.  rf).) 

^ivn^üfttv,  ©pmn.  :^rof.  Dr.  6.  ®.,  5[)?aterialifn  ,?uni  Ueberfe^en  auS  bem 
S)eutfc^cn  in'6  Sotctnifdje  auf  ben  @runb  vorausgegangener  Scctüre  latein. 
^Hofaiter  f.  bie  entfprcc^enben  S?ilbungSftufcn  ber  ©pmnafien  bearb.  1.  .f>ft. : 
®ie  Sieben  bcS  gicero  f.  S^ejotaruS  u.  ?Jlilo  bilben  bie  ©runblage.  8.  XX 
u.  80  ®.     SJ^aiuj ,  Äunje.  n.  9  iijt  (30  Xr.  r(j.) 

—  baffclbe.  2,  |)ft.:  ©ie  (Samnitcnfriege  nad)  ber  J)arftellung  beß  Sioiuö 
Siuti)  VII -X  bilben  bie  ©runblage.    8.     XX  u.  128  ®.     dbb. 

n.  I3V2  njt  (45  Xx.  xi).) 

^ettmdttn,  ©l)mn.:^)rof.  S}Jid;.,  oereinjelte  S^eitriige  jur  Äcnntnifi  ber  nuiper; 
gültigen  lateinifc^en  §}rofa.  -yrogrcnun.  gr.  4.  27®.  Ailingen,  (gricbric^.) 
gel;.  n.  n.  6  iigc 

^ilte^vanb,  ^rcb.  -9fle!tor,  fleineS  >&iilfsbudj  f.  ben  Unterricht  im  Sateinifc^en 
in  ©tabtf^ulen.  ©cm  58ebürfnip  foldjer  Sctiulcn  angepapt.  8.  30©.  troffen, 
IRange.     gel).  n.  2 113c 

0^99»  ©.  |)il.,  5Bortlct)rc  ber  latcinifdjen  ©prad>c  f.  ©d}ulen.  gr.  8.  VIII  u. 
14^  @.     gjbrblingen,  fficrf.    gel;.    12  iigt  (42  ,^r.  rl).)  5  ^artiepr.  bei  ISgjrpl. 

9  Hat  (30  Kx.  r^.) 

$plf  etr  3.,  u.  ®.  SDtecf l^off,  ©i;mn.:8el)rer,  STufgaben  juni  Ueberfe^cn  aus 
bem  Seutf^en  inS  ßateinifd)c  u.  anß  bem  8ateinifd)en  ins  ^icutfdje,  e.  lieber: 
fe^ungSbu^  ju  Äiflemafer'S  latein.  (Spradjlel)re.  3.  Perb.  2fufl.  gr.  8.  IV  u. 
332  ©.     SJJünper,   3:i;eiffing.  HVz  ngr 

^Ol^ei;,  ©.  8.,  Ucbungepiicfe  jum  Uebcrfc^en  auS  bem  S)eutfd)en  in  baB 
8ateinifc^e  f.  bie  mittleren  (Elfiffen  ber  ©clel;rten  =  ©c^ulen  in  3  (Surfen  mit 
STnmerfungen.  2  Sfbttilgn.  SSorübungen  u.  1  (SurfuS.  —  2.  u.  3.  (SurfuS. 
4.  Perm.  u.  »erb.  STuft.  gr.8.  XIV  u.  340©.  ©tuttgart,  S3ccf  u.  gränfel. 
flft).  ä   V2  4.   (48  Kx.  xl).) 

^Utlffei!,  8et)r.  ©ujl.,  praftif^eS  ^ülfsbu^  lux  ß-inübung  ber  lateinifd;en 
gormentc^re.  3m  Sfnfdjluf  an  ben  gewöf)nl.  ©ang  ber  latein.  ©rammatif 
bearb.  2,  (Sitrfu?.  5D]it  f.  furjen  gormenleljre  u.  e.  Sefebuc^e.  gr.8.  VI  u. 
151  ©.     S3raunfd)tteig ,  ©c^wetfc^Ee  u.  @ol)n.    cart.       18  ngr   (cplt.  24  ngt) 

JRifttmüfet^^  lateinifc^e  ©prac^letjre  f.  bie  unteren  u.  mittleren  Älaffcn  ber 
©pmnafien,  burc^auö  umgearb,  p.  ©t)nin.  =  8el)r.  @eo.  5)iecfl}off.  S)er 
©pra^lcljre  7.,  ber  Umarbeitg.  3.  perb.  u.  Perm.  Sfufl.  gr.8.  VIII  u.  232©. 
JWünfier,  Stjeifrmg.  12%  ngc 


52   Class.  Alterlbumswiss.  —  V.  Lcxlcog^r.  Gr.  u,  Lat.  Gramm. 

Xcititl^U^,  ^'*rof.,  a^erfud)  riiicr  Sßegrünbimg  bcr  gracjcfülc  in  In  bcutfcfjcn 
iinb  Intcinifdjen  (^prad)c.     32  ©.   4.     ©pmn.-^rojn.     23ambcrij. 

IHoIIo  H.  M. ,  latijnsche  spraakkunst  yoor  eerstbeginnenden.  2e  druk. 
236  S.    8.     Amsterdam,   v.  Hampen.  II/2  11. 

SStU^t,  <Stbaü.,  fldnc  liitcinifc^c  ©c^ulgrömmotif  f.  bte  untcvfifu  61af[cn  bcr 
©tiibicnanftaltcn.  STuSjug  auS  bcr  gröf crcn  ®d)ul{jrammatif.  gr.  8.  IV  u. 
278©.     StfgenSburcj ,    S^lanj.     gc^.  l^Va  ngr.   (54  Xr.  t^.) 

mäQCU^aä),  ^^rcf.  Dr.  6arl  grbr.,  lafcinifrfjc  ©tiliftiE  f.  5)cutfd)f.  _  Gin 
fprac^ocrtilcidn'nber  Scrfiid).  2.  gro^cntljcilö  mtiijcarb.  Sliifl.  gr.  8.  XXXIV 
u.  613  (3.     Siürnbcrg,  ©cigcr.     gct).  3»^,  (5  f(.  rf).) 

—  Uebungen  d.  lateinischen  Stils  ra.  Kommentaren  u.  Hinweisungen  auf 
grammat.  u.  Stilist.  Werke,  l.u.  3.  Hft.  3.  Aufl.  u.  2.  Hfl.  2.  uragearb. 
Aufl.  Für  reifere  Gymnasialschüler,  gr.  8.  XXVIII  u.  423  S.  Nürn- 
berg,   J.  L.  Schräg.  ä  n.   12  !igr    (36  Xr.  rh.) 

^Utfd^e,  ©ijmn.^yrof.  Dr.  (Sari  Gb. ,  latdiiiCdje  OranmiatiE  f.  untere  inib 
mittlere  ©pmnofialclufftn  fo  iric  f.  (jtHjerc  iBürgcr;  11.  91cal[djulcn.  3um  fdi- 
I;ufc  r.  fiufeimH'ife  fcrtfdjreitenbcn  i?c()rgangc6  ouggcnrb.  u.  111.  c.  reichen  SfuS^ 
ira()l  clafy.  2?cifpiele  iH'rfe^cn.  8.  5tufi.  gr.  8.  XXXII  ii.  334  ©.  3cna, 
9}]Qufc.     gct).  %  «T- 

Scholz,  Herrn.,  exempla  sermonis  lalini  ex  Cordcrii  Erasmiquc  collo- 
quiis  et  Terentii  comoediis  deprompla  tironum  in  usum  collegit,  an- 
notatiunculas  et  verborum  primae  partis  indicem  adjunxit.  gr.  8.  IV  u. 
118  S.     Gueterslohae,  Bertelsmann,     geh.  n.  Vj   »^.; 

ohne  Wörterbuch     n.  9  ngr 

&(l[f9tte,  6.  23.,  gctjrlnic^  bcr  lntcinifd}cn  ©praiic  m.  3at)Iriid)en  fotrct)!  latcin. 
aU  beiitfc^en  lleberfc|uiig6aufgaben  jitr  (Sinübung  bcr  einulncn  graninict. 
^Htnfte  lt.  bcigcgebctifn  jiifaninicnbuitgcnbcn  latcin.  u.  bfut[d)en  llcbungSflücfcn 
iicbfl  c.  bcppcltcn  SBörtcrucrjcic^nifyc.  gr.  8.  V  u.  294  2".  i?eipäig,  JllinE= 
t)arbt.     gc^.  V5  «#• 

@d^Ul§,  Dtto,  ©t^ulgrammatif  bcr  latcinifi^cn  ©prai^c.  14.  fcrb.  Sfufl.  8. 
IV  u.  363  ©.     C"»öüf/  ^nä)l).  b.  ©aircn(;aii[c§.  I2V2  ngc 

©ciÖcnfiÜcfetJ'S,  tpcil.  ©t;mn.=3:;ir.  Dr.  S.  i\  f.,  Glcmcntarbud)  bcr  latcini= 
fdien  Spradjc.  LSlbtl).  9.  SlufL,  forgfültig  burdnjcfcben  u.  enreitcrt  r.  ©pnin.; 
£)'ir.  -yrcf.  3.  g.  SB.  ffiurdjarb.  gr.  8.  VI  u.  202©.  9J]ünper,  SBunbcr; 
mann.  V2  ^f . 

—  baffclbe.  2.  Stbtf).  3.  Sfiifl.  gänjlid)  nmgcarb.  P.  ©>;mn.=3:)ir.  ^^rcf.  3.  g.  So. 
a3urd)arb.     gr.  8.     400  ©.     dbt.  %  #. 

©etjffert,  ©pmn.^^-^rof.  Dr.  5W.  8.,  Palaestra  Ciceroniana.  50?ate^rialicn 
äu  latcin.  ©tilübuniie»  f-  bic  oberjlc  2?ilbunii6fiufe  bcr  ©pninaficn.  3. 'burc^s 
ßcfel;.  2lufl.  gr.  12.  XVI  u.  328©.   S^ranbcnburg,  SJiüUtr.  gel),     1  «f.  3%na;c 

GibtVti,  SOI.,  latcinif($c  ©djulgramnmtif.  gür  bic  iintcrn  Älaffcn  bcarb, 
9fcu  bcarb.  u.  f.  bic  mittlem  yvlajTen  envcitcrt  l\  ©t;mn.r5::ir.  Dr.  SO?.  SO?ci= 
ring.  9.  ücrb.  5fufl. ,  m.  c.  S:Blirtcrt>crjeid)ni(Tc  ju  ben  latcin.  a3eifpielen  bcr 
©^ntaji-  f.  bic  untern  j^laffen.   gr.  8.  VI  u.  328©.   S3onn,  S^alniit     n.  %  4. 

&pic^ ,  @i;mn.=5-^rof.  gr. ,  Hebung^bud)  jum  llcberfc^cn  anß  bem  ßatcinifdien 
in'6  i£)cutf($c  u.  auS  bem  Sculfdicn  in'6  Satcinifcbe  f.  bic  unterflcn  ©l)mna: 
fialflaffcn  bcarb.  1.  STbtb.:  f.  ©cjrta  [Octatja].  6.  ücrb.  u.  ücrm.  5fufl.  8. 
84  ©.     @[fen ,  Sabccfcr. '  1/4  ^. 

Weideinann,  Rector  Dr.  C.  A. ,  lateinisches  Lesebuch  f.  die  obern 
Classen  der  Realschulen  ,  enth.  e.  Auswahl  v.  Leseslücken  aus  röm. 
Classikern  nebst  Einleitgn  u.  erläut.  Anmerkungen,  gr.  8.  X  u.  406  S. 
Jena,  Frommann.     geh.  IV5  «§'• 

VS&eUtV,  ©pinn.^yrcf.  Dr.  ©.,  lotcinifdjcß  i?cfcbuc^  anS  ßiüiuS,  f.  bic  Ouarta 
bcr  ©t;mnafien  u.  bic  cntfpred)enbcn  itlaffcu  bcr  Sicalfc^ulcn.  8.  VIII  u. 
239  ©.    .fnlbburgl;au[cn,   Äcjyelring'fc^e  ^o\b.     gel;.  n.  18  nof. 


Gricch.  Classikcr.    Erklärung^sscliriftcn. —   I.  Glasslker.     53 

(Metrik.) 

Arnold,  T.  K.,  Anticleplic  Gradus,  foundod  on  Quicheral's  Thesaurus 
Poclicus  LiiifjiuK  Latinsp.     8vo.    pp.  543,   clolh.  12  8. 

^Vi^iäfC,  (^»11111.  =  ?fl;r.  Dr.  ?ii.  5^.,  profobifcfic  dl((\tln  u.  SfnttJcifiing  jum 
ä*fr?bau ,  }iinäcl)fl  f.  tic  latcin.  ^'prndjf,  tubfl  ^Jfnliaiuu'n  üb.  äriccf}.  ^^rofobie 
u.  dJldxa.     flr.  8.     38  ©.     infM,   -0.  gril}fcl)r.  '  qA).  n.  Vp  -4. 

Horinann,  (lodofr. ,  opitomc  doclrinae  inolricao.  Editio  IH.  rccognila. 
gr.  8.     XWI  u.  318  S.     Lipsiat",    M  Flcisclior.     geh.  2  «|*. 

Slastf^r's,  ihe,  Latin  Vorse-IJook:  Leing  a  Collection  of  Latin  Prose 
Fahles  turned  into  Verse;  wilh  an  English  Iraiislalion ,  intended  as  a 
help  towards  Original  Composilion.     12mo.    pp.  52,  cloth.  4  s. 

Ciuicherati,  L. ,  traile  de  versiücation  laline.  I2e  M.  18  Bog.  12. 
Paris,   Hachctie.  3  fr. 


Griechische  Classilier.  Eridäruiigsschriften. 

I.      Classiker. 

Arschyli  tragoediac.  Recensuit  Godofr.  Hermannus.  II  Tomi. 
gr.  8.  XVII  u.  1128  S.  m.  Porlr.  in  Stahlst.  Lipsiae.  Weidmann, 
geh.  n.  6%  .#. 

—  .Agamemno.  Recens.  P.A.  Pa]Icj.  Editio  auctior  et  emendatior.  8. 
Camhridge.  A^^,  s. 

■ —  les  Euinenides  tragedie  d',  expliqiiee  lilteralement  et  traduite  en  fran- 
cais  etc.  p.  E.  Emil  Escourrou.  3V2  Bog.  12.  Carcassonne,  Impr. 
de  Laban. 

—  Prometheus  vinctus  cum  scholiis  Mediceis.  In  usum  praelectionum 
curavit  A.  Meineke.    gr.  8.    XII  u.  59  S.   Berolini,  Nicolai,  geh.    ^^f. 

—  ffiBcrfe.  ©ricdjifct)  in.  inctrifdicr  lli'ticrfe|iing  u.  prüfcnbcn  11.  crflürcnbcn 
5funifrhinjcn  ü.  3.  ?f.  -f>artung.  1.  93bc^n.:  ^romctfjcuS.  gr.  12.  176  S. 
Scipjiij,   SB.  gnofliimnn.     gc().  V2  «f. 

Alciplironis  rhetoris  epistolae.  Recensuit,  cum  Bergleri  integris, 
Meinekii,  Wagneri,  aliorum  selectis  suisque  annotationibus  ed.,  indices 
adjecit  E.  E.Seiler,     gr.  8.     XL  VI  u.  494  S.     Lipsiae,  Hinrichs.  geh. 

Appiani  Alexandrini  historia  romana  ab   Im  man.  Bekkero  recognita. 

Vol.  prius.     8.     VI  u.  442  S.     Lipsiae,  Teubner.     geh.  27  n^c 

Arisioteles^s  Statslacre  i  ordnet   og   forkortet  Fremslilling  efter   hans 

Boger    ora  Staten    og    med    opiysende  Anmärkninger    of  E.  Bojesen. 

158  S.     8.     Koppenhagen,  Reitzel.  1  Rbd. 

Katrachoinyoinackia    Homero  vulgo  attrihuta.      Textum  ad  fidem 

codd.  recensuit  varietalem  lectionis  adjecit  prolegomena   critica    scripsit 

Dr.  Aug.  Baumeister,     gr.  8-     III   u.  79  S.      Gotlingae ,    Dieterich. 

geh.  n.   12  iigt 

Bibliothcca  graeca  curantihus  Fried.  Ja c  obs  et  Val.  C  hr.  Fr.  Rost. 

B.  Scriptoruni    orationis    pedoslris    vol.  VIll.    sect.  Jl.     Et.  s.  t.:     Xe- 

nophontis  opera  omnia  recensita  et  commentariis  instructa.    Vol.  III. 

cont.     Cyri  miuoris  expeditionem.      Recensuit   et  explicavit  Dr.  Raph. 

Kühner.  Sect.  IL     Addiia  est  tab.  geographica  lith.  in  qu.  gr.  4.     gr.8. 

XLIII  S.  u.  S.  345  —  641.     Gothae,  Hennings,     geh. 

Subscr.-Pr.  n.  2/3  «^-l    Ladenpr.   I   ^. 
—     Vol.  XL    sect.  III.     Et  s.  t.:    Piatonis    opera    omnia.     Recensuit  et 

contmentariis  instruxit  (iodofr.  Stallbaum.      Vol.  I.     Sect.  III.  cont. 

Symposium.     Editio  III.    auctior    et    emendatior.      gr.  8.     LXXIX    u. 

230  S.     Ibid.     geh.  27  ngt 


54     Grlech.  Classiker.    Erklärungsschriften.  —    1.  Classikcr. 

fSitttiOt^tf,  ^Er  grie^ifdicn  u.  rbmifc^en  ßlaffifet.  enttialtcub  bas  ©c^önPe 
ou6  bcufclbm  in  bcutfd)cr  Ucbcrtraflun^.  7  —  22.  SSbdjn.  32.  2.  S^l.  ®. 
97  _  480,  3.  Sf)t.  311  ©.,  4.  St)!.  651  ©.  u.  2.  2fbt^.  l.  Stjl.  @.  1—  176. 
ffierliit  u.  COTaijbcbur^,  ©jrpcbitien  b.  eiaffiffr.     gcf).  ä  n.  IV4  ngt 

Collectio  librorum  juris  graeco-romani  ineditorum.  Ecloga  Leonis  et 
Constantini,  epanagoge  Basilii  Leonis  et  Alexandri.  Edidit  Carol.  Ed. 
Zachariae  aLingenthal.     gr.  8.     IV  u.  235  S.     Lipsiae,  Barth,  geh. 

IV2  ^. 

Deinosthenes,  ausgewählte  Reden.  Erklärt  v.  Ant.  Westermann. 
3.  Bdchn.:  [XXIII.  Rede  gogeu  Arislokratcs.  LIV.  Rede  gegen  Ka- 
non. LV'II.  Rede  gegen  Eubulides.]  gr.  8.  161  S.  Leipzig,  Weid- 
mann,    geh.  y.   »f.  (1—3.:   1   «^.  7  nji;.) 

—  discours  sur  la  couronne.  Nouvelle  edition,  avoc  analyse  et  noles 
p.  N.  Landois.     10  Bog.   18.     Paris,  Dezobry  et   Magdelcine. 

—  Texte  grec,  avec  un  choix  de  notes  p.  Valton.  2V2  Bog.  12.  Pa- 
ris, Dezobry  et  E.  Magdelcine. 

—  les  Olynthiennes ,  publiees  avec  des  argumenls  et  |des  noles  p.  A. 
Materne.     3  Bogen.     12.     Paris,    Hachette. 

Xii^tev,    grie^ifdic,    in   neuen   nutrifc^cn    Ucbcrfe^unjfn,     ^x&q.    ü.  5-^räIat 

e.  9?.  0.  Ofianbcv  u.  Obcr=(Sonfifl.=  11.  etiibicnrött;  ©.  «Sc^roab.  46.— 51. 

sBbcI)n.     16.     (Stuttgart,  mi^Ut.     grf).  ä  V^  4.    (24  Xt.  x\).) 

^nljalt:   46  u.  47.   9lr  i  flo  pb  an  e§  SBerfe.     3m  alten  SBer^mafe  überf.  ü.  Dr. 

6.  g.  Bd)ni^tx.     2.  11.  3.  SBbcbn.:     ®ic  gröfcbe.  —    Sie  5lcl)arner. 

—     48  u.  49.   Suripibeg  SBcrfc.      SCRctrifd?   überf.   ii.  m.  ^Inmertgn.  begleitet 

b.  ^'»fr.    ©ufi.  Subroig.      14.  11.  15.  SBbtbn.      gleftra.     2)ie  Sroerjnnen.  — 

®ic  (Scbufeflebcnbcn.  —    50  u.  51.   ?lriflo  pb  an  cg  9Berfe.     ^m  alten  SBer^ma^ 

überf.  ü.  Dr.S.  g.  ed}ni|er.     4.  u.  5.  ffibdin.     Sic  .Ofiiter.  —  Sie  SSeJpcn. 

£uclid.,  the  First  Two  Books  of  the  Elements  of  Euclid.     Printed  chiefly 

according  of  the  Text  of  Simson,  with  additional  Figures,  Notes,  Ex- 

planalions,  and  Deductions.  By  Nich.Pocock.  8.  pp.  128,  cloth,  4s.  6d. 

&Utipibt^^  5Bcrfe     ®riecl)ifc^  m.  nictrifc^cr  Ucbcrfclung   11.  prüfcnbcn  u.  tx- 

tlürcnben  Sfnmerfunijcn    p.  3.  Sf.  Wartung.     15.  Sßbc^n.:    ilpElcp.     gr.  12. 

116  ®.    ßeipäig,  SB.  engelmann.    gel).  n.  V3  4- 

—     16.  ffib^n.:  Srnbromad)c.     gr.  12.     170  ©.     Qbt.     gel;.  V2  -^• 

—  17.23bcbn.:  gifjtfcS.  gr.  12,   158©.  ©bb.  gel;.  V2  #•  (1  —  17.:  ll^engt) 

—  Hecube.  Texte  grec,  avec  argumenls  et  notes  p.  Roger.  5  Bog. 
12.     Paris,  Dezobry  et  Magdeleine. 

—  Hecuba;  with  English  Notes.  By  the  Rev.  T.  K.  Arnold.  12mo. 
pp.  86,  cloth.  3  s. 

—  Iphigenie  ä  Aulis.  Texte  grec  avec  argumenls  et  notes  p.  Stieve- 
nart.     6Vz  Bog-     12.     Paris,  Dezobry   et  Magdeleine. 

—  Troades  ed.  Dr.  A,  Kirchhoff,  gr  8.  84  S.  Berolini,  Herlz. 
geh.  n.   16  ngc 

Uansing*,  Dr.,  Versuch  einer  lat.  metrischen  Uebersetzung  des  ersten 
Chorgesanges    des  Sophokleischen  Aias.     4.     Gymn.-Progr.   Lüneburg. 

Ilelferich,  Prof.,  das  Gebet  des  Krates,  Erste  Lief.  8.  Gymn.-Progr, 
Karlsruhe. 

llerodofos.  Erklärt  v.  B.  IL  Lhardy,  2.  Bdchn.:  Buch  3.  u,  4.  gr.  8. 
IV  u.  240  S.     Leipzig,  Weidmann,     geh.         V2  «f-  (1-2.:    1  *f .  3  ngt) 

Homer's  Uiade.  Erklärt  v.  J.  U.  Fäsi.  2.  B,  gr.  8.  430  S.  Leip- 
zig, Weidmann,     geh.  (ä)  Vg  4' 

—  Iliadis  libri  I  —  VTIL  Juxla  Wolfianam  et  Heynianam  edd.  latinas 
nolas  ex  Heynii  commentario  plerumque  desumptas  addidit  L.  Qui- 
chcrat.     8.  B.     12.     Paris,    Hachette. 

—  SliaS  jroifAcnjfitig  in  ^yxc\a  überf.  u.  m.  f.  Sfnlcitiing  jiim  ©ebraiic^  Per; 
fct)cn  ü.  Äarl  grenjcl.  2.  ®tcr.=2fbbrucf.  1.  u.  2.  23bcf)n.  ®cfang  1  — 12. 
gr.  16.     LXXVI  11.  453  ©.     öeipjig,  (3.  ma\)ex.     grl)._  n.  2/3  4. 

—  Iliade  ,  chants  I  ä  IV.  Texte  gree,  avec  un  choix  de  notes  p.  N. 
Theil.     5  Bogen.     12.     Paris,  Dezobry  et  E.  Magdeleine, 


Griech.  Classikci".    Erkläruiig-ssclaiflcn.  —    I.  Classiker.     55 

^Omtt,  3Iia8  im  SSerömaf  bcr  Urfcfjrift  übfrf.  D.  3)ir.  ^rof.  6.  ffiicbafd). 

SlJJit    e.  Site(bilbc    u.   brti  (S'cfncii   nacf)  J^'^Tiia»"    i"  ä^untbr.     l(i.      II  u. 

593©.  etuttg.,  gjlf^lcr.  3n  engl,  (f tut.  tn.  ©olbfd;.  IV2  4-  (2fl.  30  Ir.rt;.) 
-'—  2Berfc.  ^^rofnifd)  übcrf.  ■0.  3.  St.  3  a  11  p  e r.  3ütiö.  3.  mh.  2fufl.  2  55bd)n. 
•«  SDlit  1  litl;.  Äarte  in  ()oc^  4.     8.     ^.^rag,  (Salürß  'Bed.     gel;.  l'/g  -^f^. 

'*i^  3.  S^bct))!.:  Ob^ffce.  1  u.  2.  .f)ft.  3.  tcrb.  Vfufl.  8.  XI®.  11.  ®.  1— 48. 
•''.  (Sbb.    gflj.  ä  n.  4  n.ic 

"i^  3ftiabc6  trc  forpe  iPogcr,  oeetfattc  og  i  fortfattcbc  ?rninärfningfr  cplpfJc  af 
•'    fjr.  «01.  Sugge.     1.  -f)cft.     7  Sorgen.     8.     5?crgm,    Wftjfv.  48  ed)il. 

■*i-  fllifidc  et  l'Odj'ssee,  i'r.Tdiiclion  nouvolle  suivic  (l'uri  cssay  d'cncy— 
''^'  clopödio    liom^riqiic    p.    P.  (iiiiircl.     2c  ed.      27V/2  Bop.     12.     Paris, 

Locou.  3V2  fr. 

^Ofe^p^ttö,  (5Iat>iu6,  bic  jübifdjfn    5ritfrt(;ümcr,   übcrf.  u.  ni.  JfnmnPgn.  in-v; 

[ff)fii    ü.   yrof.  Dr.  f.  sDJ artin.      1.  33.    gr.  12.    IV  it.  G68  ©.     .fibtn, 

ä^ndjcni.     gr().  n.  1  ^f.  26  n(\t 

EiUCiani  Sanicsalonsls  opora.     Ex  rcrognilione  Car.  Jacobitz.     \  ol.  I. 

II  Partes  et  Vol.  II.     II  Partes.  8.  Lipsiae,  Tcubncr.  geh.    A  Pars  9  njc 

I      Inlialt.     I,    t.    De    Kouuiio    s.    vi(a    I.iK'iaiii.       I'roiiicllieiis    es    in    \<-rl>i8.       IVIgriniii>.    Jii<li- 

^''       ciiim    »ocaliiim.       Tiinoii.       Ilalryon.       l*romo(]ious    8.    Caiicasiis.       Dconim    flialogi.       I)ia- 

'.       log'    mar'"'.       Morluoriini    dialogi.       Mcnippiis    h.    iieryonianlia.       XVl  S.    ii.    S.   l — '204. 

I,    '2.    Charon     s.    contomplnnlcs.      De   saeriGciis.        Vitariiiii    aiirlio.        PUrator    s.    rciiti- 

scrnlrs.       Cataplns    s.    tyranniis.       De    mprredc    roniliielis.       Apologia.       Pro    lapsti    ia    sa- 

liilanito.        IIcrmotiinii8.       Ilorniluiiis     s.     Acüon.         Zriixis     a.    Anlioeliiis.        Ilarmoniiles. 

Sevilla    S.'20') 410.        11,1.         Q.iomodo     lilsloiia    conacril.cniU     sll.       Ver.ic    liisloriac 

üb.  I.  clll.  TyranniciiU.  Aliillcalus.  l'Iialaris  prior  et  aller.  Alevandcr  (..  I'seiido- 
manlis.  De  sallalionc.  Leiiplianes.  Eiiiiiieiiiis.  De  astrologia.  Demonaclis  vila. 
XVI  S.  II.  S.  l — '206.  II,  '2.  Aniores.  Iinagines.  I'ro  iinaginihiis.  Toxari«. 
l^iiciiis  s.  asiiiiis.  «Inpiler  runfulatiiH.  Jupiter  tragoediLS.  Soniiiiiiin  s.  GalJiiti.  Jea- 
lomenippiis.      S. '207 — 4'21. 

Oracula  Slbyllina  ad  fidcm  coud.  mscr.  quolqiiot  exstant  recensuit, 
practextis  prolegomenis  illustravil,  versioiie  germanica  iiistruxit,  anno- 
taliones  crilicas  et  rerum  iridicem  adjecll  Prof.  Ür.  Jos.  Ilen  r.  P' ri  e  d- 
lieb.  Et.  8.  t. :  Die  Sibylh'nisthen  Weissagungen  vollständig  gesam- 
melt, nach  neuer  Handschriften- Vergleiohung,  m.  krit.  Commenlare  u, 
metr.  deutscher  Uebersetzung  hrsg.  gr.  8.  LXXXV  u.  355  S.  Leip- 
zig, T.  O.   Weigol.     geh.  n.  2V5  4'. 

Philonis  Judaei  opera  omnia  ad  librorum  optimorum  fidein  edita. 
Ed.ster.  Tom.V.  16.  Lipsiae,  C.Tauchnilz.  geh.  ä  '/^x^.;   Velinp. ;\ '/+ v/'. 

Inhalt:  De  mcrcede  merelricis.  De  speeialiliiiA  IrgiliiiB  lili.  II.  De  «^eplenario.  De 
iesto  ropliini.  De  pareiitiliiis  eolendis.  De  sprcialilius  legibus  lib.  III.  et  IV.  |  De 
juilicc  et  de  eoneiipiseentia.J  De  jitslitia  et  de  constitutione  s.  crealione  prii.eipiini. 
De  trihiia  virtotibiis  [de  forlitudine,  de  biimanitale  s.  earitale,  de  jiociiiteiiti.i].  De 
praemiis  et  poenig.  De  exseürationibiis.  De  nobililate.  Quod  oinniii  prnbus  Über 
g.    (pioJ    libcr    sit    ((uisijuis    virtuti    stndct.       De    vita    coiilemplativa.      340  S. 

Plaionis  opera  omnia.  Recognovcrunt  J  o.  G  e  o.  Baiterus,  J  o. 
Casp.  Oreliius,  Aug.  (iuil.  Winckelmannus.  Vol.  V.  Et,  s.  t. : 
Piatonis  Eulbydcmus  et  Protagoras.     Iteruin  ed.  J  oa  n.  G  c  o.  ßailerus, 

^'  gr.  16.    XVI  u.  1 12  S.    Tiirici,   Meyer  et  Zeller.    geh.     V4.  ^.  (27  Xr.  rh.) 

—  dialogi  sccundum  Thrasylll  telralogias  dispositi.  Ex  recognitione 
Car.  Frid.  Hcrmanni.  ^'ol,  IV.  et  V.  8.  LX  u.  897  S.  Lipsiae, 
Teubner.     geh.  A  \'2  4-     (I  — V.:  2  4.  12  iijjr) 

Hieraus  einzeln: 

—  Nr.  11.:     Rei   publicae  libri   deccm.     8.     318  S.  Ibid.     geh.   iSVeHäi:. 

—  Nr.  12.:  Tiniacus  et  Crilias  cum  libello  vuigo  Fimaeo  Locro  ascriplo 
de  anima  rnundi ;  accedit  inccrti  Minos  s.  de  lege.  8.  137  S,  liiid. 
geh.  6  n;in 

—  Nr.  13.:  Legum  libri  duodocim.  Accedit  Philippi  Opunlii  Epinomis. 
8.     442  S.     Ibid.    geh.  12  ii^i: 


5C     Gricch.  Classiker.    Eikläiuiigssclii-iften.  —   I.  Classiker. 

^latütt^S  SBcrfc,  ©vicdjifc^  u.  S)eut[d;  m.  frit.  u.  cvflar.  Sfiimerfqn.  2. Sil;!.: 
^n)abDn.  3.  ücrb.  u.  ücrni.  Sfufl.  gr.  12.  XXXVl  u,  211  ®.  ßfipjig , 
So.  endclmaun.     fld;.  3/^  ^. 

—  Kriton,  udgivet  og  med  Anmärkninger  oplyst  a[  Fr.  M.  Bugge.  8. 
Bergen,    Beyer.  28  s. 

—  dialogues  biographiques  et  moraux.  Traduclion  nouvelle,  avec  des 
argiiments  et  une  esquisse  siir  la  philosophie  platonicienne;  p.  Schwalbö. 
2e  Serie.     15  Bog.      18.     Paris,  Charpeiilier.  SVz  fr- 

—  il  Pedro,  il  Prolagora  et  l'Ippia  maggiore.  Tradotli  da  Bart. 
Prieri.     gr.  8      Turin.  4  fl. 

—  fämmtlid)c  SBcrfc.  Ucbcrf.  ü.  .g>i  er  o  n.  SDlüll  c  r,  m.  ginUitungen  begleitet 
».  Ä  arl  ©tcinl)art.  3.  33b.  gr.  8.  VH  u.  722  @.  ßcipäig,  Sßxoä= 
t)nuö.     get).  ä  n.  3  «$. 

Plntarchi  vitae  parallelae.  Recognovit  Car.  Sintenis.  Vol.  I.  8. 
X  u.  4G1   S.     Lipsiao,  Teubner.     geh.  Vz  «$• 

Hieraus  einzeln: 

—  Nr.  1.  Thesei  et  Uomuli,  Ljcurgi  et  Numae,  Solonis  et  Publicolae. 
8.    218  S.    Ibid.    geh.  %  ^ 

—  Nr.  2.  Themislociis  et  Caniilli,  Periciis  et  Fabü  Maximi,  AIcibiadis 
et  Coriolani.     8.     243  S.     Ibid.     geh.  y^  ^. 

—  Biographien  der  Gracchen.  Griechisch  m.  gramniat.  u.  histor.  Er- 
klärung zum  Schulgol)rauch,  so  wie  fiir  die  Privatlectüre  der  obern 
Gymnalsialclassen  v.  Gyinn.-Lehr.  Dr.  Ludw.  Stacke,  gr.  8.  IV  u. 
99  S.     Leipzig,  Schvvickcrl.     geh.  i/a  ^, 

—  Sulla,  secundum  editionem  Coraii.  Seleclas  alioruni  suasqu«  notas 
adjecit  Ad.  Reg  nie  r.     4  Bog.     12.     Paris,  Hachelte.  1  fr. 

—  vie  d' Alexandre.  Texte  grec ,  avec  nolice ,  sommaires  et  notes  p. 
Em.  Lefranc.     5  Bog.     12.     Paris,  Lecoffre. 

—  yie  d' Alexandre.  Texte  grec,  avec  un  choix  de  notes  en  fran^ais 
p.  V.  Legenty.     6  Bog.     12.     Paris,  Dezobry  et  Magdeleine.       1  fr. 

Poetae  lyrici  graeci.  Recensuit  Thdr.  Bergk.  Editio  altera.  Fase, 
prior,     gr.  8.     S.   1 — 400.     LIpsiae,  Reichenbach.     geh.  2  »^. 

Poetariim  Iragicorum  graecorum  fragmenta  cd.  Prof.  Dr.  Frider. 
Guil.  Wagner.  Vol.  1.  Et  s.  t. :  Aeschyli  et  Sophoclis  per- 
ditarum  fabularuni  fragmenta.  gr.  8.  XII  u.  509  S.  Vratislaviae, 
Trewendt  et  Granier.     geh.  3  ^.  (I— III.  cplt.  8  «^.) 

SaphOi,  Poesies.  Fran^ais  et  allemand.  —  5Mc  ©cbi^te  ber  <Bap\)0. 
granjl^fifd)  u.  bciitfd).  Ucbcrf.  D.  SBill;.  Saegcr.  8.  67  ®.  SSerUiu 
(©tubr'l'dK  Qoxl'-fd.)     gcf).  n.  Vz  4- 

Scholia  graeca  in  Aeschinem  et  Isocratem  ex  codd.  aucta  et  emendata 
ed.  Guil.  Dindorfius.  gr.  8.  XII  u.  132  S.  Osonii ,  (Parker,) 
geh.  n.  n.   IV5  o#. 

—  in  Sophoclis  tragoedias  VII  ex  codicibus  aucta  et  emendata.  Vol. 
II.  Edidit  G.  Dindorfius.  gr.  8.  LH  u.  4M  S.  Oxonii,  (Parker) 
geb.  n.  n.  2%  4- 

Sophokles.      Erklärt    v.  F,  W.  Seh  n  ei  de  w  in.       1.  Bdchn. :     Aias. 

Philokteies.      2.  Aull.      gr.  8.      X  u.    258  S.       Leipzig,     Weidmann. 

geh.  16  113t 

—  explained,  by  F.  W.  Schneidewin.  Part  4,  Oedipus  at  Colonus, 
with  English  Notes ,  translaled  from  ihe  German ,  by  the  Rev.  Henry 
Browne,    M.  A.   l2mo.  pp.  164,  cl.  4s. 

-r-     By  W'  u  n  d  e  r.     Part  2  —  Electra.     8vo.    sewed.  3  s. 

'^—  Tragoedicn  Griechisch  m.  kurzen  teulschcn  Anmerkgn.  v.  Gymn- 
Prof.  Dr.  Glich.  Carl  Wilh.  Schneider.  3-  Bdchn.  2.  verb.  u. 
verm.  Ausg.  A.  u  d.  T. :  Sophokles  Aias.  2.  vcrh.  u  vcrm.  Ausg. 
besorgt  v.  Dr.  Aug  Witzscbel.  8.  X  u,  114  S.  Leipzig,  Geu- 
Iher,  16  ntjt 


Griech.  Clussilicr.   Kryäruiijjsäclir. —  11.  Erkluruiigssclir.    57 

Sophociis.  Ajax.  Juxta  Icxluin  ürunckii  elc.  rccensuit  et  varias 
lectioncs  olc.    addidit  L.  Quichcrat.     4  Bog.      12.     Paris,  HachoUc 

—  Oedipus  Cülonciis,  secundiiin  edilioneni  Jiuissonadii.  N'arielalein 
leclionis  et  annolaüoncm  adj.  L.  de  Sinn  er.  7  Bog.  12.  Paris, 
Hachelle.  1   fr. 

■ —  Oedipe  roi.  Edition  collalionni^e  sur  les  iiioilleiirs  Icxtes ,  avec  des 
notcs  grammalicales  etc.  et  los  iniilalions  de  Seiiequc  et  de  Voltaire, 
par  l'abbe  Lavigerie.     4  15og.     12.     Paris,  Perisse  freres. 

QiOp^Oflc^^  ffiScrfr.  5[Rdri[d)  übcrf.,  m.  (finkifuiij  u.  Slnmcrfimgcn  U.  3. 
St.  |)artunö.  9JIit  bcm  lit^.  (^innibrif!  u.  e.  -Srnfidit  c.  grk^.  Sljcotcrö  in 
qu.  8.  16.  XX  u.  520  ©.  ßcipjig,  SB.  (gngclmann.  Sn  cnal.  (Sinb.  in. 
©olbfdjn.  _  _  1%  4 

—  theatre  coniplet  de,  suivi  des  fragmenls  de  scs  dramcs  pcrdus.  Tra- 
duction  eu  vers  frau^;ais  p.  Th.  Guiard.  38  Bog.  8.  Paris,  Dezo- 
bry  et  Magdeleino.  TVz  fr. 

—  Sroiifbifmc,  oücrfat  af  3t.  93.  Sorp  t).  2  JB.  Äoppcntjapcn,  ©djlrar^.  3  9tbl>. 
Strabonis  geographica.     Recensuil  commeDlario  critico  inslruxit  Gusl. 

Kram  er.      Vol.  ill.     gr.  8.      IV  u.  683  S.     Berolini,    Nicolai,     geh. 

4  4.   (cplt.  11  ,#.) 

—  recognovit  Aug.  Meineke.  Vol.  I.  8.  XV  u,  396  S.  Lipsiae, 
Teubner  geh.  V2  4' 

'^^uiptitit^*  ®i'f^id;tc   b.  pflcponncfif^cn  5lricöö.     ®ritcl)ifc^   u.  bcutfc^  m. 

trit.  u.  crtlar.  Sfnuicrrunijfn.      311  8  a3iid;crn.      1.--3.  5Puc^.     12.     581  ©. 

ödpjig  ,  SB.  (Jngclmann.     gc^.  ä  Y2  4- 

Xryphonis  grainmatici  Alexandrini  fragnienta  collegit  et   disposuit  Di. 

Arthur,  de  Velsen.      Accedit  Tryphonis  observalio  nf()l  lov    p   nov 

äuavvtjui  x«*  Tiov  tptkovrai    nunc    primuni    e    cod.  Vindobonensi    edila. 

gr.  8.     V  u.  108  S.     Berolini,  Nicolai,     geh.  %  4. 

S3S«Iff,  ^rof.  Dr.  £).  8.  S}.,  cUi[fifd)fr  .$^aueid)a^  bcr  ^'»ocfie  b.  rcmifüjen  u. 
.f  gric(^ij'^cn  S(ltcrtt)uinö,  in  jatjlrcic^cn  nuiflcvljaft  übcrfr^tcii  SfuSjücjm  u.  SJJiu 

ftcrf^tUcn  feiner  luftn  35id)ter  k.     2  S3i\  4.— 14.  ^fg,     16.     VlII  @.  u.  ©, 

193—884.  ©rinnna,  SSerloiiS^Gompt.  get).  ä  2  ngr.  (cplt.  1  ^.  26  ngt) 
X.enopbon'8    Anabasis    erläut.    v.  Dr.  Kaph.  Kühner.      Mit   e.    zur 

Erläuterg.  der  Anabasis    gehörigen   lilh.    geograph.  Karte  in  qu.  gr.  4. 

gr.  8.     VIll  u.  335  S.     Gotha,    Hennings,     geh.  18  ngn 

—  Anabasis  of;  wilh  English  Notes,  Critical  and  Explanatory.  Bj  Char- 
les Anthon.  To  which  are  prefixed,  A  New  Map  of  ihe  Route  of  the 
10,000,  by  Findlaj;  and  a  Plan  of  the  Batlle  of  Cunaxa.  New  edilion, 
revised   and  correclcd,  bj  Dr.  John  Doran.  12nio.  pp.  502,  bound  7s.  6d. 

IL    Erkläiungsschriften. 

Anton,  H.,    doclrina  de  natura  hominis  ab  Aristotele  in  scriptis  ethici? 

proposila.     37  S.     8.     Dr.-diss.    Berlin. 
Bartsch,  Gymn.-Lehr.  Dr.  Heinr.,  der  Charakter  der  Mcdea  des  Eu 

ripides.     Nach   der  Tragödie    gleiches  Namens   entwickelt.      Abdr.  aus 

dem    Programm    d.  Magdalenen- Gymnasiums    zu   Breslau.     4.     48  S. 

Mainz,  Faber.     geh.  n.  V2  «ff*"- 

f&ttQ,  S./   noale  ©prcgbcmärhiinöer  fntjttcbe  til  en  Scnimentar  til  .Yenop^ionö 

|)ieron.     36  <B.     8.     ^xo^x.  Äoppcnljciijcn,  CDfctropolitanfc^ule. 
Bergk,  Th.,    analecta  lyrica.      Part.  II  et  III.     28  u.  38  S.     4.     Zwei 

akad.  Programme.     Marburg. 
Birch,    F.  C.  C. ,    Bidrag    til    Forklaringcn    af   Euripides's  Iphigeneia  i 

Aulis.     88  S.     8.     Progr.  Koppenhagen  ,  Ilorsens  gelehrte  Schule. 
Bisschop  ,    W. ,  annotationes    crilicae    ad  Xenophontis  Anabasin.     IV 

u.  106  S.     8.     Inaug.-Diss,    Lcyden,  v.  d.  Hoek. 
Brückner^  Prorector,  de  locis  in  Isocratis  ad  Nicoclem  oratione  pro- 

pter  ea,  quae  in  oralione  de  antidosi  ex  illa  referunlur,  falso  suspectis. 


58   GriecL.  Classiker.  Eiklärungssclir.  —  II.  Erklärung^ssclir. 

Bücbsenschütz,  ß.,  de  hjmnis  Orphicis.   37  S.   8.    Dr.-diss.     Berlin. 

Caar,  A.  F.  Tan  de,  obseivationes  criticae  in  Plularchi  yilava  Dionis. 
69  S.     8.     Dr.-diss.    Lej'den ,  Hazenberg. 

Cadenbach.,  Prof,  Dir.,  commentationum  Sophoclearum  specimen.  [üb. 
Stellen  des  Oed.  rex.].     Gynin.-Progr.    Heidelberg. 

^apeUmann ,  ©ir.  Dr.  Sil.,  fcU  bie  iJtctüre  bcS  |)omer  auf  ©pmnalun  mit 
ber  Dbpffcc  ober  mit  bct  3Uabe  beginiun?  15  'io.  gr.  4.  ^'»rocjr.  bc6  S^e; 
rcfian=(Si;mn.     5Bicu. 

Crnsius,  weil.  Lyc.-Rector  G.  Gh.,  vollständiges  Griechisch-Deutsches 
Wörterbuch  üb.  die  Gedichte  des  Homeros  u.  der  Horaeriden,  m.  ste- 
ter Rücksicht  auf  die  Erläuterg.  d.  haust.,  religiösen,  polit.  u.  krieger. 
Zuslandes  d.  heroischen  Zeilalters,  nebst  Erklärg.  der  schwierigsten 
Stellen  u.  aller  m_ytholog.  u.  geograph.  Eigennamen.  Zunächst  f.  den 
Schulgebrauch  ausgcarb.  4.  vielfach  verb.  u.  vcrm.  Aufl.  gr.  8.  Xll 
u.  491  S.     Leipzig,  Hahn.  I2/3  4- 

Ditg'es,  Dir.  Phil.,  quae  insiot  in  llladc  miliora.  22  S.  4.  Gjmn.- 
Progr.  Emmerich. 

Doederlein ,  Prof.,  specimina  quaedara  erudilionis.  7  S.  8.  Fest- 
schrift.    München. 

£ii^er,  Dir.  Dr.  R.,  Bemerkungen  zum  Aias  des  Sophokles.  29  S.  4. 
Gymn.-Progr.  Oslrowo. 

Fiedler,  Prof.  Dr.,  de  Homero  mulliscio  atque  naturae  conscio.  16S. 
gr.  4.     Gj'mn.-Progr.     Wesel. 

Forberg:,  Dir.  E.,  über  das  zweite  Capilel  des  ersten  Buches  des  Thu- 
cydides.     8  S.     4.     Gymn.-Progr.    Coburg. 

Friedrich,  Herodoli  de  Athenicnsium  et  Lacedaemoniorum  ingenio 
et  moribus  quae  scntentia  fueril.     19  S.     4.     Gymn.-Progr.    Zcrbst. 

Goettling',  Prof.  C. ,  de  epigrammate  Callimacbi  XIV.  commenlatio. 
10  S.     4.     Progr.  Jena. 

—  de  epigrammate  Phcrecydis  Sjrii  philosophi  commentatio.  HS.  4. 
Progr.  Jena. 

Hccker,  Dr.  Alph. ,  commentationis  criticae  de  anthologia  graeca  pars 
prior,     gr.  8.     VIII  u.  359  S.     Lugduni  Bat.,  Brill.     geh.  n.  2  «^. 

Uekmeijer,  F.  A.,  specimen  littcrarium  inaugurale  continens  Philo— 
ctelae  Sophoclis  enarralionem  cum  nonnuUorum  locorum  explicatione. 
VIII  u.   104  S.     8.     Utrecht,   van  Heyningen. 

Holm,  A. ,  de  ethicisPolilicorum  Aristotelis  principiis.  64  S.  8.  Dr.- 
diss.     Berlin. 

Kiang;e,  Dr.  Ludw. ,  das  System  der  Syntax  des  Apollonios  Dyskolos 
dargestellt,  gr.  8.  III  u.  44  S.  Göttingen,  Yandenhoeck  et  Ruprecht, 
geh.  _  n.  V3_  4- 

liattinann,  Dr.  Jul  ,  commentationis  de  poclarum  Graecorum  inprimis 
Homeri  comparationibus  et  imaginibus  parlicula  I.  Programma  gym- 
nasii  Gölling.    4.     26  S.    Gottingae,  (Vandenhoeck  et  Ruprecht.)     geh. 

n.  V3  ^' 

lieveqne,  C. ,  quid  Phidiae  Plato  debucrit  dissert.  4  Bog.  8.  Paris, 
F.  Didot. 

&\^ttnnutt,  5f.,  bcS  ©uripibeS  5'^önifT'''»  »"^  \{}XiXi\  3n{;alti',  bann  äjl^e: 
tifc^m  unb  moralifd)m  ©tt^attc.     19  ©.     4.     ©t^mn.^^-^rogr.  8anb6()iit. 

Zi^ttXifttin,  ©.,  ©^afefpcare  unb  Sop()o61cö.  Gin  ©Eitrag  jur  ^^f)ilofcpl)ie 
bcr  ©e[c^i(^tf.     32  @.     8.    Snaugural-Sfbl).     «münd)cn. 

liübker,  Dir.  Dr.  Fr.,  die  Sophokleische  Theologie  u.  Ethik.  68  S. 
4.     Gymn.-Progr.    Kiel. 

i6uca$/  Äart  SGBtlf). ,  gormentef)Vc  b.  ionifcbcn  JDialcftcS  im  |)omcr,  ncbfl  f. 
Stnt).  ber  oorjüglic^flcn  bialcft.  ©iflcntfjümlic^hitcn  brS  .f>erobot.  llebfvfic^tlic^ 
bargcPcUt.    3.  StuSg.     gr.  12.   XII  u.  96  ®.     S3onn,  Sötbcr.  gel),   n.  V3  4- 

Mayer,  Prof.  Dr.  Ph.,  Euripides,  Racine  und  Göthe.  2.  Abth. :  über 
d.  taurische  Iphigenia.     Gymn.-Pr,    Gera, 


Griccli.  Classikcr.  Erkläruugssclir. —  11.  Erkläriingsscbr.    59 

JUeineke,    Aug.,    vinüiciarum    Strabouianarum    über.     gr.  8.     XIII  u. 

200  S.     Barolini,  Nicolai,     geh.  IVj  4- 

^eptV,  ^xol  Dr.  (ixu\i  .^1.  5v.,   botanifc^c  ßrlautcrunsjen  }u  ©trnbcnß  C^co; 

örapt)if  u.  einem  groanunt  b.  ©ifaQrd)o6.     (*iti  a3erfuc^.    8.     VIII  u.  114®. 

Jiöint36bcrii,  (iicbr.  Soniträiicr.     $1i'(].  "•  ~Ö  nar 

ÄicRes,  j.  P.,  de  Arislotelis  politicorum  libris.      148  S.    Dr.-diss.    Bonn. 

Oxe,  L.,  de  Sophoclis  Trachiiiiis.     20  S.     4.     Gymn.-Progr.  Kreuznach. 

Rieder,  Prof.  J.  E. ,  Abhandlung  über  den  Sophokleischen  Philoklet. 
19  S.     4.     Gymn.-Pr.  Grälz. 

Rigricr,  Dir.  Dr.,  ineietemata  Nonniana.  Part.  III.  16  S.  4.  Gymn.- 
Progr.     Potsdam. 

Bott,  J.,  de  interpolalionibus  Thcogoniae  Hcsiodcae.  19  S.  4.  Gymn.- 
Progr.     Eichstält. 

Rucca,    Giac,  interprclazione  di  un  luogo  di  Strabone.     4o.     Neapel. 

1  fl.   15  kr. 

Scheibe,  Prof.  C. ,  cmendalionuni  Lysiacarum  fasciculus.  36  S.  4. 
Gymn.-Progr,    Neustrelilz. 

Seherm,  Dir.  Prof.,  über  Sophokles  Antigene  Vv.  904  —  913.  42  S. 
gr.  8.     Gymn.-Progr.     Bruchsal. 

Schilder,  C,  de  rerum  scriptoribus  quibus  Plutarchus  in  Theraislociis 
vita  perscribenda    usus    est.     30  S.     4.     Gymn.-Progr.     Leobschütz. 

Schierlitz,  Dr.  W.  S.,  annotalionum  in  Piatonis  Phaedonem  fasc.  I. 
12  S.     4.     Gymn.-Progr.    Slargard. 

Schmidt,  Gymn.-Dir.  Ilerm.,  kritischer  Commentar  zu  Plato's  Phaedon. 
2.  Hälfte,     gr.  8.     iVu.  123S.     Halle,  Buchh.  d.  Waisenhauses,     geh. 

V2  ^.  (cpit.  iVe  4-) 

—  Dr.  Mor.,  de  Didymo  Chalcentero  vocabulorum  interprete  comment. 
I.     26  S.     4.     Gymn.-Progr.    Oels. 

Schmitt,  Jo.  Carol. ,  de  secundo  in  Odyssea  E.  1  —  42.  deorum  con- 
cilio  inlerpolato  eoque  cenlone  commentalio.  8.  34  S.  Friburgi 
Brisg.,  Wagner,     geh.  V4.  tf' 

Schunck,  Egon,  de  prooemio  Thucydidis.   67  S.   8.    Dr.-diss.  Münster. 

Sch^vanitz,  Gynm.-Prof.  Dr.  Gust.,  die  Mythen  des  Plato.  Ein  Vor- 
trag gehalt.  am  2.  Febr.  1852.  gr.  8.  43  S.  Leipzig,  Fr.  F'leischer. 
geh.  6  njt 

Slntenis,  C.,  manlissa  observationum  criticarum  ,  (in  Plut.)  7  S.  4. 
Gymn.-Progr.     Zerbst. 

Thomas,  Geo.  Marl.,  Studien  zu  Thukydides.  Aus  den  Abhandlungen 
d.  k.  bayr.  Akad.  d.  W.  I,  Gl.  VI.  Bd.  3.  Abth.  gr.  4.  50  S.  Mün- 
chen, (Franz),     geh.  n.  %   »^. 

Tschackert,  W.,  Herodot  als  Geograph.  10  S.  4.  Gymn.-Progr. 
Trzemeszno. 

Zimmer,  Dir.  Fr.,  lecliones  Theophrasteae.  Part.  II.  13S.  4.  Progr. 
des  Friedr.-Gymn.     Breslau. 

llf  inkelmann,  Dr.  K.,  Beiträge  zur  Kritik  u.  Erklärung  der  Antigone 
des  Sophokles,  nebst  einer  Darlegung  des  Grundgedankens  dieser  Tra- 
gödie.    52  S.     4.     Gymn.-Progr.     Salzwedel. 

Itfittmann,  C.,  annotationes  ad  Homerum.  19  S.  4.  Gymn.-Progr. 
Schweinfurt. 

Zetxsche,  Prof.  J.  G.,  quaestionum  Theocritearum  part.  III,  27  S. 
4.     Gymn.-Pr.     Altenburg. 


60  Lateinische Classlker.  Erklärungsschriften. —  I.  Classiker. 

Lateinische  Classil(er.   EiMriingsscliriften. 

I.      ClassJker. 
Attii,  L.,  fragmenta  postBothii  aliorumque  curas  rursus  collecta,  dlspo- 

sita ,    emendata    a    Fr.  H.  Gramer.      Pars  I.      71   S.      8.     Dr. -diss. 

Münster. 
Caesaris,  C.  Julii,  commentarü  de  belio  gallico  et  civili.     Für  Schüler 

zum  öffenll.  u.  Privatgebrauch  hrsg.  v,  G^'mn.-Prof.  Dr.  Albert  D  o- 

berenz.     1.  Bd.     A.  u.  d.  T. :    Commentarü  de  hello  gallico.     2.  u.  3. 

Heft,:    Lib.  111 — VIII.     Mit  e.  geograph.,  e.  grammat.  u.  Wortregister. 

gr.8.    S.  73— 316.     Leipzig,  Teubner.     6  u.  9  ngc  (l.Bd.   cplt.  n.  %«#)." 

—  —  Selectas  aliorum  suasque  nolas  adjecit  A.  Regnier.  IßVzBog. 
12.     Paris,   Hachette. 

—  Recensuit  et  illuslr.  Prof.  Gar.  Ern.  Schneider.  Pars  II.  Faso. 
2.:  C.  Julii  Gaesaris  commentariorum  de  hello  gallico  lib.  VI. 
conliaens.      gr.  8.      S,  185—321.      Halis,    libr.    orphanolrophei.      geh. 

18  nsn    (l-ll  2:  3  ,#.) 

Ciceronis^  M.  Tullii,  scripta  quae  manserunt  omnia.  Recognovit  Reinh. 

Klotz.     Partis  II.     vol.  II.     8.     XXVI  u.  468  S.     Lipsiae,   Teubner. 

geh.  18  ngt  (I-II,  2.:  2  4.  6  ng:) 

Hieraus    einzeln  : 
"""       IVr.    10.:      Oraliones    pro    M.    Tullio,     pro    M.    Fonlejo  ,     pro     A.    Caecina  ,     »Ic     iniprrio 
Cn.    Pompeji.       8.       8(5   S.  33/^    „gt 

IVr.    11.:     Orationes    jiro    A.   Clueotio    Avifo,    de    lege    agraria    Ires ,    pro    C.  Rabirio  per- 

daellionis    reo.      8.       128  S.  Q    tjo]; 

—  IVr.    12.  :   Orationes  in  li.  Catiliiiam  ijnaftuor,  pro  li.  Alureaa,    pro    1j.  Flacco.   8.    114  S. 

^_      Nr.    13.  .    Oralionis  pro    P.  Sulla,    pro  A.    I^icinio   Arciiia  poeta.      8.       42  S.      3^.     IlCtC 

—  Nr.  14.  .  Orationes  post  reditiim  in  senala  et  post  recliliim  ad  Qiiirites  liabitac.  de  domo 
sua,    de    Iiaraspicum  response.      8.      98  S.  ^/,    ^, 

—  Gate  Major  and  Laelius  or  De  Senectute  and  De  Amicitia :  Latin, 
wilh  English  Notes.     By  Rev.  J.  T.  White.    l2mo.  pp.  197,  cl.    3  s.  6  d. 

—  epistolae  selectae.  Choix  de  leltres  familieres  de  Giceroii ,  publiees 
aves  des  arguments  et  des  notes  p.  E.  Sommer.  47^  Bog.  12. 
Paris ,  Hachette. 

—  Breve.  Eiter  Süpfle's  Udvalg  udgivne  a  S.  Th.  Kielseu.  394  S. 
8.     Koppenhagen.  Philipsen.  1   Rbd.  72  Sk. 

—  Laelius  sive  de  amicitia  dialogus.  Erklärt  v.  Dr.  G.  W.  Nauck. 
gr.  8.     IX  u.  68.     Leipzig,  Weidmann,     geh.  6  ngt 

—  de  legibus  libri  tres.  Recensuit  scripturae  discrepanlia  instruxit 
enarravit  Dr.  G.  F.  F  el  d  hu  e  gc  1  iu  s.  Vol.  II.  Gommentarium  con- 
tinens.     gr.8.     340  S.     Cizae,  Webel.  geh.     n.  l^/e  4'.  (cpli.n.2%4. 

—  de  officiis  ad  Marcum  hlium  libri  III.  Erklärt  v.  G.  Fr.  Unger. 
gr.  8.     167  S.     Leipzig,  Weidmann,     geh.  12  njt 

—  —  D'apres  les  meilleurs  textes,  avec  sommaires  et  notes  p.  Brunei. 
8  Bog.     12.     Paris,  Dezobry  et  Magdeleinc. 

—  orationes  tres  de  lege  Agraria  contra  P.  Servilium  Rullum  Tr.  PI. 
In  usum  scholarum  recensuit  J.  L.  Ussing.  Xll  u.  50  S.  gr.8.  geh. 
Hauniae,  GyldendaL  10  ngc 

—  ausgewählte  Reden.  Erklärt  v.  Karl  Halm.  2  Bdchn.  A.  u.  d.  T.: 
Gicero's  Rede  gegen  Q.  Gaecilius  u.  der  Anklagerede  gegen  G.  Verres 
4.  u.  5.  Buch.  Mit  e.  Karte  v.  Sicilien  in  Stahlst,  gr.8.  VIu.254S. 
Leipzig,  Weidmann,     geh.  18  ngt.    (2.  3.  u.  5.:   IV3   ^'. 

—  pro  Sexlo  Roscio  Amcrino  oratio.  Edidit  W.G.  Gossrau.  8.  IV 
u.   112  S.     Quedlinburg!,  Franke,     geh.  12  ngc 

—  Orations,  literally  translated  by  G.  D.  Yonge,  M.  A.  Vol.  3,  con- 
taining  Orations  for  bis  Ilouse,  Plancius,  Scxlius,  Goelius,  Milo,  Liga- 
rius,  etc.  Square ,  pp.  500,  cloth.  5  s^ 


LatciniscbcClassIlicr.  ErMämnjysscliriften. —  I.CIassikcr.  Ol 

Cornelii,  Nepolis  opera ,  quae  siipcrsunt.     Nouvelle  6d.  avcc  des  som- 

inaires  et  des  notes  p.  Po  ur  mar  in.     7  Bog.     12.     Paris,  Dezobry  el 

Magdeleiue. 
Flori,    Juli,    epitomae   de  T.    Livio    bellorum    omnium    annoriim    DCC 

libri   II.     Recensuit  et  emendavit  O  l  lo  Jali  n.     gr.  8.     XLIX  u.   136S. 

Lipsiae,  Weidmann,     geh.  n.    I   ^. 

Horaiius  Flaccus,    Q.,   sämmlliche  Werke.     2.  Thl.     A.    u.   d.  T. : 

Satiren   u.   Episteln.     Für  den  Schulgehrauch  erklärt  v.  Obergymn.-Dir. 

Dr.  G.  T.  A.  Krüger,     gr.  8.      VIII    u.    321  S.     Leipzig,    Teubner. 

geh.  %  4- 

Der   1.   Till,   ersclieint  später. 

•^Otatiud  $Iaccu$%  €l.,  SBcrfc.  ßatcinifc^  m.  nietr.  Ucl'crfe^imj  t).  3. 
@.  ©trobtmaun.  1.  S^l.:  Oben  u.  (fpobcn.  Sf.  u.  b.  S.:  O.  Jöora; 
tiuS  glaccuö'  lt)rifd)e  ©ebid)tt.  ßateinifc^  m.  tnctr.  Ucbcrfe^g. ,  m.  bcrid)= 
titjtcm  ©runbttTt,  ncb(l  bcn  tric^tigflcn  äkriantcn,  c.  ©iograpljic  b.  3Did)tcr6, 
fotvie  ©inkit^n. ,  Sn^altSanijabcit  u.  Sfnnierfijn.  ju  ben  einäflnm  ©cfci(^tcn. 
8.     XXXII  u.  454  ©.     ßeipjii) ,  2Ö.  enödmann.     gct).  IV2  >^. 

—  ödes  d',  traduiles  en  vers  p.  Chrestien  de  Lihus.  22  Bog.  8. 
Paris ,   Plön. 

—  (Batirm,  iibcrf.  it.  erülärt  bitrc^  S)ir.  SBtl{).  (Srnft  SScber.  9?arf)  bcS 
S3erf.  Sobe  brSij.  t).  ^'»rof.  SBill;.  @i(jm.  Seuffet.  gr.  8.  VII  u.  508S. 
(Stuttgart,  SBc|Icr.     gft).  n.  2%^.  (4f(.  30  Xx.  rt).) 

JiiTcnal,  Persius,  Sulpicia,  and  Lucilius,  in  English  Prose,  by  thc  Ilev. 
L.  Evans,  M.  A.  etc.  To  which  is  addcd,  Gifford's  Metrical  Version 
of  Juvenal  and  Persius.     Post  8vo.  pp.  532  ,    fronlispiece.  5  s. 

Junilii  Flagrii,  T.  Galli  et  Cnaudentii  commentaria  in  Vergilii 
eclogas  et  georgicorum  libros,  nunc  primum  ex  codice  Bernensi  ed. 
Dir.Dr.  C.W.  Müller.     Part.  II.     42  S.    4.     Gymn.-Progr.  Rudolsladt. 

liivii  Patavini ,  T.,  hisloriarum  libri  V  —  X.  Mit  erklär.  Anmerkgn.  t. 
Gottl.  Chr.  Crusius,  weil  Rector.  Fortgesetzt  v.  Gymn.-Lehr.  Gusf. 
Mü  hl  mann.  8.  Hft.  —  Üb.  IX.  Cap.20  — Ende.  gr.8.  VI  u.  74  S. 
Hannover,    Hahn.  ^    Vs»^. 

liUcreti  Cari,  T.,  de  rerum  natura  libri  sex.  Recognovit  Jac.  Ber- 
naysius.     8.     XII  u.  198  S.     Lipsiae,  Teubner.     geh.  12  ngc 

Idacrobii  Ambrosii  Theodosii  v.  c.  et  inl.  opera  quae  supersunl.  Ex- 
cussis  exemplaribus  tarn  manu  exaratis  quam  typis  descriptis  emen- 
davit: prolegoniena,  apparatum  crilicum ,  adnotaliones  ,  cum  aliorum 
seleclas  tum  suas,  indicesque  adjecit  Ludov.  Janus  Vol. II.  Et.  s.  t.: 
Macrobii  salurnaliorum  libri  VII.  gr.8.  XX  u.  743  S.  Quedlinburgi, 
Basse.  3V3  ^- ;   Velinp.  4.^.  (cpU.  öVj^.;  Veliup.  6V2  4-) 

Ovidius  Kaso,  P.  Ex  rccognitione  Rud.  Mcrkelii.  Tom.I. :  A mo- 
res. Epistulae.  De  medic.  fac.  Ars  amat.  Rcmcdia  amoris.  8.  XXII 
u.  251   S.     Lipsiae,  Teubner.     geh.  ^/j  4'.  (^V^^-  '^"^^  W) 

—  Metamorphoseon  ex  recognilionc  Rud.Merkelii  delectus.  8.  148S. 
Ibid.     geh.  Vs  4- 

cUcr  görinanblingarnc.     .3  ^rofaiff  jDfaicrfättniiuj,  fron  Spffan,  Semfürb 

mcb  Originalfpiaht.     prfta   ScEm.     62  <B.    8.     ©tciJt}olm,    2BqU. 

©ubfcript.  =  5)r.   20  ff. 

—  das  2.  Buch  der  Metamorphosen,  metrisch  übersetzt  v.  J.  Bor  seht, 
22  S.     4.     Gymn.-Pr.  Speyer. 

—  Heroides,  Amours,  Art  of  Love,  etc.  Lilerally  translated  into  Eng- 
lish Prose  by  Henry  T.  Rilev,  B.  A.  (Forniing  the  3d  and  conclud- 
ing  vol.  of  OvJd;  with  General  Index  to  thc  whole.)  Post  8vo.  pp. 
552,  cloth.  5  s. 

Pervig-iliuin  Veneris  pristino  uitori  rcstitutum.  gr.  8.  22  S.  Lipsiae, 
W.  Engelmann.     geh.  n.  Vg   4- 


62  LalcInlscIieClasslker.  Erklärung^ssclirlftcn.  —  I.  Classikcr. 

Phaedri  fabularum  Aesopiarum  libri  quinque.  Ubgitcn  til  ©folcbrinj 
meb  2fnmarfmn()cr  af  ß.  D.  ©^onning.  5  ffioij.  8.  fficrgcn,  gcilbcrg 
cg  ßanbmarf.  40   (2f. 

—  Fabulae    Aesopicae    coUectae.      Ex  recognilione  Car.  Halmii,     8. 
.;,  XIV  u.  2l5  S.      Lipsiae,    Teubner.     geh.  y^  ^|J. 

—  los  fabics  de,  lant  anciennes  que  Celles  publikes  par  Angelo  Mai, 
el  los  fables  correspondentes  de  La  Fontaine ,  avec  nolice  et  notes  p 
F.  Dübner.     5  Bog.     18.     Paris,  F.  Didot. 

Plauti,  T.  Macci  ,  coraoediae.  Ex  recensione  el  cum  apparatu  crilico 
Frid.  Rit  schcliii.  Accedunt  prolcgomona  de  rationibus  criticis  gram- 
maticis  prosodiacis  mclricis  emendationisPlautinae.  Tom.  II.  Slichum, 
Pseudulum,  Menaechmos,  Mostellariam  conipleclens.  Pars  4. :  Moslel- 
laria.     gr.  8.     XV^III  u.  175  S.     Bonnac,  König,     geh.  ä  n.   1  4*. 

—  Scholarum  in  usum  rccensuit  Frid.  Ri  t sehe  1  ins.  Tom.  li.  Fase. 
4.     Moslellaria.     gr.  8.     94  S.     Ebd.  geh.  h  n.  %  4.. 

—  literally  translated  inlo  English  Prose,  wilh  copious  Notes,  by  H.  T. 
Riley,  B.  A.     Post  8vo.  complele  in  2  toIs.    post  8vo.   clolh      ä    5  s. 

—  Trinummus,  übersetzt  u.  erklärt  v.  F.  Osthelder.  1.  Ablh. :  Act. 
1— IM.     26  S.     4.     Gymn.-Progr.  Speyer. 

Plini  Secundi,  C,    naturalis    historiae    libri    XXXVII.      Recensuit  et 

commentariis    criticis    indicibusque    insiruxit    Jiil.    Still  ig.      Vol.    II. 

gr.  8.     VII  u.  401   S.     Hamburgi  et  Golhae,   Fr.  et  A.  Perthes,     geh. 
Subscr.-Pr.  a  n.  3  «f-!  Ladtnpr.  a  n.  4  «f'. 
Poctartim     aliquot     Latinorum     carmina    selocta     carminumve    partes. 

Scholarum  causa  scorsum  describcnda,  curavit  J.  N.  Madvigi  us.   Denuo 

edidit  J.  L.  üssing.  II   u.   1I2S.     gr.  8.  geb.  Hauniae,  Gyldendal.    ISiigi. 
Kothcrti,  Gymn -Dir,  M.,  der  kleine  Livius.      Für  mittlere  Gymnasial- 

classen  bearb.  Ausg.  m.  Wörterbuch.     Mit  e.  lith.  Plane  d.  alten  Roms. 

8.     1.  u.  2.  Heft.     Braunschweig,  Weslermann.     geh.         n.  6  u.  8  1131; 
Sallusii  Crispi,  C.,  Catilina  et  Jugurtba.     Ilerum  ed.  el  praefalus  est 

Dr.  E.   F.    Bojesen.     gr.  8.      XLV  u.  121  S.     Havniae,    Gyldendal. 

geh.  18  ngr. 

—  de  conjuratione  Catilinae  et  de  hello  Jugurlhino  libri  ex  historiarum 
libris  quinque  deperdilis  oraliones    et   epistolae.      Erklärt  v.  Rud.  Ja- 

:;,•  cobs.     gr.  8.     III  u.  260S.     Leipzig,  V^eidmann.     geh.  16  iigc 

-■^  Latin;  with  English  Notes.  By  Charles  Meriyal  e.  Post  8vo.  Cam- 
bridge, pp.  260,  cloth.  5  s. 

—  SatiUnarifcfje  SScrfd^iiiöning  11.  3uj]urt^iiiifd)cr  Äricg.  ßatcinifd;  m.  beut; 
fd)cr  Ucbcrff^g.,  e.  biOiirap^ifd}4jiflor.  Sinlciti}.  u.  cvUiut.  Sfnmcrftj.  D.  Sili'ir. 
^au[d}ilb.     8.     393©.     ßdpjin ,  aß.  eiificlmann.    gd;.  _     %  4- 

Sämling;:  af  graoske  og  lalinske  Forfatteres  Skrifter,   ulgivne  til  Skolo- 

brug  ved  en  Forening    af  Skolemänd.    Fjorde  Bind:    Cicero's  Talen 

•      om  Ponipcjuses  Beskikkelse   lil   Härforer,    af  H.  H.  Lefo- 

,._lii.     104  S.     8.     Koppenhagen.  60  Sk. 

'€?($me^ev,  Dr.  gtjr.  S5?!,    fcie   brci  Id^ten  (?[fgirn  bc§  4.  JBui^fS  beS  ^.^ropfr; 

tiuö  üLH'rfcfet  iinb  mit  Sfiinirrfuntjcn  ticrfcbm.     16©.     4.     ©pnin  ::5^roc3r.  ^of. 

Tacitus,  Cornelius.     Erklärt   v.  Dr.  Karl  Nipper  de  y.      2.  Bd.     Ab 

excessu    divi  Augusli  \I  —  XVI.      Mit   den  Varianten    der  Florentiner 

Handschrift  u.  der  Rede  dos  Claudius,     gr.  8.     III  u.  244  S.     Leipzig, 

Weidmann,     geh.  _  %  4.  (1.  2  :    IVg  4.) 

—  de  vila  el  moribus  Cn.  Julii  Agricolae  über.  Recensuit  Fr.  Carol, 
Wex.     8.     32   S.     Brunsvigae,  Vieweg  et  fil.     geh.  3y^  ngr 

~ii.     Nach  kritisch  berlchtiglcni  Texte  erklärt  v.  Fr.  Carl  Wex.     8.    VI 

-•  'u.  89  S.     Ebd.  geh.  _    V3  «f- 

'i^     Ad  fidom  codd.  denuo  collatorum  recensuit    et    commentariis    enar- 

ravit  Fr.  Carol  Wex.     gr.  8,     XII  u.   338  S.     Ibid.  geh.    n.  2V2  «?• 

Trag:icorHin  latinorum  reliquiae;    recensuit  Otto  Ribbeck.      gr.  8. 

XVII  u.  442  S.     Lipsiae,  Teubner,     geh.  ^     n.  3  »f. 


Lat.   Class.   Erhlärunjyssclirlftcn.  —    II.  Erklärungssclir.     63 

Tirg-ilii  fflaronis,  P.,  carmina.  aSirgil'ä  ©cbidjtc.  Satcinifc^cr  3:f):t  mit 
bcutfdjm  Sfnmcrtuujjcn.  93on  Dr.  SBiü;.  JJrcunb.  2.  ^cft:  5)er  Sfcncibe 
7—12,  »itc^  lt.  3.  ^eft:  SBucoHca  u.  ©coraica.  gr.  16.  297  (3.  S3reölau, 
item.  ä  Vs  4 

—  ad  oplimor.  libror.  fidcm  ed.  pcrpelua  et  alioriim  et  sua  adnotalione 
illustravil  disscrtalioriem  de  Virgilii  vita  et  carniiiiibiis  alque  indicem 
rerum  locupletissirnum  adjccit  Albertus  Forbiger.  III  Partes.  Edi- 
tio  III.  corrccta  et  aucla.     gr.  8.     Lipsiac,  Iliiirichs.     geh.         öVz  4- 

Inliült:  I.  liiicolica  et  Gcorgic«  aftjiie  ilisscriatin  <le  Virgilii  Tita  et  cariniiiiliiis. 
XXVIIl  u.  .'»04  S.  II.  Aenfidos  !.  I  —  VI.  6.',9  S.  III.  Aeaei.Ios  I.  VII  — 
XII.  Carmina  minora  qiiac  »ulgo  Virgilio  adscriliiinlur  et  imlcx  rcrum  •»  coniiucn- 
lario    oiposilariiin.       (JS8    S. 

—  Gedichte.  Erklärt  von  Th.  Lad  ewig.  3.  Bdchn.:  Acneide,  Buch 
VII  — XII.  gr.  8.  240  S.  m.  1  Karle  in  Kupfersl.  Leipzig,  Weid- 
mann,    geh.  Vz  4-  (cplt.  IV3  4') 

—  Boucoliques  de,  Iraduites  en  vers  fraucais  par  B.  Rigaud.  4  Bog. 
12.     Paris,    Belin. 

—  Oeuvres  de,  traduils  en  vers  fran^ais:  les  Boucoliques,  trad.  p.  le 
Chevalier  de  Langeac,  les  Georgiques  trad.  p.  J.  Delille.  20  Bog. 
18.     Limoges  et  Paris,    Ardant. 

—  —  Traduction  de  R.  Bin  et,  revue  p.  E.  L6clusc.  Tome  I.  316 
Bog.     12.     Paris,    Delalain.  fr. 

Tolckmar,  Lehr.  Dr.  C. ,  Poemalia  lalina.  Aus  der  anlhologla  latlna, 
Virgilius ,  Martialis  und  Statins.  Mit  anmerkungen  für  schulen  hrsg. 
gr.  8.     IX  u.  138  S.     Nordhausen,    Förstemann.     geh.  Ya  4- 


Erasmi  Roterodami  dcclamalio:  Mo>(iia<;  'Eyxo'i/xiov,  id  est:  Stulliliac 
laus.  Ad  fidem  edit.  antiquae  Frobenii.  Figuris  Holbenianis  lign.  ine. 
ornata.  Cum  duabus  Erasmi  epislolis,  ad  Marl.  Dorpium  et  ad  Thom. 
Morum.  Accessit  dialogus  Epicureus.  gr.  8.  XL  u.  233  S.  m.  2  liih. 
Portr.     Lugduni  Bai.  (Roterodami,    Baedeker.)  cart.  n.  n.  IV4  4- 


II.     Erklärungsschriften. 

SBiffet^etf ,   Dr.  3ut. ,   t)ctl(ianbigc8  Sßortcrbuc^  ju  bm  gabeln  bcö  9)()übni3. 

4.  Dcrm.  u.  ücrb.  SfitSg.    8.     IV  u.  131  ©.    .f)nnnoccr,   .Oatjn.       G^J^  my. 
Brix,  Dr.,  de  Terentii  libris  mss.  a  Richardo  Benlleio  adhibitis.     16  S. 

4.     Gymn.-Progr.     Brieg. 
Knderlein ,  Fr.  L. ,    commentationis  de  Bamberg,  codice  institulionum 

Quinliliani  manuscripto  seclio  quarta,  undecimi  libri  caput  tertium  con- 

tinens.     17  S.     4.     Gymn.-Progr.     Schweinfurt. 

^eibftauit^,  Sfl-  ®f&-  /  }»t  ©rfUinmg  bf3  |)oraj.  ©inlcitungcn  in  bie  ein: 
jclncn  ©cbic^te  ncbft  erttürcnbcm  Slcgijlcr  bcr  Gigcnnamcn.  2.  fflb^n.:  <Ba- 
tirm  u.  Cfpi;1cln.     qx.  8.     VIII  u.  176  ©.     ^cibelbcrg,   g.  g.  «Sinter,  gcf). 

n.  14  njjt  (cplt.  n.  1  0^.) 

Forchhammer,  J.  N.  G. ,  quaesliones  crilicae  de  vcra  commenlarios 
de  bcllis  civili,  Alexandrino ,  Africano,  Hispaniensi  emendandi  ralione. 
116  S.     8.     Koppenhagen,    (Reitzel).  64  Sk. 

Frei,  Prof.  Dr.  J.,  der  Rechtsstreit  zwischen  P.  Quinctius  u.  S.  Naevius. 
Eine  Einleitung  zu  Cicero's  Rede  für  P.  Quinctius,  mit  besond.  Rück- 
sicht auf  das  Bedürfniss  der  Philologen  bcarb.  4.  38  S.  Zürich,  Höhr. 
geh.  n.  V3  4.  (30  Xr.  rh.) 

^tt^mÜUtV,  Dr.  ^.  5B.,  btc  mcfrtauifd;c  ffieipfagimg  in  Cnjib'S  4.  ©cloge. 
29  ®.    4.    ®9.nn.4>rDgv.    931ettcn. 


64     Lat.   Class.  Erklärungsschrlftcn.  —  II.  ErWärungssclir. 

Friihe,  Fr.  X.,  die  politische  Ansicht  des  römischen  Geschichtschrei- 
bers Titus  Livius.     52  S.     gr.  8.     Lyc.-Progr.     Constanz. 

Ciöttlingr«  Prof.  C. ,  de  duabus  Horatii  odis  commentalio.  8  S.  4. 
Ind.  schol.     Jena. 

Hag'elükcn,  Oberlehrer  Dr.,  de  Horatii  Flacci  carminum  elegantia. 
8  S.     4.     Gymn.-Progr.     Münstereifel. 

Halm,  Carol. ,  analecta  Tulliana.  Fase.  I.  cont.  lectiones  varias  ad  li- 
bros  rhetoricos  qui  ad  Herennium  inscripti  sunt  ex  codd.  collectas  cum 
brevi  adnotatione  critica.  hoch  4.  X  u.  58  S.  Monachii ,  Lindauer. 
geh.  n.  8  nji: 

Held,  Dir.  Dr.  J. ,  annotationcs  ad  locos  quosdam  C.  Cornelii  Taciti 
Annalium  difficiliores.     Gymn.-Progr.     Schweidnitz. 

^ofetf  V-  ß()fv  ii^f'^  fi"ii)c  corrupte  ©teilen  in  ben  «Schriften  U&  6.  Gorncs 
Uuö  SacituS.     28  <B.     4.     ©ymn.^'^r.     SD^Jündien. 

Horkel,  Dir.  Prof.  Dr.  Joan. ,  analecta  Horaliana.  gr.  8.  IH  u.  152 
S.     Berolini,  G.  Reimer,     geh.  2/3  <i^- 

^üCOft ,  ©t)mn.:©ir.  g-rbr.,  -öoraj  unb  feine  grcunbe.  8.  VII  u.  215  ®. 
.«Berlin,   |)er|.     gel).  _  __  n.  26  ngr 

Hohler,  L  E. ,  de  T.  Livii  Patayini  vila  ac  moribus.  Fase.  I.  .31  S. 
8.     Dr.  diss.     Berlin. 

Kreyssig",  Prof.  Dr.  Jo.  Theoph. ,  curae  secundae  ad  T.  LiTii  historia- 
rum  reiiquias  ex  palimpsesto  Toletano  erutas.  gr.  8.  22  S.  Älisenae, 
Klinkicht  et  fil.     geh.  n.  Vg  4. 

liörs,  Dir.  Dr.  V.,  commentarii  in  P.  Ovidii  Nasonis  Fastos  partic.  I. 
19  S.     4.     Gymn.-Progr.     Trier. 

Paldainns,  F.,  quaestionum  Sallustianarum  specimen.  29  S.  8.  Gymn.- 
Progr.     Dresden. 

^etti ,  -^[^ofratl)  Dr.  93.  S'.  ß- 1  ®ci"  ober  nicl)t  fein,  ober  Ijintcr  bem  SBergt 
tt)o^)nen  and)  ßcutc.  (Sin  polcmifdi^päbasjpi].  Kommentar  über  Horat.  Sat.  II, 
1.  20.  f.  ©elet;rte  unb  Sii^itgelel^rtf.  gr.  8.  30  ©.  Sraunfc^weig,  ©.  6. 
®.  gjJe^er  sen.     gel;.  _  _  n.  Vg  .^. 

Raphael,  Psyche.  32  Compositionen  nach  dem  Mährchen  des  Apu- 
lejus.  Gestochen  v.  Adf.  Gnauth.  1.  Lfg.  2.  Hälfte,  qu.  Imp.-4. 
2  Lith.     Stuttgart,    H.  Köhler.  ä  n.  6  na,i  (21   Xr.  rh.) 

Rapp,  historisches  Register  zu  Caesar.  Fortsetzung  und  Schluss.  S. 
65  —  115.     gr.  8.     Gymn.-Progr.     Offenburg. 

Reinhard,  Prof.,  de  aliquot  locorum  in  Cic.  or.  pro  lege  Manilia  fide 
historica.     Gymn.-Progr.     Freiburg  im  Breisgau. 

Ritschi,  Fr.  Prof.,  de  cantico  Menaechmorum  Plaullno  (IV,  2).  4  S. 
4.     Ind.  schol.     Bonn. 

—  de  cantico  Mostellariae  Plaulino  (yt.  85  —  115.)  4  S.  4.  Ind. 
schol.     ibid. 

Schaeflfer,  H. ,  de  sententiarum  nexu  quo  multi  intcrpreles  sex  priora 
libri  III.  carmina  Horaliana  jungi  opinanlur.  30  S.  8.  Dr.-diss. 
Marburg. 

&^tttitiCV,  ^rof.  3.  ©■ ,  jur  Grfläriing  f^u'ierigcr  ©teilen  in  Sötituö  §fgri; 
cola.  3.  Slbljanblung :  Saß  ^Hocmium.  ©inlabtingSfc^rift  b.  ^erjgl.  ©9m= 
nafiumg  ä"  ßobur^-     4.     28  ©.     Golnirg ,    (9iiemann.)     gc^.  d.  4  ngr. 

Schriften,  die,  der  römischen  Feldmesser  hrsg.  und  erläutert  v.  F. 
Blume,  K.  Lach  mann  u.  A.  Rudorff  2.  Bd.:  Erläuterungen  und 
Indices.  A.  u  d.  T.:  Erläuterungen  zu  den  Schriften  der  röm.  Feld- 
messer Y.  F.  Blume,  K.  Lachmann,  Th.  M  om  m  se  n  u.  A.  R  u- 
dorff.  Indices  t.  E.  Bursian.  gr.  8.  VIII  u.  536  S.  Berlin, 
G.  Reimer,     geh.  2V2  «^.  (cpit.  6%  ^.) 

Speng-el,  Prof.  Dr.,  specimen  emcndationum  in  Corn.  Tacitum.  18  S. 
4.     Festschrift. 

Stanko,  J.,  de  Petri  Viclorii  commentariis  originalibus  incdilis  in  li- 
brum  IV.     Acneidos.     15  S.     4.     Gymn.-Pr.     München. 


Spracbwiss.  —  1.  Zcilsclu".  Phllos.  u.  vcrgl.  Grauiin.  etc.     G5 

Stievenart^  de  la  psychologie  de  Scneque  ,    ou  Observations  sur  unc 
lettre  de  ce  philosophe  ä  Lucilius.     1   15og.     8.     Nanci,  (iriniblot. 


Sprachwisseiiscliaft. 

1.     Zcitschriftcu.     Philosopliisclie  und  vergleicLeude  (iraiu- 
luatik.     Allgemeine  Schriften. 

9Cv(bit>  für  ta&  Stubiiim  tcr  neueren  S'prac^cn  imb  öittfroturcn.  Unter  bf= 
fonberct  9JJitivirtuiitj  i?.  9lcb.  ^Mecfe  u.  .öeinr.  öiel;cff  i/x^.  o.  öubw.  ^^er^ 
rig.  12.356.  4  .fifte.  ^r.  8.  1.  u.  2.  .^^ft.  240  3.  Sraunfc^treiö,  SSe= 
flermann.  n.  2  Ȥ>. 

9lot!ff  Sibeffcift  for  SSibenff ab  cg  Sittcratiir,  ubgiöct  of  (5t) r.  S.  S(.  Sänge, 
geinte  SCargang,  trebie  .fn-fte.  304  ®.  8.  (Sbriftiania ,  geilberg  og  8anb= 
inart.  (S^iefe  ieitfc^rift  ift  üorroiegenb  pt)ilologi[c^  5  fte  erfc^cint  in  4  ^-»eftcn 
ia^tUd)).  Jk  •§.  42  5. 

Zeitschrift  für  die  Wissenschaft  der  Sprache.  Hrsg.  t.  Prof.  Dr. 
Albert  Hoefer.  3.  Bd.  3.  Hft.  gr.  8.  S.  257— 420.  Greifswald, 
Koch's  Verl.  n.  28  njt 

—  für  Tergl.  Sprachforschung,  siehe  unter  «Class.  Alterlhumswissenschaft.» 

—  für  deutsches  Alterthuin,   siehe  unter  «Deutsche  Sprache.»» 

rsB.  die  übrigen  Zeitschriften  sind  schon  im  ersten  Hefte  dieses  Jahr- 
ganges aufgeführt. 

Boppi,  Frz.,  vergleichende  Grammatik  des  Sanskrit,  Zend,  Griechischen, 
Lateinischen,  Litthauischen,  Altslawischen.  Golhischen  und  Deutschen. 
6.  Ablh.  4.  S.  1157-1511.     Berlin,  Dümmlcr's  Verl.     geh.  n.  4V2  4'- 

(cpit.  n.  19V5  4.) 

Bouvet,  L. ,    comparaison    du  grcc  et  du  latin  arcc  le  flamand  et  les 

autres  idiomes  de  la  Belgiqne,  et  avec  rallemand  et  l'anglais.  c.  800  S. 

8.     Gent.  Tollsländig  3   4^.  4  ngc 

Forster,  the  Rev.  Chas  ,  the  One  Primeval  Language  Iraccd  experlmen- 

tally    through  Ancient    Inscriptions    in    Alphahelic    Characters    of  Lost 

Powers  from  the  Four  Continenls.     Part  2.     8vo.     pp.  306,  cloth21  s. 

&af>tUn^,  -»ö.  6.  V.  b.,  SBfitriige  jur  Sprncfjenfunbc.     1—3.  -^ft.     gr.  8. 

gcipjig  ,    ä^roif  ()nuö.  ä  n.  24  ngc 

3nl)alt:     1.  ©rammatif    tcr   1)a']d--B\>xad)t.    48  S.      2.  (i'rainmatif  ber  350= 

tüta=2prad;e.     64  B.    3.  ©rammalit  tiv  itiriri=2prad^c.     \!(u6  b.  ^'»ortugief. 

be§  P.  9)1  amia tili  übcrf.     62  @. 

Grimm,  Wilh.,  zur  gcschichle  des  reiuis.  Gelesen  in  der  königl.  aka- 
demie  der  Wissenschaften  am  7.  Äliirz  1850.  gr.  4.  193  S.  Berlin. 
Göttingen ,  Dieterich.     carL  haar  n.  n.  2%  «^. 

—  Jac. ,  über  den  Ursprung  der  spräche.  Aus  den  Abhandlungen  der 
Königl.  Akademie  der  Wissenschaften  vom  J.  1851.  gr.  8.  56  S. 
Berlin,    Dümmler's  Verl.     geh.  n.  V2  4- 

^Olfiei;^  Sliector  Dr.  5B.  .g>. ,  llrbiingepi'rff  i't'fr  bie  erflen  ©nuibbegriffe  ber 
©ranimatif,  jiim  ©ebrauctjc  ber  uiUcri^cn  (Slaffe  e.  ©i^muafiiiniö.  gr.  8.  59 
<B.    9}?clborf.     (»ntoiia,    ed)liiter).     geb.  n.  12  ngc 

Parrat,  H.  J.  F.  ancien  prof. ,  principcs  d'ölvmologie  naiurellc  bascs 
sur  Igs  origines  des  langues  semilico-sanscriles.     Paris. 


66     Sprachwiss.  —  I.  Zeitsckr.  Philos.  u.  vcrgl.  Gramm,  etc. 

dta^f^lf  ^^tof.  ?OTor. ,  ©ruiibri^  lex  ©rammotit  te6  infco=curcpäif^m  @pra^= 
fl;flcmc6.  1.  S?&.  Sf.  "•  b.  3!.:  ffier^jlcic^cnbc  ©rammatif.  (Sncipclopäbif^f 
Srbtt).  gr.  8.  XII  u.  256  <B.     ©futUjart,  Sotta.  gd;.  1  4.  (1  fl.  45  Jfr.  t^.) 

Steinthal  ^  Privaldoc.  Dr.  H.,  die  Entwicklung  der  Schrifl.  Nebst  e. 
offenen  Sendschreiben  an  Hrn.  Prof.  PoU.  gr.  8.  113  S.  Berlin, 
Dümmler's  Verl.     geh.  n.  '/^  «^ 

SBatia  in  tem  Sercic^e  ber  tjerglcic^nibcn  Spra^forfc^ung.  I.  gr.  8.  26  (3. 
5Bicn ,    Stcriiicfd  u.  (Siiitcniö  in  Somni.     ge^.  3  ngc 

fSSicnl^arg ,  Dr.  8ubolf,  ba&  ©c^eiinnif  b.  5ßortf6.  ©in  Seitrag.  gr.  12. 
Xlll  u.  230  (S.    Iiamburg,   STuf.    gel;.  1  4,  3  näc 

Catalog'US  codicum  manuscriplorum  oricnlalium  qui  in  Museo  Britan- 
nico  asscrvanlur.  Pars  secunda,  Codices  Arabicos  complectcns.  Folio, 
pp.  180,  boards  14  s. 

Catalog'ue  des  manuscrils  et  xylographes  orientaux  de  la  bibliolh^que 
imperiale  publique  de  St.  Pelersbourg.  hoch  4.  XLIV  u.  719  S.  St. 
Pelersbourg.     (Francforl  s.  M. ,  J.  ßaer.)     geh.  baar  n.  n.  10  ^. 

@vä%C,  23ibUot[;eEar  Dr.  3oI).  ©co.  2!l;br. ,  üc^ibui)  c.  aügcmeinm  ßitcriirge= 
f^ic^tc  aller  bekannten  Sclfcr  bcr  SBcU,  uou  bcr  ältrf^cn  biß  auf  bie  neuere 
Seit.  3.  53b.  1.  STbtl;.  ST.  u.  b.  S.:  2)06  16.  3al;r^unbert  in  feinen 
©c^riflflcUern  unb  iljrcn  SBerfcn  auf  bcn  terfc^icb.  ©ebicten  bcr  ©iffcnfc^aften 
u.  fc^öncn  Äiinflc  litcrarljipotifii}  bargefJcUt.  6.  öfg.  gr.  8.  X  <B.  u.  ®. 
961  —  1283.     ßdpjig,  Sftnolb.     gct).  IV4  >^.  (I— Hl,  1.:  32  4.) 

—  3.  ffib.  2.  Sfbt^.:  »a6  17.  Satjrtjunbett.  1.  ßfg.  gr.  8.  ©.  1  —  192. 
ebb.    gel).  i  ^.  (I-Iil.  1.  2.:  33  ,f.) 

Neale«  Joannes  M.,  Sequentiae  ex  Missalibus  Germanicis,  Anglicis,  Gal- 
licis,  aliisquc  medii  aevi  coUeclae.     pp.  316,  clolh  7  8. 

91oii%  D.  M.,  Sketches  of  the  Poelical  Litteralure  of  the  Pasl  Half-Cen- 
tury :    in  Six  Lectures.     2d  edit.     l2mo.  pp.  347,    cloth  6  s. 

ffftuntt,  Uuicerfit.=23ibUotf)cfar  ^'»rof.  Dr.  Ä^br. ,  ©efc^ic^te  ber  ßiteratur  ber 
©egcnivart.  SSodcfungcn  über  bcutfc^c,  franjof.,  engl.,  fpan.,  italien.,  fc^web., 
ban. ,  IjoUänb.,  cliim. ,  ruff. ,  poln. ,  böijm.  u.  ungar.  öiteratur.  S3on  b.  3. 
1789  bis  jur  neucpcn  3cit.  2.  neu  bearb.  STufl.  8.  XiV  u.  896  ®. 
ßcipäig,    ©imion,    geb.  n.  2%  «^. 


II.     Ost-  und  nordaslatlschc  Sprachen. 

Indisch.    Keilschrift.     Persisch.     Aino-Sprache.   Japanesisch.    Chinesisch. 
Kalmükisch.     Dsanglun.     Wotjakisch. 

Ilessler,  Dr.  Franc. ,  commentarli  et  annotationes  in  Susrutae  Ajurv^- 
dam.  Fase,  prior,  cont.  Susrutae  aelatem  et  nicdicinae  systema.  gr. 
Lex.-8.     IV  u.  24  S.     Erlangae,   Enke.     geh.  n.  %  4. 

Jäska's  Nirukta  sammt  den  Nighantavas  hrsg.  und  erläutert  von  Rud. 
Roth.    3.  Hft.    Lcx.-8.    230  S.     Göltingen,   Dieterich.  n.  2  4. 

(1-3.:  n.  5  4.) 

Pouranas,  les.  Eludes  sur  Ics  derniers  monumenls  de  la  litterature 
sanscrite ;  p.  Felix  Neve.     3V2  Bog.    8.     Paris,   Douniol. 

^VO^nttO ,  3o^.  ©dtloff ,  SfnfangSgrünbe  c.  ©ramniatif  bcr  ^inbuilanif^cn 
©prac^e.     br.  8.    34  ©.     S3crlin,  5Ö.  ©c^ulfee  in  gomm.     gel;,    n.  V3  4- 

Badjatarang'i^  histoire  des  reis  de  Kachmir,  traduile  et  coramentee 
par  A.  Troyer,  et  publice  aux  frais  de  la  sociele  asialique.  Tome 
III.  Traduclion,  6claircissements  historiques  et  chronologiques  relatifs 
aux  7e  et  8e  livres.  46 V2  Bog.  8.  Paris,  au  burcau  de  la  Society 
asiatique,    rue  Taranne,    12. 


Spracliwlss.   —     II.  Ost-  und  nordasiatische  Sprachen.     G7 

Tetalapanca  Visati,  cinquo  novellc  Iiidianc.  Tradotlc  Icllcraimcntc 
iD  latino  col  tcstu  Sanscrita  a  fronte  preccdutc  da  una  prcfazionc  c 
seguite  da  un  commento  grammaticale  e  (ilülogico  su  tutta  la  prima 
novclla  e  da  aicune  note  critiche  ed  illustrative  sulle  altrc.  Vi  si  ag- 
giunge  in  forma  di  appendice  una  versionc  Italiana  per  B.  M.  B  o  r- 
tolazzi.     8.     Bassano.  2  fl.  24  Xr. 

Weber,  Doc.  Dr.  Albr. ,  akademische  Vorlesungen  über  indische  Lite- 
raturgeschichte. Gehalten  'im  Wintersemester  iS'Vsz-  gr.  8.  VI  u. 
285  S.     Berlin,  Dümmler's  Verl.     geh.  n.  2  «^.12  njc 

SLiti^an^aTalicaritam,  a  chronicie  of  the  family  of  Räja  Krishna- 
Chandra  ofNavadvipa,  Bengai.  Edited  and  translated  by  W.  Pertsch. 
Lex.-8.     XXIII  u.  136  S.    Ebendas.  n.  2  ^. 


Grotefend,  Schulrath  Dr.  Geo.  Frdr.,  Erläuterung  der  Keilinschriften 
babylonischer  Backsteine  mit  einigen  andern  Zugaben  u.  1  Steindrtaf. 
gr.  4.     IV  u.  31  S.     Hannover,  Hahn.     geh.  1/2  njc 

—  die  Tribulverzeichnisse  des  Obelisken  aus  Nimrud  nebst  Vorbemer- 
kungen über  den  verschied.  Ursprung  u.  Charakter  der  persischen  u. 
assyr.  Keilschrift  u.  Zugaben  über  die  babylon.  Current-  u.  medische 
Keilschrift.  Mit  2  lilh.  u.  2  gedr.  Taf.  in  qu.  gr.  Fol.  u.  gr.  5.  Aus 
d.  5.  Bd.  der  Abhandlungen  der  Königl.  Gesellschaft  d.  Wiss.  zu  Göl- 
tingen,    gr.  4.    93  S.     Göttingen,    Dieterich.  n.  IVj  «^. 

Chodzko,  Alex.,  grammaire  persane,  ou  principes  de  l'iranien  mo- 
derne, accompagnös  de  fac-simile  pour  servir  de  modöles  d'ecrituro 
et  de  style.     14  Bog.    8.    mit  5  Facs.    Paris,    Duprat.  10  fr. 

Pfizmaier,  Dr.  Aug.,  Abhandlungen  über  die  Aino-Sprache.  gr.  8. 
60  S.     Wien,    Gerold  in  Comm.     geh,  n.  16  njc 

—  kritische  Durchsicht  der  von  Dawidow  verfasslen  Wörtersammlung 
aus  der  Sprache  der  Aino's.     gr.  8.     183  S.     Ebd.     geh.  n.  1   ■^. 

—  Beitrag  zur  Kenntniss  der  ältesten  japanesischen  Poesie,  gr.  8.  36  S. 
Ebd.    geh.  n.  12  ngt 

—  über  einige  Eigenschaften  der  japanesischen  Volkspoesie.  Lex.-8. 
13  S.    Ebd.    geh.  _  6  ngc 

—  das  Li-sao  u.  die  neun  Gesänge.  Zwei  chincs.  Dichtungen  aus  dem 
3.  Jahrh.  vor  der  christl.  Zeitrechnung.    Fol.  32  S.  Ebd.  geh.  n.  16  ngt 

^\»\^,  •&•  Sf-/  ©rnmmatit  bcr  ffiefl=£0]otn)cliftf)m  b.  i.  Dirab  cber  Äalnuifi: 
f^en  ©pradjr.  4.  IV  u.  149  lit^.  ©.  mit  litf)üi^rom.  Sitct.  3:;oiiüuc: 
fc^iiiflcn ,  C®t^»">^0-    Öf^-  baar  2%  4. 

Schiefner,  AnL,  Ergänzungen  u.  Berichtigungen  zu  Schmidt's  Ausgabe 
des  Dsanglun.     lmp.-4.      95  S.     St.  Petersburg.     Leipzig,  Voss.     geh. 

n.  n.  IV3  ^. 

H'iedemann,  Gymn.-Oberlehrer  F.  J. ,  Grammatik  der  wotjakischen 
Sprache  nebst  e.  kleinen  wotjakisch-deulschen  und  dcutsch-wotjak. 
Wörterbuche,    gr.  8.     XLVI  u.  390  S.    Reval,  (Kluge),  geh.  n.  2  ^. 


68      Spracliwisscuschaft.   —     III.    Wcstaslatisclic   Sprachen. 

III.     Westaslatlsclie  Sprachen. 
Arabisch,     Hebräisch.     Punisch. 
Abii'l-Jflahasin  Ibn  Tag-ri  Bardii  annales,    quibus  litulus  est 

e  codd.  mss.  nunc  primum  arabice  edili.  Tomi  I.  partem  I.  ediderunt 
Prof,  Dr.  T.  G.  J.  Ju^'nboll  et  Dr.  B.  F.  Matthes.  gr.  8.  226  S. 
Lugduni  Bat.,  ßrill.     geh.  n.  n.  3  «#•. 

Bresnier,  L.  J. ,  anthologie  arabe  ölementaire.  Choix  de  maximes  et 
de  texles  yaries  la  plupart  inödils;  accompagnes  d'un  vocabulaire  arabe- 
francais.     11  Bog.     18.     1.:  Texte  arabe.     Paris,  Hachette.  5  fr. 

Description  de  l'Afrique  par  an  geographe  arabe  anonyme  du  6. 
siücle  de  Thegire.  Texte  arabe  publik  pour  la  premiere  fois  par  Prof. 
Alfr.  de  Kremer.  gr.  8.  YII  u.  83  S.  mit  lilhochrom.  Titel.  Vi- 
enne,  (ßraumüller).     geh,  n.  1%  »f. 

Doxy,  Prof.  R.  P.  A. ,  Nolices  sur  quelques  raanuscrits  arabes.  gr.  8. 
260  S.  m.  1  Steinlaf.  in  4.     Leydcn  1847-51.     geh.  n.  n.  1  4.  28  1131; 

—  scriptorum  Arabum  loci  de  Abbadidis  nunc  primum  edili.  Vol.  II. 
288  S.     4.     Leiden,  Brill. 

Ilaji  Khalfae  lexicon  bibliographicum  et  encyclopaedicnm.  Ad  codd. 
Vindobonensium  Parisiensium  et  Berolinensis  fidem  primum  ed.  laline 
verlit  et  commcntario  indicibusque  inslruxil  Prof.  G  u  s  t.  Flügel. 
Tom.  VI.  Literas  Mim  [Mofatehat-]  —  Ya  complectens.  Accedunt 
additamenta  tria  lexici  continuandi  et  supplendi  caussa  adjecta.  gr.  4. 
VJII  u.  679  S.     London.     (Lipsiae,  Brockhaus),  geh.  baar  n.  n.  iGy^  »^. 

Haminer-Purg'Stall,  Jos.  Frhr.  t.  ,  Literaturgeschichte  der  Araber. 
Von  ihrem  Beginne  bis  zu  Ende  des  12.  Jahrh.  der  Ilidschret.  1. 
Ahth. :  Die  Zeit  vor  Muhammed  und  die  ersten  drei  Jahrh.  der  Hid- 
schret.  3.  Bd. :  Unter  der  Herrschaft  der  Beni  Abbäs ,  vom  ersten 
Chalifcn  Ebül  Abbäs  bis  zum  Tode  des  neunten  Chalifen  Wasik ,  d.  i. 
vom  J,  d.  IL  132  [749]  bis  232  [846].  4.  HI  u.  985  S.  Wien,  (Ge- 
rold),    geh.  n.  13%  4.  (I,  1—3.:  n.  22%  ^.) 

—  über  die  Namen  der  Araber.  Aus  den  Denkschr.  der  k.  Akad.  der 
Wiss.     Fol.     72  S,     Wien,    (Braumüller),     geh.  n.  24  ngc 

Ibn-.4(IIiari  (de  Maroc),  histoire  de  l'Afrique  et  de  l'Espagne,  intitulee 
Al-baijano'1-Magrib,  et  fragments  de  la  chronique  d'Arib  de  Cordoue  ; 
le  tout  public  et  prßcede  dune  introduction  et  accompagne  de  notcs 
et  d'un  glossaire,  par  R.  P.  A.  Dozy.  2  vols,  gr,  8.  Leiden,  Brill.  16  fl. 

Ibn  'Akirs  Commentar  zur  Alfijja  des  Ibn  Mälik  aus  dem  Arab.  zum 
ersten  Male  übers,  v.  Prof.  Dr.  Dieterici.  gr.  8.  XXVIII  u.  408  S. 
Berlin,  Dümmler's  Verl.  geh.  n,  4  »^. 

Ibn  Jubair  (al-Kinani),  Travels.  Edited  from  a  ms.  in  the  univer- 
sity  library  of  Leyden,  by  William  Wright.  gr. 8.  398  S.  Leyden, 
Brill.  geh.  n.  n.  3V3  4. 

licxicon  geographicum,  cui  litulus  est, 

c  duobus  codd.  mss.  arabice  edilum.  Fase.  IV.  exhibenlem  literas 
DAL— ZA,  ed.  Prof,  Dr.  T.  G.  J.  Juynboll.  gr.  8.  III  u.  146  S. 
Lugduni  Bat.,  Brill.  geh.  n.  1  4-  ^  W-  (I— IV.:  n.  n.  3  «#.  28  iiär.) 
Ouvrag:es  Arabrs,  publies  par  R.  P.  A.  Dozy.  5c  et  dcrniere  li- 
vraison,  gr.  8.  Leyden,  Drill.  6  fl. 


Spracliwisscnschaft.  —  III.  Weslasiatisclic  Sprachen.        09 

Taberistancnsis  sivc  Abu  D  s  c  h  a  f  c  r  i  M  o  h  a  m  m  e  d  b  c  n  D  s  c  li  c- 
rir  Etlaberi  annales  rogum  et  legaloiiim  Dei.  Kx  cod.  manu  scri- 
plo  Berolinensi  arabicc  ed.  et  in  laliiuiui  Iraiislulil  Prof.  Joan.  G  o- 
dofr.  Ludov.  Kosegarlen.  Vol.  III.  gr.  4.  H  u.  251  S.  Clry- 
phisvaldiae,  libr.  Koch.  geh.  n.  5%  4'.  (l  — 3-=  "•  19  ^.) 


Cohen,  Maleachi,   Jad  Maleachi.  Inlroduclio  melhodologica  in  Talmud 

ejusque  commcntatores.     Denuo  ed.,  texlum  emendavit,   praefalionem, 

nolas  et  additamenla  adjecil  Ephraim  Herz.  4.  X  u.  320  S.    Bero- 

lini ,    Adolf  et  soc.    geh.  baar  n,  ö^/g  ^4*. 

Fürst  1)    Dr.  Jul. ,    hebräisches   u.  chaldäisches  Ilandwörlerbuch    üb.  das 

Alle  Testament.      Mit  e.  Einleitg.  e.  kurze  Geschichte  der  hebräischen 

Lexicographie  enthaltend.     2.  Lfg.    Lex.-8.    S.  177 — 352.      Leipzig,  ß. 

Tauchnitz  jun.  geh.  h  %  »^. 

Histoire    des    poetes    de    !a    Syrie.     12  Bog.  8.    Marseille,    Impr.  do 

Bellonde. 
^np^et,  3.  931.,  ljebr;iifd;e  ßcfcfxbcl.    2.  mi\  Sfufl.    12.    24  ®.    ÄfliTd,  3. 

©.  Sucföarbt.  gc[;.  n.  2  n^t. 

liCOnis  Mutinensis  examen  tradilionis,    duo    inedita  et  paene  incognita 

opuscula  compleclens,    quae  nunc  primum  edidil,  annotationibus  illu- 

slravit,    et    examini    submisit    I  s  a  a  c.    Reggio,    Prof.  et  Rab.     gr.  8. 

XVni  u.  2G9  S.     Goriliae,  (Paternolli.)  geh.  n.  n.   1%  ^. 

S-ÖWen^eim ,  8cf)r.  .£>.  3. ,   erficr  Unterricht  jum  Erlernen  b.  I;cbräifd}eu  8c: 

frnS,  mtifi  c.  furäcii  Stuireifij.   jiim  ßcfeii   in  rotibin.  ©dirift  it.  tcS  Sübifd); 

SDcutfdjen.     3ia(^    c.  neuen  SJtctljcbe   beavb.      (OTit   e.  äuirroort  t».  ^H'cb.  Dr. 

®.  (Satomcn.    2.  5fiifl.  8.     45  (3.     ^amburc),  Sßcrcnbfctjn,  cart.        ^,'4  «^. 
[iCotDOft^  ,    ßr.  3.  S^. ,]    5fuö   bcr  brtirdifdjcn  ©rammatif.      ©ine   ^Inleitiniij 

juni  ijrammat.  ^ücrfiänbuiffc  ber  -Ofil.  ©dirift.    3nnad)fl  f.  bcn  ©cbraiic^  bcr 

ifrocl.  ©c^üler   nn    bcn  ^ragcr  t.  f.  (Sninnaficn   u.  -9lcol[d)uU'n.    8.     48  S'. 

^Hag,  (SqIde'ö  5>crl.  (icl;.  12  n^jr. 

Veth ,    beknopte  Hebreeuwsche  spraakkunst.    2e  herziene  cn   vermeer- 

derde  druk.  XXVIII  u.  260  S.  gr.  8.  Amsterdam,  P.  N.  van  Kämpen.  3  fl. 
lü'olf,    J.    Robert,    a    Practical    Hebrew    Grammar;     wilh    Progressive 

Construclive  Exercises  lo  everj  Rule,  and  a  Reading  Book,    Post  8vo. 

pp.  2 IG,  cl.  6  s. 


C^toalb ,  S^mxx. ,  ©nt^iffcrun.^  bcr  ncupunifc^cn  3nfc^rtftcn.  JInS  b.  ©ctting. 
cjct.  5{n},  1852.  (St."l72  biö  175  abjjcbr.  8.  32  ©.  ©btthiöcn ,  S)ictc= 
rid).     gcl).^  6  1131:. 

Toison  d'or  de  la  langue  phenicienne,  par  l'abbe  F.  Bourgade. 
8  Bog.  fol.  u.  37  Tafeln.  [Sammlung  puuischer,  zu  Tunis  gefundener 
Inschriften].     Paris  B.  Duprat.  34  fr. 

IV.     AfrihaniscLe  Sprachen. 

(Aegjptisch.     Koptisch.) 

tti^Iemtintt  ^  Dr.  gjjar,  i^^  quousque  landem?  bcr  S^ampoUiouifdjrn  (3d)ulc 
u.  bie  Snf^rift  ü.  Slofctte  bcUu^tct.  gr.  8.  20  ©.  Berlin ,  SHittlcr  tmb 
®ot)n.     gel).  n.  Vg  «^. 

—    quae,    qualia,    quanta!      Sine  SBcPiitigung    bc6   quousque  tandem?    bcr 

(S^ampollionifd^cn  (Sdjulc.     gr.  8.     15  S.  (Sbb.     gc^.  n.  4  njjr, 

Epistolac  Novi  Teslamenli  coptice;  ed.  Lic.  Dr.  Paulus  Boelti- 
cher.     Lex.-8.     VI  u.  284  S.     Halae,  Anton,     geh.  n.  4  »f. 


70     Spracliw. —  V.  Amerlk.  VI.Türh.  Ungar.  VIL  Slav.  Spr. 


V.     Amerikanische  u.  oceanischc  Sprachen. 

Grammar  and  dicllonary  of  the  Dakota  language.  4.  London.        36  s. 

Williams,  William  D.C.L.,  Archdeacon  of  Waiapu,  Diclionary  of  the  New 
Zealand  Language,  and  a  concise  Grammar;  lo  which  is  added  a  Se- 
leclion  of  Colloquial  Scnlenccs.  2d  edit.  (1852),  8vo.  pp.  363,  clolh.  89. 


VI.     Türkisch.     Ungarisch. 

Bianchi,  T,  X.,  le  nouveau  guide  de  la  conversalion  en  francais  et 
turc.  2e  ed.  23  Bog.    8.     Paris,    chez  Boutaret.  15  fr. 

^Iciitfftv,  •&•  %-i  tfi^  üolKommcnc  u.  f^ncUe  lürfifd)e  ©clbfllcbrer.  (Sine 
gritubl.  lt.  lei^tfaft.  SfnUitg.,  bie  türf.  ©pra^c  in  furjcr  Seit  ti)forflif^  u. 
praftifd)  Icfcn,  fi^rcibcn  u.  fprct^cn  311  tmun.  Sicbfl  e.  Srni).  t?.  StcbcnSartcn, 
(Spri^roörtern,  e.  grcfen  Shiewaf)!  pcrfc^icb.  ©efprädjc  k.  £)itrd)nu3  m.  Qi- 
naucr  Scäci^ng.  bcr  S[uSfprad)c.  9ca^  bcn  Porjüglic^flcn  ClucUfn  bcarb.  8. 
VI  lt.  146  ©.     SBim,  Sßcncbift.     Qtl).  ^  1   «^.  6  njc 

Hammer-  Purg:stall,  Frhr.,  Bericht  üb.  den  zu  Kairo  im  J.  d.  H. 
1251  [1835]  in  6  Fol.-Bdn.  erschienenen  türk.  Commentar  des  Mesnewi 
Dschelaleddin  Rumi's.  Aus  d.  Silzungsber.  1851  d.  k.  Akad.  d.  Wiss. 
Lex.-8.     112  S.  m.  1  Steintaf.     Wien,  (Braumüller.)  geh.        n.  %  »f. 

f&aUaQt,  6arl,  [33  Ic^,]  praftifc^cr  Se(;rgana  jur  f^nellen  u.  grünblii^en  ©r= 
Ictnung  bcr  unoarif^m  ®prad)c,  naij  bcn  jirccfma^igflcn  neueren  S}Jett)Dbcn, 
torjügliA  na^  bcr  P.  Sr()n  l)r3g.  9}?it  e.  einlcit.  SScrn^ort  p.  ^rof.  Dr.  gjJor. 
sBaUofli.  2.  Perm.  u.  Perb.  STufl.  flr.  8.  VII  u.  102  ®.  ^efll),  ©cibel. 
ge(;.  n.  12  ngt 

ffttumtinn,  ßc^r-  ®- »  ""'f^  praftifcfjcr  8c{)rmciflcr  bcr  ungürifcf)cn  u.  bmt= 
f^cn  ©prac^e,  fott?ot;l  f.  Äinbcr  u.  Ovulen,  al3  an6)  f.  ©rraa^fcne  jum 
©ctbfluntcrrid^te.  Sine  (gonimUtng  P.  ungar.  u.  beutft^cn  Sßeifpiclcn,  (Scfprü; 
^en  je.,  um  bcibe  ©prai^en  in  furjer  3cit  ol;nc  ©rammatif  cb.  8cl)rcr  k.  er; 
Urnen  ju  tonnen.  8.     192  <B.    dbb.  n.  V3  4. 


VII.     Slavischc  Sprachen. 

Dobrowsk J  5  Prcsbyt.  Dr.  Jos.,  inslitulioncs  linguae  slavicae  dialecti 
veteris ,  quae  quum  apud  Russos,  Scrbos  aliosquc  rilus  graeci ,  tum 
apud  Dalmatas,  Glagolitas  rilus  lalini  slavos  in  libris  sacris  obtinet. 
Cum  lab.  aeri  incisis  IV.  Edilio  IL  prelio  viliori  parabilis.  gr.  8. 
LXVIII   u.  722  S.     Vindobonae,  Wenedikt.     geh.  2  ^. 

miklosich.  Fr.,  vergleichende  Grammatik  der  slavischen  Sprachen. 
1.  Bd.  A.  u.  d.  T.:  Vergleichende  Lautlehre  der  slav.  Sprachen.  Von 
der  kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Wien  gekrönte  Preis- 
schrift.  gr.  8.  XVI  u.  518  S.     Wien,  Braumüller,    geh.     n.  n.  42/3  4- 

Schleicher,  Prof.,  über  v  [-ov-,  -cv-]  vor  den  Casus-Endungen  im 
Slawischen.  Aus  den  Sitzungsberichten  1852  d.  k.  Akad.  d.  Wiss. 
abgedr.     Lcx.-8.     19  S.     Wien,  Braumüller,    geh.  n.  4  iiät 


Schleicher,    Prof.  Dr.  Aug. ,   die  Formenlehre    der  kirchenslawischen 


Sprachwiss.    —  VII.  Slavlschc  Sprachen.  71 

Sprache,  erklärend  u.  vergleichend  dargestellt,    gr.  8.  XXIII  u.  376  S. 
Bonn,  König,     geh.  n.  2Vj   o# 

fStO^,  Se^r.  Dr.  Sfug.,  neuer  ßcl^rgana  bcr  rufftf^en  ©prad^e.  gür  bcii 
©c^uU,  ^rioat=  unb  (3flbflitntcrrid)t  m6)  bcr  giübertfon'fdien  COTet{)obc  üct; 
faft.     2  S:()l.    8.     »crlin,  (5.  ©d)itlfec-6  33ud}br.  ßf^)-     ^  "•   %  4- 

®l>lOtuioX0,  S-/  ßcitfabeu  juin  crPcn  Untcrrici^t  in  bcr  ruffifc^cn  ©pradjc  f. 
iDeutfc^f.     gr.  8.     134  ©.  m.  1  ©teintaf.     Stcoal,  .ftlugc.     gel;,     n.  Vz  4- 

Dahlmann,  Piotr,  nouveau  dictionnairc  de  poche  en  languc  polonaise 
et  frangaise.  —  Nowy  slownik  podreczny  jezjka  polskiego  i  francus- 
kiego.  2  Voll.  [Franfais-Polonais.  —  Czesc  polsko-lrancuska.J  2 
Edition,  gr.  16.  1805  gcsp.  S.  od.  ööVg  B.  Breslau,  S.  Schletter, 
geh.  iVö     " 

^ti^,  3.  ^-i  Glcmcntürtuid;  jur  prafti[d;en  SrUrnung  bcr  polnifdjcn  ©prac^c, 
g-ür  ©pmnaficn  it.  9teolfd;uIcn  ücarb.  2  S[btt;lgn.  2.  ucrin.  SfujT.  gr.  8 
XVI  u.  261  ©.    ffireSlau,  Äcrn.     gc().  1   4 

^VOttQOtfiU^,  6f)rpf).  Sßlcflin,  auSfiil}rIic^c8  3)eutfc^4^olnifcI)cö  u.  ^olnifci) 
3)cutfc^c6  5Bi3rtcrlni4  1.  ob.  ©ciit[d)=poInifd)er  Sf)t.  in  3  8fgn.  3.  fcfir  tJcrm 
u.  Pcrb.  STufl.  9?eu  burc^gcfel).  u.  bebeutcnb  f  crm.  x>.  Dr.  3Ö.  SB  i;  3  j  o 
mierSfi.  I.  8fg.  Sf.  u.  b.  3^.:  Dokladnj  slownik  niemiecko  -  polski 
polsko-niemiecki.  Tom.  1.:  Niemiecko-polski.  Wjdanie  3.  Zeszyt.  1 
gr.  Lex.-8.  ®.  1—320.    Äßnigöbcrg,  ©tbr.  53ornträgcr.     gcf).  1  f^ 

Citaci  kniha,  ceskä,  pro  tridy  vyssiho  gymnasium.  Od  Prof.  Dr.  F.  L. 
Celakovskeho.  2.  Vydäni.  8.  Vlll  u.  604  S.  Prag,  Calve's  Verl. 
geb.  27  ngt 

Polyg^lotta  kralodvorskeho  rukopisn.  Text  v  povodnim  i  obnovenem 
pravopisu ;  preklad:  Rusky ,  serbsky,  illyrsky ,  polsky,  hornolu2icky, 
vlasky ,  anglicky,  nemecky;  ukazky :  dolnolu2ickeho ,  maloruskt^lio, 
krajnskeho,  francouzskeho  i  bolgarsk^ho.  Vydani  Väceslava  IlanK  v. 
12.     X  u.  794  S.  m.  1   Steintaf.     Prag,  (Kronberger.)  geh.     n.  2V4  4- 

^evthtl^f^f  ^einr.,  poUpänbigeß  2ct;rbiid)  bcr  bö^mijd)cn  ©pradic  f.  S^ciitfc^c. 
83crbunbcn  m.  praft.  Scifpidcn,  öcfcfiüdcn  it.  ©cfprcc^cn,  m.  bcfonb.  .fMnblicf 
auf  militär.  SluSbriiife.  Scarb.  nac^  ben  PcrjüglidjPcn  ClucUcn.  8.  VI  u. 
288  ©.    SBicn,  SHJcnebift.    gc().  1   4. 

Ristic ,    Jovan ,    die   neuere  Literatur   der  Serben.    8.     47  S.     Berlin, 

Schneider  et  Co.     geh.  V+   4- 

^^malet,  3.  ®. ,  fUinc  ©rammotif  bcr  fcrbifc^  =  wcnbifd)cn  ©prad)c  in  bcr 

Dbcrlaufi^. —  Mala  serbska  rycnica.  8.  50©.  Snu^cn,  ©djinalcr.  gclj.  Oiigt; 
Tnk  Stephanoi« lisch  Karadsrhitsch  ,    lesicon  serbico-gernia- 

nico-latinum.     Lex.-8.     XYI  u.  862  S.     Vindobonae.     (Berolini ,    G. 

Reimer.)     geh.  6  g^. 

^tö^lt«!^  /  ^ub.  ST.,  |>anbtrbrterbud)  bcr  ilirifc^cn  it.  bcutfc^cn  ©proc^c. 
2Jl\)[e.  [3liri[d}=bcutf(^cr  S'^l.  —  £)cutfc^=ilir.  Zi)\.]  Sf.  u.  b.  S.:  Recnik 
ilirskoga  i  nemackoga  jezika  ,  sastavio  ga  Rud.  V.  Veselic.  gr.  16. 
1.  Tbl.  XI  u.  570  S.     Wien,  Wenedikt.    geh.  3  4. 


VIII.     Keltisch. 
liCO,  Heiar. ,  Ferienschriften.     Vermischte  abhandlungen  zur  geschichte 

10 


72  Sprachwiss.    —  IX.  Germanische  Spraclien. 

der    deutsclien    u.    keltischen    spräche.     2.  Hft.     gr.  8.     VI    u.  325  S. 
Halle,  AnCon.  iVj  4-  1.  2.:  2   4-  29  ngc 


IX.     Germanische  Sprachen. 

1.     Deutsch. 

Zeitschrift  für  deutsches  Alterthum  hrsg.  v.  Mo  r.  Haupt.  IX.  Bd. 
1.  Hft.     gr.  8.     S.  1-192.     Leipzig,  Weidmann.  ä  Hft.  n.  1   ^. 

(Litteraturgescbichte.) 

fSatt^ei,  Gart,  in  bcittf^e  9?ationaIlitcratur  fccr  ^Rcujcit  m  f.  9id^c  t>.  83or« 
Icfiiriijfn  bargcficUt.  3.  obcrmals  flarf  örrrn.  u.  ücrb.  Sfiifl.  gr.  8.  XV,  u. 
583  @.     ffirnunfd)ircii^,  Scibrcrf.     gdj.  n.  1%  «-f.j  ijfb.  n.  n.  2  »f. 

jBttUI^,  ^^forrüicar  ffi?ill). ,  ba6  Äirc^cnticb  in  feinet  @efd)id)tc  u.  S3ebeiitiino|. 
3ur  S?deiic^tuni]  bet  ©cfangSbiic^Snotl}  im  ©rcptjfrjpgtf).  Reffen.  @ine  SJcif- 
[^rift  f.  bie  ©rbilbeten  in  ber  ©emcinbc.  8.  XV  u.  294  ©.  grüntfurt 
a.  SK.,  5Brönncr.     ijctj.  n.  27  ngt  (l  gl.  30  ifr.  rfj.) 

f&tii^ttd,  Dr.  3.  ©.,  bcr  .^umorifl  it.  ©atirifcr  3o(;anncS  SarißcuS.  20  ©. 
4.     ©i)mn.;5?r.    5f}jü„^f„. 

iSrÜH^I,  Dr.  3.  Sf.  9}?or.,  ©cf^i^te  ber  fatfjolifc^en  ßitcratur.  3n  triUfd)- 
biogropt).  Umriflen.  3n  2  ffibn.  ob.  ca.  15  ßfgn.  1.  S3b.:  ©efc^id)tc  bcr 
fat^cl.  ßiteratur  ©eutfc^tanbS.  1.  ßfg.  gr.  8.  <B.  1—80.  ßcipjig,  |)üb-' 
ncr.     öf^-  n-  Vs  »#• 

jSBud^tiet,  Dr.  5S5iIb. ,  ßcfjrbiit^  bcr  ®cfcf)irf)tc  bcr  bcutf^en  9?attonaUitcratur 
nebfl  e.  Stbrif  bcr  bcutfd^cn  Äunftgcfc^idjte  aU  2fnt)ang.  gär  l;öl)crc  ßcfjrans 
palten  u.  bcn  ©elbfliintcrridjt  bcorb.  gr.  8.  XII  u.  371  @.  SUainj,  %a= 
ber.     gc^-  .  .  "•  27  ngt  (1  gl.  24  3fr.  rl) ) 

Diemer,  Jos.,  kleine  Beiträge  zur  älteren  deutschen  Sprache  u.  Litera- 
tur. 1.  Thl.  Aus  d.  Sitzungsber.  1851  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  Lex.-8. 
t30S.  m.   1.  Steinlaf.  in  Tondr.  Wien,  (Braumüller),  geh.  n.%4- 

^ÜtVinQ,  Dr.  ^f)einr.,  ©i*itIcr'S  ©elbfld^arattcrijlif.  diad)  b.  25irf)tcr3  53ric5 
fcn  feit  feinem  18.  ßcbcn§jal;re  bis  jum  lc|tcn  enttrorfcn  16.  Vill  u.  518 
©.     ©tuttgart,  .g>aUbcrgcr'fc^c  StrlagSl).     gel).         1   «^.  (1  gl.  45  Xt.  rlj.) 

—  ®d)illcr'6  ©türm;  ii.  Srangperiobe.  @in  S.n'itrflg  jiir  beutfc^cn  ßitcraturgc* 
fc^id}te.     gr.  16.     334  ©.     SBcimor,  3anfcn  ii.  Co.     ge^.  1   ^. 

^Ünktt  p  '&•  /  greunbcgbilbcr  oiiS  ©octljc'S  ßcbcn.  ©tubicn  jum  ßcbcn  b. 
©idjterS.     gr.  8.     XV  u.  623  ©.     ßeipjig,  S^pf.     gt^.  3%  o^. 

&^attt,  ßubrt).,  SorUfungcn  üb.  ©octlje'ö  Torquato  SafTo.  Vorgetragen  in 
ber  STiila  bcr  23crncr:.f)cid;fc^iilc.  fficrfiicb  e.  litternrifd):iif}()ct.  ÄommcntarS  f. 
grcunbe  b.  3)id)ttr8  ii.  ^ö()cre  ßkl;rcinftaUcn.  gr.  8.  VIII  u.  314  ©.  Sern, 
gifdjer.    getj.  \%  4. 

&tVtinQev,  3.  25.,  bie  gricc^ifc^cn  Glem-ntc  in  ©cbiUer'8  S3raiit  oon  5D?e[= 
ftna.     28  ©.     4.    ®t;mn.=5)r.     9feuburg  a.  b.  5)onau. 

Gödeke,  Karl,  das  mittelalter.  Darstellung  der  deutschen  litcratur  d. 
miltelalters  in  literaturgeschichtl.  Übersichten,  einleilungen ,  inhaltsan- 
gaben  u.  ausgewählten  probestücken.  2.  u.  3.  Lfg.  Lex.-8.  S.  145  — 
480.     Hannover,  Ehiermann.     geh.  h  n.  y^  4- 

Graf,  Gymn.-Prof.  Rainer,  Zeittafeln  zu  Göthe's  Leben  u.  Wirken,  gr.  8. 
87  S.     Klngenfurt,  (v.  Kleinmajcr.)  geh.  n.  16  ngr. 

^omhctQ,  3;inctte,  ©cfdiidjtc  bcr  fc^L^ncn  ßitcrcitur  ber  J)cut|'ctcn  f.  grauen, 
gr.  8.     XXIV  11.  618  ©.     S)iifTfU^orf,  ©d^cUcr.     gel).  2  4. 

^0^,  ©tabtpfr.  ©b.  g-mil,  ©ifd^ic^fc  b.  Äird)enlicb3  u.  Äir^cngcfangS  ber 
djriftlicbcn  ,  inSbcfonbcre  ber  beutfc^cn  ft)angcl.  .Kir^c.  1.  'S)aiipttl)cil:  35ic 
!J)id)tcr  II.  ©änger.  1.93b.  2.  t)crb.  u.  biircf;nui5  üevm.  Sfiiff.  gr.  8.  XX 
u.  400  ©.     ©tuttgart,  ä^elfer.     ge^.  27  n^i  (l  gl.  30  ix.  x^.) 


Spiacbwiss.  —  IX.  Germanische  Sprachen.  73 

StnütteU,  fxeb.  STuöM  ©ffcljic^te  bcr  fc^öncn  gitcrotur  ber  ©eutf^cn  in.  S3ci» 

fpielcn.     giir   I;üf)cre  2!i3cl;tcrfd)ulcu  ii.   jum  Selbfluiitcrric^te   bcarb.    Sn.-S. 

XII  u.  436  ®.     3?rc6lau,  (Sra^,  ä^artf)  u.  60.  Strl.     gel;.      2  4.  12  ngu 

J(Ut}^    Dr.  .^cinr. ,  .Jinnblnic^  bcr   bcutfc^cn  5)rc[a   0.  0ottfd}cb    Inö    auf  bit 

ncucfie  3iU.    .»^nflorifdj  gcorbncte  (gnmniluiui   i\  'l'^iifltrilücfcn    qu6  bcn  üov^ 

jügliC^flcn  yrofnifcru  unter  a3crüif|'it^t.  aller  ÖattuiuK"  bcr  profaifc^cn  Sd)rctO= 

art ,    ncbjl   e.   ljtcrarifd;=af^()ct.   Äommcntar.     3.  2f  b(l). :   8iterürifd}:äpi)cti(c^ev 

Äcmmeiitar.     2  Xnilftcn.   t;oc^  4.     1.  ^Oälftc  S.  1-240   ob.  15  SB.     3üric^, 

aj^fi^er  u.  Scücr.  oel).  1%  «f-  (3  gl.  rl).)  cpit.  i  4.  ITVz  "91^  —  Sgl.r^.) 

—  ®tfc^id|te  bcr  beutfc^cn  l'iteratiir  m.  ^'»rcbcii  auö  bcn  5öcr6cn  bcr  ccrjiujUc^-- 

(Icn  ©c^riftflcUcr.     ?t)ht  üichn  3Uuflr.  in  ciii^cbr.  .Doljfdjn.     6-9.  üfq.     gr. 

ßcj:.=8.     1.  S3b.  ®.  321-576.     üimu^,  STeutncr.     c\(i).  ä  9  ngc 

jßel^tnann ,   ®i;mn.;35ir.  ^rof.  Dr.  Zsci).  STuö.  O.  S  ,  ©oct^e'ö  eprad)e  «. 

il)r  ®cift.  ßr.  8.  XIV  u.  404  S.    S3crlin ,  aUgfin.  bcutfdjc  öcrlaüe^^Srnflalt. 

gc().  n.  1    »^  24  n^t 

Püning-,  über  das  alisächsische  Gedicht  »der  Heliand«.  29  S.  4.  Gjnin.- 

Progr.  Recklinghausen. 
^ii<^on,  (Eon[\\i.--^aH)  Sfrc^ibiat.  ^rof.  Dr.  %.  S(.,  Seitfobcn  jur  ©cftbit^te 
bcr  bcutfc^cn  ßitcvatur.     10.  »crm.  Sfufl.     gr.  8.     XVI  u.  235  ©.    Berlin, 
S^uncfer  u.  |)umblct.  V2  *f  • 

Püfz,  Oberlehrer  \V.,  die  Ueberreste   deutscher  Dichtung    aus  der  Zeit 
vor  Einführung  des  Christenlhums.    31  S.    4.  Progr.  des  kathol.  Gymn. 
Köln. 
&aupe,  @9mn.:©ubfonrcftor  ©rnfl  3u(.,  bic  (Sd)iücri®octt;c'fc^fn  Xmtn,  tXi 
läutert.    8.     XIII  u.  328  ®.    ßeipji.j,  SBcbcr.     gel).  n.  IV2  4. 

&^9U,  £>cfan  ©lob.  |)cinr.  g-rbr.,  u.  3)iaf.  Dr.  Sraug.  ^fcrb.  ®d)oll,  beut- 
fd^e  ßiteraturgefc^idjtc  in  S3ioiiropt}icn  u.  ^-^vobcn  quS  allen  3al)rl)unberten, 
jur  @elbflbclcl)rg.  u.  juin  ©cbraud)c  in  l)bl)crcn  Untcrridjtgonfialten.  2.  23b. 
3.  tjcrm. ,  bis  jum  3.  1852  fortgcfübrte  5fufl.  Sl.  u.  b.  S.:  ©c[c^id)tc  bcr 
tieubeutfd)cn  ßiteratur  in  yrcbcn  u.  SBIograpljicn.  gr.  8.  XII  u.  983  ©. 
©tuttgart,  ebner  u.  ©cubcrt.     gel).  1  V2  «f.  (2  gl.  24  i"r.  r^.) 

—  Dr.  Traug.  Ferd. ,  Zeittafeln  der  A'aterländischen  Literatur  unter  Ver- 
glcichung  m.  den  gleichlaufenden  Regenten,  Künstlern,  ausländ.  Schrift- 
stellern u.  Weltbegebenheiten,  f.  höhere  Schulen  u.  zum  Privatgebrauch 
entworfen.     4.     Nil   u.  97  S.     Schw.  Hall,  Nitzschke's  Verl.     geh. 

27  ngt  (1   Fl.  30  Xr.  rh.) 

&^ivaft,  ©. ,  u.  Ä.  ^Itt^lfel,  erflcr  ??aiitrag  ju  bcm  SBcgwcifcr  burd)  bic 

ßitcratur  bcr  S)cutfc^cn.    din  ^anbbuä)  f.  ßaien.     .f)rSg.  d.  Dr.  Jtarl  Ätü= 

Pfd.  gr.  8.     VI  u.  107  (2.     ßtipjig,  ©.  9JIai;cr.     gel).  n.  ^/j  «f. 

^tmm,  ÄoUab.  Dr.,    baB  9?ibclungcnlicb   noc^  ©arHcUung  u.  Sprache  c.  Urs 

bilb    bcutfc^cr  ^■»oefic.     gr.  8.     VI   u.   218   <S.     S^aüt ,  Änapp'ö   Sort.^a3. 

gel,.  n.  IV«  *^. 

fSSe^et;^  9?rof.  Dr.,  ©co. ,  bic  @cfd)ic^tc  bcr  bcutfd)cn  ßitcratur  nac^  iljrcr  or^: 

gan.  (Sntaicfctung ,   in   c.   Icii^t  iibcrfc^aulidjcn  ©runbri^   bcarb.     4.    bis  auf 

bic  ©cgcnannt  fortgcfiiljrtc  «fuff.     gr.  8.    VIII  u.  128  ®.    ßcipjig,  9B.  (in- 

gelmann.     gel).  12  ngc 

SaSott^etm  &tt  ^onfectt,  35oc.  Dr.  gfjep.  $r.  e. ,  furjgcfaftc  ©cfd)id)tc  bcr 

bcutfi^cn  ßitcroiiir.    Sccbfl   c.  Sfnl). :   23iil;ncnäUflänbe   u.  Sorfdjlüge  jur  ©er:; 

bcfferung  birfclbefi.     2.  Sfuft.     12.     X  u.  215  <B.    |)amburg,   (gc{)ubert()  u. 

6c.     gclj.  %  4- 

Zacher,   Jul.,    die  deutschen  Sprichwörtersammlungen    nebst  Beiträgen 

zur  Charakteristik    der   Meusebachschen  Bibliothek.     Eine  bibliograph. 

Skizze,     gr.  8.     55  S.     Leipzig,  T.  O.   Weigel.     geh.  %  •^• 

(Lexicographie.) 
fStin^mtiet,  ^ofrat^  Dr.  (Fb.,  Glossarium  diplomalicum  jur  ©rflörung 


74  Sprachwiss.  —  IX.  Germanische  Sprachen. 

fc^irierigcr,  einer  biptomat.,  ^iflor.,  fac^l.,  ob.  2Börtercrflärung  bebürftiger  ta= 
teil!.,  l)oct)=  n.  bcfonbcrö  nicbcrbeutfdjer  SKörtcr  u.  gormcln,  »dc^e  fid)  in 
iJffcntl.  u.  yritaturfunben ,  Kapitularien ,  ©cfe^en  k.  b.  gefammtcn  beiitfcf)en 
5iRittdaltcrg  fiubcn.  a}]it  llnterflii|g.  e.  Siereinö  t).  ©dcljrten ,  auä  arc^ioal. 
u.  gcbruiften  Hudlen,  u.  mit  bcn  bcften  literar.  |>ilf6niittdn  bearb.,  u.  biirtii: 
weg  m.  urfunbl.  ÖdctjflcUen  oerfc^tn.  l.  S5b.  1—5.  .'gtft.  [A— Azingen.] 
gol.    (S.  1  —  232.     Hamburg  u.  ©ctf)a,    gr.  u.  STnbr.  ^Vrtb^cS.  ä  n.  1  ^ 

^etnut:^,  S.,  »oUftünbigficS  toerbcutfdjcnbeS  u.  crflürenbcS  grcmbrnörtfr^aBud) 
bcr  bcutfdjen  Schrift;  u.  Umganijgfprac^e  m.  fficjci^ncj.  fcer  ri^ticjcn  STuS; 
fpradie,  ©ctonung  k.  bcr  SBörter  K.  |)r8g.  t?.  ^.  ^arbatfc^cr.  5—7. 
ßfg.    ))oi)  4,     (3.  38.5—672.    S3rini,  5öiniter.    gel;.  ä  n.  Vj  «f. 

Eberhard,  ülaass  u.  J.  G.  Gruber,  deutsche  Synonymik.  4.  Aufl. 
durchgesehen,  ergänzt  u.  vollendet  v.  Dr.  Carl  Herrn.  Meyer.  1.  Bd. 
1—5.  Lfg.     8.     S.  1—320.     Leipzig,  Barth,     geh.  ä  n.  Ve  4. 

^atfveau,  Dr.  e.  ST.,  üoUfiänbigeS  gremb=  u.  @a§=2Börterbu^.  (Sin  ^anb- 
bit^  f.  Si-bcfmann  jur  grfldrg.  u.  ßrlcic^terg.  b.  2>crPc^en3  aller  in  bcn 
SBiffenfcljaftcn,  Äünflcn  u.  ©eircrben ,  in  Leitungen ,  geric^tl.  85ert)(inMgn.  jc. 
wt\)x  ober  minbcr  gebräud}l.  ©c^riftfürjungen  u.  frcinben  StuSbrücfc,  in.  Sßt= 
äcidjng.  bcr  STbldtg.,  bcr  5{u6fprac^e  u.  bcr  35dong.  bcrfdben.  3.  Slufl.  Perm, 
u.  Pcrti.  wn  ^>rof.  (g.  ©.  ü.  |)ieront)mi.  1.  Stil.  S(— 2.  gr.  8.  480  <S. 
S3crlin,  fe".  |)ei;mann.     gel).  1   ^. 

^temtt09ttttfnti^  nebft  ©rflarung  bcr  in  unfcrcr  ©pra(^e  pprfommenben 
frembm  SfuSbrücfe.  15.  f^art  ücrm.  2lufl.  gr.  16.  412  ©.  ßnpjig,  O. 
SÖiganb.    ge^.  Vz  4- 

Grimm,  Jac. ,  u.  Wilh.  Grimm,  deutsches  Wörterbuch.  2 — 4.  Lfg. 
Allverflucht— ausschreien,  hoch  4.  S.  241  —  960  od.  ä  15  Bog.  Leip- 
zig, Weidmann,     geh.  ä  n.  ^/^   ^. 

Heufler,  R.L.  v.,  ein  botanischer  Beitrag  zum  deutschen  Sprachschatz. 
Aus  e.  Sendschreiben  an  die  Brüder  Jak.  u.  W.  Grimm,  gr.  8.  38  S. 
AVien,  Gerold,     geh.  Vz  »^• 

^Offmann,  5Bill).,  atlgemdneä  grcmbiröttcrbuc^  jur  Scrbeutfc^iing  n.  ©rflä» 
rung  ber  in  unfcrcr  ©pracfje  porfomnicnben  frcmbcn  Sfuebrüdc.  SDlit  2(ngabe 
it;rcr  5fbfiammung,  STuSfpradje  u.  23donung.  2  3;l)le.  in  1  ffib.  gr.  8.  VII 
u.  768  e.     Sdpjig,  5Bcber.     gel).  u.  2  ^. 

—  üolIflünbigflcS  SBcrtcrbuc^  bcr  bcutfc^cn  <Sprad)e,  \vk  ftc  in  bcr  allgcm.  Sites 
ratur,  bcr  ^ocfic,  bcn  2Bift'cnfd;aftcn  k.  gebrüud)lid)  ifl,  m.  Sfngabe  bcr  Sfbs 
flammung,  ber  Dtec^tfc^reibg. ,  ber  5öortfcrmcn  jc. ,  iicbft  e.  turjcn  Sprad)= 
Id;re  k.  8—12.  ^ft.  Se):.=8.  1.  ffib.  VIII  <B.  u.  ®.  561—810.  2.5Bb. 
<S.  1—160.     Sdpjig,  Gclbi^.  ä  V*  «^. 

ffti^ti^ ,  S^ir.  g.  @. ,  furjgcfüptc  faufmünnifc^e  3!erminologie  nebft  bcr  ä^ers 
bcutfc^ung  u.  (S'rElürung  ber  im  ^f>anbd,  ©cwerbe  u.  gabrifbdriebe  üblichen 
gremb^SBi^rter.  ^anbbuc^  f.  .f)anbclSbcfliffcne  übcvl)aupt ,  befonberS  aber  f. 
|)anbd8-',  ©eracrbe :  u.  23ürgerf($ulcn.  8.  54®.  SBien,  SBatliS^auffer.  gel).  Sitjc 

^atittt^,  Dr.  ©an. ,  iia^  bcutfd)e  Süörterbui^  p.  3aEob  ©rimm  u.  2ßilt)dm 
©rimm  tritifd)  beleuchtet.  8.  104®.  Hamburg,  ^offmann  u.  Sampc  gc^.  12ngc 

Q^XitXlvf^,  üoUfianbigeS  furjcrflärenbeS  |)anbbud)  ber  grembtvörter ,  redete 
in  ber  beutfc^cn  ®c^rift=  u.  Umgangßfprat^e  üorEommcn,  nebj^  Stuefprac^e.  2. 
Sfufl.     12.     III  u.  383  ®.    |>amburg,  ©^ubcrt^  u.  Gomp.  ge^.    n.  Vz  4- 

SSSe^eV,  3-,  neucfleS  PoUpiinbigeS  grembwbrterbuc^.  Gntljalt  üb.  13000  frcmbe 
SBbrter  u.  SRcbcnSartcn ,  m.  S(ngabe  ber  richtigen  SCuSfpra^e  u.  (Sin  S^^nf)^ 
u.  SRac^fcfjlagcbu^  f.  3eitung6lcfer  2C.  6.  5(ufl.  32.  239  ®.  Cueblinburg, 
<Srnfl.  gel).  Vs  4- 

SSSeigand ,  Dr.  ^v-rbr.  8ubw.  Äart ,  SBBrtcrbu^  ber  bcutfc^en  3t)noni;men. 
2.  *2ru6g.  mit  «öcrbcffcrgn.  u.  neuen  Sfrtifdn.  2.  S8b.:  ^— 9t.  gr.  8.  XII. 
u.  594  ©.     gjjainj,  Äupferbcrg.    cart.  (a)  2  4.  (3  gl.  30  Ir.  rl;.) 

f&ße^^,  ©t)mn.  =  ^^rof.  3.  83.  Sr. ,  praftifc^cS  .f)anbwi5rterbuct)  b.  ©eutfdjen 
©prac^gebrau^S,  ent^.:  a.  bic  (Srflarg.  ber  3)cutfc^cn  u.  übl.  grenibwörter  2c, 
b.  e.  ^ufammcnpdlg.  berjcnigen  9legdn ,  gegen  n?rtc^e  am  mciflcn  gefehlt  }u 


Sprachwiss.   —   IX.    Germanische    Spraclicii.  75 

werben  p[(ei)t,  c  bie  bei  ITbfafffl.  ü.  S3ricfen  u.  (Supptifcn  öfträiic^l.  ^oxma- 
lien,  lt.  d.  bie  im  bünjcrl.  geben  oorfpinmenben  (Sefcf)aft6au[|'ä^e.  4.  .f)ft. 
flr.   8.     ©.  453-680.    SU'öenSburd,  %\i^d.  12  ngt  (30  A"r.  r().) 

—  bafTelbe  5.  ^ft.  qx.  8.  2.  ffib.    ©.  1—124.     (äbb.  V+  4.  (24  Ä'r.  rl;.) 

1-5.:  1   4.  12  ngr    —  2  gt.  12  Xx.  rt;.) 

SSSurm,   ^rof.  Dr.,   ,3ur  S3eurtf;eihina  b.   beutfd)cu  Sßörterbuc^ee  f.  3af.  u. 

SBil^.  (Srimm,   äu^leic^   e.  SJeitraß   inx  bciitfc^en   «e);icoi)tapt)ie.    4.     34  ®. 

SJlün^en,  granj.    Qt\).  V3  •^. 

(Grammatik.) 

Ahn,  Prof.  Dr.  F.,  a  new,  practica]  and  casy  melhod  of  learning  ihe 
Gcrmau  languagc.  1.  Course.  3.  Edition.  8.  86  S.  Leipzig,  Urock- 
haus.     geh.  n.  V,   *^. 

—  nouvelle  m^thode  pratique  et  facile  pour  apprendrc  la  langue  al- 
lemande.  III.  Cours ,  rcnfermant  des  morceaux  choisis  de  lilteraturo 
allemande,  faciles  et  gradues  ,  et  accompagnes  de  notes  explicatives. 
8.     IV.  u.  91  S.     Leipzig,  Brockhaus.  n.  8  ngt  1 — 3.:  n.  26  njr. 

Bacharach,  IL,  grammaire  allemande,  ä  l'usage  des  classes  supericu- 

res.     2e  ed.     5  Bog.     12.     Paris,  Ilachette. 
Bauer  I,    Cand.  Frdr. ,    Grundzüge   der  neuhochdeutschen  Grammatik  f. 

höhere  Bildungsanstalten.     2.  sehr  verm.,    zum  Theil    gänzlich   umge- 

arb.  Aud     gr.  8.     X.  u.  136  S.     Nördlingen,  Beck.     geh. 

V2  ^.  (45  Xr.  rh.);   Parliepr.  bei  15  Expl.  12  113t  (36  Xr.  rh.) 
Bonihoff,  D.,  oefeningen  ter  vertaling  in  het  Hoogduitsch.     Een  ver- 

volg    op    alle    Spraakkunsten    van    die    taal.      186    S.     8.      Nijniegen, 

Thieme.  "^1^  fl. 

&ta%mann,  «y.  >&.  ©.,  «eine  beutfiie  ®prad)let)re  f.  S3oIf6[c^uIcn.   4.  Sfufl. 

8.     VI  u.  149  ®.    Berlin,  ©.  Slcimer.  ^  n.  Ve  4- 

Grimm,   Dr.  Jac,    deutsche  grammatik.     l.Thl.;   2.  ausg.     Unveränd. 

abdr.     gr.  8.     XVI  u.  1084  S.     Göttingen,  Dieterich.  n.  4V2  «f  • 

—  2.  Tbl     Unreränd.  Abdr.     gr.  8.     XII  u.  1021  S.   Ebd.     n.  41/2  ^. 

—  über  frauennamen  aus  blumen.  Vorgelesen  in  der  akadcmie  am 
12.  Febr.   1852.     gr.  4.     28  S.     Berlin,  Diimmler's  Verl.  geh.  n.  12  ngt 

&Utf>iev,  2)ir.  Dr.  Sfbf.,  beutfctc§  ©prac^bud)  aU  ©ninblage  b.  »crgteidjcnben 
©pra^=Unterri^tS  ent^.  Sefefiüde  in  l)ocI)tcutfc^cr  (Sprache  u.  in  bcn  beutfc^cn 
S!}Junbarten ,  ncbfl  jaf)lrci^en  UebunaSaufjiabcn  u.  e.  litt),  illum.  Sprad)türt= 
(feen  e.  S)eutfc^lanb  in  qu.  4.  ßey.^S.  XI  u.  252  ©.  2(uäöb.  t».  Scnifd;  u. 
©tage  in  60mm.  %e\).  _     n._  Vs  4-  ('  Sl-  24  Xx.  rf).) 

Hahn,  K.  A. ,  althochdeutsche  grammatik  mit  einigen  leseslücken  und 
glossen.     gr.  8.     VIII  u.  102  S.     Prag,  Calve's  Verl.     geh.  18  ngt 

$einfiU$/  Dr.  Z\)bx.,  neue  ©prac^  =  u.  9lcbcfd}ule  bcv  3^eutfd)cn  jum  ©d}uU 

u.  ©elbflunterrid)t.  3  «8bc.  6.  STufl.  8.     Scipjii),  (f.  glcifdjcr.  ßeb-  ä  %  «f. 

Sn^alt:  1.  I^eorctifrfje  bcutfdje  Sprarf)lc^rc.    (XV  u.  344  <B.)    2.  ^.^raftifrfjcS 

ge^rbud)   ber   beutfd)en  ®pracf)e.     (Xlll   u.   371   ®.).      3.   3:l)eoretifd)  =  pratti= 

fc^f§  ßebrburf)  ber  S?efe=  u.  Söortraggfiinfl.  (Vm  u.  228  ®.) 

^Ubt,  ^a\iox  ffiernl).  ^xinr.  x>.  b.,  neiuc  bcutfc^c  ©prac^lctirc,  äunäc^jl  f.  3;üc^-- 
ters  u.  a^ürgerfc^ulen.  SO^it  e.  STnf).  fe(;lert)after  5fuffa|e,  jur  ri^tigen  2ln= 
irenbg.  ber  gegebenen  Siegeln  tt.  jur  Scrmeibg.  ber  gcirc^ntic^flen  @c^reib= 
u.  ©pra^fe^ler.  lO.Slufl.  8.  XII.  u.  260©.  ßübccf,  D.  9tol;ben.  gct).  18  ngt 

SttUntt,  8.,  prottifc^er  ße^rgang  für  ben  beutfc^cn  <Spra^imterric^t.  (Sin 
^f)anb;  u.  |)ülfsbud)  für  8ft)rcr  an  gehobenen  ffiottS=  u.  SSürgcrfc^ulen.  1. 
S5b.  7.  t»erb.  STuft.  ST.  u.  b.  3'.:  S)ic  '^mU,  ©prec^::,  u.  ©d)reib=©(tule. 
(Sine  mcttjob.  Sfnlcitung  f.  ßeljrer  k.  7.  »erb.  u.  ücrm.  5Cuf(.  gr.  8.  XVI 
lt.  240  ®.     (grfurt,  Otto.     gc^.  n.  24  njc 

—  baffelbe.  3.  »b.  6.  terrn.  Sfuff.  Sf.  «.  b.  S. :  Änrjc  beiitfc^e  ©pradj^ 
te^re  nac^  ben  neuefirn  @runbfä|en  u.  j?orfd)ungen  5  auSgeflattct  mit  S3ei[pic; 
Icn  aus  unfern  Älajftfern  u.  c.  Ucbunggfclbc,  fo  roie  mit  einer  Steige  t).  2ßie= 
ber^olungSfragen.    6in  Ceitfabcn  jum  ©ebraut^e  in  ©cminaricn,   -Stcalfc^ulen 


76     Sprachwissenschaft.   —  IX.   Germanische  Sprachen. 

u.  oberen   Älaffcii   bev  Sürijerfc^ulfn.     6.  ücrb.  u.  üerm.  Sfufl.     gr.  8.     XII 

u.   144  ©.     ebb.     gel'-  n.  8  ngt 

^oUttig,  ©c^ul--3nfp.  G).,    fitr3fr   u.  fa^litf)er  Scttfabm   f.  ben   Untcrridjt   in 

fccr  brutfc^en  ®prad;c.     ^jr.  8.     VI  u.  54  ®.     3(xb^ ,    Äummer.  cart.  6  ngc 
;6titltttO^  2e()r.  |\,  ©djulgrammatif  bcr  ncu^oc^beutfd)fn  @prad}c  f.  bic  mite: 

rcn   u.   mittleren  (Stoffen   t)bberer  lInterrid)t6anflaUcn,  (Secunbarfdjuten  k.     8. 

VIII  u.  136  @.     grauenfclb,   Serlagö^Sompt.     gcf).  n.  12  ngt  (36  Kx.  x\).) 
S^al^n ,    Dr.  e.  ^r.  g. ,    über   bie  fflebeutung  beS  StamcnS  ber  ©tübte  23erlin 

u.  göln.    8.     16  ®.     »erlin,   (S)iimmlcr"8  SSer!.)  n.  V«  «#. 

—    über  ben  Urfprung  unb  bie  fflcbeutung   beS  Spaniens  ^reupcn.    8.     16  @. 

ebb.  _  n.  Vs  4. 

inüller,    L.,    traitö    de   la    construction  allemandc  et  de  la  declinalsoa 

des  substantifs.     10  Bog.     8.     Ha  vre,    Impr.  de  Lemale. 
9Jcff,   .^auptlc^r.  SBill).,    ber   bcnfcnbe  9lcc^tfd;rcib[d)üler   ober  86  ft^flemctifc^ 

geortnete  Sfufgabcn  jur  ©rterniing  bcr  beutfc^en  Sle^tfc^reibiing  f.  (Spulen  u. 

juni  Sclbpunterric^te.     12.     60  <B.     -^eibelbcrg,   fanget  u.  Schmitt,     cart. 

4\/2  ngr  (15  Xx.  xl).) 
Slep,  -Cicinr.,    fteincö  ^»iUfebu^  jitr  Erlernung  bcr  bcutfctien  ©prai^e  f.  Sfn; 

füngcr.     16.     X  u.  36  <B.     .^amburg ,  iBercnbfol;n.     gtt;.  3  ngt 

Ollendorff,  H.  G. ,  nuovo  melodo  per  imparar'  a  leggere,    scrivere  e 

parlare  una  lingua  in  sei  mcsi.  Animaeslramcnlo  per  imparar  la  lingua 

tedesca    si    ad    uso    privato    che  ad  inslruzione  in  scuole  italiane  pub- 

bliche,    accomodato   e   proveduto   d'uua   aggiunta  sistematica  dal  Prof. 

Gius.  Frühauf.     8.     IV,   10  u.  480  S.     Frankfurt  a.  M.,  Jügel's  Verl. 

geb.  IVg  4.  (2  fl.  6  Xr.  rh.) 

üiaumev,  9tab.  t?.,  ein  SBort  bcr  Scrflänbigung  über  bic  ©d/tift:     5)ie  (Sm= 

iüirfung  beS  6()rijicntl)um8   auf  bie   altljodjbeutfi^e  ©pradjc.     gr.  8.     26  ®. 

©rlangen,  Slacfing.     gc^.  n.  Vs  «#•  (18  Xx.  r^.) 

SRetfer,  •§.,  hirjgcfafte  beutf^e  ©prac^Icljrr.    S)ic  ©rammotif  in  ffierbinbung 

mit  bem  anati^t.  ©prai$iintcrrid)te,  nebfl  c.  Sfnlcitg.  jum  9ttd}tfc^rcibcn  u.  jum 

fi^riftl.  ©ebanfcnüortragc.     gür  95cIfSfci)iilen  bearb.     gr.  8.     XII  u.  114®. 

©tiittgavt,   ©cd  u.  gränfcl.      gel;,  n.  7  ngt  (24  Kx.  r(;.)  ^artiepreiS  bei  12 

GTcnipl.  n.  Vg  4.  (18  Xx.  rl;.) 
flUot^,  Dr.  ^axl,  Ücinc  ffieifrägc  jiir  baitfd}cn  ©prac^;,  @cfd)id;tö;  u.  Drt6= 

fcrfdiitn.v  5.-8.  ^\t.    8.     COTündicn,  (ginftcrlin.)  ä  n.  Vj  4-  (30  Ä"r.  r^ 
^(i^ltffC^,    3.  ^.,  Srnlcitiiiig   jur  Sfec^tfc^rcibiuig    nac^  bcr  L*autlct)rc.     (Sin 

nictt;c&.  .^aiibbud)  f.  8et)rcr  an  (flcnicntarfdjiilcn.     5tciie  5fu5g.  ber  2.  »erb.  :c. 

STufl.    8.     Vm  lt.  286  ©.     ßcipjig,   C?.  Sx  gjlnpcr.     gel).  V2  4- 

^pi^et,  Sc^r.  Zat,   bic  (Elemente  b.  bcutfdjcn  ©tyis.    gür  ©rf)iile  u.  .^au6 

tl;corcti|'c^  u.  prnftifr^  bearb.     OTit  224  praft.  Hebungen  bcrctd)ert.     8.     196 

©.     5Bicn,    Tla\)cx  u.  go.     gel;.  n.  12  ngt 

<^pta^fattt   für  ben   fiufcnmafiigcn  beutfc^cn  ©prat^dlntcrrit^t  in  ©c^iulcn. 

9  ä^cg.  in  gr.  gol.    Sippfiabt,  8ange,  n.  IV^  ^. 

Vlcffetii<!^t ,    Eurje,   bcr   gvammatifdicn    Sfbanberungcn    ber  fceutfdjcn   5ffiörtcr. 

9?fbfl   einigen  3ugabcn.     3.  perb.  2(ufl.      12.     IV    u.   62  ©.     ©tra^urg, 

SEßwc.  fflcrgcr-ScürauU  u.  ©obn.     cart.  Ve  4-  (15  Xx.  rf).) 

IV^cinhoId,    Karl,    über   deutsche   Rechtschreibung.     Abgedr.  aus  der 

«Zeilschrift   f.  die   österr.    Gymnasien.     1852.«     Hfl.  1.     gr.  8.     III  u. 

36  S.     Wien,   Gerold,     geh.  n.  V3  4- 

SStetfC;  ©iv.  itarl  5Bilt).,  bcr  cinfad)c  ©a|  in  bcr  bcutf^en  ©prnc^e,  f.  dk^ 

mcntarfcf)ulcn  bcarb.     5,  pcrb.  Sfuft.     8.     IV  u.  51  ©.     granffurt  a.  b.  D., 

-fioftmann.     geb.  n.  Vs  •»^• 

SäSutr^t,    giüinuinb  Saf. ,    t[)ccretifd)=praftifd)e   5fnleitung    jum  ©ebraudje  ber 

©prad}tcnfUl}re.     6in  |>anbbud^  für  (?1cnicntarlc^rcr,  ifcti^c  üorivftrte  fd)rci= 

tcn  unb  fiel)  Porbcrcitcnb  mit  bem  ncueficn  ©tanbpunttc  ber  bcutfc^cn  ®prac^= 

wiffenfc^aft  bcfannt   madjen   wollen.     2.  S^l.:   aPcrtlt[)rc,   SBortbilbung  unb 

9ted;tfc^rciblcljve.     6.  Sfufl.     gr.  8.     XXIV  u.  415  ©.     Stuttgart,  SJJiicfcn. 

gf^.  .,.,..:-.:..^  i-.:  ,^i.:.^'l,i^  iu^  iii,u,d}/z  4.  (2  fl.  30  Xx.  xi).) 


Sprachwissenschaft.  —  IX.  Germanische  Sprachen.     77 

(Melrik). 

fSflin^nti^,  Dl--  3of)5. ,  ßc^rbiidj  btx  tcutfdjm  ^^rofobie  u.  COTctrif.  Sflad) 
neuen  ®ninbfä^cn  bcarb.  jum  ©tbraud)  für  UniocrrUatfU ,  ©tjmnuficn ,  SficaU 
fc^uUn,  ©eniinaricn,  rric  oud)  jum  eflb(luntcrrirf)t.  2.  STuSö.  gr.  8.  VII[ 
u.  175  ©.     ßtipjiij,   3:eubiur.     ßct).  Vz  4- 

(Sprachdenkmäler). 

Aihis  und  Prophilias.  Weitere  Bruchstücke,  von  Wilh.  Grimm. 
Gelesen  in  der  Akademie  der  Wissenschaften  zu  IJerlin  am  11.  Miirz 
1852.     IG  S.     4.     geh.     Göttingen,    (Dieterich).  10  ngt 

Bibliothek,  der  gesammlen  deutschen  National- Literatur.  1.  Abth. 
32.  Bd.  A.  u.  d.  T.:  Das  Passional.  Eine  Legenden-Sammlung  des 
13.  Jahrhunderts.  Zum  ersten  Maie  hrsg.  n.  m.  e.  Glossar  versehen 
T.  Fr.  Karl  Köpke.      gr.  8.      XVI    u.  820  S.      Quedlinburg,    Basse. 

3%  4.;  Velinp.  i%  4. 

—  L  Abth.  33.  Bd.  A.  u.  d.  T.:  Des  Fürsten  v.  Rügen  Wizläw's 
des  Vierten  Sprüche  und  Lieder  in  niederdeutscher  Sprache.  Nebst 
einigen  kleinen  niederdeutschen  Gedichten:  Herrn  Eiken  v.  Rep- 
göwe  Klage,  der  Kranichs  Hals  und  der  Thiere  Rath.  Erläutert  und 
hrsg.  V.  Ludw.  Ettmüller.  gr.  8.  100  S.  Ebd.  %  ^.;  Velinp. 
'/e-f-  (1,1— 4b  5— 12.  13c— 33.11,  1-3.  III,  l.:  77  ^k;  Velinp.  95.*$.) 

Bnk^  dat,  wichbelde  recht.  Das  sächsische  Weichbildrecht  nach  einer 
Handschrift  der  königl.  Bibliothek  zu  Berlin  v,  1369  hrsg.  v.  Prof.  Dr. 
A.  V.  Daniels,  gr.  8.  VIII  u.  71  S.     Berlin,  Th.  Enslin.  geh.  n.   12ni|i: 

Dichinng-en  des  deutschen  Mittelalters.  8.  Bd.  A.  u.  d.  T. :  Hein- 
rich v.  Veldeke.  Hrsg.  v.  Ludw.  Ettmüller.  gr.  8.  XX  u.  476 
S.     Leipzig,    Göschen,     geh.  1    4-  (1~8-;    '^  '^f-   ^  W) 

®tvmanitn^  Solfcrl^imincn ,  ©ammlutiij  bcr  bcutfc^cu  9}]imbartcn  in  X;idj= 
tmujcn,  ©agcn,  5}]ä[)rd}cn,  95olf81icbcrn  k.  .f>rSi3.  ü.  3ol)f.  5JJatt!j.  givs 
menic^.  2.  SBb.  9.  ßfjj.  ober  16.  8fi].  4.  ©.  657—736.  Scrlin.  ©djlc; 
fin^crfc^e  S3.     gel;.  ä  n.  Vz  4- 

<BvOt^,  ÄlaiiS,  Ouicfborn.  SSolfSlebcn  in  plattbfutft^cn  ®ebid;tcn  bitl)marfd)cr 
gjlunfcart  ncbft  ©lofTar.  SKit  e.  Sßor;  u.  giinrort  com  Dbcrconfifi.=9l.  ^aüox 
Dr.  S^axmS  in  Äirl.  8.  XIV  u.  252  ®.  |)amburo ,  5)ert(;cS=33ef['cr  unb 
9[Raitfe.     gct).  n.  24  iijr. 

Hag-en  ,  Frdr.  Heinr.  v.  d. ,  Nibelungen  22.  Handschrift.  Mit  1  lilh. 
Schriftbilde,     gr.  8.     16  S.     Berlin,  Dümmlcr's  Verl.     geh.         n.  6  ngt 

$eimat^$flänge*  (Sine  ©ommUing  üon  ©cMc^tm  in  ber  SJ^unbart  ber 
5)cutfc^cn  in  9tcrbböf)mcn  n.  ©c^Icfien.  ■C'rßi].  ü.  Dr.  Sfnt.  Sarifd).  16. 
Vlll  u.  100  S.     Söirn.     (ßnpjiij,  -öübncr.)     cart.  n.  16  ngu 

lleinKolein  von  Konstanz  v.  Frz.  Pfeiffer,  gr.  8.  XVIII  u. 
150  S.     Leipzig,  T.  O.  Weigel.     geh.  n.  1   4. 

|lepp<^^  H. ,    reliquiae  interprelationis  evangeliorum  germanicae,     10  S. 

4.  Ind.  lect.     Marburg. 

Stivdfett-  tl»  tcttgiöfc  Siitbct  ans  bcm  12.  bis  15.  3a()rt)unbcrt.  3;(}ci(5 
Ufbfrfc|ungen  lotrin.  Äirc^cnt;t)mncn  [in.  bcm  latcin.  Scyt] ,  tljcilß  Original: 
lieber,  Qu8  |)Qnfcfd.)riftcn  bcr  f.  t.  .f)cfbibliotI}eE  ?ii  SBicn  jiim  crficn  5D?ale 
^rSg.  0.  ©i;mn.4^rof.  3of.  il'c[;rcin.  gr.  8.  XX  u.  288  ©.  gjabtrbcrn, 
@d)5ningl).     ge^.  n.  IV3  4 

Eiiedcr  Muskatblut's  erster  Druck  besorgt  von  Dr.  E.  v.  Groote. 
gr.  8.     XVIII  u.  358  S.     Cöln,  Du  Mont-Schauberg.     geh.  n.    1%  4. 

mönnich,  Dr.  W.  B. ,  Nibelungen-  u.  Kudrun-Lieder  f.  Schulen  aus- 

1!     gewählt   u.   nebst  Formenlehre,    Wörterbuch    u.  einigen  Golhischen  u. 

Allhochdeutschen  Sprachproben  hrsg.     gr.  8.    XI  u.  232  S.     Stuttgart, 

5.  G.  Liesching.     geh.  n.  24  ngt  (1   fl.   12  Xr.  rh.) 
&t^auipnU  b.  SDütteialtcrS.     Sfuö  .§anbf^riften  t;r5g.   u.   creiärt  ü.  g.  3. 


78     Sprachwissenschaft.  —  IX.  Germanische  Sprachen. 

gjJone.     2  ffibe.      Sf?a«   Sfußg.     flr.  8.     XVIII   u.   770  ©.     £01annf)cim, 

S3cn9{)einicr.    gc£).  3  ■^. 

&t!^nabtv^üpfttn,    150,    aus  t)cm  ba^mfc^cn  §od)tanbc.    3n  3  STOt^Ign. 

12.    24  ®.     SfugSburg,  3aquet.     gct).  3  nijt  (9  Xx.  rl;.) 

Terbrüderungrs-Buch,  das,  d.  Stiftes  S.  Peter  zu  Salzburg  aus  dem 

8.  bis   13.  Jahrh.  mit  Erläutergn,  v.  T  h.  G.  v.  Karajan.      Mit  2  lilh. 

Taf.  Schriftproben.     Imp.-Fol.     LXX  u.  64  S.     Wien ,    Braumüller  in 

Comm.     geh.  n.  4  ■^. 

SSßlHUtbtt,  bcutfc^c.     ©efnmmclt  w.  ®eo.  ®  d)etcr.     2.  Stufl.     16.     412 

@.  mit  l  (Stüt)lfl.    ßcipäiö,   ®.  SDlai;cr.     Qe\).  V+  ^.j  in  engl.  dxnb.  mit 

©olbfc^n.  1  4. 
^Olcfmar^    Dr.  2B. ,    jtriJlf  (S{)orüIe  in  bcr  Urform  au&  btm  1.  3a^tt).  bcr 

SlcformQtion.  8.  8  ®.  .f)omberg.  ((Eafyct,_3.  ®.  gucfljarbt.)  n.  1  ngr. 
Wackernag'el,  Wilh.,  das  Bischofs  u.  Dienstmannenrecht  v.  Basel  in 

deutscher    Aufzeichnung    d.  XIII.  Jahrhunderts,     gr.  4.     43  S.     Basel, 

Schweighauser.     geh.  n.  18  ngt  (1  fl.  rb.) 


2.     Angelsächsische  und  englische  Sprache. 

a.     Angelsächsisch. 

Caedmon's    des  Angelsachsen    biblische  Dichtungen.     Hrsg.  v.  K.  W. 

Bouterwek.     2.  Thl.    A.  u.  d.  T. :     Ein  angelsächsisches  Glossar  v. 

K.  W.  Bouterwck.      gr.  8.      XXV  u.  393  S.     Elberfeld,    Bädeker. 

geh.  n.  2%^.;  Velinp.  n.  4  4.  (cplt.:  n.  4  ^.;  Velinp.  n.  G  4.) 

b.     Englisch. 
(Littcraturgeschichte.) 

Boltz,  Lehr.  Dr.  Aug.,  u.  Gymn.-Lehr.  Dr.  Herrn.  Franz,  Handbuch 
der  englischen  Literatur,  Für  Freunde  der  engl.  Sprache  u.  höhere 
Unterrichts  -  Anstalten  bearb.  2  Thie.  Lex.-8.  Berlin ,  G.  Reimer, 
geh.  ä  27V2  W 

^lelittg,  Srbr.  SK.,  ©nglanb'ö  f)iporifd}c  Siteratur  feit  bcn  legten  fünf  3al)s 
rni.  SJJit  e.  complctircnbcn  Slnf^Iup  an  bic  fvü{)crcn  ^fiträumc.  ©iippl.  ju 
wSnglanb'S  ©cfdjic^tgfc^rcibcr."     gr.  8.  4d  <B.  Berlin,  ^&crbig.  gcf).  IIV4  W 

Guizot,  Shakespeare  et  son  temps,  elude  littöraire.  28  Bog.  8.  Paris, 
Didier.  5  fr. 

ShaUespeare  and  bis  Times.     By  M.  Guizot.    8vo.pp.  432,  cl.  14  s. 

tSpicrSi,  A.,  etude  des  prosaleurs  anglais  de  la  revolulion  de  1688  et 
du  regne  de  la  reine  Anne,  ranges  par  ordre  chronologique.  I2V2 
Bog.     12.    Paris,   Baudry.  2Vz  f«". 

(Lexicographie.) 

Boag*,  J. ,  imperial  lexicon  of  the  english  language.  Vol.  1.  Royal  8. 
London.  18  s. 

Craig:.,  J. ,  a  diclionary  of  the  english  language.  New  edition.  2  vols. 
Royal  8.     London.  2  1.  2  s. 

Dictionnaire  general  anglais-francais ,  nouvelleraent  redige  etc.  p.  A. 
Spiers.     5c  ed.     46  Bog.     Lex.-8.     Paris,  Baudry.  TVa  fr. 

FlH§reI ,  Dr.  Felix ,  a  practical  diclionary  of  the  english  and  german 
languagcs  in  2  parts.  Part  IL:  German  and  english.  —  ^raftifd)c5 
enölifc^=!DcutfcbcS  imb  S)attfc^:6-n9lifd)c6  SBörtcrbu*  in  2  S^tn.  S:t)I.  IL: 
S;cutfci;=6-nglif4     Scarb.   imtcr  «mitivirfö.  tJon  Gonfut  Dr.  3.  &.  g lüget. 


Sprachwissenschaft.  —  IX.   Gerinanlschc  Sprachen.      79 

4.  8fö.  ©c^lup.  gr.  8.  XXXII  e.  ti.  ©.  721  —  1 184.  ßcipjii^.  ■'ganu 
burfl,  5mcif?ner.     flct).  iv^  4.  (epit.  5  «f.) 

James,  \V  illiam,  a  complclc  diciionary  ol'  tlic  cnglish  and  geiman  lan- 
guages  for  gcnoral  usc.  Compilcd  wilh  espi'cial  regard  to  ihc  cluci- 
dation  of  modern  lilcratnro ;  the  pronunciation  and  acconliia(ion  after 
ihe  principles  of  Walker  and  Hcinsius.  6.  Stcr.  Edition.  2  Paris. 
English  and  gcrman.  —  (ierman  and  english.  ffioüftäubiijcß  SBcrtcrlnirf) 
ber  cnj^lifdjcn  ti.  bcutfdjcn  Sprad^e  f.  alle  ©tüiibc.  6.  (5tcr.:Sfii6(].  2  Zi)k. 
enolifci}  u.  ©cutfrf).  —  S^cutfd}  11.  (fiisjlifc^  8.  X  u.  879  S.  "ßcipjiij,  Sß. 
3:aud}iii|.     cjcl;.  IV3  *^. 

Webster,  Noah,  diciionary  of  the  english  language.  New  edition,  re~ 
vised  and  enlarged ,  by  Chauncy  A.  (iodrich.   Royal  8.  pp.  1289,  cl.    l6s. 

Will,  C. ,  diciionary  of  tlie  english  and  german  languages.  Carcfully 
correclcd  and  augincnted ,  the  irregulär  parls  of  the  english  verbs  in- 
serted  in  their  proper  places ,  together  wilh  a  concise  account  of  the 
healhen  deilies,  etc.  And  a  Supplement,  cont.  the  varialions  of  ihe 
german  irregulär  verbs,  simple  and  Compound.  3.  Sler.  edition.  gr.  16. 
IV  u.  980  S.     Frankfort  o.  M.,  Brönner.  geh.  n.   l  ^.  (1  fl.  48  Xr.  rh.) 

Williams,  Frank,  a  new  pocket-dictionary  of  the  english  and  german 
languages  wilh  a  pronunciation  of  the  english  pari  in  german  charac- 
ters  and  nunierous  american  words  and  terms.  3.  Ster.-edition.  2 
Parts.  English  and  German.  —  German  and  english.  —  ?icuc6  Xa^ 
fd)en;S[Börtt'rtnid)  bcr  ©iijjUfdjcn  iinb  Sciitfairn  Spradjc  ;c.  3.  Stcr.^SfuSg. 
2  Z^U.     IG.     VIII  u.  682  ©.     a3raun[d]trci^l ,    SBcftcrmann.     c^el).  26  113:.; 

ijfl).    1    S.  6  n^i; 

(Grammatik  und  Unlerrichtsschriften). 

5fI6«e«^t'«,  Sfug. ,  cnalifd)cr  ^oliiutfcfier,  cbcr  grünbl.  23elc()riiiuj,  fcic  rn^I. 
(Spradjc  nad)  einer  ki(^tfafl.  unb  fdjncllcn  9J?rt()cbc  ohne  Sdjrcr  ju  erlernen. 
9?cbft  e.  "iini).,  entf).  prnct.  STctijcn  f.  baS  JPcbürfnip  bcr  JfuStranbcrcr.  ß-iu 
^ilfSbud)  f.  SCuSmanbcrcr  naij  Slmerifa  u.  ^fuflralien.  4.  l'fufl.,  mit  ben  33ir- 
md)xc\n.  ü.  5f.  D.  eben.     16.     238©.     üem^,  9:Jatf[;e^.     cart.       12  iiJii; 

^mctifancv,  ber  neue,  ober  bie  Äunft  bie  cnglifc^e  (3prad}e  oi)nc  2cl;rer  in 
fürjeflcr  ^Jeit  ju  erlernen,  dm  treuer  3ffatf)>icber  f.  Sfugiranfccrcr  na<b  Sfme* 
rifa  K.     »jr.  16.     120  <B.     Störblingcn,  ffiecf.     qei).       Ve  »#.  (18  Jr.  r(;.) 

fSa^fettfiUe ,  Sflfr. ,  cnglifc^cS  ßcfebud)  f.  Sfiifünjicr.  SlJJit  (?rläuterun.jfn  u. 
c.  ooUf^änb.  SSi3rtcrbu^,  ivorin  bie  2fugfprad}c  burd;  bcutfc^c  23ud)fiabcn  ijenaii 
angegeben  roirb.  3um  ©(^uU  u.  ^ripatgcbraui^.  gr.  8.  XIII  it.  192  ©. 
Clbenbitrg,    ©taUing.     geb.  V2  ^^ 

f8tf}ni^,  8c^r.  Dr.,  English  made  easy.  ^raflifc^er  8e(;rgang  jur  lcid)tcu 
u.  fd)ueUen  (Erlernung  ber  engl,  ©proc^c.  1.  (SurfiiS.  7.  ptrb.  u.  Perm.  Sfiifl. 
gr.  8.     IV  u.  140  @.     SreMaa,  Äern.     geb.  V3  4>. 

^eVQ,  ©•  »an  ben,  praftifc^c  englifc^c  ©pradjlel)re  f.  ©djulcn  ii.  junt  ©elbfl^ 
iintcrridjt.  6.  pcrb.  u.  Perm.  Sfuflagc,  burc^gtlicnbö  mit  ber  ?fu6fprat^c  nad) 
5Balfer  Perfc()cn.  8.  IV  u.  342  ©.     ^ambur>i,  ©cliubert^  u.  (Sl\  geb.  I  ^i. 

—  praftifdjer  Seljrgang  jur  fc^ncüen  u.  leichten  (Erlernung  ber  cnglifdjcn  ©pradie. 
^aäi  Sfdn^ö  Sctjrgnng  beS  granäbfifdien.  I.  GurfuS.  6.  «fufl.  gr.  8.  IV 
u.  139  ©.     .f)amburg,   Zf).  Sftiemet}cr.     gel;.  9  ngi; 

—  ©c^liiffel  bajii.     1.  (Surfu?.     gr.  8.     32  <B.     db^.     gel).  6  ii.]r 
fSibliOt^ef ,   Oülipaubigc  faufnuinnifdie,  im  33ereine  mit  9[Jtcl)rcreu  l)r6g.  Pcii 

Dr.  gr.  21  (}n.  13.  u.  14.  §ft.  SL  u.  b.  S.:  (Jnglifc^e  -^iniibflötorrefpoür 
tenj  mit  beigefügter  llebcrfe^g.  aller  in  ben  33riefen  Porfommenben  fdnvierigcn 
SBÖrter  u.  StuSbrücfc  Don  Dr.  g  r.  Slljn.  2.  Perm.  u.  Perb.  5fufl.  8.  V!I 
u.  17.5  ®.     Seipjtg,    @.  .0.  9J?(il)er.     gel).  V2  x^. 

Bromby,  C.  II.,  History  and  (irammar  of  ihe  english  Language.  4lh 
edil.     l2mo.     clolh  2  s.  6  d. 

fSuv^^atbt,  &.  g.,    u.  Dr.  Z.  5OT.  ^Oft,  au§fiil)rli^e6  t(jeordi[d)=praffi: 

U 


CO     Spracliwisscnscliaft    —  IX.  Gcrinaiilsebc  Sprachen. 

fcf)f5  8c{)rbu^  bcr  cnglij'djcn  ©pradjc.  3n  2  23^11.  4.  burd)i)r()ciibS  üerb.  ii. 
pnvt  uerm.  Sfufl.  1.  S?b-  Sf.  u.  b.  SE.:  SIu6fül;rlidje  tl)cor(tifd)--praftifd)c 
emjlifd^E  @prac^lcf)rc5  für  oOcrc  Älafffn  u.  reifere  ©^ülcr.  4.  burc^ijef;eiibe 
uerb.  u.  fiarE  Perm.  Sfuf[.  gr.  8.  XII  u.  431  @.  ?cipjii),  Sfmclana'6  SScrl. 
gel;.  1%  4^. 

&0nnS)t,  3amc6 ,  8ef)r=  ii.  Scfebtid}  bcr  eiujlilc^cn  ©pratt}c  äitm  ©cbrauc^  in 
©c^ulcn  iinb  beim  @cU'fluntcrrid)te.  1.  ^i)\.  1(.  u.  b.  SE. :  ßctjrbui^  bcr 
englifdien  <5prad)e,  iicbft  Uebiiiiijcn  jiim  Uebcrfe^en  crnS  bem  5)eutfd)i'n  in3 
©nglifd}?.     8.     VI  it.  106  @.     .^^cibtlbenj,  t.  SBinter.     gc^.  n.  8  iijc 

—  baffclbc.  2.  3!()I.  Sf.  u.  b.  S. :  Lesebuch  der  englischen  Sprache, 
oder  Muslerslücke  zum  Uebcrselzcn  aus  dem  Englischen  in's  Deutsche 
m.  Worterklärungen.     8.     VllI  u.  245  S.     Ebd.     geh.  n.  16  ngr 

Croinbie,  the  Rev.  Alex.,  the  Etjmology  and  Syntax  of  English  Lan- 
guage  explained  and  illustraled.     7lh  edit.  8vo.  pp.  311,  clolh  7  s.  6  d. 

S&alett/  Dr.  6.  »an,  SfuSjug  fliiS  ber  cnglifd)cn  gonnrnIet)rc.  2lnf)ang  ju  bem 
l^curifi.  ©tcmcntarbud^e.     gr.  8.     16  ©.     (S'rfurt,   ffiillarct.  n.  2  iigt 

^elmetid^ev,  uollflanbiger  beutfc^-cnglifc^cr.  (Sin  praft.  inilfJbud}  jur  leid); 
teren  Erlernung  bcr  cnglifc^en  UnigangSfprndic  junad^fi  f.  SriiSii''anbi'rer  naä) 
SRorbfimcrifa  beflimmt.  16.  IV  u.  138  B.  Hamburg  ,  @.  2B.  9tiemet)cr. 
gc(;.  %  4. 

iBfman,  5(.  SB.,  ©ngelfE  ©rammatif  nteb  ©frif=öfningar.  98  ®.  8.  ©totf; 
l)o\m,   aSerfman.  1  9lbr. 

^ttttiU,  ®. ,  ßeljrbuc^  bcr  cnglifd;cn  ©pradic  beficljcnb  crnS  e.  Heiner  @ram= 
matif  II.  ßefeiibungen  m.  3ntcrlincar;Ucbfrfc^ung  u.  3eid}fn  jiir  Ici^tern  @r= 
Icrng.  ber  SfiiSlpradjc.  1.  Sfbtf;.:  ©raniniatif.  2.  [c(;t  ücrb.  »fuf(.  12.  XII 
u.   188  ®.     SQUiu^cn,   ^franj.     gel}.  V3  4- 

^CUct,  S)ir.  Dr.  g.  @.,  Excrcises  on  the  genius  of  the  english  language. 
@in  ÜcbiingSbiic^  f.  IjLUjcrc  ©diulflaffcn  u.  jur  fclbflänb  gcrtbilbung  nad; 
gcnolfcnem  Unterricht.  2.  ücrb.  u.  Perm.  Sfiift.  8.  286  ©.  ßdpjig,  58aiim= 
giirtner.     ge(j.  18  uiju 

—  flebungebuc^  f.  S)cutfc^=Gng(if($c  -g)anbcl6=(5orrcfpcnben,v  (S"inc  ©annnlung 
öon  20  ©crien  über  jnfammenbängcnbe  ©efc^aftc.  gr.  8.  VII  u.  176  <B. 
ebb.     ge^.  '  %  4. 

gtcf,  -^-^vof.  Dr.  2t>l).  &)xr\. ,  tf)eorctifd)=praftifd)e  SJntreifung  jiir  leichtern  er= 
lernung  ber  (Snglifd}cn  ©pracbe.  1.  3:()I.  21.  u.  b.  S;. :  ^^raftifc^e  ®ngli: 
fdje  ®prad)le^re  für  Seutfdje  beiberlei  ©cfc^lcd)t?.  9ui6  ber  in  5Jteibinget'ö 
fran^öf.  ©ramnuitif  befolgten  ?JJttt)obe  u.  nad)  ©tjeriban'ß  u.  500(^^6  ©runbs 
fä^en  ber  reinem  ?{u6fprnd)e  bcarb.  23.  Sfufl. ,  befcrgt  u.  ni.  bcr  neuen  Sfc= 
ccntualion  nad;  -2SalFer§  ©runbfiil^en  perfeljen  ü.  Dr.  |)einr.  giif.  gr.  8. 
XII  u.  320  ®.  m    1  Sab.  in  qu.  gol.      ©rlangeu  ,    |)alm    u.  (gnfe.      gel). 

%  ^.  (1  fl.  rl).) 

—  baffelbe.  2.  %{){.  §(.  «  b.  <?.:  englif(^e8  Sefebu*,  ober  aueerlefenc 
©ammlung  ü.  Sluffä^en  awB  bcn  beficn  @nglifd)cn  ®c^rift|leUern  ni.  richtiger 
Sfccentuaticn  jcbeö  SBorteS  unb  barunter  gcfc(5fer  l'fuSfprac^e  nac^  5öalfcr  u. 
Sf.  eine  braud)bare  Zugabe  f.  jcbe  ©ngl.  ©pradjletjre.  10.  ganj  umgcnrb. 
Dcrm.  u.  perb.  Sfufl.  ü.  Dr.  |)einr.  girf.  gr.  8.  XVI  u.  304  @.  ni.  1 
%ah.  in  qu.  g-ol.     ©bb.     gel).  1   -#•  (1   ff-  30  .Yr.  rb.) 

Flaxnian,  Rob. ,  handbook  of  english  and  gorman  conversalion  or 
complete  instruclion  for  Gcrmans  and  Englishmen  who  wish  lo  express 
themselves  correctly  in  bolh  ihose  languages,  being  at  the  same  tinie 
a  vadcmecum  for  Iravcllers.  3.  Edition,  accentuated  throughoul,  re- 
yised  and  cnlarged.  —  J^ianbbud)  ber  englifcben  u.  bnitfdjcn  Gonoirfaticn^: 
fprnc^e.  3.  burd}güngig  aeccntuirtc,  pcrb.  u.  üerm.  ?iuf[.  8.  XX  u.  416  (2. 
etuttgart,  9leff.     gclj.  %  4-  (1  fl.  12  Ir.  rlj.) 

^lügel,  Dr.  (S.  «f.,  bir  üd}te  flcinc  englanber  [Sfinerifaner],  ober  bie  Jtunfi, 
bie  engl.  (Sprache  in  ad)t  Xac\m  c()ne  ßel)rer  ridjtig  lefcn ,  fdjrciben  u.  fpre= 
i^eii  ju  leinen.  iPiit  beigefügter  Sfuefpradie.  3.  Sfufl.  16.  128  ®.  .g^ain= 
bürg ,  *5ercnbfc^n.     gel;.  '  6  ngp 


Spiacliwissenschafl.   —  IX.   Germaiiisclie  Spracheu.     81 

^ÖliitiQ,  weit.  @»;mn.=^rüf.  Dr.  3-,  Sff)rtuic^  bcr  Enijlif^fn  (Sprache.  2.  3;(j(. 
6.  verb.  Sfiifl.  ?(.  tt.  b.  S. :  8fl;rbiidö  [.  bcii  nifTcnfd}aftIic^m  Untfrridjt  in 
fcer  ciiijl.  gprad^e  mit  vielen  Ucbiinijöfiüdfn  jiun  Ufbfr[i'(}cn  an6  bnn  S^ciit- 
fdjen  in  baö  (Snsjlifdjf.  6.  »erb.  Siu6ij.  tjr.  8.  X\IV  i'i.  25G  <S>.  Sn'ilin, 
St),  ©n^lin.     jjf';-  "•  ^  •^' 

fj^tänfel,  ©.,  II.  t«.  g.  ^unfl^artt,  «fnttiülotjie  encjlifcfier  ^'»rofaificn  b. 
18.  u.  19.  3ü()r(jiintcrtö.  .Cfutfc^  bcarb.  aiC-  .^anbluid)  jiun  Uebcrfc(5cn  inS 
6-n(]1ifd}f.  ?icbp  f.  5fnl).  mig  bciitfdjni  Älaffiffin.  ?cciic  SdiSi).  12.  MM 
lt.  284  ®.     JBcrlin,   Jlleniann.     gel;.  n.  V5  --r^. 

^tie&Iättder,  Setjr.  53f.  SS.,  prattifd)c§  Sctjrbud)  bcr  enijUfdjen  ®prod)e  in  3 
S^ln.  @ntl)aUcnb:  S3oll|lüubii}c ,  leidjt  fapl.  (.yrainmatif  m.  ja^lreidjen  Sßeis 
fpielen  :c.  STuei^ciraljIte  (Iljrcflcniattjie  bcr  üorjiujlid^ftni  cnijl.  (Slaffiter,  nctfl 
8ittcratiir=(Scfd)id)tc.  SfuSfiUjrlidjer,  olpljabctifd}  gfovbncfcr  5iad}irnö  bcr  gc; 
brauci)lid)f^cn  faufmünu.  S(u6biücfe  it.  ^^(jrnfm  ncbg  eni)l.  u.  beutfc^cr  Gor: 
refponbcnj  it.  e.  pcUf^iinb.  engl.  23uc^fiil;rung.  gr.  8.  XI  u.  595  ©.  Äö= 
nigSberg,  ©anitcr.     gel).  n.  2  »f. 

Caspey,  Privatdoc.  Dr.  Thom.,  englische  Conversalions-Grammatik  zum 
Schul-  u.  Privaluulerricht.  Nach  c.  originellen  u.  fassl.  Methode  be- 
erb. 2.  verb.  u.  verni.  Aufl.  8.  XI  u.  350  S.  Heidelberg,  J.  üroos' 
Verl.     geb.  n.  28  näc  (1  fl.  36  Xr.  rh.) 

&UV^C,  (Sd)ulPorf^c{)cr  @. ,  praftifdjcr  ßrljrgang  jur  leidjten  it.  grünblidjcii 
Grlcrnung  bcr  cnglifc^cn  Spmdjc,  c.  elementar.  Sprrd;;  it.  (2prad;fd}ulc  1. 
(iiirfuö     8.     144  <S.    .£)nmburg,  ilittler.     gel).  n.  9  ngr. 

^ebttp,  3.  'S*./  prat'tiffc  srniMiSning  til  Ijurtig  og  grunbig  at  larc  bet  engclffc 
©prcg.     «Dbcrf.  af  9.\  8.  gjcitfd}.    222®.    8.    SScrgen,    ©icrtfcn.    72  p. 

—  praftifc^er  Sel)rgaiig  jitr  fdjnellcn ,  leichten  uiib  griinblic^cn  Grlenutng  ber 
englifd)en  (5prad)e,  nad)  Dr.  g.  Sfl}n"6  befannter  8el)rmett;obe  unter  ^nnjufii; 
gitng  einer  Purjen  ©rammatif.  giir  bic  3iigcnb ,  a\6  aud}  jum  @dbiliintcr= 
richte  für  @rtrad)fcnc  unb  rcrjüglid)  für  ®d)ulen  it.  8el)r=3npitute.  3.  ücvb. 
Sfufl.     gr.  8.     VIII  it.  190  ©.    gSini,    COTanj.     gel).  181131-. 

Hoo^el,  J.  B.,  Vorschule  des  Englischen.  Elemcnlarmelhodische  An- 
leitung zur  engl.  Sprache  u.  Grammatik,  gr.  8.  VI  u.  192  S.  Wien, 
Gerold,     geh.  n.  1    ^f. 

^Orita^,  2B. ,  furje  ft)nfi"atifd)e  8ef)re  bcr  cnglifdjcn  ?fu6fprad)c  unter  Sßc- 
gritnbitng  ber  9tcgctn  u.  SfuSnaljincn  burd)  bcn  ©cbanfen.  8cf)rbui$  f.  8if)rer 
u.  ©djülcr.  gr.  8.  VI  u.  44  @.  5.kgefQd  (ffircmcn ,  Äü^tmann  u.  60.) 
gel).  n.  8  iiäc 

X:amf>Ctt,  ^Mof.  Dr.  (S.  8.  be,  üoüflänbige  tl)füretifd)=praftifc^c  ©rammnti! 
ber  cnglif^fit  (2'prad)e  f.  bcn  bffcntl.  u.  §.>ripatuiitcrrid)t.  2)urc^  geeignete  93ei= 
fpicle  erläutert  mit  5ttl}lrcid)en  Uebungcn  begleitet  unb  nat^  e.  bur^  bicljiiljr. 
erfnbrung  beirül^rtcn  ©nfiemc  bcarb.  8.  XX  u.  496  ©.  Seipjig ,  S?. 
Sauc^nil  jun.     3n  engl.  Ginb.  n.  1%  >^- 

JTIanitiuSi,  Dr.  H.  A. ,  inslruction  and  recrealion  ,  a  selection  of  eng- 
lish  literature,  collccted  and  arranged  under  proper  heads  for  the  use 
of  schools  and  pri^ale-sludy.  The  2.  edition,  enlarged  wilh  an  accurale 
vocabularj,  by  the  same  author.  gr.  8.  X  u.  289  S.  Dresden,  Ad- 
ler u.  Dielze.     geh.  1    »^. 

S^antll^etmer,  -*^. ,  the  perfect  Speaker  ober  pollftiinb.  .g»anbbuc^  ber  3bio= 
tiömen  u.  gd^anerigfeiten  bcr  3)eutfd)fn  unb  ®nglifd)cn  ©pradjc,  mit  leidjtcn 
u.  mobcrnen  ©ngl.  u.  S)cutfct)en  ©efpriidjcn.  3um  @^uU  u.  ^'»ripatgebrau^e. 
1.  2:i)l.  16.  VI  u.  146  @.     2?onn,  ^icnrl)  u.  (folgen,  gel).  12  n9v:(24A"r.  rl;.) 

9^ap,  ST.,  Sarcbof  i  engclfer  ©prafet.  ©jette  Upplagan.  217  <B.  8.  ©tecf= 
^olm,  SRorjlcbt  od)  @bncr.  40  ff. 

—  Defningar  for  OcfuHTfattning  ifran  Swenffa  tili  (fngclf^a,  mcb  Sfnmurf; 
uingar  od)  Drbbof.     2.  Upplagan.     135  ©.     8.     dbb.  _      32  ff. 

Mösch,  Teacher  Ferd. ,  the  principles  of  english  grammar  designed  for 
the   use    of  schools   as   well   as  for  private  learners.     1.  Part.  —     ^ie 


82     Sprachwissenschaft.  —  IX.   Gcrinau Ische  Sprachen. 

©runbji'uH'  bcr  cnglifdjcn  <Spra^lff)rc ,  jum  ©ebrau^c  f.  Schuten  u.  ^rioaU 
Unterricht.     1.  Stjl.     8.     VI  u.  122  ®.     ©^weinfurt,  ©ie^lcr.  cart.  12  ngt 

9,}^ttn&e,  Dr.  6arl,  erfter  Unterricht  im  Gn^lif^cn.  Gin  praft.  ßcljrsjanö  bic^ 
fer  (Sprache,  mit  [ortjfiilt.  S3crü(ffic^t.  ber  SfuSfprac^c,  jum  (Schulunterricht  u. 
©clbflftubium  l)xß^.  2.  Sfbtlj.  3.  ücrb.  STufl.  flr.  8.  VI  u.  177  ©.  8eip= 
äii),  Sfrnolb.     gc^.  ^  %  ^. 

Ollendorff,  Dr.  H.  G.,  nouvelle  raelhode  pour  apprendre  h  lire,  ä 
ecrire  et  ä  parier  une  langue  en  six  mois,  appliquee  ä  l'anglai«.  Ou- 
vrage  entierenient  neuf,  ä  l'usage  de  tous  les  elablissements  d'instruc- 
tion  publics  et  parliculiers,  de  Tun  et  de  l'autre  sexe.  Nouvelle  edi- 
lion  augmenlee  du  complement  de  la  conjugaison  des  verbes  anglais 
par  M.  Etin Celle.  8.  VI  u.  480  S.  Francfort  s.  M.,  Jügel's  Verl. 
cart.  1   ^. 

—  la  m^me.  2.  Partie  de  l'edilion  ä  bon  marche  cont.  le  complement 
de  Touvrage  ä  partir  de  la  48.  le^on.  8.  S.  327  —  480.  Le  raÄme. 
cart.  •  V3  4' 

—  Clef  de  la  nouvelle  methode  pour  apprendre  ä  lire ,  k  ecrire  et  ä 
parier  une  langue  en  six  mois,  appliquee  ä  l'anglais.  8.  V  u.  149  S. 
Le  möme.     cart.  I2V2  W 

Pope,  P.,  dialogues ,  as  an  assistance  in  acquiring  the  art  of  speaking 
the  english  language.  Wilh  notes.  2.  edition.  60  S.  8.  Koppen- 
hagen, Gjldendal.  24  Sk. 

^Ovi^,  ^fr.  Dr.  3o{).  Ä^rt,  ber  englifc^e  ®pracf)meifler  ober  bie  Äunft,  )\a6) 
einer  ganj  neuen  unb  3ebirmann  üirflanblidjen  i?e^r=  u.  Scrnart  in  ivcnigcn 
9Bod)fn  englifc^  ^n  fprccfeen,  ä"ii^^d)ft  f.  beut[(^e  5fii6ivanberer  au6  b.  S3aucrn= 
unb  (Sciperbjlanb.     2.  »Tufl.     8.     116  <B.     Grlangcn,    ^'»alm  u.  fönte,     gcf). 

n.  8  ngr  (24  Ir.  rl;.) 

SRo^ettfott,  S.,  r.eucr  Seljrgang  ber  engli[d}en  ©pradje  nac^  c.  neuen  pratt., 
anah}t. ,  tl)ccrct.,  fpnttjet.  5:)U'tl)obe.  giir  bcn  ®ct)ul=,  ^ritat;  u.  Selbftun= 
tcrrii^t  K.  uüc^  bcr  6.  Dvig.:S(ufl.  jum  ©ebrau^  für  S)eutfd)e  bearb.  ü.  Dr. 
5fUi).  Solt    2.  u.  3.  Sl)l     8.    332  ®.     ffierlin,  6.  ©c^ul|e'§  S^uc^br.  gel;. 

Ä  n.  V2  4- 

Rog^d,  Peter  Mark,  Thesaurus  of  English  Words  and  Phrases,  Clas- 
sified  and  Arranged  so  as  to  Facilitate  the  Expression  of  Ideas  and 
Assist  in  Literarj  Composition.     8vo.     pp.  442,  cloth  14  s. 

Sadlcr,  P.,  grammaire  pratique  de  la  langue  anglaise.  lOe  ed.  18  Bog. 
12.     Paris,    Truchy.  2^^  fr- 

@<^Ottf  9,  Set)r.  Dr.  ^. ,  cnglifdjeß  Ucbung8=  u.  Sefebucf)  f.  ben  erftcn  (SurfuS 
ober  praft.  Sljcit  ju  ber  engl.  ©rammatiE.  2.  oerb.  u.  burcf)  e.  2fnl).  t).  Ucs 
bungen  für  bcn  2.  (Surfuö  Perm.  Sfufl.  gr.  8.  VI  u,  230  <3.  fflreSlau, 
Srewenbt  ii.  ©ranier.     gel;.  1/2  »fs, 

^itnott  ,  öcuiS,  8cl;rbud)  ber  englifcften  (gpradjc  nnc^  9lobertfon"ö  9J2etl)übc. 
1.  gurfuß.  gut  Slnfängcr.  gr.  8.  VIII  u.  192  @.  ßcip^ig,  33aumgärt: 
ner.     gel).  _  V2  4'- 

—  Taschenbuch  der  Handelscorrcspondenz.  Mit  Anmerkgn.  u.  Wort- 
erklärgn.  zum  Selbstunterricht,  so  wie  f.  Schulen  u.  Comptoire  bearb. 
In  2  Abthign.  1.  Abth. :  Die  Handelscorrcspondenz  in  deutscher  u. 
englischer  Sprache.     2  Thle.    br.  8.     Leipzig,   Spamer.     geh.  ^Yj^  *^. 

fS&^pte ,  3.,  tl;coretifc^:praftifd)e  Slnleitung  jur  fc^netlen  (Erlernung  ber  cngli= 
fc^en  @prad)e  in  c.  neuen  unb  fa^lid}eren  S)arfieUung  ber  auf  it)rc  richtigen 
unb  einfac^l^en  ©runbfä^e  jurüdiefUbrten  Siegeln  mit  crläuternben  S?eifpiflen. 
3n  2  S^ln.  in  1  ©b.     gr.  8.     VIII  u.  344  ©.     Äöln,   g.  S.  ©ifen.     gel). 

n.  IV2  4. 

fGßtittg,  Dr.,  neuefle  englifc^e  ©prac^Uljre,  ober  fc^nellflc  u.  türjefle  Slrt  eng: 
lifc^  ju  lernen,  gür  (S(^ule  u.  |)auS.  1.  8el)rEurfuö.  8.  44  ®.  jdopou  2 
in  qu.  gr.  4.    3ena,  (©cebereiner.)     gel;.  n.  y,  4, 


Sprachwissenschaft.  —  IX.   GcrmaulscLc  Sprachen.     83 


(In  Deulsohland  gedruckte  Ausgaben  englischer  Autoren). 

ColIec<ion  of  british  aulhors.  Copyright  edition  for  conlinenlal  cir- 
culalion.  Vol.  223.  231-236.  238-250.  gr.  16.  Leipzig,  B.  Tauth- 
nitz  jun.  ä   n.  Vz  «f-     Inhalt: 

(Bill  HCl-,  Sir  Eilw.  I-yt(oii,)  iiiy  novcl  ,  or  varlctics  iu  eiiglUk  lilc.  Hv  risislr«- 
tiis    Caxloii.       Vol.    III. 

Die  kons,    eil.,   lileak    liotisc.       Vol.    H.    5    >rS. 

—      Lotiscliold    words.      Vol.    13  —  IG. 

LcTCr,    eil.,   the   Daltons    or   tlirce   ro.id.s   in   lifc        4   Vols. 

(Marcli.  ,     Mrs.  ,)    Eniilia    Wjnaiiani.       'J    Vols. 

— •      caülle    Avon.      '2   Vols. 

Stowe,  Harrict  Becc:!icr ,  iinclc  Tom's  cabiii.  Wilh  n  piet'acc  cijiicsslj  writlcii 
for    tliis    eititioQ.       —    Vols. 

(Tliackeray,  %V.  M.,)  tlic  bislory  of  Hciirv  Eiliuonil  E.sq.  coloiicl  in  Ibe  Ser- 
vice   of   licr   Maj.    Q.    Anne.    Writtcn   b>    biinself.       2    Vols. 

Warburion,  Eliot,  the  crescent  and  tlic  cross  ;  or  roinance  and  realilics  of  ea- 
stern   Iravcl.      4  Vols. 

Elze^  Karl,  englischer  Liederschatz  aus  englischen  u.  amerikanischen 
Dichtern  vorzugsweise  d.  XIX.  Jahrhunderts.  Mit  Nachrichten  üb.  die 
Verfasser.  2.  verb.  u.  verm.  Aufl.  8.  XVI  u.  452  S.  Dessau,  Katz. 
In  engl.  Einb.  IV2  4. 

Hainblin ,  Thos.,  the  lily  of  the  valley.  Poetry  and  prose.  gr.  8.  V 
u.  105  S.     Bremen,  (Löning  et  Co.)  geh.  n.  18  ii^t 

lilbrary.,  liltle  english,  or  selection  of  the  best  modern  writings  ada- 
pted  for  childhood  and  youth.  Followed  by  a  series  of  questions  to 
be  answered  by  the  pupil.  By  James  M'Lean.  Vol.  4.:  Four  of 
my  uncle's  fireside  tales,    By  Ben  Hook,   16.  83  S.    Leipzig,  Baum- 

;    gärtner.     geh.  Ve  4- 

—  Vol.  5.:  Twelve  interesling  lales  by  Roh.  Hoist.  16.  119  S. 
The  same.     geh.  6  ngt  (1—5.:   1   «^  4V2  ngr). 

^Jtoove,  Sf)om.,  u.  8orb  iS^tOtt,  ©ii^tuiijjcu.     3n  ^cutfc^cr  Ucbcrffluiuj  m. 

gegenübcrgtbrucftem  Drigiual.    16.     III.  u.  107  @.     öcipäig,  S3rccfl)niiS  gel). 

n.  2/j  4'-  in  '■"fll-  ©iiil'-  111-  (äolbft^n.  n.  24  iigr. 

Percy,  Stephen,  Tales  of  the  kings  of  England.  2  Bdchn.  bis  auf  un- 
sere Tage  reichend.  Mit  Anmerkgn.  v.  W.  Helm.  gr.  10.  221  S. 
Darmstadl,  Beyerle.  cart.  n.  V2  4-  (^8  Xr.  rh.)  (cplt.  2772  iigt  — 

1   Fl.  33  Xr.  rh.) 

Rose,  ihisUe  and  shamrock,  the.  A  selection  of  english  poe- 
Iry,  chiefly  modern.  By  Ferd.  Freiligrath.  16.  XXVIII  u.  638  S. 
Stuttgart,  Ed.  Hallberger.     In  engl.  Einb.  m.  Goldschn. 

2  4.  (3  Fl.  30  Xr.  rh.) 

^^af^peutt^^  bramatifc^c  3Bcrfc  übcrf.  ton  5fug.  SffiiK;.  t>.  ©djlegel  u. 
ßubir.  Xitd.  4.  Octao=S£uSg.  6-12.  S3b.  8.  Scrlin,  @.  3fteimcr. 
gel).  n.  ä  %  4.  cplt.  n.  6  ,^. 

Sheridan,  R.  B.,  Ihe  rivals.  A  comedy.  SJJit  9Bcrt=  u.  ©ad)crflürun= 
gen  jum  ©c^iil:  u.  »priüatgcbraud)  l;rSg.  ü.  9t  eginalb  SOiiller.  8.  IV 
u.  87  (3.     Leipzig,  Renger.     geh.  Y^  ^. 

Xheatre,  the  modern  english  comic.  With  notcs  in  german  by  Dr. 
A.  Diezman.  Serie  IV.  Vol.  11.  and  12.  16.  Leipsig,  Härtung, 
geb.  ä  3V+  ngu 

Inbalt:  11.  Allow  nie  to  apologize.  A  farce  in  one  act.  B\  J.  P.  W  o  0 1  c  r, 
Esq.  32  S.  12.—  rlutonic  atlac'liincnls.  An  original  farce  in  one  act.  By  Bayle 
Bernard.    39   S. 

^'olff,  Prof.  Dr.  O.  L.  B.,  Hausschatz  englischer  Poesie.  Auswahl  aus 
den  Werken  der  bedeutendsten  englischen  Dichter  v.  Chaucer  bis  auf 
die  neueste  Zeit  in  chronolog.  Ordnung  begleitet  v.  biograph.  u.  lite- 
rar,  Einleitungen.    Für  Freunde  engl.  Literatur,    wie  f.  Lehranstalten. 


84     Spracliwlssenscliaft.  —  IX.   Gcnnanlsclic  Sprachen. 

3.    sehr    vcrm.    u.    verb.    Aufl.     Hrsg.    t.  Dr.  H.  A.  Manitius.     gr.  8- 
XXVIII  u.  399  S.     Leipzig,  Coslenoble.     geh.     l  ^.;  geb.  n.  IV3  x^- 

3.     Altiiiederländlscli.     Ilolländiscli.     Flamländlscli. 

Visscher ,  Prof.  L.  G.,  belmople  geschiedenis  der  Nederlandsche  Let- 
lerkunde.     2e  deel,   le  stuk.     Utrecht,  Dannenfelser  en  Doorman.  1  Fl. 

Jonchbloet,  W.  J.  A.,  geschiedenis  der  midden-nederlandsche  dicht- 
kunst.  2e  deel,  478  S.  gr.  8.  Amsterdam,  P.  N.  v.  Kampen.  Sub- 
script.-Pr.  5  fl. 


Cahour,  A. ,  Balduinus  van  Conslantinopelen ,  kronyk  van  Belgie  en 
van  Fraukrj-k  in  1225.     348  S.     8.     Tournai  15  113:. 

Conscience,  H.,  geschiedenis  van  Graef  Hugo  van  Craenhove  en  van 
zjnen  vriend  Abulfargus.  Historische  lafereelen  uit  de  XlVe  eeuw ; 
niet  vier  plalen.     2.  Ausg.     176  S.     12.     Anvers.  20  iigi: 

Schrant,  J.  M.,  Oud-Ne^rlandsch  rijm  en  onrijni.  278  S.  8.  Lei- 
den, C.  V.  d.  Hoek.  IVzA.      , 

Stroosnyder ,    Jan,  vlaemschen  dichter  uit  de   16e  eeuw.     Twee  re-      I 
fereinen,  belrekkelyk  de  geschiedenis  van  Leuven,  heruitgegeven  door 
Edw.     Van  Ewen.     8.     X  u.  92  S.     Löwen. 

Werlicn ,    uilgegeven    door    de   verceniging    ter   bevordering  der  oude 
Nederlandsche  letlerkunde,    5e  jaarg.  4e  afl.     Jacob  van  Maarlanl, 
Sinte  Franciscus  leven.     Inleiding,    verbeteringen ,    aanteekeningen    ea      j 
woordenlijst.     XII  u.  99  S.    gr.  8.     Leiden,  D.  du  Mortier  en  Zon.  —      1 
Subscr.-Pr.  des  Jahrg.  '  fl.  8,22.      1 


Bomhoffc,  D,,  nieuw  groot  woordenboek  der  nederlandsche  taal.  Vol- 
gens  de  laatste  en  beste  bronnen  bewerkt.  le  afl.  48  S.  gr,  8. 
Voorburg,  Broedelet.  Ys  fl. 

Jünlderi,  G.  C. ,  nederlandsche  spraakleer.  Een  Vervolg  op  de  nederl. 
spraakkuiist  voor  schoolgebruik.     375  S.     Nijmegen,  Thieme.       2%  fl. 

üipnttfelb,  ?.,  ^anbbuc^  jur  (Srlcrmiii^  bcv  IjotlanDifdjcii  J^anbcl5correfpon= 
tfiij,  nct'll  bcn  nötljigen  Sfnnurhmtjcn  u.  (Sammlung  ber  gcbriuid^üc^flen 
gormularc  K.     gr.  8.     XVI  u.  1'28  <S.     iBrnmn,_  @(\BUx.  gel}.       ^  V2  4- 

Iförterbuch ,  neues  holländisch-deutsches,  in  möglichster  Vollstän- 
digkeit, bearb,  v.  e.  Lehrer  der  deutschen  u.  holländ.  Sprache,  rev.  u. 
ergänzt  durch  Gymn.-Oberlehr.  Dr.  Ludw.  Tross  u.  Prov. -  Steuer- 
Secr.  Gfried.  Orerman.  Lex. -8.  VIII  u.  136U  S.  Emmerich, 
Komen.     geb.  n.  3V3  4' 

Heers,  J.  van,  nederduitsche  sprackleer,  naer  de  beste  bronnen  be- 
werku     237  S.     8.    Anvers.  1   »f ,  5  1131: 

4.     Altnordisch.     Schwedisch. 

Holmboe,  Prof.  Chr.  Andr.,  det  norske  Sprog  vajsentligste  Ordfor- 
raad,  sammenlignet  med  Sanskrit  og  andre  Sprog  af  samme  Aet.  Bi- 
drag  lil  en  norsk  eljmologisk  Ordbog.  gr.  4.  XX  u.  496  S.  Wien. 
Leipzig,  Kummer  in  Comm.     geh.  n.  SVj  »^ 

nöbiiis,  Dr.  Th. ,  über  die  ältere  Isländische  Sage.  Eine  Leipziger 
Habilitationsschrift.     92  S.     gr.  8. 

&amUnQ(it  lUgifua  of  eircnffa  gcvii[frift^(2iUlftapit.  gierte  ©den.  I^iift.  5. 


Sprachwlssensoliaft.   —  X.  ßoinanisclie  Sprachen.      85 

m  lyörnfnjcnfn  Scgenbarhim.    33(inb  1.    .§.  5.    (3.  705-917.  8.    &cd^ 
l)olm,  gtorf^cbt  od;  ©ßner.  2  Slbr.  1'2  ff. 

fSvbbof  l^fivcr  ©tvcuffa  ®praM.  »Tf  Sf.  g.  3:)alin.  12.  p^  13.  .Däftma. 
®.  5'29— 624.     4.     Stocfl^olm,  *Sfcfmaii.  ©ubfcriptionöprciS   l   JRbr. 

&ttÖnt1>0VQ ,  ^- ,  ©UH-nff  ©prafUira,  iiub  Sfffccnbc  pa  ©prnfcti^  -Oiporiffa 
lUuH'cfliiiii  upptajonbc  afirni  jjotiffan,  foriinorffau  od)  fornfiiH'iiffau  i  3nnfbrdfc 
inrö  be  ©iinnffa  ganbffnpSmalcii.  XVI  u.  196  ®.  8.  ©todljclm,  ^Oacj}; 
flröm.  1  3ibr.  24  ff. 

@tt>ettffa  ©prafdS  Sncjar.  itritift  Srf(;anbling  of  3.  Gr.  3tt;bqivifl.  g^örfie 
Sanbct.  (gortfättiiini]  cd)  @(ut.).  ©.  305-509.  8.  ©tcdijclm ,  SSccf- 
mon.  2  3ibr. 


X.     Roinanlsclie  Spraclien. 

JOicj,  S^'^i^-»  3^^'fi   Qltromanifc^c  ©tbi^tc  bcrid)tii)t  u.  crfKirf.     flv.  8.     58  ©. 

S?onn,  5öcbcr.     ijcl).  Vz  »^• 

lleyse,  Paul.,  studia   romanensia.     Particula  I.     Disserlalio  inauguralis. 

gr.  8.     48  S.     Bcrolini,  (Hertz.)     geh.  banr  n.  8  1131 

1.     Französlscli. 

(Litteralurgesehichle.) 

Corneille  and  his  Times.     By  M.  Guizot.     8vo.  pp.  484.  cloth  14  s. 

Geriisex,  E. ,  histoire  de  la  litterature  franpaise  du  moyen  äge,  aux 
temps  modernes.     34V2  Bog.     8.     Paris,  Delalain.  TYg  fr. 

Ijivct,  Ch.  L.,  6ludes  sur  la  litLeralurc  frangaise  ä  l'epoque  de  Riche- 
lieu et  Mazarin.  I.  Bois-Robert.     3  Bog.     8-     Paris,  Techener. 

Roche,  A.,  les  prosateurs  franrais.  Recueil  de  morceaux  clioisis  dans 
les  nieilleurs  prosaleurs  depuis  l'origine  de  la  litlerature  franfaise  jus- 
qu'ä  nos  jours,  avcc  une  nolice  biographique  et  crilique  sur  chaquu 
auteur.     3e  ed.     le  partie.     10  Bog.      18.     Paris,  Borrani  et  Droz. 

(Lexicographie.) 

DicHonnairc  classique  de  la  langue  francaise  etc.  Exlrait  du  grand 
dictionnaire,  p.  Nap.  Landais.  Nouvelle  ed.  38V2  Bog.  8.  Paris, 
Didier.  4  i'r. 

—     nouveau,  franrais  etc.  p.  George.  21   Bog.  18.  Paris,  Fourant.  2^''4  fr. 

Jong'las,  L.,  en  C  Vandevyver,  nieuw  vlaemsch-fransch  zak-woor- 
denboek,  bevattende  al  de  in  beide  lalen  allgerneen  aengenomen  woor- 
den.     12.     320  S.     Gent.  I8  n^u 

niole,  A.,  nouyeau  dictionnaire  francais-allemand  et  allemand-franfais 
ä  lusage  de  tous  les  etats.  2  Vols.  II.  Edition  ster.  A.  s.  le  t.: 
9?cuf6  SBörtcrbuc^  bcc  frninöf.  u.  bcutfc^en  ©pra^c  jum  ©cbraitd)  f.  alle 
©tänbf.  2  Sljle.  [g-raiijörtfd)  ^bciitfc^.  —  ©ciitfc^  ^fraiijofd;.]  11,  ©tcr.= 
StuSg.     gr.  8.     X  u.  1144  ©.     öraunfc^wrig,  Söeflcrmann.     ge^. 

2  ^.5  geb.  2V3  ^. 

Planche,  J.,  vocabulaire  des  latiiiismes  de  la  langue  frangaise  emprun- 
tes  lilleralement  de  la  langue  laline.    2e  ed.     8  Bog.     Paris,  Hachette. 

^ice^,  ®i)mn.=8c()r.  Dr.  garl,  pelit  vocabulaire.  Äldiicö  Bocabilbuc^  juin 
2liiörofiibiijlcrncii  f.  sriifäiujrr  in  bcr  franjüf.  ©prad;c.  2.  *.!fiifl.  8.  48  ©. 
S?crün,  .&crbi.j.     c\d).  3  jiiji; 

Poitcvin,  P.,    dictionnaire  de  la  langue  frangaise.     Glossaire  raisonne 


86     Sprachwissenschaft.  —  X.  Romanische  Sprachen. 

de  la  langue  ecrite   et   parl6e  etc.     Livr.  15—23.     Lex.-8.     Bruxelles. 

Preis  d.  Lief.  5  njt 

fücidttitv,  SouiS,  ncucflcg  (s:omptcir=2c):icon  ber  teutfd)en  u.  franäofifc^fn 
(gpradjc,  entt).  e.  üoUf^ünb.  Serminoloöic  b.  ^aiibclS,  b.  ©ccwcfenS  u.  in 
9tcd)te  m.  (Srläuteruugcn.  II.  St;t.  S)futf(^=franäb[i[^.  8.  254  ©.  sjjürn; 
Uxü,  8o|bccE.     ge^.  ä  V2  4.  (48  Jr.  rt;.) 

(Grammatik  und  Unterrichtsschriften.) 

9Cbta^üm€,  5i.  6-  8.,  franff  ©progtüre  til  ©fotfbnuj.  3.  lltijaüc.  268  ®. 
8.    Äoppentiadcn,  »f.  %.  .fioft.  _  1  9U'b.  32  ©f. 

Ahn,  F.,  Practica!  and  Easy  Method  of  Learning  the  French  Langua^c. 
12mo  cloth,  3  s.  6d. 

9(lf}ttaftf  ©t)mn.-5.>rof.  Dr.  %.  X-».  3.,  franslftfdje  ©rammatif  nad)  btr  cal= 
culircnbm  9JJct{)obc  a\&  Gntuncflung  u.  gcrtfe|unij  [cincS  Glcmeiitarlnid)f6  brr 
fraiiäöf.  @prad)c.     gr.  8.     IV.  it.  224  ©.     SÖ^ainj,  t».  äabcrn.     jjcb. 

%  4^.  (54  Jr.  rl;.) 

Baiwir,  J.  J.,  nouvelle  grammaire  francaise,  m^thodique,  analysee  et 
raisonnee,  fondee  sur  des  principcs  irrefragables  et  incontestables,  ela- 
blis  par  les  auteurs  Ics  plus  celcbres  et  par  les  meillcurs  grammai- 
ricns.  gr.    8.  X  u.  739  S.     Cologne,  Bolb'g  in  Comm.  geh.     n.   1%  >^. 

Balsam,  Conr.  Chr.  A.,  über  den  Gebrauch  der  Verneinungen  im  Fran- 
zösischen.    16  S.     4.     Progr.  d.  städt.  (lymn.  Liegnilz. 

^avbicu^,  ©t)mn.  =  ^'rof.  -0.,  SfiitibarlmruS  ber  franjbfi[d)cn  ©pradif,  entt). : 
bie  beim  granäöfifci^^Sprcc^m  11.  ®d)rcibeu  ü.  S)cutfd}cn  wie  t».  granjofeii 
iinri^tiij  gcbraud)tcn  5öbrtcr ,  SicbciiSartcu  u.  Sonpritctionm  JC.  2.  ßfji. 
gr.S.  ®.  129—256.  granffurt  a.  «m.,  SSrönncr.  gel;,  ä  n.  löngt  (54  .\'r.  r^'.) 

fSaUtn^atttn,  ©tunn.^öetjr.  3.,  Gljrcftomatljic  anS  ber  fronjcfifc^en  Sittcratur 
bcS  19.  Salirt).  f.  bie  ^-'^ri'"'^  "n  ©pmnnfim  u.  ^o^crii  S3tirijfrf(^ulen.  5fl§ 
Slnl;.:  SffctiKn  üb.  bie  bcbcutenbflen  fran^bf.  ©c^riftflcUcr  b.  19  3rtt)rl;unbcrt3. 
gr.  8.     XII  II.  299  ®.     Soblfiij,  |>ßlfcber.     gc^.  n.  %  «^ 

f&titut>ai^ ,  ß.  Sf. ,  bie  5{nfang6{iriinbe  ber  frnn^bfifdjcn  (Sprai^e  f.  bciitfd}c 
Äinbcr.  1.  (?ur[uS:  SIu§fprad;c  u.  8cfcn.  8.  IV  u.  64  @.  Serlirt,  23ar- 
tbct.  cart.  n.  V«  4- 

fSenttSt,  ©i)mn.=8c()r.  5f(bert,  fvanji^fifdic  ©rammati!  f.  bie  unteren  ÄlafTcn 
ü.  ©Dmnafun  u.  giealfc^ulcn.  8.  'Vlll  it.  128  ©'.  ^otSbam,  Dticgcffdic 
33.  geb.  n.  n.  Vj  ^f. 

f&cvnbt ,  ßonrcctcr  3.  6.  %. ,  franjöfifdic  ©rammatiE  u.  Ucbunggbu^  f.  Sfn= 
fäusjcr.     8.     IV.  u.  70  ®.     IPerlin,  Siicolai.     gel;.  6  iigu 

Bescherelle,  grammaire  nationale  ou  grammaire  de  ^  oltaire,  de  Ra- 
cine, de  Bossuet  etc.,  renfermant  plus  de  cent  mille  exemples  qui  ser— 
yent  ä  fonder  les  regles.     55  Bog.     8.     Paris,  Garnier  freres.         8  fr. 

ISt&IiOt^ef ,  ücUftdnbige  faufmännifdje  ^  im  SBcrein  mit  9}]cl)reren  l)erait6ge: 
geben  üon  Dr.  g.  STtjU.  1.  u.  2.  ^eft.  21.  u.  b.  %.:  2?eiitfd)e  ^»anbclSfor:: 
refponbenj  m.  franj.  Ueberfe^ung  aller  in  ben  SPriefen  üorfoniutcnben  fd}aiievi= 
gen  Sßörter  u.  STuSbriicfe,  ü.  Dr.  %.  21  ^n.  3.  üerb.  u.  Perm.  Slufl.  8.  IV 
lt.  198  3.     öeipjig,  (?.  ^\  mawx'.  V2  4. 

f&OVt'xn^,  8.  e.,  fvanof  ©vommatif.  Dttenbe  llbgaüc.  210  ©.  8.  S\cv- 
pcnljagen,  Sclbenfclbt.     cart.  BS  Sf. 

Büchner,,  Karl,  u.  Frdr.  Herrmann,  Handbuch  der  neueren  fran- 
zösischen Sprache  u.  Literatur,  od.  Auswahl  interessanter,  chronolo- 
gisch geordneter  Stücke  aus  den  besten  neueren  französ.  Prosaisten 
u.  Dichtern,  nebst  Nachrichten  v.  den  Verfassern  u.  ihren  Werken. 
Prosaischer  Tbl.  4.  Ausg.  Neu  bearb.  u.  hrsg.  v.  Prof.  Frdr.  Herr- 
mann,    gr.  8.  XXVIH  u.  608  S.     Berlin,  Duncker  et  Humblot.     geh. 

n.   IV.  4- 

CTaftreS,    Dberlefir   ©.   S^.  g.  be,   franjöfifdje  Slnnierfungen   jti   8.    -fHrrig'S 


Sprachwissenscliaft.   —   X.  Romanische  Spiaclicn.     87 

STiifjatcn  jiim  Ueberfc^cn  nuö  bcm  J)cutfdifn   in    taS  i5ronjöfifrf;f.    K     IV 
u.  39  ©.     eibcrfilb,  a^abcfcr.     gd;.  '/+  x^. 

CoecItclberg:he-Du<aelo,  CJiov.  Louis  de,  tlid'orie  compicte  de  la 
prononciation  d.^  la  langne  franrnisc,  avec  ses  differentcs  modificalions 
dans  l'ontroticn  familior,  le  discoiirs  d'apparat  et  les  vers;  fond^e  sur 
Ic  bon  nsage  manifeste,  les  aiiloriiös  les  plus  imposantes,  et  sur  dos 
prinripes  feconds  et  incontcslables  puisös  dans  la  raison  loglque,  l'hl- 
stoire  et  Ic  gcnic  de  ia  langue.  2  N  oIs.  Lcx.-8.  X  u.  478  S.  Vienne, 
(Leo.)     geh.  baar  n.  'J'/,  ^f. 

Collmann,  Gymn.  -  Lehr.  Dr.  K. ,  französisches  Lesebuch.  Zunächst 
f.  die  obcrn  Classen  der  (iymnasicn.  gr.  8.  \'IM  u.  539  S.  Marburg, 
Elwcrl.     geb.  I    4.  {{   Fl.  48  Xr.  rb.). 

C-Oursieri,  Ed.,  manuel  de  la  conversalion  fran^aise  et  allemandc  oti 
instruclion  complete  pour  ceux  qni  voulenl  s'exprimcr  correclement 
et  avec  facilit6  dans  les  deu\  langues.  Ouvrage  servanl  cn  m6me 
tomps  de  vade-mecum  aux  voyageurs.  12.  Edition,  revuc  et  augmcii- 
lee.  Avec  unc  preface  par  Ang.  f.  ewald.  A.  s.  Ic  t.:  >f)anfclnicl)  bcr 
franjirfifdim  u.  bcutfctirn  ßouücrfationefprarijc  k.  12.  rcrb.  u.  ferm.  ?fufl. 
8.  XX XL  11.  463  (S.  OTit  b.  Sfiifj.:  Causeries  Parisicnncs  etc.  Par 
Prof.  Dr.  A.  Pe  schier.  5.  Edition.  XIV  u.  110  S.  etuttijarf,  ??cff. 
cji-f).  _     _  %  4  (1  Sf.  12  Ir.jt).) 

IPaudet,  J.,  principe  fondamental  de  la  langue  franfaise,  pour  servir  d'in- 
telligence  ä  Tclude  de  la  grammaire.  SVz  Bog.  8.  Paris,  chez  Tau- 
leur,  rue  Monlniarlre,  32.  2  fr. 

Degrang'CS,  Edm.,  traite  de  corrcspondance  commerciale.  Traduit 
du  francais  en  allemand ,  avec  texte  en  regard  par  C.  FL  Tcrne. 
Preccd6  d'un  avanl-propos  de  Fred.  Noback.  A.  s.  le  l:  granjL^fif^s 
5^cutfdle  .5antd6:(Jcmipcntfiij.  ijr.  16.  Vlli  u.  755©:  Üdpjis],  O.  ©U 
gan&.  gd;.  n.  ly,  4.^ 

in  cni)l.  ©inb.  n.  1%  ^ 

Detroit,  Pastcur  L. ,  möthode  de  leclurc  franfaise  par  articulation  et 
pour  l'usage  ordinaire  avec  des  morceaux  choisis.  2.  Edition.  A.  s. 
Ic  t.:  grnnjöfifcficr  8cfcuntirrid)t  \\<\6.)  tcr  ?nutirmctt)obc  u  sum  gf\üiU;iil. 
©cbraud)  ni.  ft;flcnintif(^  gccrbndcn  3t1rflü(fcn  2.  «fufl.  8.  XII  u.  179®. 
fvönijSbcVii,  S^on'S  Öfr(.     gel).  n.  8  iijjr. 

Utibisc,  Dr  ,  a  New  Grammar  of  the  Fronch  Language.  2d  edilion, 
rimo.  pp.  326,  cloth.  4  s. 

l'Kcbo  de  Paris.  Eine  Sammlung  französ.  Redensarten,  welche  im 
geselligen  Leben  vorkommen,  und  die  man  täglich  hören  kann,  wenn 
man  in  Frankreich  lebt.  Nach  M.  Lepage  f.  Deutsche  bearb.  3iif  e. 
aufs  Neue  vervollständigten  Französisch-Deutschen  Wörtcrbucbe  über 
die  Wörter  etc.,  welche  in  dem  Werke  vorkommen  v.  Dr.  Ferd. 
Fliessbach.     6.  Aufl.     8.     252  S.     Leipzig,  Haendel.  geh.  %   4 

Favre,  Eug.,  et  G.  Fred.  Reiss,  manuel  classique  de  la  convcrsation 
francaise  et  allemande.  —  .öanbtnic^  ter  franjöfifdjcn  u.  bcutfdicn  Um: 
gnngefpradic.     12.     366  S.     Geneve,  Kessmann,     geh,  V2  *f> 

^9tmtnlt^Vt ,  bie,  bcr  franjpfifd}cn  Spradje.  Ciinc  nötfjige  a?cii]abc  311  bm 
S3üdiern  f.  5f()n  ,  Seibcnflirfcr  u.  (£inicn ,  Ijaiiptfädjlid)  f.  foldJc  Sdiulanflal- 
ten,  in  tcnm  bicfc  im  ©cbroud)  finb.  2.  iinpcranb.  Sfiifl.  gr.  8.  15  S.  5f(= 
tona,  ?cmfu(}l  11.  (5o.     gef).  3  iigc 

Fries,  J.  G. ,  phrasöologie  franf  aise-allemande,  ou  esprit  de  la  conver- 
salion dans  les  deux  langues.  4.  Edition  ,  revue,  corrigee  et  conside- 
rablemont  augmentee.  —  ^yranjoftfcli^bciitfc^c  5-'*l;raffol0ijie,  cb.  @igcnt[)üm= 
lidjfdt  bcr  Conrcrfaticn  in  bdbcn  ®prad)ni.  4.  neu  burdjgcfdi.,  Perm.  u. 
pcrb.  Sfufl.  8.  186  S.  CKülljaufcn  im  (?Ifap.  granffurt  ä.  OT.,  S>m- 
mtti&ji  Scrt:».     gr^.  n.  16  i^r  (56  Jfr.  r^-.) 

^Vinn^/  8fl}f-  93^-  3.,  Uiif;tr  ®cfpr;id)e  f.  ba§  gcfdlfi^aftlidje  ßebm  junger 
ii:^äbd;en.     3iim  Q5cbrau':^c  in  SL-diterfdjuIcn.     4.  2(ufl.     »f.  u.  b.  S.:     Dia- 

12 


88      Sprachwisseiiscliaft.   —  X.   Romanische  Sprachen. 

logues  faciles  pour  la  vie  sociale  de  jeunes  filles.     4.  Edition.    8.    128 

&tOVQ ,  Dr.  8v  @(enifntar=©ramniatif  bcr  franäbfifd)cn  ©protze ,  nebft  ringt; 
floc^tcncn  6onoer[atioii6=Uebuii9eii.  ©ine  praft.  Stnldt^.,  bie  franjöf.  (gpröcfie 
in  furjcr  3fit  ücr(^el)cn,  [prec^cn  u.  [ct)rdbfn  511  lernen.  8.  314  @.  (Sjfnf, 
Äefmann.     Qci).  7^  4 

©ifd^ig,  ©t)mn.3^vof.  3of.,  neue  gcnetifc^e  9}|ftf)obe.  SerPoüfiänbigte  u.  ter: 
cinfadjte  franjofifc^c  ©rammatit.  (Sin  ße^rbuc^ ,  bcf[en  Siegeln  fid^  oiif  bie 
bcflen  ©d^riftflcUcr  granfrei(^9  griinben  :  bcjliinmt  jmn  öffentl.  u.  ^^ripatiin= 
terric^t.  2C.  u.  b.  S.:  Nouvelle  melhode  genelique.  Grammaire  fran- 
faise,  simplifiee  ,  complele  et  cssentieilement  pralique,  ä  l'usage  des 
Alleniands.     8.     XXIV  ii.  456  ©.     SBien,  ©crolb.     gel).  n.  IV3   »f. 

®ttt<i(tu,  £)berlel)rer  Dr.,  franjofifc^e  Söcrter  gcrmanifc^cn  UrfpningcS.  ^rcc 
gr.  b.  griebr.=5Bill;.  ec^ulc  ja  (Stettin. 

&nÜQC,  ßcljr.  Dr.  S.  g.,  Uebungeaufgaben  üb.  eigentl;iimlid)c  ffiJenbitngen  bir 
frciujijfifi^cn  ©prndje  b.  geirbljnl.  ficbenS,  u.  bie  Stegein  ber  ©rammatif.  8. 
VI.  u.  122  ©.     erfuTt.     (peipjig,  Söinter).  ^  n.  V5  4- 

Cirnner,  Fr.,  select  specimens  of  german  literature.  Translated  into 
english  by  M.  Thomas.  Vol.  1.  [Select  specimens  of  german  litera- 
ture from  nature  and  human  life,  a  series  of  gradual  exercises  for 
french  translation.  Published  by  Grüner,  Eisenmann  and  Wil- 
dermuth.l     gr.  8.     VIII  u.   198  S.     Stuttgart,  Ebner  et  Seubert.  geb. 

n.  1  «f.  (1  Fl.  36  Xr.  rh.) 

$aufc&tl&,  ®t)mn.=©ir.  Dr.  (Srnj^  3.,  Glemcntarbud)  ber  fronjöff^Kn  Spradje 
nnc^  ber  calcuürcnben  smetl;obc.  1.  Äurfu5.  3.  ^tufl.  Qr.  8.  136  ®.  ßcip» 
}ig,  Slenger.     gel).  9  m]z 

$ittett<ltt&  ,  ßcl)r.  3. ,  ßeitfabcn  beim  Unterricht  im  i5''0"J'5fifc^en.  fRai)  ben 
jeireiligen  pfi;c^olog.  a3ebiirfnifycn  ber  ©c^iiler  pom  7.  3al)rc  an  georbnct. 
1.  ÄurfuS.  2.  pore  Perm.  Sfiifl.  gr.  8.  93  u.  4  lit^.  <B.  SO]aiuj,  gober. 
ge^.  %  4.  (27  Kx.  rtj.) 

—  baffelbe.  5.  u.  6.  Äurfu6.  Sf.  u.  b.  S. :  ^^rnftifdicr  8tt)rgang  beim  Unters 
ri^t  im  gronjöftfc^cn  f.  bie  SD^itteUlaffcn  ber  9lfal[d)ulen,  11.  ätinlidjen  SfnftaU 
ten.    2  Sljle.     gr.  8.     (Sbb.     gel).  ä  %  4.  (1  gl.  21  Xx.  x\).) 

—  SfnU'itung  jum  ©ebraudje  bcS  Dbigen.  5.  u.  6.  ^eft:  ©c^lüffel  jitm  5.  it. 
6.  Äurfu?.  gr.  8.  ä  43  ©.     ©bb.  ^^  .^f.  (i8  Xx.  xl).) 

'^Ubae,  9lcltor  6.,  franjöfifc^e  ©rammatit.  ^tad)  ber  SDlet^cbe  bcr  Snterli; 
ncariflcn  bearb.  2.  ücrb.  u.  Perm.  STitfl.  8.  XVI  u.  432  ®.  ffierlin, 
SRicolai.     getj.  %  4. 

JUi^ ,  8ct>^-  3-  ®- 1  nutl)obi[e^eö  ßebr;  u.  ßefebud)  jur  grünblii^en  (Sinfiiljrung 
in  bie  franjbfifdjc  ©pradje.  UmfafCenb  ©ronimatiE,  grammat.  Uebungen,  8cc= 
tlire  u.  praft.  Slntcitung  jum  ©pred^en  u.  ©c^rciben.  gr.  8.  XI II  u.  355  ©. 
ffiraunic^tvcig,     SSietveg  u.  ©ot)n.     gel).  _      _  n.  %  j^. 

l,ecturc  dementaire  et  gradu6e  ä  l'usage  des  instituts  d'educalion. 
4  Edition  revue,  corrig6o  et  augmenlee.  8.  VIII  u.  109  S.  Mayence, 
Faber.     geh.  _  n.  V,  4-  (30  Xr.  rh.) 

I^homond,  elemenls  de  la  grammaire  fran^aise.  Revu  et  augmentö  p. 
Abel  Robert.    5e  ed.    13  Bog.   12.  Paris,  teuve  Maire-Nyon.  IVgfr. 

liOhmann.,  Dr.  C,  der  conversirende  Franzose  od.  der  sicherste  Füh- 
rer, die  französ.  Umgangs-Sprache,  wie  man  sie  in  Frankreich  spricht, 
sich  auf  eine  leichte  Weise  anzueignen.  Abgefasst  in  52  Abschnitten 
m  untergelegten  Wörtern  u.  Redensarten  etc.  2.  verb.  Ausg.  hrsg.  t. 
Aug.  Albrecht.  8.  VI  u.  20G  S.  Leipzig,  C.  L.  Fritzsche.  geh.  Y2  .f-. 

fiÜbe^inQ,  ©9mn.=yrof.  Dr.  .^eint.,  fran}öfifd)eS  öefcbiic^  f.  untere  11.  niitt; 
lere  ÄlajTcn.  SJtit  2lnmcrEgn.  u.  e.  üoUflünb.  Söbrterbuc^e.  2.  »erb.  SfufT. 
gr.  8.     XII.  u.  241  ©.     SD^ainj,  Äunje.  V2  4- 

^aittt,  5)ir.  ß.  ST.,  üereinfac^fe  ßetjrrgjJet^obe  ber  franjöfifc^en  ©pro^e,  übcrf. 
u.  .^opm.     gr.  8.      56  ©.    mit  5  3:abeU.  in  quer  gr.  4.     ßeipjig,  ^lerbig. 


Sprachwissens  chaft.  —     X.   Ronianlschc  Sprachen.     89 

JUanuel,  nouveau,  de  languc  frant^aise  ä  I'usage  des  dlrangcr?.  Par  E. 
de  B.  Avanipropos.  1.  Livr.de  la  sörie.  8.  172  S.  Gialz,  (Üirn- 
Löck  u.  Mühlfeilh.)     geh.  %  .^. 

michel,  L,  C,  el  J.  J.  Rapet,  cours  6l6men(aire  de  languo  frantaise. 
4  vols.     4IV2  Bog.     12.     Paris,   Dezohry.  SVz  fr. 

—  —     principes  de   granimaire   franfaise.     4  Bog.      12.     Ebd.  '/^  fr. 
9flxtli^f  8c(;r.  SBilfj.,  C^-Icmentartnid}  für  bcn  crfim  Untfrrid)t  in  tcx  franjöjx= 

f^cn  (Äpradjf  }iim  ©c^iiU  u.  ^'rioatflcOruiic^.  8.  IV  u.  226  <B.  ßdpjig, 
|)ebcnftrfit.     gt^.  V2  »^. 

fSJtÜUet,  8c{)r.  Dr.  ,f>cnn.  iikr. ,  neue  Sfufgabcu  jum  Ucüirfc^fu  an$  bcm 
S)eutfc^m  ii\8  graujöfifc^c.  3u  bc6  -'gx^q.  //i5rnnjofifd)cr  (5jramina(if  f.  @i;m= 
naftcn."  1.  Sfbtt). :  %üx  bic  mittleren  ©ijmnafialflafl'in.  gr.  8.  IV  u.  59 
®.     3fna ,    SSJJaufe.     gct).  n.  Vg  "f. 

IVoel  el  Chapsal,  nouvelle  gramniaire  fraiifaisc  sur  un  plan  tres- 
m^lhodiquc,  avec  de  nombreux  exercises  d'orlhographe ;  de  synlaxe  et 
de  ponclualion,  tires  de  iios  meillcurs  auteurs,  el  distribues  dans  {'or- 
dre des  regles.  Considerablement  augmenlee  en  faveiir  des  Allemands 
par  Taillefer,  6.  Edition  revue  avec  soin  par  Charles  Saigey 
et  Tai  lief  er.  1.  Vol.  Graininaire.  8.  VI  u.  224  S.  Meissen, 
Goedsche's  B.     geh.  V2  "^. 

—  neue  franjöfifd;e  (iirammatif ,  wadj  c.  iiuf erf^  nut(;ob.  yiane  bearb.  u.  mit 
ja^Ircic^cn  auß  bcn  leilcn  ©d)riftflcUfrn  cntlclniten ,  unter  bie  SlcgcUi  ütrtt)fil= 
ten  Ucbuiigcn  jc.  SnS  J)cutfd}e  überfc^t  u.  m.  Sfnmcrfgn.  u.  äufäijcu  beglris 
tet  0.  yrof.  Dr.  3.  edenflfin.  ERcuc  Sfuög.  gr.  8.  336®.  3?rrlin, 
(5.  ^ei;mann.     gc^.  24  ngc 

—  et  de  la  Place,  lefons  fran^aiscs  de  lill6ralure  el  de  morale. 
5um  @d)utgebraiid)  burc^  aJJuftfrfii'irfe  bcr  neueren  3i'it  fcrroUllaiibigt  u.  m. 
fflaron'S  ©efdjidite  ber  franjöf.  ßiteratur  u.  e.  SBbrterlnidje  ücrfel}cn  ton  Dr. 
^.  3.  SBccEerS.  4.  Sfufl.  bearb.  ü.  ©pmn.^yrof.  Dr.  .geinr.  Sübecfing. 
gr.  8.  XCVIII  u.  440  ®.     g}?ainj,  0.  Sabern.  gc(;.  n.  1  4.  (1  fl.  48fl.t^.) 

Palsgrave,  Jean,  r^claircisscmcnt  de  la  langue  fran(:aisc,  suivi  de  la 
grammaire  deGiles  du  Guez.  Pubiies  pour  la  premi^re  fois  en 
France,  par  F.  Gen  in.  ISSVg  Bog.  4.  mit  1  Facsimile.  Paris,  F. 
Didot. 

Pescliier,  Prof.  Dr.  A. ,  causeries  parisiennes.  Recueil  d'enlretiens 
propres  ä  servir  de  modales  aux  elrangers  qui  vculent  se  former  a  la 
conversalion  frangaise.  5.  Edition,  revue  et  augmenlee  de  la  Iraduc- 
tion  en  allemand  de  tous  les  passages  difflciles.  8.  XIV  u.  110  S. 
Slullgart,  Neff.     geh.  IIV4  ngc  (36  Xr.  rh.) 

^eittfev,  ßector  Dr.  Sf.  ZI).,  llebungSbud)  jum  Uel>erfe|en  aus  bem  S)eutfd)cn 
in  iaö  granjöfift^c  für  bie  brei  oberen  Klaffen  bcr  Slealfc^ulcn.  8.  IV  u. 
160  (S.     ffircSlau,   {TUr  u.  So.)     grtj.  V2  'f. 

Ploeiz,  Dr.  C,  cours  gradue  de  langue  fran^aise  en  six  parties  ä  I'u- 
sage des  ecoles.  1.  Partie.  3.  Edition  revue  et  corrigee.  A.  s.  le  l. : 
Glementarbuc^  bcr  franjtififdjeu  @pract)e.  SOJit  befonb.  SSerücEfidjt.  ber  5fu6; 
fprac^e  nac^  ber  flufcnircifc  fcrtfdjreitcnbcn  giJlctljobe  bearb.  1.  (SurfuS.  3. 
»erb.  Sfup.     8.     Vlli  u.  144  @.     95erlin ,  .gierbig.    ge^.  %  4. 

—  cours  gradu6  de  langue  fran^aise  en  6  parties.  A  I'usage  des  eco- 
les. 2.  Partie.  2.  Edition  revue  et  corrigee.  A.  s.  le  t. :  (Slemcntar; 
buc^  ber  franjßfifd)en  ®prad)c.  2.  (SurfuS ,  ober  üoHflänbige  «Sc^uIgrammatiE 
f.  bie  mittlere  Untcrridjtcflufe.  9iacb  ber  [luftnireife  fortfc^reitenten  SO?etl)obe, 
in  unmittelbarem  ^ufammcnljange  mit  jaljlreidjen  franjcf.  u.  beutfc^cn  Uebungö; 
beifpielcn  bearb.    2.  oerb.  «Infi.     8.     X  u.  288  ©.     Qbb.     ge^.  V2  ^. 

Poitevin,  P.,  cours  iheorique  et  pralique  de  langue  franfaise  (Gram- 
maire complete).     437  S.     12.     Brüssel.  y^  ,^. 

Riedel,  Lehr.  J.,  französisches  I^'se-  u.  Corversations-Buihiein  f.  An- 
fänger, in  2  .4btHgn.      Mit  den  zu  den  .\ufgabcn  gehörigen  Wörtern. 


90     Sprach  Wissenschaft.   —     X.   Romaiüsche  Sprachen. 

A.  u.  d.  T. :     Livres  de  leclures  et  de  conversations  francaises.     8.     X 
u.  119  S.     Heidelberg,    J.  Groos'   Verl.     cart.      n.  Vj   i^.  (36  Xr.  rh.) 

&amtnlun^,  fUiiu,  Ictjrrndjcr  ii.  mcrali[d)cr  Ui'bcrfc|itniigfiücfc  anß  bcm  S)cut= 
fcijcn  ins  isranjöfifclje.  ST.  ii.  b.  S. :  Petit  recueil  de  versions  allemandes 
inslruclives  et  morales.  18.  108  ®.  ©ttaöhirg ,  Sö»rc.  5ßt:ri)cr:2corauU 
u.  eo()ii.     carf  _  _  Vs  '^^ 

Sang:rain,  C. ,  plan  methodiquc  ou  manuel  de  la  conjugaison  des  vcr- 
bes  frarifais.  1.  Partie.  A.  s.  le  t.:  9J?ctt)obifi^er  ©runbrif  cbfr  .f^nb- 
Inic^  jur  GonJKijQtion  bcr  franjöf.  3tittvßrtcr.  1.  3;l;l.  8.  126  ©.  Ulm, 
{p.  Sbncr'fdie  5*.)  n.   12  ngc 

Süpile,  Lyc.-Lehr.  Dr.  L. ,  französisches  Lesebuch  f.  die  unteren  und 
miltlercn  Klassen  der  Gynmasien  u.  höheren  Bürgerschulen.  Mit  einem 
ausführl.  erklärenden  Wörterbuchc.  gr.  8  Vlil  u.  259  S.  Heidel- 
berg,  J.  Groos'  Verl.  n.  %   4.  (1  fl.  12  Xr.  rh.) 

UclfUnQ^ftÜ^e ,  praftifc^c,  äum  Ufbcrff^cu  nad)  ©cibenftücfcr'S  5ö]ct^cbc. 
Sßon  e.  djcmalig.  (Sd)aUct)rcr.  Sf.  u.  t.  S. :  Exercices  pratiques  de  tra- 
duction  d'apres  la  melhode  de  Seidenslücker.  12.  Vll  u.  130  S. 
©traebuvg ,   Söire.  SSerger^CcürauIt  u.  ®ot}n.     cart.  V^  ^. 

Vanwesi,  W.,  fransche  spraekkunst,  n)et  opstellen  ter  verlaling.  Naer 
het  hoogduitsch  van  Dr.  F.  Ahn.     12.     418  S.     St.  Trond.  16  ngc 

fßitvt^,  6-  Sv  Si^aiff'»  ©prafct  tili  bcp  ©rommatif  oc^  Sitteratur.  ßiircbcE 
für  ■^ü'ixe  ©Umcntarläroincrf.  gürra  bclcii:  ®praht§  ©raniiiuitif ,  [ebnere 
beim:    ©prafetö  Sitteratur.      2ü8  u.  347  ®.    8.    ©tccftjolm,  J^a.]Gflri?m. 

3  9ltr.  8  [f. 

S2@(t!f(ttnt  5-^rof.  3.  Tl.,  cours  de  lillerature  francaise,  adople  a  la  me- 
lhode d'Ollendorff.  (Sine  flufcnwcife  gcorbnetc  StuSwat)!  ü.  ÜDh-ifirrf^iicfin 
franjof.  ^rofa  u.  ^■»ocfie  b.  17.,  18.  11.  19.  3at)rl)unbcrtS.  STlö  ^ifduic^  beim 
Unterridjt  in  ber  franjcf.  ©pradjc  mit  bcfonb.  ffictiicffi(^t.  bcr  franjcf.  ©ram; 
mati!  nai^  OUenborff'ö  5?]ctt}cbe  f.  bcn  ©djul-  u.  yrifat:©ibraiid]  cin^erid)? 
tet.    8.     XX  u.  523  @.    granefurt  a.  9Ji.,    3HcU  Seil.     geb. '  26V+  njc 

(1  f(.  30  -fr.  rlj.) 

^anbt  2i}C.=yrof.  Gmil,  franjcfifdjc  S5crf($ule  entl).  f.  fleinc  Sammlung  leic^= 
ter  franjöf.  ©ü^e  mit  beutfdjer  Uibcrft^iuiij  jum  ßifcn  u.  Sfuöivcnbiijlcrnen  f. 
Sfnfüncjer.     8.     IV  u.  100  ©.     ÄarlSrutjc,  ©rco8.     gd;.    9  113t  (30  .l"r.  rt).) 

(In  Deutschland  gedruckte  Ausgaben  französischer  Autoren.) 

9Cli^tt>ti^t  Pcn  fran5Öfi[d)cn  Sficaterftücfcn  ber  be^en  neuem  ©djriftfleller  für 
ben  ©cbraitd)  in  ©pmnafien,  tjl^fjrrn  Sürgtr;  u.  So(^tcrfd)ulen  bearb.  m.  er: 
tUir.  Stnuicrfgu.  k.  t>.  Dr.  3ot).  >f)clbmaun.  2.  23bd)n. :  Michel  et  Chri- 
stino par  Scribe  et  Dupin.  —  Le  charlatanisme  par  Scribe  et 
Mazeres.     gr.  12.     V  u.  136  S.     9}lainä,   Äupferberg,     gel),     ä  V,  «f-. 

(36  Xx.  rl).) 

Kerquin,  choix  de  leclures  pour  les  enfants ,  ou  recueil  de  contes, 
d'anecdotes  et  de  traits  de  vertu ,  choisis  des  raeilleurs  auteurs.  Mit 
e.  vollständig.  AVörterbucbe  versehen.  2.  Aufl.  8.  348  S.  Quedlin- 
burg,  Basse,     geh.  _  %  ^. 

Bibliotheque  frangalse  ou  choix  de  livres  interessants  destines  a  la 
jeunesse  allemandc  des  deux  sexes.  Collection  d'ouvrages  fraufais, 
recueillis  par  Charles  Zoller.  Serie  IL  Tome  IL  gr.  16.  Stutt- 
gart, Ed.  Hallbcrger.    geh.  ä  u.  V,  4'.  (36  Xr.  rh.) 

Inli:ilt.  Quelques  jouriices  de  rLcrmilc  de  la  Cliaiissce  d'Antin  oii  ohservatioiis  siir 
Ics  moeurs  el  les  usages  frau^ais  au  commenceincot  du  XIX.  siede,  par  Jotiif. 
VI    u.    161    S. 

—  petite ,  frangaise  ,  ou  choix  des  meilleurs  ouvrages  de  la  lillerature 
moderne,  a  l'usage  de  la  jeunesse,  suivi  d'un  questionnaire  par  Mme. 
A.  Bree.  [Lecture  el  conversation].  Vol.  2,  2e  ed.  18  el  19.  Leip- 
zig, Baumgärlner.     geh.     ä  Vg   »f  •     Inlialt : 


Sprachwissenschaft.  —     X.  Homanische  Spraclicu.     91 

Contc,     Miuc.    Acli   ,     U    vciulangc    oi«    Ic    ili^lile    a  <lil    iioii  ,     8iii«i    <lr  rieiirclle.       III 

u.    10«  S. 

Flcsselles,     Mmc.  <lc,     A<lile    et    Cliarlcs    oii    Ics  cnfanln    vcrliicux.        III    ii.    U-   S- 

SaiiiUs,    \.    E.    i\e,      Ics    Jcux    oipliclins.       ill  ii.  VU    S. 

Blanc,  Louis,  hisloirc  de  la  revolulioii  fiauvaise.  Tome  III.  8.  X 
u.  394  S.     Loipzig,    lirockhaus.     geh.  ä   1  «3*. 

Castres  de  T'crsac,  G.  II.  F.  de,  beautes  de  la  lilleralure  francaise 
moderne,  ou  choix  des  morceaux  les  plus  lomarquaLlcs  qui  sc  liou- 
vent  dans  les  auleurs  du  premier  et  du  second  ordre  des  17.,  18.  et 
19.  sieclcs.  Accoinpagnces  de  nolices  biographiques  de.  et  preced6os 
d'un  resum6  de  Thisloire  de  la  lilleralure  fran(,;aise  depuis  l'cpoquc  la 
plus  reculce  jusqu'ä  Malherbe;  ouvragc,  consaciö  aux  ecoles  superieu- 
res  d'Allemagne.  2.  Edition.  A.  s.  le  t.:  23liit()cu  aiiS  fccm  ©dnctc  tiv 
luufrn  franjüf.  ßiteratur  :c.  2.  SfuSij.  gr.  8.  XVI  u.  383  ®.  .f)ambur)i, 
Mittler,    ^d).  Vz  4- 

Chateaubriand,  F.,  de  I'avenir  de  la  France.  Opuscule  extrail  des 
memoires  d'oulrelorabe  et  prccede  d'unc  correspondance  de  Chateau- 
briand avec  la  reine  Horlense  et  le  prince  Louis-Napoleon.  Avec  des 
notes  par  Ge  orges  Simler.  8.  85  S.  Francfort  s.  le  M.,  Auffarlh. 
geh.  n.   16  my. 

Coitin ,  Mme. ,  Elisabeth  ou  les  exiles  de  Siberic.  Mit  grammat.  Be- 
merkungen und  e.  Wörlerbuche  hrsg.  vom  Gymn.-Subrector  Dr.  Ed. 
Ho  che.     2.  verb.  Aufl.  8.      115  S.     Leipzig,  E.  Fleischer,  geh.  %  »^. 

Florian,  Jean  Pierre  de,  Numa  Pompilius  sccoud  roi  de  llome.  Äüt 
grammat.,  hislorisch-gcograph.  u.  mylholog.  Bemerkungen  u.  e.  Wor- 
terbuche  neu  hrsg.  v.  Gvmii.-Subreclor  Dr.  Ed.  Ho  che.  12.  Aufl. 
8.     V  u.  242  S.     Ebd.     geh.  Vs  -f  • 

—  Fahles.  9JJit  SBort=  imb  ©adjerflünuujcu  jum  ©c^uU  u.  ^Hiüatijcbrauri) 
I)r6ö-  ü-  Si'fjr.  Dr.  gerb,  -^autljal.    8.     VI  u.  162  ©.    ßcipjii],  Sifiigcr. 

Frederic  le  Clrand ,  oeuvres.  Tome  XIX  et  XX.  A.  s.  le  t.:  Cor- 
respondance de  Frederic  II.  roi  de  Prusse.  Tome  IV.  et  V.  Lex.-8. 
XLI  u.  754  S.  m.   1  lilh.  Facs.  in  gr.  4.     Berlin,  Decker,  geh.  n.  S'/j  ^. 

(I-XX.:  n.  262/5   4.) 

Ejacroix,  E. ,  albura  po6lique.  Recueil  de  poesies  fran^aises  des  au- 
teurs  modernes,  suivi  de  quelques  nolices  biographiques.  8.  XX  u. 
399  S.     Dessau,    Katz.     In  engl.  Einb.  IV2  ^• 

liainartine,  voyage  en  Orient  1832 — 1833.  Auszug  In  1  Bd.  ni.  er- 
klärenden Noten,  e.  Wörterbuche  u.  e.  Register.  6.  verb.  Aufl.  Ster.- 
Ausg.     8.     VI  u.  317  S.     Leipzig,    Baumgärtner.     geh.  18  ngi. 

Eiouis,  J. ,  le  nouveau  Robinson  ou  les  avenlures  de  Robinson  racon- 
tees  par  lui-meme  et  augmenlees  d'un  vocabulaire.  Nouvelle  edilion. 
8.     IV  u.  316  S.     Leipzig,  Friese,     geh.  n.  V,  4'. 

JfBigfnet ,  histoire  de  Marie  Stuart.  Arrange  ä  l'usage  des  ecoles  et 
maisons  d'edacalion  par  Mme.  A.  Bree.  8.  VI  u.  326  S.  Leipzig, 
Baumgärtner.     geh.  18  ngc 

Repertoire  du  the^tre  frangais  k  Berlin.  Nro.  357.  378—382.  [2. 
Serie  107.  128  —  132].  gr.  8.  Berlin,  Schlesingersche  Buchh.  geh. 
Inhalt: 

Atlgier,    Em.,     Diane        Draiuc    en    .J    aclfs    cu  vers.      63  S.       '■/,    ,^, 

Bajnrd    et    J^  e  iii  o  i  n  c  ,     la     uiaisc     de    St.     l'lotir.        Comedic  -  vautlcTille     en     1    acte 

ae  s.    Ve  #. 

J.cuvcn,    de,    Bninsvick    et    Siraiidiii,    Ic    niol>ilier    de   Rosine.       Coincdie-faiidc- 

*ille  en    1  acte.      24    S.      y^    ^, 
Mcicsville    et  Guillard,      le    inaicliani     de   joiuls    d'enfant.       ComcJic-iaudeiiile    i'ii 

1    «ele.      35    S.      Vß    *^. 
r.osiei,    Croc|iic-roulc.       VaudoiHc    en     1    acte.       24    S.       Ve     4' 
Scrihe  ell.egoiivc,    Adricnnc  Licouueiir,    coiucdic  draiue    cn  .j  actcs.    80  8.    y,   4, 


92     Spracliwisseuschaft.   —     X.   RoinaniscLe  Sprachen. 

Saint-Pierre,  Bernardin  de,  Paul  et  Virginie  et  la  chaumiere  iodienne. 
Mit  grammat.  Erläulergn.  u.  Hinweisgn.  auf  die  Sprachlehren  v.  Frings, 
Hauschild,  Hirzel,  Mozin  u.  Sanguin ,  u.  e.  Wörlerbuche.  4.  m.  Ster. 
gedr.  Aufl.     8.     III  u.  172  S.     Leipzig,  Baumgärlner.     geh.         V4  »f. 

Scribe,  Eug.,  le  verre  d'eau ,  ou  les  effets  et  Ics  causes.  Comedie  en 
5  actes  et  en  prose.  Public  par  J.  Louis.  Avec  des  noles  explica- 
tives.     4.  Edition.     16.     187  S.     Leipzig,    Friese,     geh.  ^\  »f. 

—  et  C.  Dclavig-ne,  le  diplomate.  Mit  erklär.  Noten  u.  m.  e.  Wör- 
terbuche versehen  von  Dr.  J  o  h.  Held  mann.  16.  132  S.  Leipzig, 
Baumgärtner,     geh.  6  ngu 

Stael,  Mme.  la  Baronne  de,  Corinne  ou  l'Itah'e.  Auszug  in  1  Bd.  für 
die  ersten  Classen  höherer  Lehranstalten.  4.  m.  c.  vollständ.  Wörter- 
buche verm.  Aufl.  8.  XVI  u.  205  S.  Braunschweig,  Westermann. 
geh.  1/2  ^. 

TJieätre  fran^ais  publie  par  C.  Schulz.  XIII.  Serie.  1.  —  4.  Livr. 
Bielefeld,    Velhagen  u.  Klasing.     32.     geh.     h  2V2  W-     Inhalt: 

Aiigicr,    E.  ,     Diane,    drjnie   en    ü    acles    et    en  ter«.       108    S. 
Corneille,     Horace.       84    S. 

Goxlan,      Leon,     les    robcn  blanches ,    dramc    en    2  acics.       .54  S. 
Sanileau,     J.,     M.i<leinoisellc    de    la    Scigliere.       114   S. 

Chants  et  chansons  populaires  de  la  France.  Paris,  Impr.  de  Pillet 
aine.  (Cette  ed.  formera  84  livraisons  illustrecs  de  vigneltes  sur  acier. 
11  paraitra  uno  ou  deux  livr.  par  semaine.     Prix  de  chaque  livr.  %  fr.) 


2.     Italienisch. 

Blanc,  Prof.  Dr.  L.  G. ,  vocabolario  Dantesco  ou  dictionnaire  eritiquo 
et  raisonne  de  la  Divine  Comedie  de  Dante  Alighieri,  gr.  8.  IX  u. 
563  S.     Leipsic,  Barth,     geh.  2V2  *f. 

Droiiilhet  de  Sig-alas,  le  baron  Paul,  de  l'art  en  Italie.  Dante  Ali- 
ghieri et  la  Divine  Comedie.     41   Bog.     8.     Paris,    F.  Didot.  6  fr. 

EiCOncavallo,  Ruggiero,  manuale  Dantesco  per  gli  studiosi  della  di- 
vina  commedia  preceduto  da  un  discorso  del  Sac.  L,  Trombacco. 
18.     Neapel,  1850. 

IWarbone,  Aless. ,  bibliografia  Sicola  sistematica  o  apparato  metodico 
alla  storia  letleraria  della  Sicilia.  Vol.  I.  gr.  8.  [Das  ganze  Werk 
ist  auf  4  Bände  berechnet.]     Palermo.  3^4  fl. 

Nordmann,  Jobs.,  Dante.  Literar-hislorische  Studien.  I.  Tbl.  A.  u. 
d.  T.:     Dante's  Zeitalter.    8.     XV  u.  190  S.     Dresden,    Kuotze.     geh. 

n.  24  nein 

Torricelli,  F.  M.  Conte,  studj  sul  poema  sacro  di  Dante  Alighieri. 
Fase.  1     10.  con  10  lav.  litogr.     gr.  8.    Neapel.  6  fl. 


Bafiiii,  Gius. ,  vocabolario  milanese-italiano  compilato  per  la  Giovenlü 
X  u.  958  S.     8.     Mailand. 

Gherardini,  Giov. ,  supplimento  ä  vccabolarj  italiani.  Vol.  I.  A.  B. 
862  S.     Mailand.  18  L. 

Olivieri,  Gius.,  dizionario  genovese-italiano.     16.     Genua.  2  fl.  24  kr. 

^OtttUi,  ^rcf.  Sac,  er^änjiinaS^SfBörtcrbud}  bct  italitiiifdjm  ©prarf)f.  Sfl- 
pt;abctifd)  gccrbiutc  (Srflaruiuj  i(X  in  (Schrift  u.  Sfusfprac^e  nur  wm\c\  t)cn 
cinanbcr  abircid}mbcn  italicn.  Sruöbriirfe  pfrfc^icb.  S^ibcutungj  lubft  alp^abet. 
Sfnt).  jener  italicn.  SBcrtcr,  welche  bei  ganj  gleicher  Drtt)09rapt)ie,  aber  bei  iicr_: 
[c^icb.  Betonung  e.  abircid)enbe  2?ebciitunij  annel^men.  2.  STuSg.  gr.  8.  IX 
u.  131  ®.     SBien,    SöaUiSljaiiffcr.     ße^.  '/,  ^ 


Sprachwisscnscliaft.   —     X.  Romanisclic  Spraclien.     93 

Tommaseo,  Nie,  nuovo  dizionario  dei  sinonimi  della  lingua  Italiann. 
Ediz.  nuoYa.     «r.  8.     Mailand.     Fase.  1  —  9.  ^45  kr. 


XiCteUi,  8uii)i,  italifnifd)cr  Zxxdjkx  ober  bex  fdineUc  tfjfcretif^cpraft.  italifn. 
©pradjmfiflfr  für  ycrfoiun  jcbfS  @tanbe5  u.  2UtcrS.  5.  ücrb.  u.  tubcufcnb 
»crm.  Sfufl.  2f.  u.  b.  3:.:  'Der  berebte  atalinier,  ober  tjriinbl.  u.  Uic^tfaßl. 
»ilnlfitj.  bic  italicu.  (Spracf}c  in  8  Sagen,  rt^nc  Oilfc  c.  ßctircrö,  gut  Ufcn, 
fprcdjcn  u.  fdjrcibcn  ja  lernen.  Stcbft  c.  2fn(j.  ü.  l;iifl.  9tcben6avtin  k.  SRac^ 
ben  anerfannt  bef^cn  Onellen  bcrtrb.  5.  ücrb.  u.  bebcutenb  vcrm.  STufl.  16. 
VIII  u.  136  ©.    aßicn,   Söcncbift.     Qti).  9  ngt 

Intronai,  Nicolö,  nuoTa  coirispondenza  morcanlile.  Coii  nole  pella 
traduzione  tedesca.  gr.  8.  IV  u.  292  S.  N'ieiina ,  Tendier  et  Co. 
geh.  1   4.  12  njc 

^iiippi  ©omin.  2Int.,  auSfü^rlidje  t^ccrcti[i^=praftifd;c  itaUenifdje  eprarfjlcljrc 
für  ben  bffcntl.  u.  ^Viüat=Unterrid)t.  14.  bebcutenb  Dcrm.  Driginalanft.,  mit 
fad)ijcmä^er  ^inttjfifij.  auf  bic  analtjt.  ©rfUirgn.  bcr  gcrmcnlcljre.  23earb.  ü. 
aSob.    aMiil.    3et      ö^-  8.      iV    u.   404   ©.       ^Jürnberg,    So^bect.      gct;. 

1   4.  (1  fl.  45  .?r.  r().) 

—  yrof.  ^.  Sf.  be,  praftifd}cr  Sefjnjang  jur  [rijncllcn,  u.  icd)  i)rünbüd)cn  Sr= 
lernung  bcr  itatienifdjcn  Spradje,  nad)  Dr.  g.  Sfljn'S  befanntcr  Seljrmct[)cbf, 
gür  bie  ^xu]<:nb  ,  als  aud)  jum  <Selb(^untcrrid}te  für  ©rirad)fene  u.  torjügli^ 
f.  (Spulen  u.  Sef)r:3nf^itutc.  1.  (5urfu8.  10.  burd;au5  »erb.  u.  t>crm.  Sfufl. 
gr.  8.     IV  u.  216  ©.     «Kien  ,  d^^anj.     gel).  18  ngc 

—  neues  fc^nelllet)renbe3  eicmentar-2?uc^  f.  ben  crfien  Untcrridjt  in  bcr  itaUc= 
lüften  (Spraye.  '^c^i)  einer  rein  praft.  SOlettjobe,  bie  in  türjef^cr  3fit  3um 
©prc^cn  füljrt.  $\m  ®ebraud)e  an  Unter=Diealfd}uIen  bearb.  3m  beut[d)cn 
S(;cilc  reü.  ü.  SSicebir.  ^'»rcf.  3  of.  2{  loi  S  2)  itf  d)  einer.  2.  ©enicfler.  gr. 
8.     IV  u.  140  e.     Söien,  ©crolb.     gc{;.  ä  12  ngt 

Fornasari-Verce,  Prof.  A.  J.  de,  Cours  lh6orique  et  pralique  de  la 
languc  italienne,  simplißee  et  redutle  h  ses  vraLs  piincipes.  5.  Edi- 
tion revue  et  corrigee.  2  Livrs.  gr.  8.  1.  Lfg.  S.  1 — 256.  Vienne, 
Manz.     geh.  l    »^.   18  ngt 

—  t^eoretifc^=praftif(^c  Sfnieitung  jur  ©rtcrnung  bcr  italicnifdjen  ©pracbe  in 
f.  neuen  u.  faflic^eren  ©arfieUung  bcr  auf  i(;rc  richtigen  u.  einfac^flen  ©runb; 
fä^c  jurüc!gcfü(;rtcn  Siegeln.  16.  nad;  ben  beflcn  neueren  ©ramniatifern  n^c^ 
fentlid)  crgiinjtc  u.  nerb. ,  m.  e.  neuen  Sefebudjc  au3  claff.  ©c^riftflcUern  jum 
©c^ulgebraud)  üerfet).  2fuf[.    gr.  8.     VI  u.  432  ©.     ©bb.     gel;.       IVz  4. 

—  ?luSTOat)l  italicnifd)cr  ^>rofa  au8  bcr  neueften  Sitcratur.  gür  STnfangcr  je= 
bc3  STltcrS,  als  Italien,  ßcfeübung  für  S)cutfc^c,  u.  als  Ucbcrfe|ungSübung  ins 
5)cutfc^e  für  Stalicncr,  ncbfl  a3ejeid)nung  bcr  Setonung  jc.  2.  Sfufl.  gr.  8. 
VII  u.  177  <B.     aSicn,  ßcdjncr.     gel;.  n.  28  ngt 

Nannucci,  Vinc. ,  teorica  dei  nomi  della  lingua  ilaliana.     T.  1.     gr.  8. 

Florenz.  ^     _  lOVj  fl. 

Nota,    Alberto,    lo  sposo  di  provlncia.     Commedia  in  5  alti.     %'üx  3ln= 

fiinger  iebcS  SflterS,  als  italicn.  öcfcübung  für  S)cutjd)c,  u.  als  Ueberfc^ungJ; 

Übung  inS  ©eutfc^e  f.  Italiener,   ncbfl  53e3cid)nung  bcr  S3etonung ,  fcljr  x>i:>\l- 

[lanbig  m.  beutfdjen  ©rfliirungS^S'fctcn  k.  cingerid)tet  u.  brSg.  t».  4^rof.  Sf.  3. 

eblcn   üon   gornafüri^aScrce.     2.  2Utf[.      gr.  8.     II  u.  93  ®.     SBicn, 

Scc^ner.     gel).  n.  12^/3  ngt 

Petrarca,  Franc,    la  Griselda  yolgarizzata.      Novella  inedita  tratta  da 

un  codice  Kiccardiano  dei  sec.  XIV.  con  note  e  tavola  di  aicunc  voci 

niancanti  al  vocabolario.     gr.  8.     Florenz.  28  kr. 

Rampini,    J.,    a  Grammar   of  ihe  Italian  Languagc.       12mo.      Edinh. 

pp.  190,  clolh  3  s.  6  d. 

Rampoldi,  Giov. ,  i  proverbi  e  le  seutcnzc  prorerbiali.     Raccolta.     3a 

ediz.     24.     Mailand.  IV2  fl. 


94     Sprachwissenschaft.   —     X.  Romanische  Sprachen, 

Sliüjter,  Dir.,  Italiaansche  verlaal-oefeningen.  120  S.  8.  Amsterdam, 
Hassels.  ^  l^/^  fr. 

Soave,  Franc,  Novelle  morali.  Nuova  edizione  riveduta,  ed  arricchila 
di  nole  ledesche.    8.     220  S.     Vienna ,    Tendier  et  Co.     geh.     Vz  4*- 


3.     Spanisch. 

BJjiccionario  de  la  rinia  de  la  lengua  caslellana ;  per  una  sociodad  de 
lilcratos.     I6V3  Bog-     12.     Paris,  Kosa. 

—  de  sinonimos  de  la  lengua  castellana;  por  don  Pedro  Maria  de 
Olive.     2.  ed.     2814  Bog.     8.     Paris ,   Boix. 

—  de  sinonimos  de  la  lengua  castellana,  por  una  sociedad  de  lilteralos. 
24V3  Bog.     12.     Paris,    Rosa,    Bouret. 

Diciionnairc  franfais-espagnol  et  espagnol-francais ,  abrege  du  dict. 
de  M.  Lopez;  par  E.  Orrit.  Precede  d'un  precis  de  g-ammaire 
espagnole  p.  D.  E.  de  O c h  oa.     13  Bog.     32.     Paris,    Hingray. 

Kennedy,  James,  the  Älodern  Poets  and  Poelry  of  Spain.  8vo.  pp. 
422,  ckuh  16  s. 

Uliinch-BSellsjip^Jjausen,  Frhr.  Eligius  v.,  über  die  älteren  Sammlun- 
gen spanischer  Dramen.  4.  85  S.     Wien,   (Braumüllcr.)     geh.  n.   1    *^'. 

^VC^t,   Dr.  aSict. ,    ©ro.mmatif   bfr   [pnnifd)cii   ®prad}c.     2  S'[)tc.  in  1  SSb- 

2tx.-'S.     a^rcmiu,   Ü)d6lcv.     c\d).  IV2  4*- 

2nl)alt:     1.  3)ie  goniicnltfirc  11.  SIBortbilbung,   in.   e.  Sinleitg.  üb.  ©efcf)icl)te 

n.  G^cirnftcr  bcr  fpan.  Sprache  ncbfl  ben  ©riinb.^ücien    bcS  homance  castoi- 

lano.     XLiV  u.  68  ®.     2.  Spanifd)e   nnb   bciitfdje   Ikbungf-anfgobcn,    bie 

®V)ntaj:  n.  Corrcfponbenj.     vni  u.  248  <B. 

Salva,  Don  Vincente,  compendio  de  la  grammatica  casiellana.  5.  ed. 
3  Bog.     18.     Paris,   Garnier  freres. 

^i^noVf  (3(0.,  (Scfd)id)te  bcr  fd}?ncn  ßitcratnr  in  (Spanien.  J)cut[cl^  m.  3n= 
fäljcn  l^r^ö-  P.  SJtf  Ol.  .^einr.  3uliii6.  2  S3bf.  gr.  8.  XLll  u.  1557  ®. 
ßcip5ig,  ffirccftjaug.     q(\).  n.  9  4'- 

Triend,  J.,  Spaansche  spraakkunst,  met  opslellen,  lees-  cn  vertaaloe- 
feningen.    312  S.     gr.  8.     Kampen,  K.  v.  Hülst.-  3  (1. 


4.      Portnjyicsisch. 

Consiancio,  F.  S.,  nouveau  dictionnaire  portatif  des  langues  franpaiso 
et  porlugaise.     8e  ed.     36  Bog.     16.     Paris,  Rey  et  Beihalte.         8  Ir. 


5.     Rhactoromanisch. 

(Baviid),  C'tP/  vjrammotifclie  '^in-incnlffKe  bcr  bcutfdjcn  unb  rljatcrcmanifdini 
Spvndji-  für  bie  rcmani[d}cn  2d)uU'u  tyrautninbcnö  ncbft  e.  Stellage  über  bic 
rl)ätcri.nnan.  ©rannnntif  im  äH-fonbcrn  unb  einigen  groben  ouß  ber  aitcflen 
Tbätoroman.  Vrcfa  u.  %Ve[ic.     gr.  8.     VlII  ii.  218  ©.     ß^nr,   .&i^.     i]d). 

n.  %  xT.  (l  f[-  24  A-r.  ü).) 

Taschen-\N"örlcrbuch    der    rhaetoromanischeu  Sprache  in  Graubiin- 

den,  besonders  der  Oberllinder  u.  Engadiner  Dialekte,  nach  dem  Ober- 
länder zusammengestellt  und  etvmologisch  geordnet.  Neue  Ausg.  mit 
Nachtrag,     gr.   16.     XL  u,  203  S.     Chur,  (Hilz.)    geh.    n.    1   «f.   18  n.y: 

ßctttu  &c  ^app ,  (Selbtoplan  Sfnbr.,  SfnUitung  jur  (Srlernung  ber  rcmani= 
fdjen  epvadjc.     gr.  12.    254  S.     ^Jefd^cn,  g.irodjaf.ea.    gel;.  n.  y^  ^'. 


Sprachwlss.  —  XI.  Wörter-  u.  Goiivcrsationsbüchcrctc.       95 

6.     Provciizallscli  und  Allfrauzösiscli. 

Pocsies  bcarnaies,  77  chanls  b^arnais,  classes  p.  E.  Vignancour 
dans  Uli  ordre  chionologique,  avec  notices  sur  Ics  auteurs ;  suivi  d'une 
etude  de  ridionic  böarnais  p.  Hatoulet.  2e  ed  24  Bog.  mit  18  Ta- 
feln.   Pau,  Vignancour. 

Puigrg-ari ,  P. ,  grainmaire  Catalane-franfaise.  ä  I'usage  des  Frangais 
obliges  ou  curieux  de  connaitre  le  Calalan,  des  linguistes  et  des  ama- 
teurs  de  la  langue  romane.     6  Bog.     12.     Perpignan ,    Alzine. 

Werke,  die,  der  Troubadours,  in  provenzalischer  Sprache,  nach  den 
Handschriften  der  Pariser  Nalionalbililiothek,  Hrsg.  v.  Dr.  C.  A.  F. 
Mahn.     4.  Bd.     8.     X    u.    255   S.      Berlin,    Dümmler's    Verl.      geh 

an.  2  4. 
NB.     Der  2.  und  3.  Bd.  erscheinen  später. 

Amis  et  Ainiles  u.  Jourdains  de  Blaivies.  Zwei  allfranzös.  Helden- 
gedichte d.  kerling.  Sagenkreises.  Nach  der  Pariser  Handschrift  zum 
ersten  Male  hrsg.  v.  Dr.  Conr.  Hofmann.  gr.  8.  XX  u.  242  S. 
Erlangen,    Blaesing.     geh.  n.  2%  »^. 

Uofinann,  Dr.  Conr.,  über  ein  Fragment  des  Guillaume  d'Orenge. 
gr.  4.     63  S.     München,  Franz  in  Comm.     geh.  n.  24  nju 

—     Nachträge  und  Berichtigungen  dazu.  gr.  4.    7  S.     Ebd.  geh.  n.  4  iigr. 


XI.     Wörter-  und  Conversatiousbüclier,    welche  mehrere 


Sprachen  umfassen. 


^OUttin ,  Prof.  Sart,  atlgemcincr  ©d)Uif[el  ^iir  faufmaniüfd}cii  Gorrcfpoiibni^, 
ober  praft.  Sfntcituus)  jum  nierfantit.  S3rieffit;l  in  brci  ©prac^cn.  (Sine  rcid]= 
l)alt.  ©ainmlitng  bcutfc^er,  franjöf.  u.  cncjl.  Orig.^Sriefe  [ncbfl  e.  beutfdjcu 
Üeber[e|g.  ber  franjöflft^  u.  engUfcf)  abgcfaften]  über  e.  ^Reihenfolge  P.  ©c^ 
f(^aften  jc.  4.  gänjlii^  umgearb.  u.  anfefjnli^  penn.  Sfiifl.  gr.  8.  VI  u. 
246  @.     ©tuttgart,  ©toppani.     ge(;.  27  ngr  (1  fl.  30  Kr.  tl). 

&ifpVä^e,  aUgemcine,  in  oier  ©prac^en:  S)eutfd) ,  granjSfifd),  ©nglifd;  itnb 
3talicnif(^.  —  Nouveau  guide  de  conversations  modernes  en  allemand, 
francais,  anglais  et  ilalien.  gr  16.  IX  u.  199  <B.  ßeipjig,  £).  5S>iganb. 
9ct).  _  n.  %  4. 

Jost,  S. ,  grammaire  polj'glolte  ou  tableaux  synopliques  compares  des 
langues  fran^aise,  allemande,  ilalienne,  espagnole  et  hebraique,  accom- 
pagnes  de  la  prononcialion  figuröe  et  d'annotations  philologiqucs, 
exegetiques  et  archeologiques.  2e  6d.  Paris,  chez  l'auleur,  rue  Ros- 
sini 28.  5  fr. 

$and'^e$ifl>n  för  Ofwerfüttningar  fran  ©wenffa  tili  2:i;fea,  granffa  oi) 
ßngelffa  (SpvaEen ,  nieb  Sfffeenbe  pa  (Slementar=8äro)iH'rfen§  23el;of  Utgifan-t 
of  6.  9i.  Oel;rlanber.  1.  ^a\M:  St-S3lomffaft.  66©.  8.  ©tccf= 
l)olm,  .&äggjTtröm.  16  ff. 

SRetff,  6f).  ^i)-,  t?ier  neuefle  ^araaeUSBi^rterbü^cr  ber  9Jufrifd;en,  fyranjöfifc^en, 
©eutfd)en  u.  ©nglifdien  ©prad)e,  jum  ©ebrau^e  für  bic  niff.  Siigenb,  nudj 
ben  SBörterbü^ern  ber  Siuff.  STcabemie,  ber  ^Jranjöf.  Slcabemie,  fo  rote  bencii 
p.  Sfbelimg,  .^einftuö,  3ol;nfon,  SBebflcr  u.  ST.  bearh.  1.  3:(;l.:  3luf|ifd)e3 
ffiJBrterbu^.  ©rflärung  ber  9tiifT.  SBörter  bur^  baS  gran^öfifc^e,  X)eutfd;e 
unb  ©nglifi^e.  5leue  Sfuft.  br.  8.  LXXX  u.  832  ©.  6arlSrur;e  ti.  ©t. 
^etcraburg.     (ßcipjig ,   Äßf)ler).     gcf).  n.  2%  ^. 

^tttadlOtt'X^e^ifon  för  SDcfrocrfättningar  fran  ©wenffan  tili  Zi)\ia, 
granfta  0^  (Sngelffa  ©prafen  af  6.  9?.  Del)rtflnber  od;  D.  e.  8eff= 
Icr.  1.  oc^  2.  .Ruftet.  ST— ©öbbärarc.  ©.  1-96.  4.  ©torfl;olm,  >g>ägg:.- 
\ixM.  ©iibfcr.^^r.  ä  24  ff. 


NEUE 

JAHRBÜCHER 

FÜR 

PHILOLOGIE  MD  PAEDAGOGIK. 


Begründet 

von 

M.  Johann  Christian  Jahn. 

Gegenwärtig  herausgegeben 
von 

Reinhold  Klotz  Rudolph  Dietsch 

Professor    in   Leipzig  Professor   iu    Grimma 

und 

Alfred  Fleckeisen 

Gymnasiallehrer   in    Dresden. 


Siebenundsechzigster  Band.     Viertes  Heft. 


Ausgegeben  am  6.  April  1853. 


Inhalt 

non  des  siebenundsechzigsten  Bandes  mertem  Hefte. 

Seite 

Kritische  Beurtheilungen 361—461 

Lauer:    Geschichte   der   homerischen  Poesie.  —    Von  Dr. 

M.  Sengebusch,  zu  Berlin.     Zweiter  Theil 361 — 416 

Müller  und  Steinhart:  Piatons  sämmtliche  Werke.    Erster 
und  zweiter  Band. —  \onJ)r. Fr. Susemihl  zu  Greifswald. 

(Schluss.)        417-437 

Sillig:    Plini   histor.    nat.      Vol.    J.    IL    V.    —   Von   Prof. 

L.  V.  Jan  zu  Schweinfurt 437 — 461 

Verhandlungen  der  paedagogisclien  Section-bei  der  Philologen- 
Versammlung   zu   Göttingen.     Amtliche  Protokolle,    mit- 

getheilt  vom  Dir.  Dr.  Fr.  Eckstein  zu  Halle.        .      .      .  461—475 

Programmenschau.     Von  Prof.  Dr.  jR.  Dietsch  za.  Grimma.    .  475 — 487 

Nobbe:  Hroswitha  Geschichte  Oddos  des  Gr 475—476 

Knebel:  Fragment  des  Wilhelm  von  Orlens.  .....  476 

Zingerle :  Tirols  Antheil  an  der  poetischen  Nationallittera- 

tur  des  Mittelalters 476 

Pichler:   Das  mittelalterliche  Schauspiel:  Ludus  de  ascen- 

sione  domini 476 — 477 

Klein:  Ueber  Goethe's  Achilleis 477 

Steudener:  Zur  Beurtheilung  von  L.  Uhlands  Dichtungen.  477 — 478 
Zingerle:   Ueber    die    Zulässigkeit    und    Behandlung    der 

Geschichte  der  deutschen  Nationallitteratur 478—479 

Olawsky:  Ev.  Matth.  V,  33— VI,  16,    aus  dem  gothischen 
Texte  ins  Neuhochdeutsche  übertragen,  mit  einleitenden 

Vorbemerkungen 479—482 

Riringer:  Ueber  Wesen  und  Bedeutung  der  Poesie.      .      .  482 
Sieber:  Uebersicht  der  staatlichen  Gestaltung  Europa's  seit 

dem  Unterg.  d.  westr.  R.  bis  gegen  Mitte  d.  7.  Jahrh.    .  482—483 

Pieler:  Bruno  I.  Erzbischof  von  Köln 483 

Waldmann:  Der  Hülfensberg  und  Geismar 483 — 484 

Witzschel:  Der  Sommergewinn 484 

Kolster:  Von  den  Schlössern  u.Döften  des  alten Dithmarschen.  484—486 

Rein :  Urkunde  v.  Crefeld 486 

Mairhofer :  Tirols  Antheil  am  venedigischen  Kriege.    .      .  486 

Schätzler:  Marx  Welser 486—487 

Pfefferkorn:  Altgriechenland,  chorographisch.      ....  487 

Dommerich:  Die  allgemeine  Erdkunde 487 


Seite 
Auszüge  aus  Zeitschriften.     Göttingische  gelehrte  Anzeigen. 

Jahrg.  1852.     Nr.  12  u.  13 487—489 

Schul-   und    Personalnachrichten,     statistische    und    andere 

Mittheilungen 489—494 

Anclani  S.  489.  Blankenburg  a.  H.  490.  Breslau  490.  Cöslin 
490.  Dresden  490.  Halle  490.  Kiel  490.  Kurhessen  490. 
Magdeburg  491.  Meldorf  491.  München  492.  Oester- 
reich  492.  Petersburg  493.  Rastenburg  493.  Saaz  493. 
Königr.  Sachsen  493.  Salzwedel  493.  Schleswig  493  — 
495.  Schweidnitz  495.  Sondershausen  495.  Sorau  495. 
Spalato  495.  Stanislawow  495.  Tarnow  495.  Temesvar 
495.  Teschen  494.  Torgau  494.  Triest  494.  Zwickau  494. 
Todesfälle 494 


Leipzig, 

Druck   und  Verlag  von   B.  G.   Teabner. 
1§53. 


Kritische  Beurtheilungen'). 

SchoUa  in  Sophorlis  iragoedias  septcm  ex  codicihus  aucta  et  emen- 
data.  Volumen  II.  Edidit  G.  Dindorjius.  Oxonii  MDCCCLII. 
LH  und  414  S.  gr.  8. 

Volumen  secunduni,  insofern  Elmsleys  Oxforder  Ausgabe  der 
alten  Scliolien  als  volunien  prinunn  gilt.  Zu  diesem  soll  vorliegender 
Band  ein  Supplement  bilden,  quo ^  sagt  Hr.  üindorf  p.  IV,  complexus 
sum  quae  vel  desiderari  in  Elmsleü  editione  vel  uUliter  accedere  ei 
posse  Tider entur. 

Vor  allen  Dingen  bat  Hr.  D.  für  eine  neue  ganz  zuverläfsige  Ver- 
gleicbung  des  Laurentianus  Sorge  getragen.  Uaraus  bat  sieb  ergeben, 
dafs  Elmsley  trotz  seiner  grofsen  Akribie  docb  einzelnes  versebn  und 
übersebn  bat.  Nanienllicb  bat  er  die  von  spaterer  Hand  nacbgetrage- 
nen  Scbolien  von  denen  der  ersten  Hand  nicbt  gescbieden,  bat  die 
Lemmata  nicbt  durcbgiingig  treu  naeb  dem  Codex  gegeben,  mitunter 
aucb  sieb  geirrt  in  den  Abbreviaturen.  Indes  mul's  Ref.  gestebn,  dafs 
eben  die  von  Dindorf  gegebenen,  nirgend  wesentlicben  ßericbtigun- 
gen  dem  trefilicben  Elmsley  das  scbönste  Zeugnis  gewifsenbaflesler 
Sorgfalt  ausstellen.  Aucb  Cobet  bat  die  Scbolien  an  wichtigern  Stel- 
len aufs  genauste  verglichen  und  zwar  mit  Bruncks  Texte:  fast  nir- 
gend kommt  eine  Kleinigkeit  vor,  die  Elmsley  nbersehn  hätte.  Wo 
aber,  da  findet  sich  bei  Dindorf  keine  Berichtigung  Elmsleys.  Nacii 
Cobet  hat  Laur.  z.  ß.  im  ersten  Verse  des  Dichters  Scholl.  0.  C.  1375 
oQwvxi  X  o|v,  nach  Elmsl.  Dind.  oqavxi  y  oS,v:  gleich  darauf  tyv(o 
eTtucpt'jGag ,  nicht  lyvco   nacp.^  endlich  XT?/jita (J i ,  nicht  y.xt'iiiaö lv. 

Nächst  dem  Laur.  gebührt  der  zweite  Platz  dem  Laur.  G,  wel- 
cher ehedem  der  Abbalia  Florent.  angehörig  jetzt  in  der  Bibl.  Laurent. 
Medicea  als  2725  aufbewahrt  wird.  Dieser  in  der  Teubnerschen  Aus- 
gabe von  1825  mit  F  bezeichnete  Codex  umfafst  vier  Tragoedien: 
Aias ,  Elekira ,  Oedipus  Rex ,  Pbiloktet,  mit  den  alten  Scbolien.  Die 
Untersuchung  bat  gezeigt,  dafs  die  Scbolien  selbständigen  Werth  ha- 
ben, da  sie  aus  einem  dem  Laur.  sehr  ähnlichen  Codex,  gewis  aber 
nicbt  aus  jenem  selbst  getlofsen  sein  müfsen  Denn  G  hat  Scbolien, 
welche  im  Laur.  nicht  stehn ;  aufserdem  bat  er  manches  reiner  und 
unversehrter  erhalten.  Darin  stimmt  er  oft  mit  den  vom  Suidas  in  sein 
Lexikon  aufgenommenen  Scbolien,  ?a/,  sagt  Hr.  D.,  Suidam  lihru  usnm 
esse  nunc  pateat,   qiti  similis  fuerit  ei,   ex  quo  G  originem  duxil. 


*)  Der  im  vorigen  Hefte  für  die.ses  angekündigte  Schlufs  der  Re- 
cen.sion  von  Lauer.s  Geschichte  der  homerischen  Poesie  kann  wegen 
plötzlicher  Erkrankung  unsers  geehrten  Mitarbeiters  erst  in  einem  der 
nächsten  Hefte  erscheinen.  Die  Red. 

IS.  Jahrb.  f.  P/iil.  u.  Paed.  Ärf.  LXVU.  Hß.ö.  33 


498  üindorf:  Scholia  in  Sophoclis  tragoedias. 

Ohne  noch  die  Schol.  G  zu  kennen  hatte  unterz.  für  den  Text  des 
Dichters  wie  für  die  Scholien  das  gleiche  Resultat  gewonnen.  Suidas 
niufs  den  archetypus  Laur.  vor  Augen  gehabt  haben ,  welcher  in  man- 
chen Einzelheiten  vollständiger  und  fehlerfreier  war  als  Laur.  Die 
mit  diesem  aus  gleicher  Quelle  entlehnten  Bücher  (Flor.  G  und  Pal. 
obenan)  stimmen  daher  meist  mit  der  man.  pr.  des  Laur.  Die  m.  sec. 
hat  nemlicb  nicht,  wie  behauptet  ist,  den  Text  nach  einer  andern 
Handschrift  berichtigt,  sondern  auf  gut  Glück  nachgebefsert.  Uebri- 
gens  ist  es  erfreulich,  dafs  Ilr.  D.  nunmehr  von  der  ganz  unhaltbaren 
Vorstellung  wird  zurückkommen  müfsen,  als  sei  der  Laur.  der  Stamm- 
vater aller  Handschriften  des  Sophokles.  Denn  diese  Annahme  liegt 
der  Dindorfschen  Unterscheidung  zwischen  codex  (L)  und  apographa 
zu  Grunde.  Sondern  dem  Laur.  mit  seiner  Sippschaft,  unter  denen 
wieder  ein  grofser  Unterschied  zu  beobachten  ist,  steht  der  Paris.  A 
als  ebenbürtiger,  selbständiger  Zeuge  zur  Seite.  Auch  darauf  will 
ich  mit  einem  Worte  hinweisen,  dafs  in  den  Anführungen  des  Suidas 
merkwürdigerweise  ein  Theil  der  Bücher  mit  der  man.  pr.  des  Laur. 
stimmt,  ein  Theil  nicht.  Ich  wähle  zum  Belege  0.  R.  13,  wo  Par.  A 
und  codex  A  des  Suidas  das  richtige  ^■yj  xaroinreiQav  erhalten  ha- 
ben, während  Laur.  und  die  libri  rell.  Suidae  ftr)  ov  xar.  bieten. 
Gleich  Vs.  18  haben  die  Ausgaben  des  Suidas  mit  Par.  A  und  Laur. 
von  zweiter  Hand  oi  6i  t  7jt&icov,  dagegen  Laur.  pr.  und  bei  Suidas 
cod.  A  OL  di  &  rj'id'icov,  worin  das  wahre  oTde  d  r^&iav  zu  Tage 
liegt,  welchem  der  Pal.  mit  ol  öh  ö    ifL&icov  am  nächsten  kommt. 

Der  Codex  G,  welcher  die  im  Eingange  des  Aias  im  Laur.  viel- 
fach beschädigten  Worte  der  Scholien  vollständig  erhalten  hat,  ist 
insofern  nicht  so  ungefälscht  wie  Laur.,  als  er  manche  Zusätze  von 
Jüngern  Grammatikern  zu  den  alten  Scholien  hinzugefügt  hat,  nament- 
lich von  Jo.  Tzetzes.  Doch  sind  dergleichen  auf  den  ersten  Blick  zu 
erkennen. 

Von  untergeordnetem  Werth  sind  ein  paar  andere  Florentiner 
Handschriften,  F  und  H.  Jener,  Bibl.  Laur.  plut.  XXVIII,  2j,  der 
nur  die  drei  ersten  Stücke  hat,  stimmt  in  einigem  guten  mit  G;  H, 
plut.  XXXII,  40,  enthält  ganz  das  nemliche.  Bringen  diese  Bücher 
nichts  sachlich  neues  und  werthvolles,  so  dienen  sie  doch  dazu,  den 
Text  der  Scholl.  LG  hin  und  wieder  von  Schreibfehlern  zu  reinigen. 
Aus  beiden  ist  öfter  das  echte  von  Dindorf  hergestellt. 

Eine  zweite  Classe  von  Handschriften  enthält  nur  Excerpte  aus 
den  alten  Scholien.  Obenan  Paris.  A  (Nr.  2712).  Die  alten  Scholien, 
die  dieser  Codex  von  allen  sieben  Stücken  enthält,  stimmen  mit  denen 
im  Laur.,  wie  die  von  Dindorf  als  Specimen  vorgelegten  Scholien  zur 
Antigone  zeigen.  Manche  Glossen  sind  dem  Paris.  A  eigen ;  möglich, 
dafs  der  dem  Schreiber  vorliegende  Urcodex  die  Scholien  hin  und 
wieder  vollständiger  bot  als  Laur.  Mitunter  sind  die  Lesarten  des 
Paris.  A  beachtenswerth.  So  hat  er  in  dem  Verse  des  Anakreon  (fr. 
78  Bergk)  zu  Ant.  134 

fi£Xai.Lq}vXlaj  öaqpva  %k(x}QC(  z    iXcäa.  tavraXt^oi 


Dindorf;  Scholia  in  Sophoclis  tragoedias.  499 

statt  xavxtcW^si.  Der  ^^'ullscll  sclioiiit  angcmelscncr.  Ucbrig-ens  war 
der  Codex  bekannllicli  schon  von  andern  zu  Kallie  gezogen  und  na- 
mentlich sind  die  Glossen  zum  üed.  Col.  von  Hrunck  milgetiieilt. 

Ganz  unherücksiciiligt  gelai'sen  hat  llr.  1).  den  Irellliciien  Palat. 
40  von  den  ersten  drei  Sliicken.  iJekannIlich  verdanken  wir  Prof. 
Kayser  in  Heidelberg  eine  Collation  desselben,  die  nichts  zu  wün- 
schen übrig  lälst.  Aufser  Excerpten  der  allen  Schollen  bietet  aucii 
dieser,  mit  Lanr.  pr.  nah  verv>andle  Codex  manche  gute  Glosse:  dal's 
man  mit  Hilfe  derselben  in  den  alten  Scbolien  Verbefserungen  ma- 
chen kann,  bat  Kef.  Pbilol.  111,  658  an  einem  treifenden  Beispiele 
gezeigt.  Ja,  Pal.  hat  auch  varr.  lectt.,  die  Laur.  und  dessen  Genofsen 
übergangen  haben.    So  z.  B.  El.  66 

()3g  j(ßjt<-  inav'/^iü  T?/gJc  Tr]g  (pijfijjg  ctTto 
öedo^noT     i'/^&QOLg  aßzQOv  (og  Xafiil^eiv  l'rt, 
yQ.  ösö VTiora.     Mag  das   immerhin  eine  Conjeclur  eines  Grammati- 
kers sein,  niemand  wird  leugnen,  dafs  sie  scbarfsiunig  ist  und  Schein 
bat.    Mindestens  ist  sie  nicht  schlechter  als  die  meisten  der  im  I.aur 
verzeichneten    yQ.     Aus  dem  Laur.    selbst   kann    übrigens   auch    der 
Pal.   nicht  geflofsen  sein,  so  nah  er   ihm  nach  Abstammung  und  an 
Werth  steht. 

Eine  zweite  Schicht  von  Schollen  bilden  die  von  byzantinischen 
Grammatikern  herrührenden  zu  den  drei  ersten  Stücken,  namentlich 
von  M.  Moschopulos  und  Thomas  Magister,  welche  Brunck 
nsjch  Pariser  und  einem  Augsburger  Codex  berichtigt  als  Paralipo- 
mena  Schollorum  abdrucken  liefs.  Dindorf  hat  die  von  Hermann  oft 
zu  Ralh  gezogenen  beiden  Leipziger  Handschriften  benutzt  und  daraus 
manches  gebefsert  und  ergänzt,  was  Brunck  in  seinen  Büchern  nicht 
vorgefunden  oder  übergangen  hat.  Dankbar  müfsen  wir  dem  Hrn. 
Herausgeber  dafür  sein,  dafs  er  die  zahllosen  kleinen  Abweichungen 
in  der  Fafsung  der  Scbolien  in  die  Spreu  geworfen  hat.  Gleichfalls 
bat  er  recht  getban,  die  zahllosen  Interlinearglossen,  welche  zum 
Frommen  der  Anfanger  \N'ort  mit  Wort  wiedergeben,  als  völlig  werth- 
los  bei  Seite  zu  lafsen.  Diese  neuern  Scbolien  wurden  in  der  byzan- 
tinischen Schulpraxis  vielfällig  variiert,  contrahiert  und  dilatiert. 
liecht  anschaulich  zeigt  dieses  Hr.  D.  p.  X — XVIIl ,  wo  er  aus  drei 
codd.  Ambrosianis  die  Scbolien  zu  den  ersten  fünfzig  Versen  des 
Aias  hat  abdrucken  lafsen.  Nur  ein  Nimmersatt  könnte  wünschen,  noch 
mehr  der  Art  aufgetischt  zu  bekommen.  Endlich  müfsen  wir  auch 
das  billigen,  dafs  Hr.  D.  wie  ehedem  Brunck  die  Excerpte  Johnsons 
aus  einem  cod.  Baroccianus ,  so  wie  die  Purgolds  aus  dem  ganz  jun- 
gen cod.  lenensis  verschmäht  hat.  Es  überläuft  einen  beifs  und  kalt, 
wenn  man  das  eine  Schol.  zu  El.  449  ansieht,  welches  Dindorf  p. 
XVIII  f.  als  Probe  vorlegt. 

Ist  nun  auch  der  wirkliche  Ertrag  für  das  Verständnis  des  Dich- 
ters aus  diesen  Scbolien  ein  sehr  mäfsiger,  so  verdient  doch  eine 
sorgfältige  Erneuerung  derselben  den  Dank  der  Freunde  des  Dichters. 
Weit  wertbvüller  freilich  ist  der  Commentar  des   Demetrios  Tri- 

33* 


500  Dindorf:  Scholia  in  Sophoclis  tragoedias. 

klinios  aus  dem  Ende  des  14  oder  Anfange  des  15  Jahrlninderfs, 
Die  grofsen  Verdiensie  dieses  einsichtsvollen  und  scharfblickenden 
31annes  sind  oft  auf  die  empörendste  Weise  verkannt  worden.  Daran 
sind  seine  wahnschaffencn  Begriffe  von  den  lyrischen  Jlafsen  und  die 
in  Folge  derselben  begangenen  argen  Willkürlichkeiten  in  der  Ein- 
richtung der  Chorgesänge  schuld.  Sieht  man,  wie  billig,  davon  ab 
und  bringt  die  armselige  Zeit  des  Mannes  in  Rechnung,  so  darf  man 
dreist  behaupten,  dafs  aufser  den  alten  Scholiasten  niemand  so  viel 
für  Erklärung  des  Sophokles  gethan  hat  als  Triklinios.  Noch  jetzt 
llndet  man  oft  bei  ihm  allein  das  riciitige,  wahrend  seine  vornehmen 
Tadler  auf  Irwegen  gehn.  Ref.  ist  es  eine  Freude  gewesen,  den  ge- 
wöhnlich verkannten  Ehrenmann  von  Hrn.  D.  befser  gewürdigt  zu 
sehen.  Er  sagt  p.  XX:  Quae  Tridinius  ipse  ad  interpretanda  poetae 
verba  attulit,  etsi  cum  anliquiorum  doctiorumque  grammaticorum 
commentariis  comparari  non  possunt,  nmltum  tarnen  praestant  inani- 
bus  et  a  proposito  saepe  plane  alienis  aliorutn  grammaticorum  By- 
zantinorum  afinofationibus  et  passim  reconditiorem  verboriim  sensum 
dextre  aperiunt.  Der  Text  des  Triklinios  beruht  auf  Vorarbeiten 
anderer  Byzantiner,  wie  Elmsley  zum  0.  C.  7  p.  86  zeigt.  Es  läfst 
sich  sehr  wahrscheinlich  machen,  dafs  namentlich  Thomas  Magister  die 
Hände  im  Spiel  hatte.  Was  nun  Triklinios  aus  den  alten  Schollen,  die 
in  seinem  Code.x  hie  und  da  vielleicht  vollständiger  waren,  vgl.  Her- 
mann zu  0.  R.  153  und  sonst,  abgeschrieben  hat,  ist  von  Brunck  und 
Dindorf  nicht  wiederholt  worden.  Auch  seine  gänzlich  verkehrten 
metrischen  Schemata  verdienten  es,  ignoriert  zu  werden. 

So  viel  vorläufig  von  den  verschiedenen  Sammlungen  der  Scho- 
llen. Für  den  ßtog  Zoq)oy.XEOvg  ^  welcher  im  Laur.  jetzt  fehlt  und 
wahrscheinlich  nie  in  demselben  vorhanden  gewesen  ist  —  auch  ein 
Beweis,  dafs  Par.  A  aus  anderer  Quelle  stammt — ,  hat  Hr.  D.  vier 
Handschriften  gehabt:  Par.  AFGR  (Riccardianus  34),  wozu  die  von 
Brunck  benutzten  Pariser  BCT  und  der  lenensis  kommen.  Die  ge- 
wöhnlich sehr  vernachläfsigten 'l^TtoiJ'JCjEig,  für  welche  bisher  nur  jün- 
gere Handschriften  mit  Ausnahme  des  Par.  A  zu  Rathe  gezogen  waren, 
erscheinen  hier  zum  erstenmale  nach  Laur.  vielfältig  verbefsert.  Nur 
enthält  der  Codex  die  vitod^eGig  zum  Aias  nicht.  Leider  stand  unferz. 
Hrn.  Dindorfs  Buch  noch  nicht  zu  Gebote,  als  er  der  hiesigen  Socie- 
lät  der  Wifsenschaften  seine  Abhandlung  über  die  Hypothesen  der 
drei  Tragiker  vorlegte.  Er  glaubte  der  erste  zu  sein,  der  den  Laur., 
welchen  Elmsley  nur  für  vitöd-.  0.  C.  benutzt  hatte,  und  Par.  A  voll- 
ständig zu  Rathe  ziehn  und  danach  die  Hypothesen  berichtigen  konnte. 
Hätte  Dindorfs  Bearbeitung  vorgelegen,  so  hätte  manches  in  der  Ab- 
handlung kürzer  gefafsl  werden  können.  Uebrigens  sind  wir  unab- 
hängig mehrfach  in  Verbefserungen  zusammengetroffen,  wie  z.  B. 
in  der  Beseitigung  des  Zalovanog  nv&ayoQeLog,  dem  nach  Laur.  eine 
gewöhnlich  mit  der  des  Aristophanes  von  Byzanz  zusammengeworfene 
Hypolhesis  zur  Antigone  gehört.  Der  TIvd-ayoqeLog  ist,  wie  wir  beide 
gefunden  haben,  nur  aus   der  Misdeutung  der  Abbreviatur  von  vno- 


Diiulurf;  Scliolia  in  Sopliociis  Irafjocdias.  ÖOl 

TT 

^■eöic  (    )  entsfanden.     Unser  Zusammenlrelfcn  wie  die  Verscliicden- 

heilen  der  Ansicht  hahe  ich  in  den  Nachträgen  zu  meiner  Abhandlung 
angegeben,  weshalb  icli  hier  niclil  weiter  auf  diesen  Absclinilt  des 
Buches  eingehn  mag.  Hr.  Dindorf  halle  aufserdem  noch  die  codd. 
AFGIl»  und  die  Florentiner  z/0  (vgl.  die  Prael'.  der  Teuhnerschen 
Ausgabe  von  1820),  welche  indes  von  geringer  Bedeutung  sind.  Dal's 
die  VTto&ioeig  t'ixi.ieTQOi  zu  Sophokles  und  Arislophaues  den  Namen 
des  Aristoplianes  von  ßyzanz  inil  Unrecht  tragen,  gibt  Hr.  ü.  A.  Nauck 
zu:  doch  vcrricthen  die  versus  de  PliHoctefa  durch  ihre  metrischen 
Liccnzeii  einen  Jüngern  Verfafser  als  das  Argumentum  des  Oed.  Ke.v, 
welches  in  der  Thal  vor  allen  übrigen  durch  Gewandlhcil  und  reine 
Form  sich  hervorlluit.  Aufgefallen  ist  Ref.,  dafs  Dindorf  nicht  über- 
all hier  das  auführl  und  sich  zu  Nutze  macht,  was  er  selbst  1825  aus 
den  drei  Florentiner  Handschriften  milgelheilt  hatte.  So  sucht  man 
hier  vergeblich  nach  den  Zusätzen  des  G  oder  P  iu  der  Hypothesis 
des  Pliilokletes  p.  XLVIl  ed.  Teubner. ,  woraus  doch  eine  nicht  unbe- 
deutende Bereicherung  sich  gewinnen  läfst,  wie  Hef.  in  seiner  Abhand- 
lung gezeigt  hat. 

Kehren  wir  zu  Dindorfs  Praefatio  zurück,  so  füllen  p.  XXIH — 
LH  Excerpte  aus  G.  Wollfs  Buche  de  Scholiis  Laurenlianis ,  denen 
nur  wenige  kleine  Zusätze  beigefügt  sind.  Gut  ist  es,  dafs  Hr.  D. 
p.  XXXIV  darauf  aufmerksam  macht,  wie  die  von  WollT  vcrfochtene 
Ansicht,  dafs  Didymos  der  Haupiredacleur  unserer  Scholicnsammlung 
sei,  bereits  von  K.  Lehrs  in  diesen  Jahrb.  1828  Bd.  VII  S.  141  IF.  vorge- 
tragen und  durch  überzeugende  Gründe  gestützt  war.  Jetzt  hat  sich 
zu  den  acht  namcntliciicn  Anführungen  des  Didymos  noch  eine  im  G 
zu  Ai.  83  eingefunden,  welche  im  Laur.  obliltcriert  scheint:  /tidviiog 
öijixst-ovrcii  rrju  (pQaGLv  ^  ctXX  ovöe  ft-jj  tJ)/  uiXag.^  Eine  andere  An- 
führung des  Didymos  in  den  Scholl.  0.  C.  763,  über  welche  die  Ge- 
lehrten irrig  genrlhcilt  liaben,  Hr.  D.  geschwiegen  hat,  verdient  eine 
kurze  Besprechung.  Zu  den  Worten  des  Te.xtes 
xL  xavxu  TtciQa  Ka(ie  ösvtcQov  &ek£ig 
sXetv 
lautet  das  Scliolion:  IleLQcc  ßuQvxövag  avccyvcoGxiov  nHqa,  ov  ne- 
QcöTicofiii'cog.  ourcd  /liöv^og.  Und  Laur.  hat  demnach  TtsiQcii,  (sie).  Ni- 
hil conducibile  inde  extricarc  potui ,  bemerkt  Elmsley.  Hermann  fol- 
gert, Didymos  möge  gelesen  haben  xi  xrjöe  Tcdqa  X(vft£  oder  xi  xavxa; 
TtSLQa  xßjui  Kxl.  G.  AN'olff  p.  229  führt  Hermanns  Conjeclur  an,  ohne 
selbst  ein  Urtheil  abzugeben.  Sehe  ich  recht,  so  verlangte  Didymos 
■jtiLQCi  als  zweite  Person  von  miQa^ai ^  statt  TteiQU  von  miQfh^iai. 
Seltsam  genug,  da  jene  Form  niciit  existiert.  Bei  Homer  II.  ü,  590. 
4.33  ist  riiLQu  feste  Uebcrlieferung,  wie  auch  Oed.  Col.  774.  Aber 
die  freilich  stark  verderbten  Scholl.  Odyss.  A,  221  zeigen,  dafs  die 
Grammaüker  zwischen  da^iva  und  öafxva  schwankten  und  für  letzteres 
sich  auf  TteiQa  II.  ß,  390  beriefen.  Ingleichen  11.  S-,  199  wte  (ji  nuv- 
xag  Au^va  u%Qiva.xovg  lasen  die  einen  8u^iva  wie  Ttei^a  ^   die   andern, 


502  Dindorf:  Scholia  in  Sophoclis  tragoedias. 

wie  Aristarclios,  Saixvc:  >Yie  övva,  incGra^  Lobeck  Phryn.  p.  359  f. 
Sollte  nun  nicht  etwa  Didymos  das  umg-ekehrle  gesagt  haben,  nsioa, 
nicht  TiciQa,  so  bleibt  nichts  übrig  als  anzunehmen,  dafs  die  Renii- 
niscenzen  aus  der  homerischen  Sprache  ihm  zu  unrechter  Stunde  ge- 
kommen sind.  Da  ich  einmal  das  Schol.  Od.  A,  221  erwähnt  habe,  so 
sei  erinnert,  dafs  Porson  so  wenig  wie  Buttmann  in  den  lückenhaften 
Worten:  o  de  Aö'KOckoivLxijg  Gvveda^iva,  t]  rov  öufivürai,  (\.  öa- 
(.tvocßcii)  cuTtoKOTCrj  '/.xX.  erkannt  haben,  dafs  der  Grammatiker  die 
Stelle  der  Ilias  S*,  199  zur  Vergleichung  herbeigezogen  hatte.  Daher 
ist  Ov  ncivzag  daf.tva  oder  öai.ivä  zu  verbefsern. 

Gehen  wir  nunmehr  zum  ßiog  über,  so  fällt  es  unangenehm  auf, 
dafs  Hr.  D.,  welcher  eben  gegen  Lehrs  gerecht  gewesen  ist,  gegen 
Hrn.  Westermann  ein  Unrecht  begangen  hat.  Er  hat  gänzlich  igno- 
riert, dafs  die  vita  Soph.  von  dem  genannten  Gelehrten  in  seinen 
BioyQcccpoi  eine  sehr  sorgfältige  Bearbeitung  erfahren  hat.  Wester- 
niann  hat  mit  Benutzung  einer  genauen  CoUation  des  Par.  A  die  alte 
Uecension  von  der  Revision  des  Thomas  Magister,  der  sich  freilich  in 
den  Schranken  der  Bläfsigung  gehalten  hat,  geschieden.  Für  Hrn.  D. 
ist  diese  Ausgabe  gar  nicht  vorhanden  gewesen:  sein  lei/ehafur  passt 
daher  auf  Brunck,  meistens  nicht  auf  Westermann.  Zieht  man  ab  was 
sich  bereits  bei  diesem  gebefsert  findet,  so  verbleibt  für  Hrn.  D.  ein 
gar  kleiner  Best  ohne  Belang. 

Nur  ein  paar  Bemerkungen.  S,  2,  8  Ttokka  iKaivovQyrjaev  iv  xoig 
aycbat^  TtQKvov  (lev  Kaxakvaag  xrjv  VTtoKQLöiv  xov  rcoit^xov  6ta  xrjv 
idiav  f-icKQOcpcovtaiK  näXcd  yciQ  jcat  o  non]xr]g  VTTexQLvsxo'  avxovg  öe 
xovg  lOQcvrag  noiijöag  czvxl  öcoöeKd  nevxE'Uccide'/.a  xcd  rov  xqlxov  vno- 
XQurjv  l^evoev.  So  Westermann  und  Dindorf.  Aber  schon  das  Ein- 
stimmen der  guten  Bücher  in  avxog  6s  '/.cd  xovg  %.  führt  auf  eine 
befsere  Fafsung  der  Sätze:  naXai  yaq  y.al  o  ■Jtoi,i]xy]g  vtvskqlvsxo  kv- 
Tog-  xovg  ds  xoQEvxccg  kxX.  ,  so  dafs  das  TtoXXa  iKat-vovQytjöev  durch 
TTQÜxov  [A,EV  %axaXv6ag ,  xovg  ds  ^OQSvxag  itoirjßag  näher  erläutert 
wird.  Dann  ist  hinter  7tEvxEY.c(LÖcy.a  zu  inferpungicren  und  %cd —  £^£1'- 
QEv  als  selbständiger  Satz  zu  fafsen.  Uebrigens  hat  avxog  schon  Beer 
in  seiner  vortreftlichcn  Schrift  ^über  die  Zahl  der  Schauspieler  bei 
Aristophanes'  S.  6  empfohlen,  ohne  im  übrigen  zu  befriedigen.  Er 
erinnert  an  Arist.  Bhet.  III,  1  vTtSKQivovTO  avxol  xag  XQaycpdicug  oi 
TtOLiixcil  xo  TXQcbxov.  • —  S.  3,  10  hat  Dindorf  mit  Meineke  geschrieben: 
E6y£  %cd  xrjv  xov  "AXxcovog  ieq(0(5vv\]v ^  og  rjQcog  rjv  j.iexa  Aay.XrjTXLOV 
Ttaga  Xelqcovi  xoacpEig,  lÖQVi'&slg  vtto  locpävxog  xov  vtov  fiExa  X}jV 
xsXsvxiqv.  Diese  vielbesprochenen  Worte  bilden  den  Text  einer  um- 
fafsenden  Untersuchung,  welche  zu  Dorpat  1850  unter  dem  Titel  er- 
schienen ist:  De  Sophocle  medici  herois  sacerdote  disquisitionis  de- 
Jineatio.  Parlicvla  l.  Sa'f'psit  Cor.  P micker ins.  Dort  werden 
S.  41  fi".  die  verschiedenen  Ansichten  der  neueren  Gelehrten  über  die 
Stelle  zusammengestellt  und  geprüft:  über  Alkon,  Erechtheus''  Sohn, 
hatte  schon  Paul.  Leopardns  Emendatt.  1.  VI  c.  6  die  Zeugnisse  ge- 
sammelt, womit  noch  zu  vergleichen  was  Ph.  Wagner  de  lunio  Phi- 


Dindorf:  ScUolia  in  Sophociis  tra^oedias.  &0d 

largyro  II  p.  12  naclig^etrageii  hat.  Der  gelehrte  Dorpatische  Forschör 
gelangt  aacli  citidriiigender  Prüfung  der  inanigt'achea  Sagen  vom  Al- 
kon,  der  als  ein  Seilenstück  zum  Aristaios  zu  betrachten  ist,  zu  dem 
Ergebnis,  welches  er  S.  2i  in  die  Worte  zusaraTianfurst :  Fuit  Alcon, 
qui  Atkenis  in  medici  numinis  hotiore  ac  loco  h'ihitus  est,  natura 
sua  her  OS  Feretrius,  arquipotens,  ex  Herculis  Alexicaci,  qui  apud 
Alkenienses  celeberrimo  templo  ul  validissimus  pesfäentiae  propul- 
salor  colebatur ,  specie  quisi  expressus,  cum  Aesculapio  autem  ea- 
dem  fere  ratione  cotiiunctus ,  qu^t  cognominis  Alexanor  apud  Tita- 
nios.  üeberraschend  ist  die  sinnreiche,  überaus  geschickt  ausge- 
schmückte Muthmafsung,  dafs  Lucian  Scyth.  1 — 3  auf  denselben  Heil- 
heros sich  beziehe.  Lucian  schildert  ein  Denkmal,  halbverfallen,  un- 
weit der  Dipylos  auf  dam  Wege  zur  Akademie,  also  auch  nach  Kolo- 
nos.  Zu  Lucians  Zeit  iiielt  man  die  Statue  für  die  des  Ssi/og  latqog^ 
eines  der  Asklepiaden,  welchen  man  im  ßjgian  des  p3lopontiesischen 
Krieges  wegen  seiner  Hill'leistungen  zur  Zeit  der  Pest  gevveiht  habe. 
Als  man  den  Zusammenhang  der  Heilkunde,  als  einer  andringende 
Pfeile  oder  Monstra  zurücktreibenden  Kraft,  und  der  ßogenkunst  nicht 
mehr  kannte,  deutete  man  die  Statue  auf  einen  Skythen  Toxaris.  lo- 
phon  scheint  eine  Statue  des  Vaters  in  priesterlichem  Schmuck  nach 
dessen  Tode  gestiftet  zu  haben.  Wunderlich  ist  der  Zusatz,  der  zu 
diesen  Worten  in  einer  ehemals  Jos.  Scaliger,  dann  Ger.  lo.  Vossius 
angehörigen  Ausgabe  des  H.  Stephanus  von  156S,  die  sich  jetzt  in 
Leiden  befindet,  am  Rande  vermerkt  ist,  ungewis  ob  von  Scaligers 
Hand:  ^sza  vrju  Tskevvriv  PqSov.  Was  damit  gemeint  sein  könne, 
vermag  ich  nicht  zu  enträlhseln.  Man  sucht  wohl  am  natürlichsten 
die  Bezeichnung  des  Locals  darin,  wo  die  Statue  aufgestellt  worden, 
etwa  0alr]Qo£,  da  Alkon  Vater  des  Phaleros  heifst.  —  S.  4,  4  Uycou 
tr}v  (irj  oiKOva ccv  oiKiav  iv  ös^toi  slßiovn  i^ew^Sai  vermuthet 
Dindorf  mit  Hrn.  Bergk  einen  Eigennamen,  etwa  Mixcovog  oinLav. 
Scaliger  conjiciert  am  Rande  xriv  [loi  oiKOvaav  iu  ös^iä  oiniav  d(S- 
lOvxL.  —  S.  4,  7  (peQSTat  öe  nal  Tta^a  jtolkoig  ^  TtQog  xov  vtov 
yevo^iivrj  avrcp  öinrj  itoxi.  So  Dindorf  statt  (paivsxai.  Ebenso  hatte 
Ref.  geschrieben  Einl.  zum  0.  C.  S.  30.  —  S.  6,1  lesen  wir  nach 
Bergks  Conjectur  ^6|3(ai' ds  gofj(>iv.  Indes  ist  doch  die  Lesart  kei- 
neswegs unumstöfslich  gewis ,  worüber  ich  auf  die  sorgfältige  Erör- 
terung meines  Freundes  E.  v.  Leutsch  verweise  Philol.  I,  131  f.,  der 
auch  über  S.  7,  4  lavLKov  xiva  andere  Ansichten  aufstellt.  Ueber 
Lobon  von  Argos  habe  ich  in  den  Beiträgen  zu  den  Poett.  lyr.  S.  118 
gesprochen. 

Nachdem  Hr.  D.  den  Artikel  des  Suidas  über  Sophokles,  die 
Stelle  aus  Athenaeus  XIII,  604  und  die  Epigramme  auf  den  Dichter  der 
Vita  hat  folgen  lafsen,  kommen  die  Tjto&ißstg  an  die  Reihe,  woran 
dann  der  eigentliche  Kern  des  Bandes,  G.  Üindorfii  annotationes 
ad  scholia  relera  sich  anschliefst,  von  S.   31 — 1.33.     Diese  bringen 


504  Dindorf;  SchoUa  in  Sophoclis  tragoddias. 

des  neuen  und  brauchbaren  so  viel,  dafs  niemand,  welcher  mit  Sopho- 
kles ernstlicher  sich  beschäftigt,  dieselben  entbehren  kann.  Nur  hätte 
Hr.  D.  noch  viel  sorgfältiger  in  der  Sammlung  der  seit  Elmsley  von 
vielen  Gelehrten  gelegentlich  gemachten  Conjecturen  und  Emendatio- 
nen  sein  können.  Sehen  wir  auch  von  zerstreuten  Beiträgen  ab,  was 
Herausgeber  in  ihren  Noten  geleistet  haben,  sollte  doch  billigerweise 
beachtet  sein.  Aber  nirgend  findet  man  z.  B.  auf  Neue  R  icksicht  ge- 
nommen, der  in  seinen  Anmerkungen  gar  nicht  selten  die  Schollen  gut 
berichtigt;  auch  Ellendts  Beiträge  im  Lexicon  Soph.  sind  unbeachtet 
geblieben.  Aber  ungeachtet  dieser  Unvollständigkeit  sagen  wir  Hrn. 
D.  für  seine  mühevolle  Arbeit  aufrichtigsten  Dank.  Jetzt  erfährt  man, 
dafs  G  viele  kleine  Berichtigungen  der  Kritiker,  namentlich  des  Jan. 
Laskaris  in  der  Romana  von  1518  bestätigt:  inzwischen  ist  doch  Laur. 
der  Hanptcodex,  während  G  im  ganzen  weit  flüchtiger  geschrieben 
scheint.  Wir  begleiten  Hrn.  D.  durch  seine  Anmerkungen,  heben 
beispielsweise  gutes  heraus  und  tragen  über  einige  schwierige  Stel- 
len unsere  Ansichten  in  der  Kürze  vor. 

Gleich  zu  0.  R.  8  lautet  das  Scholion  bei  Elmsley:  'O  näai 
xkeivog:  t]  Ttädi,  xoig  iTtui]Sev^a(jiv  rj  VTto  navvoav.  Allein  Laur. 
hat  deutlich  STtixsvy^adLv ,  EG  iTtivay^aaiv.  Dindorf  bemerkt,  jenes 
lafse  sich  halten.  Aber  tj  vtco  nävtav  ist  lediglich  eine  Befserung 
Elmsleys.  Laur.  hat  ^  VTt\avoi?  ,  worin  Dübner  das  richtige  r/  vTta- 
Kovßriou  av&Qca^toig  erkannt  hat.  Die  Alten  zweifelten  also  hier  wie 
an  andern  Stellen  des  Dichters,  ob  7tcc6i  Neutrum  oder  Masculinum 
sei.  Schon  der  Schreiber  des  G  verkannte  die  Ligatur,  wenn  er 
schrieb  i]  itaGiv  av&QcoTtoig.  —  0.  R.  54  to  näv  roxi  klvSvvov,  (prj- 
gLv^  el  ah  (p&avEi.  Ich  dächte  elg  6s  cpd'lvet.  —  58  ovx  slg  xtiv 
TlXiKiav  roßovTov  rocoTtatdeg,  mg  äv  ccq^o^ov  ißti  na  cpikocpQOuov- 
(livco  T^d-si.  Richtig  Neue  Zaov  a^fio^ov.  —  Zu  den  Worten  des 
Dichters  296 

w  firj  'ort  ÖQäuTi  xaQßog,  ovo    aTtog  cpoßsl 

lesen  wir  bei  Elmsley /O  fir]  x6  k'^you  dsöoiKcag^  ovös  xov  loyou  q)o- 
ßstxat.  rj  ovöe  b  Xoyog  (poßov  avväi  iuvld-exai..  Laskaris  hat,  wie  jetzt 
sicher  ist,  alles  hinzugesetzt  von  cpoßeixai,  an,  welches  sich  weder 
in  LG  noch  bei  Suidas  findet.  Dindorf  heifst  die  Interpolation  entfer- 
nen. Allein  wem  wird  es  glaubhaft  scheinen,  dafs  der  alte  Erklä- 
rer sich  eine  solche  Ellipse  gestattet  habe?  Vielmehr  war  von  die- 
sem ein  tragischer  Trimeter  desselben  Sinnes  als  Parallele  beigeschrie- 
ben.   Dieser  lautete: 

O  firj  öedotKcog  xovqyov,  ov8s  xov  koyov. 

Dergleichen  Verse  finden  sich  in  den  Schollen  öfter.  So  hat  Wolflf 
zu  El.  1437  einen  solchen  nachgewiesen : 


Dindorf:  Scholia  in  Sophoclis  tragoedias.  505 

£1^  Tc5  XciXeiv  öei  firjös  firjxvvsiv  [rov]  koyov 
und  Dindorf  zu  El.  691 

TaÜT  ev  ftiK  rig  riycovi^ed"  rjfiiQct.  — 
Zu  380  liefert  G  ein  neues  Scholion :  TtXovrov  kiyu  rr]v  öo^av ,  rvQav- 
viSa  rrp>  ßaöLleiav  xcd  rixinjv  to  cany^a  t%  ZcpLyyög.  i']yovv  xiyviiv 
6i  rjg  k'kvGs  TO  ai'viyi-ici  z'iig  2!g)i.yyog.  —  Zu  391  to  ()e  ovoi.ia  rov  Qa- 
ip(oöov  yM&  'Ot.u]QOv  7]  jitfO'  Oj.ir}oov  riv.  Seltsam :  ich  hatte  vermu- 
thet,  ursprünglich  habe  gestanden  rov  QaTpiodov  ov  xaO  'Ofirjoov, 
d.  h.  ist  unhomerisch,  nachdem  aber  ov  erloschen,  sei  ij  fttO'  "Ofit]- 
Qov  und  jjv  hinzugefügt.  Jetzt  belehrt  uns  Dindorf,  dafs  G  ij  ft£^' 
"Oii}]Qov  gar  nicht  hat,  aber  hinter  rjv  beifügt  ave'/oovLasv  ovv  o  -S'o- 
q)0KXrjg.  Daher  würde  ich  jetzt  entschieden  wie  oben  angegeben 
schreiben.  Da  Suidas  s.  v.  Qarpcoöla  h  ntcr  i]v  noch  ctv  zusetzt,  so 
sieht  Hr.  D,  darin  noch  einen  Best  jener  A>'orte  uveyo.  ovv  o  -S.,  Avel- 
che  G  hat.  —  Ein  gutes  Scholion  hat  G  zu  411 :  öi]Xor  6u(  tc5i^  y.aKav 
ayavaxreiv  i(pvßQL^E6Q-ai  ttjv  ri%v}]v^  anEcpvye  de  ro  ttsqI  avrov  ol- 
(ovl^s6&ar  (poQnxov  yuQ.  Dagegen  dürfte  das  Scholion  zu  733  tcsqI 
/iavliSa'  itaQcc  ro  avXiGd'fjvai  TijQecc  raig  oval  aöeXcpctg  TIooKvr] 
Kcd  0iXoi.ujXcc  rj  Ttcxga  ro  öiavXovg  TtoXXovg  k'yeiv  Gvvdevdoog  yaQ  b 
roTtog  den  Tzetzes  verralhen.  —  Zu  750  hat  G  das  vom  Suidas  erhal- 
tene,  im  L  ausgefallene  Scholion  mit  dem  Verse  aus  den  Aiy^iaXari- 
öag'  eTteiGa  (saTtsioa^  ßcaccg  KvXr/.og  aars  öevrega.  —  Zu  775,  wo 
man  liest :  OeQSKvöi]g  cptjöl  MiöovGav  Elvca  r^]v  IloXvßov  yvvcdy.a, 
&vyar£QC(  de  OoOiXoyov  rov  aöeXcpeiov  findet  sich  bei  D.  nichts 
bemerkt.  Dafs  rov^AXq)£i.ov  zu  schreiben  sei,  habe  ich  Phil.  IV,  754 
erinnert.  Ebendort  S.  752  ist  das  Scholion  zu  899  besprochen,  auf 
welches  ich  jetzt  aber  zurückkommen  mufs.  Zu  den  Worten  des 
Dichters  ovo    ig  rov  AßaiGt,  vaov 

ovöe  xav  OXvjxmav 
bemerken  die  Schollen:  ^Aßcd  ronog  ylvyJag,  evd-a  isqov  eßriv  'AnoX- 
Xavog.  7]  öia  räv  2^ci^icov,  ort  Kcd  izet  ^avrevovraL,  cog  zal  Tllvöa- 
Qog'  7]  STtl  rcov  Ttavr-jyvQSCov^  OTt  y.cd  rav  rotovrcov  acpi^oiica,  ei  jit?) 
TßVTC  (paveQ<X)Q-(ö6LV.  Für  einleuchtend  sehe  ich  an,  dafs  \ov  7]  Ölu, 
wo  ein  neues  Scholion  anfängt,  mindestens  das  Lemma  zciv^OXv^iTtUiv^ 
wahrscheinlich  aber  noch  mehr  ausgefallen  ist.  Diese  Annahme  wird 
jetzt  durch  G  bestätigt,  der  hinter  'AnöXXavog  das  Scholion  zu  901 
einschiebt,  dann  aber  unpassend  fortfährt  kuI  äXXcog.  rj  dia  rdiv  Grj- 
fieicov  0X1  y.al  iyei  navrevovrca ,  cog  nal  IJivSaQog  ^  ij  ircl  xmv  Ttccvr]- 
yvQetov.  r/  OTi  yal  %xX.  Folglich  that  Böckh  unrecht,  wenn  er  aus  den 
Worten  folgerte,  die  Erwähnung  der  lamiden,  die  er  in  ölu  xav  Za- 
^icov  glücklich  erkannte,  gehe  auf  Abae  in  Phokis,  und  wenn  er  dem- 
zufolge die  Berufung  auf  Pindar  unter  die  Bruchstücke  des  Dichters 
setzte.  Freilich  folgt  darin  sowohl  Hr.  D.,  der  einfach  Böckhs  Worte 
abdrucken  läfst,  als  trotz  der  Erinnerung  im  Philol.  a.  a.  0.  Hr.  Bergk 
auch  in  der  zweiten  Ausgabe  der  Lyriker  Pind.  fr.  ine.  256.  Vielmehr 
deutete  der  Schol.  wegen  der  lamiden  und  ihrer  Pyromantik  in  Olym- 
pia auf  die  sechste  olympische  Ode.     Aus   L  und   G  erhellt,  dafs  in 


506  Dilldorf:  Scholia  in  Sophoclis  tragoedias. 

dem  Urcodex  irgend  welche  Verwirrung-  stattgefunden  haben  nuifs : 
Böckhs  öicc  T(äv  'laiiiöcov  ist  so  für  sich  auf  keinen  Fall  richtig ,  ob- 
wohl die  Abkürzung  im  L  und  die  Lesart  des  H  rj  öicc  aajXLcov  auf  die 
lamiden  führt.  Bleiben  die  Worte  lückenhaft,  so  ist  doch  der  Sinn 
klar.  Die  Alten  gaben  freie  Hand,  ob  man  bei  Olympia  an  die  dort 
von  den  lamiden  ertheilten  Orakel  oder  an  die  olympischen  Festspiele 
denken  wolle.  Die  Lesart  des  G  rj  öia  xav  6)]ii£lcov  verrälh  den  Inter- 
polator:  in  öia  scheint  die  Spur  von  ^la,  vergl.  Triklin, ,  durchzu- 
blicken. ■ —  Zu  911  kommt  im  G  ein  vortreffliches  Scholion  zum  Vor- 
schein :  it,iQ%ezca  loyMörrj  övGcpOQOvvtog  rov  Oiöinoöog  y,ca  LKtrevei 
xov  uvia  (sie)  AnoXkava  OTtojg  XvGlv  xlvcc  xmv  y.uxEypvxav  uvxri 
TtaQaöxrj.  el  de  cpait]  xig  ,  nag  rj  ttqo  ß^ay^ing  loiSoQoviiivr] ,  ovxdog  ös 
■KOL  xax'  ccQ%ag  i'^nev  ini  xo  6iciGvQei.v  X7]v  fiavxLxrjv  ekeivco  iciQii,£ö^c(L 
ßovXo^iiv)]^  tiviy.ci  övöcpoqovvxa  oqk ^  inl  xov  AnoXXava  y.axacpEvyet. 
7]  KCil  elg  xi]v  övva^iv  rov  &£ov.  i^fpcdvEL  6s  o  Xöyog'  l'xi  yuQ  ot  övG- 
ösßij  XLva  q)d'E'y'E,aiiEV0L  Oftcog  ev  xoig  at.nj'/^avotg  inl  xovg  &EOvg  naxa- 
cpEvyovGLV.  Ohne  Frage  ist  für  xov  avia  AnoXXcova  zu  schreiben 
ayvisa  oder  ayviä.  Auch  das  übrige  ist  nicht  ganz  in  Ordnung,  doch 
die  anoqlci  und  XvGig  verstandlich.  —  Zu  1307  bemerkt  llr.  D.  tref- 
fend, dafs  das  Schol.  dreierlei  Erklärungen  gebe;  entweder  nov  ißrlv 
7]  (p&oyytj ,  tjxtg  ögjoÖQCc  jxoi  öiunixaxaL ;  oder  nov  ißxlv  7]  q)&oyyri,  i^g 
q)£QO^EVi]g  axovG);  oder  ohne  Frage  anEitriq  [lov  t]  cpcovr'].  Vergl.  die 
ähnliche  Erläuterung  Dindorfs  zu  656  über  ivayij  und  iv  äyEi.  — 
Das  Scholion,  welches  G  gleich  hinter  dem  zu  1454  hat  und  womit 
die  Schollen  des  Codex  zum  0.  R.  abbrechen,  gehört  zu  1502,  was 
bemerkt  sein  sollte. 

Im  Scholion  zu  0.  C.  -iS,  wo  die  Mutter  der  Erinyen  nach  Istros 
Evcovv(ir]  heifst,  räth  Hr.  D.  EvQvi'o^rj  herzustellen,  wie  in  dem 
Verse  aus  der  epimenideischen  Theogonie  bei  Tzetzes  Lycophr.  406 

y^^axo  ö  EvQvvonTjv  ^aXe^riv  ÄQOvog  ayy,vXo^'y]xig^ 
statt  Evoi'vi-irjv.  Es  konnte  auf  Schömann  zu  Aesch.  Eum.  S.  60  f.  ver- 
wiesen werden,  welcher  indes  zwischen  EvQvvö^ir]  und  Evvo^ii]  die 
Wahl  läfst.  Auffallend,  dafs  in  den  Scholl.  Aeschin.  p.  25,  35  ed. 
Turic.  gleichfalls  Evavv^i]  verschrieben  ist.  —  0.  C.  100  Kqaxrig 
asv  ovv  0  'A&i]vcdog  xu  ixi]  a^niXiva  xüv  t,vXix>v  ndvxa  vijCpaXia  cpipl 
TtgoöayoQEVEG&cxi.  Ein  Athener  Krates  ist  nicht  bekannt  und  ohne 
Frage  ist  der  Pergamener  zu  verstehn.  Richtig  A.  Hecker  Philol.  V,428 
KQcerrjg  (ihv  ovv  vn  'A&rjvaioiv  %xX.  — •  281.  Sequüur  sclioliasta 
scripturam  corniplam  cptaxog  avoGiOV  ßQoxav ,  ^vv  olg  — ,  ctiius  ah- 
surditatem  demünstravi  in  annotatione  resliluta  vera  lectione  (paxog 
ccvoGlov.  xaö'  ovv '6,vv£lg — .  So  dreist  dieses  klingt,  so  bleibt  die 
von  Hrn.  D.  getroffene  Aenderung,  die  er  in  seinen  neuern  Ausgaben 
gar  in  den  Text  gesetzt  hat,  eine  starke  Interpolation.  Die  Ausleger 
sind  uneinig,  wie  '^vv  olg  zu  verstehn  sei.  Hermann  will  mit  den  Scho- 
lien  ^vv  olg  auf  die  Götter  beziehn,  während  Reisig  es  für  das  Neu- 
trum nimmt  und  proinde  erklärt,  welches  wohl  des  Beweises  be- 
dürfte; Bake  fafst  es:  quarum  corjitationum  auctorilate  ne  commütas. 


Dindorl':  Scholia  iii  Sophoclis  Iragoedias.  507 

ut  ....  llcnnaiin.s  Krkliiriiiig,  ^velchc  in  F.  J.  Wilkcs  Coiiiccll.  in 
Ocd.  Col.  Berlin  1840  als  cl>\as  besonderes  vorgctraj^en  wird,  schei- 
tert an  der  unslallliarien  Verbindung-  Q'Eovg  y.al  AD'rjvag  xaXvTtrsiv. 
Insofern  halle  Hr.  1).  ein  Ueciit  gegen  die  conlorlae  expUcaliones  zu 
protestieren.  >>'enn  er  aber  meint,  E,vv  olg ,  das  nur  diis  faveiitlbus 
vel  adinvanlilms  bcdeulen  könne,  sei  hier  nicht  passend,  so  hat  er 
sich  durch  die  verkehrte  Interpunclion  der  Ausgaben  und  die  falsche 
Beziehung  von  '^vv  olg  vom  rechten  ablenken  lalsen.  Daher  die  eben 
so  kühne  wie  verfehlte  Conjeclur.  Nichts  richtiger  als  die  Lesart  der 
Bücher :  ^vi»  oig  heilst  im  Einklänge  mit  den  G  ö  11  er  n  ,  um  de- 
ren Ehrung  sich  ja  die  ganze  Rede  des  Oedipus  dreht,  d.  h.  gleich 
wie  sie,  die  mich  schützen,  nimm  du  dich  meiner  an.  Statt  aber 
'£,vv  olg  unmittelbar  an  ^vov  [xs  Kay.cpvkaGGe  anzuschliefsen,  wird  der 
rhetorischen  Steigerung  zu  Liebe  der  Gegensatz  eingeschoben,  fit] 
KulvTtrE  —  vitTjQBrav ,  ccXXcc  qvov  (xs.  In  Prosa  würde  etwa  ^vv  olg 
Qvov  ,a£  fujöh  y.cdvtprig  ....  gesagt  sein.  Folglich  bedurfte  es  nur 
der  Vertauschung  des  störenden  Punctums  hinter  vTttj^ercov  mit  einem 
Komma.  —  330  löia^ovrcog  öe  eItcsv  (og  eavrrjg  rqixiig  Q'iyyuvsi^  et 
(ifj  aga  TtQog  xo  Öv ß a& kicx  (^dvöa&Xcai  Trikl.)  V7ti]vti]}iei>  (leg.  aTtrjV- 
Ti]KEvy  Hr.  D.  vermulhet  ö  i(jci& Xia  c,  wie  der  Schol.  328  in  sei- 
nem Texte  gelesen  zu  haben  scheine,  was  nach  Elmsley  wahrschein- 
lich auch  Laur.  von  erster  Hand  hatte.  Trotzdem  mufs  ich  entschie- 
den an  övadd-Xiai  und  der  in  meiner  Ausgabe  gegebenen  Erklärung 
festhalten.  Sehr  möglich,  dafs  schon  alte  Grammatiker  Anstofs  nah- 
men an  dem  ana'^  EiQtji.ievov  övöad-ktog,  welches  K.  Fr.  Hermann 
im  Rhein.  3Ius.  von  W'eicker  und  Ritschi  II,  601  ff.  geradezu  verwerf- 
lich findet.  Ich  habe  in  der  Ausg.  an  das  homerische  öv(ja^[X0Q0g  er- 
innert und  füge  jetzt  noch  aus  Empedokles  Vs.  14  ed.  Karsten  6v6- 
di'olßoghe'i,  welches  Näke  de  Choerilo  p.  164  ohne  Grund  in  ro  ölg 
avokßog  verwandeln  wollte.  Anderes  ähnlicher  Art  s.  bei  Lobeck  Pa- 
tholog.  I,  194.  Döderlein  Ilom.  Gloss.  I,  78,  welcher  Sva^lEyrig  dar- 
nach erklärt.  So  wird  auch  M.  Haupt  seine  Lesart  Horat.  Carm.  III, 
14,  11  verslanden  wifsen  wollen : 

vos^  0  pueri  et  puellae 

iam  virurn  expertae ,  male    ino m  inatis 

parcite  verbis. 
In  unserer  Volkssprache  kommt  ähnlicher  Pleonasmus  vor,  z.  B.  bö- 
ser Unstreit.  —  In  dem  Schol.  zu  489  vermufhete  K.  Fr.  H. 
in  der  Allgem.  Schulzeitung  II.  1833  S.  477  für  xo  öe  rtov  EVTCcaQLÖäv 
yivog  vielmehr  die  Nennung  einer  bestimmten  gens  sacerdotalis,  etwa 
Ev-JtvQiöav.  Indes  scheint  von  den  Hesychiden  bestimmt  die  Rede 
auch  schon  in  diesen  W^orten,  wonach  jene  zu  den  Eupatriden  zählten. 
—  Schol.  668  war  die  Interpunction  zu  berichtigen:  ■)]  diaxQißr]  rov 
%0Q0V  TtQog  xo  iyKa)[.iiov  xijg  xcogag  avxov  xov  l^og^oxliovg ,  inl  xo 
i'öiov  aTtavxcovxog  yaQay.xniQLGxLy.ov^  xo  yXacpvQov  y.al  coölkov  p-E- 
Xog.  Ob  nicht  vielmehr  Kcd  jHfAwd^iXov?  —  Für  die  Stelle  des  Phi- 
lochoros  zu  1047   waren    die   eingehenden  Bemerkungen  H.   Sauppes 


508  Dindorf:  Scholia  in  Soplioclis  tragcedias. 

Jen.  AUgem.  Litteraturzeitg.  1845  Nr.  60  S.  237  nicht  zu  übersclin.  — 
10Ö9  TT] V  leua>  ixitqctv  t]  xov  ^iyaXecov  löcpov,  a  örj  n£Qi%(ÖQia 
(pcißlv  £lv<xL.  Triklinios  tTniMqia  ,  Brunck  mit  Zustiirunung-  üiiidorfs 
TCEQixcoQa.  Ich  hatte  veniiutiict  nktjßLOxcoga.  —  Zu  1248  erfahren  wir, 
dafs  das  Bruchstück  aus  Acschylos'  Ileliaden  nicht  im  L  fehlt,  wie 
Elmsley  angibt.  Folglich  hat  nicht,  wie  man  geglaubt  hat,  Triklinios 
an  dieser  Stelle  vollständigere  Schollen  gehabt. 

Antigone  15  acp  ov  TtenlBVY.uG t,v  "EXXrjvsg.  Dadurch  wird 
(pQOvöog  AQyeicov  ßxQccrog  umschrieben.  Merkwürdigerweise  hat 
noch  niemand  bemerkt,  dafs  necpevyaöiv  zu  schreiben  ist.  —  20  war 
es  nicht  nölhig,  das  handschriftliche  o  yioX^og  mit  o  KO'/^Xog  zu  ver- 
tauschen, wie  schon  von  Lehrs  erinnert  ist,  der  auf  Schiifer  zu  Schol. 
Ap.  hh.  III,  859  verweist.  —  In  den  Versen  des  Kalliniachos  zu  Vs.  80 
schreibt  Hr.  D.  mit  Buttmann  Mytliol.  II,  124  (nicht  274)  richtig 
ayQaÖE  xoi,  (Par.  A  ccyQaöixm)  und  vergleicht  für  die  vom  Apollonios 
Dyskolos  bezeugte  Form  äy^aös  Hesychios  s.  v.  ^^livaöe,  cog 
ayQCiöe.  Auch  'Sllivaöe  wird  kein  anderer  als  Kalliniachos  gebraucht 
haben.  Schwerlich  würde  ein  älterer  Dichter  sich  die  Freiheit  ge- 
staltet haben,  nach  trügerischer  Analogie  von  alade^  ol'rMÖe,  qvyaöe 
(von  oT^,  9^i^b)  zu  bilden  ciyQaös  und  SllevaSe,  wie  von  äyQg ,  SlXrjv, 
statt  SlXcPOi'de^  ^XevujvÖe.  —  100  war  ÄKXLg]  ''Avxl  xov  axxLV  nicht 
beizubehalten,  sondern  mit  Laur.  anxivog  herzustellen.  Denn  der 
Schol.  will  nicht  sagen,  ccKxig  sei  für  die  plebejische  Form  aKxiv  ge- 
setzt, sondern  er  verkannte  die  Parathcsis  anxlg^  xo  näXXcavov  cpag 
und  nahm  den  Nominativ  für  den  Genetiv^  Das  geht  hervor  aus  dem 
Schol.  zu  demselben  Verse :  xo  öe  iS,))g'  w  xijg  ay.xivog  xov  rjXtov  (pcog^ 
xo  (pavlv  ij^iiv  üxX.  —  292  H  ^ExacpoQcc  ano  xav  vnol^vyibiv  xtov  fiYi 
ßovXo^evcov  VTTO  xov  ^vyov  elvaf  xavxa,  (pi^ßlv,  vn  i/ieivcov  ttqux- 
XEXcaxcov  fiij  ß  ovXoi.tEV03v  Xad-Qa  öaXEvOca  xfjv  -yjfiExeQav  aQXtjV. 
Brunck  strich  das  zweite  (a.'^.  Allein  xav  (X)]  ßovXojjLEvcov  ist  wohl  aus 
der  frühern  Zeile  durch  Versehn  wiederholt.  Vielleicht  xäv  ^rii<xva- 
IxEvav  oder  iii]§o^ev(ov.  —  535  tj  anaQvr]  Eivat  ivio^orog;  Vortreff- 
lich Neue  Eiöivai.  —  Trach.  670  Mird  aus  Laur.  das  Scholion  nach- 
getragen: ov  di']  XI  XMV  6(ov  HganXEt:  xovxo  Kdx  iQcoxrjacv.  ov^evekcc 
(OV  aTxJoxaXyMg  öcoqojv  tcj  HgaxXEi  a&vuEig; 

^^'eit  reicher  ist  der  Gewinn  aus  den  neu  eröffneten  Hilfs- 
quellen für  die  Schollen  zum  Aias ,  welche  nicht  blofs  manig- 
fach  bcfser  gestaltet,  sondern  auch  bereichert  werden.  So  wird 
das  im  Laur.  verstümmelte  Scholion  zu  27  durch  F  so  hergestellt: 
ciTio  xov  al'iiaxog.  '1]  Ttoi^vtav  ETtiaxaraig  xolg  kvölv  ovk  ei'aßE 
yaQ  vj  ^yi&}]vä  av&Qconov  ccveXelv.  Gut  bemerkt  Schol.  G  zu  45  Tti&a- 
vov  xov  ÖEÖLorog  xo  TTQoGconov  coGxs  nXslovag  EQCoxyjdELg  ano  xov  OdvG- 
6Ecog  yiyvEGQ-cci.  Zu  340  FG  :  OQCi  noßa  EE,ioQ-Ev  inifpEQEi  xij  xQaywöCa 
TiaQ-^l  0  noirjxrjg,  cocTrs  nal  iTtl  xa  Ttaiöl  aycovtäv  xtjv  TEnixijOöav.  Zu 
1161  G:  üitEiGLV  0  MEviXciog  nal  xoxe  o  X^Q^^S  UQCoyog  cov  xov  Tev- 
HQOv  xa  TtQog  xrjv  xdcprjv  inixi^dEia  XEyei,  wie  in  demselben  Codex  eine 
ähnliche  TtaQSTCiyQacpi^  zu  815:  TtQOEX&oov  aig  xo  OQog  (x}]v  eQrjfiov?) 


Dindorf:  Scholia  in  Soplioclis  Iragoedias.  509 

ro  ^^(fog  ry  yrj  n^oos^eißag  tpO'i'yysrai  ttqoq  invrov.  Zu  554  l)cmcrkt 
Hr.  D.,  dafs  die  Annahme,  Epaplirodilos  habe  über  Sophokles  ge- 
schrieben ,  auf  einem  Misversländnis  beruht.  Zu  581,  3  fügt  G  den  auch 
von  Suidas  in  seinem  Exemplare  vorgefundenen  Vers  aus  Sophokles"' 
Uoiixiveg :  ov 

Xoyco  yaQ  ekxog  ovSev  ol  n  xv^etu, 
wo  Hr.  D.  olöc(  nco  y^uvov  schreibt,  zum  Theil  mit  Suidas,  vergl.  fr. 
Sopii.  483.  —  Zu  596  konnte  wohl  der  Vermulhung  0.  Müllers  Kl. 
Sehr.  I,  535  gedacht  werden,  dafs  statt  Gvy^kY.'ki.xui  nicht  (Svyv.i%\zi- 
6xai,  sondern  EL6%exvKXijruL  zu  schreiben  sei.  Freilich  verlangte  dann 
das  Scholion  zu  615  ölcc  ro  GvyKSKXsLKivccL  iavrov  eine  und  zwar  starke 
Aenderung.  —  Bei  609  war  nicht  zu  übersehn,  dafs  Lobeck  für  o  fiij 
nXaväiisvog  vermuthet  6  iiniiad'e^o^isvog.  —  In  dem  Scholion  zu  695: 
rj  aXinXayKXE  avxi  xov  ^eyaXocpoJve  ev  xy  lOQsia,  cog  aXißQo^e,  hat 
der  alte  vortreflliche  Rector  Jäger  von  Meldorf  glücklich  eine  andere 
Lesart  aXixXayKxe  erralhen,  auf  welche  die  Erklärung  auch  Neue  ge- 
führt hat.  Letzterer  verbefsert  auch  zu  784  richtig  eöeLös  in  iöirjös, 
aKKciXovvxeg  in  ixxccXovvxai.  Ref.  selbst  will  nur  noch  auf  eine  kleine 
Verwirrung  in  dem  Schol.  zu  1185  und  1186  hinweisen.  Zum  ersten 
Verse,  wo  nur  der  Sinn  umschrieben  wird,  wird  hinzugesetzt:  xov- 
riaxt  xav  xaxa  TtoXe^iov  fioxd-cjv,  ohne  dafs  man  sieht,  worauf  sich 
die  Erklärung  beziehe.  Der  Codex  G  läfst  die  Worte  deshalb  wohl 
weg.  Aber  sie  gehören  zum  folgenden  Verse:  noXvTtXdyxxcov]  ku&o 
noXXa  nXavcojxE&a  ev  aXXoöaTtij '  TtoXenLxcov.  Vor  letzterem  Worte 
füge  man  obige  Worte  ein. 

El.  539  Aa^ßavovxaL  xLvsg  xov  Tcoirjxov.  Richtig  Heyne  Apol- 
lod.  p.  289  ErciXa  [xßavovxai.  Eine  gute  Bemerkung  kommt  in  GH 
zu  604  vor :  tiqoxsqov  ^ev  ngog  xov  xoqov  eItve  tteqI  xPjg  y.a&oöov 
OqeGxov  vvv  öe  TtQog  xo  avEXEiv  ryv  vTtoipiav  qiyjßlv  etcqccGGov  av. 
Zu  702  wird  ^vycorav  durch  a^vycov  erklärt,  wofür  G.  Wolfi"  ev^v- 
ytöv  wollte.    Mir  scheint  wahrscheinlicher  di^vycov.  — 

Auf  ausführliche  Indices  zu  den  alten  Schollen ,  der  Biographie 
und  den  Hypothesen  folgen  die  Zl^oXia  vEioxEqa  ^  darauf  die  des  Tri- 
klinios  nebst  den  Icctiones  edilionis  Ttirtiebianae,  schliefslich  eine 
genaue  Beschreibung  der  beiden  Dresdener  Handschriften  und  ihrer 
Schollen.  Den  Schlufs  macht  wiederum  der  Index  Graecus  in  Scho- 
lia recentiora. 

Eine  Bemerkung  möge  uns  noch  gestattet  sein,  die  sich  auf  Joan- 
nes Tzetzes  bezieht,  welcher  dem  Codex  G  zufolge  auch  an  einigen 
Dramen  des  Sophokles  sich  versucht  hat.  Er  sagt  in  Cramers  Anecdd. 
Oxonn.  III,  337  zu  dem  Verse,  worin  er  Pratinas  allein  als  Satyrdich- 
ter namhaft  machen  zu  können  versichert,  in  einer  spätem  Randbe- 
merkung: xovro  eItcov  7}7tax}]iiEvog  xoig  i^rjyovfiivoig  EvQinidjjv  xal 
^ocpoxXia  yQCix\)Ci6t.v  ovx(a'  xo  ÖQa^ia  xo  rijg  ^AXxrjGriöog  EvQiTtlöov 
xal  0  Ogißxyg  xal  rj  SocpoxXiovg  ^HXekxqü  xal  oöa  xoiavxa,  ßaxvQixcc 
siGi  xal  ov  xgayiKa  •  ktco  Gv^cpoQcav  yaq  xal  daxQvav  slg  yccQav 
xccxavxooöi.     Die  Worte  xolg  iE,i]yov^ivoig  EvQiTtiSrjv  xal  ZocpoxXsu 


510  G.  Curlius:  griechische  Schulgramniatik, 

soll  ja  niemand  so  verstehn,  als  habe  Tzelzes  etwa  Scholien  zum  So- 
phokles vor  sich  gehabt,  aus  denen  er  dergleichen  Behauptungen  ent- 
lehnen konnte.  In  der  ganz  ähnlichen  Palinodie  seines  frühem  Irthums 
Prolegg.  in  Aristoph.  (11.  Keil  Rhein.  Mus.  VI,  116)  nennt  er  seine 
Verführer  oC  rgaymag  ßißXovg  i'^yjyrjöai.isi/oi.  Sondern  der  eitle  Prah- 
ler kannte  weiter  nichts  als  das  Scholion  zum  Orestes  1686  und  aus 
diesem  allein  ist  seine  Weisheit  geholt,  nur  mit  einem  Unterschiede- 
Denn  während  der  alte  Grammatiker  zum  Euripides  bemerkt:  xai 
biioioig  (wie  in  der  Alkesiis)  xal  iv  Tvqol  So(po7,Xiovg  avayvoiQiG^oq 
■HttXtt  xo  riXog  yLverai,  setzte  Tzetzes  an  die  Stelle  der  ihm  fremden 
Tyro,  die  er  obenein  in  der  handschriftlichen  Verschreibung  iv  rvQoi.g 
nicht  ahnen  mochte,  von  den  drei  ihm  genauer  bekannten  Dramen 
(Aias,  Oedipus  Rex,  Elektra)  dasjenige,  in  welchem  ein  freudiger 
avayvcoQißi-iog  gegen  Ende  stattfindet.  Ein  einigermafsen  vernünftiger 
Mensch  würde  nie  diesen  Aberwitz  gemacht  haben,  die  Elektra  des 
Sophokles  zu  den  Schauspielen  von  satyrhaftem  Charakter  zu  rechnen. 
Hätte  er  noch  die  euripideische  gewählt ! 

Göltingen.  F.   W.  Schneidewin. 


Griechische  Schulgrammatik  von  Dr.  Georg  Curtius,  k.  k.  ordentl. 
Professor  der  classischen  Philologie  an  der  Prager  Universität. 
Prag  1852.  Verlag  der  J.  G.  Calveschen  Buchhandlung.  F.  Temps- 
ky.  X  und  311  S.  gr.  8. 

Schon  der  Name  des  Verfafsers  bürgt  dafür,  dafs  wir  es  hier 
nicht  mit  einer  jener  Dutzendarbeiten  auf  dem  Felde  der  Schulgram- 
matiken zu  thun  haben,  die  alljährlich  auf  den  Markt  gebracht  werden. 
Wenn  Hr.  Prof.  Curtius  durch  den  Gangseiner  sprachwifsenschaft- 
lichen  Studien  vorzugsweise  befähigt  war,  mit  sicherm  Urlheil  die 
feststehenden  Resultate  der  vergleichenden  Sprachwifsenschaft  in  das 
populäre  Gewand  einer  Schulgrammalik  zu  kleiden,  so  hat  er  ande- 
rerseits auch  die  paedagogischen  Anforderungen,  die  man  an  ein  für 
den  Unterricht  bestimmtes  Schulbuch  zu  stellen  berechtigt  ist,  nicht 
aus  den  Augen  gelafsen.  Eigne  und  fremde  paedagogische  Erfahrun- 
gen, mehr  noch  ein  angeborner  praktischer  Takt,  der  sich  auch  in 
den  rein  wifsenschaftlichen  Arbeiten  des  Verf.  ausspricht,  sind  ihm 
dabei  auf  das  vortheilliafteste  zu  stallen  gekommen.  In  den  Augen 
praktischer  Schulmänner  wird  es  den  Werth  dieser  Grammatik  nur  er- 
höhn, dafs  sich  die  Wifsenschaftlichkeit  nirgends  auf  Kosten  der  Pra- 
xis breit  macht.  Blan  sieht,  dafs  dem  Verf.  die  Anforderungen  der 
Praxis  die  oberste  Richtschnur  gewesen  sind;  die  ^^'ifsenschaftlichkeit 
ist  überall  nur  die  stillschweigende,  selbstverständliche  Voraussetzung, 
der  solide  Unterbau,  der  zAvar  nicht  in  die  Augen  zu  fallen  bestimmt 
ist,  der  aber  das  wohnliche  Gebäude  stützt  und  zusammenhält.  Der 
Verf.  spricht  S.  IV  der  Vorrede  die  Befürchtung  aus,  dafs  er  vielen 
zu  viel,  einigen  zu  wenig  von  den  sichern  Ergebnissen  der  verglei- 


G.  Cni'tius :  griechische  Schulgrammalik.  511 

chciulcii  Sprachwifsoiischaft  aufgenommen  zu  Iial)cn  scheinen  würde. 
Uiese  Bct'iircliliin}^- liäll  lief,  für  grundlos;  denn  obwohl  in  einzelnen 
Fällen  sich  über  das  mehr  oder  weniger  rechten  liefse,  so  mufs  doch, 
wenn  man  das  ganze  dieser  Schulgrammalik  beurlheilt,  das  Urlheil 
dahin  ausfallen,  dafs  im  ganzen  das  richtige  Mafs  beobachtet  ist.  Es 
ist  hier  wesenllich  zu  unterscheiden  zwischen  dem  Standpunkte  des 
Schülers  und  dem  des  Lehrers.  Für  jenen  ist  gewis  nicht  zu  wenig 
gegeben,  aber  ebenso  gewis  auch  nicht  zu  viel,  wenn  man  überhaupt 
dem  Schüler  mehr  als  Paradigmen  zum  Auswendiglernen  in  die  Hand 
geben  will.  Für  den  Lehrer  wäre  allerdings,  wenn  man  voraussetzen 
wollte,  dafs  derselbe  sein  Griechisch  erst  aus  der  Schulgrammatik, 
nach  derer  unterrichten  soll,  lernte,  zu  wenig  gegeben.  Aber  von 
dem  Lehrer  soll  man,  so  gut  wie  er  mehr  grammatischen  Stoff  be- 
herschen  mnfs,  als  in  dieser  Schulgrammalik  gegeben  ist,  ebensowohl 
auch  dieselbe  Wifscnschaftlichkeit  voraussetzen,  die  die  Grundlage 
dieser  Grammatik  bildet.  Er  soll  durch  wifsenschafdiche  Sprachstu- 
dien in  Stand  gesetzt  sein,  zwischen  den  Zeilen  einer  solchen  Gram- 
matik zu  lesen,  und  mit  eigner  freier  Arbeit  den  in  der  Grammatik 
niedergelegten  und  richtig  disponierten  Stoff  flüfsig  und  lebendig  ma- 
chen können.  HolTenllich  ist  die  Zeit  nicht  fern,  wo  die  Mehrzahl  der 
Lehrer  das  können  wird,  und  jedesfalls  heifsen  wir  eine  Schulgram- 
matik, die  an  den  Lehrer  die  stillschweigende  Voraussetzung  sprach- 
wifsenschaftlicher  Studien  macht,  als  ein  erfreuliches  Zeichen  der  Zeit 
willkommen. 

Sehr  mit  Recht  hat  der  Verf.  das  etwaige  Bedürfnis  der  Lehrer 
dem  praktischen  Bedürfnisse  des  Schülers  nachgestellt,  während  noch 
K.W.  Krüger  seine  Grammatik  sowohl  für  Schüler  als  für  Lehrer 
berechnete,  wovon  freilich  die  Folge  war,  dafs  er  später  trotz  seiner 
entschiedenen  Verwahrungen  gegen  Elemenlargranimatiken  (Vorrede  S. 
IV.  VI)  einen  Auszug  aus  seiner  Schulgrammatik  zu  veranstalten  sich 
veranlafst  sah.  Die  Curtiussche  Schulgrammatik  ist  in  Wahrheit  eine 
Schulgrammalik,  die  den  Schüler  durch  die  ganze  Schule  begleiten 
soll  und  kann.  Sie  enthält  zwar  nicht  viel  mehr  Stoff  als  die  Küh- 
nersche  Elementargrammalik;  aber  letztere  würde  auch  bei  einiger 
Erweiterung  der  Syntax  in  der  That  für  die  ganze  Schule  ausreichen ; 
und  ebenso  wird  es  die  vorliegende  Grammatik,  vorausgesetzt  dafs 
der  Lehrer  bei  der  Leetüre  griechischer  Schriftsteller  einzelne  Beson- 
derheiten, die  in  der  Grammatik  nicht  ausgeführt  sind,  selbständig 
und  mit  Anknüpfung  an  das  in  der  Grammatik  gegebene  darzustellen 
weifs.  Dabei  ist  die  Grammatik  für  den  Anfang  keineswegs  zu  schwer, 
obwohl  nicht  der  Gang  des  Unterrichts  durch  abgetheilte  Pensa  oder 
ähnliche  Hilfsmittel  vorgezeichnet,  sondern  auch  in  dieser  Beziehung 
Vertrauen  auf  die  Selbständigkeit  des  Lehrers  gesetzt  ist.  Für  die  Ein- 
übung der  in  der  Grammatik  selbst  gegebenen  Regeln  hat  der  Verf. 
durch  eine  Anzahl  deutscher  und  griechischer  Uebungsstücke  gesorgt, 
die  als  Anhang  S.  242 — 283  stehn.  Da  er  indessen  selbst  diese  Auf- 
gaben für  die  vollständige  Einübung  der  Grammatik  nicht  ganz  aus- 


512  G.  Curtius:  griechische  Schulgrammatik. 

reichend  hält,  und  inzwischen  die  in  der  Vorrede  vcrheifscncn,  an  die 
Curtiussche  Grammatik  sich  anschliefsenden  Uebungsaulgaben  von 
K.  Schenk  1  (Griechisches  Elementarbuch  für  die  3te  und  ite  Ciasso 
der  Gymnasien  der  üsterr.  Kaiserstaats.  Prag  1852)  erschienen  sind, 
so  schliel'sen  wir  jene  Aufgaben  ganz  von  unserer  ßeurtheilung  aus. 

Auch  insofern  ist  die  Grammatik  auf  das  Bedürfnis  der  ganzen 
Schule  berechnet,  als  sie  neben  dem  altischen  Dialekte,  der  überall 
in  der  Formenlehre  den  Mittelpunkt  bildet,  zugleich  die  hauptsäch- 
lichsten Eigenthümlichkeiten  der  andern  Dialekte,  namentlich  des  epi- 
schen und  ionischen  Dialekts ,  in  fortlaufenden  Noten  unter  dem  Texte 
behandelt.  Es  erscheint  dies  jedesfalls  praktischer  als  ein  Gesammt- 
anhang über  sämmtliche  Dialekte,  da  der  Schüler,  wenn  er  auf  die 
Dialekte  eingehn  mufs,  mit  einem  Blicke  das  zur  Anknüpfung  nölhige 
Material  übersehn  kann.  Nur  in  der  Syntax  ist  von  jener  parallelen 
Darstellungsweise  Abstand  genommen ,  und  es  sind  vielmehr  die  Ei- 
genthümlichkeiten der  homerischen  Syntax  im  Texte  selbst  dargestellt, 
was  durchaus  Billigung  verdient,  da  die  syntaktischen  Erscheinungen 
nur  im  Zusammenhange  selbst  begriffen  werden  können,  und  ein  Ge- 
genüberstellen abweichender  homerischer  Constructionen  unter  dem 
Texte  nicht  genügt  haben  würde  jenen  Zusammenhang  klar  zu  machen. 
Dafs  übrigens  der  Verf.  den  attischen  Dialekt  zum  Mittelpunkt  seiner 
Darstellung  der  Laut-  und  Formenlehre  gewählt  hat,  wird  vom  prak- 
tischen Standpunkte  aus  gewis  allgemeinen  Beifall  finden ;  denn  es  ist 
so  einmal  Usus  geworden,  und  der  Usus  hat  nicht  blofs  in  der  Sprache 
sondern  auch  in  der  Schulpraxis  sein  gutes  Recht,  abgesehn  davon, 
dafs  dieser  Usus  durch  innere  Gründe  hinlänglich  gerechtfertigt  ist, 
während  der  Versuch  die  homerische  Formenlehre  zum  Ausgangs- 
punkte des  Elementarunterrichts  zu  machen  *),  so  geistreich  er  durch- 
geführt und  mit  so  gutem  wifsenschaftlichen  Rüstzeug  er  ausgestattet 
ist,  doch  eben  nur  als  ein  zuläfsiger  paedagogischer  Versuch,  nicht 
aber  als  eine  äufserlich  und  innerlich  bewährte  Methode  angesehn 
werden  kann.  \^'ie  in  der  Wahl  des  attischen  Dialekts  zum  Mittel- 
punkte der  Darstellung,  so  hat  der  Verf.  auch  rücksichtlich  der  Ter- 
minologie sich  strenger  an  das  hergebrachte  gehalten ,  als  der  Verf. 
der  homerischen  Formenlehre,  ohne  darum  die  Richtigkeit  der  Dar- 
stellung des  sprachlichen  Thatbestandes  den  oft  falschen  Gesichts- 
punkten entlehnten  Terminis,  die  aber  eben  deshalb  zu  leeren  Namen 
werden,  aufzuopfern.  Uebrigens  hat  der  V'^erf.  hie  und  da  neue  T&r- 
mini  erfunden  oder  eingeführt,  aber  dabei  in  der  Regel  die  Beschrän- 
kung sich  auferlegt,  nur  solche  Ausdrücke  zu  wählen,  die  noch 
nicht  anderweitig  verwendet  waren,  und  nur  für  solche  Sachen, 
an  denen  nicht  schon  ein  älterer  traditioneller  Name  zu  fest  zu  haften 


*)  Ahrens:  Griechische  B'ormenlehre  des  Homerischen  und  Atti- 
schen Dialekts.  Göttingeu  lSj2.  Vergl.  des  Ref.  Anzeige  in  den 
Götting.  gel.  Anz.  1852.  St.  80  —  85  [und  die  Anzeigen  von  Ca  pell - 
mann  und  Curtius  in  diesen  NJahrb.  Bd.  LXVl  S.  348  ff.  und  Bd. 
LXVII  S.  3  ff.] 


G.  Curlius :  griecliisclie  Schulgramnialik.  51.'J 

schien.  Dabei  liat  or  die  Namen  so  gowälill,  dafs  sie  eine  aiindeslens 
andeutende  Ciiarakterisieriuig  der  Saclie  enlliulten;  so  z.  li.  unter- 
scheidet er  iivilja  und  i(pi]ia  als  s i g m a  t i s  c  h e n  und  s  u  p  p  I  e  l o  r  i - 
sehen  Aorist;  so  classiliciert  er  die  Släniuie  dritter  Ueclinalion  als 
CO  nsonan  tische,  vocalische,  elidierende,  olFenbar  eine  weit 
passendere  Grundlage  für  die  Darstellung  der  dritten  Dedinalion,  als 
Avenn  man  sie  in  gewöhnliche,  conlrahierte  und  synko|(iertc  eintheilt. 
Zuweilen  möchte  man  allerdings  andere  Namen  gewühlt  sehen;  z.  B. 
würde  lief.  «,  £,  o  im  Gegensatz  zu  i,  v  lieber  als  starre  Vocale, 
letztere  als  flüfsige  bezeichnet  sehn,  während  der  Verf.  hier  hart 
und  weich  einander  entgegensetzt.  Ich  maciic  diese  Ausstellung  nicht 
deshalb ,  weil  ich  das  Wesen  des  Gegensatzes,  das  sich  schwerlich 
durch  zwei  Epitheta  geben  läfst,  durch  jene  Ausdrücke  glaubte  befser 
bezeichnet  zu  haben,  sondern  lediglich  aus  dem  Grunde,  weil  die 
Termini  hart  und  weich  schon  für  die  Classification  der  Consonanten 
vorweggenommen  sind,  und  es  mir  zur  Verhütung  von  Confusion  wichtig 
scheint,  dem  Schüler  nicht  dieselben  Termini  für  wesentlich  verschie- 
dene Dinge  zuzumuthen.  So  z.  B.  würde  der  Begrilf  dessen,  was  man 
unter  Genus  beim  Verbum  versteht,  ohne  Zweifel  den  Schülern  viel 
leichter  klar  werden,  wenn  man  dafür  eine  andere  nicht  mit  der  No- 
minalterminologie collidierende  Bezeichnung  hätte,  wie  ja  denn  die 
griechischen  Grammatiker  hier  keineswegs  yevog,  sondern  öiad'eöig 
sagen.  Sollte  man  dafür  nicht  jetzt  noch  Status  Verbi  einführen 
können?  Gegen  die  Anwendung  der  Ausdrücke  stark  und  schwach, 
die  der  Verf.  in  der  Verballehre  zur  Unterscheidung  der  beiden  Ao- 
riste und  der  beiden  Perfecta  gebraucht,  habe  ich  mich  schon  an  einem 
andern  Orte  *)  erklär*.  Sie  trelTen  das  Wesen  der  Sache  doch  nicht, 
wie  schon  daraus  hervorgeht,  dafs  die  S.  VI  der  Vorrede  gegebene 
Definition  der  beiden  Ausdrücke  an  irQamjv  zu  Schanden  wird,  und 
sie  bringen  in  den  verschiedenen  Sprachen,  die  der  Schüler  lernt,  ver- 
schieden augewendet  nur  Unklarheit  und  Begriffsverwirrung  hervor. 
Die  Formenlehre  (S.  1 — 153)  enthält  in  13  Capifeln  (leider  fehlt 
ein  den  Ueberblick  über  die  Anordnung  erleichternder  Conspectus) 
die  Lehre  von  der  Schrift,  von  den  Lauten,  von  den  Lautverbindungen 
und  Lautveränderungen ,  von  der  Silbenabtheilung  und  der  Quantität, 
von  der  Betonung,  von  der  Declination  der  Nomina,  vom  Adjectiv, 
vom  Pronomen,  vom  Zahlwort,  von  der  Conjugation  auf  oj,  von  der 
auf  ft£,  von  den  unregelmäfsigen  Verben,  von  der  A\'ortbildung.  In 
der  Formenlehre  zeigt  sich  die  eigentliche  Stärke  des  Buchs.  Könnte 
man  auch  wünschen,  dafs  der  Verf.  sich  in  der  Disposition  der  Haupt- 
materien nicht  so  streng  an  die  hergebrachte  Ordnung  gehalten,  son- 


*)  Götting.  gel.  Anz.  1852  S.  827.  836  gegen  Ahrens,  der  übri- 
gens die  Ausdrücke  aufser  beim  Perfect  auch  zur  Bezeichnung  des  Ge- 
gensatzes der  Praesentia  der  a-  und  fl^-Conjugation  gebraucht,  und 
ganz  consequent  dahin  kommt,  den  Aor.  II  timov  für  eine  schwa- 
che Form  zu  erklären  im  Gegensatz  gegen  f'czrjv, 

m.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Bd.  LXVII.  Hfl.  ö.  34 


514  G.  Curlius:  griechische  Schulgrammatik. 

dem  z.  B.  die  Wortbildung-  vor  die  Flexionslchrc  gestellt  hätte,  wel- 
cher Stellung  die  praktischen  Uücksichlen  ebenso  wenig  entgegenstan- 
den als  der  der  Lautlehre  (s.  Vorr.  S.  IV.  V),  so  ist  doch  innerhalb 
der  einzelnen  Capitel  die  Richtigkeit  der  Disposition,  die  Hervorhe- 
bung des  wesentlichen  und  wichtigsten,  die  verständliche  Kürze  der 
Darstellung  sehr  anerkennenswerth.  Man  überzeugt  sich  davon  am 
leichtesten,  wenn  man  einzelne  Abschnitte  mit  den  entsprechenden 
Darstellungen  anderer  Lehrbücher  vergleicht.  So  ist  mir  namentlich 
die  Vergleichung  der  Darstellung  der  Erscheinungen  am  Laute  ^■,  einer 
31aterie  die  früher  noch  nicht  in  griechische  Grammatiken  aufgenom- 
men war,  bei  Ahrens  (S.  183 — 185)  und  bei  Curtius  (S.  17)  für  die 
Grammatik  des  letztern  ein  Beweis  der  allersirengslen  Rücksichtnahme 
auf  das  Bedürfnis  der  Schüler  gewesen. 

Nur  selten  hat  diese  der  Verf.  verlafsen,  und  hie  und  da  haben 
sich  selbst  nicht  praecise  Ausdrücke  eingeschlichen.  Ich  rechne  dahin 
z.  B.  §.  31:  'Die  Consonanten  werden  zweitens  nach  dem  Grade,  in 
welchem  sie  ohne  Hilfe  eines  Vocals  hörbar  sind,  d.  i.  ihrer  Art  nach 
eingelheilt  in  stumme  {mutete^  und  tönende  (semivucales)'  Wenn  es 
noch  umgekehrt  hiefse:  Die  Consonanten  werden  ihrer  Art  nach,  d.  h. 
u.  s.  w.,  so  könnte  man  sich  die  Dellnition  des  Artunterschiedes  ge- 
fallen lafsen,  während  so  die  Identificierung  der  Begrilfe  Grad  und 
Art  nothwendig  Anstofs  erregen  mufs,  abgesehn  davon,  dafs  kaun» 
von  einem  Grade  der  Hör  b  ark  e  i  t  gesprochen  werden  kann. 

Warum  der  Verf.  »5^.  43  bei  dem  Wechsel  der  drei  Vocale  «,  f,  o 
behauptet,  dafs  f  in  der  Regel  der  ursprünglichere  Vocal  sei,  vermag 
ich  nicht  einzusehn,  da  jedesfalls  immer  «  der  ursprünglichste  Laut  ist, 
und  das  Factum  des  Wechsels  zwischen  £  und  a  im  Verhältnis  des 
Praesens  zum  Aoristus  II  sich  ebenso  gut  für  die  Praxis  darstellen 
liefs ,  wenn  §.  257  gesagt  wäre:  'statt  des  aus  cc  entstandenen  £  des 
Verbalstammes  tritt  das  ältere  a  im  starken  Aorist  wieder  hervor.' 
Ueberhaupt  glaube  ich  nicht,  dafs  es  zu  weit  gegangen  wäre,  selbst 
nicht  für  den  Schüler,  wenn  der  Verf.  gleich  §.  25  das  geschichtliche 
Verhältnis  der  Läute  £  o  zu  a,  nq  ca  zu  ä  angedeutet  hätte;  zumal  da 
dann  sowohl  bei  der  A-Declination  der  Wechsel  zwischen  a.  und  y] 
§.  115.  116  fafslicher,  als  auch  die  Identität  der  A-  und  0-Declinatiou 
'Jj.  134  klarer  werden  würde,  als  durch  Angabe  der  übereinstimmen- 
den und  abw  eichenden  Einzelheiten.  Auch  hätte  sich  dann  der  Gene- 
tiv vEdviov  als  ein  Uebertritt  in  die  0-DecIination  erklären  lafsen,  den 
anzunehmen  jedesfalls  gerathener  ist,  als  die  §.  122  angenommene 
Verwandlung  des  ä  zu  £,  die  ohne  Ersatz  der  Quantität  durch  a  (üo  ^= 
£0))  ihr  bedenkliches  hat. 

Bei  der  dritten  Declinalion,  deren  Darstellung  ebenso  compendiös 
als  plan  ist,  und  deren  Eintlieilung  in  consonantische ,  vocalische  und 
elidierende  Stämme  ich  schon  erwähnt  habe,  hätte  ich  unter  die  voca- 
lischen  Stämme  nur  die  i-  und  i;-Stämme,  so  wie  die  diphthongisclien 
gestellt,  dagegen  das,  was  dort  als  0-Stämme  bezeichnet  ist,  mit  den 
elidierenden  Stämmen  vereinigt.    Denn  läfst  sich  auch  die  eigentliche 


0.  Curtius:  griechische  Scliulgramnialik.  515 

BeschafFciihoit  jener  0-Stiiinmc  wifseiiscliafllich  nicht  7,11  völliger  Klar- 
heit bringen,  so  ist  doch  Tür  eine  Anzahl  der  dazu  gerechnclen  Stäm- 
me die  Elision  gevvis ,  z.  1}.  für  aidwg ,  »^wg,  deren  g  oiine  Zweifel 
thematisch  ist,  und  für  ij^io  und  ähnliche;  daher  >\ar  es  wifsenschaft- 
lich  mindestens  ebenso  gerechtfertigt,  etwaiye  nicht  elidierende  Stäm- 
me mit  den  wirklich  elidierenden  zu  vereinigen,  als  elidierende  mit 
den  vocalischen.  Praktisch  aber  scheint  einleuchtend  zu  sein,  dafs 
die  sogenannten  0-Stämme  durch  die  Darstellung  der  t-  und  v-Stämme 
nichts  gewinnen,  während  es  den  Schüler  verwirren  kann,  wenn  er, 
der  eben  eine  0-Declination  kennen  gelernt  hat,  nun  0-Slämme  in. 
einer  andern  Declination  wicderlindet. 

Bei  der  3Iotion  der  Adjecliva  liegt  die  richtige  Erklärung  der 
Entstehung  des  femininalen  Ausgangs  via  aus  dem  masculinen  ot- 
(§.  188)  dem  Schüler  allerdings  zu  fern,  als  dafs  sie  hätte  gegeben 
werden  können,  nicht  so  aber  meiner  Meinung  nach  die  der  Endung 
ovGct  aus  ovtia.  Denn  es  brauchte  ja  nur  an  §.  60  angeknüpft  und 
aus  der  Neigung  des  r  zum  Uebergange  in  6  vor  i  die  Verwandlung 
des  na  zn  6a  erklärt  zu  w  erden ,  w  ährend  Curtius  geradezu  aa  als 
Form  des  femininalen  Sufiixes  aufstellt  und  nun  ov6a  aus  oviaa 
erklärt. 

Bei  der  Comparation  hätte  eine  Ilinweisuiig  auf  die  Identität  des 
Bildungsprincips  der  adjectivischen  Sleigerungsformen,  der  Ordinal- 
zahlen und  der  Possessivpronomina  *)  gewis  nicht  die  Fafsungskraft 
der  Schüler  überstiegen  und  nur  dazu  gedient,  das  eine  durch  das  an- 
dere zu  befestigen,  zumal  wenn  der  Verf.  die  Zahlwörter  unmittelbar 
auf  die  Adjectiva  hätte  folgen  lafsen ,  statt  sie  durch  das  Pronomen 
davon  zu  trennen.  Jene  Identität  ist  in  der  That  merkwürdig  genug, 
und  ich  glaube  darin  auch  einen  Fingerzeig  für  die  richtige  Erklärung 
der  Form  ßeXrlcov  gefunden  zu  haben.  Dieses  ist  sicher  nicht  aus  einem 
Stamme  ßeXto^  wie  der  Verf.  angibt  (S.  62),  mit  lov  gebildet,  son- 
dern aus  einem  Stamme  ßsX,  der  durch  die  homerischen  Formen  ßik- 
teQog,  ßik-ratog  erwiesen  wird,  mit  Suffix  tiov.  Dieses  rlov  findet 
sich  nun  sonst  zwar  nirgends  als  Comparalivsuffix;  es  ist  aber  höchst 
wahrscheinlich  mit  Suff,  tija  verwandt,  das  in  skr.  trilija^  dvitija 
als  Ordinalsuffix  erscheint  {ler-tius ;  vergl.  auch  vnxiog,  TtSQiaaog  für 
neQtriog,  propi-tius),  und  neben  welchem  auch  ija  ohne  f  in  turija 
vorkommt.  Will  man  noch  weiter  gehn  und  auf  die  Analogie  der  Pos- 
sessivpronomina ■ijuireQog ,  viiireQog^  rioster ,  vesler ^  einen  Schlufs 
stützen,  so  ist  wohl  auch  das  im  Skr.  Possessivpronomina  bildende 
Suffix  ija,  z.  B.  madlja,  tvadija  mit  jenem  ija  von  turija  identisch 
und  also  das  Prototyp  zu  dem  Comparativsuffixe  ijaiis  sowohl,  als  zu 


*)  Nicht  blofs  TjfiszSQog  ktX.  stehn  in  dieser  Analogie,  sondern 
auch  ohne  Zweifel  ifiös,  ßög;  denn  das  Suffix  0,  durch  das  sie  aus 
dem  Pronominalthema  abgeleitet  werden,  kehrt  bei  den  Ordinalzahlen 
in  6y(io-os ,  im  Skr.  bei  den  höheren  Zahlen  (z.  B.  ekada^a)  öfter 
wieder. 

34* 


516  G.  Curlius:  griechische  Schulgranimalik. 

dem  Ordinalsuflixe  tiju  ^  und  rt'cov  verhielte  sich  zu  ioav  nicht  anders 
als  tija  zu  ija  und  Iura  zu  ra.  Was  den  Stamm  ßs\  anbelrilTt,  so 
möchte  ich  darin  am  liebsten  die  Wurzelform  des  Verbs  ßovkoLiai 
(/5oA-o,ußi  s.  Butlmann  Lexil.  I,  28  und  vergl.  latein.  nolo^  pel-le)  er- 
kennen, aus  der  ßeXieQog  ähnlich  gebildet  wäre  wie  cpiQxeoog  aus 
g)£Qa}.  Wäre  hiergegen  von  Seilen  der  Bedeutung  nichts  einzuwen- 
den, so  könnte  man  kcoicov  in  ähnlicher  Weise  mit  dem  Verbum  Aaw 
in  Verbindung  setzen.  Diese  losgerifsenen  Trümmer  sprachlicher  Bil- 
dung laden  verführerisch  zu  Erklärungsversuchen  ein;  so  erinnere 
ich  mich  nicht,  irgendwo  einen  Stamm  von  fxeiav  angegeben  gesehn 
zu  iiaben;  sollte  dasselbe  aus  dem  adjectivisch  gefafsten  Begrilfe  der 
Negation  /iir/  erklärt  werden  können?  Wegen  des  Uebergangs  von  tji 
zu  £t  könnte  gleich  nksimv  verglichen  werden,  dessen  Verwandtschaft 
mit  Wurzel  nla  (TtijATcXavai.)  und  also  auch  wohl  in  weiterer  Instanz 
mit  TcoXvg  klar  ist,  das  aber  zunächst  gewis  auf  einer  Form  TrXtj  be- 
ruht, dem  Thema  zu  dem  accusativischen  Adverb  nXtjv.  Der  Stamm 
QU,  aus  dem  ^acov  gebildet  ist,  ist  wohl  identisch  mit  skr.  rä-s^  lat. 
re-s;  in  dem  i  subscr.  von  ^cidiog  mag  man  einen  Nachklang  des  in 
die  Declination  von  ras  eingedrungenen  j  erkennen;  jedesfalls  ist  ^a- 
öiog  gebildet  wie  Cva-öiov,  und  die  Wurzel  rä  dürfte  nichts  anderes 
als  facere  bedeutet  haben,  daher  ^ordiog  =:  faeilis.  Für  die  Ablei- 
tung des  Comparativs  unmittelbar  aus  qa  vergleiche  man  auch  ^äd^viiog. 
Bei  Curtius  ist  jr^coiro^  richtig  mit  virazog  zusammengestellt.  Aber 
warum  hat  Curtius  nicht  zu  iöiaxog  als  Grundform  iE,  gesetzt,  was 
doch  so  wenig  bezweifelt  werden  kann,  wie  im  Lateinischen  die  Zu- 
sammengehörigkeit von  ex  und  exterior^  exlremus,  und  für  den  Schü- 
ler mindestens  ebenso  verständlich  ist  wie  die  Ableitung  des  vnccrog 
von  vtcIq  ^  statt  deren  ich  aber  lieber  vnaxog  von  vtc6  abgeleitet  ge- 
sehn hätte ,  was  zwar  auf  den  ersten  Blick  sehr  paradox  erscheinen 
mag,  aber  jedesfalls  nicht  schwerer  ist,  als  die  entschieden  nicht  ab- 
zuleugnende Thatsache  der  Verbindung  von  vno  und  vniq,  sub  mit 
super  ^  vpa  m\l  vpari.  Denn  ohne  Zweifel  ist  vtÜq  eben  ein  adver- 
bialischer Comparativ  zu  vnö. 

\Mr  gehn  zum  Verbum  über.  Wie  das  Verbum  das  Meisterstück 
der  Sprache  ist,  so  sollte  die  Behandlung  des  Verbums  die  Meister- 
schaft des  Grammatikers  zeigen.  Und  allerdings  kann  man  hier  die 
Darstellung  des  Verbums  für  die  gelungenste  Partie  des  Buches  an- 
sehn. Hier  ist  kein  wesentliclier  Vorzug  der  frühern  Darstellungen 
aufgegeben,  keine  anstöfsige  neue  Terminologie  (abgesehn  von  stark 
und  schwach)  eingeführt,  und  doch  sind  die  Resultate  der  ^vifsen- 
schaftlichen  Forschung  nicht  allein  zur  Geltung  gebracht,  sondern  in 
einer  Weise,  dafs  sie  in  der  That  zur  Vereinfachung  dienen.  Ref. 
freut  sich,  die  Schwierigkeiten  der  Darstellung  des  Verbums  durch 
eine  Vereinigung  der  bisherigen  Behandlun^sweise  mit  den  neuen 
Aufschlüfsen  wifsenschaftlicher  Forschung,  die  er  schon  in  seiner  Kri- 
tik der  Ahrensschen  Formenlehre  für  nothwendig  erklärte,  in  so  prak- 
tischer Weise  überwunden  zu  sehn.    Zunächst  hat  der  Verf.   die   Ein- 


G.  Ciirliiis:  f,n-iccliisclic  Scliulgraminalik.  ')i7 

Hieilmijr  der  Conjiifi^alioii  in  Conjiij!:.  auf«  iitnl /.<i  hcibelialleti.  Sodaim 
hal  er  kein  (jesaiiiiiil|)aracJi)^ma  <,^e)^el)eri,  sondern  die  einzelnen  Teni- 
p  usstänime  nacheinander  darj^cslelll.  Diese  Tenipnsstämine  en(sj)re- 
clien  den  Alirenssclien  Fornialionssysfcmen,  und  wenn  Cnrlins  nur  7, 
Ahrens  aber  12  Systeme  zählt,  so  läuft  diese  scheinbare  Discrepanz 
nur  darauf  hinaus,  dafs  Ahrens  die  im  Acliv  und  Medium  vorkommen- 
den doppelt  zählt.  In  der  Conjugalion  auf  ^i  wird  natürlich  nur  der 
Praesensstamm  und  der  starke  Aorislstamm  (Aor.  11)  behandelt,  weil 
darin  allein  die  Verba  auf  fit  abweichen.  In  der  Conjugalion  auf  w 
wird  aber  zunächst  der  Praesensstamm  dargestellt,  woran  sich  sofort 
die  wegen  des  Imperfecis  nöthigen  Hemerkungen  über  das  Augment 
und  die  Darstellung  der  Vcrba  conlracla  anschliefst,  die  ja  nur  im 
Praesensstamme  abweichen.  Da  aber  der  Praesensstamm  aus  dem  Ver- 
balstamme in  anderer  Weise  abgeleitet  wird  als  die  übrigen  Tempus- 
stämmc,  indem  für  jeden  dieser  eine  durchgreifende,  nur  secundärcn 
Unterschieden  unterworfene  Tenipusbildung  da  ist,  während  der 
Praesensstamm  durch  mehrfache,  nicht  eigentlich  lempusbildendc  Mittel 
aus  dem  Verbalstamme  abgeleitet  wird,  so  stellt  der  Verf.  diese  Ver- 
schiedenheiten des  Praesensstanim(!S  §.  245- — 253  dar,  wodurch  zu- 
gleich für  die  übrigen  sechs  Tempusslämme  die  Möglichkeit  gewonnen 
wird,  vom  reinen  Verbalstamme  auszugehn.  Nach  der  Verschieden- 
heit der  Praesensbildung  nimmt  der  Verf.  vier  Classen  von  Verben  an: 
in  der  ersten  Classe  ist  der  Praesensstamm  dem  Verbalstamme  gleich, 
in  der  zweiten  der  Vocal  des  Verbalstammes  gedehnt,  in  der  dritten 
der  Auslaut  des  Verbalstammes  durch  r  verstärkt,  in  der  vierten  mit 
i  versetzt.  Damit  ist  freilich  die  Möglichkeit  der  verschiedenen  Prae- 
sensbildungen  nicht  erschöpft;  in  der  jUi-Conjugation  werden  wieder 
zwei  Classen  unterscliieden,  und  zuletzt  noch  diejenigen,  deren  Ana- 
logie weniger  weit  ausgedehnt  ist,  unter  den  unregclmäfsigen  Verben 
auf  CO  als  Eintheilungsgrund  dieser  benutzt.  Nach  dem  Praesensslans- 
me  aber  werden  zunächst  die  übrigen  Tempusstämme  behandelt,  und 
bei  jedem  derselben  die  secundären  Verschiedenheilen  der  Bildung,  zu 
denen  der  Auslaut  der  Stämme  Veranlafsung  gibt,  dargestellt.  So 
kommt  also  auch  die  Eintheilung  der  Verba  nach  den  Kennlauten  da, 
MO  sie  hingehört,  zu  ihrem  Rechte,  während,  wenn  man  sie  zum  Ober- 
einlheiliingsgrunde  wählt,  man  entweder  zu  \N  icderholungen  gezwun- 
gen ist,  oder  aber  den  Zusammenhang  der  Bildung  eines  und  desselben 
Tempusslammes,  namentlich  des  Futurs  und  Aorislus  I,  zerreifst.  Letz- 
terer Zusammenhang  ist  aber  nicht  allein  wifsenschaftlich  werthvoller, 
sondern  ohne  Zweifel  auch  praktisch  wichtiger,  da  die  Verschieden- 
heilen des  sigmalischen  und  contrahierlen  Futurums  z.  B.  sich  deut- 
licher herausstellen  und  also  auch  leichler  und  sicherer  aufgefafst 
werden,  wenn  sie  so,  wie  in  der  Curtiusschen  Grammatik,  nebenein- 
ander stehn. 

Soll  ich  an  der  Behandlung  des  Verbums  einzelnes  aussetzen,  was 
mir  falsch  oder  unnöthig  erscheint,  so  ist  es  zunächst  die  Bezeichnung 
des  Infinitivs  als  Modus,  die  weder  durch  die  Wifsenschaft  noch  durch 


518  G.  Curtius:  griechische  Schulgranimalik. 

das  praktische  Interesse  geboten  sein  kann  und  auch  auf  die  syntakti- 
sche Darstellung  des   Infinitivs  nicht  ohne  nachtheiligen   Einilufs  ge- 
hlieben ist.  —    In  §.  233   Anm.  2  ist  eine  äufserliche  Erklärung  der 
Entstehung  der  Formen  Ivsig,  kvti  aus  AvcGi,  Xvixi  der  richtigen  vor- 
gezogen.   Ich  meine,  der  Schüler  wird  leichter  begreifen,  dafs  xi  in 
ÖL  übergellt,  und  aus  eai  dritter  Person  mit  Verlust  des  ö  u  entsteht, 
zumal  da  für  diese  Vorgänge  an  Lautlehre  §.  60.  61  angeknüpft  wer- 
den kann.    Befser  vielleicht  wäre  es  noch  ohne  alle  Erklärung  zu  sa- 
gen:  'aus  £CJi  wird  eig,  aus  exi  wird  h.'  —    Bei  der  Darstellung  des 
Augments  konnte  wohl  mit  einem  erklärenden  AVorte   auf  die  Aspira- 
tion des  Augments  in  tro^tav,  mvdavov  und  ähnl.  hingewiesen  werden, 
da   die   Erscheinung  selbst  dem  Schüler  Schwierigkeiten  macht   und 
nicht  leicht  aufgefafst  zu  werden  pflegt.  —    Dafs  beim  Aor.  I  die  For- 
men   'iXvöa    und   'icpt]va  passend   als   sigmalische    und   suppletorische 
Form  unterschieden  werden,  ist  schon  bemerkt.     Hierbei  mag  es  mir 
gestattet  sein,  eine  Bemerkung  über  die  Bildung  der   zweiten   Person 
Sing.  Imper.  kv6ov  hinzuzufügen.     Curtius  sagt,  es  tritt  an  XvGct  v 
an,  wodurch  «  zu  o  verdumpft;  und  das  ist  allerdings  die  Erklärung, 
die  man  auch  wifsenscbaftlich  für  die  richtige  hält  (s.  Pott:  etymol. 
Forsch,  11,  307.    Giese:  aeol.  Dial.  S.  110.  Curtius:  sprachvergl.  Beitr. 
I,  347;  etwas  anders  Bopp:  vergl.   Gramm.  §.  727).     Aber  diese  Er- 
klärung hat  ihr  bedenkliches,  weil  die  zweite   Person   des  Imperativs 
sonst  mehr  ein  Streben  nacii  Verkürzung  als  nach  Verlängerung,  mehr 
nach  hellen  als   nach  dumpfen  Lauten  zeigt,  und  der   liebergang  von 
Ca  in  aov  durch  die  Analogie  des  Verhältnisses  von  fteO'a  zu  fteO'ov 
nicht  vollständig  geschützt  wird,  weil  eben  für  Ave?«  nicht  das  Bedürf- 
nis der  Unterscheidung  von  einer  andern  Form  vorlag.    Sollte  man  Xv- 
60V  etwa  als   Vocativ  des  Part.   Fut.   Xvatav  auffafsen   dürfen?    Zwar 
kommen  Vocative  von  Participien  seilen  vor,  und  lauten,  wo  sie  vor- 
kommen, mit  dem  Nominativ   überein.     Aber  das   schliefst  nicht  aus, 
dafs  in  ältester  Zeit  die  Vocativbildung  der  Participia  regelrecht  den 
Stammvocal  zeigte,  und  dafs  eine  solche  Bildung  sich,  für  einen  be- 
stimmten Gebrauch  qualificiert,  festsetzte.    Dafs  Participia  in  der  That 
zum  Ausdruck   des   Befehls    qualificiert   sind,   beweist   das    deutsche 
'aufgesefsen',  das  lateinische  r/?««-wmo ,   aina-mim;  dafs   das  grie- 
chische Futurum  auch  sonst  nahe  an  das  Gebiet  des  Imperativs   heran- 
streift, beweisen  ovK  STtiOQKrjösig  'du  sollst  nicht  falsch  schwören', 
und  das  fragende  ov  n£Qi,i.isvetg;  d.  h.  'warte  doch',  sowie  auch  der 
Gebrauch  des  Indic.  Futuri  in  Relativsätzen.    Dafs  Vocativ  und  Impe- 
rativ auf  den  getrennten  Gebieten  des  Nomens  und  Verbums   die   sich 
am    meisten   entsprechenden,   so  zu  sagen  correlative  Erscheinungen 
sind,  ist  bekannt.    Wäre  diese  Annahme  richtig,  so  würde  sich  unge- 
sucht eine  Erklärung  für  die  Eigenthümlichkeit  darbieten ,  dafs  (ii?/  mit 
yQuil^ov  nicht  verbunden,  sondern  durch  y,rj  ygatjjrjg  ersetzt  wird.  War 
auch  die  Erinnerung  an  die  wahre  Bedeutung  von  ygailtov  nicht  mehr 
lebendig,  so  blieb  doch  instinctmäfsig  das  Gefühl   für  die  Unverträg- 
lichkeil der  prohibitiven  Negation  und  des  imperativischen  Part.  Fut. 


G.  Curlius:  <,niccliistlio  Scliulgraminalik.  oH) 

Dafs  der  Grund  nidil  im  Tempus  als  solchem  gesucht  werden  darf,  bc- 
\> eisen  Stellen  wie  Od.  w,  •i4H:  öv  dh  jtit)  lokou  iv&eo  d^vfio)^  während, 
wenn  Arislopli.  Tliesm.  877  ^uj  il>EvGuv  sagt,  hieraus  nur  gefolgerl 
werden  kann,  dafs  hei  dieser,  wie  es  scheint,  geläuligen  Formel  (s. 
Frilzsche  zu  der  Stelle)  die  Unverträglichkeit  nicht  mehr  gefühlt 
wurde.  "NN'cnn  aber  für  den  Singular  die  Formel  (^uj  yfjäilJtjg  üblich 
geworden  war,  so  begreift  sich  leicht,  dafs  diese  Analogie  auch  die 
3tc  Person,  sowie  auch  den  Plural  und  das  Medium  mit  erfafsle,  ohne 
dafs  in  diesen  Formen  ein  innerer  Zwang  dazu  lag.  Uebrigcns  ist  auch 
in  der  That  ju,?/  mit  der  3ten  Pers,  lm|)cr.  Aor.  häullger,  s.  Matlhiac 
griech.  Gramm.  S.  J157.  Auch  eine  andere  Eigenlhümlichkeif  der  grie- 
chischen Sprache  erklärt  sich,  jene  Bedeutung  von  der  Form  Ivciov 
vorausgesetzt,  mindestens  ebenso  leicht,  wie  wenn  man  sie  geradezu 
als  2te  Person  des  Imperativs  fafst*),  ich  meine  das  Idiom  oldd'  6 
noitiGov^  in  welchem  der  fulurische  Charakter  durch  die  parallele  Wen- 
dung mit  der  2fen  Person  Indic.  Fut.,  z.  B,  Eur.  Med.  600  otcrö''  cug  jitf- 
r£vt,ei  Kcd  eog^coze^a  (pavei.  Cycl.  131  ol(i&  nvv  6  öfjciösig  und  durch 
den  imperalivischen  Charakter  des  Indic.  Fut.  in  Relativsätzen  wie 
eöo^s  reo  öijfico  TQiaxovza  ävö^ag  ikia&at^  dt  rovg  TtaxQiovg  vo^ovg 
'^vyyQuil.iovö i^  yM'&  ovg  noXiT ev  6ov6 1^  so  wie  des  Partie.  Fut. 
in  Ausdrücken  wie  nifiTrco  ae  kl^ovra  bestätigt  wird.  Zwar  sollte  man 
hier  eigentlich  oiö&  o  ÖQaacoi'  erwarten,  so  dafs  das  Participium  bei 
oiöa  praedicativ  zu  erklären  wäre  nach  Analogie  von  oida  •O'injTog  cöv, 
und  es  ist  denkbar ,  dafs  allerdings  eigentlich  öquöcov  gemeint  war, 
dafür  aber  ÖQciöov  sich  einschlich,  weil  das  Griechische  einen  Impe- 
rativ im  Kclalivsatze  auch  sonst  kennt.  Zur  Gewisheit  würde  die  vor- 
getragene Ansicht  sich  in  dem  Falle  erheben,  wenn  die  Form  auf  oi/ 
sich  auf  die  sigmatischen  Aoriste  beschränkte;  das  thut  sie  allerdings 
nicht;  aber  war  einmal  kvGov  in  die  imperalivische  Function  einge- 
treten,  so  schien  es  auch  formell  mit  dem  Aorist  dergestalt  zusam- 
menzuhängen, dafs  eine  analoge  Bildung  von  ä^yeikov  aus  ip/yetka 
keine  Schwierigkeit  hatte.  Gleichwohl  würde  es  sich  vielleicht  ver- 
lohnen, das  statistische  Verhältnis  des  Vorkommens  von  Formen  wie 
ayyeikov  zu  dem  von  Formen  wie  ÖQaGov  zu  ermitteln. 

Bei  der  Beduplication  ist  §.  274,  4  l'QQicpK  erklärt  als  entstanden 
durch  die  Heduplicationssilbe  i^,  die  durch  3Ietathesis  aus  ^£  entstan- 
den sei.  Ich  zweille  ob  durch  diese  wifsenschafilich  falsche  Erklä- 
rung dem  Schüler  die  Sache  klarer  wird  als  durch  die  richtige,  dafs 
die  Keduplication  bei  Wurzeln  mit  q  wie  bei  Wurzeln  mit  Doppel- 


*)  So  noch  kürzlich  J.  Grimm  In  Aufrecht  und  Kuhn.s  Zeitsclir. 
J,  144.  Ich  verkenne  den  Werth  der  beigebrachten  Analogien  aus  dem 
Ahd.  und  Mhd.  nicht,  mache  aber  darauf  aufinerk.sam  ,  dals  bei  mei- 
ner AufFafsnng  sich  die  Be.schränkung  des  griech.  Gebrauchs  .sowohl 
auf  ntad'  o  al.s  auf  den  Singular  .„nirjenv  erklärt.  Im  IMIid.  kommt 
nemlicb  besonders  oft  vor:  ich  saf>^c  dir  waz  du  itto:  im  Griech.  niciit 
Ityw  601  o  noi'rjaov.  Denn  hier  müste,  wenn  meine  Auffafsung  richtig 
ist,  noirjaovTi  stehn. 


520  G.  Cmtiiis:  g^riccliisclie  Sclmlgrammatik. 

consonaiiten   aus  blofsem  £  bestellt,  hinter  welchem  das  anlautende  q 
nach  <!§.  62  verdoppelt  ist. 

In  der  Conjugation  auf  ftt  sind  zwei  Classen  von  Verben  unter- 
schieden: die,  welche  im  Praesens  die  Endungen  unmittelbar  an  den 
Stamm  anknüpfen,  und  die,  welche  zwischen  Stamm  und  Endung  vv 
einschieben.  Die  erste  Classe  weicht  im  Praesens  und  Aoristus  II  von 
der  Conj.  auf  co  ab,  die  zweite  nur  im  Praesens.  Die  erste  Classe 
hätte  noch  weiter  eingetheilt  werden  können  in  Anknüpfung  an  die 
Eintheilung  der  Praesensstämme  der  V^erba  auf  co  in  §.  245  ff.  nach 
dem  Praesensbildungsunterschiede  in  unverstärkte  Praesensbildungen 
und  reduplicierte  Praesensbildungen;  eine  Unterscheidung  die  der 
Verf.  vielleicht  nicht  zum  Vortheil  der  Schüler  durch  die  äufserlichere 
Eintheilung  nach  den  Kcnnlaulen  a,  £,  i,  6  ersetzt  hat,  die  allerdings 
bei  den  Verben  der  zweiten  Classe  auf  vv^i  ganz  an  ihrer  Stelle  ist. 
Denn  offenbar  mufs  auch  dem  Schüler  die  DilTerenz  zwischen  qpjj.ut 
und  mehr  noch  aya^ai  einerseits  und  andererseits  i'örjjfit  fühlbarer 
werden  als  das  gemeinschaftliche,  während  umgekehrt  das  gemein- 
schaftliche von  l'ijfii.,  i'(jri}^i,  rL'&)]jxi.y  öi'cJcöftt  wichtiger  ist  als  die  ohne- 
hin deutliche  Discrepanz  zwischen  t?//Lti  und  (p}]fiL.  Aufserdem  ent- 
halten die  Classen  auf  s,  i,  6  nur  je  2  Verba ,  deretwegen  besondere 
Classen  zu  machen  sich  kaum  verlohnt. 

Bei  den  unregelmäfsigen  Verben  unterscheidet  der  Verf.  in  An- 
knüpfung an  die  4  Classen  der  ersten  llauptconjugation  als  5te,  6te,  7te 
und  8le  Classe  die  Nasalclasse,  Inchoativciasse,  E  Classe  und  Misch- 
classe.  Bei  der  Inchoativclasse,  deren  Bezeichnung  kaum  a  potiore 
richtig  ist,  halte  ich  eine  Aussonderung  der  zugleich  reduplicierenden 
Verba  für  praktisch  ,  während  sie  Curtius  unter  die  nach  Kennlauten 
geordneten  Stämme  verlheilt  hat.  Dann  hätte  auch  die  besondere 
Anomalie  von  ÖLÖaGvico,  die  darin  besteht,  dafs  es  die  in  den  übrigen 
Verben  nur  am  Praesensstämme  sich  zeigende  Reduplication  in  die 
Tempusbildung  hineinnimmt,  erklärt  werden  können,  während  jetzt 
ÖLÖäozoo  nur  mit  akvG-Kco  und  XciGKCo  wegen  Unterdrückung  des  K-Lau- 
tes  vor  öKCO  zusammengestellt  ist,  eine  Zusammenstellung,  zu  der 
man,  wie  ich  meine,  bei  (5i()a(75{M  nicht  einmal  berechtigt  ist.  Denn 
da  öiddaKco  schon  darin  unregelmäfsig  ist,  dafs  es  die  Heduplication 
in  der  Tempusbildung  behauptet,  so  ist  es  leichter  auch  die  Beibe- 
haltung des  öK  in  der  Tempusbildung  anzunehmen  ( öidd^co  =  6i- 
daöjcdco),  als  einen  Stamm  öaK  oder  dcdax,  der  den  homerischen  For- 
men iöurjv  x%X.  gegenüber  nicht  berechtigt  ist,  wenigstens  gewis  nicht 
für  die  Praesensbildung  8LÖa6y.vi. 

Die  Lehre  von  der  AN'orlbildung  ist  überaus  übersichtlich  und 
praecis  gehalten.  Der  Verf.  verlangt  mit  Hecht,  dafs  auch  diese  beim 
Schulunterrichte  berücksichtigt  werde.  Es  kann  keinem  Zweifel  un- 
terliegen, dafs  durch  Kenntnis  der  geläufigsten  Wortformationsarten 
dem  Schüler  in  manchen  Fällen  der  Gebrauch  des  Lexikons  erspart 
wird;  nnd  beim  Unterrichte  würde  es  gewis  zu  empfehlen  sein,  wenn 
selbst  durch  noch  reichhaltigere  Beispiele  ein  rationelles  Auswendig- 


G.  Curlius:  griechische  Schulgrammalik.  521 

lernen  von  Vocabeln  oder  eine  Befestigung  der  schon  geläufig  gewor- 
denen befördert  würde.  Hei  der  Darstellung  der  Suflixe  zur  Bildung 
von  Adjectiven  hülle  übrigens  im  Interesse  der  Praxis  der  Unterschied 
zwischen  aq'i  -  lY.og  und  Tr^ax  -  Ttxoj,'  hervorgehoben  werden  uiüfscn, 
da  der  Schüler  nicht  begreifen  wird,  wie  Ttgaar  -  ly.og  durch  Suffix 
Ko  mit  Bindevocal  i  aus  dem  Verbalstamme  von  n^doGco,  d.  i.  nQay, 
abgeleitet  sein  könne. 

\>'eniger  gelungen  als  die  Formenlehre  ist  die  Syntax  im  gan- 
zen, obwolil  sie  auf  verhältnismäfsig  geringem  Haume  (S.  154 — 241) 
das  für  den  Schülerstandpunkt  nötbige  Material  cnihält,  und  vielfache 
Vorzüge  vor  andern  Grammatiken  in  der  Darstellung  des  einzelnen 
keineswegs  verkannt  werdtm  sollen.  Es  w  ill  uns  nemlich  scheinen,  als 
ob  der  Verf.  durch  seine  wifsenschafllich  allerdings  vollständig  gerecht- 
fertigte Opposition  gegen  den  Beckerschen  Schematismus  sich  habe 
verleiten  lafsen,  den  wirklichen  praktischen  Werth  mancher  Becker- 
schen Kategorien  zu  gering  anzuschlagen.  Wenigstens  möchten  wir 
in  einer  Schulgrammatik  wenn  auch  wohl  eine  Eintheilung  des  Stoffes 
nach  attributivem  und  objectivem  Satzverhältnisse,  so  doch  nicht  eine 
propaedeutische  Darlegung  der  Begriffe  Subject,  Praedicat,  Attribut, 
adverbiale  Bestimmung,  Übject  entbehren.  Freilich  kann  man  erwar- 
ten, dafs  diese  Begrilfe  aus  dem  deutschen  und  lateinischen  Sprach- 
unterrichte schon  bekannt  sind,  wenn  der  griechische  Unterricht  be- 
ginnt. Aber  die  \\  irklicbkeit  gestaltet  sich  bei  den  verschiedenen 
Sprachen  innerhalb  der  Grenzen  jener  logischen  Begriffe  verschieden, 
und  die  Erklärung  des  griechischen  Sprachgebrauches  rgircdog  7]X&e 
z.  B.  aus  der  Kategorie  des  Praedicatsbegrilfs  wird  dem  Schüler  nicht 
von  selbst  einfallen,  auch  wenn  er  von  dem  Praedicatsbcgriffe  eine 
ziemlich  klare  Vorstellung  hat.  Ref.  erinnert  sich  nicht,  den  ange- 
deuteten Sprachgebrauch  in  der  Syntax  der  Curtiusschen  Grammatik 
überhaupt  nur  erw  ahnt  gefunden  zu  haben.  Bei  einer  Darlegung  der 
verschiedenen  Erscheinungen  des  attributiven  Satzverhällnisses  w  ürde 
dem  Schüler  ohne  Zweifel  z.  B.  das  Verständnis  des  Farticips,  wobei 
Curtius  ein  attributives,  appositives  und  praedicatives  Particip  unter- 
scheidet, wesentlich  erleichtert  werden.  Ueberhaupt  hätten  die  Er- 
scheinungen am  nominalen  Praedicat,  die  zunächst  in  Beziehung  auf 
das  Subject  des  einfachen  Salzes  entwickelt  sich  in  die  verschiede- 
nen Sphaeren  der  Verwendung  des  Substantivs  erstrecken,  wohl  auch 
aus  praktischen  Gründen  eine  zusammenfafsende  Darstellung  verdient. 

Ref.  ist  weit  davon  entfernt,  sich  zum  Vertheidiger  der  Becker- 
schen Schematismen  aufwerfen  zu  wollen.  Alle  sind  wifsenschafllich 
entweder  falsch  oder  einseitig,  und  praktischen  Werth  haben  nur 
Avenige.  Diese  wenigen  hätten  aber  auch  benutzt  werden  sollen,  zu- 
mal da  das  Gerippe  einer  Satzlehre  nach  Beckerschem  Schematismus 
immer  noch  befser  ist  als  der  Mangel  jeder  Satzlehre,  den  wir  in 
der  That  weder  wifsenschafllich  noch  praktisch  gerechtfertigt  finden 
können.  Statt  durch  die  historische  Sprachforschung  sich  über  den 
Beckerschen   Standpunkt  zu  erheben,  ist  der  Verf.  im  Anschlufs  an 


522  G.  Curtius:  griechische  Schiilgrammatik. 

Butlniann,  3Iadvig,  Krüger  auf  den  vorbeckerschen  Slandpuiikt 
zurückgetreten,  und  gibt  im  >vesenllichen  nur  eine  auf  die  S  yntax 
bezügliche  Darstellung  des  Gebrauches  der  einzelnen  Uedetheile, 
nicht  aber  diese  Sy  ntaxi  s  selbst.  Dafs  dem  so  ist,  wird  schon  eine 
Aufzählung  der  Capitel  der  Syntax  lehren,  die  der  Reihe  nach  von 
Numerus  und  Genus,  vom  Artikel,  von  den  Casus,  von  den  Praeposi- 
(ioncn,  vom  Pronomen,  von  den  Arten  des  Verbums,  von  den  Tem- 
poribus,  von  den  Jlodis ,  vom  Infinitiv,  vom  Parlicip,  von  einigen 
Eigenlhümlichkeilen  der  Relativsätze,  von  den  Frage- 
sätzen, von  den  Negationen,  von  den  Partikeln,  handeln.  Abge- 
sehn  von  den  beiden  durch  den  Druck  hervorgehobenen  Capileln  wird 
ex  professo  nirgends  über  den  Satz  gehandelt,  sondern  die  Kennt- 
nis der  wichtigsten  Gesetze  der  Satzbildung  wird  vorausgesetzt,  die 
Eigenthümlichkeiten  der  untergeordneten  Sätze  werden  bei  Gelegen- 
heit der  Modi  dargestellt.  Schon  Haase  hat  die  principielle  Schei- 
dung einer  Bedeutungs-  und  Gebrauclislehre  der  Redelheile  von  der 
eigentlichen  Syntax  für  wifsenschafilich  nothwendig  erklärt,  und  ich 
zweille  nicht,  dafs  sie  auch  praktisch  von  den  vorlheilliafteslen  Fol- 
gen für  den  Unterricht  sein  würde.  Welchen  Standpunkt  man  bei 
Darstellung  der  Salzlehre  einzunehmen  hat,  kann  jemand,  der  in  den 
Grundsätzen  der  historischen  Grammatik  zu  Hause  ist,  nicht  zweifel- 
haft sein.  Man  mufs  auch  hier  von  der  Verschiedenheit  der  Salz  for- 
men ausgehn.  Man  wird  also  zunäciist  einfachen  und  zusammenge- 
setzten Satz  unterscheiden.  Im  einfachen  Satze  sind  die  nolhwendigen 
Bestandlheile  des  Satzes  und  die  Form,  die  ihre  syntaktische  Zusam- 
mengehörigkeit bezeichnet,  ich  meine  die  Congruenz  auseinander- 
zusetzen. Die  Congruenz  wird  aber  von  Curtius  nirgends  behandelt, 
sondern  stets  vorausgesetzt;  die  einzelnen  Aeufserungen  des  Gesetzes 
der  Congruenz ,  sowie  die  scheinbaren  \^'idersprüche  gegen  dasselbe 
finden  sich  an  verschiedenen  Stellen  zerstreut.  Beim  zusammenge- 
setzten Salze  dürfte  eine  Darstellung  der  Paralaxis  und  ihres  Ver- 
hältnisses zur  Unterordnung  (schon  um  der  Leetüre  Homers  willen) 
keineswegs  aufser  dem  Gebiete  der  Schulgrammatik  liegen,  und  eine 
Classificierung  der  untergeordneten  Sätze  nach  dem  Unterschiede  der 
Bedeutung  dürfte  praktisch  ebenso  wichtig  sein  wie  die  doch  nicht 
zutreffende  Einllieilung  der  Conjunclionen  in  declarative,  temporale, 
causale,  folgernde,  finale,  hypothetische,  concessive  (S.  234 — 239), 
in  der  man  allenfalls  einen  Ersatz  für  die  Classificierung  der  unterge- 
ordneten Sätze  sehn  kann.  Hätte  der  Verf.  eine  solche  Satzlehre  be- 
liebt, so  hätte  darin  das  praktisch  werthvolle  der  Beckerschcn  Kate- 
gorien Platz  finden  können,  und  manche  Bemerkung,  die  sich  jetzt  in 
dem  Zusammenhange,  in  den  sie  gebracht  ist,  etwas  wunderlich  aus- 
nimmt, würde  in  einem  Iciirrcicheren  Zusammenhange  erscheinen.  So 
ist  z.  B. ,  um  nur  eins  zu  erwähnen,  der  Gebrauch  y-cä  ^loi,  xov  vlov 
iini,  a  jtt£jit«i>)/3t£  trjv  xi%v)]v  unter  dem  Accusativ  behandelt  (§.  397}, 
inmitten  der  Consiructionen  ßkänxfo  XLvä  ünA  cpavyoy  xiva  ^  Avährend 
doch  olTenbar  das  dem  Schüler  in  jenem  Salze  auffällige  nicht  aus  der 


G.  Curliiis:  griechisclic  Schulgrammalik.  528 

Natur  des  Acciisalivs  oder  aus  der  ßeschalTcnheit  des  Verbs  ktysiv, 
sondern  aus  dem  Verhältnisse  des  Haupt-  und  Nebensatzes  zu  erklä- 
ren ist.  Würde  jener  Satz  bei  einer  Besprccliung'  dieses  Verliällnisses 
erwähnt,  so  würde  das  griechische  Idiom,  das  Subjcct  des  Neben- 
satzes zum  Object  des  Hauptsatzes  zu  machen,  mit  den  andern  ver- 
wandten Fällen  zusammengestellt  in  ein  viel  helleres  Licht  treten.  Als 
Gegensatz  dazu  würde  ebendaselbst  auch  der  Gebrauch  o  nari^Q^  ov 
^ovou  ei'%ofiiv  ßoij&ov,  amjv  zu  erwähnen  gewesen  sein,  den  Curlius 
unzweckmälsig  als  eine  umgekehrte  Altracliou  bezeichnet  §.  602,  und 
aus  dem  jedesfalls  nicht  der  an  dieser  Stelle  damit  verknüpfte  Ge- 
brauch von  den  Casus  obliqui  der  Wendung  ovöelg  oOTig  ov  erklärt 
werden  kann. 

Bei  vielen  ähnlichen  Ausstellungen,  die  sich  aus  dem  genannten 
Gesichtspunkte  machen  liefsen,  versieht  es  sich  aber  von  selbst,  dafs 
manche  Partien,  eben  die,  welche  von  jenem  Gesichtspunkte  nicht 
nahe  berührt  werden ,  sowohl  im  ganzen  als  im  einzelnen  vortrefflich 
behandelt  sind.  Als  das  gelungenste  ist  mir  die  Behandlung  der  Tem- 
pora erschienen  (S.  187 — 194),  in  der  wifsenschaftliche  Richtigkeit 
und  praktische  Uebersichtlichkeit  ohne  gegenseitige  Concessionen  sich 
durchdringen.  Weit  weniger  gelungen  ist  die  allerdings  auch  weit 
schwierigere  Darstellung  der  Casus.  Da  der  Verf.  in  andern  Partien 
sich  nicht  durch  die  spätere  Seltenheit  des  historisch  ursprünglich- 
sten Gebrauchs  abschrecken  läfst,  diesen  an  die  Spitze  seiner  Dar- 
stellung zu  stellen,  wie  er  z.  B.  beim  Artikel  mit  Recht  von  dem  de- 
monstrativen \>'erthe  desselben  bei  Homer  ausgeht,  so  ist  nicht  zu 
begreifen,  warum  er  die  localen  Gebrauchsweisen  der  Casus  gleich- 
sam als  Anomalien  vom  regelmäfsigen  Casusgebrauch  unter  dem  un- 
passenden Ausdrucke  Moserer  Genetiv',  'loserer  Dativ'  ans  Ende 
stellt.  Denn  die  locale  Grundbedeutung  der  obliquen  Casus  ist,  wenn 
man  sie  nur  nicht,  wie  Härtung  und  Kühner,  mit  einseitiger 
Consequenz  zu  scharf  ausspitzt,  aufser  Zweifel,  und  mufs  auch  von 
Curtius  nachträglich  bei  der  Lehre  von  den  Praepositionen  anerkannt 
werden  (§.  447).  Zwar  hat  nun  Curtius  das  entgegengesetzte  Extrem 
zu  scharf  gefafster  geistiger  oder  causaler  Grundbedeutungen  eben- 
falls vermieden ,  aber  er  ist  dadurch  zu  gänzlich  unfafsbaren  Defini- 
tionen der  Casus  gekommen,  denen  wir  selbst  vom  praktischen  Stand- 
punkte aus  die  einseitigsten  localen  Definitionen  vorziehn  Avürden. 
Was  soll  sich  der  Schüler  z.  B.  dabei  denken,  wenn  er  hört  §.  429: 
'der  Dativ  bezeichnet  im  allgemeinen  die  Person  oder  Sache,  welche 
zu  einer  Thätigkeit  in  einer  entfernteren  Beziehung  steht'  oder  §.  407 
*der  Genetiv  bezeichnet  im  allgemeinen  den  Gegenstand,  der  mit  ei- 
nem andern  zusammengehört.'  Ich  bin  überzeugt,  dafs  sich  eine  zu- 
sammenhängendere und  praktischere  Darstellung  gewinnen  liefse, 
wenn  man  für  den  Dativ  die  Doppelbedeulung  wo,  wohin,  für  den 
Genetiv  die  Doppelbedeutung  wo,  woher  zu  Grunde  gelegt  hätte, 
Dafs  man  dazu  sprachhistorisch  Recht  hat,  kann  dem  Verf.  am  aller- 
wenigsten entgehn ,  wenn  er  sich  der  Thatsache  erinnert,   dafs  der 


524  G.  Curlius:  griechische  Schulgrammatik. 

griechische  Daliv  dem  skr.  Localiv,  Dativ,  Instrumentalis,  der  grie- 
chische Genetiv  dem  skr.  Genetiv  und  Ablativ  entspricht.  Es  ist  hier 
nicht  der  Ort,  die  Beweiskraft  dieser  Thalsache  auseinanderzusetzen. 
Ich  bemerke  nur,  dafs  der  sociativ  instrumentale  Gebrauch  des  Da- 
tivs als  eine  Entwicklung  aus  dem  Wo -Verhältnisse  (wobei,  wo- 
mit) angesehn  werden  mufs ,  und  dafs  der  attributive  Gebrauch  des 
Genetivs  sich  aus  der  adverbialen  Grundbedeutung  auch  für  den 
Schüler  erklären  läfst  durch  Hinweisung  auf  den  attributiven  Gebrauch 
anderer  Adverbia,  z.  B.  oi  rore  äv&Qconoi.  ol'  acpt  ßoeg  (§.  432  Anm.), 
Erscheinungen,  zwischen  denen  nur  der  Unterschied  stattfindet,  dafs 
die  Erhebung  des  adverbialen  Dativs  zum  Attribut  etwas  seltenes, 
dagegen  die  Erhebung  des  Genetivs  dazu  etwas  häufiges  ist.  Beim 
Genetiv  ist  eben  dies  der  Endpunkt  der  historischen  Entwicklung  des 
Casusgebrauches.  Auch  dieser  Gegenstand  konnte  in  einer  Lehre  von 
der  Form  des  einfachen  Satzes  bei  Gelegenheit  der  Erweiterungen 
desselben  zusammenfafsend  dargestellt  werden. 

Von  Einzelheiten  halte  ich  für  geradezu  falsch  die  Verbindung 
des  Gebrauchs :  o  OikiTtnog  Ttevzay.oölovg  litnlccg  l'kaßev  ayrolg  roig 
OTtloLg  mit  dem  Daliv  der  Art  und  Weise,  und  verstehe  auch  nicht, 
wie  jener  Dativ  dem  Schüler  durch  die  Analogie  von  ßia,  l'^^'w  klar 
werden  soll.  Er  ist  vielmehr  ein  Rest  des  ursprünglich  viel  weiter 
ausgedehnten  sociativen  Gebrauchs,  den  für  die  entwickelte  Sprache 
allerdings  die  Praeposilion  avv  übernommen  hat,  der  sich  aber  gerade 
für  Substantive  mit  praedicativem  avrog  erhalten  hat  wegen  des  den 
Gegensatz  zwischen  den  beiden  zu  verbindenden  Gegenständen  scharf 
genug  markierenden  avrog. 

In  Beziehung  auf  den  Accusativ  tadle  ich  nicht,  dafs  der  Verf. 
bei  diesem  Casus  nicht  von  der  Grundbedeutung  wohin  ausgeht,  son- 
dern ihn  als  Objectscasus  bezeichnet.  Denn  für  den  Accusativ  ist  in 
der  That  der  Gegensatz,  in  dem  er  zum  Subjectscasus  steht,  sowohl 
das  wichtigste  in  der  entwickelten  Spraclie,  als  das  ursprüngliche  in 
der  historischen  Entwicklung.  Bei  dieser  ist  vorzugsweise  darauf  zu 
achten,  wie  der  Begriff  des  Objects  in  der  Sprache  selbst  allmählich 
sich  umgestaltet,  und  zwar  verengert,  wodurch  Accusative,  die  ihre 
Entstehung  dem  ursprünglich  weiteren  Objecfsbegriffe  verdanken, 
wenn  sie  durch  die  Kraft  des  Usus  sich  behaupten,  den  Schein  der 
Adverbialität  annehmen,  und  für  die  Sprache  selbst  wieder  ein  An- 
knüpfungspunkt zu  weiterem  Ausbau  des  adverbialen  Gebrauchs  der 
Accusativform  werden.  Daneben  ist  aber  zu  beachten,  wie  der  Ob- 
jectsbegriff,  an  Verben  von  rein  räumlichem  Charakter  mit  möglichst 
sinnlichen  Objecten  entwickelt,  sich  durch  Uebertragung  auf  Verben 
geistiger  Thätigkeit  immer  mehr  vergeistigt,  ein  Process,in  dem  die 
geschichtliche  Entwicklung  des  Accusativs  mit  der  der  beiden  an- 
dern Casus  obliqui  übereinstimmt.  Es  kann  natürlich  nicht  die  Rede 
davon  sein,  dafs  dieser  Entwicklungsgang  dem  Schüler  vorgeführt 
werden  sollte;  aber  wer  ihn  vor  Augen  hat,  wird  auch  in  einer  Schul- 
grammatik manches   folgerichtiger  dargestellt  wünschen.     So  würde 


G.  Ciirliiis:  griechische  Schulgrammalik.  525 

ich  statt  der  Definition  des  Accusalivs,  'svoiuuh  er  'der  Casus  des  Ob- 
jects  ist,  und  daher  im  allgemeinen  den  Gegenstand  bezeichnet,  auf 
welchen  eine  Thätigkeit  übergeht  oder  sich  bezieht' 
lieber  gleich  das  Wesen  des  Objects  in  die  Passivität  gesetzt  haben. 
Das  passive  Object  ist  aber  ein  dreifaches  ;  l)  des  Ziels  ;  2)  des  Weges ; 
3)  des  in  Bewegung  gesetzten  Gegenstandes. 

Ad  1)  ist  das  rein  locale  Object  im  allgemeinen  nur  noch  in  der 
dichterischen  Sprache  lebendig  geblieben,  z.  B.  §.  40(i  tov  Öh  nXiog 
ovQai'ov  i'xst,  wo  der  Acc.  keineswegs  den  Ort  bezeichnet,  nach 
welchem  hin  die  Handlung  gerichtet  ist,  sondern  welcher  im 
Gegensatz  gegen  das  die  Thätigkeit  ausübende,  aclive  Subject  die 
Thätigkeit  passiv  in  sich  aufnimmt,  von  dem  thätigen  Subject  erreicht 
wird.  Dagegen  ist  die  übertragene  Anwendung  dieses  Zielobjects  im 
einzelnen  vielfach  lebendig  geblieben,  z.  B.  der  Acc.  der  Person  bei 
kiyco  xLvci  naxov.  Die  Abverbialisierung  dieses  Objects  führte  znm 
Gebrauch  des  Accusalivs  mit  Praeposilionen. 

Ad  2)  ist  der  Accusativ  der  räumlichen  und  zeitlichen  Ausdeh- 
nung zu  erwähnen  (s.  §.  405  und  die  §.  400  falsch  gestellten  Wen- 
dungen odov  tQio^ai^  Ttlico  d'dkcfaciav) ,  der  kaum  noch  als  Object 
von  dem  Sprachbewustsein  gefühlt,  zu  vielen  adverbiellen  Gebrauchs- 
weisen auf  dem  Wege  der  Uebertragung  Veranlafsung  gab,  namentlich 
zu  dem  sog.  Acc.  der  nähern  Bestimmung,  daneben  aber  auch  zu  prae- 
positionellen  Verbindungen. 

Ad  3)  sind  endlich  neben  einigen  adverbiellen  Auswüchsen  die 
meisten  wirklichen  Objectsaccusative,  namentlich  der  Accusativ  des 
geschalTenen  und  des  veränderten  Objects  entwickelt. 

Der  Verf.  unterscheidet  statt  dessen  ein  ä  u  fs  e  r  e  s  und  ein  i  n  n  e- 
res  Object,  und  wenn  auch  das  innere  Object  scharf  genug  begrenzt 
ist,  weil  es  nur  einem  Theile  des  Gebiets  des  sub  3)  genannten  Accu- 
sativs  des  erzeugten  Objects  entspricht,  so  ist  das  Gebiet  des  äufse- 
ren  Objects  dafür  um  so  unbegrenzter,  woher  auch  zu  erklären  ist, 
dafs  der  Verf.,  auf  eine  sachgemäfs  gliedernde  Einlheilung  dieses  Ge- 
bietes verzichtend,  sich  begnügt  hat,  einige  Kategorien  von  Verben 
hervorzuheben,  durch  deren  transitiven  Gebrauch  sich  die  griechische 
Sprache  von  andern  Sprachen  unterscheide.  Dies  eklektische  Ver- 
fahren kann  ich  übrigens  nicht  billigen;  denn  soll  der  Schüler  eine 
klare  Vorstellung  von  der  Ausdehnung  des  Accusalivgebrauchs  ha- 
ben ,  so  mufs  er  diesen  w  enigstens  im  Gerippe  vollständig  übersehn 
können,  da  nicht  zu  erwarten  ist,  dafs  er  von  dem  der  deutschen 
Sprache  mit  der  griechischen  gemeinsamen  Accusativgebrauche  eine 
deutliche  Vorstellung  gegenwärtig  hat. 

Was  endlich  den  Nominativ  betrifft,  so  versteht  es  sich  von  selbst, 
dafs  der  Verf.  die  unglückliche  Fafsung:  Hm  Nominativ  steht  das 
Subject  des  Satzes  und  alles  was  sich  auf  das  Subject  be- 
zieht' vermieden  haben  würde,  wenn  er  in  der  Lehre  vom  einfachen 
Satze  das  Verhältnis  des  nominalen  Praedicats  und  des  daraus  ent- 
stehenden Attributs  zum  Subject  auseinandergesetzt  hätte. 


526  G.  Curtius:  griechische  Schulgrammalik. 

Zu  dem  Abschnitte  über  die  Praepositionen  sei  nur  noch  die  Be- 
merkung erlaubt,  dal's  bei  ag  c.  acc.  nicht  hätte  auf  §.  631  verwiesen 
werden  dürfen,  weil  dadurch  die  öleinung  erweckt  werden  kann,  als 
ob  die  Praep.  cog  mit  der  Conj.  wg  ein  und  dasselbe  Wort  wäre.  Das 
ist  aber  durchaus  nicht  der  Fall,  sondern  ag  ut  ist  vom  Relativstamme  6g 
ja;  ag  ad  ist  vom  Demonstrativslamme  6  sa;  die  praepositionale  Ver- 
bindung des  rog  mit  dem  Acc.  ist  vorbereitet  durch  die  locale  Bedeu- 
tung AMC,  die  sich  bei  aös  (s.  Hom,  II.  £,  392'^'Hgoaiarf ,  n^o^o)^  aöe, 
das  trotz  Aristarch  local  zu  fafsen  ist)  erhalten  hat,  während  ag  wie 
ovrcog  sich  für  modalen  Gebrauch  fixiert  hat. 

Doch  es  ist  ein  undankbares  Geschäft,  zu  tadeln,  wo  die  Rich- 
tigkeit des  Tadels  erst  durch  die  Ausführung  des  befseren  vollständig 
begründet  werden  kann.  Ich  enthalte  mich  daher  weiterer  Ausstellun- 
gen im  einzelnen,  die  ich  namentlich  noch  an  der  Darstellung  des 
Mediums  und  des  Infinitivs  zu  machen  hätte,  da  das  gesagte  zu  einer 
Charakteristik  der  Curtiusschen  Syntax  ausreichen  wird.  Dafs  das  in 
derselben  gebotene  Material  im  ganzen  für  den  Standpunkt  der  Schule 
ausreichen  wird,  habe  ich  schon  bemerkt.  Nur  zu  billigen  ist  es,  dafs 
Curtius  nfcht  mehr  Beispiele  anführt,  als  absolut  nöthig  sind,  einen 
Gebrauch  klar  zu  machen,  und  dafs  er,  Krügers  Vorgang  folgend, 
die  Angabe  der  Stellen  der  Schriftsteller,  aus  denen  sie  genommen 
sind,  unterläfst.  Zum  Schlufs  erlaube  ich  mir  den  Wunsch  gegen  den 
geehrten  Verf.  auszusprechen,  er  möge  bei  einer  gewis  bald  nöthigen 
zweiten  Auflage  sein  vorzüglichstes  Augenmerk  auf  die  Syntax  rich- 
ten, und  dabei  die  von  mir  gemachten  Bemerkungen,  die  nicht  aus 
tadelsüchtigem  Recensenteneifer,  sondern  aus  dem  Wunsche,  die  Gram- 
matik des  Verf.  in  allen  Theilen  gleich  vollendet  zu  sehn,  entsprun- 
gen sind,  der  Beachtung  für  würdig  halten. 

Göttingen.  Ludwig  Lange. 


Studien  zu  Thnhydides.  Von  Georg  Martin  Thomas.  Aus  den  Ab- 
handlungen der  k.  bayr.  Akademie  der  W.  J.  Cl.  VI.  Bd.  III.  Ab- 
theilg.  München  1852.  Verlag  der  k.  Akademie,  in  Commission 
bei  Franz.     50  S.  gr.  4. 

Diese  Schrift  handelt  über  Thukyd.  VI  c.  20 — 40.  In  mehreren 
Absätzen  folgt  der  Verf.  referierend  dem  Gedankengange  der  thuky- 
dideischen  Entwicklung;  dann  geht  er  prüfend  jedesmal  nach  einem 
Abschnitte  auf  einzelne  Stellen  des  Historikers  ein.  Wer  sich  ernst- 
lich mit  dem  Thukydides  beschäftigt  hat  und  weifs,  wie  viel  da  noch 
trotz  der  vortrefilichen  Arbeiten  deutscher  und  englischer  Philologen 
im  einzelnen  zu  thun  übrig  ist,  der  greift  begierig  nach  einer  neuen 
Erscheinung,  die  irgend  wie  Erwartung  zu  erregen  geeignet  ist.  So 
gieng  es  Ref.    mit  der  vorliegenden  Schrift,  und  wenn  er  auch  ge- 


Thomas:  Studien  zu  Thukydides.  527 

wünscht  halte,  dafs  der  Verf.    aufser   den    behandelten    noch  manche 
andere    Stelle,    der    er    auf   seinem  XN'ege  l)eg-ej,rnete,   mit  in   seine 
Untersuchung-  gezogen   hätte,  dagegen  bei  manchen  der  behandelten 
Stellen  der  Ansicht  des  Verf.  nicht  völlig  beistimmen  kann,  so  bekennt 
er  doch  gern,  dafs  er  das  l>uch   durchaus  nicht   unbefriedigt  aus  der 
Hand  legt.    Es  ist  die  Untersuchung  mit  der  Schärfe   und  Umsicht  ge- 
führt, die  den  Leser  bald  erkennen  läfst,  dafs  er  eine  wackere  Arbeit 
vor  sich  habe.     So  linden  wir  denn   das   eigne   Bekenntnis  des  Verf., 
wie  er  seine  Arbeit  selbst  ansieht  und  wie  er  dieselbe  von  Sludienge- 
nofsen  aufgenommen  wünscht,  bestätigt,  wenn  er  S.  40  sagt:  *Sie  (diese 
Untersuchungen)  sind  nicht  schnell  hingeworfen,  sondern  nach  strenger 
Erwägung  zu  strenger  Prüfung  angeboten.'  Es  ist  daher  nicht  meine  Ab- 
sicht, einen  summarischen  Ueberblick  zu  geben,  sondern  näher  eingehend 
der  Untersuchung  zu  folgen  und  hier  und  da  meine  abweichende  Ansicht 
hinzustellen.    Dabei  setze  ich  mit  Sicherheit  voraus,  dafs  dem  verehr- 
ten Verf.  eine  solche  Art  der  Beurtheilung  die  wüuschenswertheste  sei. 
Cap.  17,  2  sagt  Alkibiades,  um  das  Gelingen  der  von  ihm  eifrig 
angeralhenen  sicilischen  Expedition  seinen  Mitbürgern  möglichst  wahr- 
scheinlieh  zu  machen,  von  den  sicilischen  Städten:  öx^ocg  re  yaQ  ^uft- 
filüTOig  nokvavÖQOvGiv  ai  TtoXeig  xort  ^aöiag  siovGi.  xmv  jiokiTSicöv  rag 
fieraßolag  aal  iTtLÖo%äg.    Gegen  diese  Behauptung  sind,  wie  auch  Hr. 
'fh.    darauf    hinweist  S.  7,  die  Worte   des  abmahnenden   Nikias  cap. 
20,  1  gerichtet:  enl  yaq  noXag,  Mg  iyco  «kojJ  aiß&civofiai,  ^ikko^ev 
iivat  fA^eyalag  nal  ov&  vmjxoovg   aXXi^kcov  ovze   öeofiivag  ^leTaßoXrjg^ 
7]  av  in  ßiaiov  xig  öovXsLag  aOfisvog  ig  Qaco  ^erccGraGiv  iwQoir]^   ovo 
UV  Tiiv   0Qit]v  x}]v  TjiiEriQav  elxoTcog  ccvx  EkEV'&£(}iccg  TtQoGde^aixivag 
to  xe  nXrj&og  ^  cog  iv  [iia  vrißcp,  noXkag  xag'EXX^jviöag.    Wie  Hr.  Th. 
S.  6,  so  hat  auch  Ref.  derjenigen    Auffafsung  vorliegender  Stelle  nie 
beistimmen  können,  die  bei  Imm.  Bekker  zu  Grunde  zu  liegen  scheint, 
wenn  dieser  Gelehrte  lieber  lesen  möchte:  ovös  öeo^ivccg  .  .  .  ovx  av 
xrjv  (xqyriv  xtjv  'tj^exsQuv  TtQOßös^ajxsvag.  Ich  möchte  das  Verhältnis  der 
Glieder  dieses  Gedankenkörpers  so  fafsen :  der  ganze  Satz  ist  d  r  e  i  f  a  c  h 
gegliedert.    Die  Beschaffenheit  der  sicilischen  Städte,   wodurch  die- 
selben dem  athenischen  Eroberungsgelüste  grofse  Schwierigkeit  mach- 
ten, wird  nemlich  in  drei  Momenten  auseinandergelegt:  l)  ihrem  äufsern 
Verhältnis  nach  werden  sie  f^syaXat  genannt,  d.  h.  die  Macht  der  Staa- 
ten für  sich  ist  beträchtlich ;  2)  ihrem  innern  Verhältnis  nach ,  was  als 
ein  festes,  in  sich  sicheres  bezeichnet  und  in  negativer  Form  seiner 
doppelten  Beziehung  nach  dargestellt  wird,   a)  als   eine  befreundete 
Gegenseitigkeit  der  einzelnen  sicilischen   Städte  untereinander,   d.  h. 
es  findet  keine  Beeinträchtigung   von  Seiten  des  einen  Staates  gegen 
die  Freiheit  des  andern  statt  (ov&  vnrjKoovg  aXX^Xcav),  b)  der  eigne 
innere  (politische)  Zustand  jedes  einzelnen  Staates  ist  so  beschaffen, 
dafs  er  sich  einer  kräftigen  Einigung  der  Bürger  erfreut,  weswegen 
nicht  zu  erwarten  ist,  dafs  eine    Partei  politisch  unzufriedener  zum 
Umsturz  bereit,  dem  äufsern  Feinde  (Athener)  in  die  Hände  arbeiten 
werde  {ovxe  öeofievag  (xexaßoXijg,  tj  av  i%  ßiaiov  xig  öovXdag  äa^ievog 


528  Thomas:  Studien  zu  Thukydides. 

ig  Qaco  fi£raara6iv  %coQottj).  An  dieses  zweite  Praedicat,  welches 
zweilheilig  negativ  durch  ovre  —  ovre  auseinandergelegt  dem  ^eya- 
Xag  gegenüber  gleichsam  die  intensive  Kraft  bezeichnet,  schliefst 
sich:  oijd'  av  xif\v  a^mv  xy\v  rjfietiQav  eixoTcog  avx  iXev&SQiag  jrpoö- 
de'^aiiivag:  logisch  haben  diese  Worte  die  Geltung  einer  negativen  Fol- 
gerung '  die  (also)  auch  nicht  unsere  llerschaft,  wie  sich  erwarten 
läfst  (fixoTwj),  bei  sich  zulafsen  werden.'  Ich  möchte  lieber  TtQOß- 
öe'^o^ivag  lesen.  Als  3.  Moment  in  der  Beschaffenheit  der  Städte,  wo- 
durch die  Eroberung  schwierig  sei,  erscheint  die  grofse  Anzahl  der- 
selben (to  t£  TtXijd-og,  cog  iv  ^la  vij6(p,  noXkag  rag  EiXrjviöag).  Diese 
letzten  Worte  TtoXkag  x.  'EH.,  über  welche  Hr.  Th,  S.  6  ff.  spricht, 
könnten  nach  Kruger  '  als  Glosseni  eingeschlichen  sein.'  3Iir  scheint 
dies  stark  hervorgehobene  Praedicat  der  Städte,  dafs  sie  gerade  hel- 
lenische sind,  darin  begründet  zu  sein,  weil  Nikias  dadurch  auf 
die  griechische  Kriegsausstattung  und  Rüstung  derselben  hinweisen 
will,  insofern  sie  dadurch  den  Athenern  mehr  im  Kampfe  gewachsen 
waren  als  bei  unvollkommener  barbarischer  Bewaffnung.  Wie  denn 
auch  diese  Seite  des  Feindes  in  dem  zunächst  folgenden  seine  weitere 
Erörterung  findet  (§.  2  nal  TcaQeöKavaß^ivat  xoig  nciaiv  o^ioioxQOTttog 
fidXiöxa  rrj  'r](i£xiQa  övva^si).  Es  liegt  mithin  meiner  Erklärung  nach 
in  diesem  xag  'EXhjviöag  nur  eine  Entgegnung  gegen  die  Behauptung 
des  Alkibiades  c.  17  §.  2  kciI  ovöelg  —  ovre  xa  txsqI  xo  Gwfia  OTcXotg 
i^rjQxvxai  ovxs  xa  iv  rrj  %(OQa  kxX.  —  Cap.  20  fin.  ZvQaxoöLOLg  öe 
Kai  ccTto  ßaQßaQcov  xivav  aTtuQp]  iöcpeQSxai,  so  die  Vulgata,  bei  wel- 
cher Arnold,  Bekker  und  Krüger  sich  beruhigen.  Hr.  Th.  stellt  die 
ursprüngliche  Lesart  her:  an  aQxV?  (psQSxai,  was  vollkommen 
unsere  Zustimmung  hat.  Der  Unterschied  zwischen  diesen  für  Ab- 
gaben feststehenden  Ausdrücken:  (fiQEiv  —  cpoQog  und  EiOcpigsiv  —  eiü- 
cpOQa:  erstere  für  Steuern  von  Bundesgenofsen,  letztere  für  die  der 
Bürger,  ist  so  sicher,  dafs  man  sich  der  Beweisstellen  enthalten  kann. 
Um  so  mehr  raufs  es  auffallen ,  dafs  man  so  lange  das  £l6(psQexac  der 
Vulgata  hier,  wo  offenbar  Abgaben  der  Bundesgenofsen  bezeichnet 
werden,  unangetastet  stehn  liefs.  an  aQpiS  erklärt  Hr.  Th.  richtig 
'von  Alters  her',  ohne  dafs  man  gerade  im  strengsten  Sinne  dabei 
'den  ersten  Beginn'  zu  denken  hat.  —  Für  weniger  nothwendig  halte 
ich  es,  wenn  S.  10  der  Vorschlag  gemacht  wird  cap.  21  §.  1  statt  eiitSQ 
ßovX6it£&a  ä'^iov  xrjg  diavolag  dgav,  wie  die  befsern  Handschriften 
geben,  zu  lesen  ä'^tov  xt  xijg  öiavoiag.  Ich  halte  diese  Conjectur  um 
so  weniger  für  nöthig,  wenn  ich  Stellen  damit  vergleiche  wie  IV,  50,  2 
£1  ovv  ßovXovxai  ßacplg  Xiystv  kxX.  —  Weit  wichtiger  ist,  was  wir 
S.  12  über  die  Worte  am  Ende  des  cap.  21  lesen.  Nikias  sagt  nemlich: 
avx6&£v  de  TtaQaOKEvrj  a^ioxQea  indvai,  {du)  yvovxag,  oxi  ^eXXoiiev 
%XeIv  noXv  XE  ano  xijg  riiiExiqag  avxcov  xal  ovk  iv  o^oim  ßxqaxEvao- 
liEvoi,  aal  OVK  iv  xoCg  rrjös  VTDjxooig  'E,vniiayoi  i^X^EXE  im  xwa.  Bis- 
her hat  man  das  zweite  nai  in  Kai  ovx  iv  xoig  xijdE  axX.  durchaus  auf 
iv  TCO  o/xot'co  (Herrn,  ad  Viger.  p.  772)  beziehn  wollen ;  Göller  und 
Krüger  wollen  aal  ai,  andere  tilgen  blofs  ovk.    Hr.  Th.  dagegen  läfst 


Thomas:  Sludicn  zu  Thiikydidcs.  529 

mit  dem  zweite»  ««/das  zweite  Satzglied  beginnen,  was  sich  an  das 
vorhergehende  Özl  anschliefst,  und  übersetzt;  *gleicli  von  hier  aus  mii- 
fsen  wir  .  .  .  abgehn,  in  Erwägung,  dafs  wir  eine  Fahrt  vorhaben  .  .  . 
und  dafs  ihr  nicht  bei  euren  Vasallen  als  Bundesgenofsen  jemanden 
angreifen  würdet,  sondern'  u.  s.  \v.  Nur  das  ^IQ-exe  kann  ich 
mir  nicht,  wie  es  aus  der  Uebersctzung  des  Hrn.  Th.  hervorzugehn 
scheint,  in  hypothetischer  Abhängigkeit  denken,  und  es  würde  auch 
sprachlich  so  nicht  gefal'st  werden  dürfen,  sondern  der  Schriftsteller 
versetzt  sich  vorgreifend  schon  in  die  Zeit  ihrer  Operationen  in  Sici- 
lien,W'0  er  dann  in  der  ersten  Person  sagen  würde:  'tjX'&o^sv.  Ich 
möchte  daher  im  Zusammenhange  mit  dem  vorhergehenden  Gedanken; 
nicht  mit  einer  mangelhaften  Ausstattung  dürfen  wir  gegen  einen  sol- 
chen Feind  zu  Felde  ziehn,  so  übersetzen:  ^sondern  gleich  von  hier 
aus  (im  Gegensatz  zu  der  fraglichen  Hilfe  ihrer  dortigen  Bundesge- 
nofsen)  müfsen  wir  mit  hinlänglicher  Ausrüstung  anrücken  (^inuvai 
nicht  'abgehn'  wie  Hr.  Th.  übersetzt),  überzeugt,  dafs  wir  eine 
Fahrt  vorhaben  weit  von  unserm  Lande  und  namentlich  zu  einem  Feld- 
zuge,  den  wir  unter  ungleichen  Verhältnissen  führen  werden,  nnd 
(bedenkend,  dafs  ihr  dann)  nicht  hier  bei  euren  unterworfenen  Bun- 
desgenofsen  einen  Angriff  gegen  jemand  machtet,  sondern  in  ein  durch- 
aus fremdes  Land'  u.  s.  w.  —  Sehr  annehmbar  ist  ferner  die  Verbefse- 
rung,  welche  S.  14  vorgeschlagen  wird,  statt  des  jedesfalls  ungefü- 
gigen (cap.  22,  2)  {Sozet  XQi)vai  'ij^ag  ay£i.v)  xov  öe  xal  avro&er' 
Gixov  iv  oXkccGi  y.xX.  zu  lesen  xav  ös  ■Kai  avx6&£v.  Dies  xav  6s  als 
partitiver  Genetiv  bezieht  sich  dann  auf  den  allgemeinen  Begriff  t« 
iTtixvjöeLa ,  der  vorhergeht  und  dessen  Unterarten  angegeben  werden. 
—  Wir  gehn  zu  cap.  31  §.  3  und  4  über,  einer  Stelle,  die  unserer 
Meinung  nach  von  dem  Verf.  S.  19,  20  ff.  vortrefflich  beleuchtet  ist. 
Um  Raum  zu  ersparen,  setzen  wir  nicht  den  ganzen  Satzcomplex  hier- 
her. Gleich  den  ersten  Worten  ovxog  öe  o  6x6kog  cog  ^Qoviog  xe  iöo- 
[lEvog  Kai  Kax  a^cpoxega  kxX.  fehlt  das  Verbum.  Meislentheils  wollen 
die  Erklärer  aus  aQ^i'j&ijöav ,  was  kurz  vorhergeht,  ein  mQ^rj&r]  er- 
gänzen ;  Krüger  und  Classen  zu  Jacobs'  Attika  S.  183  nehmen  eine 
durch  die  vielen  eingeschobenen  Participien  entstandene  Anakolulhie 
an,  so  dafs  Krüger  erst  §.  6  mit  den  Worten  nai  6  öxoXog  ■ —  nsQißo^]- 
xog  iyivExo  die  Erzählung  wieder  einlenken  läfst  in  den  regelmäfsigen 
Gang  des  Satzes.  Hr.  Th.  meint  nun  S.  20,  Thukydides  habe  entweder 
im  Sinne  gehabt  zu  schreiben  ovxog  de  o  ßxoXog  i^rjQxvd'^]  cog  XQOviog 
x£  iöofi.  ymI  'iCax  uiicpöx.  oder  der  ganze  §.  2  sei  als  Parenthese  anzu- 
sehen, so  dafs  der  Zusammenhang  nach  der  Parenthese  ungestört  fort- 
gehe. Aehnliche  Stellen,  wo  nach  einer  parenthetisch  zu  fafsenden 
Einschiebung  der  Gedanke  in  seiner  Continuierlichkeit  fortgesetzt  wird, 
sind  hei  unserm  Schriftsteller  häufig.  So  hätte  Hr.  Th.  hinweisen 
können  in  demselben  Buche  auf  cap.  69,  wo  durch  b'ficog  6e  ovk  av 
oio[ievot  —  avxETcyeöav  angeknüpft  wird  an  aTtgoööoyrixoi,  fiev  —  fer- 
ner auf  cap.  64,  1.  Auf  diese  Weise  gewinnen  wir  nun  an  unserer 
Stelle  aus  dem    vorhergehenden   TtaQaöKEvfj  yccQ  avxyj  —  iyivsxo  zu 

J\.  Ja/irb.f.  Phil,  u.  Paed.  Bd.  LXVII.   Hß.  5.  35 


530  Thomas:  Stadien  zu  Thukydides. 

vorliegenden  Worten  ovrog  öe  o  özolog  das  syivzxo  als  Verbnm.  Dazu 
gibt  Hr.  Tli.  folgende  erklärende  Uebersetzung:  ■=  Während,  ^vill  Thu- 
kyd.  sagen,  die  frühem  der  Zahl  der  Schiffe  nach  gleichen  Expedi- 
tionen nur  auf  eine  kurze  Fahrt  berechnet  und  mit  geringer  Zu- 
rüstung  versehn  waren,  geschah  hingegen  dieser  Kriegszug  mit  Rück- 
sicht auf  eine  lauge  Dauer  und  beiderseits  an  Schiffen  und  an  Mann- 
schaft wohl  ausgestaltet,  je  nachdem  man  des  einen  oder  des  andern 
(ou  av  öh])  bedurfte.'  Was  das  ov  betrifft,  so  halte  ich  es  hier  für 
Localpronomen  und  übersetze  ^  wo  vorkommenden  Falls  es  erforder- 
lich ist'  (ftVf  xar«  yriv  eus  yMzcc  Q'uXaGaav).  In  den  folgenden  Wor- 
ten wird  jetzt  von  fast  allen  Herausgebern  so  geschrieben:  xov  fisv 
ör](xo(}LOv  ÖQa^j.iTjv  .  .  .  öidovrog  aal  vavg  TraqciG'/jovxog  .  .  .  aal  VTtrj- 
QEßiag  tavratg  zag  KQatiöTag ,  tcoi'  de  rQi,)jQdQ2'^^  STCicpoQag  re  rcQog 
Tü5  £H  ö}]ixo(jiov  iiiö&cp  öiöovtcov  %rX.  Heilmann  war  es,  der  von  rich- 
tigem Sprachtakt  geleitet  zuerst  die  Verbefserung  rüv  öh  rQi7]Q. 
statt  des  frühern  tcov  tQLrjQ.  machte,  um  die  nolhwendige  Antithese 
gegen  rov  ja-sv  6i](xo6lov  zu  gewinnen.  Jetzt  ist  dies  6e  handschriftlich 
durch  Ven.  und  in  marg.  Cl.  (cf.  Poppo)  bestätigt.  Nur  Arnold  und, 
wie  Hr.  Tb.  hätte  hinzufügen  können,  Bekker  edit.  stereot.  alt.  hallen 
an  der  frühern  Lesart  fest.  Es  ist  wohl  nicht  zu  rechtfertigen,  wenn 
man  jetzt  die  handschriftlich  begründete  Heilmanusche  Lesart  wieder 
aufgibt,  zumal  da  das  di  unserer  Ansicht  nach  wegen  des  Verhält- 
nisses der  beiden  Begrilfe  (rov  ^sv  ötj^oöIov  dtöovrog:  tcov  öe 
xqiy]Qa.Qiav  diöövxfov)  in  diesem  Satze  durchaus  nothwendig  ist.  Hr. 
Th.  unterwirft  S.  21  ff.  gegen  Arnold  die  Lesart  nochmals  einer  ge 
nauen  Prüfung  mit  Bezug  auf  die  schon  von  Arnold  angeführten  Stel- 
len II,  70,  2.  III,  46,  2.  IV,  69,  3  und  V,  71,  l,  durch  welche  dieser 
Gelehrte  es  zu  rechtfertigen  suchte,  dafs  auch  hier  dem  ^ev  in  der 
Protasis  ein  xe  (inLcpoqag  xe)  in  der  Apodosis  entsprechen  könne.  Wir 
vermifsen  hier,  wo  Ilr.  Th.  die  von  der  seinigen  abweichenden  Er- 
klärungsversuche anderer  Gelehrten  heranzieht,  die  Erwähnung  Clas- 
sens  zu  Attika  S.  183,  da  doch  derselbe  abweichend  von  Arnold  den 
Gegensatz  zu  xov  ^sv  ömioolov  beginnen  läfst  mit  xki  vnriqEGiag.  Wir 
müfsen  es  uns  hier  versagen,  der  guten  Diatribe,  welche  der  Verf. 
über  ^hv — xe  anstellt,  referierend  und  ergänzend  zu  folgen,  wollen 
es  aber  nicht  unterlafsen  unsere  Zustimmung  wenigstens  auszusprechen. 
Auch  wenn  das  xav  öl  xQLt]Q.  noch  jetzt  auf  blofser  Vermuthung  be- 
ruhte, so  würde  ich  es  unbedenklich  doch  aufnehmen,  so  sehr  herscht 
durch  den  ganzen  Satz  hindurch  die  antithetische  Form 'zwischen  den 
beiden  Factoren,  wo  von  Flottenausrüstung  die  Rede  ist:  Staat  und 
Trierarch.  Es  finden  sich  viele  Stellen,  wo  ein  t£,  welches  auf  fiev 
folgt,  unbedenklich  in  ös  verändert  werden  mufs,  vorausgesetzt  dafs 
die  Stellung  der  Begrilfe  gegeneinander  nur  eben  antithetisch  ge- 
dacht werden  kann.  Krüger  hat  daher  vollkommen  Recht,  Thuk.  IV, 
32,  2  xo'E,6xaL  ö  e  zu  schreiben.  Allein  was  Arnold  hauptsächlich  be- 
stimmte bei  der  alten  Lesart  zu  bleiben,  war,  weil  er  meinte,  vTfij- 
QEöiag  rag  HQaxiorag  könnte   nur  als  von  den  Trierarchen  her- 


Thomas:  Studien  zu  Tliukydidcs.  531 

beigeschafFt  an  unserer  Stelle  gedacht  werden,  welclie  aus  Wetteifer 
'jeder  die  besten  Schillsleule  zu  erlialleu  beuiiilit  gewesen  \\ären.' 
So  sieht  auch  Classen  die  Sache  an  a.  a.  0.  S.  J84.  Es  kommt  also 
hier  darauf  an  zu  bestimmen,  was  für  Tluik.  • —  denn  bei  Demosthenes 
ist  der  ßegrilT  schwankend  —  die  vTtrjQsaiai  (nicht  vTceQiialat,  Avie  ir- 
thümlich  S.  25  unten  gedruckt  ist)  sind.  Hr.  Th.  gibt  uns  eine  ebenso 
gründliche  als  lichtvolle  Auseinandersetzung  über  die  Bemannung  einer 
Triere,  S.  26 — 30.  Demnach  werden  fulgeude  Classen  von  Schiffs- 
leuten  unterschieden:  1)  Seesoldaten,  iTtcßarca,  2)  Ruderer,  vavrai^ 
igirai,  üconijXdtai. ,  3)  Malrosen  oder  Seeleute  (im  engern  Sinne) 
VTtijQnat  —  V7f ijQiölaL  —  naufae.  Zu  diesen  gehört  der  nvßeQvijrrjg, 
der  iieX8v6tr]g  u.  a.  Als  Collectivum  würde  vn)]QEaCca  den  'Inbegriff  der 
eigentlichen  Schiffsmannschaft,  der  wirklichen  Seeleute'  bedeuten. 
Dafs  man  sich  bei  vTtijQSöta  an  unserer  Stelle  nicht  mit  Göller  und 
Poppo  'Dienstleute  der  Matrosen'  denken  kann,  dazu  zwingt  schon 
der  Umstand,  dafs  ihnen  ebenso  wie  rolg  'Q'QavLTCiig  rcZv  vavrtav  Zu- 
lage an  Lohn  von  den  Trierarchen  gegeben  wurde.  Ebenso  wenig  kann 
man  mit  Krüger  darunter  'die  übrige  lUidermannschaft'  verstehn,  da 
ja  die  VTOjQSöiai  durch  den  Ausdruck  rotg  Q-Qavlxcag  xcov  vavrav  xal 
xaig  vTtijQSöLaig  genau  von  den  Ruderern,  deren  erste  und  vorzüglich- 
ste Classe  die  •d-gavirai,  waren,  als  gesondert  gedacht  erscheinen. 
Kurz:  es  waren  Leute  vom  Staate  zu  nicht  unwichtigen  Diensten,  z.  B. 
als  Aufseher  über  das  Rudervolk,  dem  Trierarchen  gestellt.  Daher 
erwähnt  Thuk.  einmal  die  Sorgfalt  des  Staates  tüchtige  Leute  (ynjjQeaiag 
zag  ngariörag)  herheizaschsWcn  ^  und  dann  die  besondere  Beachtung 
derselben  von  Seiten  der  Trierarchen,  welche  ihnen  nebst  den  -d-QU- 
vuaig  Zulage  an  Lohn  gaben.  —  Anstöfsig  ist  die  Verbindung  des 
rlg  exaGrog  in  dem  Satze  cap.  31  §  4:  co  rtg  enaörog  7CQ06ezai'Q"r}. 
Krüger  hält  das  äyMözog  für  Glossem,  weil  er  mit  Recht  sagt,  erkenne 
wohl  e'xaarog  rtg,  aber  nicht  rlg  exaörog.  Hr.  Th.  schlägt  vor  zu 
schreiben  a  elg  aKccörog  nQoßexayß'i].  Zu  den  Stellen,  welche  der  Verf. 
anführt,  um  diese  dem  Thuk.  geläufige  Ausdrucksweise  zu  belegen, 
will  ich  nur  hinzufügen  VIH,  89  fin.,  welche  der  gegenwärtigen  ganz 
entspricht;  rjyavL'^aro  ovv  slg  eKaöxog  cwxog  TTQoixog  nqooxaxyjg  xov 
ÖTj^iov  yEveG'öai.  — ■  §.  6  kccI  o  Gxolog  ovi  rjGGov  xoX^rjg  xs  ^a^ßsi, 
%a.l  o'ipecog  XafjLTtQoxTjXi.  TCSQißoijxog  iyivexo  'rj  GxQaxicig  TiQog  ovg  in^E- 
GCiv  VTCEQßolr]  aal  oxl  ^iyLGxog  ijöi]  öidnXovg  ano  xfjg  OLKEcag  aal  inl 
^EylGxt]  ilnlöi.  tcov  ^eUcvxcov  TtQog  xa  VTtagy^ovxci  ETtE^iELQTi^)]  über- 
setzt Hr.  Tb.:  'und  fürwahr  diese  Flotte  wurde  nicht  minder  durch  die 
Kühnheit  des  Wagnisses  und  die  Pracht  des  Anblicks  weithin  geprie- 
sen als  durch  die  Ueberlegenheit  der  Streitkräftemassen  derer,  wel- 
chen der  Angriff  galt.'  Ref.  weicht  von  dieser  Erklärung  ab.  Statt 
GxqaxLcig  lese  ich  GxQuxEiag  und  fürchte  nicht,  dafs  man  mir  diese  Cor- 
rectur  als  eine  grofse  Willkür  verargen  wird,  wenn  man  bedenkt,  wie 
häufig  gerade  bei  Thuk.  da,  wo  der  Begriff  des  Abstractums  (gxqu- 
TEici)  unerläfslich  ist,  die  Handschriften   doch  das  Concretum  GxqatLa 

35* 


532  Thomas:  Studien  zu  Tliukydides. 

und  umgekehrt  bieten.    Ferner  fafse  ich    die  Worte    unl  ori  niyiGrog 
'tjd}j  dianlovg  aito  rrjg  OLKslag  Kai  inl  ^syiöri]  eXTTiöt  kxX.  nur  als  Ep- 
exegesis  des  einen   BegrilTs,  der  durch  den  Worlcomplex  GrQareiag 
TtQog  ovg  STCyeaav  vTtSQßohj  ausgedrückt  ist.  Daher  libersetze  ich :  '  und 
diese  Rüstung  wurde  nicht  weniger  durch  das  stauncnswerthe  des  Wag- 
nisses und  durch  den  Glanz  des  Anblicks  weit  gerühmt  als  wegen  des 
aufserordentlichen  der  Unternehmung  gegen  wen  sie  zogen,  einestheils 
weil  sie  ja  (i'jöi],  lieber  möchte  ich  mit  ßekker  6rj)  als  die  gröfste  Fahrt 
vom  Heimatlande,  anderntheils  um  die  Verwirklichung  der  gröfsten  Hoff- 
nung auf  künftige  Stacht  im  Vergleich  zu  der  gegenwärtigen  unternom- 
men wurde';  GtQareLag  VTTSQßoh]  ist  'der  aufserordenlliche,  die  frü- 
hern überbietende  Kriegszug.'    Diese   GTQaretag  vnsQßoXiq  erhält  ihre 
nähere  Bestimmung  durch  noog  ovg  imnsßav.  II,  45  nal  aoXig  av  >ca^^'' 
vneQpo kyiv  aqexrig  ^"^X  ofioiOL  aX/,   oXiyto  leiqovg  XQL&eu^re,  et  vix 
singulart,  eximia  virtute  vestra  id  assequi  poteritis,  ut  non  dico  Ulis 
pares  sed  ut  paulo  inferiores   indicemini.    —    Cap.  33  §.  6  geben 
die  besten  Hdschr.  nraicoaiv,  andere  den  Aor.  ntaicoaGiv.    Es  ist  ganz 
richtig,  dafs  Hr.  Tb.  auf  die  Verbindung   dieses   TtralcoGiv  mit   dem 
Verbum  des  Hauptsatzes  v.axaXsLTtovGiv  hinweist;  daher  müfsen  beide 
Verba  sich  im  gleichen  Tempus  entsprechen.  —   Cap.  34,  4  ist  nicht 
n£Qt  tri  ÜL^iXia  zu  ändern  in  mql  xi\g  21i%i.Xicig^  wozu  selbst  Krüger 
geneigt  ist  wegen  des  folgenden  7^  (tte^I)  tot;  iv.üvovg  nsQai.cad'ijvat 
KxX.    Der  Unterschied ,  den  Hr.  Th.  S.  42  ff.  angibt  zwischen  TtSQi  xi- 
vog  iGxai  0  aycov  y  wodurch  einfach  (allgemeiner)  der  Gegenstand  des 
Kampfes,  und  neQi  xtvi^  wobei  der  Gegenstand  zugleich  als   Preis  des 
Kampfes  gedacht  wird,  ist  nicht  anzuzweifeln  und  gar  kein  genügen- 
der Grund,  diese  hier  so   sehr  sich  durch  die  genaue  Unterscheidung 
empfehlende   Ausdrucksweise   dem  Thuk.  abzusprechen.     S.  44   wird 
dem  Leser  nicht  sogleich  klar,  was   der  Verf.   eigentlich  sagen  will. 
Er  AvoUte  wohl  sagen:  man  kann  auch  —  ohne  die  Praeposition  ttsql 
nochmals  zu  denken  —  das  xov  EKeivovg  TTSQaLa&ijvat   als  objectiven 
Genetiv  fafsen,  der  sich  in  echt  griechischer  Weise  unmittelbar  an  das 
0  ayciv  anschliefst  und  mit  demselben  eine  Verbindung  gleichsam  zu 
einem  Begriff  eingeht.  —    Die  von  Hrn.  Th.  S.  48  versuchte  Verbefse- 
rung   der   Stelle   in  der   Rede   des   Athenagoras  cap.  39,  2  und  40,  1 
möchte  wohl  nicht  unbedingte  Billigung  finden  dürfen;   dafs  ein  Ver- 
derbnis darin  steckt,  ist  auch  des  Ref.  Ansicht.  ■ —  Doch  wir  brechen 
hier  ab  und  glauben,  dafs  der  geehrte  Hr.  Verf.  schon  aus  dem  bisher 
gesagten  erkannt  hat ,  dafs  wir  seinen  Untersuchungen  mit  dem  Inter- 
esse gefolgt  sind,  welches  jede  gründliche  Forschung  verdient;  und 
ich  spreche  es  gern  aus,  dafs  ich  in  Hrn.  Thomas  einen  3Iann  erkenne, 
der  seinen   Thukydides  versteht!     Mit  besonderm  Interesse  habe  ich 
aus  zwei  gelegentlichen  Aeufserungen  (S.34  und  36)  geschlofsen,  dafs 
wir  in  der  Ansicht  über  die  Reden  im  Thukyd.  übereinzustimmen  schei- 
nen;  S.  34  heifst  es  nemlich  in  Bezug  auf  die  Reden  des  Hermokrates 
und  Athenagoras:    'sie   (die   Reden)    zeigen    uns,   dafs  auch  sie  ein 


Paedagogischer  Turnunterricht.  533 

k  uns  tgemäfs  es  Erzeugnis  des  Urhebers  sind';  dann  S.  36: 
'die  Wirkung  dieser  geliallenen  oder  vielmehr  in  diesem  Geiste  nach- 
gedachten Rede  ist  verschiedener  Art.' 

Eutin.  Ernst  Hausdörffer. 


Paedagogischer  Turiuinteniclit  mit  BczAig  auf  die  Spiesssche 
Melliode  und  das  Liiigsche  System. 


1)  Zur  paedagogischen  Gymnastik.  Von  dem  Gymnasiallehrer  Hein- 

rich Bigge.     Coblenz  1851.     24  S.  4. 

2)  Das  Schldturnefl  nach  Spiess.   Neuntes   Programm  der  Vorschule 

und   höhern   Bürgerschule    zu  Oldenburg  von  Fr.  Breier,    Rector. 
Oldenburg  1852.  W.  Berndt.     29  S.  gr.  8. 

3)  Die  gymnastischen  Freiübungen  nach  dem  System  P.  H.  Lings 

dargestellt    von    Hugo  Rothstein.     Mit    54   erläuternden   Figuren. 

Berlin  1853.  Schröder,     127  S.  8. 

Nachdem  sich  die  Programnilifteratur  in  den  dreifsiger  und  vier- 
ziger Jahren  auch  über  den  Turnunterricht  erstreckte,  und  die  Ab- 
handlungen von  Strafs,  Olawsky,  Simon,  Tägli  chsb  e  c  k, 
Walther,  Freier  u.  a.  für  die  Einführung  geregelter  Leibesübun- 
gen bei  den  Gelehrtenschulen  von  Bedeutung  waren ,  so  ist  gegenwär- 
tig diese  Angelegenheit  schon  in  ein  anderes  Stadium  getreten,  indem 
man  weniger  die  Würde  und  die  Bedeutung  der  Gymnastik  ins  rechte 
Licht  zu  setzen  bemüht  ist,  als  vielmehr  den  paedagogischen  Gesichts- 
punkt derselben  scharf  zu  fal'sen  und  die  rechte  Turnunterrichts -Me- 
thode zu  ermitteln  strebt.  Es  soll  damit  keineswegs  gesagt  sein,  als 
wäre  es  jetzt  schon  überflüfsig  geworden  ,  auf  die  Nolhwendigkeit 
einer  allgemeinen  Einführung  der  Gymnastik  bei  den  Gymnasien  hin- 
zuweisen, da  ein  Blick  auf  die  Unterrichtspläne  derselben  uns  bald 
zeigen  kann,  wie  noch  bei  vielen  deutschen  Gelehrtenschulen  trotz  der 
fast  von  Jahr  zu  Jahr  gesteigerten  Forderungen  an  die  geistige  Aus- 
bildung keineswegs  auch  der  leiblichen  Bildung  und  Kräftigung  durch 
ein  so  einfaches  und  bewährtes  Mittel  Vorschub  geleistet  worden  ist. 
Dennoch  ist  im  allgemeinen  schon  viel  geschehn,  so  weit  es  sich 
um  die  quantitativen  Verhältnisse  des  Schulturnwescns  handelt.  Nicht 
so  befriedigend  sind  die  qualitativen  Verhältnisse  jenes  Unterrichts- 
zweiges, da  sich  immer  mehr  Stimmen  vernehmen  lafsen,  welche 
über  die  seitherige  Betreibung  des  Turnens  bei  den  Schulen  den  Stab 
brechen  und  das  alte  Turnsystem  als  ungenügend  und  unhaltbar  er- 
kennen und  darum  verwerfen.  An  namhaften  Gelehrlenschulen  hat  man 
es  mit  dem  Turnen  auf  verschiedene  Weise  angefangen,  um  es  seiner 
Bedeutung  näher  zu  führen.  Die  Resultate  waren  jedoch  nicht  erheb- 
lich, wie  dies  durch  die  Urtheile  gewiegter  Schulmänner,  z.  B.  Schei- 
berts.  Breiers  u.  a.  bestätigt  wird.  Namentlich  liefert  die  gehalt- 
reiche Schrift:  'Das  Turnen  mit  besonderer  Beziehung  auf  Meklenburg. 


534  Paedagogischer  Tunuiiiterricht. 

Von  Dr.  H.  Timm,  Collaborator  am  Gymnasium  zu  Parchim.  Neustre- 
litz  1848'  eben  so  zahlreiche  als  schlagende  Beweise  von  der  Unzu- 
länglichkeit   derjenigen    Turneinrichlungen ,    die    vorzugsweise    von 
Preusscn  aus  im   Sinne   der  alten  Jahnschcn  Schule  festgehalten  wur- 
den.   Preussens  Beispiel  und  Eintlufs  tritt  in  der  Geschichte  des  deut- 
schen Turnwesens  zu  verschiedenen  Malen  als  von  grofser  Bedeutung 
in  den  Vordergrund.      So  war  es  auch  der  allgemeineren  Verbreitung 
des  Turnens  überaus  förderlich,  dafs  Preussen  im  J,   1843  in  dieser 
Angelegenheit  von  neuem  wieder  richtig  voranschritt.    Es  ist  bekannt, 
wie  die  preuss.  Regierung  einen  berühmten  Gelehrten,   der  dem  Tur- 
nen immer  nahe  gestanden,  lediglich  für  Leitung  des  Turnwesens  nach 
Berlin  berief,  um  die  Verbreitung  der  Gymnastik  als  ein  wesentliches 
•Bildungselement  bei  allen  preussischen  Schulen  zu  fördern.    Die  vom 
preuss.   Unterrichtsministerium  unterm   7.  Febr.  1844  erlafsenen  aus- 
führlichen Verfügungen  enthielten  die  wirksamsten  Bestimmungen,  wel- 
che dem  Turnen  seine  bedeutungsvolle  Stellung  im  ganzen  Erziehungs- 
plane der  öffentlichen  Schulen  zu  sichern  im  Stande  waren.    Hr.  Prof. 
Mafsmann  bereiste  in  der  Folge  einzelne  preussische  Provinzen  im 
Interesse  der    Turnanstallen ,   veröffentlichte  auch  einige  das  Turnen 
betreffende  litterarische  Arbeiten ,  ohne  dafs  jedoch   sein  anregender 
und  entscheidender  Einllufs  bei  Forlentwicklung  dieser  Angelegenheit 
bemerkbar  gewesen  wäre.  Alle  preussischen  Gymnasien  und  Realschu- 
len hatten  ihre  Turnplätze  erhalten,  die  an  den  Nachmittagen  Mittwochs 
und  Sonnabends  von  sämmtlicben  Schülern  besucht  wurden,    um  hier 
unter  der  Leitung  eines  dafür  gewonnenen  und  besonders  honorierten 
Lehrers  das  von   L.  Jahn  im  .1.   1811  begonnene  Werk  wo  möglich 
ganz  genau   nach  der  überlieferten   Weise  forttreiben  zu  lafsen.    So 
waren  seit  Dr.  Mafsmanns  Berufung  zehn  Jahre  verflofsen ,  als  der  Un- 
terrichtsminister Hr.  v.    Raum  er  unterm  18.  Aug.  1851  eine  weitere 
Verfügung  erliefs,   Monach  die  unter  Prof.  Mafsmann    stehende   Bil- 
dungsanstalt für  Turnlehrer    aufgelöst    und   dafür  eine  neue  (in   der 
Kirschallee  zu  Berlin  im  grofsen  Mafsstabe  für  25000  Thlr.  hergerich- 
tete) eröffnet  wurde.    Die  gedachte  Ministerialverordnung  spricht  sich 
unter  anderm  dahin  aus:  ^Die  Gymnastik  soll  aus  dem  von  ihr  bis  da- 
hin innegehaltenen   Stadium  einer  mehr  oder  weniger  isoliert  stehen- 
den Uebung  der  Körperkräfte  heraustreten,   und  unter  angemefsener 
Berücksichtigung  des  Lingschßn  Systems   auf  rationellem  Wege  be- 
trieben und  für  das  Gesammtgebiet  der  Erziehung  der  männlichen  Ju- 
gend fruchtbarer  zu   machen  gesucht  werden.'     Hier   wird   also 
auch  amtlich  ausgesprochen,  dafs  der  bis  dahin  gebräuchliche  Turn- 
unterricht der  erzieherischen  Fruchtbarkeit  ermangelt  habe.    Die  grö- 
fsere  Fruchtbarkeit  des  Lingschen  Systems,  auf  das  wir  unten  zurück- 
kommen, wird  sich  nun  zu  erweisen  haben.    Hoffentlich  wird  darüber 
nicht  wieder  ein  volles  Decennium   verstreichen  und  die  Zeit  des  Ex- 
perimenlierens  mit  dem  Turnen  zu  Nutz  und  Frommen  unserer  Jugend 
bald  ihr  Ende   erreicht  haben.     Die  neuesten  Erscheinungen  auf  dem 
Gebiete  dieses  Erziehungszweiges  berechtigen  zu  dieser  Hoffnung. 


Paedagogischer  Turnunterricht.  53') 

Wenn  die  alle  Berliner  Turnsclmle  in  Preussen  neuerdings  wie- 
der ein  Deceiiniiini  Iiindurcli  zur    Geiüiii«?   kam   und  in  angedeuteter 
>^'eise  nicht  hciriedigte,  so  niui's  das  füglich  Wunder  nehmen,  da  es 
ihren  Vertretern,  z.  15.  dem  Prof.  iMalsiiiann,  heim  Turnen  vor  allem  auf 
volle  erzieherische  liandhahuug    der  Sache  angekommen  ist. 
Man  \vird  auch  nicht  >\egleugneu  köiuicu,  dai's  die  im  Sinne  Jahns  um 
das  Jahr  löi8  errichteten  Turnauslallen  Erziehungsanstalten  im 
vollsten  Umfange  gewesen  sind  und  viel  Segen  gestiftet  haben.    K.  v. 
Raum  er  in  seiner  Gesch.  der  Paedagogik  charakterisiert  den  Berliner 
Turnplatz  in  folgender  \>'eise:    '  ^\  er   damals  an  den  Schranken  jenes 
ersten   Turnplatzes    in  der  Hasenhaide   hei  Berlin  dem  regen  Treiben 
der  dort   vereinigten  Jugend,  den  eifrigen  Uehungen  und  Gesängen, 
dem  eigenlhilmlichen  kräftigen   und   traulichen   NN  alten  ihres  Lehrers 
und   Meisters,  mitten   unter   ihnen   zusah,    muste  sich  wohl  gestehn, 
dafs  eine  sol  che  Er  s  ch  ein  ung  auf  dem  Gebiete  der  Pae- 
dagogik noch  nicht  dagewesen  war',  und  gewis   verdienten 
solche  Anerkennung  auch  alle  nach  dem  Muster  der  Berliner  gebildeten 
Turnschulen.     >Yarum  genügten   nun  die  Turneinrichtungen  im  allen 
Stile  in  den  vierziger  Jahren  nicht  mehr?  Man  kann  kurz  darauf  ant- 
worten: weil  man  bei  der  ^^'iedereinführung  des  Turnens  1843  zu  starr 
an  der  Aulfafsungsweise  von  1811  festhielt.     Prof.  Jlafsmann  sagte  bei 
seiner  Ankunft  in  Berlin:  'wir  fangen  da  wieder  an,  wo  wir  das  Tur- 
nen  im  J.    1819  gelafsen',  und   das  wäre  für  den  Forlgang  oder  viel- 
mehr Slillsland  der  Sache  sehr  bezeichnend.    Man  kann  es  denen  nicht 
verargen,  welche  Zeugen  des  ersten  Aufblühens  des  Turnens  und  Ge- 
nofsen  jener  ersten  herlichen  Turngemeinschafl  gewesen  waren,  wenn 
sie  noch  heute  in  jugendliclier   Begeisterung  für  das  erlebte  schwär- 
men und  es  mit  achf'irigswerther  Pietät  auch  gern  wieder  neu  gestal- 
ten möchten.     Dafs  jedoch  in  dieser  A^  eise  dem  Tuinen  selbst  keines- 
wegs gedient  war,  wenn  es  seine  Mission  als  Erziehungs-  und  Unler- 
richlsangelegenheit  erfüllen  sollte,   hat  uns  seine  neueste  Geschichte 
unzweifelhaft  dargelegt.    Die  deutsche  Turnkunst  hatte  bei  ihrem  er- 
sten Auftreten  hinsichtlich  ihrer  Zwecke  bekanntlich  etwas  sehr  hoch 
gegrilTeo   und  war  auch  in  ihren  3Iitteln  viel  zu  wenig  begrenzt  und  , 
weiter  durchgebildet  worden.     Diese  Mängel  traten  in  den  vierziger   \ 
Jahren  viel  deutlicher  hervor  als  damals,  wo  der  alte  Berliner  Turn- 
platz unter   einer  so  ganz   vorzüglich  geeigneten  Persönlichkeit  wie 
Ludw  ig  Jahn  mit  seinen  tüchtigen  Gehilfen  unter   dem  treibenden 
Einllufse  aufserordentlicher  Zeitverhältnisse  vortreffliches  leistete  und 
mit  dem  Turnen  nach  allen  Seiten  hin  befriedigte.     Die  Turnanstalten 
genügten  schon  weniger  oder  gar  nicht,  wo  jene  Praemissen  wegfie- 
len.   Es  half  dann  nichts,  wenn  man  die  Berliner  Einrichtungen  bis 
ins  Detail  copierle ;   die  ganze  Organisafion  dieser  Turnanstalten  war 
auch  mehr  für  die  Vereine  erwachsener  geeignet  als  für  einen  Schul- 
verband. 

Das  Hinausziehn  einer  ganzen  Schulgemeinde  nach  dem  grund- 
sätzlich möglichst  weit  von   der   Stadt   und   der   Schule   angelegten 


536  Paedagogisclier  Turnunterricht. 

Turnplatze,  das  Umhertummeln  von  Schülern  aller  Alters-  und  Bil- 
dungsstufen, konnte  wederden  turnerischen  noch  den  erzieherischen 
Anforderung-en  genügen ,  so  dafs  Lehrer  und  Schüler  auf  die  Dauer  in 
solchem  Treiben  keine  Befriedigung  fanden.  Dem  Sitz-  und  Stuben- 
leben gegenüber  sollten  diese  Leibesübungen  ausdrücklich  in  Gottes 
freier  Natur  getrieben  werden  und  mit  erheiternden  Turnspielen 
abwechseln.  Naturleben  und  Turnen  sind  jedoch  zwei  verschiedene 
Dinge,  die  allerdings  beide  von  der  Schulerziehung  gleiche  Berück- 
sichtigung verdienen.  Machte  man  sie  beide  auf  einmal  zum  Zweck, 
so  wurde  in  der  That  nur  eins  auf  Kosten  des  andern  oder  auch  gar 
keins  erreicht.  Die  Erfahrung  hat  auch  gezeigt,  dafs  das  Turnen  da- 
bei immer  den  kürzern  gezogen  hat.  Was  die  eigentlichen  Turnübun- 
gen anlangt,  so  brachte  die  Berliner  Schule  auch  bei  ihrer  Restaura- 
tion 1840  nur  das  alte,  während  eine  Weiterführung  der  Turnmethode 
und  eine  wifsenschaftliche  Behandlung  des  Turnunterrichfsstoffes  sich 
als  dringendes  Bedürfnis  geltend  machten.  Man  halte  noch  denselben 
Kreis  von  Uebnngen ,  für  welche  man  nur  Namen  aber  keine  Gründe 
wüste,  weil  weder  Ausgangspunkt  noch  3Iiltel-  und  Zielpunkt  klar 
hingestellt  waren.  Der  nächstliegende  Zweck  des  Turnens:  ^plan- 
mäfsige  Aus-  und  Durchbildung  der  Bewegungsanlagen  und  Kräfte  des 
Leibes  in  den  durch  seine  Organisation  und  seine  Gesundheilsver- 
hältnisse gezogenen  Grenzen'  wurde  gar  nicht  selten  als  eine  pedan- 
tische Einengung  der  frischen  und  freien  Turnkunst  übersehn,  so 
dafs  die  ausgezeichneten  Leistungen  excellenter  Turner  auch  beim 
Turnunterrichte  das  einfache  und  wirklich  bildende  verdrängten. 
Nicht  mit  Unrecht  machte  man  der  Berliner  Schule  den  Vorwurf,  dafs 
auf  ihren  Turnplätzen  das  complicierte,  das  häfsliche  und  unnütze 
dominiere,  während  doch  das  einfache,  das  nützliche  und  schöne  vor- 
hersehen müfse.  In  diesem  Sinne  ist  die  sogenannte  alte  Berliner 
Turnschule  neuerdings  durch  andere  Bestrebungen  vollständig  über- 
holt worden.  Schon  im  J.  1843  war  in  Deutschland  durch  A.  Spiefs 
ein  vollständig  neues  Turnsyslem  begründet,  welches  den  veralteten 
Standpunkt  mit  einem  neuen  und  höheren  vertauscht  hatte.  Spiefs"" 
Bestrebungen  für  eine  mit  dem  ganzen  Erziehungs-  und  Bildungsgange 
des  vollen  Schullebens  im  Einklang  stehende  turnerische  Erziehung 
liegen  litterarisch  in  seiner  ^Turnlehre.  4  Bände'  und  in  seinem  'Turn- 
buch für  Schulen.  2  Bde. '  schon  seit  Jahren  vor.  Aus  der  Jahnschen 
Schule  hervorgegangen  hat  Spiefs  doch  die  weit  greifenden  Zwecke 
und  Ideen  Jahns  getrennt  von  der  so  sehr  nöthigen  systematischen 
Durchbildung  des  Turnunterrichts,  so  dafs  es  ihm  nach  jahrelangem 
Streben  recht  wohl  gelungen  ist,  ''aus  dem  Turnen,  das  sich  seither 
meist  nur  nolhdürftig  als  ein  äufserlicher  Anhang  bei  den  Schulen 
erhielt,  ein  wirkliches  Schulturnen  zu  gestalten.'  Was  die  Eigen- 
thümlichkeit  der  Spiefsschen  Unterrichtsmethode  betrilTt,  so  können 
wir  uns  hier  auf  den  trefflichen  Aufsatz  dos  Hrn.  Rector  Brei  er  in 
diesen  NJahrb.  LXIV  S.  391 — 404  beziehen,  der  davon  eine  sorgfäl- 
tige Charakteristik  entwirft.   Es  mögen  hier  noch  einige  Notizen  über 


Paedagogischer  Turnunterricht.  537 

die  Organisation  dos  Turnwesens  in  Darms  ladt  folgen,  wie  sie 
Sp.  dort  in  seiner  Slclhing  als  Assessor  für  Tiunangelctfenlieiten  bei 
iler  Oberstudiendireclion  praktisch  dnrchgefiihrl  lial.  Diese  seil  dem 
Sommer  18ö2  ins  Lehen  getretenen  Hinrichtungen  tragen  saniml  dem 
Unterrichte  das  Gepräge  der  Eigenliiümlichkeit  an  sich  und  können 
durchweg  als  normale  bezeichnet  werden.  Es  dürfte  auch  kaum 
zu  viel  gesagt  sein,  wenn  man  die  FCrölfnung  der  Darmstädler  Turn- 
anstall  als  eine  Epoche  in  der  Geschichte  unseres  deutschen  Erzie- 
hungs-  und  Schulturnwescns  bezeichnet,  wie  uns  iiberhaui)t  die  Spiefs-  4^ 
sehe  Turnweise  als  die  für  unsere  Schulen  alier  Kategorien  a  Hein  J  'V 
brauchbare  erscheint. 

Es  kommt  beim  Schulturnen  gar  viel  auch  auf  die  äufseren 
Einrichtungen  an,  die  beim  Spiefsschen  Turnsystem  wesentlich  von 
den  seitherigen  abweichen.  Schon  darin,  dafs  die  neuerbaute  Central- 
lurnanslalt  in  Darmstadt  nicht  weit  weg  von  der  Stadt,  sondern  ganz 
in  der  Nähe  der  Hauptschulen  eingerichtet  ist,  liegt  ein  nicht  unwe- 
sentlicher Vorzug,  da  die  Schüler  zwischen  oder  nach  den  sonstigen  >y)/ 
Schulstunden  ohne  viel  Zeitverlust  dem  Bedürfnisse  der  leiblichen  >' 
Bewegung  genügen  können.  Während  die  alle  Berliner  Schule  dafür 
die  ganzen  freien  Nachmittage  Mittwochs  und  Sonnabends  in  Beschlag 
nahm,  so  haben  in  Darmsladt  die  Turnstunden  ihre  zweckmäfsige  Ein- 
ordnung an  den  vollen  Schul-  und  Arbeitstagen  gefunden,  während 
an  jenen  Nachmittagen  auch  die  Turnanstalt  ihre  Thätigkeit  einstellt. 
Die  Turnstunden  sind  auch  olTenbar  an  den  vollen  Schultagen  ange- 
mefsener,  und  es  ist  gar  nicht  räthlich,  der  Jugend  den  Theil  der 
Zeit  zu  schmälern ,  der  ihr  noch  zu  freier-Verwendung  nach  persön-  "  [y 
lieber  Neigung  und  Ordnung  des  Familienlebens  übrig  bleibt. 

Sehr  wesentlicii  ist  sodann  die  Einrichtung  des  Turnhauses.  Eine 
Turnanslalt  wäre  immer  zu  beklagen ,  wenn  sie  keinen  freien  Platz 
hätte,  auf  dem  die  Schüler  in  der  schönen  Jahreszeit  ihr  lustiges  Spiel 
treiben  könnten.  Ohne  ein  geeignetes  Turnhaus  dürfte  aber  der  regel- 
mäfsige  Unterricht  stets  von  Wilterungsverhältnissen  so  abhängig  sein, 
dafs  durch  Unregelmäfsigkeit  seine  Resultate  stets  zweifelhaft  bleiben 
würden.  Das  Darmstädter  Turnhaus  unterscheidet  sich  von  den  seit- 
her beliebten  aber  unzweckmäfsigen  Turnhallen  dadurch,  dafs  es  einen 
heizbaren,  mit  Doppeldielcn  belegten  und  100  F.  langen,  64  F.  liefen, 
16  F.  hohen  Saal  enthält,  der  durch  eine  verschiebbare  Dielenwand 
in  zwei  gleich  grofse  Säle  geschieden  werden  kann.  Jeder  dieser 
Säle  bietet  hinreichenden  Raum,  um  für  Schulclassen  von  50 — 60  Schü- 
lern zu  Ordnungs-  und  Freiübungen  die  freieste  Bewegung  zuzulafsen. 
An  der  schmalen  Seite  beider  Säle  sind  die  nett  hergerichleten  und 
sauber  polierten  Turngerälhe  angebracht  und  so  eingericiilet,  dafs 
auch  hier  eine  grofse  Zahl  von  Schülern  zu  gleicher  Zeit  beschäfligt 
werden  kann.  Diese  ganze  Einrichtung  entspricht  der  Forderung  des 
Hrn.  Spiefs:  ^dafs  eine  volle  Schulclasse  unausgesetzt  und  gleichzeitig 
von  einem  Lehrer  sowohl  in  den  Freiübungen  als  auch  in  den  Uebun- 
gen  an  Geräthen  zu  unterweisen  sei.'     Es  verlangt  die  Spiefssche 


538  Paedagogischer  Turnunterricht. 

Turnvveise  für  die  Turnstunde  die  Schüler  einer  Schuiclasse,  weil 
diese  auf  gleicher  Stufe  geistiger  Ausbildung  stehn  und  hier  nicht 
blofs  gleiche  Körperbewegung,  sondern  ebenso  auch  gleiche  Geistes- 
thätigkeit,  Aufmerksamkeit,  Nachdenken,  schnelles  AulTafsen,  über- 
haupt innere  Betheiligung  zu  fordern  ist.  Bei  unserer  Anwesenheit 
wurde  die  Anstalt  vom  Gymnasium,  der  Realschule,  von  einer  höheren 
Mädchenschule  und  einer  Volks- Knaben-  und  Mädchenschule  in  der 
"\>'eise  benutzt,  dafs  jede  einzelne  Schuiclasse  wöchentlich  2  mal  das 
Turnhaus  auf  je  eine  Stunde  besucht.  Der  Unterricht  wird  durch  Hrn. 
Spiefs  und  einen  bei  der  Centralturnansfalt  noch  besonders  ange- 
stellten Hilfslehrer,  sowie  durch  einzelne  Lehrer  der  Schulen  selbst 
ertheilt,  die  ihre  Schüler  auch  im  Turnen  führen. 

Der  Unterricht  selbst  zeigte  ebenso  überraschende  als  befriedi- 
gende Resultate.  Es  ist  aus  dem  oben  angezogenen  Aufsatze  .des  Hrn. 
R.  Breier  schon  zu  ersehn,  wie  Sp.  ganz  besondern  Fleifs  auf  die 
Frei-  und  Ordnungsübungen  verwendet,  wobei  die  Schüler  angehalten 
werden,  von  den  einfachsten  und  kunstvollsten  Leibesbewegungen 
ohne  Geräthe  Gebrauch  zu  machen  und  sich  in  den  manigfachsten 
Ordnungen  aufzustellen  und  zu  bewegen.  3Iit  diesen  Ordnungs-  und 
Freiübungen  hat  Sp.  der  Turnkunst  ganz  neue  Uebungsarten  geschaffen, 
und  wir  überzeugten  uns  bei  seinem  Unterrichte  von  der  Wichtigkeit 
und  Schönheit  dieser  Uebungen ,  welche  eine  allseitige  Leibesbildung 
zum  allseitigen  Dienste  des  Geistes  fördern  und  sich  selbst  als  die 
Grundübnngen  im  leiblichen  Leben  des  Menschen  herausstellen.  Wie 
der  Schüler  beim  Sprachunterrichte  allerlei  Formen  und  Regeln  zur 
Anwendung  bringt,  so  müfsen  ilim  auch  beim  Spiefsschen  Turnunter- 
richte die  verschiedenen  Bewegungsformen  zu  Gebote  stehn,  um  da- 
von sofort  Gebrauch  machen  zu  können.  Spiefs  Avendete  bei  seinem 
Unterrichte  w  ohl  über  300  überaus  zweckmäfsige  und  anmuthige  Gang-, 
Lauf-  und  Ilüpfarten  in  Verbindung  mit  allerlei  sonstigen  Gliederbe- 
wegungen an,  die  einer  vielfachen  Gestaltung  fähig  sind  und  ein  An- 
passen an  das  Bedürfnis  der  Geschlechter  und  der  einzelnen  Schul- 
classen  zulafsen,  so  dafs  z.  B.  mit  Rücksicht  auf  die  geistige  Fafsungs- 
kraft  und  den  Grad  körperlicher  Ausbildung  mit  den  Gymnasialschü- 
lern ein  ganz  anderer  Unterrichtsstolf  durchzuarbeiten  ist  als  mit  den 
Knaben  aus  der  Volksschule. 

Wie  Spiefs  beim  Schulturnen  besonders  darauf  Bedacht  nimmt, 
die  Ausführung  der  Leibesübungen  in  bestimmter  Zeit  zu  verlangen 
und  dabei  den  Takt  als  ordnendes  und  belebendes  Element  zu  be- 
nutzen, so  setzt  er  auch  in  geschickter  Weise  den  Gesang  in  unmit- 
telbare Verbindung  mit  den  Turnübungen.  So  übte  er  Lieder  im  2y_^, 
3/^  oder  '^ I ^  Takt  ein  und  liefs  sofort  die  dem  Rhythmus  entsprechen- 
den Schrittweisen  mit  Gesang  begleiten. 

Besonders  anziehend  war  der  Unterricht  mit  Mädchen,  indem 
Spiefs  auch  hier  durch  langjährige  Uebung  zu  erfreulichen  Resultaten 
gekommen  ist.  Nach  dem  früheren  Betriebe  des  Turnens  hielt  man 
dasselbe  nicht  ohne  Grund  für  Mädchen  nicht  geeignet,  während  der 


Big-ge:  zur  paedagogischen  Gymnastik.  539 

Spiefssche  Mädchen -Tiirminterriclit  bei  der  ersten  Anschauung  davon 
überzeugt,  dals  hier  einem  dringenden  Bedürfnisse  genügt  Merde, 
welches  viele  Eltern  durch  einen  ungehörigen  und  oft  naciitheiligen 
Tanzunterricht  zu  befriedigen  suchten.  Spiels  hat  beim  Mädchentur- 
nen vieles  mit  aufgenommen,  was  man  sonst  zur  Tanzkunst  rechnet; 
sein  Unterricht  bleibt  aber  immer  ein  Turnunterricht,  und  zwar  ein 
erzieherischer. 

Auch  auf  das  Turnen  an  Gerälhcn  weifs  Spiefs  das  bildende  der 
Ausführung  in  bestimmter  Zeit  und  im  Khyllunus  überzutragen.  So 
führte  z.  B.  eine  Abtheilung  Hangelübungeti  an  dem  Stangengerüst  in 
dem  Rliythmus  aus,  den  die  ruhenden  durch  Gesang,  Händeklatschen 
oder  mit  Ilandklappern  und  Casfagnetfen  ausdrückten.  Die  aesthetische 
Seile  des  Turnens  tritt  bei  allen  Vorkommnissen  der  Spielsschen  Me- 
thode sehr  deutlich  hervor,  und  wenn  in  allem  stets  Ordnung,.  Regel, 
kunstvolle  Leibes-  und  spannende  Geistesthätigkeit  sichtbar  ist,  so 
geschieht  es  in  einer  Zusammenstellung,  welche  die  Turnjugend  ebenso 
fefselt  als  erfreut.  Kurz,  alles  was  wir  in  Darmstadt  saiien ,  war  ein 
wirklicher  Turnunterricht,  der  seine  nächstliegenden  Zwecke  in 
umfafsendsfer  Weise  erreicht  und  seinem  ganzen  Zuschnitte  nach  die 
allgemeinen  Zwecke  der  ötrentlichen  Schulen  .wesentlich  zu  fördern 
im  Stande  ist.  Dabei  schliefst  die  in  Darmstadt  nunmehr  ins  Leben 
getretene  eigenthümliche  Turnschnle  dasjenige  nicht  aus,  worauf  die 
Berliner  Schule  so  viel  Gewicht  legte.  Auch  hier  reihen  sich  fröhli- 
che Jugendsi)iele  und  erfrischende  Auszüge  in  Wald  und  Feld  an 
das  Tnrnleben  der  Schüler;  sie  erhalten  aber  erst  ihre  Bedeutung  und 
Veredlung  durch  einen  solchen  Turnunterricht,  der  mit  der  Erziehung 
freier  Leibesübung  zugleich  den  Trieb  leiblicher  Thätigkeit  geweckt 
und  geregelt  hat.  Erst  Gesetz  und  dann  Freiheit;  so  wird  es  auch 
bei  der  leiblichen  Ausbildung  sein  müfsen,  wenn  ihre  erzieherischen 
Resultate  durch  ein  Gemisch  beider  nicht  neutralisiert  werden  sollen. 

Richten  wir  nach  diesen  Hindeutungen  unser  Augenmerk  auf  die 
vorgestellten  Schriften,  so  tritt  auch  in  der  Abhandlung  des  Hrn. 
Bigge  eine  Ihizufriedenheit  mit  den  seither  bestehenden  Turneinrich- 
tungen hervor.  Mit  grofser  Klarheit  verbreitet  sich  der  Verf.  auf 
S.  1 — 9  über  die  Gymnastik  als  eine  paedagogische  Nothwendigkeit, 
Mobei  er  dieselbe  als  Mittel  gegen  physische  Verweichlichung  und  Er- 
schlaffung, als  Erholung  von  geistiger  Arbeit,  als  ein  Schutzmittel 
gegen  sittliche  Verkehrtheit  und  Verirrung,  sowie  als  Moment  für 
Erziehung  und  Charakterbildung  darstellt,  dabei  auch  ihre  nationale 
Bedeutung  in  Anschlag  bringt.  Hr.  B.  legt  dabei  ebenso  eine  genaue 
Kenntnis  der  Gymnastik  nach  ihren  Mitteln  und  Wirkungen,  als  auch 
eine  Bekanntschaft  mit  dem  Zustande  unserer  heutigen  Gymnasial- 
jugend, wie  der  Gymnasialverhältnisse  überhaupt,  an  den  Tag,  wes- 
halb es  ihm  auch  recht  wohl  gelungen  ist,  die  Nothwendigkeit  der 
Gymnastik  für  die  Gymnasien  nachzuweisen. 

Die  gröfsere  Hälfte  der  Abhandlung  verbreitet  sich  sodann  über 
das  didaktische  des  Turnens  und  verwandte  Beziehungen,    Zu  diesem 


540  Bigge:  zur  paedagogischen  Gymnastik. 

Zwecke  stellt  der  Verf.  zunächst  die  Berliner  Schule,  die  Spiefs- 
sche  Schule  und  die  schwedische  Gymnastik  als  die  drei  selb- 
ständigen Richtungen  hin,  welche  das  Turnen  gegenwärtig  in  Deutsch- 
land genommen  hat.  Neben  den  Vorzügen  werden  auch  die  Mängel 
dieser  drei  Systeme  dargelegt.  Wir  stimmen  mit  Hrn.  B.  vollstän- 
dig in  dem  überein,  was  er  über  die  Mängel  der  Berliner  Schule 
und  über  die  schwedische  Gymnastik  sagt,  mufsen  ihm  aber  wider- 
sprechen, wenn  er  S.  12  behauptet:  'Das  System  von  Spiefs,  in  star- 
rer Consequenz  durchgeführt,  wird  zum  dürren  pedantischen  Sche- 
matismus, welcher  mit  seiner  Förmlichkeit  das  frische,  freie  Jugend- 
leben zu  ertödten  droht.'  Zu  solch  einem  Urtheile  kann  nach  unserer 
Meinung  nur  derjenige  kommen,  welcher  die  Spiefssche  Turnlehre 
nach  ihrer  umfafsenden  und  abstracten  tiieoretischen  Darstellung  in 
Büchern,  namentlich  in  den  4  Theilen  der  'Turnlehre'  kennen  lernte. 
Hier  wird  vielen  so  manches  als  grau  erscheinen,  was  beim  lebendi- 
gen Unterrichte  im  schönsten  Grün  prangt.  Beim  Spiefsschen  Turn- 
unterrichte kommt  es  nicht  blofs  darauf  an,  dafs  die  Uebungen  über- 
/  haupt  gelrieben,  sondern  vornehmlich  auch  wie  sie  beim  Unterrichte 
>,*  behandelt  werden.  Wer  z.  B.  die  Freiübungen  nach  dem  1.  Theile 
p  der  Spiefsschen  Turnlehre  so  durchüben  liefse,  wie  sie  dort  beschrie- 
ben sind ,  würde  allerdings  einen  solchen  Turnunterricht  herstellen, 
der  nach  Hrn.  B.  das  frische,  freie  Jugendleben  zu  ertödten  im  Stande 
wäre.  Hr.  B.  würde  sein  Urtheil  gewis  schon  anders  gestalten ,  wenn 
er  mit  dem  rechten  Sinne  an  das  Spiefssche  'Turnbuch  für  Schulen' 
gienge,  wovon  seit  dem  Drucke  vorstehender  Abhandlung  auch  der 
zweite  Theil  erschienen  ist,  der  vorzugsweise  den  Turnunterrichts- 
sloff für  Gymnasialschüler  enthält.  Noch  mehr  aber  würde  er  sich 
durch  Autopsie  von  der  Unrichtigkeit  seines  Urtheils  über  die  Spiefs- 
sche Turnweise  überzeugen,  wenn  es  ihm  möglich  wäre,  einmal  riiein- 
aufwärls  zu  steuern  und  Spiefs  selbst  auf  seinem  Arbeitsfelde  in 
Darmstadl  zu  sehn. 

Von  dem  Avechselseitigen  Einflufse  der  3  bezeichneten  Systeme 
hofft  der  Verf.  eine  heilsame  Reform  des  gymnastischen  Unterrichts, 
und  spricht  sich  für  die  Nothwendigkeit  einer  Aenderung  des  seither 
üblichen  Verfahrens  in  2  Punkten  aus: 

1)  Die  Betriebsweise  der  Gymnastik  mufs  zweckmäfsiger  einge- 
richtet werden  durch  eine  der  natürlichen  Entwicklung  der  Jugend 
mehr  angemefsene  Vertheilung  und  Organisation  des  Uebungsstoffes. 

2)  Der  Umfang  unserer  paedagogischen  Gymnastik  ist  im  ganzen 
zu  beschränken,  das  Mafs  der  Anforderungen  möglichst  herabzusetzen. 
Demnach  bezeichnet  der  Verf.  im  Gegensatze  zu  dem  gemeinschafl- 
liclicn  Turnen  aller  Gymnasialclassen  im  Sinne  der  Berliner  Schule 
und  dem  C  1  a  ss  en  turnen  nach  Sjjiefs  einen  Mittelweg,  indem  er  auch 
beim  Turnen  eine  Einlheilung  nach  Ober-,  Mittel-  und  Unlergymnasium 
festgehalten  wifsen  will.  Für  ein  Gymnasium  mit  schwach  besuchten 
Classen  möchte  eine  solche  Einrichtung  ganz  zweckmäfsig  sein.  Wo 
sich  jedoch  in  einer  Classe  allein   etwa  30  Schüler  befinden,  ist  das 


Bigge:  zur  pnedagogischcn  Gymnastik.  541 

Classenlurnen  iiacli  Spiefs  iiiiinor  vorzuziclicn.  Hr.  Bigge  weist  auf 
die  Eigenlliiiniliohkcilcu  seiner  3  Tnrnsliil'eii  in  anlliropologisclier  Be- 
ziehung hin,  und  ordnet  jeder  derselben  die  ihr  zukommenden  gym- 
nastischen l'ehnngen  zu,  wobei  er  fast  durehweg  das  rcehle  getrof- 
fen hat.  Wenn  der  Verl".  S.  16  das  Schaukeln  verwirft,  weil  es  einen 
bedenklichen  Sexualreiz  hervorbringe,  so  kann  damit  nur  das  Sitz- 
schaukeln gemeint  sein ,  da  die  von  Spiefs  zuerst  eingeführte  Ilang- 
und  Slemmschaukel  mit  den  daran  vorzunehmenden  überaus  zweck- 
mäfsigen  Uebungen  derlei  Bedenken  durchaus  nicht  rege  macht.  Die 
Sitzschaukeln  sind  auch  unseres  Wifscns  noch  nicht  in  den  Bereich 
der  Turnkunst  gezogen  worden.  Auch  sehn  wir  keine  Gründe  für  die 
Behauptung  des  Hrn.  B. :  Mas  gefährliche  Schwebereck  mufs  ganz  be- 
seitigt werden.'  In  der  Schrift  von  Prof.  Vögel  i  'Leibesübungen 
nach  Clias'  könnte  sich  der  Verf  von  der  Zweckmafsigkeit  dieser 
Vorrichtung,  namentlich  für  Hangelühungen,  überzeugen.  Eher  möch- 
ten wir  die  gewöhnlichen  Recke  von  den  SchuUurnplätzen  verbannen, 
da  sie  Gelegenheit  zu  den  ebenso  unschönen  als  nutzlosen  und  ge- 
fährlichen Schwenkereien  mit  den  sogenannten  Umschwüngen  oder 
Wellen  geben.  Zweckniäfsig  wäre  es,  wie  auch  Rothstein  schon  ge- 
than,  die  Reckstangen  so  einzurichten,  dafs  sie  auf  der  unteren  Seite 
nicht  abgerundet  sind,  um  sie  für  die  wohllhätigen  Hangübungen, 
nicht  aber  für  die  unnöthigen  Umschwünge  brauchbar  zu  machen. 

Was  die  Wendungen,  Schwenkungen,  Märsche  u.  s.  w.  anlangt, 
so  empfiehlt  Hr.  Bigge  dafür  das  preussische  Exercier- Reglement, 
wie  dies  auch  vom  Dr.  Langbein  zu  Stettin  in  einem  besondern 
Schriftchen:  'Militärische  Uebungen  für  Schülerturnplätze'  geschehn 
ist.  Mit  dem  preuss.  Exercier -Reglement  wird  zwar  ein  ähnlicher 
Zweck  verfolgt,  wie  mit  den  Ordnungsübungen  im  turnerischen  Sinne; 
indessen  müfsen  die  letzteren  doch  in  ihrer  Zusammenstellung  einen 
wesentlich  andern  Zuschnitt  für  den  Unterricht  erhalten,  beson- 
ders da  sie  in  steter  Verbindung  mit  den  Freiübungen  zur  Anwendung 
kommen.  Das  bildende  und  bildsame  der  Spiefsschen  'Ordnungsübun- 
gen', die  übrigens  auf  das  bei  deutschen  Heeren  gebräuchliche  Rück- 
sicht genommen  haben,  ist  vom  paedagogischen  Turnlehrer  unbedingt 
einem  eigentlichen,  bestimmt  ausgeprägten  Zwecken  dienenden  Exer- 
cier-Reglement  vorzuziehn. 

In  dem  übrigen  Theile  der  Abhandlung  spricht  der  Verf.  von  den 
Nachtheilen  einer  zu  weit  getriebenen  Gymnastik  und  geht  dann  zu 
einer  kritisierenden  Betrachtung  der  in  Preussen  bestehenden  Vor- 
schriften hinsichtlich  des  Turnens  bei  den  Gymnasien  über.  Der  Verf. 
spricht  sich  S.  17  zu  Gunsten  der  Fecht Übungen  in  den  obern 
Classen  der  Gymnasien  aus.  Unseres  Wifsens  sind  die  Fechtübungen 
für  die  preuss.  Gymnasialschüler  gesetzlich  untersagt,  vornehmlich  we- 
gen des  sich  leicht  daran  knüpfenden  burschikosen  Wesens  u.  s.  w. 
Für  die  Zwecke  des  Turnens  wären  jedoch  die  Uebungen  im  Stofs- 
fechten  sehr  zu  empfehlen;  man  brauchte  sie  ja  auch  nur  für  dieje- 
nigen Schüler  der  oberen  Classen  zu  gestatten,  die  turnerisch  tüchtig 


542  Breier:  das  Schulturnen  nach  Spiefs. 

durchgebildet  sind  und  in  ihrem  sonstigen  Wesen  eine  gewisse  Reife 
bekunden. 

Sehr  beherzigenswerth  ist  es,  was  Ilr.  B.  weiter  über  die  Nach- 
theile einer  zu  weit  getriebenen  Gymnaslik,  über  gymnastische  Aus- 
bildung der  Lehrer,  über  die  rechte  Zeit  fürs  Turnen  (er  spricht  sich 
auch  gegen  die  Verwendung  der  freien  Naclimittage  Mittwochs  und 
Sonnabends  aus),  über  das  obligatorische  der  Gymnastik  u.  s.  w.  sagt. 
Wenn  der  Verf.  seine  gut  geschriebene  Abhandlung  mit  den  Worten 
schliefst:  'Die  Gymnastik  mufs  im  Geiste  einer  vernünftigen  Erziehung 
sich  gestalten  und  mit  der  Schule  in  den  engsten  Bund  treten  ,  Avenn 
sie  vor  Entartung  bewahrt  bleiben  und  wahren  Segen  bringen  solF, 
so  leitet  uns  dieser  Schlufs  zum  Programm  des  Hrn.  Rector 
Brei  er  über,  der  das  schon  gefunden  hat,  was  Hr.  Bigge  noch  sucht, 
obgleich  es  diesem  näher  lag  als  jenem.  Hr.  Breier  weist  in  gedach- 
ter Schulschrift  nach,  dafs  Spiefs  es  ist,  der  das  Problem  gelöst 
und  aus  dem  Turnen,  das  bis  dahin  an  den  Schulen  als  ein  kümmer- 
licher Anhang  vegetierte,  ein  wahres  Schulturnen  gemacht  habe. 
'Spiefs'  sagt  Br.  Miat  diesem  spröden  Stoffe,  den  man  nur  durch  künst- 
liche Zuthaten  und  mühsame  Hilfen  in  Bewegung  setzen  konnte,  Geist 
und  Leben  verliehn ;  er  hat  die  starre  iTIasse  in  Flufs  gebracht ,  dem 
todten  Leichnam  eine  Seele  eingehaucht,  und  was  bis  dahin  ein  Arca- 
num  zunflmäfsiger  Jleister  schien,  zu  einem  Gemeingut  der  Paedago- 
gik  umgeschaffen,  was  hinfort  keinem  fremd  bleiben  darf,  der  den 
Namen  eines  Jugendlehrers  mit  Recht  tragen  will.'  —  ■\^'enn  je  einem 
Schulmanne  ein  competentes  Urlheil  in  Sachen  des  paedagogischen 
Turnwesens  zuzutrauen  ist,  so  trilft  dies  gewis  vor  allem  beim  Hrn. 
R.  Breier  zu,  der  in  drei  hintereinander  folgenden  Programmen  Mas 
Turnen  an  den  öffentlichen  Schulen'  zum  Gegenstande  seiner  Unter- 
suchungen und  Betrachtungen  machte  und  unter  den  Schulrectoren 
kaum  noch  einen  neben  sich  haben  dürfte,  der  so  wie  er  auch  in  praxi 
unermüdlich  thätig  war,  das  Turnen  in  der  zweckmäfsigsten  Gestal- 
tung seinem  Ziele  näher  zu  führen. 

Hr.  Breier  hat  uns  in  diesen  Blättern  bereits  mitgetheilt,  wie  ihm 
das  Spiefssche  Turnen  erst  durch  Anschauung  klar  geworden  ist,  weil  in 
dieser  Sache  allerdings  ein  einmaliges  Sehen  oft  mehr  wirkt  als  lange 
Beschreibungen.  Sprach  Hr.  Br.  in  dem  angezogenen  Aufsatze  die 
gewonnene  Ueberzeugung  aus,  so  werden  in  vorliegendem  schon 
selbstgemachte  Erfahrungen  niedergelegt.  Was  der  Verf.  mit  sei- 
nen Collegen  an  der  höhern  Bürgerschule  1851  bei  Spiefs  gesehn,  das 
hatten  sie  am  Schlufse  des  Schuljahrs  1852  zum  Theil  und  mit  gutem 
Erfolge  angewendet.  In  der  vorliegenden  Schulschrift  finden  wir  Hrn. 
Rector  Breier  als  Turnlehrer  der  L  und  II.  Classe  der 
h  ö  h  e  r  n  B  ü  r  g  e  r  s  c h  u  1  e ,  w  i  e  der  III.  der  Vorschule  m  i  t  w  ö- 
chentlich  6  Stunden  Turnunterricht  aufgeführt.  Mit  ihm 
haben  sich  aber  auch  seine  Collegen,  die  Lehrer  Reil,  Munder  loh, 
Krüger  und  Thöl,  des  Turnunterrichtes  in  den  übrigen  Classen  an- 
genommen, damit  auf  diese  Weise  das  neue  Turnleben,  wozu  in   Ol- 


Dreier:  das  Schulturnen  nach  Spiefs.  543 

denburg'  durch  Meislers  Hand  ein  so  schöner  Grund  gelegt  war,  weiter 
ausgebildet  und  in  weitem  Kreisen  forteulwickelt  werde. 

Schon  in  der  kurzen  Zeil  halle  llr.  Br.  mit  seinen  Collegen  sich 
je  mehr  und  mehr  von  dem  crzieiienden  Einllui'se  dos  Turnens  über- 
zeugt und  in  diesem  Gegenstände,  wie  ihn  Spiefs  geschairen,  den  lau- 
tersten Quell  der  Zucht,  der  Ordnung  und  reinen  Jugendfreude  ge- 
funden. Eine  Prüfung  im  Schullurnen  mit  Schülern  von  9 — 10  und  von 
14 — 17  Jahren  konnte  im  Heisein  des  Grofs-  und  Erbgrofsherzogs  und 
der  ol)ern  Schulbebürden  sciion  eine  Anschauung  von  der  in  Olden- 
burg eingeführten  neuen  Turnweise  geben. 

Nächst  der  Abhandlung  des  Kectors  über  das  '  Schulturnen  nach 
Spiefs'  erhält  die  vorliegende  Schulschrift  ihr  Interesse  noch  dadurch, 
dafs  die  erwähnten  vier  Lehrer  darin  nach  den  gemachten  Erfahrungen 
ihr  Gutachten  über  den  Spiefsschen  Turnunterricht  abgeben.  Aus  die- 
sen von  Hrn.  Br.  im  Auszuge  mitgelheillen  Gutachten  läfst  sich  am 
besten  die  Eigenlhümlichkoit  des  Schulturnens,  wie  dessen  Beziehun- 
gen zu  Unterricht  und  Erziehung  ersehn.  Mit  Ausführlichkeit  verbrei- 
tet sich  namentlich  der  Lehrer  Miinderloh  über  den  Spiefsschen  Turn- 
unterricht, indem  er  (S.  16 — 23)  die  neue  mit  der  allen  Methode  ver- 
gleicht und  speciell  folgende  Sätze  erörtert:  '  l)  Zunächst  unterschei- 
det sich  das  neue  Turnen  schon  dadurch  scharf  von  dem  alten,  dafs 
bei  ersterem  in  der  Regel  alle  Schüler  unausgesetzt  und  gleichzeitig 
vom  Lehrer  beschäftigt  werden,  und  zwar  in  der  Weise,  dafs  alle 
dieselbe  Uebung  machen,  was  beim  alten  Turnen  nicht  der  Fall  ist, 
2)  Der  seitherige  Turnunterricht  verlangt  nur  die  aufgegebene  Uebung, 
ohne  die  Ausführung  derselben  in  bestimmter  Weise  an  Ort  und  Zeit 
zu  binden;  das  neue  Turnen  dagegen  begrenzt  die  Ausführung  der 
Uebungen  nach  Raum  und  Zeit.  3)  Das  alte  Turnen  isoliert,  das  neue 
Turnen  verbindet  sowohl  die  Schüler  als  die  Uebungen.  4)  Das  neue 
Turnen  dient  nicht  blofs  zu  körperlicher  Ausbildung,  es  beschäftigt 
auch  auf  ausgezeichnete  Weise  den  Geist,  schärft  das  Nachdenken,  ge- 
wöhnt an  stetige  Aufmerksamkeit,  fafst  überhaupt  den  ganzen  innern 
Menschen.'  Nächst  diesen  Hauptsätzen  werden  in  den  übrigen  gutacht- 
lichen Aeufserungen  viele  einzelne  Lichtseiten  der  neuen  Turnme- 
thode zur  Sprache  gebracht,  worauf  wir  hier  nur  hindeuten  können. 

Solche  Beispiele  einer  wirklichen  erzieherischen  Thätigkeit,  wie 
sie  sich  hier  in  dem  Oldenburger  Lehrercollegium  darbietet,  sind  na- 
mentlich bei  öffentlichen  Schulen  noch  neu  und  selten  ;  aufser  in  Darm- 
stadt ist  uns  ähnliches  nur  noch  an  der  Musterschule  zu  Frankfurt  a.  M. 
vorgekommen.  Hoffentlich  werden  solche  Beispiele  in  Zukunft  zum 
Wohle  unserer  Jugend  nicht  mehr  als  Raritäten  dastehn.  Ganz  pas- 
send hat  Hr.  Br.  seiner  Arbeit  den  Ausspruch  Luthers:  ^Es  ist  eine 
ernste  und  grofse  Sache,  die  Christo  und  aller  Welt  viel  anliegt,  dafs 
wir  dem  jungen  Volk  rathen  und  helfen;  damit  ist  dann  auch  uns  und 
allen  gerathen  und  geholfen'  als  Motto  vorgestellt,  und  damit  recht 
wohl  die  Thätigkeit  solcher  Schulmänner  bezeichnet,  die  aus  Liebe 
zur  Jugend  auch  Turnlehrer  wurden.    Hr.  Br.  hat  nächst  eigener  Be- 


544       Rothsfein:  die  gymnastischen  Freiühungen  nach  Ling. 

thätigung  für  die  in  Rede  stehende  Sache  das  Verdienst,  die  Schnl- 
müiiner  mit  grofser  ßeredtsamkeit  und  Wärme  auf  die  Spiefssche  Turn- 
unterrichtsmetliode  hingewiesen  zu  haben,  was  jedesfalls  zu  einer 
Weilern  Ausdehnung  eines  rationellen  Schulturnens  beitragen  wird. 
Er  hat  das  Schulturnen  nach  Spiefs  als  eine  unschätzbare  Bereicherung 
und  Ergänzung  des  Schullebens  kennen  gelernt  und  es  steht  zu  hoffen, 
dafs  mit  ihm  noch  viele  Schulmänner  der  Sache  näher  treten,  damit 
die  von  ihm  citierten  Worte  Spiefs':  *  Es  ist  unsere  tiefste  Ueberzeu- 
gung,  dafs  gerade  das  Turnleben,  wie  es  der  Turnunterricht  in  Schu- 
len zu  erziehn  hat,  der  Gegenstand  ist,  welcher  die  ernsteste  Beach- 
tung aller  derer  verdient,  die  ein  Herz  für  die  Wohlfahrt  der  Jugend 
haben  und  das  heilsame  einer  nmfafsendern  und  sorgfältigem  Erzie- 
hungsweise derselben  in  ihrer  Bedeutung  für  das  öffentliche  Leben  er- 
kennen. Vor  allem  sind  es  die  Schulmänner  und  Lehrer,  die  sich  mit 
dem  Gedanken  vertraut  zu  machen  haben,  dafs  gerade  sie  es  sind, 
welche  der  Schule  auch  das  Turnen  zu  gewähren  haben.  Ihnen  liegt 
es  ob,  mit  jugendlichem  Geiste  selber  Hand  anzulegen  beim  Turnun- 
terrichte, der,  wie  aller  Unterricht,  im  rechten  Geiste  nur  von  sol- 
chen gegeben  werden  kann,  die  dem  gesammten  Entwicklungsgange 
der  Schüler  im  Schulleben  nahe  stehn  und  vertraut  sind  mit  der  Kunst 
des  Lehrers,  von  solchen,  die  überhaupt  Erzieher  von  Beruf  sind' 
damit  diese  Worte  im  Schulleben  ihre  praktischen  Beziehungen  erhalten. 

INun  hätten  wir  eigentlich  alles  schon  gesagt  und  angedeutet,  was 
in  Bezug  auf  eine  für  Schulen  brauchbare  Unterrichtsmelhode 
im  Turnen  vorzubringen  wäre.  Es  bleiben  uns  aber  noch  die  'gym- 
nastischen Freiübungen  nach  dem  System  Lings'  übrig, 
die  auch  für  Gymnasien  bestimmt  sind,  da  ihr  Verf.  S.  113 — 115  den 
Entwurf  eines  Unterrichtsplanes  für  einen  jährigen  Cursus  eines  sechs- 
classigen  Gymnasiums  gibt.  Da  bei  den  preussischen  Gymnasien  die 
Gymnastik  unter  angemefsener  Berücksichtigung  des 
Lingschen  Systems  getrieben  werden  soll,  so  gibt  uns  vorlie- 
gende Schrift  Veranlafsung,  unser  Augenmerk  auch  hier  auf  dasselbe 
zu  richten. 

Das  gymnastische  System  des  Schweden  Pehr  Henrik  Ling 
hat  sich  bei  uns  in  Deutschland  factisch  geltend  gemacht  in  der  königl. 
Centralturnansfalt  zu  Berlin,  welche  in  dem  ehemaligen  Artillerie- 
hauptmann Rothstein,  einem  eifrigen  Anhänger  Lings,  ihren  Unter- 
richtsdirector  erhalten  hat.  Hr.  Rothstein  hat  die  '  Gymnastik  nach  dem 
System  des  schwedischen  Gymnasiarchen  P.  H.  Ling'  in  vier  Ab- 
schnitten, welche  die  paedagogische ,  die  Heil-  und  Wehrgymnastik 
enthalten,  theoretisch  bearbeitet,  und  wird  noch  in  zwei  Abschnitten 
die  aesthetische  Gymnastik  und  die  Organisation  derselben  im  Staate 
folgen  lafsen.  In  diesem  Werke  ist  dasjenige  zur  vollständigen  wifsen- 
schaftlichen  Darstellung  gebracht  worden,  was  von  Ling  und  seinen 
Schülern  nur  in  Bruchstücken  und  Grundzügen  hinterlafsen  worden 
war.  Darnach  hat  sich  die  schwedische  Turnkunst  der  deutschen  ge- 
genüber eine  rationelle  genannt  und  jene  als  eine  empirische 


liollisloiii :  tlic  iryiHiiasliscIic;!!  Fi-ci(li)iiriocii  iiiuli  Liii^.        .34') 

verworfen,  ja  sogar  ihre  Unlerdriirkuiig-  verlangt,  weil  sie  über  ihre 
Millel  und  Zwecke  volLsländig  im  unklaren  gehliehen  sei.  Inw  iel'ern 
solche  Vorwiirl'e  gegründet  sein  könnten ,  haben  wir  schon  oben  an- 
gedenlel.  Ilr.  llolhstein  trat  als  Vcrlreler  der  schwedischen  Turn- 
schule in  heriige  Opposition  zu  der  sogcnannlen  Berliner  Schule,  die 
allerdings  ihren  Schwerpunkt  in  vielerlei  andere  Dinge,  nur  nicht  in 
eine  syslenialische,  rationelle  Durchbildung  ihrer  Mittel  gelegt  hatte. 
Das  Lingsche  System  erkannte  in  seiner  paedagogisciien  (iymnastik 
den  Rlenschenorganisnius  als  Ausgangspunkt  und  Ziel,  als  den  Grund- 
gedanken aller  Gymnastik,  w  eshalb  die  gymnastischen  Kinw  irUiingen 
auch  nur  solche  sein  dürlen ,  welche  die  Bildung  oder  Umbildung  des 
menschlichen  Organismus  zu  fördern  im  Stande  sind.  Ling  schuf  dar- 
nach eine  Lehre  von  den  Körperbewegungen  in  Uebereinstinimnng  mit 
den  Gesetzen,  welche  der  menschliche  Organismus  zeigt.  Nach  seiner 
Lehre  waren  nur  durchdachte,  auf  Ziel  und  Ausgangspunkt  bezo- 
gene Turnübungen  zuläfsig,  während  jedes  planlose  Turnen  streng 
ausgeschlol'sen  wurde. 

That  es  nun  auf  der  einen  Seile  wirklich  Nolh,  in  den  Betrieb 
der  Turnübungen  ein  gut  Theil  ratio  zu  bringen,  so  will  es  uns  doch 
bedünken ,  als  sei  man  in  das  andere  Extrem  verfallen,  indem  man  die 
Turnkunst  in  dem  Bestreben  einer  wilsenschaftlichen  Begründung  zn 
einer  'abstracten  Muskellogik'  erhob.  Ein  solches  mathematisches 
Berechnen  der  Leibesübungen  müste  aber  dem  ganzen  Betriebe  der- 
selben einen  beengenden  schwerfälligen  Charakter  verleihn,  der  un- 
sern  deutschen  Turnschülern  schwerlich  zusagen  dürfte.  Man  hat 
darum  auch  keine  grofsen  Hoffnungen  gehegt,  dafs  für  die  Schu- 
len aus  dem  Lingschen  System  bedeutende  Früchte  erwachsen  wür- 
den. Ob  sich  die  schwedische  Turnjugend  bei  gedachtem  Turn- 
system wohl  fühlt,  ist  demBef.  noch  von  keiner  Seite  bestätigt  worden; 
was  wir  darüber  in  allgemeinen  Andeutungen  gehört ,  rührt  meist  von 
Aerzten,  nicht  von  Schulmännern  her.  Hr.  Bothstein  wirft  auch  in 
vorliegendem  Werke  (S.  107)  der  deutschen  Turnkunst  *  leere  Endlo- 
sigkeit' vor,  weil  diese  ihre  praktischen  Hebungen  nach  Zweck  und 
Wirkung  nicht  begrenze  und  motiviere.  Leicht  kann  man  dem  Anklä- 
ger diesen  Vorwurf  zurückgeben,  insofern  er  bei  der  wifsenschaft- 
lichen  Begründung  der  Gymnastik  ganz  unbewust  bis  zur  Uebertrei- 
bung  universalistisch  verfährt  und  in  das  "^System  der  Gymnastik'  Or- 
gano-Mechanik,  Diaetetik,  Anatomie,  Physiologie,  Aesthetik  u.  dergl. 
hineinträgt,  so  dafs  das  Turnen  vor  lauter  Wifsenschaftlichkeit  fast  gar 
nicht  zur  praktischen  Einwirkung  und  unterrichllichen  Gestaltung  ge- 
langen kann.  Ein  solches  wifsenschaftliches  Conglomerat  w  äre  nur  df^n 
von  Bedeutung,  wenn  ihm  lebenskräftige  frische  Sprofsen  entkeimten, 
was  im  vorliegenden  Falle  eine  mit  dem  Schulleben  und  der  Gesammt- 
entwicklung  deutscher  Erziehung  und  deutschen  Lebens  im  organi- 
schen Zusammenhang  stehende  praktische  Turnkunst  wäre.  Die  Turn- 
kunst ist  ein  Gegenstand  praktischer  Art,  und  so  sehr  man  die  bisher 
übersehene  wifsenschaftliche  Bpi«rung  derselben  als  eine  wesentliche 

iV.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.   Bd.  LXVII.    Hß.  5.  36 


546        Rothsfein;  die  gymnaslischen  Freiiibniigen  nach  Ling. 

Seite  des  Turnens  anzuerkennen  hat,  so  macht  das  doch  nicht  seinen 
ganzen  Begriff  aus.  ^lufs  man  dem  paedagogischen  Theile  der  schwe- 
dischen Gymnastik  seinen  theoretischen  Grundsätzen  nach  viel  gutes 
zugestehn,  so  ist  in  Betreff  des  praktischen  Nutzens  dieser  gymnasti- 
schen Bewegungslehre  noch  viel  zu  wünschen  übrig.  In  diesem  Sinne 
haben  auch  die  *  gymnastischen  Freiübungen'  des  Hrn.  Hauptmann 
Rothstein  nicht  die  Bedeutung,  wonach  ihr  Verf.  alles  bei  uns  schon 
vorhandene  dieser  Art  negieren  könnte.  Auch  jene  vornehme  Ueber- 
hebung  der  schwedischen  Gymnastik  über  die  deutsche  Turnkunst  mufs 
uns  nach  Einsicht  des  vorliegenden  als  unmotiviert  erscheinen. 

Wir  haben  unter  ^Freiübungen'  diejenigen  Turnübungen  zu  ver- 
stehn,  welche  ohne  Benutzung  von  Geräthen  und  Gerüsten  ausgeführt 
werden.  Man  ist  gewohnt,  A.  Spiefs  als  den  Schöpfer  dieser  nütz- 
lichen Turnart  zu  betrachten,  und  auf  sie  bezieht  sich  vorzugsweise, 
was  Rector  Breier  mit  seinen  Collegen  als  das  bildende  und  bildsame 
des  Spiefsschen  Unterrichtsmaterials  rühmt.  Hier  hat  man  die  Eigen- 
schaften eines  Turnunterrichts  entdeckt,  wie  ihn  die  Schule  als  solche 
nothwendig  fordern  mufs.  Diesen  Spiefsschen  Freiübungen  gegenüber 
tragen  die  Rothsteinschen  einen  ganz  andern  Charakter  an  sich,  der 
von  einer  militärischen  gemefsenen  Commandoförmlichkeit  und  von 
einem  kalten  wifsenschaftlichen  Rigorismus  nicht  frei  zu  sprechen  ist, 
während  sich  Spiefs  durch  jene  methodische  und  paedagogische  An- 
weisung auszeichnet,  mit  welcher  er  durch  eine  sorgfältige  und  über- 
aus sinnige  Durcharbeitung  seines  Lehrobjects  dem  Jugendleben  näher 
getreten  ist.  Man  merkt  es  den  Rothsteinschen  Freiübungen  sogleich 
an,  dafs  ihr  Verf.  auf  dem  Wege  der  Wifsenschaft  und  Reflexion  zu 
ihnen  gelangt  ist,  während  sie  sich  bei  Spiefs  aus  dem  wirklichen  Un- 
terrichte selbst  gestaltet  und  darum  hier  ein  lebendigeres  frischeres 
Gepräge  erhalten  haben. 

'Was  aus  dem  Leben  frisch  hervorgesprungen, 
Wird  wie  das  Leben  selber  auch  ergreifen.' 

Auch  hier  beginnt  Hr.  Rothstein  mit  wifsenschaftlichen  Deductionen 
über  das  physische  und  psychische  des  Menschen,  über  Raum-  und  Zeit- 
formen u.  s.  w.,  und  gelangt  nach  Aufzählung  der  Betriebsregeln  zu  den 
eigentlichen  Uebungen,  welche  sich  zunächst  auf  die  einfachsten  Glie- 
derbewegungen am  Ort  beschränken,  denen  die  zusammengesetzten  und 
die  Körperw  endungen  folgen.  Ob  beim  Unterrichte  Ausdrücke  wie  die 
hier  gebrauchten  Miumpfwendstellung,  Halbstreckschlufsschrittstellung' 
u.  s.  w.  zweckmäfsig  sind,  möchten  wir  wohl  bezweifeln.  Dieser  er- 
sten Abiheilung  folgen  die  Bewegungen  von  der  Stelle  (S.  44—60) 
nsdii  Gang-,  Lauf-  und  Springübungen  geordnet,  während  die  "^  Gang- 
und  Laufübungen  unter  Beobachtung  besonderer  Raum-  und  Zeitfor- 
men' die  gröfsere  Hälfte  dieses  Abschnitts  ausmachen.  Gegen  die 
Spiefssche  und  sogar  gegen  die  alte  GutsMuthsche  Bearbeitung  ist 
dieser  Theil  des  Rothsteinschen  Werkes  nur  dürftig  ausgefallen.  Das- 
selbe gilt  auch  von  den  "^  Gang-  und  Laufübungen  unter  Beobachtung 
besonderer  Raum- und  Zeitfiguren',  obgleich   sich  dabei  einiges  neue 


Uolhstein ;  die  gymiiasUscheii  Freiübungen  nach  Ling.       547 

und  brauchbare,  z.  B.  der  Hüpilauf,  Kettendurchzug,  Trabanten-  und 
Webelauf,  Uadgaiig  u.  s.  w.  vorüudct.  Diese  kunstvollen  Bewegun- 
gen einer  gröl'sern  Turuerablheilung  stellen  sich  so  üiinlich  wie  unsere 
gesellschafllichen  Touren-  und  Coulrelänze  dar,  und  sind  für  den  Ord- 
nungssinn der  tlieilnehnicndeu,  wie  für  gefällige  leibliche  Gebahrduug 
und  Uebung  ganz  besonders  geeignet  und  im  Stande,  die  aesthetische 
Seite  des  Turnens  hervortreten  zu  lafsen.  Spiefs  hat  diese  gemein- 
samen,  oft  sehr  complicierten  rhythmischen  Bewegungen  der  ganzen 
Turncrschaar  sehr  passend  Mleigeu'  genannt,  während  die  Bewegung 
der  einzelnen  oder  einzelner  Beihenkörper  unter  ^Tanz'  verslanden 
wird.  Im  Reigen  erhalten  die  Freiübungen  ihren  Gipfel-  und  Ilöhen- 
punkt.  Gewähren  nun  die  Spicfsschen  Freiübungen  eine  viel  freiere 
und  allseitigcre  turnerische  Durchbildung  als  die  Bothsteinschen ,  so 
stehn  auch  die  Spiefsschen  Beigen  weit  über  dem,  was  uns  hier  von 
ähnlichem  dieser  Art  geboten  wird.  Der  Abschnitt  ^Beigen  und 
Tanz^  in  dem  schon  1851  erschienenen  II.  Theile  des  Schulturnbuchs 
von  Spiefs  (S.  334 — 404)  bietet  ungleich  mehr  und  befseres  als  die 
schwedische  Turnschule.  Ueberhaupt  tritt  gerade  in  diesen  beiden 
ersten  Abschnitten  des  Bothsteinschen  Werkes  die  Armuth  und  das 
unlebendige  der  schwedischen  Gymnastik  recht  deutlich  hervor  gegen 
die  Allseitigkeit  und  Genialität  der  Spiefsschen  Frei-  und  Ordnungs- 
übungen. 

Hätte  somit  in  den  gedachten  Turnarten  die  schwedische  Gymna- 
stik vom  deutschen  Turnen  sehr  viel  noch  zu  lernen,  so  raüfsen  wir 
das  Verhältnis  einigermafsen  umkehren  in  Bezug  auf  den  folgenden 
Abschnitt  "^Bewegungen  mit  Stützungen'  (S.  61 — 86).  Hier 
tritt  die  schwedische  Gymnastik  mit  einer  Eigenthümlichkeit  auf  und 
bietet  Uebungen,  welche  so  von  der  deutschen  Turnkunst  noch  nicht 
angewendet  wurden. 

Bei  diesen  Stützübungen  (slüd)  treten  nemlich  zwei  Turner  in 
Wechselthätigkeit  zueinander.  Indem  z.  B.  der  eine  die  Arme  zum 
Stofs  nach  oben  angezogen  hat,  erfafst  der  andere  hinter  ihm  stehende 
von  aufsen  die  Handgelenke  des  ersten  und  leistet  ihm  bei  dem  Be- 
mühen, die  Arme  langsam  nach  oben  zu  strecken,  angemefsenen  Wi- 
derstand. Von  beiden  Seiten  wird  dadurch  eine  Kraftanstrengung  er- 
forderlich, doch  so,  dafs  der  Widerstand  des  einen  stets  in  dem  rech- 
ten Verhältnisse  zur  Kraftaufwenduug  des  andern  steht,  indem  dabei 
durchaus  kein  Ueberwinden  einer  Kraft  beabsichtigt  wird.  Neber.  der 
Ausbildung  des  feinen  Gefühl^ür  Regelung  der  eignen  und  fremden 
Bewegung  kommen  vornehmlixb  die  physiologischen  Wirkungen  die- 
ser Stützübungen  in  Anschlag.  Während  unsere  Turnkunst  meist  nur 
die  willkürlichen  Muskeln  des  menschlichen  Körpers  durch  active  Be- 
wegungen in  Anspruch  nahm,  so  wendet  die  schwedische  Gymnastik 
auch  diese  Stützübungen  oder  duplicierle  Bewegungen  an,  wodurch 
eine  Einwirkung  nicht  blofs  auf  Muskeln,  sondern  auch  auf  das  seh- 
nige und  elastische  Gewebe  in  allen  übrigen  Körperlheilen  und  dabei 
namentlich  auf  Puls-  und  Blutadern,  auf  Nerven  u.  s.  w.  ermöglicht 

36* 


548       Rothslein :  die  gymnastischen  Freiübungen  nach  Ling. 

wird.  Daher  ist  man  durch  solche  Uebiingen  im  Stande,  sehr  bestimmt 
auf  die  Blulgefäfse,  die  Nerven,  die  Eingeweide  u.  s.  w. ,  und  zwar 
die  Ernährung  derselben  hemmend  oder  befordernd,  einzuwirken.  Die 
schwedische  Gymnastik  gibt  diesen  dupliciertcn  Bewegungen  besonders 
als  arteriellen  einen  Vorzug  vor  den  blol's  acliven,  da  man  durch 
dieselben  in  allen  nur  möglichen  Richtungen  das  Muskelgewebe  zur 
Contraclion  bringen,  durch  sie  auch  nur  allein  das  ganze  Gefiifssystem 
desselben  erregen  kann.  Auf  diese  Erscheinung  gründet  sich  beson- 
ders die  Anwendung  der  Gymnastik  für  Heilzwecke,  und  bezeichnend 
ist  es,  dafs  die  schwedische  Gymnastik  wider  die  ursprüngliche  Ab- 
sicht ihres  Gründers  vorzugsweise  auf  dem  Felde  der  Heilkunde  an 
Terrain  gewinnt  *). 

Rothstein  theilt  zwar  mit  Ling  das  System  der  schwedischen  Gym- 
nastik in  vier  Theile,  welche  die  paedagogische,  militärische,  medi- 
cinische  und  aesthetische  Gymnastik  umfal'sen  sollten.  Lings  Schüler 
sind  jedoch  davon  bedeutend  abgewichen;  namentlich  kennt  de  Ron 
nur  eine  Gymnastik,  und  der  gegenwärtige  Director  der  Stockholmer 
Centralturnanslalt,  Prof.  Branting,  nimmt  nur  eine  medicini- 
sche  Gymnastik  an,  die  alle  übrigen  Theile  umfafst.  Dieser  Umstand 
ist  bei  Entscheidung  der  Frage:  ob  die  schwedische  Gymnastik  in  ihrer 
praktischen  Durchführung  von  unscrn  Schulen  zur  nutzbaren  An- 
wendung gebracht  werden  könne,  nicht  ohne  Bedeutung. 

Wenn  Hr.  ßigge  in  seiner  oben  angeführten  Abhandlung  (S.  12) 
sagt:  *  Namentlich  Averden  die  Stödübungen  der  schwedischen  Turn- 
schule als  zu  umständlich,  zeitraubend  und  höchstens  unter  erw^achse- 
nen  möglich,  auf  Schulturnplätzen  wohl  schwerlich  Eingang  finden', 
so  können  wir  dem  nach  unsern  Erfahrungen  widersprechen.  Für  die 
Jüngern  Alter  dürften  die  Stützübungen  allerdings  weniger  geeignet 
sein,  während  sie  sich  für  die  Schüler  der  obern  Gymnasialclassen  als 
ganz  passend  und  zweckmäfsig  crw^eisen  werden.  Die  vorliegende 
Schrift  bietet  eine  Auswahl  von  14  Beispielen  einfacher  Stützübungen 
und  von  11  Beispielen  mit  doppelter  Stützung,  wovon  mehrere,  z.  B. 
der  Hochsprung,  der  Stützumschwung,  die  Lasthebe  u.  s.  w.  für  ge- 
übte Turner  leicht  ausführbar  sind  und  sich  gewis  auch  auf  unsern 
Schulturnplätzen  einbürgern  werden.  Die  '^  Ringeübu  n  gen'  (S. 
87 — 94)  sind  mit  der  der  schwedischen  Schule  eignen  Vorsicht  und 
Genauigkeit  behandelt,  welche  gerade  hier  ganz  an  ihrer  Stelle  sind, 
um  diesen  nicht  unwichtigen  Theil  der  gymnastischen  Uebungen  in  der 
rechten  Weise  zur  Darstellung  zu  bringen.  Die  'Elementarübungen 
aus  der  a es the tischen  Gymnastik'  (S.  95 — 103)  sind  sehr  mager 
ausgefallen  und  wir  stimmen  mit  Dr.  Timm  in  der  Behauptung  überein, 
dafs  die  Aufstellung  der  aesthetischen  Gymnastik  als  einer  Hauptart  als 


*)  Wir  verweisen  hier  auf  die    wichtige   Schrift:   Die   Heil-Gym- 

:tik  oder  die  Kunst  der  Leibesübungen    angewandt   zur  Heilung  von 

Krankheiten  nach  dem  System  des  Schweden  Ling  und    seiner  Schule, 
von  Dr.  A.  C.  Neu  mann.     Berlin  1852.  gr.  8. 


iias 


Hullislein:  die  <>yniiiaslisclica  Freiübungen  nadi  Litig-.        .')41) 

verfelilt  zu  hczeiclmen  ist.  Insofern  die  gunze  Gymnastik  den  nienseli- 
lielien  Organismus  zur  üarslellung-  seiner  naliirliclien  Einlieit  hring^en 
will  und  überall  Solle  Hainionie'  Jeder  IJewegutiff  fordern  mufs, 
kann  das  aesllielisciie  Eleiiionl  nur  einen  mehr  oder  \\eniger  liervorlre- 
teuden  (jcsiclilspunkl ,  aber  keine  Art  abgelien,  wenn  anders  niclil  die 
Darstellungen  eines  Schauspielers  auch  als  ein  JJestandlheil  der  ölfenl- 
lielien  Erziehung  gellen  sollen.  Doch  miiisen  wir  unser  Urlheil  noch 
so  lange  zuriickhallen,  bis  llr.  liolhstein  in  dem  zuniichsl  erscheinen- 
den Bande  seines  Hauptwerks  die  aeslhelische  Gymnasük  als  ein  Gan- 
zes vorgelegt  haben  wird. 

Die  Sclilursi)emerkungea  verbreiten  sich  über  den  Werlh  und  die 
Anwendung  der  Freiübungen,  über  die  Betriebsrcgeln  und  den  curso- 
rischen Fortgang  der  Ucbungcn;  zuletzt  folgen  noch  '6'2  Uebungszettcl, 
von  denen  jeder  diejenigen  Uebungcn  nmfafst,  die  in  einer  üebungs- 
stunde  durchzunehmen  sind.  Wie  der  gymnastische  Arzt  zur  Beseiti- 
gung von  körperlichen  Uebeln  die  besondern  Uebungen  genau  vor- 
schreibt, so  sind  solche  Turnrecepte  auch  hier  für  den  paedagogischen 
Turnlehrer  gegeben.  Wenn  jeder  verständige  Turnlehrer  für  die 
Turnstunde  seine  Uebungen  so  einrichten  wird,  dafs  eine  richtige 
Folge  derselben  und  eine  zwcckmäfsige  Combinalion  der  gymnasti- 
schen Bewegungen  im  Interesse  der  Diaetetik  eintritt,  so  will  uns  das 
von  der  schwedischen  Turnschule  beliebte  rcglcmentarische  Abturnen 
von  Uebungszetteln  doch  gar  zu  commandoförmlich  erscheinen,  so  dafs 
wir  auch  hierin  etwas  unfreies  und  unlebendiges  erblicken.  Die  Turn- 
schüler möchten  unser  Mitleid  verdienen.,  welche  solche  Uebungszettcl, 
wie  sie  hier  S.  119 — 127  geboten  werden,  nach  der  ausdrücklichen 
Forderung  (S.  118)  für  einige  oder  mehrere  Uebnngstage  immer  zu 
wiederholen  hiitten.  Ein  solches  stabiles  Abiurnen  mit  alleiniger 
Berücksichtigung  des  diaetetischen  Zweckes  kann  weder  der  Natur  des 
gymnastischen  Schulunterrichts,  noch  einer  hier  durchaus  zu  fordern- 
den lebendigen  Unterrichtsgestaltung  entsprechen. 

In  dem  Unterrichtsplane  für  ein  mittel  stark  besuchtes  Gymnasium 
sind  für  die  Classen  Prima  und  Sccunda  ganz  passend  Wurfübungen, 
sow  ie  Uebungen  im  Degen-  und  Spiefsfechten  angeordnet.  Auch  Spiele 
sind  für  die  untern  Classen  empfohlen ,  obgleich  das  Werk  keine 
Turnspiele  enthält,  die  am  geeignetsten  in  Gesellschaft  der  Freiübun- 
gen aufzuführen  Avaren.  Es  wäre  überhaupt  interessant  gewesen, 
einige  gymnastische  Spiele  der  schwedischen  Turnschule  kennen  zu 
lernen. 

Nach  Spiefs''  Vorgange  sagt  Hr.  R.  S.  115:  ^  Bei  Zusammenzie- 
hungen der  Classen  würden  die  Uebungen  noch  in  der  Art  zu  arrangie- 
ren sein,  dafs  der  eine  Theil  der  übenden  die  Bewegungen  vornimmt, 
der  andere  die  letztern  mit  Gesang  begleitet,  wozu  natürlich,  Com- 
positionen  benutzt  werden  müfsen,  deren  musikalischer  Rhythmus  dem 
Rhythmus  der  Bewegungen  entspricht.'  Nach  Durchsicht  der  'gymna- 
stischen Freiübungen'  ist  dem  Ref.  jedoch  nicht  klar  geworden,  wo 


550        Rotlistein :  die  gymnastischen  Freiübungen  nach  Ling. 

der  Gesang  passend  anzubringen  wäre,  denn  die  von  Hrn.  Rothstein 
zu  diesem  Zwecke  bezeichneten  Uebungen  im  Marschieren,  im  Lauf 
und  lliipflauf  reichen  dazu  keineswegs  liin.  Anders  ist  das  bei  Spiefs, 
der  seinen  scliönen  Schrittweisen  und  Gangarten  eine  solche  Gestal- 
iung  gegeben  hat,  dafs  sie  bakl  in  V*  ^  V4 '  V4 '  Vs  '  Vs  Takt  mit 
verschiedener  Betonung  bald  des  1.,  2.,  3.  Viertels  oder  Achtels  aus- 
geführt werden.  Dazu  linden  sich  die  geeigneten  Lieder  fast  von 
selbst,  und  viele  der  Spiefsschen  Turnübungen  kann  man  füglich  Lie- 
der ohne  Worte  nennen,  wie  Spiefs  in  der  That  schon  bekannte  Lie- 
der von  seinen  Turnschülern  öfter  durch  Uebungen  oder  mit  den 
llandklappern,  Castagnetten  u.  s.  w.  ohne  Gesang  darstellen  läfst. 

Diese  Anführungen  mögen  hinreichen,  um  auf  das  Werk  von 
Hothstein  aufmerksam  zu  machen,  das  von  dem  einmal  eingenomme- 
nen Standpunkte  aus  mit  ebenso  viel  Geschick  als  Einsicht  bearbeitet 
worden  ist.  Dem  llrn.  Verf.  müfsen  Ernst,  Eifer  und  Hingebung  für 
die  Sache  gew  is  in  vollem  Blafsc  zuerkannt  werden ,  obgleich  ihn  ein 
übermäfsiges  Eingenommenseiu  für  das  schwedische  Turnen  leicht  un- 
gerecht werden  läfst  gegen  deutsches  Turnwesen.  Dieser  Umstand 
nöthigte  auch  den  Ref.  zu  einem  Parallelisieren  der  '  gymnastischen 
Freiübungen  nach  Ling'  mit  schon  vorhandener  deutscher  Arbeit.  Das 
deutsche  Turnen  hat  denn  doch  tiefere  Wurzeln  und  Stämme,  als  dafs 
es  so  ohne  weiteres  mit  schwedischer  Hilfe  als  unnützes  Unkraut  aus- 
gcrifsen  und  weggeworfen  werden  könnte.  Das  Werk  wird  übrigens 
denen,  welche  sich  damit  begnügen,  dem  Turnen  vorwiegend  eine 
physiologisch- anatomische  oder  sogenannte  diaetetische  Grundlage  zu 
geben  und  sich  davon  reiche  Früchte  versprechen,  eine  willkommene 
praktische  Anleitung  geben.  Für  diejenigen  Lehrer  und  Erzieher  aber, 
welche  mit  Spiefs  beim  Turnen  '  den  Leib  als  die  Form  und  Schale  be- 
trachten, in  welcher  das  Wesen  unserer  vollen  Persönlichkeit  sich 
aus-  und  eingeslaltet  zum  ganzen  Menschen  für  irdischen  und  himm- 
lischen Dienst  und  Zweck  zugleich',  wird  das  Rothsteinsche  Werk 
nur  eine  untergeordnete  Bedeutung  haben,  wenn  schon  einzelnes  Be- 
achtung verdient.  Sehr  treffend  charakterisiert  Dr.  Timm  die  in  vor- 
stehender Abhandlung  berührten  Richtungen  auf  dem  Gebiete  des  Turn- 
wesens mit  den  Worten:  'Jahn  begriff  das  Turnen  vorzugsweise  als 
Spiel,  und  den  Turnplatz  als  den  Tummelplatz  der  Jugend;  Ling  als 
VVifsenschaft,  und  den  Turnplatz  als  eine  Lehranstalt;  in  Spiefs 
sehn  Avir  das  beginnende  Bemühn,  diese  einzelnen  Seiten  zur  Einheit  in 
Theorie  und  Praxis  zu  bringen;  und  die  fortwährende  Aufgabe  der 
Sache  bleibt  es,  in  allseitiger  Gewahrung  ihrer  Momente  den  ganzen 
Kreis  ihrer  Beziehungen  zu  Leben  und  Bildung  aufzufafsen.'  So  hoffen 
wir  denn,  dafs  mit  Dr.  Timm  sich  noch  recht  viele  Schulmänner  davon 
überzeugen:  wie  im  Gegensatze  zu  dem  alten  in  seiner  Fortbildung 
sich  immer  mehr  der  Schule  entfremdenden  Turnen  nun  von  A.  Spiefs 
durch  die  so  nöthige  paedagogische  und  methodische  Behandlung  der 
Sache  eine  engere  Verbindung  des  Turnens  mit  der  Schule  wieder 
hergestellt  ist,  wobei  die  von  der  schwedischen   Turnschulc  so  nach- 


Woepkc:  l''algcl)rü  (f  Omar  AlkhayyAiui.  551 

(Irucklich  botoulcii  diaolctisclicii  Giuiulsälzc  keineswegs  ausgeschlorsen 
werden. 

Dresden.  M.  Kloss. 


Valgebrc  cP  Omar  Alkhayyämi  ^  publice,  traduite  et  accompagnee 
d'extraits  de  maiiuscrits  inedits,  par  F.  jyocpcke,  Docteur  agrege 
ä  I'universite  de  Bonn,  Membrc  de  la  societe  Asiatique  de  Paris. 
Paris,  Benjamin  Duprat,  libraire  de  Tlnstitut.  1851.  XX,  128  und 
Ol'  S.  8. 

Erst  in  der  neuesten  Zeit  ist  es  Matliematikern ,  die  der  arabi- 
schen Sprache  gar  nicht  oder  nur  sehr  wenig  kundig  sind  und  daher 
nicht  direct  aus  den  Quellen  schöpfen  können,  möglich  geworden, 
sich  mit  den  wichtigsten  arabischen  Autoritäten  bekannter  zu  ma- 
chen und  zugleich  von  der  gesamniteu  Entwicklung  der  Mathematik 
bei  den  Arabern  ein  anschauliches  Bild  zu  erhalten;  und  es  war  wahr- 
lich hohe  Zeil,  dafs  einige  Vorurtheile  und  irrige  Ansichten,  die  sich 
selbst  in  den  berühmtesten  Werken,  die  die  Geschichte  der  arabischen 
Geometrie  und  Algebra  behandeln,  vorfinden,  endlich  gründlich  be- 
seitigt wurden.  Man  schenkte  z.  B.  den  Arabern  nur  als  Uebersetzern 
der  Griechen  einige  Aufmerksamkeit  und  zweifelte  daran,  bei  ihnen 
viel  originelles  und  von  der  griechischen  Bildung  abweichendes,  über- 
haupt eine  wesentliche  Fortentwicklung  der  Wifsenschaft  zu  finden. 
Diese  und  eine  Jlenge  verwandter  Irtbümcr  stellen  die  in  den  letzten 
Jahrzehnten  herausgekommenen,  allein  brauchbaren  Uebersetzungen 
der  arabischen  Originale  mehr  und  mehr  ab;  die  altern  lateinischen 
Uebersetzungen  des  12ten  und  13ten  Jahrhunderts,  welche  überdies 
nur  weniges  umfafsen,  sind  dazu  nicht  geeignet,  da  sie  zu  viel  Unge- 
nauigkeiten  enthalten.  Leider  sind  die  Gesanimlresultate  dieser  neuen 
Studien  noch  nirgends  mit  genügender  Vollständigkeit  gesammelt. 
Man  findet  vieles  in  Zeitschriften  zerstreut,  und  nur  etwa  Chasles"" 
Geschichte  der  Geometrie  (Uebersetzung  von  Sohncke  S.  561  flg.)^ 
so  wie  Nesselmanns  Geschichte  der  Algebra  (besonders  im  2ten  Ca- 
pitel)  gewähren  einen  freilich  noch  lange  nicht  genügenden  Ueber- 
blick.  Es  ist  daher  im  Interesse  dieser  wichtigen  Partie  der  Geschichte 
der  Mathematik  sehr  zu  wünschen,  dafs  alle  die  dunkeln  Lücken  der- 
selben bald  mit  solcher  allseitigen  Befähigung  ausgefüllt  werden  möch- 
ten, wie  sie  Hr.  Woepke  bei  der  Ausgabe  des  Omar  Alkhayyämi  be- 
wiesen hat.  Diesen  neuern  matliematisch-philologischen  Forschungen 
möchte  es  denn  auch  bald  gelingen,  das  Verhältnis  klar  zu  bestim- 
men, in  welchem  die  arabische  Mathematik  zur  indischen  steht,  für 
welche  Colebrookes  Werk  von  gröfster  Wichtigkeit  ist. 

Die  verdienstvolle  Arbeit  des  Hrn.  Dr.  V/oepke  zerfällt  in  vier 
Theile:  Vorwort,   Uebersetzung,  Zusätze  und  Urtext.     Das  Vorwoit 


U^ 


552  Woepckc  :  ralgebre  irOniiu-  AlUhayyami. 

«libt  zunächst  einige  historische  Vorbemerkungen  über  die  drei  von 
ihm  benutzten  Manuscriple.  Für  das  beste  erklärt  er  den  mit  A  be- 
zeichneten Codex,  Nr.  1136  der  Bibliothequc  nationale,  obgleich  der- 
selbe grofsentheils  keine  diakritischen  Punkte  hat.  Diese  zeigt  der 
Codex  B  (Nr.  1104  der  Bibl.  nat.  j ,  der  aber  noch  nicht  die  Hälfte  des 
Textes  enthält  und  überdies  zum  Tlieil  ganz  unleserlich  geworden  ist. 
Auf  dieses  Fragment  hat  schon  Lcdillot  (Nolices  et  extraits  des  manu- 
scrits  de  la  Bibliolhcque  royale.  Tome  XIII  p.  130  ff.)  hingewiesen 
und  Hr.  Woepcke  selbst  in  Crelles  Journ.  f.  Matli.  XL  S.  160—172. 
Aufserdem  benutzte  Hr.  W.  noch  eine  sehr  brauchbare  Leidener 
Handschrift  (C)  und  zu  den  Zusätzen  noch  einige  andere  Pariser  und 
Leidener  Manuscripte.  Die  scharfe  und  genaue  Kritik  des  Textes, 
welche  einige  Male  allen  drei  Handschriften  zum  Trotz  Correcluren 
vnrniiii!r:t  -Jüd  erst  durch  dieselben  die  SeWeise  klar  und  verständlich 
macht,  so  wie  die  der  modernen  Terminologie  angepasste  Ueher- 
setzung,  ferner  die  in  den  Anmerkungen  tleifsig  durchgeführte  Um- 
schreibung der  Formeln  und  Gleichungen  in  Buchstaben ,  endlich  die 
zur  geometrischen  Consiruction  der  Gleichungen  gezeichneten  Figu- 
ren, welche  neben  der  arithmetischen  Lösung  consequent  die  geome- 
trische geben  —  alles  dies  beweist,  dafs  Hr.  \V.  den  vorliegenden 
schwierigen  Stoff  nicht  nur  beherscht,  sondern  tiefer  in  das  Wesen 
der  arabischen  Mathematik  eingedrungen  ist  als  irgend  einer  seiner 
Vorgänger. 

Das  Vorwort  theilt  aufser  den  Notizen  über  die  Manuscriple  die 
wenigen  bekannten  Data  über  Alkhayyämis  Leben  vollständig  mit  und 
macht  uns  mit  seiner  Jlethode,  so  wie  mit  den  Besnltaten  seiner  For- 
schungen bekannt.  Die  Anordnung  seines  Werkes  selbst  ist  in  der 
Kürze  folgende:  eine  Einleitung  gibt  die  Definitionen  der  wichtig- 
sten algebraischen  Grundbegriffe  mit  häufig  eingemischten  Anrufun- 
gen des  Höchsten.  Eine  systematische  Gleichungstabelle  macht  dann 
den  Anfang  des  eigentlichen  Werks;  hierbei  werden  zugleich  alle 
die  speciellen  Fälle  hervorgehoben,  welche  bereits  frühere  Alge- 
braisten  behandelt  liaben.  Es  folgen  dann  binome  Gleichungen  und 
trinome  Glciclumgen  des  zweiten  Grades  mit  fortwährender  Hinwei- 
sung auf  euklideische  Theoreme.  Wenn  Diophantos  nur  von  einem 
Wurzelwerth  quadratischer  Gleichungen  spricht,  so  weifs  dagegen 
Alkhayyämi  nicht  allein,  dafs  es  deren  mehrere  geben  kann,  son- 
dern er  behandelt  auch  die  positiven  Wurzehverthe  mit  vollkommener 
Genauigkeit.  Besonders  interessant  sind  auch  die  Theoreme,  welche 
er  der  Construction  der  Gleichungen  des  dritten  Grades  voranstellt. 
Diese  selbst  sind  für  Trinome  und  Quadrinome  behandelt.  Den  Schlufs 
bilden  Gleichungen  mit  Bruchformen ,  in  w  eichen  statt  der  Unbekann- 
ten selbst  deren  reciproker  Werth  erscheint,  und  Zusätze  Alkhayyä- 
mis, welche  an  a\  ichtigen  Notizen  für  die  Geschichte  der  arabischen 
Mathematik  reich  sind. 

So  weit  Alkhayyämi.  Der  Verf.  gibt  aber  noch  5  Fragmente  aus 
andern  arabischen  Mathematikern  und  zwar  sowohl  die  Uebersetzung, 


WoepcUc:  [''alifcbrc  (rOmar  Alkhuyyaiui.  553 

als  auch  an  dicsolhc  angeknüpfte  Abliandlung'en.  Das  crslc  enthält 
ein  Memoire  (flbn  Ailiaiiham,  c\;st-ä-dire  du  Cliaikh  Ahoül  IIa(jan 
Ben  Allia^an  Ben  Alhailliam  siir  ia  sectiun  d^Ine  lij>ne  eniployee  par 
Ariliimcde  dans  le  seooud  livre.  Es  ist  der  5te  Lehrsatz  des  2ten  Bu- 
ches der  Ahhan(liiin<>-  über  Kugel  und  Cyliuder.  Archiniedes  stellt 
sicli  hier  bekanntlich  die  Aufifabe,  eine  Kugel  so  von  einer  Ebene 
schneiden  zu  lafsen,  dai's  die  beiden  Sef,''mcnle  ein  beslininites  Ver- 
hältnis erhallen,  eine  Aufgabe,  die  zu  der  kubischen  Gleichung- 
X"*  +  a'-^b  =  ex*  führt,  wenn  man  eine  Linie,  auf  der  zwei  Punkte 
gegeben  sind,  zu  Hilfe  ruft.  Auch  das  zweite  Frag-ment  beschäftigt 
sicii  mit  diesem  Problem.  Das  dritte,  wahrscheinlich  ein  Auszug 
aus  einer  Abhandlung  Algcuhis,  zeigt,  dafs  bei  der  gleichzeitigen 
Construction  zweier  Gleichungen  zwischen  x  und  y  mit  Hilfe  des 
Durchschnitts  zweier  Kegel  der  Fall,  wo  sich  beide  berühren,  ge- 
nauer erörtert  wird  als  bei  Alkhayyami,  indem  die  zwischen  den 
Coefficienten  der  Gleichung  für  diesen  Fall  eintretenden  Relationen 
entwickelt  werden.  Da  Alkh.s  Methodik  nicht  zur  Construction  der 
biquadratischen  Gleichungen  ausreicht,  so  hat  Hr.  W.  im  4ten  Zu- 
sätze gezeigt,  dafs  die  Araber  dies  nicht  nur  in  speciellen  Fällen  lei- 
steten, sondern  derartige  Probleme  auch  auf  ihren  algebraischen  Aus- 
druck brachten,  so  dafs  man  wirklich  in  aller  Strenge  ßehaupten 
kann,  dafs  sie  biquadratische  Glcichnngen  mittelst  des  Durchschnitts 
zweier  Kegelflächen  construierten.  Auch  einzelne  Gleichungen  höherer 
Grade  construierten  sie  wahrscheinlich  mit  Hilfe  der  ihnen  aus  grie- 
chischen Werken  bekannten  Curven  höherer  Grade.  Das  letzte  Frag- 
ment gibt  einen  Auszug  einer  arabischen  Abhandlung  über  die  Drei- 
Iheilung  des  Winkels  —  bekanntlich  zugleich  mit  dem  bekannten  de- 
lischen  Problem  von  Plato  bis  Vieta  ein  geometrisches  Hauptproblem. 
Zugleich  aber  führt  es  mehrere  Auflösungen,  welche  die  Araber  für 
dasselbe  gefunden,  mit  einer  solchen  Genauigkeit  und  Belesenheit 
durch,  dafs  wir  zum  Schlufs  nochmals  erklären  müfsen,  dafs  jeder 
Mathematiker,  welcher  sich  für  die  Geschichte  seiner  Wifsenschaft 
interessiert,  aus  dieser  Monographie  ein  deutlicheres  Bild  von  der  ara- 
bischen Mathematik  gegen  das  Ende  des  Uten  Jahrhunderts*)  gewin- 
nen wird,  als  durch  alle  die  vereinzelten  und  zum  Theil  ganz  unzu- 
verläfsigen  Notizen ,  welche  sich  in  den  historischen  Schriften  über 
Mathematik  vorfinden. 

Die  äufsere  Ausstattung  ist  zu  loben ,  die  Zahl  der  Druckfehler 
sehr  gering. 

Dessau.  C.  Bötlger. 


*)  Alkhayyami    nahm   an  der  Berechnung  und  Einführung  der  ge 
laiischen  Aera  Theil,  welche  vom  seldschuckischen  Hofe  aiisgieng  (15. 
März  1079,  vgl.  Montucla:  Hist.  des  math.  ^d.  nouv.  t.  I  p.  387). 


554  Boltz  II.  Franz:  Handbuch  der  englischen  Litteratur. 

Handbuch  der  englischen  Literatur.  Für  Freunde  der  englischen 
Sprache  und  höhere  Unterrichtsanstalten*)  bearbeitet  von  Dr. 
A.  Boltz,  Lehrer  der  modernen  Sprachen  und  der  Handelswifsen- 
schaften  an  der  Handelsschule**),  und  Dr,  H.  Franz,  Lehrer  der 
englischen  Sprache  und  Literatur  am  königl.  franz.  Gymnasium 
und  an  der  Handeisschule.  Ir  Theil.  Die  Prosaiker.  2r  Theil. 
Die  Dichter.  Berlin,  Verlag  von  G.  Reimer.  1852.  XV  und  416; 
XII  und  429  S.  Lex.  8. 

Dieses  Handbuch  beabsichtigt,  eine  wohlgeordnete  Uebersicht 
der  gesammten  englischen  Litteratur,  von  ihren  ersten 
Anfängen  bis  auf  die  neueste  Zeit  zu  geben.  Einer  so  ge- 
waltigen Aufgabe  auf  so  beschränktem  Räume  einigerinafsen  zu  genü- 
gen, setzt  eine  tiefe  und  umfafsende,  nur  durch  langjährige  Studien 
erreichbare  Kenntnis  der  betreffenden  Litteratur  voraus ,  wenigstens 
eine  solche,  aus  welcher  bescheiden  auftretende  ältere  Sammlungen 
ähnlicher  Art,  z.  B.  die  von  Ideler  und  Nolte,  Dr.  Herrig  hervorge- 
gangen sind,  und  jedesfalls  eine  etwas  gröfsere,  als  der  im  poetischen 
Theile  häufig  abgeschriebene  Daniel  Scrymgeour  in  seiner  Poetry  and 
Poets  of  Britain  zu  Markte  bringt.  Die  Herren  Verf.  konnten  etwa 
sagen,  dafs  sie,  anstatt  eine  Masse  Lesestücke  aus  ihnen  der  Mehrzahl 
nach  unbekannten  Autoren  planlos  zusammenzuraffen,  vieles  bereits 
von  andern,  z.  B.  Dr.  Herrig  umsichtig  ausgewählte  Material  abge- 
schrieben und  dazu  noch  einige  Stücke  selbständig  ausgewählt  und 
von  einer  übergrofsen  Anzahl  von  Autoren  so  viele  Bruchstücke  ge- 
geben hätten,  dafs  dies  alles  zugleich  mit  einigen  oft  fast  nur  aus 
langen  Citaten  zusammengesetzten  Einleitungen  und  fragmentarischen 
Notizen  jeden  Freund  der  englischen  Sprache  zunächst  abslöfst,  aber 
recht  ausdauernde  und  häufig  zwischen  den  Zeilen  lesende  Freunde  zu 
einigen  Ideen  über  die  einzelnen  Epochen  der  englischen  Litteratur 
und  über  die  fortschreitende  Entwicklung  der  Sprache  anregen  kann. 
Damit  wäre  denn  freilich  zugleich  der  unfertige  und  unselbständige 
Charakter  des  ganzen  Buches,  so  wie  dessen  sehr  fragliche  Brauch- 
barkeit zu  Gymnasialzwecken  genügend  bezeichnet  worden. 

Der  erste  Band  beginnt  mit  einer  '  Gesbichte  (sie!)  der  Sprache', 
d.  h.  einigen  Andeutungen  und  Winken,  welche  zum  Studium  dieser 
Geschichte  anregen  sollen;  denn  viel  mehr  kann  auf  einem  Druckbo- 
gen doch  nicht  geboten  werden.  Es  heifst  gleich  zu  Anfang:  ^Die 
englische  Sprache ,  ein  geniales  Gemisch  (?)  der  verschiedenartigsten 


*)  Diese  ungewöhnliche  Hintansetzung  der  höhern  Unterrichtsan- 
stalten ,  die,  wie  es  fast  scheinen  könnte,  mit  der  englischen  Sprache 
nicht  befreundet  sind,  zeigt  nicht  blofs  der  Titel,  sondern,  wie  bald 
dargethan  werden  soll,  das  ganze  Werk. 

**)  Nemlich  zu  Berlin.  Auf  dem  Titel  des  zweiten  Bandes  heilst 
Dr.  A.  Boltz  Lehrer  der  russischen  Sprache  an  der  königl.  Kriegs- 
schule. 


Boltz  u.  Franz:  II;ui(ll)iicli  der  oii«^liscIicn  liitlcraliir.  555 

Idiome,  bietet  in  iliroi;  gcgemvürliyeii  Gestalt  ein  sclieinhar  willkür- 
lich durcheinander  gcworienes  Gebilde  dar,  das  an  Regellosigkeit 
und  schönlieilswidrigen  Sprach-  und  Salzformen  seines  Gleichen  nicht 
findet.  Und  doch  ist  es  ein  Leichtes  (,)  dieses  bunte  Gewirr  zur  rein- 
sten Harmonie,  diese  anscheinende  Willkür  zur  vollendetsten  Hegel- 
mäl'sigkeil  zurückzuführen  ,  wenn  wir  zunächst  ihre  historische  Bildung 
und  Entwicklung  in  Betracht  ziehen  und  sodann  in  den  Bau  derselben, 
in  ihrer  gegenwärtigen  Gestalt,  einen  liefern  Blick  werfen. '  Es  ist 
wahr,  dafs  die  englische  Sprache  den  Streit  ihrer  heterogenen  Ele- 
mente dadurch  geschlichtet  hat,  dafs  sie  sich  auf  höchst  einfache  For- 
men beschränkte;  wo  weisen  denn  aber  die  Verfafscr  jene  *  reinste 
Harmonie  und  vollendetste  Begelmäfsigkeit '  nach?  Sagen  sie  doch 
später  selbst,  dafs  die  englische  Sprache  schliefslich  immer  mehr  an 
grammatischer  und  syntaktischer  (?)  Schönheit  eingebüfst  habe,  dafs 
sich  die  verschiedenen  Glieder  eines  Satzes,  so  zu  sagen,  von  einan- 
der abstemmen  (??),  statt  sich  harmonisch  zu  einem  schönen  Gan- 
zen zu  gestalten  und  zu  verbinden.  Wo  bleibt  aber  da  die  reinste 
Harmonie?  Die  englische  Sprache  hat  gewis  manchen  hohen  Vorzug, 
—  Einfachheit  der  Formen ,  grofse  Afünität  mit  andern  Sprachen, 
Kraft  und  Energie  des  Ausdrucks,  Entschiedenheit  im  prosaischen  und 
poetischen  Ausdruck  u.  s.  w.  —  aber  die  reinste  Harmonie  dürfte 
schwer  nachzuweisen  sein.  Auch  erschien  uns,  um  noch  auf  einige 
Einzelheilen  dieser  Geschichte  einzugehn,  die  Behauptung  unbegrün- 
det, dafs  es  im  ersten  Jahrhundert  nach  der  Eroberung  kaum  irgend 
welche  Autoren  in  der  englischen  Sprache  gegeben  habe  und  dafs  wir 
von  denen,  die  vor  Chaucer  schrieben  und  deren  Schriften  erhalten 
sind,  jedes  Zeugnisses  des  Beifalls  ihrer  Zeitgenofsen  und  ihrer  Nach- 
folger entbehren.  Diese  Negation  ist  etwas  stark,  wird  aber  durch 
eine  sehr  sichere  Behauptung  (zu  Anfang  des  ersten  Abschnitts  der 
zweiten  Periode)  noch  überboten:  ^  diese  Epoche  (1558—1649)  ist 
unstreitig  eine  der  schönsten,  wenn  nicht  die  grofsartigste  in  der 
Geschichte  der  ganzen  menschlichen  Erkenntnis;  denn  nie  und  nirgend 
ist  eine  ähnliche  anzutreffen,  die  ihr  ebenbürtig  zur  Seite  gestellt 
werden  dürfte. '  Das  ist  mehr  als  Enthusiasmus,  und  schon  den  En- 
thusiasmus lieben  wir  nicht  in  einem  Handbuche,  in  welches  kurz  und 
bündig  ausgesprochene,  aus  vollständiger  Sachkenntnis  hervorgegan- 
gene Urlheile  gehören. 

Vom  Ormulum  wird  S.  12  der  Einleitung  gesagt,  dafs  nur  ein- 
zelne Auszüge  daraus  gedruckt  worden  seien;  seitdem  ist  erschienen: 
The  Ormulum,  now  first  edited  from  the  original  manuscript  in  Ihe 
Bodleian  wilh  notes  and  a  glossary  by  Robert  Meadows  White.  D.  D. 
2  Voll.  Oxford  1852,  ■ —  Ebenso  ungenügend  wie  das  Ormulum  wird 
S.  16  Robert  oder,  wie  er  richtiger  heifst,  William  Langlaude  bespro- 
chen. Gegen  das  Ende  dieser  Einleitung  erwähnen  die  Verff.  die  von 
J.  Grimm  (Ueber  den  Ursprung  der  Sprache)  ausgesprochene  Behaup- 
tung, dafs  die  englische  Sprache  befähigt  sei,  sich  zu  einer  Univer- 
salsprache aller  Nationen  zu  erheben,  und  fügen  bescheiden  hinzu: 


556  Boltz  II.  Franz :  Handbuch  der  englischen  Litteratur. 

Sväre  sie  nnr  nicht  so  schwer  auszusprechen!'  Soll  dieser  Einwand 
J.  Grimms  Behauptung  entkräften?  Gerade  die  Aussprache  steht  ihr  in 
dieser  Beziehung  nicht  im  Wege;  denn  die  Accenluation  folgt  sehr 
einfachen  Gesetzen  und  die  Unreinheit  ihrer  Vocallaute  ist  zur  Ver- 
mittlung dieser  Laute  bei  verschiedenen  Nationen  nicht  ungeeignet, 
wie  dies  die  Sprache  der  Nordamerikaner  beweist.  Zum  Schlufs  heilst 
es:  'Hingegen  soll  es  ihr,  nach  dem  Urtheile  mchrer  Kenner,  an 
allen  den  Nuancen  des  Ausdrucks  der  feinern,  gesellschaftlichen 
Beziehungen  fehlen,  für  welche  die  französische  Sprache  so  viele  Be- 
nennungen aufzuweisen  hat.'  Wir  wollten  uns  getrauen,  diesen  Zwei- 
fel mit  Hilfe  eines  einzigen  Bulwerschen  Romans  zu  beseitigen,  wenn 
wir  nicht  aus  eigner  Erfahrung  wüsten,  dafs  es  nirgends  eine  so 
feine  und  unverbrüchliche  sprachliche  Etikette  gibt,  als  in  der  hohen 
Aristokratie  der  Engländer. 

Auf  diese  Geschichte  der  Sprache  folgt  eine  ebenso  unvollstän- 
dige Geschichte  der  englischen  Prosa  als  Kunstproduct  (der  Hrn.  VerlT., 
die  dies  alles  auf  zwei  Seiten  in  einer  Nufs  geben).  Etwas  reichhal- 
tiger sind  die  Vorbemerkungen  zu  den  einzelnen  Perioden  (für  die 
Prosa  5,  für  die  Poesie  4,  mit  einigen  Unterabiheilungen),  aber  ruhig 
und  klar  ausgearbeitet  sind  auch  diese  nicht,  sondern,  wie  schon 
gesagt  wurde,  eine  Mosaik  von  Citaten  aus  dem  Edinburgh  Review, 
Scrymgeour,  selbst  aus  der  Storia  crilica  della  poesia  Inglese  des 
Grafen  Giuseppe  Pecchio,  und  alles  dies  unübersetzt.  Bel'ser  passt  diese 
fragmentarische  Form  für  die  Rückblicke  und  Uebersichtstabellen,  wel- 
che die  Verff.  am  Schlufse  der  bedeutenderen  Perioden  geben,  um 
manchen  Autor,  von  dem  aus  Mangel  an  Raum  keine  Probestücke  ge- 
geben werden  konnten,  auf  diese  Weise  seiner  Bedeutung  nach  ein- 
zureihen und  in  der  Kürze  zu  besprechen.  Es  würde  dem  Buche  nur 
dienlich  sein,  wenn  hierkin  noch  mehrere  verwiesen  würden,  denn 
es  ist  befser,  Charakterbilder  einer  kleinern  Anzahl  gut  auszuzeich- 
nen, als  mulfa  zu  geben.  Die  Auswahl  der  Lesestücke  selbst  ist  übri- 
gens für  viele  Namen  nicht  neu;  besonders  Dr.  L.  Herrigs  select 
specimens  of  the  national  literature  of  England  sind  ungebühr- 
lich stark  benutzt,  wie  wir  leicht  nachweisen  könnten.  Die  kurzen 
Biographien  und  Charakteristiken  der  einzelnen  Schriftsteller  erhöhen 
zwar  die  Brauchbarkeit  des  Werks,  aber  auch  hier  vermifsen  wir  ein 
selbständiges  Urlheil  und  einen  sichern  Standpunkt.  Bei  Chaucer  hätte 
E.  Fiedlers  Uebersetzung  der  Canterbnry  -  Erzählungen  erwähnt 
werden  können,  da  dieselbe  eine  reichhaltige  Einleitung  zu  Chaucers 
Leben  und  Wirken  enthält.  Desselben  Schriftstellers  Geschichte  der 
volksthümlichen  schottischen  Liederdichtung  war  bei  den  schottischen 
Dichtern  zu  erwähnen.  Für  die  Dichter  der  letzten  Periode  sind,  na- 
mentlich in  der  Uebersichtstabelle,  wie  leicht  nachzuweisen  ist,  die 
Nachrichten  über  die  Verff. ,  welche  den  Anhang  des  englischen  Lie- 
derschatzes  von  Dr.    R.  Elze*)   bilden,    vielfach  wörllich  bunulzt, 


*)  Dieses  von  uns   im  Bd.  LXV  S.  170  ff.  dieser  NJahrb.  bespro- 


üettmer:  Vocahiilarium  l'iir  den  js^riccli.  Elementaruiiterricht.  557 

während  doch  dieses  Biiclis  nur  S.  410  hei  Geiegcnheil  der  amerika- 
nischen üicliter  und  Üichlerinnen  gedacht  wird.  Ein  solclies  Verfah- 
ren ist  ehenso  verwerllich,  als  der  Ahdruck  vieler  interessanten  und 
sorgtaltig  ausgewählten  Leseslücke  aus  Dr.  Herrigs  verdienstvoller 
Sammlung.  Auch  können  wir  es  nur  tadeln,  dafs  die  fragmentarische 
und  tumultuarisclie  Form  des  ganzen  ßuclies  sich  sogar  auf  mafsig 
lange  Gedichte  erstreckt,  deren  Harmonie  durch  Excerpieren  und 
Weglafsen  geradezu  zerstört  wird.  Man  sehe  z.  B.  was  von  dem  sin- 
nigen Gedichte  A.  Tennysons  'Godiva'   iii)rig  gehliehen  ist! 

Die  Zahl  der  Druckfehler  ist  niclit  unhedeiitcnd  und  das  Ver- 
sprechen, dieselhen  am  Ende  des  2n  Theils  anzugeben,  nicht  gelöst. 
S.  7  Z.  15  V.  u.  steht  halte  für  hatten;  S.  22,  5  v.  o.  bowide  für 
bouide;  S.  24,  9  v.  o.  Fischer  für  Fisher ;  S.  33,  3  v.  u.  1807  für  1607. 
Von  Raleigh  ist  gesagt,  dafs  er  seine  History  of  the  world  1552, 
also  in  seinem  Gehurtsjahre,  pnhliciert  habe;  S.  39,  13  v.  u.  1778  für 
1578,  ebenso  S.  40  unten  1780  für  1580;  S.  41  Macauhj  für  Macaulay 
u.  s.  w.  Im  zweiten  Bande  S.  403  Mrs  Joanna  Baillie  für  Miss  J.  B.; 
S.  408  und  415  Mary  Ann  Brown  für  Browne  u.  s.  w. 

Die  äufsere  Ausstattung  ist  der  des  Wolffschen  Hausschatzes, 
dessen  zweite  Autlage,  da  hinten  ein  paar  Bogen  angeheftet  worden 
sind,  nunmehr  die  vielfach  ergänzte  und  erweiterte  dritte  genannt 
wird,  sehr  ähnlich. 

Dessau.  C.  Bötiger. 


Kürzere  Anzeigen. 


Vocabnlarmm  für  den  griechischen  Elementarunterricht.  Nebst 
Aufgaben  zu  mündlichen  und  schriftlichen  Uebungen  und  einem 
deutschen  Wortregister.  Von  Dr.  Carl  Dettmer,  Collaborator  am 
Catbarlneum  zu  Lübeck.  Braunschweig,  C.  A.  Schwetschke  u. 
Sohn.  1852.  VIII  u.  120  S.  8. 

Das  früher  gewöhnliche  Vocabellernen  in  den  Schulen  findet  be- 
kanntlich nur  noch  in  sehr  beschränktem  Mafse  statt.  Nur  die  im 
jedesmaligen  Lesestücke  vorkommenden  Wörter  müfsen  in  der  Regel 
dem  Gedächtnis  eingeprägt  werden.  Dies  hat  den  Nachtheil  ,  dafs 
dem  Schüler  gerade  eine  Menge  derjenigen  Wörter,  welche  Gegen- 
stände des  gewöhnlichen  Lebens  betreffen  und  deren  Benennung  in 
der  fremden  Sprache  deshalb  dem  jungen  Menschen  am  interessante- 
sten ist ,  unbekannt  bleiben.  Döderlein  machte  mit  richtigem  prakti- 
schen Takte  durch  sein  Vocabulai-ium  für  den  lateinischen  Ele- 
mentarunterricht  und    die   dazu    gehörigen   Erläuterungen    auf    diesen 


chene  Buch  ist  so  eben  in  einer  zweiten  wii-klich  verbefserten  und  ver- 
mehrten Auflage  erschienen. 


558   Fritzsche:  prosodische  Regeln  und  Anweisung  zum  Versbau. 

Uebelstand  aufmerksam  und  Hr.  Dettmer  liefert  uns  hier  etwas  ähn- 
liches für  das  Griechische,  sagt  aber  in  der  Vorrede  (S.  III): 
«■gegen  eine  etymologische  Anordnung,  wie  sie  Döderlein  für  das  La- 
teinische befolgt  hat,  schienen  gewichtige  Gründe  zu  reden;  doch  ist, 
um  auch  dies  Bedürfnis  nicht  unberücksichtigt  zu  lafsen,  in  Abschn. 
VII  ein  etymologischer  Index  gegeben  worden,  der  sich  zu  Wieder- 
holungen im  ganzen  und  zu  Nachweisen  im  einzelnen,  namentlich  in 
Bezug  auf  Wortbildung  und  Zusammensetzung  wird  gebrauchen  lafsen, 
und  dem  ein  Verzeichnis  gleich  oder  ähnlich  lautender  Wörter  bei- 
gefügt ist.'  Wir  halten  nun  gerade  diesen  Theil  der  Arbelt  für  den 
nützlichsten  und  vorzüglichsten  ,  weil  dem  Schüler  nicht  früh  genug 
klar  werden  kann,  dafs  z.  B.  Wörter  wie  (pQijv,  cpqovuv ,  q^qövrjotg 
u.  s.  w.  oder  Tt'xrav,  rtKvov,  tüV.o?,  zozivg  zu  einem  Stamme  gehören, 
denn  dieses  übt  nicht  nur  oft  den  Scharfsinn ,  sondern  befördert  auch 
gar  sehr  das  Verständnis  dieser  Worte  und  erleichtert  eben  dadurch  die 
sogenannte  Praeparation.  Weniger  einverstanden  bin  ich  aber  eben 
deshalb  mit  der  Anordnung  des  ganzen  nach  den  Wörterclassen,  weil 
eine  solche  bunte  Zusammenstellung  der  verschiedenartigsten  Begriffe 
und  Dinge  das  Lernen  und.  Behalten  des  gelernten  ungemein  er- 
schwert und  der  Nutzen  davon,  dafs  der  Schüler  weifs,  alle  diese 
Wörter  gehören  der  ersten,  die  der  zweiten  Declination  u.  s.  w.  an, 
ein  sehr  unbedeutender  ist,  da  der  Schüler  dies  ohnedem  leicht  aus 
den  Endungen  erkennt.  Eher  würde  ich  mich  mit  einer  Zusammen- 
stellung nach  Art  des  bekannten  alten  Orbis  pictus  einverstehn.  Etwas 
anders  ist  es  mit  den  in  Abschnitten  IV  —  VI  enthaltenen  Adverbien, 
Praepositionen  und  Conjunctionen ;  deren  Zusammenstellung  zum  Aus- 
wendiglernen kann  für  den  Unterricht  nicht  anders  als  erspriefslich 
sein.  Die  Aufgaben  zum  Uebersetzen  ins  Griechische  erstrecken  sich 
nur  über  die  beiden  ersten  Declinationen ;  doch  möchte  gerade  die 
Einübung  derselben  als  der  leichtesten  nicht  eines  solchen  Aufwands 
an  Zeit  bedürfen.  Man  sieht  hieraus,  das  Buch  enthält  manches  gute 
und  brauchbare,  doch  auch  ebenso  manches,  was  der  erfahrene  Schul- 
mann weniger  billigen  kann. 

Freiberg.  Bcnscler. 


Prosodische  Regeln  und  Anweisung  zum  Versbau^  zunächst  für 
die  lateinische  Sprache,  nebst  Anhängen  über  griechische  Pro- 
sodie  und  Metra.  Von  Dr.  R.  W.  Fritzsche,  ordentl.  Lehrer 
am  Gymnasium  zu  St.  Nicolai  in  Leipzig.  Leipzig,  Hermann 
Fritzsche.  1852.    38  S.  8. 

Dieses  kleine  Schriftchen  enthält  eine  übersichtliche  Zusammen- 
stellung der  prosodischen  Regeln  der  lateinischen  Sprache  und  unter- 
scheidet sich  eben  durch  seine  leichtere  Uebersichtlichkeit  von  dem, 
was  die  Grammatiken  in  dieser  Hinsicht  enthalten.  Die  Anweisung 
zum  Versbau  enthält  namentlich  einzelne  Beispiele  zum  Auswendig- 
lernen  so   -wie   einige  Aufgaben.     Ein    kurzer  Anhang  für  Schüler  der 


Böhme  11.  Mühlmann:  historische  Chrestomathie.  559 

obern  Classeii  gibt  das  allcrnothwendlfr.ste  über  den  griechischen  Vers- 
bau. Da  das  Ganze  nicht  mehr  als  S'/^  Druckbogen  unifafst,  so  ist 
seine  Einführung  als  Hilfsbüchlein  für  den  prosodisch-inetrischen  Un- 
terricht in  den  Schulen  leicht  zu  ermöglichen. 

Freiberg.  Benseier. 


D}\  B.  IL  Böhme's  historische  Chrestomathie  ans  den  lateini- 
schen Schriftstellern  zur  cursorischen  und  statarischen  Leetüre 
für  die  mittlem  Classen  der  Gymnasien.  Eine  synchronistische 
Darstellung  der  alten  Geschichte,  insbesondere  der  Griechischen 
und  Römischen.  Dritte  Auflage,  nach  den  vorzüglichsten  Ausga- 
ben der  lateinischen  Schriftsteller  verbefsert  und  durch  gramma 
tische  und  lexicalische  Anmerkungen  erläutert  von  Dr.  Gustav 
Mühlmann.  Leipzig,  Wöller.  1851.  IV  u.  207  S.  8. 

Der  Zweck  dieser  bekannten,  hier  in  der  dritten  Ausgabe  vor 
uns  liegenden  Chrestomathie  ist,  wie  ihn  der  verstorbene  Verfafser 
selbst  angab,  solchen  Schülern  zur  Leetüre  zu  dienen,  welche  bereits 
in  den  grammatischen  Formen  geübt  sind  und  demnach  schon  leichtere 
Sätze  aus  dem  Lateinischen  ins  Deutsche  übersetzt  haben.  Doch 
sollte  sie  sich  auch  nebenbei  für  die  freie  häusliche  Beschäftigung  der 
etwas  reiferen  Jugend  eignen  und  cursorisch  gelesen  werden  können. 
Es  sind  zu  diesem  Behufe  Stücke  aus  Justin ,  Curtius,  Vellejus  Pater- 
culus,  Cicero,  Plinius  Naturgeschichte,  Hygin,  Tacitus ,  Valerius 
Maximus,  Aurelius  Victor,  Gellius,  Eutrop,  Florus,  Livius ,  Cornelius 
Nepos,  Quintilian,  Caesar  und  Sueton  so  zusammengestellt,  dafs  sie 
eine  Darstellung  der  alten  Geschichte  abgeben.  Wer  nun  freilich 
glaubt,  dafs  auch  schon  auf  dieser  Stufe  der  Bildung  der  Stil  des 
Schülers  nicht  durch  das  Latein  verschiedener  Culturperioden  der  la- 
teinischen Sprache  irre  geführt  werden  dürfe,  mufs  eine  solche  bunte 
Zusammenstellung  von  kürzern  oder  längern  Stücken  aus  den  ver- 
schiedensten Schriftstellern  verwerfen.  Referent  ist  jedoch  nicht  die- 
ser Ansicht,  weil  er  überhaupt  als  Zweck  des  Lateinlernens  nicht  die 
Bildung  eines  guten  lateinischen  Stils  anerkennen  kann,  mag  auch 
diese  Ansicht  mehrere  Jahrhunderte  lang  die  herschende  gewesen  sein. 
Ihm  erscheint  nach  den  jetzt  obwaltenden  Verhältnissen  dieses  Ziel 
als  ein  gänzlich  verfehltes,  und  auch  ohne  eine  'Umkehr  der  Wifsen- 
schaften '  gar  nicht  mehr  zu  erreichendes ,  w  ie  es  denn  auch  schon 
früher  bei  einem  viel  grÖfsern  Aufwand  an  Zeit  dafür  doch  nur  in 
äufserst  seltnen  Fällen  erreicht  worden  ist.  Und  insofern  ist  er  ganz 
damit  einverstanden  ,  dafs  das  Regulativ  für  die  Gelehrtenschulen  im 
Königreich  Sachsen  diese  Chrestomathie  den  Schulen  empfiehlt.  Nur 
läfst  sich,  wie  ich  glaube  und  wie  ich  es  in  meinen  Musterstücken  lateini- 
scher Prosa  auch  praktisch  versucht  habe,  noch  ein  Schritt  weiter  gehn, 
so  dafs  dann  nicht  der  zufällige  Umstand,  dafs  gerade  der  oder  jener 
lateinische  Schriftsteller  blofs  das  Stückchen  griechische  oder  römische 
Geschichte  erzählt,    die  Aufnahme  desselben  entscheidet,  sondern  der 


560  Volckmar:  poematia  Latina. 

innere  Werth  oder  der  interessante  Gegenstand  und  seine  Wichtig- 
keit für  den  Ideenkreis  des  Schülers  überhaupt  die  Auswahl  be- 
stimmt; kurz  hier  dieselben  Gründe  gelten,  wie  sie  bei  den  Chresto- 
mathien in  den  neuern  Sprachen  zum  Theil  schon  längst  gegolten 
haben. 

Was  aber  den  Commentar  betrifft,  so  hat  sich  hier  Hr.  Mühlmann 
durch  Weglafsung  der  früher  beigegebenen  geographischen  und  ge- 
schichtlichen Erläuterungen  und  durch  Beifügung  anderer,  welche  mehr 
grammatischer  und  erklärender  Art  sind,  ein  wesentliches  Verdienst 
um  dieses  Schulbuch  erworben.  Uns  sind  dieselben  gröfstentheils  sehr 
zweckmäfsig  und  richtig  für  die  angegebene  Bildungsstufe  der  Schü- 
ler berechnet  vorgekoaunen.  Auch  können  wir  versichern,  dafs  durch 
dieselben  weder  die  Thätigkeit  des  Schülers  noch  die  des  Lehrers  über- 
flüfsig  gemacht  wird.  Dafs  der  Text  und  die  Interpunction  gleich- 
falls verbefsert  worden  sind,  bedarf  wohl  nicht  erst  der  Versicherung. 

Und  so  hoffen  wir,  dafs  sich  dieses  Buch  in  seiner  verbefserten 
Gestalt  nicht  nur  die  alten  Freunde  erhalten,  sondern  auch  neue  dazu 
erwerben  werde. 

Freiberg.  Benseier. 


PoemaUa  Latina.  Aus  der  Anthologia  Latina,  Virgilius ,  Martialis 
und  Statins.  Mit  anmerkungen  für  schulen  herausgegeben  von 
Dr.  C.  Volckmar ,  lehrer  an  dem  k.  paedagogium  zu  Ilfeld.  Nord- 
haiisen,  Förstemann.  1852.  IX  u.  137  S.  8. 

Hr.  Volckmar  sagt  in  der  Vorrede:  'die  in  diesem  bändchen  ent- 
haltenen gedichte  sind  bis  jetzt  für  die  schulen  fast  gar  nicht  be- 
nutzt, da  sich  die  poetischen  Chrestomathien  in  der  regel  auf  CatuU, 
TibuU,  Properz  und  Ovid  beschränken.  Durch  meine  Zusammenstel- 
lung und  bearbeltung  derselben  habe  ich  also  nicht  etwas  überflüfsi- 
ges  gethan  ,  wenn  nämlich  die  gedichte  selbst  verdienen,  in  den  höhern 
classen  der  gymnasien  zugelafsen  zu  werden.  Davon  bin  ich  aber 
vollkommen  überzeugt;  gehören  sie  doch  ohne  frage  zu  dem  besten, 
was  die  poetische  literatur  der  Römer  uns  bietet.'  Diese  Behauptun- 
gen können  wir  aber  nicht  so  unbedingt  unterschreiben.  Was  den 
Martial  anbetrifft,  so  hat  schon  die  für  die  mittlem  Classen  von 
Gymnasien  berechnete  Chrestomathie  von  Morstadt  eine  ziemliche  An- 
zahl von  dessen  Gedichten  aufgenommen,  und  gerade  für  die  Knaben  die- 
ser Classen  eignen  sich  diese  witzigen  Spiele  des  Verstandes  mehr  als 
für  die  Jünglinge  der  obern  Classen,  wo  die  erwachende  Phantasie 
von  den  würdigern  und  erhabnem  Schöpfungen  der  Dichtkunst  ge- 
nährt und  geleitet  werden  soll.  Es  nehmen  nun  aber  die  Sinngedichte 
des  Martial  hiervon  137  Seiten  nicht  weniger  als  110  Seiten  ein,  in- 
dem 267  derselben  aufgenommen  sind.  Von  den  38  kleinen  Gedichten 
aus  der  latein.  Anthologie  sind  einige  recht  gefällig  und  anmuthig, 
andere  aber,  wie  z.  B.  gleich  die  zwei  ersten,  enthalten  auch  nicht 
die  leiseste  Spur  von   Poesie  und  sind  nichts  als  einfache  Inschriften, 


i  Holzapfel :  über  Erziehung  und  Unterricht  in  Frankreicli.     561 

wie  sie  jeder  Kirchhof  noch  heute  in  Masse  aufweist.  Sie  sind  nur 
als  älteste  Denkmäler  der  latein.  Sprache  für  den  Sprachforscher  in- 
teressant. —  Aui'ser  diesen  finden  sich  dann  noch  2  («"ediclite  des  Pa- 
pinius  Statius  (Villa  Tihurtina  Manlii  Vopisci  und  Villa  Surrentiiia 
Pollii  Felicis)  und  die  zwei  bekannten  des  Virgil :  Copa  und  Moretum 
in  der  Sammlung.  Die  letztern  sind  den  Schülern,  die  sich  ja  ge- 
wöhnlich im  Besitz  einer  Gesammtausgabe  des  Virgil  befinden,  schon 
jetzt  leicht  zugänglich  gewesen.  Und  so  können  wir  allerdings  diese 
Chrestomathie  für  den  angegebenen  Zweck  der  Leetüre  in  den  höiiern 
Classen  der  Gymnasien  nicht  empfehlen,  weil  wir  von  dem,  was  sich 
zur  poetischen  Leetüre  des  Jünglingsalters  eigne,  andere  Ansiciiten 
haben;  wohl  aber  können  wir  den  Hrn.  Verf.  im  Literesse  der  Wil'sen- 
schaft  auffordern,  den  vollständigen  Martial  mit  einem  Commentar, 
wie  der  hier  gegebene  ist,  herauszugeben.  Er  wird  damit  eine  den 
Freunden  des  Martial  (und  Ref.  rechnet  sich  zu  diesen)  längst  fühl- 
bare Lücke  in  der  philologischen  Litteratur  ausfüllen. 

Freiberg.  Bcnseler. 


Mittheilungen  über  Erz>iehung  und  Unterricht  in  Franhreich 
von  Dr.  R.  Holzapfel,  Director  d.  höhern  Gewerb-  und  Handels- 
schule zu  Magdeburg.     Magdeburg  1853.  VI  u.  215  S.  8. 

Ist  es  an  und  für  sich  interessant,  die  bei  einem  fremden  Volke 
in  Bezug  auf  Erziehung  und  Unterricht  herschenden  Ansichten  und 
bestehenden  Einrichtungen  kennen  zu  lernen,  weil  sie,  wie  Erzeug- 
nisse, so  wiederum  Grundlagen  des  inneren  und  äulseren  Lebens  des 
Volkes  sind,  ist  es  schon  an  und  für  sich  nützlich,  wie  jede  vater- 
ländische Einrichtung,  so  des  eignen  Volkes  Erziehungswesen  im  Zu- 
sammenhalten mit  dem  eines  andern  zu  prüfen,  so  wird  dies  zur  un- 
abweisbaren Nothwendigkeit,  wenn,  wie  in  unseren  Tagen  so  häufig 
geschieht,  Eigenschaften  der  Fremden  uns  als  Muster  vorgehalten  und 
daran  die  Forderung,  gleiche  unserem  heranwachsenden  Geschlechte 
mittelst  des  Unterrichts    anzubilden    geknüpft   wird'').     Diesen  Erwä- 


*)  Wie  gedankenlos  dies  geschieht,  davon  gibt  die  Bd.  LXVII 
S.  54  erwähnte  Auslafsung  einer  deutschen  Zeitschrift  Zeugnis.  In 
einem  solchen  Vorkommnisse,  wie  das  ist,  welches  zu  jener  Tirade 
Veranlal'sung  gegeben,  kann  man  zunächst  Pflichtversäumnis  der  Be- 
amten sehn,  weiter  gehend  fragen,  ob  deren  Ausbildung  genügend  sei, 
man  kann  ferner  den  Mangel  industrieller  Aufmerksamkeit  und  Rüh- 
rigkeit rügen,  da  des  eignen  Vaterlandes  Schätze  unbenutzt  liegen  ge- 
blieben, aber  nein!  die  Gymnasien  und  die  alten  Sprachen  müfsen 
herhalten.  Und  wenn  nun  gerade  bei  dem  Volke,  aus  welchem  der 
Entdecker  des  Kohleneisensteins  herstammt,  die  Realien  von  dem  Gym- 
nasialunterricht fast  gänzlich  ausgeschlofsen  sind ,  —  ein  gewifsen- 
hafter  Mann  mufs  doch  erst  prüfen,  auf  welche  Weise  jener  Auslän- 
der seine  geognostischen  Kenntnisse  erworben  hat  —  wie  dann?  Wir 
müfsen  einen  andern  Gymnasialunterricht  einführen,  damit  in  Zukunft 
nicht  Bergbeamte  und  Gewerbsthätige  etwas  überschn ,   was   ein   Aus- 

N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Bd.  LXVII.  Hft.  5.  37 


562       Holzapfel:  über  Erziehung  und  Unterricht  in  Frankreich. 

gungen  haben  wir  denn  in  neuester  Zeit  manches  litterarische  Erzeug- 
nis zu  verdanken,  von  dem  praktische  Wirkungen  nicht  ausbleiben 
werden.  Wiese's  eben  so  erquickende  und  felselnde,  wie  belehrende 
und  anregende  Schrift  über  die  englischen  Schulen  wird  hoffentlich 
niemandem,  dem  es  mit  unserem  höheren  Schulwesen  Ernst  ist,  un- 
bekannt sein.  Ueber  das  Erziehungswesen  Frankreichs  besitzen  wir 
das  durch  Reichhaltigkeit,  wie  durch  AHseitigkeit  und  Unparteilich- 
keit der  Darstellung  und  Beurtheilung  musterhafte  Werk  von  Hahn 
(das  Unterrichtswesen  in  Frankreich  mit  einer  Geschichte  der  Pariser 
Universität.  Breslau  1848).  Da  einerseits  der  grofse  Umfang  dessel- 
ben dem ,  welcher  nur  einen  Zweig  des  grofsen  Ganzen  genauer  stu- 
dieren will,  manche  Schwierigkeiten  bietet,  andererseits  seit  seinem 
Erscheinen  manches  neue  geschehn  oder  vorbereitet  ist,  so  verdient 
es  dankbare  Anerkennung,  dafs  Hr.  Dr.  Holzapfel  über  den  mitt- 
lem Unterricht  eine  besondere  Schrift  herausgegeben  und  in  dieselbe 
die  früher  in  der  Zeitschrift  für  das  Gymnasialwesen  und  im  Pro- 
gramme seiner  Anstalt  1852  veröffentlichten  Aufsätze  erweitert  und 
umgearbeitet  aufgenommen  hat.  Die  Darstellung ,  durch  Klarheit  und 
Lebendigkeit  ausgezeichnet ,  gibt  überall  für  die  in  der  Vorrede  ge 
gebene  Versicherung,  dafs  sie  sich  auf  Originalquellen  und  eigene  An- 
schauung stütze,  Zeugnis.  Den  Inhalt  und  den  Gang  derselben  wird 
man  aus  folgendem  Verzeichnisse  kennen  lernen:  Universität.  Behör- 
den. Unterrichtsanstalten.  Gymnasien  (S.  12 — 49).  1)  paedagogischer 
Charakter.  2)  Patronatsverhältnisse.  3)  innere  Einrichtung.  4)  Unter- 
richtsmethode. 5)  Concurs.  6)  Disciplin.  Der  Gymnasiallehrer  (S.  49 — 
86).  1)  Das  Personal.  2)  Prüfungen:  a)  Baccalaureusprüfung,  b)  Li- 
centlatenprüfung,  c)  agregation,  d)  Fähigkeitsprüfung.  3)  Besoldun- 
gen. Die  Realstudien  (S.  86—113).  Das  Seminar  für  Gymnasialleh- 
rer (S.  113 — 135).  Geistliche  Schulen.  Das  Seminar  für  geistliche 
Gymnasiallehrer  (S.  135 — 169).  Die  realistische  Hochschule  (S.  1C9 — 
187.  Die  eigentlichen  Fachschulen,  wie  die  so  ausgezeichnete  poly- 
technische Schule  finden  auch  Berücksichtigung,  ohne  dafs  ihnen  be- 
sondere Abschnitte  gewidmet  sind).  In  Anhängen  werden  1)  gekrönte 
Concursarbeiten,  2)  die  Namen  der  Chefs  des  Unterrichtswesens  seit 
1808  und  3)  die  neuesten  Veränderungen  (die  Vorrede  trägt  das  Datum 
14.  Sept.  1852)  beigefügt.  Weniger  Werth  legen  wir  darauf,  dafs  wir 
das  Seminar  für  Gymnasiallehrer  nicht  durch  die  Realstudien  von  den 
vorhergehenden  Abschnitten  getrennt  zu  sehn  wünschten ,  wichtiger 
erscheint  uns  die  Bemerkung,  dafs  der  Entwicklungsgang  des  ganzen 
deutlicher  erkannt  werden  würde,  wenn  alles  auf  ihn  EInflufs  übende 
an  einer  Stelle  berücksichtigt  wäre,  während  jetzt  manches,  was  in 
den  ersten  Abschnitten  gesagt  Ist,  erst  durch  das  später  bei  den  geist- 
lichen  Schulen  beigebrachte   volle   Beleuchtung   empfängt;    indes  ver- 


länder  findet.  Mit  dieser  Logik  scheut  man  sich  in  Deutschland  nicht 
gegen  eine  Jahrhunderte  hindurch  bestehende  Einrichtung  der  Väter 
aufzutreten!  — 


Holzapfel:  über  Erzielmng  und  Unforriolit  in  Frankreich.       503 

ringern  derartige  Beiiierkmigon  den  Wertli  der  Selirift  niciit.  Wenn 
wir  mm  liier  einen  ßlicic  in  die  Zustände  «le.s  franzü.sisclien  Volkes  er- 
öffnet finden,  wenn  wir  die  Hinderung,  welche  der  durch  das  parla- 
mentarische System  gebotene  beständige  Wechsel  der  Regierung  jeder 
schnelleren,  gedeihlicheren,  consequenteren  Verbefserung  entgegen- 
stellte, betrachten,  wenn  wir  den  Sinn  für  Häuslichkeit  und  Ge- 
müthlichkeit  auch  in  der  Erziehung  vennifsen,  die  Disciplin  auf  Mis- 
trauen  gegründet,  den  Schüler  ängstlich,  ja  peinlich  überwachend  und 
dem  Lehrer  in  der  Wahl  und  Anwendung  der  Strafen  und  Krzieliungs  • 
mittel  nur  wenig  Freiheit  gewährend  ,  den  Ehrgeiz  als  das  mächtigste 
Mittel  fast  allein  ins  Auge  gefafst,  alles  auf  Ruhm,  Clauz  und  Schein 
vor  der  Welt  berechnet.  Abrichtung  statt  tüchtiger  wifsenschaftllclier 
Bildung,  allenthalben  Uniformität  statt  freier  geistiger  Bewegung  und 
Berücksichtigung  der  Individualität,  schwächliche  Nachsicht  für  die 
Nichterreichung  der  gesteckten  Ziele  und  Vernachläfsigung  selbst  des 
nothwendigen  in  den  wichtigsten  Dingen,  wie  z.  B.  in  Bezug  auf 
Lehrerbildung,  wahrnehmen,  mögen  wir  wohl  uns  glücklich  preisen 
und  Gott  danken  für  das,  was  wir  vor  den  Franzosen  voraus  haben, 
aber  vergefsen  wir  dabei  nur  der  Demuth  nicht  und  hüten  wir  uns, 
wie  in  politischen  Dingen,  so  auch  in  diesen  den  Franzosen  mehr  oder 
weniger  bewust  nachzuahmen!  Mögen  wir,  um  zunächst  dies  anzu- 
führen, nach  der  Darstellung  im  vorliegenden  Werke  beherzigen, 
welch  unheilbarer  Rifs  in  ein  Volk  kommt ,  wo  das  rechte  Verhältnis 
zwischen  Kirche  und  Staat  gewaltsam  gelöst  ist,  welche  unselige  Wir- 
kung entsteht,  wenn  die  Schulen  des  Staats  von  der  Kirche  getrennt 
mit  ihr  nur  noch  in  äufserlichem ,  schwachem  Zusammenhang  stehn. 
Gern  hätten  wir  darüber  bestimmtes  zu  erfahren  gewünscht,  ob  denn 
in  Frankreich  gar  keine  ausschlielslich  protestantische,  wenigstens 
Privatgymnasien  bestehn  und  wie  sich  solrhe  zu  den  übrigen  des  Lan- 
des verhalten.  Aufserdem  findet  sich  vieles,  was  auf  Fragen  in  un- 
serem Erziehungs-  und  Unterrichtswesen  zurückführt,  und,  wenn  wir 
nicht  falsche  und  einseitige  Handhabung  dem  Grundsatze  selbst  als 
Nachtheil  aufbürden,  doch  auch  manche  gesunde  und  richtige  Ansicht 
und  Maxime.  Wenn  wir  in  der  vorliegenden  Schrift  nachgewiesen 
finden,  wie  in  BVankreich  die  Erziehung  im  Hause  viel  seltner  ist,  als 
die  in  Pensionaten  und  Alumneen,  so  wird  uns  dies  zum  Nachdenken 
auffordern  über  die  auch  bei  uns  nach  dem  Vorgange  Englands  ge- 
äufserte  Ansicht,  dafs  die  Errichtung  solcher  in  weit  gröl'serer  Zahl 
forderlich  und  heilsam  sein  werde,  und  die  Beobachtung  der  dar- 
aus in  Frankreich  hervorgehenden  Folgen  —  neben  charaktervoller 
Entwicklung  Mangel  an  Gemüth  und  Pietät  —  wird  uns  einerseits 
vor  Verirrung  über  gewisse  Grenzen  hinaus  warnen  und  zu  Erhaltung 
der  natürlichen  Bande  ermahnen,  andererseits  aber  zeigen,  wie  viel 
zur  Charakterbildung  das  Versetzen  in  eine  fremde,  abgeschlofsene, 
die  Erwerbung  einer  das  Herz  befriedigenden  Stellung  durch  eigene 
Kraft  fordernde  Welt  beitragen  kann.  Auch  in  Frankreich  hat  sich 
das  Bedürfnis  gezeigt,    den   für    das  bürgerliche   Leben    umfafsendere 

37* 


564     Holzapfel :  über  Erziehung  und  Unterricht  in  Frankreich. 

Kenntnis  und  höhere  Ausbildung  suchenden  jungen  Leuten  Gelegen- 
heit zu  Erwerbung  solcher  zu  geben,  auch  dort  hat  man  es  wegen  der 
Kosten  vortlieilhaft  gefunden,  statt  besondere  Anstalten  zu  errichten, 
mit  den  Gymnasien  dieselben  ersetzende  Einrichtungen  zu  verbinden, 
man  hat  auch  dort  einen  gemeinschaftlichen  Unterbau  für  beide  Rich- 
tungen nicht  allein  für  möglich,  sondern  sogar  für  räthlich  gehalten, 
aber  wichtig  ist,  dafs  man  dann  eine  gänzlichje  innere  Trennung  (en- 
seignement  special)  angenommen.  Die  Wiedervereinigung  in  der  Spitze 
ist  nur  dort  möglich,  wie  sich  bald  ergeben  wird.  Rücksichtlich  der 
eigentlichen  Gymnasialbildung  stellt  sich  schon  dadurch,  noch  mehr 
aber  durch  die  übrige  Darstellung  heraus,  dafs  die  Franzosen  das 
Wesen  derselben  hauptsächlich  und  viel  ausscliliefslicher  als  wir  in 
das  Studium  der  alten  classischen  Sprachen  setzen.  Dafs  die  in  neue- 
ster Zeit  erfolgten  heftigen  Angriffe  auf  die  Lesung  der  heidnischen 
Schriftsteller  nicht  den  Nutzen  und  die  Unersetzbarkeit  der  Sprach- 
studien in  Zweifel  ziehn ,  sondern  aus  ganz  andern  Gründen  hervor- 
gehn,  ist  bekannt  (vgl.  Bd.  LXVII  H.  1).  Da  nun  auch  in  der  ei- 
gentlichen Gymnasialbildung  die  Forderung  realer  Kenntnisse,  beson- 
ders in  den  Naturwifsenschaften  anerkannt  wird,  so  ist  interessant 
die  von  der  bei  uns  gewöhnlichen  ganz  abweichende  Einrichtung  (et- 
was ähnliches  waren  die  in  mehreren  süddeutschen  Ländern  bestehen- 
den philosophischen  Curse,  deren  Absolvierung  vor  dem  eigentlichen 
Fachstudium  gefordert  wurde),  wonach,  nachdem  5  Jahre  hindurch 
fast  ausschliefslich  die  alten  Sprachen  getrieben  sind,  in  einem  sechs- 
ten unter  Fallenlafsen  jener  das  Studium  auf  Mathematik  und  Natur- 
wifsenschaften gewendet  wird.  Es  mufs  dies  um  so  mehr  unser  Nach- 
denken erregen,  als  bei  uns  gegen  das  bunte  Nebeneinander  so  vieler 
Lehrgegenstände  gegründete  Klagen  erhoben  worden  sind  und  man 
sich  vielfach  über  Mittel  dem  Uebel  abzuhelfen  berathen  hat.  Von 
dem  Vorschlage  eines  ähnlichen  Verfahrens,  wie  das  in  Frankreich 
ist,  erinnert  sich  Ref.  nicht  etwas  vernommen  zuhaben,  aber  der  des 
entgegengesetzten  ist  mehrfach  gethan  worden  (s.  Bd.  LXV  S.  90). 
Wie  viel  wahres  darin  enthalten  sei,  dafs  bei  gereifterem  Geiste  und 
geübteren  Kräften  in  kürzerer  Zeit  in  den  Realien  sichrere  und  tüch- 
tigere Leistungen  erzielt  werden,  namentlich  für  das,  was  nicht  Sache 
des  Gedächtnisses  ist,  und  wie  viel  namentlich  die  höhere  formale 
Bildung  dazu  beitrage,  wird  wohl  schwerlich  jemand  verkennen,  und 
wenn  wir  uns  auch  nicht  gegen  unser  System  entscheiden  dürfen,  so 
wird  doch  die  Frage  beherzigenswerth  bleiben,  ob  wir  nicht  man- 
ches zu  früh  betreiben  und  zu  früh  erreichen  zu  können  glauben.  Dafs 
die  Franzosen  übrigens  in  den  Realien  weniger  fordern  und  manche 
Fächer,  wie  z.  B.  die  Geschichte  und  politische  Geographie  (s.  S. 
106  f.  über  das  enseignement  special.  In  den  eigentlichen  Gymnasial- 
classen  ist  es  kaum  anders.  Dafs  wir  den  vor  allem  der  alten  und 
der  vaterländischen  Geschichte  ertheilten  Vorzug  dabei  nicht  mei- 
nen, versteht  sich  wohl  von  selbst)  sehr  vernachläfsigen,  wird  viel- 
leicht  benutzt   werden,    um    uns    von   neuem    auf  den   Grundsatz    der 


Holzapfel;  über  Erzioliiuiu  iiiid  L'iileniolit  in  Frimkrcich.      oö.') 

Engläiuler,  welche  bekanntlich  auf  die  zwingende  Macht  des  Lebens 
und  der  späteren  Verhältnisse  ein  solches  Gewicht  legen,  dafs  sie  die 
Hinführung  im  Unterrichte  desiialb  für  unnöthig  halten,  hinzuweisen; 
indes  werden  die  in  Frankreich  zu  beobachtenden  Folgen ,  die  her- 
gehende Unwil'senheit  in  der  (Jeograpiiie  und  der  Mangel  echter  histo- 
rischer Bildung  (einzelne  Ausnaiinien  beweisen  nichts,  aber  das  S.  107 
von  Michelet  angeführte  spricht  hinlänglich  dafür)  uns  zeigen,  dafs 
nicht  überall  dasselbe  gleichen  Erfolg  hat,  und  uns  die  Frage  vorle- 
gen ,  ob  wir  wohl  denselben,  wie  die  Engländer,  zu  erwarten  hätten. 
Was  die  Unterrichtsmethode  betrifft,  so  legen  die  Franzosen  auf  das 
Docieren  so  geringen  VVerth,  dafs  das  Geschäft  des  Unterrichts  für  den 
Lehrer  fast  ganz  allein  in  Controle  und  Beurtheilung  der  Arbeiten  der 
Schüler  besteht.  Dafs  dasselbe  noch  in  England  gilt,  dasselbe  auch 
in  der  älteren  Zeit  in  unsern  Gymnasien  bestand ,  wenn  schon  viel- 
leicht in  beschränkterem  IMafse,  ist  bekannt.  Wenn  wir  nun  auch 
weit  entfernt  sind,  die  Durchführung  jenes  Grundsatzes  für  möglich 
und  räthlich  zu  halten,  so  ist  doch  die  Frage  zu  beantworten,  ob 
wir  nicht  zu  grofsem  Nachtheile  uns  von  ihm  zu  sehr  abgewandt  ha- 
ben ,  ob  wir  nicht  auf  den  Vortrag  des  Lehrers  ein  zu  grofses,  auf 
die  Arbeit  des  Schülers,  d.  h.  nicht  auf  das  Repetieren,  sondern  auf 
die  Vorarbeit ,  auf  das  selbständige  Aneignen,  ein  zu  geringes  Gewicht 
legen.  Gewichtige  Stimmen  in  unserer  paedagogischen  Litteratur  ha- 
ben darauf  hingewiesen  und  die  Frage  mul's  wohl  als  eine  brennende 
bezeichnet  werden.  Rücksichtlich  des  LTnterrichts  in  den  alten  Spra- 
chen (S.  33  —  37)  sehen  die  Franzosen  beim  Lesen  der  Schriftsteller 
mehr  auf  Aneignung  des  Inhalts,  weniger  auf  allseitiges  Beleuchten 
und  Begreifen  in  etymologischer,  syntaktischer  und  stilistischer  Hin- 
sicht, suchen  mehr  die  Sprache  zum  unbewusten  Besitz  zu  bringen 
und  halten  deshalb  viel  auf  Auswendiglernen,  vielfältige  Exercitien, 
Arbeiten  und  metrische  Uebungen.  Der  Kreis  der  gelesenen  Schrift- 
steller ist  weit  umfafsender  als  bei  uns  (S.  24),  dagegen  scheint  um- 
fänglichere Bekanntschaft  und  gröfsere  Vertrautheit  mit  einzelnen 
weit  weniger  Augenmerk  zu  sein.  Findet  sich  dabei  auch  manches 
entschieden  tadelnswerthe,  wie  z.  B.  dafs  selbst  stetes  Fortschreiten 
vom  leichteren  zum  schwereren  nicht  genug  beobachtet  Avird  (S.  35  f.), 
so  wird  man  doch  auf  anderes  zur  Bekräftigung  von  Forderungen, 
welche  man  auch  bei  uns  gestellt  hat,  hinweisen.  Es  ist  hier  nicht 
der  Ort  die  hier  einschlagenden  Fragen  zu  erörtern,  aber  auf  eins 
miifs  Ref.  diejenigen,  welche  etwa  davon  Gebrauch  machen  sollten, 
aufmerksam  machen,  dafs  dem  französischen  Geiste  die  Richtung  auf 
die  Tiefe,  welche  einen  eigenthümlichen  Vorzug  des  unsrigen  bildet, 
mangelt,  und  dafs  wir  demnach  darin  fehlen  können,  jener  Richtung 
zu  viel  und  zu  früh  nachzugeben,  aber  derselben  im  Unterrichte  ge- 
wis  Rechnung  tragen  müfsen.  In  Bezug  auf  das,  was  der  Hr.  Verf. 
S.  34  sagt:  <^unsere  Extemporalien  sind  nicht  üblich,  insofern  man  un- 
ter Extemporalien  die  Uebungen  versteht,  bei  denen  in  der  Mutter- 
sprache   gegebene   Dictate    sogleich   in  der  fremden  niedergeschrieben 


566      Holzapfel :  über  Erziehung  und  Unterricht  in  Frankreich. 

werden'  bemerkt  Ref.,  dafs  jene  Uebungen  auch  in  Deutschland  nur 
selten  sind  und  die  meisten  den  Namen  nicht  im  eigentlichen  Sinne 
verdienen.  Wenn  derselbe  S.  36  sich  dahin  äufsert,  die  grofse  Sorg- 
falt und  der  grofse  Zeitaufwand  für  metrische  Uebungen  sei  zu  ent- 
schuldigen durch  die  aufserordentlichen  Schwierigkeiten,  welche  die 
Auffafsung  der  Quantitätsverhältnisse  für  den  Franzosen  habe,  und*  in 
der  Note  hinzufügt,  dafs  er  zwar  weit  entfernt  sei  jenen  Uebungen 
jeden  Nutzen  abzusprechen,  aber  sich  nicht  überzeugen  könne,  dafs 
die  Ausbeute  in  richtigem  Verhältnisse  stehe  zu  der  aufgewandten 
Kraft  und  Zeit,  welche  sich  ohne  Zweifel  im  Interesse  der  classi- 
schen  Studien  zweckmäfsiger  verwenden  lafse,  so  glaubt  Ref.,  der 
übrigens  die  von  manchen  empfohlene  Ausdehnung  jener  Uebungen 
selbst  beschränkt  wünscht  (s.  Bd.  LXVI  S.  180),  dafs  so  entschieden 
verwerfende  Urtheiie  nicht  gefällt  werden  würden,  wenn  man  recht 
erwöge,  wie  jene  Uebungen  dafür,  den  Schüler  mit  dem  Wesen  dich- 
terischer Sprache  und  Auffafsung  vertraut  zu  machen,  förderlicher 
sind  als  Erklärung  und  Auseinandersetzung.  S.  39  rühmt  der  Hr. 
Verf.  —  und  die  Aussprüche  anderer  stimmen  damit  nberein  —  die 
grofse  Gewandtheit  im  französischen  Stile,  welche  durchgängig  die 
jungen  Leute  der  oberen  Classen  besitzen,  und  es  ist  deshalb  gewis 
lehrreich,  die  Art  und  Weise,  wie  dies  Resultat  erzielt  wird,  kennen 
zu  lernen,  zumal  da  die  Schriftsprache  —  denn  dafs  auf  deren  Er- 
lernung es  allein  ankommt,  hat  R.  v.  Raum  er  in  K.  v.  Raumers  Ge- 
schichte der  Paedagogik  III,  2,  durch  den  überhaupt  die  Methodik  des 
deutschen  Unterrichts  in  ein  neues  Stadium  eingetreten  ist,  trefflich 
gezeigt,  —  in  Frankreich  von  der  Volkssprache  wohl  eben  so  scharf 
geschieden  ist  als  bei  uns,  und  demnach  ihre  Erlernung,  wenn  schon 
man  gröfsere  Gewandtheit  in  der  B'orm  den  Franzosen  als  Charakter- 
eigenthümlichkeit  zugestehn  mufs ,  gewis  dieselben  Schwierigkeiten 
hat.  Wenn  nun  dort  jenes  Ziel  ohne  eigentlichen  theoretischen  Un- 
terricht in  der  französischen  Grammatik  und  ohne  die  Existenz  freier 
Aufsätze  aufser  in  den  obersten  Classen  (S.  37  —  39),  durch  fleifsiges 
Lesen,  Erklären  (über  die  Art  desselben  wünschten  wir  allerdings  tie- 
fere Aufschlüfse)  und  Auswendiglernen  der  Musterschriftsteller  und  da- 
durch, dafs  man  von  vornherein  beim  Uebersetzen  der  alten  Schriftsteller 
auf  einen  scharf  bezeichnenden  und  doch  schönen  Ausdruck  streng  hält, 
erreicht  wird,  sollte  dies  nicht  für  uns  zur  Entscheidung  der  schwleri- 
rigen  Frage  wegen  des  deutschen  Unterrichts  etwas  beitragen  können? 
Interessant  ist  für  den  Ref.  auch  die  Notiz  gewesen,  dafs  die  Fran- 
zosen von  neueren  Sprachen  nur  deutsch  und  englisch,  nie  eine  roma- 
nische in  den  Schulen  lehren,  weil  der  dafür  anzugebende  Grund, 
dafs  sie  jene  Sprachen  als  der  Muttersprache  ferner  stehend  für  bil- 
dender halten,  ein  Licht  wirft  auf  die  Forderung  vieler  in  Deutsch- 
land, das  französische  in  den  Gymnasien  durch  das  englische  zu  er- 
setzen. Diese  Bemerkungen,  welche  sich  dem  Ref.  bei  der  Leetüre 
aufdrängten,  werden  genügen,  den  Werth  der  vorliegenden  Schrift 
ZU  bezeichnen.  Dictsch. 


Giinllicr:  (Ins  Sclmlvvesoii  im  protesliinlisclicii  Staate.         .107 

Das  Schulwesen  im  proleslnvlisclien  Slaale.    Vorträge   für  Gebil- 
dete von  Dr.  Frdr.  Joarh.  aünther.     Klboifeld   1852.     559  S.  12. 

Der    Verf.    des    vorlien;ondeii    Buches    ist  den    Lesern    dieser   Zeit- 
schrift durch  seine  frühere  Sclirift  ü!)er  den  deutsciicn  Unterricht  und 
dnrch  seine  Aufsätze  über  das  preussische  Cymnasialwesen  in  den  letz- 
ten   dreifsig   Jaliren    im    'Janus'   wohlbekannt.      Ein    Mann  von  Geist, 
mit  Knerf>ie  und  Schärfe  des  Denkens  bef^abt,  dabei  wiilensstark  nacii 
Verwirklichung   der   erkannten  Wahrheiten  strebend  und  rücksichtslos 
die    Dinge,    wie    sie    ihm    erscheinen,    bezeichnend,    hat    er  sich  durch 
Blofsstellung   verkehrter   Richtungen  unbestreitbare  Verdienste  erwor- 
ben,   wenn    auch  dieselben  weniger  offen,    vielmehr  durch  das  allmäh- 
liche Geltendwerden  gleicher  oder  verwandter  Ansichten  und  Gedanken 
anerkannt   worden   sind.     Freilich    hat    er   sich,    wie   jeder   energische 
Geist,   der  was  er  hat  und  ist    nur   sich    selbst  zu  verdanken  hat,  vor 
gewissen  Einseitigkeiten  nicht  bewahren  können  und  deshalb  sind  seine 
aufbauenden  Vorschläge  weniger  praktisch.     Mit  dem  allmählichen  Um - 
und  Ausbilden,  mit  der  Berücksichtigung  der  gegebenen  Verhältnisse, 
mit    einem   Rechnungtragen    gegen    das    factisch  bestehende  und  einem 
möglichen    Bewahren   des    darin   enthaltenen    guten    kann   sich  ein  sol- 
cher Mann  nicht  befafsen.     Er  zeigt  die  Schäden  von  dem  was  ist  und 
wie  es    sein    sollte;    darum,    wie  es  so  werden  kann  und  soll,    beküm- 
mert   er    sich   weniger.     Auch  das  vorliegende  Buch  gibt  davon  Zeug- 
nis.    Wir    finden    in    demselben    so    viel    richtiges    und    wahres   scharf 
und  klar  herausgestellt,    dafs   wir  uns  desselben  herzlichst  freuen  und 
eine  wesentliche  und  nachhaltende  Anregung  empfinden,  dagegen  doch 
auch    wieder    so    vieles    einseitige    und    bedenkliche,     dafs    wir   nach 
dessen  Ausscheidung  ringen.      Dem  Zwecke  unserer  Zeitschrift  gemäfs 
beschränken    wir    uns    auf  das,    was  im  10  —  13.  Vortrage  S.  217 — 313 
von  den  Gymnasien  gesagt  ist,    und    können    dies    um    so    leichter,  als 
hier  gerade  die  Principien,    von  welchen  der  Hr.  Verf.  sonst  ausgeht, 
und   die    uns    allerdings    zu    einer   weitläufigen    Discussion   veranlafsen 
müsten,   wie    z.  B.  schon  der  einzige  Ausdruck 'protestantischer  Staat', 
am  wenigsten  als  mafsgebend  in  Betracht  kommen.     Auch  werden   wir 
uns  nicht  an  die  Form    halten  und  den   etwaigen  Mangel  an  logischer 
Consequenz   hier    und   da    herausstellen   —   in  Vorträgen   ist   ja    hier 
ohnehin  ein  anderer  Mafsstab  als  sonst  anzulegen  — ,  sondern  bespre- 
chen   nur    den    Inhalt.     Zuerst  freut  es  uns,    dafs  wir  den  Begriff  des 
Gymnasiums    als    einer    Vorbereitungsanstalt     zum     wifsenschaftlichen 
Studium    richtig    erkannt    und   bestimmt   dargestellt,    damit    aber  auch 
zugleich   jenes    hohle   Reden    von   allgemeiner   Bildung   (der   Verf.    er- 
kennt  nur    Berufsschulen    an)    abgeschnitten    und    der   Realschule  ihre 
rechte    Stellung   angewiesen  finden.     Wir  theilen  vollkommen  das    Be- 
streben, das  Festhalten  und  die  strenge  Durchführung  dieser  Bestim- 
mung als  nothwendig  darzulegen  und  das  Paciscieren  mit  dem  Realis- 
mus in  seiner  Halbheit  und  Gefährlichkeit  nachzuweisen,  aber  dennoch 
sind  wir  mit  der  Begründung  der  Beorderung  weniger  zufrieden.     Na- 


568        Günther:  das  Schulwesen  im  protestantischen  Staate. 

mentlich  genügt  uns  der  Beweis  dafür,  dafs  das  Studium  der  Alten 
das  nothweiidige,  weil  wirksamste  Mittel  zu  der  Bildung  ist,  welche 
das  Gymnasium  geben  soll,  nicht.  Gründet  man  diesen,  wie  der  Hr- 
Verf.  nach  anderen  thut,  darauf,  dafs  Alterthum,  Christenthum  und 
Germanenthum  die  Factoren  sind,  aus  welchen  unsere  moderne  Bildung 
erwachsen  ,  so  springt  die  Nothwendigkeit  des  so  viel  Zeit  und  Kraft 
erfordernden  Studiums  der  Alten  selbst  nicht  in  die  Augen;  stellt  man 
ihn  darauf,  dafs  der  wahrhaft  wifsenschaftliche  Mann  die  Quellen  und 
den  Grund  der  Wahrheiten  seiner  Wifsenschaft  und  deren  Entwick- 
lung selbständig  urtheilend  erkennen  müfse ,  so  wird  man,  so  sehr 
sich  Ref.  freut,  hier  dieselben  an  das  Gymnasium  gewiesen  zu  sehn, 
für  die  Älediciner  die  Nothwendigkeit  weniger  einsehn,  und  selbst  für 
Theologen  und  Juristen  etwas  anderes,  als  die  eigentlichen  alten  Clas- 
siker  fordern;  beruft  man  sich  darauf,  dafs  klare  Auffafsung,  Aneig- 
nung und  Darstellung  fremden  geistigen  Eigenthums  eine  nothwendige 
Bedingung  des  wifsenschaftlichen  Studiums  sei,  so  bleibt  immer  die 
Frage  nicht  zurückgewiesen,  warum  nicht  an  den  Neueren  dasselbe 
gewonnen  werden  solle.  Keines  von  diesen  Momenten  ist  an  und  für 
sich  zwingend,  und  dennoch  keins  unbedeutsam.  Sie  legen  aber  erst 
in  ihrer  Gesammtheit  ein  verdoppelndes  Gewicht  zu  dem,  dessen  Hin- 
zutreten das  eigentlich  entscheidende  ist,  zu  der  Uebung  der  Kräfte 
und  der  Zucht  des  Geistes,  welche  erfahrungsmäfsig  eben  so  wie 
nach  theoretisch  unumstöfslichen  Grundsätzen  durch  das  Studium  der 
Alten  in  ihrer  ursprünglichen  Form,  wie  in  gleichem  Mafse  durch  kein 
anderes  gegeben  werden.  Das  haben  unsere  Vorfahren  erkannt;  denn 
unter  der  sapientia  und  eloquentia,  welche  Sturm  zu  der  pietas  hin- 
zufügte, ist  nichts  anders  zu  verstehn,  als  jene  Befähigung,  Erstar- 
kung und  Züchtigung  des  Geistes,  und  gerade  dieses  Moment  mufs 
den  gebildeten  gegenüber  am  meisten  geltend  gemacht  werden,  weil 
es  das  Wesen  des  Gymnasiums  bedingt;  darauf  müfsen  die  Lehrerund 
Leiter  der  Anstalten  immer  wieder  hingewiesen  werden ,  weil  ohne 
klares  Bewustsein  darüber  ihre  Arbeit  eine  theilweise  vergebliche 
sein  mufs.  Dies  also  hätten  wir  von  dem  Hrn.  Verf.  mehr  berücksich- 
tigt gewünscht.  Wenn  nun  derselbe  auf  Vereinfachung  des  Lehrplans 
und  Concentration  der  Kraft  auf  dieses  eine  Studium  dringt,  so  hat 
dies  nicht  nur  unseren  ungetheilten  Beifall,  sondern  wir  begrüfsen  ihn 
als  einen  willkommenen  Mitstreiter,  gleichwohl  aber  müfsen  wir  auch 
hier  manches  von  uns  zurückweisen.  Die  Ansicht  über  das  Progym- 
nasium theiien  wir  ganz.  Auch  wir  wünschen  nicht  gemeinsamen  Un- 
terbau für  Gymnasium  und  Realschule,  nehmen  für  jenes  schon  einen 
frühzeitigen  bestimmt  eigenthümlichen  Weg  in  Anspruch,  geben  aber 
sehr  gern  zu,  dafs  hier  in  den  Vorstufen  viel  gemeinsames  statt  finde, 
ohne  jedoch  auf  die  Möglichkeit  erst  späterer  Entscheidung  für  einen 
bestimmten  Beruf  ein  grofses  Gewicht  zu  legen.  Für  die  drei  oberen 
Classen  stellt  der  Hr.  Verf.  unter  Voraussetzung  eines  zweijährigen 
Cursus  S.  265  folgenden  Lectionsplan  auf. 


Günther:  das  Schulwesen  im  protestantischen  Staate.        569 

Std.     Montag.    Diiistag.    Mittwoch.  Donnerstag.  Freitag.    Sonnabend. 

7 — 8    Religion.  Religion.  Religion.     Deutsch.        Deutsch.  Deutsch. 

8 — 9    Latein.      Latein.      Latein.         Latein.  Latein.      Latein. 

9 — 10  Griech.      Griech.      Griech.        Griecli.  Griech.      Griech. 

10 — 11  Deutsch.    Deutsch.  NcuereSjjr.  Latein.  Latein.      Latein. 

Wir  halten  es  allerdings  nicht  für  bedeutungslos,  dal's  der  Hr.  Verf. 
sich  nicht  begnügt,  nur  die  Zahl  der  wöchentlichen  Lehrstunden  für 
die  einzelnen  Fächer  zu  bezeichnen,  sondern  auch  denselben  eine  be- 
stimmte Zeit  und  Folge  vorschreibt,  legen  indes  darauf  kein  Gewicht, 
weil  nach  allem,  was  wir  von  ihm  gelesen,  wir  überzeugt  sind,  dafs 
er  auch  hierin  individuellen  Verhältnissen  Rechnung  getragen  wifsen 
will.  Hier  erscheinen  denn  nun  ganze  Lehrfächer,  die  jetzt  auf  den 
Lectionsplänen  sich  breit  machen,  gestrichen:  die  Mathematik,  weil 
sie  sich  nur  als  Wifsenschaft  lehren  lafse ,  Wifsenschaft  aber  nicht 
auf  die  Schule  gehöre,  in  Folge  davon  und  aus  andern  Gründen  auch 
die  Naturwifsenschaften,  Geschichte,  weil  davon  genug  durch  die 
Leetüre  der  Alten  gelernt  werde,  der  wirkliche  Unterricht  aber,  wenn 
die  Geschichte  nicht  als  Wifsenschaft  gelehrt  werden  dürfe,  entweder 
mehr  Gedächtnisquälerei  sei  oder  Geschichten  aus  der  Geschichte  gebe, 
aus  ähnlichen  Gründen  die  Geographie,  der  philosophischen  Propae- 
deutik  gedenken  wir  nicht,  weil  hierüber  die  Meinungen  sehr  ver- 
schieden sind.  Wie  können  nun  wir,  die  wir  doch  auch  für  Verein- 
fachung des  Lectionsplans  gesprochen,  die  wir  daraufdringen,  für 
das  selbstthätige  Studieren  der  Alten  Zeit  und  zwar  fast  alle  Zeit  zu 
gewinnen,  damit  nicht  einverstanden  sein?  Zuerst  bringt  der  Hr. 
Verf.,  wie  uns  scheint,  das,  was  er  officiell  hinausgeworfen,  doch 
durch  ein  Hinterthürchen  wieder  hinein.  Denn  in  den  deutschen  Stun- 
den soll  der  Schüler  reden,  wie  es  S.  264-  heifst:  'Der  Schüler  lerne 
also  in  freier  Rede  früher  gelerntes  wiederholen ,  selbst  gewähltes 
mittheilen,  die  Arbeit  seiner  Neigung  —  sei  es  Mathematik,  Physik, 
Astronomie  oder  sonst  was  —  vorlegen,  über  seine  vom  Lehrer  vor- 
geschriebene Leetüre  öffentlich  Auskunft  geben,  von  seiner  Privat- 
lectüre  Bericht  erstatten,  Auszüge  aus  Büchern  geben,  Erklärungen 
classischer  Stellen  liefern,  lerne  zerstreutes  ordnen,  fernliegendes 
verknüpfen,  ähnliches  vergleichen,  das  Für  und  Wider  erwägen,  das 
schönste  aus  Geschichte,  Geographie  u.  s.  w.  auf  Geheifs  oder  aus 
sich  aussuchen  und  vortragen.'  Heifst  dies  nicht  die  Sache  im  Stu- 
dium lafsen,  und  nur  einen  andern  Weg  einschlagen,  welcher  der  in- 
dividuellen Neigung  mehr  Raum  läfst  ?  Und  ist  denn  zweitens  nicht 
hierin  ein  Bedürfnis  nach  Kenntnis  jener  Fächer  anerkannt?  Trifft 
endlich  nicht  drittens  der  Tadel  vielmehr  die  verkehrte  Methode,  den 
abusus,  als  den  usus?  Damit  sind  wir  ganz  einverstanden,  dafs  jene 
Dinge  nicht  als  Wlfsenschaften  gelehrt  werden  dürfen,  dafs  der  Wille 
praktische  Bedürfnisse  dadurch  zu  befriedigen  unendlichen  Schaden 
gestiftet  hat,  aber  gleichwohl  halten  wir  dafür,  dafs  sie  betrieben 
werden  sollen ,  freilich  nur  in  rechter  Weise.  Wir  müfsen  jedoch 
etwas   weiter    ausholen.     Ed   ist   etwas   sehr   schönes    und    blendendes. 


570        Günther:  das  Schiihvesen  im  prolestanlisclien  Staate. 

dafs  der  Individualität  freier  Spielraum  gegeben  werden  müfse,  wenn 
man  nur  nicht  so  oft  dabei  vergkfse,  dafs  die  zu  erziehende  Jugend 
erst  zur  Individualität  gebildet  werden  soll.  Nicht  jeder  Neigung 
oder  Abneigung  des  Knaben  ist  nachzugeben,  um  so  weniger  als  die- 
selbe häufig  nur  Scheu  vor  Anstrengung  oder  unbewustes ,  wo  nicht 
unsittliches  Gefallenfinden  ist.  Bei  aller  Verschiedenheit  der  Anlagen 
und  Kräfte  ferner  ist  doch  der  gänzliche  Mangel  daran  für  irgend  eine 
bestimmte  Sache  gewis  nur  eine  höchst  seltene  Ausnahme  und  wo  sich 
ein  solcher  zeigt,  gewis  auch  keine  genügende  Bildung  im  ganzen  zu 
erwarten.  Erweckung,  Bethätigung,  Uebung  der  vorhandenen  Kraft, 
mag  ihr  Mafs  noch  so  gering  sein,  ist  Pflicht.  Endlich  ist  ja  der 
Zwang,  weil  er  die  eigne  Lust  überwinden  und  den  eignen  Willen 
unter  ein  Gebot  gefangen  zu  geben  lehrt,  für  die  sittlich- religiöse 
Erziehung  ein  unerläfsliches  Moment  und  dies  darf  vom  Lernen  nicht 
ausgeschlofsen  sein,  um  so  weniger,  als  ja  der  gröfste  Theil  des  Han- 
delns für  den  Knaben  im  Lernen  besteht.  Also  aus  dem  Grunde,  dafs 
die  Liebe  für  jene  Fächer  nicht  bei  allen  gleich  vorhanden  sei,  darf 
man  sie  nicht  ausschliefsen,  das  Recht  der  Individualität  fordert  nur, 
dafs  man  nicht  von  allen  das  gleiche  fordere,  mindestens  nicht  in 
gleicher  Zeit  und  auf  gleiche  Weise;  denn  selbst  so  weit  darf  es  nicht 
ausgedehnt  werden,  dafs  man  nicht  ein  bestimmt  begrenztes  Mafs  für 
alle  als  Endziel  aufzustellen  hätte.  Doch  hier  werden  wir  mit  dem 
Hrn.  Verf.  leicht  übereinkommen,  da  er  ja  dem  Lehrer  nachläfst,  dem 
Schüler  Aufgaben  zu  stellen ,  die  das  Studium  jener  Lehrfächer  be- 
treffen, aber  die  Hauptdifferenz  besteht  darin,  dafs  er  uns  dem  Selbst- 
studium einen  zu  grofsen  Raum  und  zu  grofsen  Werth  beizulegen 
scheint.  Anhaltende  Selbstthätigkeit,  Erarbeitung  aus  eigner  Kraft, 
Vertiefung  in  einen  Gegenstand  sind  Grundbedingungen  der  wahrhaft 
innerlichen  und  kernhaften  Geistesbildung,  allein  man  kann  auch  in 
der  Ausführung  des  daraus  sich  ergebenden  paedagogischen  Grund- 
satzes zu  weit  gehen,  einmal  indem  man  zu  früh  und  zu  umfafsendes 
Selbststudium  fordert,  und  sodann  indem  man  dem  Unterrichte  zu  we- 
nig Geltung  beilegt  und  denselben  nur  auf  Aufgaben  und  Anleitung, 
Prüfung  und  Beurtheilung  beschränkt.  Auf  die  Jugend  übt  die  leben- 
di"-e  Persönlichkeit  einen  noch  viel  tieferen  und  nachhaltigeren  Ein- 
flufs  aus,  als  auf  die  späteren  Altersstufen.  Das  gesprochene  Wort 
ergreift  sie  mächtiger,  als  das  geschriebene.  Die  Anschauung,  wie 
der  Lehrer  den  Gegenstand  erfafst ,  wie  er  ihn  mit  Liebe  und  Hinge- 
bung studiert  hat,  wie  er  ihn  beherscht,  wirkt  bei  dem  Schüler  in 
einer  von  vielen,  namentlich  solchen,  deren  eigner  Bildungsgang  die 
Erfahrung  davon  ausgeschlofsen  ,  nicht  genug  erkannten  und  gewür- 
digten Weise.  Und  so  entsteht  denn  uns  gegen  des  Hrn.  Verf.  Vor- 
schlag das  doppelte  Bedenken,  dafs  einmal  dem  Schüler  zu  früh  und 
zu  umfängliches  Selbststudium  zugemuthet,  sodann  aber  der  kalte 
Buchstab  und  das  Lesen  zu  sehr  an  die  Stelle  des  AVortes  und  des 
Anschauens  einer  Persönlichkeit  gesetzt  werde.  Die  in  den  untern 
Classen  gewonnenen  Kenntnisse,  z.  B.  in  der  Mathematik,  geben  nicht 


Günther:  das  Schulwesen  im  protestantischen  Staate.        571 

die  Befähigung  selbständig  darin  vorwärts  zu  schreiten,  und  Unter- 
richt wird  sicherer,  schneller  und  weiter  führen.  Dazu  kommt,  dafs 
Mathematik  sich  für  ein  früheres  Alter  gar  nicht  eignet,  ja  wegen 
ihrer  Kiiiseitigkeit  sogar  s<hii(llich  wird.  Das  Re<;hnen  und  die  soge- 
nannte geometrische  Kornieiilehre  verhalten  sich  zur  Mathematik,  wie 
Illuminieren  zur  Malerei.  Docii  wir  müfseu  zweierlei  nachweisen,  einmal, 
dafs  jene  Gegenstände  im  Gymnasium  nicht  fehlen  dürfen,  und  sodann, 
wie  sie  betrieben  werden  müfseu,  um  dessen  eigentlichem  Zwecke  nicht 
hinderlich  zu  werden.  Ein  Bedürfnis  davon  erkennt  der  Hr.  Verf. 
selbst  an,  wir  aber  machen  eine  Nothwendigkeit  geltend  für  die  Ma- 
thematik. Diese  gründen  wir  nicht  darauf,  dafs  sie  die  Grundlage 
für  die  Naturwifsenschaften  ist  —  denn  als  solche  gehört  sie  nicht 
in  das  Gymnasium,  wo  sie  ohnehin  nicht  so  weit  getrieben  werden 
kann,  dafs  sie  jene  Aufgabe  erfüllte  —  sondern  auf  das,  wodurch  sie 
eben  jene  Grundlage  ist,  dafs  sie  eine  Weise  und  Art  des  mensch- 
lichen Denkens  bildet,  die  innerlich  nothw endig  und  dem  Geiste  ur- 
eigen, aber  von  allen  anderen  wesentlich  verschieden,  für  sich  einsei- 
tig, aber  doch  zu  vielen  Dingen  förderlich  ist.  Aufserdem  bietet  sie 
durch  ihre  verstandesmäfsige  Folgerichtigkeit  ein  gutes  Zuchtmittei 
für  den  Geist,  indem  sie  alles  halbwahre,  unerwiesene  oder  doch 
nicht  in  sich  selbst  unleugbare,  alles  unverknüpfte  und  unvermittelte 
zurückweisen  lehrt  und  einen  Pfad  von  Stufe  zu  Stufe  ohne  Sprung 
zu  ermefsen  zwingt.  Hält  man  dies  als  die  Ursache  fest,  um  deren 
willen  allein  sie  gelehrt  wird,  so  wird  man  einerseits  in  derselben 
weder  ein  zu  umfafsendes  Mals  als  Ziel  setzen,  vielmehr  sich  mit  viel 
wenigeren  Theilen  begnügen,  als  jetzt,  andererseits  aber  in  einer  sol- 
chen Methode  lehren,  für  welche  die  Uebung  des  Geistes  die  alleinige 
Rücksicht  bleibt,  demnach  nicht  viele  Stunden  und  noch  weniger 
Fleifs  des  Schülers  aufser  den  Lectionen  in  Anspruch  nehmen.  Dann 
wird  auch  die  so  oft  gehörte  Klage  über  Abneigung  der  Schüler  gegen 
den  Gegenstand  schwinden,  weil  dieselben  nicht  so  schnell  weiterge- 
führt und  In  dem  vorhergehenden  sicherer,  leichter  fortschreiten,  und 
durch  die  Uebung  der  Kraft  Lust  und  Liebe  gewinnen  werden.  Mit 
den  Naturwifsenschaften  verhält  es  sich  etwas  anders,  indem  sie  mehr 
unmittelbar  praktisches  Literesse  haben.  Dafs  aber  auch  sie  eine  be- 
stimmte Uebung  des  Denkens ,  des  Schliefsens  von  der  Erscheinung 
auf  das  Gesetz,  bieten,  ist  eben  so  offenbar,  wie  dafs  diese  Uebung  zu 
besitzen,  ein  Theil  der  wifsenschaftlichen  Vorbildung  ist.  Die  Gym- 
nasien haben  aber  von  jedem  System,  von  jedem  abgeschlofsenen  Gan- 
zen vollständig  zu  abstrahieren,  sie  haben  nur  die  einfachsten  auf  ma- 
thematische Grundlagen  zurückzuführenden  Gesetze  nachzuweisen  und 
nur  auf  die  Wirkungen  der  verborgenen  Kräfte  der  Natur  Rücksicht 
zu  nehmen  ,  alles  dies  aber  mit  steter  Rücksicht  auf  die  Uebung  und 
Bethätigung  der  Geisteskraft.  Am  besten  wird  Physik  mit  der  Mathema- 
tik in  Zusammenhang  gesetzt  und  so  zugleich  die  Anwendung  dieser 
gezeigt  werden.  Die  Gesetze  des  Falls  lafsen  sich  z.  B.  an  die  Pro- 
portionslehre,  die   vom   Parallelogramm   der   Kräfte   an  die  Lehre  von 


572         Günther:  das  Schulwesen  im  protestantischen  Staate. 

<len  Parallelogrammen  u.  s.  w.  anknüpfen,  für  anderes,  wie  z.  B. 
Electricität  und  Magnetismus,  werden  wenige  aufserordentliche  Stunden 
ausreichen.  Wird  die  Sache  in  dieser  Weise  betrieben,  wird  nament- 
lich das  beachtet,  dafs  der  Schüler  in  der  Stunde  alles  fafsen  und  behal- 
ten könne,  so  wird  gewis  mehr  gewonnen,  als  wenn  man  ihm  zumuthet, 
ans  eigner  Wahl  oder  nach  gestellter  Aufgabe  ganze  Partien  —  wie 
wenige  stehn  aufser  allem  Zusammenhange  mit  anderen! —  durch  und 
zu  verarbeiten.  Wird  übrigens  bei  dem  vom  Hrn.  Verf.  vorgeschla- 
genen Verfahren  nicht  oft  die  Nothwendigkeit  für  den  Lehrer  eintre- 
ten, ganze  Partien  selbst  zu  erläutern?  Für  die  Geschichte  wird  der 
Hr.  Verf.  wohl  die  Nothwendigkeit,  dafs  ein  allgemeiner  Umrifs,  durch 
die  Hauptbegebenheiten  als  Endpunkte  bezeichnet,  in  dem  Gedächt- 
nis treu  bewahrt  vorhanden  sei,  anerkennen.  Denn  etwas  derartiges 
verlangt  er  in  den  untern  Classen  und  will  in  den  oberen  davon  Re- 
petitionen.  Dafs  und  wie  nun  aber  der  Geschichtsunterricht  nicht 
todtes  Wifsen,  sondern  Bildung  bewirke,  darüber  dürfen  wir  wohl 
auf  Campe's  gediegene  Leistungen  verweisen.  Der  recht  getriebene  Ge- 
schichtsunterricht wird  die  classischen  Studijsji  nur  fördern  und  sich 
eng  an  sie  anschliefsen,  zugleich  aber  auch  deutschen  Ausdruck  und 
Darstellung  in  einer  Weise  üben,  dafs  wir  uns  vollkommen  berechtigt 
glauben,  wenn  wir  2  von  den  5  deutschen  Stunden  des  Hrn.  Verf. 
ihm  zuweisen.  Die  Geographie  brauchen  wir  nicht  zu  berücksichtigen, 
da  sie  allgemein  in  den  oberen  Classen,  zum  Theil  sogar  in  den  un- 
teren, nur  mit  der  Geschichte  in  Verbindung  gesetzt  wird.  Wenn  wir 
so  einige  Unterrichtsstunden  mehr  herausbekommen  als  der  Hr.  Verf., 
so  sind  wir  doch  andererseits  der  Ueberzeugung ,  dafs  wir  an  Zeit  für 
die  classischen  Studien  dabei  ersparen,  weil  wir  dem  Schüler  den  Weg 
zu  gewissen  nothwendigen  Uebungen  und  Kenntnissen  erleichtern.  Es 
tritt  aber  noch  ein  anderes  Moment  hinzu.  Der  Hr.  Verf.  scheint  uns 
nemlrch  auf  das  Reden  ein  gar  zu  grofses  Gewicht  zu  legen.  Was 
schon  Pythagoras  erkannt,  als  er  seinen  Schülern  Schweigen  aufer- 
legte, dies  sollten  wir  in  unserer  Paedagogik  nie  aus  den  Augen  ver- 
lieren. So  lange  die  Philosophen  noch  wie  Pythagoras  waren ,  stand 
es  um  Griechenland  befser,  mit  den  Sophisten  tritt  der  Verfall  ein, 
und  der  ähnliche  Vorgang  hat  sich  in  Rom  wiederholt.  Wir  schei- 
nen uns  auf  dem  Wege  zu  befinden,  die  rhetorische  Befähigung  bei 
unserer  Bildung  zur  Hauptsache  zu  machen  und  es  thut  uns  weh,  dem 
Hrn.  Verf.  auch  auf  demselben  zu  begegnen.  Es  ist  etwas  ganz  an- 
deres, wenn  man  den  Schüler  zwingt  auf  Fragen  und  Aufforderung 
zusammenhangende  Auskunft  zu  geben,  als  wenn  man  ihn  veranJafst, 
vieles  sogleich  mit  dem  Gedanken  zu  thun,  darüber  Vortrag  zu  hal- 
ten. Dies  letztere  führt  nothwendig  die  Jugend  zur  Erhebung  über 
die  ihr  gebührende  bescheidene  Stellung  hinaus  und  wird  nicht  ein- 
mal der  rechten  gediegenen  Beredtsamkeit  förderlich  sein.  Ist  der 
stilus  optimus  dicendi  magister,  so  wollen  wir  doch  auch  die  schrift- 
liche Uebung  zur  Hauptsache  machen  und  als  solche  behalten.  Un- 
sere Jugend  greift  schon  ohnehin  gern  zu  dem  ,   was  erst  den  erwach- 


Günther :  das  Schulwesen  im  protestantischen  Staate.         573 

senen  gebührt.  Stellen  wir  hier  lieber  einen  Damm  entgegen,  als  dafs 
wir  die  Neigung  entrelseln.  Am  allerwenigsten  vermögen  wir  dem 
Hrn.  Verf.  in  Bezug  auf  die  neueren  Sprachen  beizustimmen.  Eine 
Stunde  Avöchentlich  und  in  Tertia  französisch,  in  Secunda  italienisch, 
in  Prima  englisch!  Ist  da  nicht  eine  gröfsere  Ueberhäufung,  als  je  ge- 
fordert worden?  Dann  sollte  man  nach  unserer  innersten  Ueberzeugung 
lieber  die  Sache  ganz  hinauswerfen.  Was  der  Hr.  Verf.  über  die  Me- 
thodik der  alten  Sprachen  sagt,  enthält  vieles  gute,  z.  B.  das  Drin- 
gen auf  umfängliche  Leetüre,  Beseitigung  der  rationellen  Grammatik 
und  rein  philologischen  Erklärung,  indes,  wir  sprechen  es  ganz  offen 
aus,  zeigt  doch  auch  vieles,  dafs  er  nicht  tiefe  Studien  im  Alter- 
thume  selbst  gemacht  hat  und  als  Lehrer  darin  wohl  nur  geringe  Erfah- 
rung besitzt.  Manches  ist  doch  gar  oberflächlich  hingestellt.  Geht  er 
doch  so  weit,  den  Schülern  geradezu  den  Gebrauch  einer  Uebersetzung 
zur  Pflicht  zu  machen.  Das,  was  der  Hr.  Verf.  über  Censuren  und 
Prüfungen,  über  das  Abiturientenexamen,  über  die  Beaufsichtigung 
durch  den  Staat  sagt,  enthält  sehr  viel  beachtenswerthes,  indes  wird 
sich  manches  nach  unseren  Bemerkungen  von  selbst  modificieren  müs- 
sen. Nur  in  Bezug  auf  den  Religionsunterricht  nüifsen  wir  noch  die 
Bemerkung  machen ,  dafs  er  zwar  echte  Christlichkeit  im  Gymnasium 
will,  aber  bis  zu  dem  Begriffe  der  Kirche  noch  nicht  hindurch  ge- 
drungen ist.  Sein  Standpunkt  scheint  ein  modificierter,  der  Augs- 
burgischen Confession  sich  zuwendender  unionistischer  zu  sein. 

So  weit  wir  Hrn.  Dr.  Günther  kennen,  glauben  wir,  dafs  offene 
Entgegnung  ihm  nur  lieb  und  angenehm  ist.  Wenn  die  Anerkennung, 
welche  wir  seinem  Streben  und  seinem  Wirken  gezollt,  für  ihn  etwas 
wohlthuendes  sein  kann,  so  wird  für  ihn  auch  unser  Widerspruch 
nicht  verletzenden  Stachel  haben.  Wir  betrachten  ihn  als  einen  wa- 
ckern Streiter  gegen  viele  eingerifsene  Schäden  und  gesellen  uns  ihm 
in  manchem  zum  Genofsen  bei,  doch  möchten  wir  uns  gern  vor  dem 
Stellen  auf  die  Spitze  und  dem  Uebertreiben  hüten.  Dietsch. 


Lehrbuch  der  Arithmetik  und  der  Anfangsgi'ünde  der  Algebra. 
Für  Gymnasien  und  höhere  Lehranstalten,  so  wie  auch  zum  Selbst- 
unterrichte. Von  J.  C.  //.  Ludoivieg ,  Artillerie- Capitän  a.  D., 
Oberlehrer  der  Mathematik  und  Physik  an  dem  Gymnasium  zu 
Stade.  Dritte  verbefserte  und  bedeutend  vermehrte  Auflage.  Han- 
nover, 1852.     Hahnsche  Hofbuchhandlung.     384  S.  8. 

Das  vorstehende  Werk  enthält  sieben  Abschnitte.  'Erster  Ab- 
schnitt. Von  den  Grundoperationen  der  Arithmetik  und  deren  näch- 
sten Anwendungen.'  Die  Grundbegriffe  sind  genau  abgegrenzt  und 
bestimmt  gefafst.  Die  Einsicht  in  die  Zahlenverhältnisse  im  allgemei- 
nen und  in  das  dekadische  Zahlensystem  insbesondere  wird  durch  die 
durchgeführte  Behandlung  der  vier  ersten  Operationen  in  anderen 
Zahlensystemen,    z.   B.    in  triadischen,   tetradischen  u.  s.  w.  sehr  ge- 


574  Ludowieg:  Lehrbuch  der  Arithmetik  und  Algebra. 

fördert.  Es  ist  die  Reihe  für  die  gebräuchliche  Ordnung  der  ganzen 
Zahlen : 

Ci  y"  +  c^  2/"-'  + +  V2  2/'   +  %-i  2/°  , 

worin  die  Basis  y  jede  beliebige  ganze  Zahl  bedeuten  und  der  Coeffi- 
cient  c  jeden  Werth  in  ganzen  Zahlen  von  0  bis  y — 1  erhalten  kann, 
so  weit  dies  ohne  allgemeine  Zeichen  möglich  ist  verallgemeinert  dar- 
gestellt. Die  vier  ersten  Operationen  sind  in  ganzen  Zahlen,  gemei- 
nen Brüchen,  Decimalbrüchen  und  in  allgemeinen  Zeichen  ausführlich 
behandelt.  Als  Anwendung  sind  im  7.  Cap.  des  I.  Abschn.  die  alige- 
meinen Regeln  für  die  Gleichungen  des  ersten  Grades  mit  einer  und 
mehreren  Unbekannten  kurz  angegeben.  —  'Zweiter  Abschnitt.  Von 
den  Potenzen  und  damit  in  Verbindung  stehenden  Rechnungsarten.' 
Die  Form  der  Darstellung  ist  durchgängig  anschaulich.  Z.  B.  (Seite 
144)  'Es  sei  (537)^  zu  berechnen,  so  sind  die  einzelnen  entsprechen- 
den Produkte,  mit  dem  beigefügten  Schema,  wonach  ihre  Berechnung 
geschieht: 

5*       =2  51  nämlich  a"^ 

2.5.3=      30  ~     '2ab 

3*      =  9  —       62 

2.  53. 7=         j742  —    2(a  +  6)c 

72       =         I  4  9       —       c2 

(537)"^  =  2|8i8|3|6|9|  —  c«  +  2a6  +  6^  +  2  (a  +  6)  c  +  c'' 
Da  die  Gleichung  ax^-\-  bx"^  +  ex  =:  d  angeführt,  und  ein  Ca- 
pitel  überschrieben  ist  '  Gleichungen  höherer  Grade  mit  einer  Unbe- 
kannten im  allgemeinen'  so  vermifst  man  hier,  in  Erwartung  eines 
mit  den  vorhergehenden  übereinstimmenden  Ganges ,  die  Cardanische 
Regel  für  die  Auflösung  der  Gleichung  z^  +  dz  +  e  :=  o ,  in  welche 
Form  die  Gleichung  x^  +  ax"^  +  bx  +  c  =  o  durch  Einsetzung  von 
z  —  ia  an  Stelle  des  x  umgewandelt  werden  kann.  Zwischen  dem 
4.  und  5.  Cap.  des  II.  Abschn.  wäre  dieser  Gegenstand  an  geeigneter 
Stelle  behandelt  worden.  —  'Dritter  Abschnitt.  Von  den  Verhältnis- 
sen, Proportionen  und  Progressionen.'  Obgleich  die  Proportionen 
neben  den  Gleichungen  im  allgemeinen  keiner  besondern  Behandlung 
bedürftig  erscheinen  können,  so  theilen  Avir  doch  mit  dem  Verf.  die 
Ansicht  derjenigen ,  welche  eine  von  den  Gleichungen  abgesonderte 
Darstellung  der  Lehre  von  den  Proportionen  für  zweckmäl'sig  erach- 
ten. Um  die  Uebersicht  über  die  Verthellung  der  Lehrobjecte  in  die- 
sem Buche  zu  ermöglichen,  folge  noch  der  Inhalt  der  übrigen  Ab- 
schnitte. Jm  vierten  Abschnitte  sind  die  Kettenbrüche  und  die  unbe- 
stimmten Gleichungen  des  ersten  Grades  behandelt.  Der  fünfte  Ab- 
schnitt enthält  die  Anwendung  der  Gleichungen  und  Proportionen  auf 
praktische  Rechnungsarten.  Als  Anwendungen  sind  gegeben:  6  Aufga- 
ben für  Gleichungen  des  ersten  Grades  mit  einer  Unbekannten,  3 
Aufgaben  für  Gleichungen  des  ersten  Grades  mit  mehreren  Unbekann- 
ten, 6  diophantische  Aufgaben,  3  Aufgaben  für  Gleichungen  des  zwei- 
ten Grades,  in  Worten  nebst  Auflösungen,  und  folgende  Rechnungs- 
arten:  Regeldetri,    Reductionsrechnung,  Alligationsrechnung,  Berech- 


Pope:  Rechenbuch.  —  Knciso:  arithniet.  Aufgahenbiich.      575 

ming  der  einfaclKMi  Zinsen,  der  zn.sammenge.setzteu  Zinsen  und  der 
Jalirrenten. 

Ref.  {glaubt,  daf.s  dieses  Buch  sich  namentlich  zum  Selbstunter- 
richte in  den  ersten  Anfängen  des  rechnenden  Thelles  der  Mathematik 
gut  eigne. 

D.  A.  D. 


Rechenbuch  für  die  unteren  Classen  der  Gymnasien  von  Dr.  Wil- 
helm Fape,  Professor  am  Berlinischen  Gymnasium  zum  grauen 
Kloster.  Dritte  Auflage.  Berlin  1852.  Ferd.  Dümmlers  Verlags- 
buchhandlung.    200  S.  8. 

Die  Erklärungen  und  Regeln  für  das  Rechnen  mit  ganzen  Zahlen, 
gemeinen  Brüchen  und  Decimalbrüchen  sind  kurz,  bestimmt  und  deut- 
lich gegeben.  Nach  den  Lehrsätzen  und  Beispielen  von  der  Regel - 
detri,  welschen  Praktik  (alicpiote  Theile),  Zeitrechnung,  Prucentrech 
nung,  Gesellschaftsrechnung  und  Kettenrechnung,  folgen  in  einem  be- 
sondern Capitel  noch  einige  Sätze  aus  der  Lehre  vom  Potenzieren 
und  Radicieren.  Dies  Büchlein  ist  hauptsächlich  wegen  der  vielen 
darin  enthaltenen  mit  Umsicht  gewählten  Beispiele  zu  empfehlen.  Die 
Auflösungen  dazu  sind  nicht  in  diesem  Buche  enthalten,  sondern  in  : 
'Auflösungen  der  in  dem  Rechenbuche  u.  s.  w.  Berlin   183L' 

D.  ^.  D. 

Arithmetisches  Aufgabenbuch.  Besonders  ein  Hilfs-,  Wlederholungs- 
und  Arbeitsbuch  für  die  untersten  Classen  der  Gymnasien,  höheren 
Classen  der  Bürgerschulen  und  anderen  Unterrichtsanstalten.  Von 
G.  C.  Kneisc,  Oberlehrer  an  der  II.  Bürgerschule  für  Knaben  zu 
Weimar.  Jena  1833.  Druck  und  Verlag  von  Friedrich  Mauke. 
134  S.  8. 

Die  Aufgaben,  theils  als  Fragen  zur  Angabe  der  Regeln  u.  s.  w. 
theils  als  Uebungsbelspiele  zur  Ausrechnung  aufgestellt,  beziehen  sich 
auf  die  vier  ersten  Operationen  und  die  einfache  gerade  Regeldetri  mit 
ganzen  Zahlen  und  Brüchen.  Eine  greise  Anzahl  derselben  enthält 
zugleich  Notizen  aus  der  Geschichte,  Geographie,  Physik  u.  s.  w.  Durch 
die  Einkleidung  der  Aufgaben  unterscheidet  sich  dieses  Aufgabenbuch 
von  vielen  anderen,  und  mag  wohl  vielleicht  einzelnen  Schülern,  die 
sonst  am  Rechnen  kein  Vergnügen  finden ,  'dadurch  das  Rechnen  zu 
einer  angenehmen  Beschäftigung  machen.'  Die  Auflösungen  der  Auf- 
gaben sind  nicht  in  dem  Aufgabenbuch  zugleich  enthalten. 

D.  y/.  D. 


1)  Grundriss  der  Geographie  und  Geschichte  der  alten ,  mittlem 
und  neuern  Zeit  für  die  obern  Classen  höherer  Lehranstalten. 
Von  Wilh.  Pütz,  Gymnasialoberlehrer.  Purster  Band.  Das  Alter- 
thum.  Siebente  verbefserte  und  vermehrte  Auflage.  Coblenz  1852, 
bei  Carl  Bädeker.     XII  u.  433  S.  gr.  8. 


576  Pütz:  Gnindrifs  der  Geographie  und  Geschichte. 

2)  Grundriss  der  deutschen  Geschichte  mit  geographischen  Ueber- 
sichteil  für  die  mittlem  Classen  der  Gymnasien  und  höhern  Bür- 
gerschulen. Von  W.  Pütz.  Fünfte  verbefserte  Auflage.  Mit  2  Kar- 
ten.    Coblenz  1852,  bei  Carl  Bädeker.    VIII  u.  191  S.  gr.  8. 

Wenn  hier  über  die  vorstehend  "verzeichneten  neuen  Auflagen  ei- 
niger der  lange  rühmlichst  bekannten  historischen  Lehrbücher  "von 
Pütz  berichtet  wird,  so  kann  es  gar  nicht  die  Absicht  sein,  auf  deren 
vorzügliche  Brauchbarkeit  beim  Geschichtsunterrichte  noch  aufmerk- 
sam zu  machen.  Dafs  diese  sich  durch  eine  lange  Reihe  von  Jahren 
immer  mehr  bewährt  hat,  bezeugen  nicht  allein  die  rasch  auf  einan- 
der folgenden  neuen  Auflagen  der  einzelnen  Theile,  welche  jedes  Jahr 
nöthig  werden,  sondern  auch  die  Einführung  dieser  Lehrbücher  über 
die  Grenzen  Deutschlands  hinaus  in  mehreren  europäischen  Staaten 
und  sogar  in  Nordamerika.  Bei  jeder  Auflage  hat  der  innere  Werth 
dieser  Lehrbücher,  wie  Referent  aus  langjährigem  Gebrauch  bezeugen 
kann,  noch  immer  zugenommen,  indem  der  Hr.  Verf.  unabläfsig  be- 
müht ist,  alles  für  seinen  Zweck  brauchbare  aus  den  seither  erschie- 
nenen und  erscheinenden  neuen  Forschungen  sorgfältig  zu  benutzen, 
so  diese  Lehrbücher  auf  dem  jedesmaligen  Standpunkte  der  Wifsen- 
schaft  zu  erhalten  und  die  Schüler  der  obern  Classen  mit  diesem  be- 
kannt zu  machen.  Hiervon  wird  jeder,  der  diese  Lehrbücher  beim 
Unterrichte  gebraucht  und  selbst  die  historischen  Wifsenschaften  in 
ihrem  Fortschreiten  verfolgt,  vollkommen  überzeugt  sein.  Besonders 
enthalten  die  Lehrbücher  für  die  obern  Classen  sehr  viele,  oft  nur 
kurz  angedeutete  Winke  und  Bemerkungen,  welche  gehörig  benutzt 
zu  einem  tiefern  historischen  Studium  anregen  können.  Hiervon  gibt 
diese  neue  Auflage  des  Lehrbuchs  für  die  obern  Classen,  worin  die 
neuesten  Forschungen,  besonders  über  den  Orient,  nicht  minder  aber 
über  andere  Theile  der  alten  Geschichte  sorgfältig  benutzt  sind,  ein 
neues  Zeugnis. 

Der  unter  Nr.  2  angezeigte  Grundrifs  der  deutschen  Geschichte 
ist,  obgleich  er  schon  in  der  fünften  Auflage  vorliegt,  so  viel  mir 
bekannt,  in  diesen  Jahrbüchern  noch  gar  nicht  zur  Sprache  gekom- 
men. Auch  diese  Schrift  bedarf  jetzt  eigentlich  keiner  Empfelilung. 
sie  hat  ihre  Brauchbarkeit  längst  bewährt,  und  es  soll  hier  nur  darauf 
aufmerksam  gemacht  werden,  da  sie  bei  ihrer  Gründlichkeit,  Klarheit 
und  praktischen  inuern  Einrichtung,  wozu  die  vielen  genealogischen 
Tabellen,  die  angehängte  Zeittafel  und  die  2  Karten  gehören,  zu 
einem  gründlichen  Geschichtsstudium  in  den  mittlem  Classen  als  vor- 
züglich zweckmäfsig  befunden  werden  mufs.  Ref.  schliefst  diese  An- 
zeige mit  dem  Wunsche,  dafs  diese  Bücher  zu  immer  gröfserer  Be- 
förderung eines  gründlichen  Geschichtsstudiums,  wozu  sie  so  sehr 
geeignet  sind,  noch  immer  weitere  Verbreitung  finden  mögen. 
M.  R. 


Steireriliagen:  die  njoderneii  IJerurssolnileii.  j 

Kleinere  aurGymnasialpaedagogik  hozüi^liclie  Schriften. 


Wir  bef^iiiiien  unsere  gegenwärtige  Anzeige  mit  solchen  Schriften, 
welche  das  Verhältnis  des  Gymnasiums  zu  anderen  liöhern  liildungs- 
anstalten  berühren.  Die  modernen  Bcrufsschnlcn,  eine  Anhilunß;  sich 
auf  einem  Gebiete  der  I'itedugogik  und  Culttirpolitik  zu  orientieren, 
auf  welchem  man  die  Trumontanc  verloren  hat,  von  A.  Steffenha- 
gen, Oberlehrer  (83  S.  4,  zuerst  als  Abhandlung  zum  Programm  des 
Friedrich -Franz -Gymnasiums,  dann  auch  im  Buchhandel,  Parchini 
I8j"2  Wehdemann  ,  erschienen)  ist  in  der  Hauptsache  eine  Streitschrift 
für  die  von  dem  Verf.  schon  früher  aufgestellte  Idee  des  sogenannten 
Gesammtgymnasiunis  (Zur  Reform  der  deutschen  Gymnasien.  Berlin, 
1848.  S.  diese  NJahrb.  Bd.  LIII  S.  421—26)  und  gegen  die  haupt 
sächlich  von  Scheibert,  der  denn  auch  bereits  in  der  Paedagog.  Re- 
vue Jahrg.  XIV,  Bd.  XXXIII  S.  124—28  der  Schrift  eine  kurze  Er- 
wiederung hat  zu  Theil  werden  lafsen,  vertretenen  Ansichten  über 
das  Wesen  der  höheren  Bürgerschule  insbesondere  und  der  verschie- 
denen Arten  von  Schulen  überhaupt.  Ref.  erkennt  gern  an,  dafs  Hr. 
St.  seine  Sache  mit  Gelehrsamkeit,  Scharfsinn  und  Gewandtheit  führt, 
auch  dafs  seine  Schrift  wesentlich  dazu  beitragen  mufs  aus  den  be- 
kämpften Ansichten  manches  unklare  und  übertriebene  auszuscheiden 
oder  auf  sein  rechtes  Mafs  zurückzuführen,  von  anderem  eine  richti- 
gere Auffafsung  zu  vermitteln,  Misverständnisse  und  Uebersehn  noth- 
wendiger  Dinge  und  gegebener  Verhältnisse  zu  verhüten,  allein  abge- 
sehn  von  dem  oft  gereizten  und  mit  der  ruhigen  Klarheit  wifsenschaft- 
licher  Erörterung  nicht  übereinstimmenden  Tone,  scheinen  uns  zwei 
Hauptfehler  begangen  zu  sein,  das  Ziehn  von  Consequenzen  aus  nur 
zum  Theil  richtigen  Principien  und  das  Aburtheilen  über  Dinge,  wel- 
che der  Hr.  Verf.  schwerlich  aus  eigenem  tüchtigem  Studium  und  An- 
schauen kennt.  Wenn  er  zum  Beispiel  bis  zu  dem  Gothischen  und 
dem  Sprachgebrauche  der  heiligen  Schrift  zurückgehend  zu  beweisen 
sucht,  man  fafse  das  Wort  "■  Beruf  in  ganz  falscher  Bedeutung  auf 
und  damit,  so  wie  mit  der  Bemerkung,  dafs  es  allerdings  gewifse 
Dinge  gebe,  die  aufserhalb  eines  bestimmten  Berufes  liegend  docli  all- 
gemein seien,  und  dafs  deshalb  und  weil  das  F'ach  erst  später  gewählt 
werde,  alle  Schulen  nur  allgemeine  Bildung  zu  erstreben  hätten,  den 
Satz  umzustofsen  meint,  dafs  alle  Schulen  nur  Berufsschulen  sein 
könnten,  so  hat  er  dabei  zuerst  vergefsen ,  dafs  für  den  Gebrauch 
eines  Wortes  in  unserer  Zeit  weder  seine  etymologische  Bildung,  noch 
seine  ursprüngliche  Bedeutung,  sondern  einzig  und  allein  die  in  der 
Sprache  allgemein  gewordene  feste  und  bestimmte  Anwendung  dessel  ■ 
ben  mafsgebend  sein  kann.  Nun  wird  Niemand  läugnen ,  dafs  das 
Wort  ''Beruf'  im  Neuhochdeutschen  nach  feststehendem  Sprachgebrau- 
che unter  anderem  die  Summe  aller  der  besonderen  Flüchten  und  Ver- 
richtungen bedeutet,  wodurch  Jemand  dem  Ganzen  zu  dienen  verbun- 
den ist ,  gleichviel  auf  welche  Weise  er  dazu  gekommen  ist  diese  Ver- 
/V.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.    Bd.  LXVII.   Hft.  5.  38 


578  Steffenhagen:  die  modernen  Berufsschulen. 

biiidlichkelt  zu  übernehmen.  Wer  unterscheidet  nicht  zwischen  der 
Pflicht  des  Christen  das  Seelenheil  seines  nächsten  zu  fördern  und 
dein  Berufe  des  Geistlichen,  zwischen  der  Pflicht  des  Bürgers  zum 
Wohle  des  Staates  nach  Kräften  beizutragen  und  dem  Berufe  des  Be 
amten?  Will  man  nicht  nüchterne  Verstandesmäfsigkeit  als  alleiniges 
Gesetz  der  Sprache  anerkennen,  so  wird  man  den  nicht  tadeln  kön- 
nen, welcher  sagt:  'einen  Beruf  treiben',  da  der  Begriff  einer  Thä- 
tlgkeit  darin  liegt,  dafs  man  es  aber  nicht  gewöhnlich  sagt,  hat  sei- 
nen Grund  darin,  dafs  man  bei  dem  Worte  mehr  an  die  Pflicht,  als 
an  deren  Uebung  und  Erfüllung  denkt.  Das  Wort  Beruf  ist  aber  un- 
ter allen  den  verwandten  das  weiteste,  weil  die  Grenzen  seines  Be- 
grifl"s  die  Einordnung  alles  gleichartigen  zulafsen.  Es  ist  gewifs  Nie- 
mandem, der  von  Berufsschulen  gesprochen  hat,  eingefallen,  dabei 
an  engere  und  speciellere  Berufskreise  ,  nicht  an  die  grofsen  und  aus- 
gedehnten, unter  welche  als  unter  die  Gattungen  nach  dem  historisch 
gewordenen  Zustande  unseres  ganzen  Lebens  viele  einzelne  Arten  sich 
unterordnen,  zu  denken,  es  ist  deshalb  auch  Niemandem  eingefallen 
zu  läugnen,  dafs  alle  Schulen  Entwicklung  und  Uebung  der  geistigen 
und  seelischen  Anlagen  zum  Zwecke  haben,  ja  dafs  die  Berufsschulen 
etwas  anderes  als  die  allgemeine  Vorbildung  zu  dem  künftigen  Berufe 
zu  geben  hätten,  aber  kein  unbefangener  wird  auch  läugnen,  dafs 
jeder  Mensch  in  einem  bestimmten  Berufe  zu  wirken  hat  und  um  so 
befser  dem  ganzen  dient,  je  vollkommener  er  diesen  erfüllt,  eben  so 
wenig  als  dafs  jeder  Beruf  aufser  den  besonderen  zu  ihm  erforder- 
lichen Kenntnissen  und  Eigenschaften  einen  verschiedenen  Grad  der 
Uebung  und  Entwickelung  der  geistigen  und  seelischen  Anlagen  vor- 
aussetzt. Wer  nun  aus  der  Erfahrung  weifs,  dafs  wer  allen  dienen 
will,  keinem  recht  dient,  dafs  je  zeitiger  die  Neigung  und  Anlage  zu 
einem  bestimmten  in  der  Jugend  entwickelt  wird,  desto  sicherer  der 
Erfolg  ist,  der  wird  gewis  auch  die  Wahrheit  des  Satzes  einsehn, 
dafs  jede  Schule  um  so  sicherer  ihren  Zweck  erfüllen  und  ihr  Ziel 
erreichen  wird,  je  entschiedener  sie  von  vornherein  den  künftigen 
allgemeinen  Berufskreis  ihrer  Schüler  zu  ihrer  Richtschnur  nimmt. 
Es  ist  uns  fast  unbegreiflich,  wie  Hr.  St.,  der  doch  an  einer  Stelle 
sich  dahin  ausspricht,  dafs  er  eine  Schule  ganz  nach  den  localen  Be- 
dürfnissen der  Mehrzahl  seiner  Schüler  (d.  h.  nach  der  Zeit,  welche 
die  Mehrzahl  derselben  auf  der  Schule  hinbringen  wird)  organisieren 
würde,  verkennen  kann,  wie  diejenigen,  welche  die  höheren  Bürger- 
schulen als  Berufsschulen  betrachtet  wifsen  wollen  —  Ref.  gehört  zu 
denen,  welche  von  den  Gymnasien  dafselbe  behaupten  — ,  gerade  auf 
demselben  Principe,  nur  nicht  einem  speciell- localen ,  sondern  dem 
allgemein -staatlichen  stehen,  und,  wie  er  ihnen  den  Vorwurf  machen 
kann,  als  beabsichtigten  sie  das  Kastenwesen  der  Hindus  bei  uns  auf- 
zurichten, als  ob  sie  einen  Zwang  in  Betreff  der  Wahl  der  Bildung  und 
des  Berufes  auferlegt  wifsen  wollten.  Wie  die  falsche  Humanität  zur 
Barbarei,  die  falsche  Freiheit  zum  Despotismus  wird,  so  übt  derje- 
nige einen  gröfseren  Zwang  aus,  welcher  für  alle  die  gleiche  Bildung 


Steirenliagen:  die  modernen  Berursschulen.  579 

fordert,  als  der,  welcher  jedem  die  ^Entscheidung  anheimstellt,  aber 
den  bestimmten  und  individuellen  Charakter  jeder  Anstalt  zum  Heil 
und  Frommen  derer,  für  welche  sie  errichtet  ist,  aufrecht  erhält. 
Uebrigens  erkennen  wir  nochmals  an,  dafs  Hr.  St.  manches  zur  Be- 
gründung jenei  Ansicht  aufgestellte  als  schief  und  unhaltbar  nachge- 
wiesen und  so  der  Sache,  welche  er  bekämpft ,  gedient  hat.  Ueber 
seine  Idee  vom  Gesammtgyinnasium  mit  ihm  zu  streiten,  halten  wir 
für  nutzlos  theils  nach  den»  bereits  gesagten  ,  theils  weil  eine  gerechte 
Würdigung  des  Alterthums  und  der  auf  dasselbe  basierten  Gymnasien 
von  ihm  nicht  zu  erwarten  steht.  Denn  wer  schreiben  kann:  'wenn 
man  an  dessen  Stelle  nur  die  allerplatteste  Phrase  eines  Terentius, 
der  doch  in  seinen  unsauberen  Witzen  sich  niemals  über  einen  albernen 
Bedientenspafs  zu  erheben  vermag,  —  setzte'  (S.  29)  der  kann  oder  will 
nicht  das  Alterthum  verstehn.  Um  aber  diese  Aeufserung  nicht  als 
eine  vereinzelte  erscheinen,  sondern  das  Verhältnis,  in  welchem  der 
Hr.  Verf.  zu  den  Gymnasien  steht,  näher  erkennen  zu  lafsen  ,  führen 
wir  noch  folgende  Stellen  an:  'die  Sprachgymnasien  aber  mögen  bei 
dieser  Gelegenheit  daran  erinnert  werden,  dafs  sie  keine  Vorberei- 
tungsanstalten zur  Universität  als  einer  Fachanstalt  sind;  sie  mö- 
gen eingedenk  sein,  dafs,  wenn  es  auch  gar  keine  besonderen  Fach- 
anstalten gäbe,  es  doch  immer  noch  Humanitätsanstalten  geben  müfste. 
Ich  habe  übrigens  nie  begreifen  können ,  wie  die  Vertreter  dieser  An- 
stalten gerade  in  diesem  Punkte  so  wenig  Eitelkeit,  an  der  es  ihnen 
doch  sonst  eben  nicht  mangelt,  besefsen  haben,  um  ihre  Humanitäts- 
anstalten zur  dienenden  Magd  einer  Fachanstalt  herabwürdigen  zu 
lafsen.'  Vielleicht  ist  es  doch  ein  bischen  Eitelkeit ,  dafs  wir  der  Uni- 
versität allein  dienen  zu  können  meinen.  Wir  wollen  übrigens  gern 
in  Demuth  einem  bestehenden  concreten  dienen,  als  einem  abstracten 
Ideal,  wie  Humanität;  damit  sind  wir  freier.  Ferner:  'dafs  aber  un- 
ser deutsches  Sprachgymnasium,  das  selbst  dieses  Scheines  entbehrt, 
dem  moderne  Wifsenschaft  und  Kunst  gerade  so  fremd  sind,  wie  das 
moderne  Volksleben  selber,  dafs  dies  auf  den  abentheuerlichen  Einfall 
hat  gerathen  können,  sich  für  eine  Berufsanstalt  auszugeben,  das  hat 
mir  fast  wie  ein  Symptom  von  Altersschwäche  vorkommen  wollen' 
(S.  95.  So  macht  es  die  Jugend  mit  dem  Alter.  Was  ihr  nicht  behagt, 
ist  Schwäche)  und  auf  derselben  Seite:  'Beide  Anstalten  sind  zunächst 
in  thesi  darüber  einig,  dafs  der  Jugend  eine  formale  und  zwar  eine 
harmonische  Bildung  gewährt  werden  müfse,  obschon  sie  beide  factisch 
den  Vorwurf  verdienen,  viel  mehr  für  die  Erwerbung  gewisser  positi- 
ver Kenntnisse  [also  thun  wohl  die  Gymnasien  ihm  für  die  Realien 
genug  oder  zu  viel]  als  für  die  Verwirklichung  einer  solchen  wirklich 
harmonischen  Geistesbildung  gethan  zu  haben.  Dazu  hat  es  bei  den 
Sprachgymnasien  deren  principieller  Eigensinn  und  bei  den  Realgym- 
nasien deren  principlose  Vielwifserei  nicht  kommen  lafsen.  Sieht  man 
nemlich  bei  den  Sprachgymnasien  ab  von  ihren  Verheifsungen  und  be- 
trachtet unbefangen  ihr  Treiben ,  so  sollte  man  hiernach  fast  urthei- 
len ,   sie   hätten   die   Gewinnung   einer   harmonischen   Bildung   gar  nie 

38* 


580  Vollbreclit:  höhere  Bürgerschulen,  Gesammtgymnasien  u.  s.  w. 

für  ihre  Aufgabe  gehalten,  sondern  rein  und  allein  die  Kenntnis  des 
Alterthums;  denn  nur  durch  solche  Annahme  würde  man  es  sich  er- 
klären können,  weshalb  sie  die  auf  heimathlicher  Flur  entsprofsenen 
und  mit  heimathlicher  Kost  bisher  genährten  Pflanzen  [Kost!]  urplötz- 
lich dem  heimathlichen  Boden  entrückten  [nach  dem  9.  Lebensjahre] 
lim  sie  auf  antike  Stämme  zu  impfen  [pfropfen  ?T,  in  dem  Vorurtheil 
befangen  ,  der  dem  Mutterbusen  entrifsene  Säugling  [d.  h.  die  bisher 
mit  heimathlicher  Kost  genährte  Pflanze]  werde  kräftiger  gedeihen, 
wenn  man  ihn  mit  antiker  Milch  der  fremden  Amme  nährte.'  Genug 
zur  Charakteristik  der  Schrift  für  unsere  Leser!  Es  mufs  auch  solche 
Käuze  geben!  —  Einen  sehr  erfreulichen  Eindruck  hat  dagegen  auf 
den  Ref.  gemacht  die  Schrift  vcm  Subr.  Vollbrecht:  Höhere  Bi'ir- 
ß^erschulen ,  Gesammtgymnnsien  vnd  Gymnasien  (Progr.  Clausthal 
]8')"2,  20  S.  4),  weil  sie  ruhig  und  klar  die  Erscheinungen  beleuchtet 
und  das  sicherste  Mittel,  die  Erfahrung,  zu  Rathe  zieht.  Durch  ei- 
nen historischen  Ueberblick,  bei  dem  wir  nur  zu  erinnern  finden,  dal's 
nicht  die  1747  errichtete  Hecker'sche  Realschule  in  Berlin,  sondern 
das  schon  1739  in  Halle  bestehende  Realinstitut  die  älteste  derartige 
Anstalt  ist,  und  durch  statistische  Nachrichten  weist  der  Hr.  Verf. 
recht  sicher  nach,  dafs  die  höheren  Bürgerschulen  mehr  oder  weniger 
Gymnasien  ohne  classischen  Unterricht  oder  auch  mit  Latein  gewor- 
den sind,  dafs  die  bei  weitem  allergröfste  Mehrzahl  der  sie  besuchen- 
den Schüler  nur  bis  zum  15.  Lebensjahre  auf  der  Schule  bleibt,  die 
obersten  Classen  sehr  dürftig  besucht  sind  ,  wenige  den  vollen  Cnrsus 
vollenden,  dafs  demnach  ihr  historisch  gerechtfertigtes  Princip  kein 
anderes  sein  könne,  als  solchen,  welche  nur  bis  zum  15.  Lebensjahre 
auf  einer  Schule  bleiben,  eine  abgeschlofsene  Bildung  zu  geben.  Dem- 
gemäfs  und  auf  Grund  der  dort  gemachten  Erfahrungen,  welche 
durch  die  Statistik  erwiesen  werden,  ertheilt  er  auch  den  in  Hanno- 
ver errichteten  sogenannten  Gesammtgymnasien  den  Rath ,  die  Real- 
schule von  dem  Gymnasium  vollständig  zu  trennen ,  aber  schon  in 
Quinta,  und  sie  parallel  nicht  bis  Serunda ,  sondern  nur  bis  Tertia 
auszudehnen  ,  das  Latein  jedoch  in  diesen  Schulen  nicht  wegzulafsen. 
Dafs  alle  diejenigen,  welche  ohne  studieren  zu  wollen,  eine  höhere 
Bildung,  als  die  bis  zum  15.  Lebensjahre  erreichbare,  wünschen,  die- 
selbe auf  den  Gymnasien  finden  können,  wird  dargethan,  indem  der 
Segen,  den  die  altclassische  Bildung  gewährt,  nicht  auf  theoretischem 
Wege,  sondern  sehr  praktisch  durch  Urtheile  von  Männern,  welche 
sich  durch  ihre  Leistungen  in  Realwifsenschaften  ausgezeichnet  haben, 
erwiesen  wird.  Dafs  aber  auch  noch  factisch  solche  Jünglinge  ihre 
Bildung  auf  den  Gymnasien  suchen,  legt  der  Hr.  Verf.  aufser  ande- 
ren durch  das  Beispiel  von  Elberfeld  dar. 

Mit  dem  Gymnasium  allein  beschäftigt  sich  die  Abhandlung  im 
Programme  von  Güstrow  1852:  G.  C.  H.  Raspe:  Ansichten  über  die 
f^egenwärtige  Aufgabe  des  Gymnasiums  (29  enggedr.  S.  4).  Reiche 
paedagogische  Erfahrung,  kernhafte  Gesinnung,  Klarheit  der  Gedan- 
ken,   eindringliche    und    lebendige,    aber   immer  ungekünstelte  und  na- 


Haspe:  Ansichten  üb.  d.  ^egcnwärlitie  Aurs>al)e  d.  Gymnasinms.  Tj^l 

liirliclie  Sj)raclie  machen  dieselbe  zu  einer  sehr  werllivollen  ,  beleiiren- 
«len  und  anreihenden  Gabe,  deren  sor^^fäitif^e  Leetüre  Ref.  allen,  denen 
e.s  ernst  ist,  über  die  wichtiffsten  Frafien  der  (Jyiiinasiaipaedagogik 
zu  sicheren  Resultaten  zu  {ielanj^en,  drinj^end  empfiehlt.  Besondere 
Anerkennung  verdient  die  Art  und  Weise,  wie  alle  wichtigen  auf  dem 
genannten  C.'ebicte  zur  Erscheinung  gekommenen  Richtungen  und  An- 
sichten, ohne  Citate  und  Nennung  von  Namen,  berücksichtigt,  clia 
rakterisiert  und  beleuchtet  sind.  Die  Grundansicht  ist  in  der  Kürze 
folgende:  das  Gymnasium  hat  sich  von  dem  heillosen  encyclopaedi- 
schen  Wesen  loszumachen  und  in  dem  Studium  der  alten  Sprachen 
vorzugsweise  seine  Ziiglinge  zu  fördern,  aufserdem  aber  auch  alles 
das,  was  zur  allgemeinen  höheren  Menschenbildung  erforderlich  ist, 
zu  berücksichtigen,  hierbei  aber  nur  gründliches  zu  geben,  also  nicht 
Verbreitung,  sondern  Beschränkung  und  Vertiefung  nöthig.  Der  Hr. 
Verf.  begnügt  sich  natürlich  nicht  damit  den  Kreis  der  Lehrgegen- 
stände zu  bezeichnen  ,  sondern  geht  auch  auf  die  in  den  einzelnen  an- 
zuwendende Methodik  ein.  Statt  die  Gründe,  womit  er  seine  Ansich- 
ten belegt  und  die  widersprechenden  abweist,  auszuziehen,  wollen  wir 
einige  Punkte  herausheben,  über  welche  wir  nicht  mit  ihm  einver- 
standen sind.  Wenn  derselbe  S.  9  f.  den  Satz,  dafs  das  Gymnasium 
se'nen  Zögling  mit  der  nöthigen  wifsenschaftlichen  Vorbereitung  für 
die  gelehrten  Studien  auszurüsten  habe,  bekämpft,  so  hat  er  aller- 
dings dagegen  die  einzig  und  allein  haltbaren  Gründe,  dafs  Vorbe- 
reitung für  die  künftige  Fachbildung  nicht  gewährt  werde  und  das 
Gymnasium  dann  manche  Unterrichtsgegenstände ,  wie  z.  B.  Singen, 
gar  nicht  aufzunehmen  brauche,  geltend  gemacht,  allein  er  erkennt 
an,  dafs  der  Begriff  allgemeiner  höherer  Bildung  ein  so  schwankender 
und  relativer  sei,  dafs  ihn  bestimmt  und  klar  abzugrenzen  wohl  in 
das  Bereich  der  Unmöglichkeit  falle.  Weil  aber,  so  lange  ein  nicht 
alle  möglichen  Deutungen  und  willkürliche  Ausdehnung  ausschliefsen- 
des  Princip  mangelt,  der  Streit  über  die  Beschaffenheit  und  den  Um- 
fang der  Gymnasialbildung  zu  keinem  Abschlufse  gelangen  kann,  so 
scheint  daraus  die  Nothwendigkeit  zu  folgen,  statt  des  Begriffes 
'höhere  allgemeine  Bildung'  einen  andern  bestimmt  begrenzten  zu  neh- 
men. Das  historisch  gegebene  hat  gewis  seine  Geltung  so  lange,  als 
es  nicht  factisch  durch  ein  anderes  verdrängt  ist.  Nun  haben  die 
deutschen  Gymnasien  ursprünglich  die  Bestimmung  gehabt,  Vorschu- 
len für  die  Universitäten  zu  sein  und  noch  jetzt  gehn  die  Zöglinge, 
welche  den  vollen  Cursus  derselben  zurücklegen  ,  mit  höchst  seltenen 
Ausnahmen  alle  auf  die  Hochschule  über.  Warum  also  diese  Bestim- 
mung hinwegschaffen,  zumal  da  wir  mit  ihr  eine  feste  Grenze,  wel- 
che eben  sowohl  ein  willkürliches  Hinausgreifen  unmöglich  macht,  wie 
innerhalb  ihrer  selbst  eine  Abschliefsung  zu  erstreben  zwingt,  gewin- 
nen? Nur  mufs  man  dies  Princip  nicht  falsch  verstehn,  dabei  nicht 
an  die  Vorbereitung  für  ein  specielles  Fach,  sondern  nur  an  die  für 
das  wifsenschaftliche  Studium  überhaupt  denken,  worauf  wir  unten 
noch  einmal   zurückkommen   werden.     Dafs  darin  auch  die  allgemeinen 


582  Raspe:  Ansichten  üb.  d.  gegenwärtige  Aufgabe  d.  Gymnasiums, 

Kenntnisse   nnd    Fertigkeiten  mit  enthalten  sind,   welche  zum  Wirken 
im   Leben   und    im    Dienste    einer  Wifsenschaft   erforderlich  und  wün- 
schenswerth    sind,    aber    nicht   erst    neben  und  nach  dem  Studium  der 
Fachwifsenschaft,  wenigstens  nur    mit    gröfserer  Schwierigkeit  erwor- 
ben werden  können,    ergibt    sich    leicht.      Mit    vollstem  Rechte  dringt 
ferner   der   Hr.  Verf.    auf  fleifsige    und  gründliche  Betreibung  lateini- 
scher   Stilübungen,     hebt     auch    den    öfters    nicht    genug    beachteten 
Nutzen    der  Uebersetzungen    aus  deutschen  Klassikern  gebührend  her- 
vor,   spricht  aber  über   die    freien    Aufsätze  ein  'Fuimus  Troes ! '  aus. 
Warum    Ref.    dieselben    aus    paedagogischen    Gründen    nicht  verdrängt 
und  welche  Beschränkungen  er  dabei  eingehalten    wifsen  will ,    hat  er 
Bd.  LXII  S.  327  (vgl.    auch   LVIII   S.  318)  auseinander  gesetzt,    und 
den  Grund,  dafs  wir  wegen  der  vielen  anderen  Unterrichtsgegenstände 
darauf  verzichten  müfsen ,    erkennen   wir  so  lange  nicht  an,  als  nicht 
erwiesen  wird,    dafs    sie  zu  Erreichung  des  in  den  alten  Sprachen  zu 
steckenden    Zieles    nicht    erforderlich    sind,     weil    damit    ein    Abgehn 
von   dem,    was    die   Hauptsache    im    Gymnasium    bilden    soll,    gegeben 
wäre.     Uebrigens    sind    wir    überzeugt,    dafs    der  Hr.  Verf.  doch  über 
kurz    oder   lang    zu    denselben    zurückkehren   wird.     Da  er  nemlich  bei 
der   Interpretation    Lateinsprechen  des  Lehrers   empfiehlt,    so  hat  dies 
doch   wohl    auch     lateinische    Repetition    von   Seiten    des   Schülers   zu 
Folge  und  die  Interpretation  wird    sich  doch  nicht  auf  kurze  einzelne 
Bemerkungen    beschränken ,    sondern    auch    zusammenhängende  weitere 
Krörterungen    geben.      Wenn  nun  bei  allen  anderen  Unterrichtsgegen- 
ständen   um    der   Klarheit   und    Sicherheit    der  AufFafsung  willen  deut- 
sche  Aufsätze    und    Ausarbeitungen   von    ihm    gefordert    werden,    wie 
weit  ist  dann  der   Schritt    dazu,    solche    auch    in  lateinischer  Sprache 
aus  dem  Kreise  der  bei  der  Leetüre  der  Alten  zur  Erörterung  gekom- 
menen Gegenstände  zu  verlangen?  Mit  vollem  Rechte  scheint  uns  wei- 
ter der  Hr.  Verf.  S.  19  bei  Bestimmung  der  zu  lesenden  Schriftsteller 
der  Individualität  einen  ziemlich  weiten  Spielraum  zu  gestatten,  aber 
die  lateinischen  Dichter,  namentlich  den  Horaz  (von  Vergil  scheint  er 
befser  zu  denken,    da   er   ihn    nicht    ausdrücklich  erwähnt)   nicht  ganz 
richtig   zu    würdigen.     Sehn    wir    von    dem    nicht  kurz  abzumachenden 
Streite    über    des    Horatius  Dichterwerth  ab,  so  vertreten  seine  Oden 
doch  eine  ganze  Gattung  der  antiken  Poesie,    da  das  meiste,  was  die 
Griechen    darin    geleistet,    bis   auf  Bruchstücke  verloren  gegangen  ist 
und  Pindar  eine   wesentliche  verschiedene  Gattung  der  lyrischen  Poe- 
sie repraesentiert.     So  erfreulich  es  aufserdem  für  uns  war,  den  Hrn. 
Verf.    mit  uns    darüber   einverstanden    zu    finden,    dafs  da  wir  Sopho- 
kles haben ,    Euripides    auf  den  Gymnasien    höchstens  einmal  zur  Ver- 
gleichung  beigezogen  zu  werden  verdiene,  so  vermögen  wir  doch  nicht 
an    die    Möglichkeit   zu    glauben,    dafs    ein   Versuch   mit   Aristophanes 
gelingen  werde,  und  möchten  denselben,  selbst  wenn  er  irgendwo  ge- 
lingen sollte,  doch  noch  nicht  zur  Nachahmung  empfehlen.     Wir  stel- 
len andere  Anforderungen   in    Bezug  auf  Verständnis,    als  unsere  Vor- 
fahren, welche  den  grofsen  unübertrefflichen  Komiker  auf  den  Schulen 


Raspe:  Ansiclileii  üb.  d.  g^eg-cnwärligo  Aufgabe  d.  Gymnasiums.  583 

lasen  (vgl.  Kölineii:  zur  Gesch.  des  Dni.sbiirgor  Gyimi.  I  S.  10).  Eine 
criix  für  die  Gymnasien  sind  noch  immer  die  neueren  Sprachen.  Ver- 
mögen wir  .sie  nach  dem  von  un.s  fe.stgehaltenen  Principe  nicht  al.s 
facultntive  Unterriciit.sgegenslände  hinzustellen,  so  müfsen  wir  ande- 
rerseits die  Aufnahme  zweier  neuerer  Sprachen  unter  die  regelmäfsi- 
gen  Lehrfächer  mit  dem  Hrn.  Verf.  geradezu  für  eine  IJeherlastung 
erklären  und  selbst  da,  wo  die  Zulafsung  durch  äufsere  Umstände  als 
mehr  gerechtfertigt  erscheint,  schwer  zu  vermeidende  nachtheilige 
Folgen  besorgen.  Gern  entscheiden  wir  uns  bei  der  Wahl  einer  mit 
dem  Hrn.  Verf.  für  die  französische,  gestützt  auf  die  aus  dem  vorher 
S.  566  von  uns  gesagten  erkennbaren  Gründe,  zur  gründlicheren  Be- 
treibung derselben  finden  wir  aber  eine  gröfsere  Stundenzahl  in  den 
oberen  Classen  weder  räthlich  —  denn  die  Zahl  der  Unterrichts- 
stunden ifl  hier  bereits  so  grofs ,  dafs  zu  der  so  nothwendigen  an- 
haltenden Beschäftigung  mit  einzelnen  Gegenständen  dem  Schüler 
kaum  Zeit  übrig  bleibt,  —  noch  zum  Zwecke  führend,  weil  in  der 
geringen  ihm  gewidmeten  Zeit  nicht  die  einzige  Ursache  des  seltenen 
Gedeihens  des  Unterrichts  enthalten  ist.  Unserer  Erfahrung  nach  lei- 
det dieser  Unterricht  meistens  dadurch,  dafs  Sicherheit  in  den  Ele- 
menten erst  in  einer  Zeit  erreicht  werden  soll,  wo  der  Geist  von  an- 
dern tieferen  Beschäftigungen  in  Anspruch  genommen  ist,  und  des- 
halb kommen  wir  immer  wieder  auf  den  von  uns  schon  öfter  vertre- 
tenen Vorschlag  zurück,  diesen  Gegenstand  in  den  unteren  Classen 
mit  mehr  Stunden  in  AngriiT  zu  nehmen  und  hier  nachhaltige  gram- 
matische Sicherheit  und  eine  ziemliche  Vocabelkenntnis  als  Ziel  zu 
erstreben,  worauf  in  den  oberen  Classen  zur  Weiterführung  zwei 
Stunden  ausreichen  werden  und  der  Unterricht  eine  solche  Gestalt 
annehmen  kann ,  dals  dabei  den  übrigen  Gegenständen  kein  Eintrag 
geschieht.  Wenn  der  Hr.  Verf.  das  Studium  der  altdeutschen  Dia- 
lekte vom  Gymnasium  fern  gehalten  wifsen  will,  so  kann  Ref.  sich 
durch  seine  Gründe  nicht  bewogen  finden,  von  dem,  was  er  Bd. LX. VII 
S.  479  ff.  darüber  gesagt,  zurückzutreten.  Auch  ist  Ref.  in  Bezug 
auf  das,  was  vom  Religionsunterrichte  gesagt  ist,  nicht  ganz  einver- 
standen, namentlich  hat  er  ungern  die  Aeufserung  S.  28  gelesen  : 
'Man  darf  denselben  nicht  dazu  misbrauchen,  um  für  irgend  eine, 
gleichviel  welche,  der  gegenwärtigen  Parteien  in  der  protestantischen 
Kirche  zu  recrutiren.'  Werden  die  Kirche  selbst  und  ihre  treuen  B«- 
kenner  von  den  Parteien  ausgenommen,  so  wäre  nichts  einzuwenden, 
aber  mindestens  liegt  die  Deutung  nahe,  als  seien  eben  alle  Glau- 
bensansichten nur  Parteien  und  nirgends  die  Wahrheit  ganz  und  voll- 
ständig. Doch  wir  brechen  ab  und  fügen  unserem  besten  Danke 
nur  noch  den  Wunsch  bei,  der  Hr.  Verf.  möge  ja  .seine  verdienstvolle 
Arbeit  zum  Schlufse  bringen.  —  Für  unsere  Leser  wird  nicht  unin- 
teressant sein  von  folgender  Schrift  Kenntnis  zu  erhalten:  Nie.  Guil. 
Ljungberg:  de  linguae  et  litterarum  latinarum  studüs.  I.  Qua  in 
laude  ponenda  sit  cognitio  latinitatis  (Commentatio  academica.  Up- 
sala,  1853.  32  S.  8),  da  sie  dafür  Zeugnis  gibt,    dafs  auch  in  Schwe- 


584        Ljungberg:  de  lingiiae  et  litterarum  lalinariun  studiis. 

den  in  Bezug  auf  das  Studium  der  alten  Spiaclien  die  gleichen  Zwei- 
Jel  und  Fragen  erhoben  worden  sind,  wie  bei  uns.      Um  dies  zur  An- 
schauung zu  bringen  mülsen  wir  den  Gang  und  die  Resultate  der  Un- 
tersuchung  kurz    darlegen.     Der    Hr.    Verf.    geht    bei  seiner  Auseinan- 
dersetzung   ganz    von    philosophischen    Principien,    namentlich    denen 
ßostroems  (diss.  de  notionibus  religionis,  sapientiae  et  virtutis.  Up- 
sala  1811)  aus  und    zieht    aus  dem    zwischen  Sprache  und  Geist  statt- 
findenden   Verhältnisse    und    dem    Begriffe    der    Bildung    und   Vervoll- 
kommnung   des    letzteren    die    Folgerung,    dafs   wir,    wenn    wir   nicht 
unsere    Bildung    aufser    allen    Zusammenhang    mit    der    Vergangenheit 
setzen    und    dadurch    den    empfindlichsten  Verlust  an  Bildung  erleiden 
wollen,    der  Kenntnis  der  lateinischen  Litteratur  nicht  entrathen  kön- 
nen,   aber   auch    nicht    der    unmittelbaren    Lesung     der    Schriftsteller 
selbst,    weil    ihre   Erklärung  und  Auffafsung  nicht  eine  abgSschlofsene 
sei    noch    jemals    sein    werde,     Uebertragungen    in    die    Muttersprache 
nie,    auch    nicht   in  sachlicher  Hinsicht,    sie    vollkommen    wiedergeben 
können,    und    endlich    die   Sprache    an  und  für  sich  als  Erzeugnis  des 
römischen    Geistes    kennenswerth    sei.      Mit    Entschiedenheit    aber    ei'- 
klärt  er  sich  gegen  den  Gebrauch  der  lateinischen  Sprache  in  wifsen- 
schaftlichen  Abhandlungen,  weil  dieselbe,    schon  an  und  für  sich  arm 
in  Vergleich   mit  der    griechischen,    für  den  erweiterten  Kreis  unserer 
Vorstellungen  nicht  mehr  ausreiche,    eine  Erweiterung  aber  und  Wei- 
terbildung aber  sie  nicht  mehr  als  Sprache  der  Römer  erscheinen  las- 
sen würde ,  beides  uns  ohnehin  gar  nicht  mehr  frei   stehe  [hier  scheint 
allerdings  der  Hr.  Verf.  etwas  zu  weit  gegangen  zu  sein],  auch  schon 
längst  der  Verkehr  zwischen    den    neueren  Völkern  sich  so  ausgebildet 
habe,    dafs  man  des  Lateinischen  als  Mediums    der  Mittheilung  entra- 
then könne.     Dagegen    empfiehlt    er   die   Uebungen  im  Lateinschreiben 
aufs  dringendste  ,    weil    sie    für    das    Verstehen  der  Sprache  das  wirk- 
samste Mittel  bildeten  und  das  Denken  wesentlich  förderten.     Für  das 
letztere    macht    er   besonders    auf   die  grofse   Verschiedenheit   von  der 
Muttersprache  aufmerksam  (in  einer  Anmerkung  wird  gesagt,  dafs  dies 
Moment    noch   von    Niemandem    genug,    annähernd    nur  von  I.  A.  H  a- 
zel:  Om  läroverks  fragorna,    Stockholm,  1846,    beachtet  worden  sei), 
ferner  darauf  dafs  sie  als  todte  Sprache  ganz  bestimmte  Grenzen  und 
gröfsere  logische  Schärfe  als  die  griechische  habe  (dafs  in  der  letzte- 
ren in  Schweden  gar  keine    schriftlichen  Uebungen  angestellt  würden, 
wird   in    einer    Anmerkung    als  nachtheilig  beklagt);    seien  sie  so  weit 
gediehn,    dafs    es    sich    um  die    Wahl  der  Worte  und  Ausdruckswelsen 
handele ,  so  nöthlgten  sie  auch  zur  schärfsten  und  klarsten  Auffassung 
der  Begriffe  und  Gedanken.     Die  Schrift,  welche  demnach  fast  ganz  zu 
den  von  uns  immer  vertheidigten  Resultaten  führt,  zeugt  übrigens  von 
guter  Fertigkeit  im  Lateinischschreiben  selbst  und  von  Bekanntschaft 
mit    der    einschlägigen    deutschen    Litteratur*).      Von    einer    anderen 

*)  Einen  Dienst    glauben    wir  Vielen  zu  erweisen  ,    wenn  wir  hier 
mittheilen,  dafs  Ljungberg  in  einer  sich  über  sechs  Selten  erstrecken- 


Stelzer;  ein  Wort  über  die  alten  Sprachen  u.  s.  w.  585 

Seite  werden  die  iviassisclieii  Studien  beleuchtet  in  der  Schrift:  tJin 
Wort  über  die  alten  Sprachen  und  den  Einjluss  der  klassisclieyi  Stu- 
dien in  politischer  und  religiöser  Beziehung.  Von  Rector  Dr.  Stel- 
zer (Progr.  Hedingen,  1852.  39  S.  4).  Eine  Beleuchtung  der  Art  war 
gewis  in  unserer  Zeit  sehr  zweckmäfsig,  da  es  noch  iiniuer  Leute  gibt, 
welche  die  demokratischen  und  republikanischen  Bestrebungen  dem 
classischen  Unterricht  in  die  Schuhe  schieben,  in  religiöser  Beziehung 
aber  namentlich  von  einem  Theile  des  katholischen  Klerus  lautes  Ge- 
schrei gegen  die  Lesung  der  alten  Heiden  erhoben  wird.  Mit  rechter 
Wärme  und  Klarheit  setzt  der  Hr.  Verf.  auseinander,  dafs ,  wenn 
schon  die  religiöse  und  politische  Anschauungsweise  der  Alten  von 
der  unsrigen  ganz  verschieden  sei ,  dennoch  darin  an  und  für  sich 
nichts  verführendes  für  die  Jugend  liege,  sondern  dies  nur  erst  durch 
falsche  Behandlung  hinein  kommen  könne.  Wenn  dabei  ein  Ueber- 
blick  über  die  gesammte  s^atliche  Entwicklung  besonders  Athens  und 
Roms  gegeben  wird,  so  wollen  wir  nicht  über  einzelnes,  was  wir  an- 
ders gefafst  wünschten,  rechten,  sondern  erlauben  uns  nur  die  Bemer- 
kung, dafs,  weil  der  Schüler  schwerlich  jenen  Ueberblick  aus  den 
Quellen  selbst  sich  verschalfeu  kann,  daraus  sich  weiter  nichts  er- 
gibt, als  die  Foi'derung  das  einzelne  stets  in  Beziehung  auf  den  ge- 
sammten  Gang  der  Geschichte  zu  setzen.  Entschiedener  hingestellt 
gewünscht  hätten  wir  die  zweite  daraus  abzuleitende  Folgerung,  dafs 
mit  einer  Auswahl  des  schönsten  und  besten  aus  dem  Alterthuiue 
durchaus  nicht,  sondern  nur  durch  gründliche  Einführung  in  das  ganze 
mit  seinen  Vorzügen  und  seinen  Schwächen  und  Fehlern  die  Gefahr 
einer  Verführung  vermieden  werde,  weshalb  wir  der  Ansicht  sind, 
dafs  die  castigatae  editiones  den  Zweck,  den  sie  haben,  geradezu  ver- 
fehlen. SchliefsHch  läuft  alles  doch  auf  den  Satz  hinaus,  dafs  jede 
ungründliche  und  oberflächliche  Bildung  und  Kenntnis  von  der  Wahr- 
heit in  jeder  Beziehung  abführt.  Der  wahre  Christ  wird  nicht  das 
Studium  des  Alterthums  als  der  christlichen  Jugend  gefährlich  be- 
kämpfen, sondern  nur  seine  oberflächliche  Betreibung,  die  Ueber- 
schätzung  und  falsche  Würdigung,  Avährend  er  selbst  mit  der  Leuchte 
des  Evangeliums  am  besten  befähigt  ist,  das  grofse  und  schöne  darin 
zu  erkennen,  zu  ehren  und  zu  gebrauchen.  Uebrigens  zollen  wir  der 
Schrift  des  Hrn.  Verf.  freundlich  Beifall.  Weil  mit  dem  eben  berühr- 
ten Gegenstand  die  Frage  über  die  Christlichkeit  der  Gymnasien  in 
einigem  Zusammenhange  steht  (s.  Bd.  J^XV,  S.  73  u.  208  f.),  so  er- 
wähnen   wir:    Pansch:     Ueber    christliche    Gymnasialbildung   (Eutin 

den  Anm.  der  Vorrede  eine  von  der  aller  bisheriger  Erklärer  ab- 
weichende Ansicht  über  die  Stelle  Plat.  Phaedr.  p.  275 — 78  Steph. 
aufstellt,  indem  er  die  Meinung,  Plato  erkläre  die  schriftliche  Dar- 
stellung der  Philosophie  für  unmöglich,  verwirft  und  aufserdem,  dafs 
er  den  Zusammenhang  und  die  Absicht  des  Dialogs  anders  fafst,  tov 
xov  sldöxoq  löyov  ^ciovtu  wori  ifiipvxov  (276  A)  durch  'claram  conseien- 
tiam  animi  in  rerum  divinarum  (s.  idearum)  cogitatione  vcrsantis'' 
deutet. 


586  Pansch:  über  christliche  Gymnasialbildung". 

1852.  20  S.  8),  welche  Schrift  wir  indes  nur  aus  folgender  Mitthei- 
lung  eines  geehrten  Mitarbeiters  kennen:  'der  Verf.  vertheidigt  in  der 
Einleitung  kurz  die  Gymnasien  ohne  einen  auf  ihnen  hervorgetretenen 
Uebelstand  in  Abrede  stellen  zu  wollen,  den  nemlich,  dafs  sie  zwar 
auf  das  Wifsen  bedacht  gewesen,  aber  die  Erziehung  vernachläfsigt, 
die  Charakterbildung  verabsäumt  haben;  von  dem  Mangel  daran  aber 
trage  die  Familienerziehung  Torzugsweise  mit  die  Schuld;  eine  Na- 
tionalerziehung, eine  laut  ausgesprochene  gerechte  Forderung  unserer 
Zeit,  "Verlange  zunächst  eine  Charaktererziehung.  Der  Verf.  geht 
dann  über  zur  Besprechung  der  Behauptung,  dafs  die  Gymnasien  unse- 
rer Zeit  unchristlich  seien,  und  beantwortet  diesen  Punkt  in  An- 
knüpfung an  die  darüber  auf  dem  Kirchentage  in  Elberfeld  (Sept. 
1851)  stattgefundenen  Verhandlungen  entschieden  verneinend,  so  wie 
er  sich  auch  eben  so  bestimmt  gegen  die  Errichtung  sogenannter  christ- 
lichen Gymnasien  erklärt.'  Auf  die  Natuji,wifsenschaften  übergehend 
bringen  wir  zuerst  ein  Referat  defselben  geehrten  Mitarbeiters  über 
Meins:  Die  Naturwissenschaften  und  das  Gymnasium  (Glückstadt 
1852.  16  S.):  'Der  Verf.  geht  aus  von  den  Hauptansichten  über  den 
Werth  der  Naturwifsenschaften.  Einige  wollen  dieselben  zum  Grund 
und  Mittelpunkt  aller  Bildung  machen,  als  Bildung  der  modernen  Zeit, 
eine  Ansicht,  welche  nach  des  Verf.  Ansicht  nie  zur  aligemeinen  Gel- 
tung gelangen  wird.  Andere  wollen  ihnen  gar  keinen  Platz  unter  den 
eigentlichen  Bildungsmittel  einräumen,  sie  wollen  nur  Bildungsmittel, 
welche  formale  Bildung  geben,  also  die  alten  Sprachen.  Auch  diese 
Ansicht  wird  verworfen.  Es  folgt  nun  eine  Auseinandersetzung  über 
das  Verhältnis  der  Naturwifsenschaften  zum  Gymnasium ,  da  manche 
jene  lieber  den  Realschulen  zuweisen  wollen.  Der  Verf.  erklärt  sich 
gegen  diese  Behauptung  nicht  weniger,  als  gegen  die  Realschulen 
überhaupt,  verweist  kurz  auf  den  Kampf  der  Gymnasien  gegen  letz- 
tere Anstalten  und  wie  die  Gymnasien  alles,  was  Bildungsmittel  sein 
kann,  sich  angeeignet  haben.  Dahin  gehören  auch  die  Naturwifsen- 
schaften, für  welche  nach  einem  von  Cicero  mitgetheilten  Bruchstücke 
des  Aristoteles  schon  die  Alten  entschieden  Sinn  hatten;  nur  dürfen 
auf  dem  Gymnasium  dieselben  der  Beschäftigung  mit  der  antiken  Lit- 
teratur  nicht  hindernd  in  den  Weg  treten.  Die  Behauptung,  dafs  die 
Naturwifsenschaften  dies  wirklich  thäten  ,  so  wie  dafs  die  Mathema- 
tik als  Hauptdisciplin  derselben  genüge,  wird  abgewiesen.  Hinsicht- 
lich des  einzuschlagenden  Weges  soll  man  mit  der  Naturbeschreibung 
anfangen  und  dem  Knaben  wirkliche  Naturobjecte  vor  Augen  stellen; 
sie  soll  zugleich,  wie  es  in  Glückstadt  geschieht,  in  Verbindung  stehn 
mit  Geschichte  und  Geographie,  so  dafs  diese  Fächer  nicht  getrennt 
werden  (daher  im  Stundenverzeichnisse  der  untersten  Classe  5  Stun- 
den Realien  stehen),  zu  welchem  Zwecke  das  'Lesebuch  in  Lebens- 
bildern' gebraucht  und  empfohlen  wird.  Nachdem  nun  so  der  Verf. 
nachzuweisen  versucht  hat,  dafs  die  Naturwifsenschaften  dem  Prin- 
cipe des  Gymnasiums  eine  Anstalt  für  humane  Bildung  zu 
sein  nicht  widersprechen,  wendet  er  sich  weiter  zur  Besprechung  des 


Meins:  die  Natiirwifsenschaflen  und  das  Gymnasium.         587 

Satzes,  dafs  sie  als  nothweiidipe  Glieder  in  dem  ganze»  Organismus 
und  als  vollkommen  gleiclibereclitigt  mit  den  übrigen  Diseiplinen  er- 
scheinen. Ks  folgt  nun  eine  Beleuchtung  der  einzelnen  Theile  der 
Naturwifsenschaften  hinsichtlich  ihres  Verhältnisses  zur  Grundlegung 
der  Bildung  und  darnach  ergibt  sich  zuvörderst  folgende  Rangordnung 
der  beiden  Abtheiliingen ,  in  der  Naturbeschreibung  die  Mineralogie, 
Botanik  und  Zoologie,  in  der  Naturlehre  die  Physik,  Chemie  und 
Physiologie.  Die  Naturbeschreibung  hat  es  mit  den  Gegenständen 
der  Natur  zu  thun,  welche  sich  bei  jedem  Schritte  in  gröfserer  oder 
geringerer  Fülle  und  Manigfaltigkeit  darbieten  und  des  Knaben  Auf- 
merksamkeit in  immer  gesteigertem  Maafse  erregen,  ja  selbst  auf  den 
folgenden  Stufen  stets  ihren  Werth  behalten.  Was  die  Naturlehre 
betrifft,  so  kann  dieselbe  in  ihren  einzelnen  Theilen  nicht  auf  der  un- 
tersten Stufe  gelehrt  werden,  da  die  Kräfte  der  Natur  als  solche  sich 
der  Anschauung  entzlehn;  höchstens  können  einige  allgemeine  Eigen- 
schaften der  Körper  betrachtet,  die  gewöhnlichsten  Erscheinungen  der 
Physik  erörtert  werden;  sie  selbst  eignet  sich  nur  für  die  oberste 
Stufe.  Was  die  einzelnen  Theile  beider  Gebiete  anbelangt,  so  ver- 
dient wohl  aus  dem  der  Naturbeschreibung  die  Mineralogie  die  ge- 
ringste Berücksichtigung  in  der  Schule,  während  die  Botanik  immer 
ausführlicher  betrachtet  wird  und  es  mit  der  Zoologie  eben  so  ist; 
aus  dem  Gebiete  der  Naturlehre  läfst  sich  die  Chemie  wegen  der  we- 
nigen Apparate  und  Stoffe,  welche  der  Unterricht  erfordert,  recht  an- 
schaulich lehren,  die  Physiologie  dagegen,  so  weit  nicht  einzelnes  ans 
derselben  schon  in  der  Botanik  und  Zoologie  vorgekommen  ist,  kann 
als  besondere  Disciplin  auf  der  Schule  nicht  gelehrt  werden.  Damit 
glaubt  der  Verf.  im  Umrisse  das  gegeben  zu  haben,  was  das  Gymna- 
sium in  der  zugemefsenen  Zeit  bei  hinreichenden  Lehrkräften  und  Lehr- 
apparaten in  den  Naturwifsenschaften  zu  bieten  im  Stande  ist.'  Wenn 
auch  nicht  den  Gymnasien  ausschliefslich  gewidmet,  so  sie  doch  be- 
rührend ist  die  Abhandlung  im  Programm  der  Realschule  zu  Kroto- 
schin  1853:  W.  Bleich:  lieber  den  naturg^eschichtlichen  Unterricht 
in  den  höheren  allgemeinen  Bildungs  an  stalten  (28  S.  4).  Da  der 
Hr.  Verf.  die  Haupthindernisse  aufzählt,  welche  dem  genannten  Un- 
terrichte entgegen  stehen,  an  Zahl  elf,  so  entnehmen  wir  zuerst  dar- 
aus, dafs  Zweck,  Ziel  und  Methode  noch  so  wenig  feststehn,  ja  selbst 
an  zweckmäfsigen  Lehrbüchern  ein  so  grofser  Mangel  herrscht,  dafs 
man  allerdings  über  den  Nutzen  seiner  Betreibung  recht  bedenklich 
werden  nuifs  und  es  dürfte  daher,  zumal  da  auch  das  vorher  ange- 
zeigte Programm  nicht  eigentlich  die  Sache  principiell  feststellt,  nicht 
unangemefsen  sein,  hier  einige  prüfende  Bemerkungen  über  die  Auf- 
nahme und  die  Ausdehnung  desselben  in  dem  Gymnasium  auszuspre- 
chen. Von  dem  Nutzen,  den  das  spätere  Leben  oder  einzelne  Wifsen- 
schaften  von  ihm  haben,  kann  natürlich  keine  Rede  sein.  So  lange 
nicht  nachgewiesen  wird ,  dafs  und  w ie  weit  Kenntnis  der  Natur  zu 
der  principiell  von  dem  Gymnasium  zu  fordernden  Bildung  gehört, 
wird  man  sich  gegen  seine  Aufnahme  aussprechen  müfsen.     Man  beruft 


588  Bleich:  naturgeschichtl.  Unterricht  in  d.  höh.  Bildungsaiistalten. 

sich  zuerst  auf  die  teleologische  Wiikun«;  des  Unterrichts,  und  be- 
hauptet, dafs  der  gebildete  zu  der  seiner  A\ürdigen  Gotteserkennt- 
nis die  Natur  kennen  miifse.  Dafür  wird  auch  Luther  angeführt: 
'Wir  sind  jetzt  in  der  Morgenröthe  des  künftigen  Lebens;  denn  wir 
fahen  wieder  an  zu  erlangen  das  Erkenntnis  der  Creaturen,  das  wir 
verloren  haben  durch  Adams  Fall.  Wir  beginnen  durch  Gottes  Gna- 
den ,  seine  herrlichen  Werke  und  Wunder  auch  aus  den  Bäuinlein  zu 
erkennen,  wenn  wir  bedenken,  wie  allmächtig  und  gütig  Gott  sei.  In 
seinen  Creaturen  erkennen  wir  die  Macht  seines  Wortes,  wie  gewaltig 
das  sei.  Da  er  sagte,  er  sprach,  so  stund  es  da.  Auch  in  einem 
Pfirsichkern:  derselbige,  obwohl  seine  Schale  selir  hart  ist,  doch  mufs 
sie  sich  zur  rechten  Zeit  aufthun  durch  den  sehr  weichen  Kern  so 
drinnen  ist.'*)  Man  wird  unschwer  erkennen,  dafs  hier  Luther  nicht 
von  Kenntnis  der  Naturgeschichte  und  Naturlehre,  sondern  von  der 
durch  den  Glauben  erleuchteten  Betrachtung  der  Natur  spricht.  Eben 
so  wenig  kann  wohl  auch  der  Beweis  stringent  geführt  werden,  dafs 
man,  um  über  das  Verhältnis  des  Menschen  zur  Natur  eine  richtige 
Ansicht  zu  haben ,  einen  vollen  Cursus  in  den  Naturw  ifsenschaften  zu- 
rückgelegt haben  müfse.  Auch  das,  was  man  von  dem  Nutzen  für 
formale  Geistesbildung  beigebracht  hat,  worauf  sich  auch  Hr.  Bleich 
beruft,  reicht  nicht  hin,  die  Nothwendigkeit  des  Unterrichts  auf  den 
Gymnasien  festzustellen,  wie  Hr.  Raspe  in  der  oben  besprochenen 
Schrift  S.  12  ganz  richtig  bemerkt  hat.  Aber  alle  diese  Gründe  ent- 
halten wahres  und  wenn  auch  keiner  allein  Kraft  genug  hat,  so  legen 
sie  doch  zusammen  ein  nicht  unbedeutendes  Gewicht  in  die  Wagschale 
(S.  d.  Ref.  Bemerkungen  in  diesen  NJahrb.  Supplem.  Bd.  XVI  S.  142 
folg.).  Indes  ist  nicht  zu  verkennen,  dafs  damit  noch  nichts  in  Bezug 
auf  das  Ziel  und  Mafs  gewonnen  ist,  da  sich  jeder  einzelne  so  weit 
ausdehnen  läfst,  dafs  man  die  ganze  Naturwifsenschaft  dem  Gymna- 
sien zuweisen  könnte.  Das  einfachste  und  natürlichste  dürfte  vielleicht 
folgendes  sein.  Wie  die  Erde  der  Wohnplatz,  so  ist  die  Natur  die 
Umgebung  des  Menschen.  Mit  demselben  Rechte  nun,  mit  welchem 
man  von  dem  gebildeten  geographische  Kenntnisse  fordert ,  wird  man 
nothw endigerweise  auch  von  ihm  Kenntnisse  in  der  Natur  verlangen 
müfsen ,  aber  man  wird  auch  durchaus  nicht  mehr  zu  verlangen  das 
Recht  haben  als  das  analoge  Mafs  mit  dem ,  was  man  in  der  Geogra- 
phie fordert.  Wie  man  hier  nur  eine  Uebersicht  über  die  Erde  und 
ihre  wichtigsten  Verhältnisse  begehrt,  so  kann  man  auch  dort  nur  eine 
Uebersicht  über  die  Naturreiche  fordern,  und  wie  man  dort  nur  die 
bedeutendsten  Länder  und  Völker  berücksichtigt  und  nur  die  erheb- 
lichsten charakteristischen  Merkmale  hervorhebt,  so  auch  hier  nur  die 


*)  Diese  Stelle  führt  z.B.  an  Schmidt:  U  e  b  e  r  die  verschie- 
denen Erziehungsmittel  in  der  Denk-,  der  W  o  I  1  e  n  s  -  und 
der  Gefühlswelt.  Cöthen  1852,  eine  Schrift,  welche  wir  hier  über- 
gehn  müfsen,  weil  sie  sich  ganz  auf  dem  Gebiete  der  allgemeinen  Pae- 
dagogik  bewegt. 


Auszüge  aus  Zeilscliriflen.  589 

Vvichitigsten  Arten  und  die  bedeutsamsten  Kigenthiimlichkeiten.  Wie 
man  dort  als  das  Ziel  setzen  niuls  die  Fähigkeit  sich  in  der  Geogra- 
phie mit  den  nötliigen  Hilfsmitteln  orientieren  zu  können,  und  zu  die- 
sem Zwecke  an  einigen  besondern  Theilen,  namentlich  am  Vaterlande, 
vielfältigere  und  eingehendere  Hebungen  vornehmen  wird,  so  auch 
wird  man  in  der  Naturbeschreibung  die  Fähigkeit  die  Natur  der  Kör- 
per kennen  zu  lernen  durch  umständlichere  Behandlung  einzelner,  na- 
mentlich aus  der  unmittelbaren  Umgebung  genommener,  zu  erreichen 
bestrebt  zu  sein.  Damit  ergibt  sich  auch,  warnm  man  Hrn.  Bleich  in 
der  Forderung  nicht  beistimmen  kann,  dafs  die  Naturgeschichte  auch 
über  die  beiden  obersten  Classen  der  Gymnasien  ausgedehnt  werden 
müfse.  Dagegen  wird  man  schon  um  des  unzertrennlichen  Zusammen- 
hangs willen,  der  zwischen  Erde  und  Natur  besteht,  die  von  Hrn.  Meins 
vorgeschlagene  und  bereits  praktisch  geübte  und  bewährt  gefundene 
Verbindung  mit  dem  geographischen  Unterrichte  sehr  zweckmäfsig  be- 
finden. Dieselbe  ist  leichter  möglich,  wenn  man  von  System,  wie  man 
doch  mufs,  in  der  Naturgeschichte  ganz  absieht,  und  ein  wesentlicher 
Zweck,  die  grofse  und  manigfaltige  Menge  der  Geschöpfe  in  der  Na- 
tur zu  zeigen  und  ihre  Verbreitung  nachzuweisen,  läfst  sich  ja  ohne 
die  Geographie  gar  nicht  erreichen,  während  jeder  gewis  begreift, 
dafs  eines  durch  das  andere  Leben  und  Halt  gewinnt.  Den  Einwand, 
dafs  es  dazu  vollends  an  geeigneten  Lehrbüchern  fehle,  erkennen  wir 
um  so  weniger  an ,  als  ein  Blick  in  die  befseren  neueren  Lehrbücher 
der  Geographie  lehrt,  wie  viel  in  dieselben  aus  Naturgeschichte  und 
Naturlehre  hinübergeflofsen  ist.  Die  Naturlehre  in  den  oberen  Clas- 
sen gewinnt  auch  bei  dieser  Betrachtung  der  Sache  festeren  Halt,  in- 
dem sie  als  die  au^  die  Ursachen  hinabsteigende  Erklärung  der  auf 
der  Erde  und  in  der  Natur  kennen  gelernten  Erscheinungen  erscheint. 
Dafs  wir  auch  sie  in  engere  Verbindung  mit  der  Mathematik  gesetzt 
zu  sehn  wünschen,  haben  wir  schon  an  einem  anderen  Orte  ausgespro- 
chen und  beziehn  uns  jetzt  noch  auf  das  von  uns  Bd.  LXV  S.  88  f. 
besprochene  Programm  von  Arndt.  R.  Dietsch. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Auszüge  aus  Zeitschriften. 


Zeitschrift  für  die  Altcrihumswissenschaft  herausgeg.  von  Ju- 
lius Caesar  *).  X.  Jahrgang  1852.  F  ün  ftes  Hef  t  [s.  Bd.  LXVI 
S.  201  ff.].  Ueber  das  zehnte  Buch  der  Antiquitates  rerum  divinarum 
des  M.  Terentius  Varro,  ein  Beitrag  zur  Untersuchung  über  die  sa- 
crale  Bedeutung  der  scenischen  Spiele  in  Rom,  von  Leopold  Krah- 


*)  Prof.  Dr.  Th.  Bergk  hat  laut  Erklärung  vom  2.  October  1852 
wegen  seiner  Uebersiedelung  nach  Freiburg  im  Breisgau  die  Mitre- 
daction  der  obigen  Zeitschrift  niedergelegt. 


590  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

ner  (S.  385 — 412:  Zusammenstellung  der  fast  ausschliefslich  bei  Au- 
gustin  in  polemischen  Anführungen  erhaltnen  Stellen  des  genannten 
Buches;  dem  Varro  galten  die  scenischen  Spiele  als  dramatische  Auf- 
führungen der  Götterfabeln,  welche  Aufführungen  von  den  Göttern 
geboten  waren  und  fort  und  fort  als  ein  von  denselben  geforderter  und 
ihnen  wohlgefälliger  Dienst  vollzogen  wurden.  Nachweis  dafs  die  von 
August.  C.  D.  II,  4  unter  dem  Namen  ferculum  erwähnte  scenische 
Aufführung  identisch  sei  mit  der  alten  satura;  über  Accii  patina  bei 
Tertuli.  adv.  Valent.  c.  12,  auch  erwähnt  bei  Cic.  ad  fam.  IX,  16,  7 
als  Ujrotarichi  patina.  Nach  Entwicklung  der  varronischen  Religions- 
philosophie —  man  habe  bei  Varro  wie  bei  Aristoteles  zwischen  exo 
terischen  und  esoterischen  Schriften  zu  unterscheiden  —  wird  der 
muthmafsliche  Inhalt  des  lOten  Buchs  der  Religionsalterthümer  dar- 
gelegt. Gelegentlich  emendiert  der  Verf.  die  bei  Tertuli.  de  spect. 
c.  6  erhaltne  Inschrift  des  Altars  des  Consus:  Consus  consilio,  Mars 
duello,  Lares  coilio  potentes  statt  comitio).  —  Das  Relief  des  Tho- 
res  von  Mykenae,  von  C.  Göttling  (S.  407  f. :  Berichtigung  eines 
Irthums  in  des  Verf.  ges.  Abhdigen  I  S.  63).  —  Kritische  Aehren- 
lese,  von  F.  W.  Wagner  (S.  412—414:  zu  Fragmenten  des  Sopho- 
kles). —  Reo.  von  Diogenes  Laertius  rec.  C.  G.  Gebet  etc.  (Paris. 
Didot  18j0),  von  Gottlieb  Röper  (S.  414—459:  Schlufs  der  auf 
S.  168  abgebrochenen  Rec.  Cobets  Arbeit  sei  keine  von  Grund  aus 
neue,  sondern,  wie  viele  Vorzüge  seine  Ausgabe  auch  vor  der  Hüb- 
nerschen  haben  möge,  diese  letztere  sei  doch  das  eigentliche  Funda- 
ment derselben  gewesen  und  geblieben.  Nach  einem  genauem  Eingehn 
auf  die  lateinische  Uebersetzung  und  einer  Untersuchung  über  den 
Titel  des  Werkes  und  den  Namen  des  Verfafsers,  der  richtiger  Äa- 
f'pTios  Jioyivrjs  als  umgekehrt  zu  nennen  sei,  folgen  Besprechungen 
vieler  einzelner  Stellen,  insbesondere  aus  der  Vita  des  Thaies  I  §.  22 
— 44.  Beiläufig  wird  bei  Cic.  Acad.  pr.  II,  26,  82  duodetriginta  emen- 
diert statt  duodeviginti),  —  Rec.  von  Fr.  C.  Theifs:  Wörterbuch 
zu  Xenophons  Anabasis,  3e  Aufl.  (Leipzig  1852),  von  Hartraann  (S. 
430 — 440:  anerkennende  Anzeige  mit  einigen  Bemerkungen).  —  Col- 
lectivanzeige  von:  P.  H.  Tregder:  Handbuch  der  griech.  und  röm. 
Litteraturgesch.  bearbeitet  von  J.  Hoffa  (Marburg  1847),  dasselbe 
Werk  bearb.  von  E.  V  o  1 1  b  e  h  r  (Braunschweig  1847) ,  E.  Horrmann: 
Leitfaden  zur  Gesch.  der  griech.  und  der  röm.  Litt.  (Magdeburg  1849. 
1851),  E.  Munk:  Geschichte  der  griech.  Litt.  2  Thle.  (Berlin  1849. 
1850),  von  Julius  Caesar  (S.  459 — 472:  Charakteristik  der  ge- 
nannten Werke  mit  manchen  Bemerkungen  über  Einzelheiten.  Treg- 
ders  Buch  sei  weniger  eine  Geschichte  der  Litteratur  als  eine  Ueber- 
sicht  der  wichtigern  Schriftsteller  nebst  Angabe  ihrer  Lebensumstände 
und  ihrer  litterarischen  Thätigkeit;  Horrmanns  Leitfaden  trage  einen 
mehr  gelehrten  und  wifsenschaftlichen  Charakter  an  sich ;  Munks  Buch 
habe  die  Grenzen  dessen  überschritten ,  was  Gegenstand  der  Littera- 
turgesch. sei ,  indem  er  mehr  eine  Encyclopaedie  der  in  seinen  Ge- 
sichtskreis gezogenen  Schriftsteller  gebe;  namentlich  bei  der  Geschichte 


Auszüge  aus  Zeilschrifleu.  591 

der  Prosa  habe  der  Verf.  entweder  seine  eigentliche  Aufgabe  aus  dem 
Gesicht  verloren  oder  sie  mit  dem  Titel  des  Buchs  nicht  gehörig  be- 
zeichnet). —  Verhandlungen  gelehrter  Gesellschaften,  Auszüge  aus 
Zeilschriften  (S.  473-480). 

Sechstes  Heft.  Epigraphische  Miscellen,  von  J.  Becker  (S. 
481  —  495:  Mercur  bei  den  Arvernern  (in  der  altgaliischen  Sprache 
Vasso  Caleti);  über  die  angebliche  keltische  Göttin  Vagdavera  (der 
wahre  Name  sei  Vagdavercustis  oder  Vagevercustis) ;  über  den  an- 
geblichen Mcrcurius  Tourenus  (die  richtige  Form  dieses  Beinamens 
sei  Toorencetanus  oder  Tourencetranus) ;  zu  einzelnen  Inschriften).  — 
Grammatische  Miscellen,  von  H.  Paldamus  (S.  495 — 503:  Wechsel 
der  activen  und  passiven  Bedeutung  in  Participien  und  Adjectiven  der 
latein.  Sprache;  res  pro  defectu  rei;  Wechsel  der  Singulare  und  Plurale 
bei  den  latein.  Schriftstellern).  —  Rec.  vom  Corpus  paroemiographorum 
Graetorum  ed.  E.  L.  a  Leutsch,  Tom.  II  (Gottingae  1851),  von 
F  i  n  c  k  h  (S.  505 — 518 :  eingehende  Berichterstattung  mit  Berichtigungen 
und  einigen  Gegenbemerkungen).  —  Rec.  von  Sophokles  erkl.  von  F. 
W.  Schneidewin,  Is  und  2s  Bdchen  (Leipz.  1849.  1851),  von  Gu- 
stav Wolff  (S.  518 — 540:  Besprechung  vieler  Stellen  aus  Aias,  Phi- 
loktet  und  König  Oedipus).  —  Rec.  von  J.  F.  Lauer:  Geschichte 
der  homerischen  Poesie  (Berlin  1851),  von  Bäum  lein  (S.  540 — 555: 
das  Buch  enthalte  nicht  sowohl  eine  Geschichte  der  homerischen  Poe- 
sie als  vielmehr  Materialien,  Anfänge  und  Bruchstücke  zu  einer  sol- 
chen ;  ausführlicher  geht  der  Rec.  ein  auf  die  Frage  über  die  Persön- 
lichkeit eines  Homer  oder  die  Abfafsung  von  II.  u.  Od.  in  Dichter- 
schulen und  über  die  Composition  der  Gedichte).  —  Rec.  von  Phaedri 
fabulae  mit  Anmerkungen  versehn  von  J.  Siebeiis  (Leipzig  1851), 
von  Hartmann  (S.  551 — 564:  empfehlende  Beurtheilung  mit  Bespre- 
chung einzelner  Stellen).  —  Rec.  von  O.  Jahn:  die  Ficoronische  Ci- 
sta  (Leipzig  1852),  von  H.  A.  Müller  (S.  564—568:  Darlegung  der 
Resultate  der  Jahnschen  Untersuchung  mit  scharfer  Gelfselung  der  von 
Panofka  befolgten  Methode  in  der  Erklärung  der  Zeichnung;  es  sei 
letzterm  'die  Virtuosität  im  archaeologischen  Blindekuhspiel'  nicht  ab- 
zusprechen). —  Verhandlungen  gelehrter  Gesellschaften ,  bibliographi- 
sche Uebersicht  der  neusten  philologischen  Litteratur  (S.  569 — 576). 

XL  Jahrgang  1853.  Erstes  Heft.  Der  Thron  des  Apollon  Amy- 
klaios  in  Lakonien,  nach  Pausanias  hergestellt  und  erläutert  von  Th. 
Pyl  (S.  1 — 44:  Fortsetzung  soll  später  folgen.  Bis  jetzt  umfafst  die 
Abhandlung  folgende  Abschnitte:  Von  den  schriftlichen  Quellen  für  den 
amyklaiischen  Thron;  von  den  gelehrten  Arbeiten  über  denselben;  von 
Bathykles,  dem  Meister  des  amykl.  Throns,  und  seinem  Zeitalter  (der- 
selbe sei  aus  Magnesia  am  Maiandros  in  Karien  gebürtig  gewesen  und 
habe  etwa  um  das  Jahr  600  v.  Chr.  gelebt) ;  von  der  Bildseule  des 
Apollon  Amyklaios  und  dem  Grabaltare  des  Hyakinthos;  von  der  Um- 
gebung und  Aufstellung  des  amykl.  Throns;  von  der  Anlage  desselben; 
der  Unterbau;  der  Oberbau  des  Throns.  Ein  Wiederherstellungsver- 
such des  Verf.  ist  auf  einer  lithograph.  Tafel  beigegeben).  —  Rec.  von 


592  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

K.    Fr.    Hermann:    Lehrbuch    der   grlech.    Antiquitäten,   3r    Thl.    2e 
Hälfte  (Heidelberg   1852),  Yon   Chr.    Petersen    (S.  45—54:    da   eine 
Empfehlung  so  überflüfsig  als  eine  eingehende  Kritik    bei  dem    Reich- 
thum  des  Inhaltes  unmöglich  sei,  so  werden  nur    einzelne   Punkte   be- 
sprochen,   besonders    ausführlich    über   die   zunftartigen   Verbindungen 
der   Berufsgenofsen   in    Athen).    —    Reo,   von    M.    W.    Heffter:    Ge- 
schichte der  latein.  Sprache  während  ihrer  Lebensdauer  (Brandenburg 
1852),  von  A.  Dietrich  (S.  54—67:  nach    Aufzählung   vieler    einzel- 
nen Irthümer  und  Charakteristik  des    ganzen    Buchs    gelangt   der  Rec. 
zu  dem  Gesammturtheil,  dafs  es  keinem  eine    einigermafsen  bestimmte 
und  befriedigende  Einsicht  in  den  Entwicklungsgang  der  latein.  Spra- 
che zu  geben  vermöge,  mancher  indes  werde  es  wegen  der   vielen  da- 
rin   zusammengestellten    CItate   wohl    in    einzelnen    Fällen   gebrauchen 
können).  —  Rec.  von  Ciceros  ausgew.  Reden  erkl.    von   K.    Halm,  3s 
Bdchen  (Leipzig  1851),  von   Tisch  er  (S.   67—80:    sehr   lobende  Be- 
urtheilung  mit  Besprechung    vieler   einzelnen    Stellen    als    "'unmafsgeb- 
lichen   Vorschlägen   zu     beliebiger    Benutzung   für    die  einstige   zweite 
Auflage  des  vortrefflichen    Werkes').    —    Rec.    von    H.    Middendorf 
und  Fr.    Grüter:  lateinische    Schulgrammatik    für    die    mittlem    und 
obern  Gymnasialclassen  (Münster  1851),  von  Kölscher   (S.  81 — 88'': 
das  Buch   besitze    mehrere   wesentliche    Vorzüge:    die    aufserordentlich 
grofse  Zahl  classischer,  passend  ausgewählter  Beispiele ,  systematische, 
übersichtliche  Anordnung,  verständliche  Fafsung  der  Regeln  und  sorg- 
fältige   Benutzung   der   einschlägigen   neuern    Schriften;    Bemerkungen 
im  einzelnen).  —  Epigraphica ,  von  F.    Osann  (S.  88'' — 88**:   epigra- 
phische Ausbeute  der  in  der  Nähe  von    Cirencester    in    England    (dem 
alten  Corinium)  veranstalteten   Ausgrabungen).  —    Vermischte   Bemer- 
kungen, von  P.  Bötticher  (S.  88**:  ilsyi'a  sei  aus  dem    Armenischen 
zu  erklären  und    als    ein    auf   dem    elegn  =  ^aXufiog   begleitetes    Lied 
zu  fafsen.  —   Zu  Anthol.  Pal.  XV,  25).  —  Programme    der  Gymnasien 
der  Provinz  Westphalen  1851,  von   L.  H. ,   Auszüge   aus    Zeitschriften 
(S.  89—96). 


Rheinisches  Museum  für  Philologie  herausgeg.  von  W elcker , 
Ritsckl,  Bernays.  Neue  Folge.  VIII.  Jahrgang.  Viertes  Heft 
[s.  Bd.  LXVI  S.  204  ff.].  Zur  Geschichte  des  Patronats  über  juristi- 
sche Personen,  von  Eduard  Philippi  (einem  laut  Nachwort  S.  530 
im  Mai  v.  J.  auf  der  Rückreise  aus  Italien  in  Mailand  verstorbenen 
vielversprechenden  jungen  Gelehrten,  S.  497 — 529:  Geschichte  des  Pa- 
tronats über  Provinzen,  Städte  und  Landgemeinden  während  der  Kai- 
serzeit; Nachweis  dafs  die  mit  kaiserlicher  Bevollmächtigung  gewähl- 
ten patroni  civitatum  identisch  waren  mit  den  defensores  civitatum ; 
näheres  über  die  Wahl  (Cooptation),  den  Stand,  die  Befugnisse  und 
die  Benennung  der  Patrone  und  Defensoren ;  endlich  Geschichte  des 
Patrociniums  über  das  Landvolk).  —  Ueber   die  iambischen   Tetrame- 


Aiisz(ig"e  aus  Zeilscliriflen.  59'^ 

ter  bei  Tereutius,  von  Joseph  Kranl's  (S.  j3l— 560:  Unter.siichuiif; 
über  den  Bau  der  katalektischen  und  akatalektischen  iamb.  Tetr.  (Sep- 
tenare  und  Octonare),  in  deren  Verlauf  der  Verf.  unterstützt  durrli 
Ritschis  kritischen  Apparat  eine  Anzahl  Verse  emendiert).  —  Ergän 
zung  zu  Aristoteles'  Poetik,  von  J.  Bernays  (S.  561 — 596:  die  von 
Cramcr  als  Anhang  des  ersten  Bandes  seiner  Pariser  Anekdota  aus  einer 
CoisUnianischen  Handschrift  mitgetheilten  griechischen  Sätze,  wieder- 
holt u.  a.  von  Bergk  in  seinem  Aristo[)hanes  Proleg.  XI,  enthalten 
neben  manchem  fremdartigen  auch  aristotelisches  und  zwar  Excerpte 
aus  dem  für  uns  verloren  gegangenen  Abschnitt  der  Poetik,  welcher 
die  Komoedie  behandelte,  Was  im  einzelnen  nachgewiesen  und  zu  einer 
Reconstruierung  der  aristotelischen  Lehre  von  dem  Wesen  der  Ko- 
moedie benutzt  wird).  —  Zu  Oishausens  Abhandlung  über  phoenici- 
sche  Ortsnamen  aulserhalb  des  semitischen  Sprachgebiets,  von  Fer- 
dinand Hitzig  (S.  597 — 601:  Gegenbemerkungen  zu  dem  Aufsatz 
S.  321  ff.).  —  Rec.  von  K.  Schwenck:  Mythologie  der  Griechen  u. 
Myth.  der  Römer  (Frankfurt  a.  JM.  1843.  18^5),  von  .  «  (8.  602—611  : 
eingehende  Charakteristik;  das  Buch  enthalte  die  Resultate  eindring- 
licher Studien  und  verdiene  insbesondere  der  studierenden  Jugend  an- 
gelegentlich empfohlen  zu  werden;  bedauert  wird  der  Mangel  einer 
Einleitung).  —  Miscellen.  Litterarhistorisches.  Zu  den  Orphischen 
Schriften,  von  F.  G.  Weicker  (S.  612  f. :  Rechtfertigung  des  Na- 
mens äfi^oy.OTiia  als  Titels  einer  Orph.  Schrift).  —  Junius  Congus, 
von  K.  L.  Roth  (S.  613—615:  aus  Plin.  N.  H.  praef.  §.  7  nachge- 
wiesen als  Zeitgenofse  des  Lucilius;  der  Name  hergestellt  bei  Cic. 
pro  Plane.  24,  58  und  de  orat.  I,  60,  256)  *).  —  Antiquarisches.  Cicero 
über  die  Serviauische  Centurienverfafsung,  von  L,  J^ange  (S.  616 — 
623:  nochmalige  Besprechung  der  Steile  Cic.  de  rep.  II,  22  nach 
Ritschi  und  Huschke  im  Rhein.  Mus.  VIII  S.  308  ff.  404  ff.;  der  Verf. 
wirft  die  Worte  Villi  ccyiturias  tot  enim  reliquae  sunt  und  quac  ad 
summum  usum  urbis  fabris  tignarüs  est  data  als  Glosseme  aus  und 
schreibt:  Nunc  rationcm  vidctis  secutum  esse  talcm,  ut,  aequato  equi- 
tum  certamine,  cum  esset  suffragiis  IX  i>rima  classis  addita ,  ceiitu- 
riae  octo  solae  si  accesserunt,  confecta  esset   vis  popull  U7iiversa  etc.). 

—  Die  Colonie  Casinum,  von  Th.  Mommsen  (S.  623  f. :  dieselbe 
habe  nicht  existiert,  bei  Livius  IX,  28  sei  zu  schreiben  nicht  Inter- 
amnam  ac  Casinum,  sondern  Interamnam  Succasinam  oder  Casinam 
oder  Casinatem;  bei  Diodor  XIX,  105  sei  in  den  Worten  r)jv  TtQocayo- 
Q8V0[i£vr]v  IvrsQa^vccv  der  Beiname  Lirinas  oder  Succasina  ausgefallen). 

—  Epigraphisches,  von  F.  G.  W.  (S.  625  f. :  ergänzendes  zu  den 
Rh.  Mus.  VIII  S.  125  Nr.  8  und  S.  127  Nr.  15  besprochenen  In- 
schriften). —  Handschriftliches.  Der  Codex  Parcensis  des  Aemilius 
Probus,  von  K.  L.  Roth  (S.  626—639:   Beschreibung,   Werthbestim- 


*)  Unabhängig  von  dem  genannten  Gelehrten  ist  unterzeichneter 
ziemlich  zu  demselben  Resultate  gelangt  und  freut  sich  dieses  Zusam- 
mentreffens ,   s.  praef.  ad  Cic.  Script.  P.   II.  Vol.  III  p.  XXI. 

R.  Klotz. 
IS,  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Äd.  LXVII.  Hß.h.  39 


594  Schul-  und  Personalnachrichleii, 

mung  und  Collation  dieses  jetzt  in  Löwen  befindlichen  Codex).  —  Zin 
Kritik  und  Erklärung.  Zu  Aeschyios'  IlQoarjd^tvg  Ivou^vog,  von  W. 
Teuf  fei  (S.  640:  Nachweis  eines  bisher  übersehenen  Fragmentes  bei 
Strabo  IV  p.  182).  —  Lucretianum ,  scr.  H.A.  Koch  (S.  640:  VI,  527 
[nicht  427]  wird  emeudiert :  sorsum  crescunt  aorsumque  creantur*)). 


Schill-    1111(1    Personalnachrichten,    statistische  und  andere 
Mittheilungen. 


Altenburg.  Die  Schiiierzahl  des  dasigen  Friedrichs-Gymnasiums, 
welche  am  Schlufse  des  Schuljahres  1852  I47  betrug,  war  Ostern  1853 
158  (Sei.:  30,  I:  32,  IP:  36,  II'':  36,  II«:  2-t).  Zur  Universität  wur 
den  Ostern  1853  17  entlafsen.  Dem  Programm  ist  angefügt:  H.  E. 
Apel:  Disputationis  de  üs ,  quac  C.  Miltitius  cum  Luthero  in  primis 
/IHcnburgi  in  aedibus  Spalatijii  cgerit,  Part.  II  (13  S.  4). 

Alton A  (s.  Bd.  LXVI  S.  323).  An  dem  Gymnasium  erhielt  Mi- 
chaelis vorigen  Jahres  der  6.  Lehrer  Andresen  die  erbetene  Ent- 
lafsung  aus  seinem  Amte.  Die  von  ihm  vertretenen  Unterrichtsgegen- 
stände musten  die  übrigen  Lehrer  unter  sich  vertheilen,  so  gut  es 
gieng,  da  die  interimistische  Anstellung  eines  Hilfslehrers  auf  Schwie- 
rigkeiten Stiels.  Um  so  schwerer  traf  es  die  Schule,  dafs  Neujahr 
abermals  ein  Lehrer  aus  dem  Collegium  schied,  der  8.  Lehrer  Jahn^ 
der  (Seminarist)  in  Dithmarschen  zum  Lehrer  erwählt  worden  war. 
Seine  Stunden  übernahm  Hr.  Hamann.  Die  P'requenz  betrug  im 
I.         II.       III.       IV.         V.       VI.  Sa. 

Sommer  1852:  17         12         20         25         29         29         132. 

Winter  1852—53:  13  11  26  26  32  32  140. 
Ostern  1853  giengen  3  Primaner  zur  Universität.  Das  Programm  Ost. 
enthält:  Das  älteste  Drama  in  Deutschland  oder  tlic  Komoedien  der 
Nonne  Hrusiritha  von  Gandersheim,  übersetzt  und  erläutert  vom  Di- 
rector  Prof.  Ben  d  ixen  (3  Stücke:  Abraham,  Paphnutins  und  Sapien- 
tia,  Schlul's  des  Programms  von   1850.     66  S.).  [H-] 

Basf.l.  Der  ordentliche  Prof.  Christoph  Bernoulli  ist  nach 
5()jähr.  Amtsführung  von  seiner  Lehrerthätigkeit  zurückgetreten. 

Berlin.  Dr.  Moriz  Haupt  in  Leipzig  wurde  zum  ordentlichen 
Professor  der  lateinischen  Litteratur  an  der  Berliner  Universität  be- 
rufen. —  Am  Joachimsthalsclien  Gymnasium  wurde  der  S(  hulamtscan- 
didat  Dr.  Wold.  Heffter   zum  Adjuncten  ernannt. 

Bonn.  Am  königlichen  Gymnasium  trat  mit  dem  Anfang  des  Schul- 
jahres 1851 — 52  der  Lehramtscand.  J.  R.  L.  Sonnenburg  (aus  Bres- 
lau) als  ordentlicher  Lehrer  ein,  Oberlehrer  Werner  rückte  in  die 
erste,  Dr.  Humpert  in  die  vierte  ordentliche  Lehrerstelle  auf,  und 
die  fünfte  wurde  dem  Dr.  Savelsberg  übertragen  [letzterer  ist  in- 
zwischen nach  Aachen  versetzt  worden,  s.  Bd.  LXVI  S.  408].  Der 
Gesanglehrer  Wenigmann  folgte  einem  Rufe  als  Capellmeister  nach 
Aachen  und  wurde  ersetzt  durch  den  Musiklehrer  J.  Lutz  e  1er.  Zu 
Abhaltung  ihres  Probejahres  waren  am  Gymn.  beschäftigt  die  Cand. 
Dr.  M.  Schmidt  und  Dr.  C.  H.  Scheck.  Den  am  18.  Juli  v.  J. 
erfolgten  Tod  des  emeritierten  ord.  Gymnasiallehrers  Dr.  Joh.  Heinr, 


*)   Ebenso  Bergk  in   diesen   NJahrb.  oben  S.  32' 


statistische  und  .indcru  Mitllieilungeii.  59r) 

Kanne  (geb.  lö.  Aug.  1773)  haben  wir  bereits  Bd.  LXVI  S.  215  ge- 
meldet. Die  Stliülerzalil  des  Gyiiin.  betrug  am  Sclilufs  des  Schuljah- 
res 331  (I:  3H,  II:  jü,  III:  Ü2,  IV:  55,  V:  60,  VI:  tiO),  darunter  2(i! 
kathol.,  60  evang.  Coiif.,  10  israel.  Glaubens.  Zur  Universität  wurden 
"22  OI)pr])riinaner  entlafsen.  Abhandlung  iui  Projuranim  Mich.  IH52 
vom  Dir.  Prof.  Dr.  L.  .Schopen:  lieber  die  Pariser  Hurulscliriflen  des 
Eugraphiiis  (15  S.  4). 

ßliA^'^slil£n(J.  Am  Lyceum  Hosianum  ist  der  Privaldocent  Hr. 
Frz.  Beckmann    zum  ordentlichen  Professor  ernannt  worden. 

BüPissiN  (s.  Pd.  LXV  S.  219  und  LXVI  S.  324).  Am  Cymna- 
nasium  ward,  nachdem  der  Dr.  med.  Reinhard  von  seinem  Verhält- 
nisse zur  Anstalt  zurückgetreten,  am  5.  April  1853  der  Candidat  des 
hohem  Schulamts  Dr.  W.  G.  Schmidt  als  Lehrer  der  Naturwifsen- 
schaften  eingeführt.  Die  Schülerzahl  betrug  Ostern  1853:  119  (I:  22, 
II:  18,  III:  20,  IV:  24,  V:  19,  VI:  16).  Abiturienten  Mich.  1852:  4, 
Ostern  1853:  6.  Abhandlung  im  Programm  :  V.  R.  Schaars  ch  m  i  dt: 
epitome  confessionis  Augustanae  (28  S.  4). 

CiLLi.  Der  Supplent  am  k.  k.  Gymnasium  Ferd.  Gatti  ist  nach 
Iglau,  an  seine  Stelle  von  dort  der  Supplent  Frdr.  Marek  versetzt 
worden. 

CZERNOWiTZ.  Am  k.  k.  Gymnasium  wurde  der  Oberlehrer  an  dem 
kön.  preuss.  Gymnasium  zu  Leobschütz,  Dr.  Ant.  Kahlert,  ziun  wirk- 
lichen Gymnasiallehrer  und  provisorischen  Director,  der  Oberlehrer 
Dr.  Ad.  Ficker  zum  Ministerlabecretär  im  k.  k.  Handelsministerium 
mit  Verwendung  bei  der  Direction  der  administrativen  Statistik  und 
der  Lehi'er  Jos,  Kolbe  für  die  Lehrkanzel  der  Mathematik  am  k.  k. 
polytechnischen  Institut  zu  Wien  ernannt. 

Eger.  Die  Supplenten  am  k.  k.  Gymnasium  Dr.  iur.  Matth. 
Kawka  und  Ad.  Weichselmann  sind  zu  wirklichen  Gymnasialleh- 
rern befördert  worden. 

Freibeug.  Am  Gymnasium  erschien  Ostern  1853  das  Programm: 
W.  PrÖssel:  De  Horatii  itinere  Brurtdisino  (21   S.  4). 

F''reiburg  im  BuhisGAU.  Dr.  Weifs  ist  als  Prof.  der  Geschichte 
an  die  Universität  in  Gratz  berufen  worden. 

Gratz.  Der  Gymnasiallehrer  Alb.  v.  Waltenliofen  wurde  zum 
ordentl.  Prof.  der  Physik  an  der  Universität  zu  Innsbruck  ernannt. 
Ueber  die  Berufung  des  Dr.  Weifs  s.  Freiburg. 

Greiffekberg.     Der  Lehrer  am  Gymnasium  H.  W.  W.  Bertram 
wurde  als  Oberlehrer  an  die  Königstädtsche  Realschule  in  Berlin  ver- 
setzt, dagegen  der  Schulamtscand-    T.    L.    H.   Riemann    als    ordent 
lieber  Lehrer  angestellt. 

Greifswali).  Am  Gymnasium  (s.  Bd.  LXV  S.  237)  hielt  der 
Schulamtscandidat  Bodin  sein  Probejahr  ab.  Die  Frequenz  betrug 
im  Anfang  des  Sommers  1852: 

G.I.  R.L  G.II.  R.IL  G.in. 
20  10  17  13  31 
Im A. d.W.:  21  9  15  15  30 
Ost.  1853:  21  7  15  14  30 
Ostern  1853  bestanden  2  Schüler  und  2  Extraneer  die  Abiturienten- 
prüfung. Dem  Programm  Ostern  1853  ist  beigegeben:  A.  Hücker- 
mann:  Explicationum   Vergiliunarum  specimcn  (24  S.  4). 

Grossglogau.  Der  Lehrer  Eich  n  er  am  Gymnasium  hat  den 
Titel  Oberlehrer  erhalten. 

Hanau.  Am  dasigen  kurf.  Gymnasium  erhielten  zwei  Lehrer,  weil 
sie  die  Verpflichtung  auf  die  anderweit  geregelte  Dienstanweisung  nicht 
eingiengen,  die  Entlafsung  aufser  Function.  Mit  dem  Versehen  von 
deren  Dienstgeschäften  wurden  die  Gymnasialpraktikanten  Spangen- 

39* 


R.III. 

G.IV. 

R.IV. 

V. 

VL  Sa, 

20 

26 

39 

24 

26  226. 

23 

25 

38 

28 

31  235, 

23 

25 

39 

29 

32  235 

III. 

IV. 

V. 

VI. 

Sa. 

24 

11 

8 

57. 

23 

9 

9 

54. 

19 

10 

8 

16 

64. 

19 

11 

9 

15 

65. 

1   Dr. 

Snc 

hier: 

Kritisches  zu 

59ö  Schul-  und  Personalnachrichten, 

berg  (schon  vorher  am  Gymnasium  beschäftigt) ,  Dr.  Deuschle  und 
Pfarrer  Fuchs  beauftragt.  Die  Prima  muste  seit  dem  Winterhalb- 
jahre wegen  unzureichender  Schülerzahl  einstweilen  cessieren,  dage- 
gen konnte  in  derselben  Zeit  die  Sexta  wiederhergestellt  werden. 
Die  Schülerzahl   betrug 

I.         II. 
Anfang  des  Sommers  1852  6  8 

Schliifs  5  8 

Anfang  des  Winters  11 

Ostern  1853  11 

Das  Programm  Ostern  1853  enthält  Ton    Dr. 
Ovids  Metamorphosen    nebst   Proben    einer    Uebersetzung    de»    Werkes 
(21  S.  4). 

KÖNIGREICH  Hannover,  F\ilgende  Verordnung  ist  erschienen, 
Bekanntmachung  des  königl.  Oberschulcollegiums  wegen  Ausführung 
der  königl.  Verordnung  vom  22.  April  1831  über  die  Prüfniig  der  Can 
didaten  und  Lehrer  des  höheren  Schulfachs  und  über  die  Errichtung  einer 
wifsenschaftlichenPrüfungscommission  in  Göttingen.  Hannover,  den  14. 
Februar  1853.  Die  königl.  Verordnung  vom  22.  April  1831  hat  das,  bei 
der  Prüfung  von  Schulamtscandidaten  des  hÖhern  Lehrfachs  und  von 
schon  angestellten  Lehrern  pro  loco  oder  bei  dem  Aufrücken  in  höhere 
Stellen  zu  beobachtende  Verfahren  in  seinen  Grundzügen  gesetzlich 
festgestellt.  Durch  eine  Instruction  vom  17.  Mai  1831  sind  diejenigen 
Puncte,  welche  zufolge  der  königl.  Verordnung  einer  weitern  Ausfüh- 
rung bedurften  und  deren  Kenntnis  für  die  betheiligten  von  Wichtig- 
keit ist,  bekannt  gemacht  worden.  Da  die  seit  jener  Zeit  gemachten 
Erfahrungen  manche  Veränderungen  und  Zusätze  zu  jener  Instruction 
rathsam  gemacht  haben,  so  ist  es  für  angemessen  gehalten  worden, 
eine  neue  Anweisung  zur  Ausführung  der  königl.  Verordnung  vom 
22.  April  1831  zu  erlafsen,  welche,  unter  Aufhebung  der  frühern  In- 
struction, hierdurch  aus  höherem  Auftrage  zur  allgemeinen  Kenntnis 
gebracht  wird.  §.  1 .  1)  Zu  der  allgemeinen  Prüfung  für  das  gelehrte 
Schulfach  (§.  2.  1.  a.  der  königl.  Verordnung)  wird  nur  derjenige  zuge- 
lal'sen ,  der  das  triennium  academicum  nachzuweisen  im  Stande  ist. 
Eine  Dispensation  von  obiger  Forderung  kann  ausnahmsweise  durch 
das  Oberschulcollegium  ertheilt  werden.  Der  sich  zu  dieser  Prüfung 
meldende  hat  seinem  Gesuche,  aufser  den  seine  academischen  Studien 
bekundenden  Zeugnissen  und  einem  lateinisch  verfafsten  curriculo 
vitae,  auch  sein  Maturitäts-Prüfungszeugnis  beizufügen.  2)  Es  wird 
als  Regel  angenommen,  dal's  die  Fachlehrer  der  Mathematik  und  der 
Naturwifsenschaften  («sf.  2.  1.  b.)  und  die  Lehrer  der  neuern  Sprachen 
(L  c),  namentlich  wenn  sie  auf  den  Unterricht  in  den  obern  Gymna- 
sialclassen  Anspruch  machen  wollen,  den  gewöhnlichen  Gang  durch 
das  Gymnasium  und  die  Universität  gemacht  haben  und  daher  auch 
bei  ihrer  Meldung  die  im  obigen  vorgeschriebenen  Zeugnisse  beibrin- 
gen werden.  Eine  Ausnahme  von  der  Regel  wird  das  Oberschulcolle- 
gium bei  denjenigen  Mathematikern  gestatten,  welche  die  polytechni- 
sche Schule  und  darnach  vielleicht  eine  kürzere  Zeit  die  Universität 
besucht  haben,  oder  bei  solchen  Lehrern  der  neuern  Sprachen,  die 
durch  einen  entsprechenden  Aufenthalt  im  Auslande  sich  eine  ausge- 
dehntere Kenntnis  und  practische  Fertigkeit  im  Gebrauche  der  eng- 
lischen und  französischen  Sprache  erworben  haben.  Solche  Schulamts- 
aspiranten  haben  in  dem  ihrem  Prüfungsgesuche  beizufügenden  Lebens- 
laufe ausführlich  den  Gang  ihrer  Bildung  zu  schildern  und  diejenigen 
Zeugnisse  anzulegen,  welche  für  denselben  bezeichnend  sind.  Der 
Lebenslauf  dieser  Fachlehrer  kann  in  deutscher,  oder  in  einer  der 
beiden    auf   Schulen    gelehrten    neuern    Sprachen   abgefafst    sein.     Die 


statistische  und  andere  Mittheilungen.  ^i^' 

Kachlehrer  der  unteren  Classen  (l.d.),  welche  meistens  den  Weg  der 
seiiiinarischen  Bildung  eingeschlagen  haben  werden,  haben  ihrem  deutsch 
geschriebenen  J-,ebenslaufe  ihre  Seminar/.engnisse  und,  wenn  sie  be- 
reits Privat-  oder  öli'entliche  l^ehrerstellen  versehen  haben,  auch  über 
ihre  practische  Thätigkeit  Zeugnisse  beizufügen.  '^)  Diejenigen  Clas- 
sen- oder  Fachlehrer,  welche  die  Oberlehrer- Prüfung  naclizuholi-u 
wünschen,  haben  ihr  früheres  Prüfungszeugnis  und  ein  Zeugnis  über 
ihre  Amtsführung  von  der  Direction  der  Anstalt,  an  welcher  sie  bis 
dahin  unterrichtet  haben,  vorzulegen.  4)  Die  schriftlich  einzusenden- 
den Gesuche  um  Zulafsung  zu  einer  der  genannten  Prüfungen  sind  an 
das  Oberschulcollegium  zu  richten,  welches  darüber  entscheiden  und 
den  Bittsteller  in»  Genehmigungsfalle  an  die  Prüfungsbehörde  über- 
weisen wird.  §.  2.  Die  Prüfung  vor  der  wifsenschaft liehen  Prüfungs- 
commissiou  besteht  in  der  Anfertigung  schriftlicher  Prüfungsarbeilen 
und  einer  mündlichen  Prüfung,  Die  Zahl  und  Aen  Gegenstand  der 
schriftlichen  Arbeiten,  die  Sprache,  in  welcher  dieselben  abzufafsen 
sind,  und  die  zu  ihrer  Bearbeitung  gestattete  Zeit  bestimmt  die  wifsen- 
schaftüche  Prüfungscommission  je  nach  den  Umständen.  Alle  Exami- 
nanden haben  jedesfalls  eine  deutsche  Arbeit,  und  diejenigen,  welche 
sich  für  den  Unterricht  in  den  alten  Sprachen  habilitiren  wollen, 
auch  eine  lateinische  Arbeit  zu  liefern.  §.  3.  In  der  wilsenschaft- 
lichen  Prüfungscommission  sind  alle  die  Fächer,  in  welchen  sich  der 
künftige  Lehrer  an  den  höhern  Schulanstalten  des  Königreichs  prüfen 
lalsen  kann,  mit  Ausnahme  der  beschreibenden  Naturkunde  und  der 
katholischen  Theologie  (cfr.  i«".  4  der  Verordnung  vom  22.  April 
1831)  vertreten,  n.ämlich  die  Philosophie  und  Paedagogik,  die  classi- 
.sche  Philologie,  die  deutsche  Sprache  und  Literatur,  die  historischen 
Wifsenschaften,  die  Mathematik  und  die  Naturvvifsenschaften  ,  die  pro- 
testantische Theologie  nebst  der  hebrcäischen  Sprache,  endlich  die  neue- 
ren Sprachen.  Wenn  ein  Examinand  in  seiner  Anmeldung  zur  Prü- 
fung auch  die  beschreibende  Naturkunde  als  ein  Fach  bezeichnet ,  in 
welchem  er  seine  Unterrichtsfähigkeit  anei'kannt  zu  sehn  wünscht,  so 
soll,  falls  er  Mitglied  des  m&thematisch-naturwifsenschaftlichen  Semi- 
nars gewesen  ist,  ein  Zeugnis  über  die  erfolgreiche  Theilnahme  an  den 
Uebungen  der  naturgeschichtlichen  Abtheilung  desselben  und  die  da- 
durch erlangten  Kenntnisse  in  der  Naturbeschreibung  als  ausreichende 
Bürgschaft  für  seine  Unterrichtsfähigkeit  auf  diesem  Gebiete  ange- 
nommen werden.  Ist  er  nicht  Mitglied  gewesen,  oder  ist  seine  Fähig- 
keit nicht  genugsam  bezeugt,  so  wird  eine  besondere  Veranstaltung; 
zur  Vornahme  einer  Prüfung  über  seine  dahin  einschlagenden  Kennt- 
nisse getroffen  werden.  §.  4.  Der  für  die  Schulamts -Prüfung  sich 
meldende  hat  in  seiner  Meldung  bestimmt  anzugeben,  in  welchen  der 
oben  genannten  Fächer  er  sich  der  Prüfung  unterziehen  will  und  für 
welche  Unterrichtsstufe  er  vorbereitet  zu  sein  glaubt.  Ebenfalls  wird 
in  der  Meldung,  oder  in  dem  curriculo  vitae,  eine  Angabe  darüber  er- 
wartet, auf  welche  Theile  der  getriebenen  Wifsenschaften  der  zu  prü- 
fende ein  specielles  und  tiefer  eingehendes  Studium  verwendet  hat ,  so 
dafs  in  diesen  die  selbstständigsten  Kenntnisse  bei  ihm  vorausgesetzt 
werden  können.  §.  3.  Die  philosophisch- paedagogische  Prüfung  ist 
obligatorisch  für  alle.  Je  nachdem  der  sich  meldende  in  den  sonsti- 
gen Fächern  geprüft  werden  will,  erfolgt  die  Prüfung,  unter  der 
Leitung  des  jedesmaligen  Vorsitzenden  der  Comniission,  von  dem  Ver- 
treter des  philosophisch-paedagogischen  Faches  und  denen  der  übrigen 
von  dem  Candidaten  gewählten  F'ächer,  aus  deren  Urtheile  der  Vor- 
sitzende das  Zeugnis  zusamnienstellt  und  mit  denselben  Unterzeichner. 
Jedesfalls  aber  niüfsen  bei  jeder  Prüfung  v\enigstcns  drei  Commissions- 
mitglieder  anwesend  sein  und  das  Zeugnis  unterschreiben,    wenn  auch 


598  Sclnil-   und  Personalnachrichlen. 

vielleicht  eines  derselben  keinen  weitern  thätigen  Antheil  an  der  Prü- 
fung selbst  genommen  haben  sollte.     Ist  ein  Mitglied    im  Prüfungster- 
luine  zu  erscheinen  verhindert,  so  kann  es  seinen  Antheil  an  der  Prü- 
fung in  Gegenwart  des  Vorsitzenden    anticipiren   oder   nachholen.    Se- 
paratzetignisse  über  einzelne  F'ächer  sind  jedoch  weder  in  diesem  Falle 
noch  sonst  zuläfsig.     §.  6.  Wer  an    einem    Gjninasium    oder    Progvm- 
nasium    als    Haupt-    und    Classenlehrer    seine    Laufbahn    machen    will, 
mul's  mindestens  seine  Befähigung  in  der  classischen  Philologie  für  eine 
der    Hauptstufen    der    gelehrten    Schule    (s.    .§.  7,   J.    §.  8,  J.    §.  9    der 
gegenwärtigen  Bekanntmachung),  Sicherheit  und  Gewandtheit  im  Ge- 
brauche der  Muttersprache  und  ein  durch  philosophisch-paedagogische 
Studien    geübtes    Denkvermögen   und    Bewufstsein  der   Aufgabe    seines 
Berufs  als  Lehrer  darzuthun  im  Stande  sein  ;  doch  wird   ein  gröfserer 
Umfang  von  Gegenständen  jedem  zur  Empfehlung    gereichen,    und  bei 
gleicher  Befähigung  unter  mehreren  Candidaten  derjenige  den  Vorzug 
erhalten,  der  sich  zugleich  auch  in  der    Religion,    so    wie    in    der  Ge- 
schichte  und   deutschen    Sprache    zum    Lehrer   befähigt   erwiesen    hat. 
§.  7.  Um  in  den  einzelnen  Fächern  für  den  Unterricht   in  den  untern 
und  mittlem    Classen    als    befähigt   erkannt   zu   werden,    sind    folgende 
Leistungen  erforderlich:    1)   für    das    philologische    P'ach    eine   ge- 
nügende Kenntnis  der    lateinischen    und    griechischen    Grammatik,    so- 
wohl in  ihrem  etymologischen  als  syntaktischen  Theiie;  Belesenheit  in 
denjenigen  Autoren,    die    auf  den    gelehrten   Schulen    gelesen    werden, 
und  die  dadurch  erworbene  Fertigkeit,  eine  aus  dem  Kreise  der  Schrift- 
steller von  mittlerer  Schwierigkeit  vorgelegte  Stelle    zu    verstehn    und 
sprachlich  und  sachlich  zu  interpretieren;    Fertigkeit    und    Correctheit 
im  schriftlichen  Gebrauche  der  lateinischen  Sprache,    und  wenigstens 
ein    solches    Mafs   von   Kenntnissen    in    der    alten    Geschichte    und    der 
Alterthumswifsenschaft  überhaupt,  wie  dasselbe    zum    Verständnis    der 
Classiker    unentbehrlich    ist.      2)    Auf  dem    Gebiete    der   deutschen 
Sprache  ist,  neben  grammatischer  und  stylistischer  Correctheit,  die 
sich  in  den  Prüfungsarbeiten  darlegt,  auch  eine    solche    Kenntnis    der 
allgemeinen   Grammatik  und  des  eigenthümlichen  Charakters   der  deut- 
schen Sprache  erforderlich,  dafs    daraus    die    Ueberzeugung   gewonnen 
werden  kann,  der  Geprüfte  werde  mit  Bewufstsein   des  Zieles  und  mit 
methodischer  Sicherheit  die  Schüler  der  unteren  und  mittleren  Classen 
dahin  führen  können,  dafs  sie  richtig  sprechen  und  schreiben  und  ihre 
Gedanken,  d(Mn  Umfange  ihres  Gesichtskreises  gemäl's,  klar  und  nicht 
ohne  Gewandtheit    darzulegen    vermögen.      Von  der  neueren  deutschen 
Literatur    mufs    er  ebenfalls  so  viele  Kenntnisse  besitzen,  um  die  Schü- 
ler in  den   Kreis  derselben,  so  weit  es  ihrer  Fafsungskraft    und  ihrem 
Interesse  entspricht,  so  einzuführen,    dafs  sie    von    derselben    lebendig 
berührt  werden.     3)  Zur  Befähigung  für  den   Unterricht    in    der  Ge- 
schichte und    Geographie    auf    der    genannten    Stufe   gehört   eine 
übersichtliche  Kenntnis  der  alten  und  der    deutschen    Geschichte,    mit 
specieller  Einsicht  in  die  Epoche  machenden  Begebenheiten  dieser  Völ- 
kergeschichten ,    so  wie    der    Weltgeschichte    überhaupt;    in    der    Geo- 
graphie eine  Uebersicht  der  alten  und  neueren  Geographie,    specieller 
eingehend  in  die  Geographie  Deutschlands.     Die  geschichtlichen  Kennt- 
nisse dürfen  sich  nicht  blofs  auf  das    thatsächliche  beschränken,    son- 
dern es  mufs  sich    auch    ein    Urtheil    gebildet    und    die   Fähigkeit    ent- 
wickelt   haben,    einen    historischen    Stoff   mit    Einsicht    zu    behandeln, 
was  sich  besonders  in  der  geschichtlichen  Arbeit  darthun  wird.  4)  Die 
Fähigkeit,    in   den  unteren  und  mittleren  Classen    Religionsunter- 
richt zu  ertheilen,  erfordert  vor  allen  Dingen  Kenntnis    der    heiligen 
Schrift,  aus  ernster  und  anhaltender  Beschäftigung   mit   derselben  ge- 
schöpft;  Bekanntschaft  mit  den    Hauptpuncten   in   dem    Entwicklungs- 


slatislische  iiml  andere  Millhciliingcn.  ;VJO 

}>aii{;e  der  cliristiiclien  Kirclie,  vom  iiposlolisrhni  Zcitüllrr  an;  Kiii- 
sidit  in  die  christliche  Glaubens-  mwl  .Sitti'uli>lire  und  die  BekeniKiiis- 
schriftea  der  protestantischen  KirchV;  und  endlich,  so  weit  sie  sich 
durch  eine  Prüfung  ermitteln  läfst,  die  Wärme  der  eigenen  Uebcr- 
/.euf^uufi  von  der  Wahrheit  der  {i;ott  liehen  Oirenbarung  im  Christen - 
(hume.  5)  Zum  Unterrichte  in  der  Mathematik  in  den  unteren  und 
mittleren  Classen  ist  für  den  Lehrer  eine  gründliche  Kenntnis  der  Kle- 
mentar- Mathematik  erforderlich.  6)  Aus  dem  Kreise  der  Natur- 
\v  i  f  sensch  aften  bedarf  der  I^ehrer  der  unteren  und  mittleren  Classen 
der  Kenntnis  der  Zoologie  und  Hotanik,  so  wie  der  Mii\eralogie,  so 
weit  dieselbe  ohne  chemische  Analyse  aufgefafst  werden  kann;  endlich 
der  physischen  Geographie.  7)  Was  die  neueren  Sprachen  betriiVf, 
so  mufs  der  Lehrer,  um  für  den  Unterricht  der  unteren  und  mittleren 
Classen  befähigt  zu  sein,  neben  einer  guten  Aussprache,  Geläufigkeit 
im  Verstehen  der  gewöhnlichen  französischen  und  englischen  Prosa,  der 
leichteren  Dichter,  und  solche  Kenntnis  der  Grammatik  beider  Spra- 
chen besitzen,  dafs  er  die  Schüler  zu  einiger  Sicherheit  im  Ueber- 
setzen  aus  der  deutschen  Sprache  in  die  fremde  führen  kann.  8)  Da 
es  schwer  ist,  über  das  nothwendige  Mals  der  philosophisch- 
paedagogischeu  Bildung  eines  Candidaten  eine  allgemeine  Norm 
aufzustellen,  so  bleibt  es  dem  reitlichen  Ermefsen  der  wifsenschaft- 
lichen  Prüfungs-Commission  überlafsen,  so  wohl  durch  die  Prüfung  auf 
diesem  Gebiete,  als  aus  den  schriftlichen  Arbeiten  und  der  ganzen 
mündlichen  Prüfung,  sich  ein  Bild  von  der  geittigen  Klarheit  und 
Schärfe,  der  Gedankenordnung,  der  Reife  des  Urtheils  und  dem  prak- 
tischen Tacte  des  geprüften  zu  verschaffen  und  im  Zeugnisse  nieder- 
zulegen. Gewis  ist  es,  dafs  ein  noch  so  reiches  Wifsen  ohne  die  gei- 
stige Gymnastik,  welche  durch  philosophische  Studien  gelördert  wird, 
nur  zu  leicht  ein  todter  Schatz  bleibt  und  am  wenigsten  für  die  Ju- 
gendbildiing  fruchtbar  werden  kann. —  Wenn  ein  Candidat  die  in  den 
obigen  Ausführungen  für  den  Unterricht  in  den  unteren  und  mittleren 
Classen  angegebene  Stufe  der  Kenntnisse  nicht  ganz,  aber  doch  in 
dem  Mafse  erreicht  hat,  dafs  sein  Unterricht  für  die  unteren  Classen 
fruchtbringend  sein  kann,  so  wird  die  wifsenschaftliche  Prüfungs-Com- 
mission ihm  nach  ihrem  pttichtmäfsigen  Ermessen  die  Befähigung  fü  r 
die  unteren  Classen  in  den  fraglichen  Fächern  zuerkennen.  -- 
§.  8.  Wenn  ein  Candidat  bei  der  Prüfung  pro  facultate  docendi  be- 
reits: ])  einen  durch  philosophische  Studien  sicherer  ausgebil- 
deten Sinn  für  Methode  des  Unterrichts  und  paedagogisch  richtige 
Behandlung  der  Schüler;  2)  auf  dem  Gebiete  der  Philologie  einen 
gröfsern  Umfang  der  Belesenheit  in  den  alten  Schriftstellern,  selbst 
den  schwereren,  und  ein  schärferes  Eindringen  in  den  Sinn  und  Geist 
derselben;  neben  wifsenschaftlicher  und  selbständiger  Auffafsung  der 
lateinischen  und  griechischen  Grammatik,  auch  die  nöthigen  metri- 
schen Kenntnisse  und  Bekanntschaft  mit  den  sachlichen  Theilen  der 
Alterthumswifsenschaft;  gröfsere  Fertigkeit  im  schriftlichen  und  münd- 
lichen Gebrauche  der  lateinischen  Sprache,  und  endlich  Bekanntschaft 
mit  den  wichtigsten  Hilfsmitteln  der  philologischen  Studien;  3)  einen 
gröfsern  Umfang  von  Kenntnissen  und  ein  reiferes  Urtheil  auf  dem 
Gebiete  der  Weltgeschichte,  Kenntnis  der  historischen  Literatur 
mit  der  Beweisführung  von  historischem  Quellenstudium  aus  einer  Haupt- 
periode der  Geschichte;  4)  Kenntnis  der  historischen  Entwicklung  der 
deutschen  Sprache,  besonders  seit  dem  Ende  des  12.  Jahrhun- 
derts; 5)  in  der  Theologie  ein  theologisches  Durchdringen  der 
Glaubenswahrheiten  und  der  Geschichte  der  christlichen  Kirche;  6)  bei 
der  Prüfung  über  seine  Kenntnisse  in  der  hebräischen  Sprache  Si- 
cherheit in  der  Formenlehre  und  im  Analysiren  sowohl  einzelner  Wör- 


600  Schul  -  und  Persoiialnachrichleii, 

ter  als  ganzer  Sätze,  und  Leichtigkeit  im  Uebersetzen  und  Erklären 
der  historischen  Schriften  des  alten  Testaments  und  der  Psalmen; 
7)  in  der  Mathematik  Kenntnis  auch  der  höhern  Theile  dieser 
VVifsenschaft;  8)  in  den  Natu  rwi  fse  n  Schafte  n  eine  wifsenschaft- 
lich  begründete  Kenntnis  der  Physik;  9)  in  neueren  Sprachen,  ne- 
ben Kenntnis  der  französischen  und  englischen  Literatur  und  Ver- 
ständnis auch  der  schwierigeren  Schriftsteller ,  eine  wohlgeübte  Fertig- 
keit im  schriftlichen  und  mündlichen  Gebrauche  beider  Sprachen ;  dar- 
gelegt hat,  so  kann  der  geprüfte  sogleich  für  wifsenschaftlich  befähigt 
zum  Unterrichte  in  den  obern  Classen  in  den  betreffenden  Fächern 
erklärt  werden.  Wer  ein  Zeugnis  dieser  Art,  selbst  in  den  Haupt- 
fächern des  Gymnasialunterrichts,  erhalten  hat,  ist  dadurch  zwar  noch 
keineswegs  berechtigt,  seine  erste  Anstellung  auch  sogleich  in  den 
obern  Classen  zu  erwarten,  vielmehr  wird  es  z»  seiner  tüchtigen 
praktischen  Ausbildung  sehr  nützlich,  oft  sogar  unerläfslich  sein,  dafs 
er  den  Kreis  der  unteren  und  mittleren  Classen  zuvor  durchmache;  allein 
er  hat  den  Vortheil,  dafs  er  künftig,  wenn  sich  Gelegenheit  zu  sei- 
nem Aufrücken  in  die  oberen  Classen  darbietet  und  seine  praktische 
Brauchbarkeit  sich  bewährt  hat,  keine  neue  Prüfung  für  diesen  Zweck 
zu  bestehen  braucht.  Es  wird  hier  noch  besonders  hervorgehoben,  dafs 
es  die  Brauchbarkeit  und  Anstellungsfähigkeit  auch  der  für  die  oberen 
Classen  approbirten  Fachlehrer  der  Mathematik  und  der  Naturwifsen- 
schaften  wesentlich  erhöhen  wird,  wenn  dieselben  in  der  beschreiben- 
den Naturkunde  die  zur  Uebernahme  des  Unterrichts  erforderlichen, 
auf  Anschauung  gegründeten,  Kenntnisse  besitzen.  —  §.  9.  Diejenigen 
Schulamtscandidaten ,  welche  bei  ihrer  ersten  Prüfung  nur  ein  Zeug- 
nis für  die  unteren  und  mittleren  Classen  erhalten  haben,  müfsen,  um 
demnächst  in  die  oberen  aufrücken  zu  können,  in  der  Regel  die  Ober- 
lehrerprüfung nachholen.  Nur  bei  anerkannter,  durch  vollgültige 
Zeugnisse  bewährter  theoretischer  und  praktischer  Tüchtigkeit  eines 
Lehrers,  die  sich  im  Laufe  seiner  Amtsthätigkeit  sichtbar  entwickelt 
hat,  kann  das  Oberschulcollegium  das  Aufrücken  desselben  in  die  oberen 
Classen  ohne  vorangegangene  neue  Prüfung  gestatten.  Der  wlfsen- 
schaftlichen  Prüfungscommission  steht  es  frei,  nach  Umständen  auf 
wiederholte  schriftliche  Arbeiten  zu  verzichten,  so  wie  auch  die  münd- 
liche Prüfung  durch  Weglafsung  solcher  Theile,  in  welchen  die  erste 
Prüfung  ein  genügendes  Resultat  gegeben  hatte,  abzukürzen.  Der 
Oberlehrerprüfung  kann  ein  Lehrer  zu  jeder  Zelt  sich  unterzlehn,  wenn 
er  sich  zu  derselben  befähigt  zu  haben  glaubt,  ohne  dafs  gerade  eine 
Gelegenheit  zu  seinem  wirklichen  Aufsteigen  in  die  höheren  Classen 
vorhanden  zu  sein  braucht.  Die  unteren  Classen  bei  einem  nach  der 
gewöhnlichen  Ordnung  in  6  Classen  getheilten  Gymnasium  sind  Sexta 
und  Quinta,  die  mittleren  Quarta  und  Tertia,  die  oberen  Secunda  und 
Prima.  Haben  einige  dieser  Classen  aber  wieder  Unterabtheilungen, 
oder  ist  die  Gesammtzahl  der  Hauptclassen  gröfser  oder  kleiner  als 
sechs,  so  wird  es  von  den  jedesmaligen  Verhältnissen  abhängen,  wo 
die  Abtheilung  zwischen  der  unteren,  mittleren  und  oberen  Unterrichts- 
stufe zu  machen  sei,  und  bleibt  die  Bestimmung  darüber  dem  Ober- 
schulcollegium vorbehalten.  §.  10.  Wenn  ein  Candidat  des  Predigt- 
amts, der  bei-eits  ein  theologisches  Examen  genügend  bestanden  und 
auch  seine  Kenntnisse  in  der  hebräischen  Sprache  vortheilhaft  bekun 
det  hat,  sich  zur  Prüfung  für  das  Schulfach  stellt,  so  bedarf  es  für 
diesen  in  der  Regel  nicht  mehr  einer  Prüfung  über  seine  theologischen 
und  seine  hebräischen  Kenntnisse  vor  der  wifsenschaftlichen  Prüfungs- 
commission. Ein  solcher  hat  das  theologische  Prüfungszeugnis  seinem 
Meldungsgesuche  beizufügen.  —  §.11.  Das  Oberschulcollegium  hat  zu 
bestimmen,  ob  der  Candidat,  nachdem  die  Prüfung  über  seine  theo- 
retische Bildung  vor  der  wifsenschaftlichen  Prüfungscommission  in  Göt- 


statistische  und  andere  Mittheilungen.  001 

tingeii  vollendet  ist,  zuuiiclist  zur  Abhaltung  einer  Probelection  in  Han- 
nover sicii  oinzutiiulen  halte,  oder  ob  der.sell)e,  ohne  eine  solche  i;e- 
niacht  zu  haben,  zur  Abhaltung  des  Probejahrs  bei  einer  höheren  .Schul- 
anätalt  des  Landes  ,  oder  zum  Eintritt  in  die  zweite  Abtheilung  i\es 
paedagogischen  Seminars  in  Gottingen,  zuzulafsen  sei.  Erst  nach  der 
Bewährung  seiner  [iraktischen  Fähigkeit  erhält  der  einzelne  seineu 
Platz  unter  den  anstellungsfähigen  Candidaten  für  das  höhere  Schul- 
wesen des  Königreichs.  —  §.  12.  fn  Ansehung  des  in  der  königlichen 
Verordnung  vom  '2'2.  Aprii  1S,5I  «5.  7  vorgeschriebenen,  der  wirklichen 
Anstellung  vorhergehenden,  Probejahrs  der  Schulaintstandidaten  wird 
folgendes  bemerkt:  Durch  das  Prol)ejahr  soll  derZ«e('k  erreicht  wer- 
den, die  Lehrgeschicklichkeit  des  Candidaten  genauer  kennen  zu  ler- 
nen und  zugleich  practisch  weiter  auszubilden.  Ks  wird  ihm  daher 
an  der  Anstalt,  an  welcher  er  das  Probejahr  macht,  eine  mäfsige  An- 
zahl von  Lectionen,  nach  der  Wahl  des  Directors  oder  Rectors  der 
Schule  überwiesen.  Der  Vorsteher  der  Schule  wird  die  Stunden  des 
Candidaten,  so  viel  es  seine  Zeit  erlaubt ,  besuchen,  sich  mit  ihm  über 
den  Inhalt  und  die  B^orm  seines  Unterrichts  besprechen,  ihn  auf  IMän- 
gel  im  Unterrichte  oder  IMisgriffe  in  Behandlung  der  Schüler  aufmerk- 
sam machen  und  ihm  überhaupt  mit  seinem  Rathe  und  seiner  Erfah- 
rung zur  Seite  stehn.  Auch  die  Classenordinarien  werden  sich  die 
Unterstützung  des  Candidaten  in  Absicht  seines  Unteri'ichts,  so  wie 
in  Handhabung  der  Disciplin  zur  Ptiicht  machen,  und  der  Candidat 
wird  den  Gewinn,  welchen  er  aus  seiner  Stellung  zu  ziehen  im  Stande 
ist,  dadurch  wesentlich  vermehren,  wenn  er,  besonders  im  Anfange 
seiner  Wirksamkeit,  die  Lectionen  erfahrener  Lehrer  besucht  und  sich 
nach  ihrem  Beispiele  bildet.  An  den  Lehrerconferenzen  werden  die 
Probecandidaten  regelmäfsig  Theil  nehmen,  ohne  jedoch  bei  etwaigen 
Abstimmungen  eine  entscheidende  Stimme  zu  führen ;  in  Absicht  ihrer 
Lectionen  aber  haben  sie  Urtheil  über  die  einzelnen  Schüler  bei  Ab- 
falsung  der  Censuren  abzugeben.  Am  Ende  ihrer  Probezeit  wird  ihnen 
von  deni  Vorsteher  der  Anstalt  ein  Zeugnis  über  die  von  ihnen  be- 
wiesene Treue  in  Erfüllung  ihrer  Pflichten,  über  ihr  Verhältnis  zu 
Schülern  und  Mitlenrern  und  über  den  Grad  der  von  ihnen  erlangten 
Geschicklichkeit  im  Unterrichten  und  in  der  Handhabung  der  Disci- 
plin ausgestellt  werden.  Für  die  Mitglie'der  des  paedagogischen  Se- 
minars in  Göttingen,  welche  als  Hilfslehrer  am  dortigen  Gymnasium 
fungiren ,  sind  besondere  Vorschriften  erlafsen.  —  §.  13.  AVenn  ein 
bisheriger  Lehrer  zum  Director  eines  Gymnasiums  oder  Rector  eines 
Progymnasiums  in  Vorschlag  gebracht  wird,  so  hat  das  Oberschulcol- 
legium  zu  bestimmen,  ob  es  denselben  zuvor  zum  cnlloquio  pro  recto- 
ratii  ziehn  wolle.  In  diesem  coUoquio  werden  die  in  dem  Kreise  der 
gelehrten  Schulen  vorkommenden  Sprachen  und  Wifsenschaften  be- 
sprochen, es  werden  jedoch  in  der  Regel  nicht  so  sehr  die  materiellen 
Kenntnisse  des  zum  colloquio  gezogenen  ins  Augegefafst,  als  vielmehr 
seine  Einsicht  in  das  Wesen  der  gelehrten  Schule,  in  die  Natur  eines 
jeden  Lehrfachs,  in  den  inneren  Zusammenhang  seiner  Theile  ,  in  sei- 
nen Zusammenhang  mit  den  übrigen  Unterrichtsfächern  und  mit  dem 
Zwecke  des  gelehrten  Unterrichts;  in  die  Methode;  in  die  disciplina- 
rische  Haltung  einer  ganzen  Anstalt,  und  in  den  Geist  des  Verhält- 
nisses zwischen  dem  Dirigenten  uud  dem  Lehrercollegium ;  endlich 
seine  Kenntnis  der  Hilfsmittel  des  Unterrichts  und  der  paedagogischen 
Litteratur  überhaupt.  Dafs  der  geübte,  durch  L^nterricht  auf  den  ver- 
schiedenen Stufen  der  gelehrten  Schule,  so  wie  durch  den  Verkehr 
mit  Collegen  und  Schülern  und  dem  Publicum  gebildete  Mann  vor 
allem  einen  bedeutenden  Grad  der  Reife  der  wifsenschaftlichen  wie 
der  sittlichen  Ausbildung  erlangt  haben  müfse,  um  zum   Vorsteher  des 


602  Schul  -  und  Personalnachriclifen. 

Ganzen  fähig  befunden  zu  werden,  liegt  Inder  Natur  der  Sache ;  eben 
so,  dafs  an  den  Vorsteher  der  Schule  geringern  Umfangs,  welcher  die 
oberste  oder  die  beiden  obersten  Gymnasialclassen  fehlen,  auch  nicht 
die  gleichen  Forderungen  gemacht  werden,  wie  an  den  ües  vollstän- 
digen Gymnasiums.  —  §.  14.  Da  bei  der  Wirksamkeit  des  Schulman- 
nes die  blol's  äufsere  Gesetzmäfsigkeit  in  Abhaltung  der  Stunden  und 
Abwartung  seiner  übrigen  Pflichten  am  wenigsten  hinreicht,  und  ein 
Lehrer,  ohne  gerade  jene  zu  verletzen,  doch  zum  gröl'sten  Nachtheile 
einer  ganzen  Anstalt  gereichen  kann,  so  ist  durch  JJ.  fS  der  königlichen 
Verordnung  vom  22.  April  1831  die  Prüfung  pro  loco  angeordnet  wor- 
den, um  zu  ermitteln,  ob  ein  solcher  Lehrer  in  wifsenschaftlicher  und 
practischer  Hinsicht  seiner  Aufgabe  noch  gewachsen  sei  oder  nicht; 
und  es  sind  an  den  ungünstigen  Ausfall  dieser  Prüfung  P\)lgen  ge- 
knüpft, welche  den  grofsen  Nachtheil,  den  eine  Anstalt  durcli  einen 
solchen  Lehrer  erfahren  kann,  abzuwenden  oder  docii  zu  vermindern 
im  Stande  sind.  Das  dabei  zu  beobachtende  Verfahren  ist  durch  die 
königl.  Verordnung  selbst  hinlänglich  auseinandergesetzt;  doch  wird 
hier  noch  ausdrücklich  bemerkt,  dafs  eine  oder  mehrere  Probelectionen, 
um  die  practischen  Leistungen  des  zur  Prüfung  gezogenen  Lehrers  ins 
rechte  Licht  zu  stellen,  ein  wesentlicher  Theil  des  mit  ihm  einzuhal- 
tenden Verfahrens  sein  werden.  §.  13.  Sowohl  bei  der  allgemeinen 
Prüfung  jjro  fucultaie  doccndi,  als  bei  der  Oberlehrerprüfung,  wer- 
den in  die  Casse  der  wifsenschaftlichen  Prüfungsconuuission  in  Göt- 
tingen 6  Thir.  Courant  an  Gebühren  entrichtet.  —  §.  16.  Wenn  ein 
Lehrer  aus  dem  Auslande  berufen  werden  soll,  welcher  bereits  an  einer 
höhern  Anstalt  gearbeitet  hat,  so  wird  das  Oberschulcollegium  die  Ue- 
dingungeu  festsetzen,  welche  derselbe  etwa  noch  zu  erfüllen  hat.  Die 
Ausführung  der  gegenwärtigen  Bekanntmachung  beginnt  mit  dem 
1.  Julius  d.  J.  ♦). 

Hannover,  den  14.  Februar  ISJS. 

Königliches   OberSchuIcollegium. 
Kohlrausch.  Bodo.         Schmalfuss.         Küster. 

Iglau.  Am  k.  k.  Gymnasium  sind  folgende  Veränderungen  vor- 
genommen worden.  Der  provisorische  Director  J.  Chr.  Maderner 
tauschte  seine  Stelle  mit  dem  Lehrer  zu  Neuhaus  P.  Chyle,  der  Leh- 
rer Steph.  Wolf  mit  dem  Suppl.  H.  Schreyer  in  Brunn,  der  Leh 
rer  Frz.  Wanek  mit  dem  Suppl.  T  h.  Hohen  warter  in  Olmütz, 
der  Suppl.  Fr.  Marek  mit  dem  Suppl.  Ferd.  Gatti  in  Cllli ,  der 
Religionslehrer  H.  Schmidek  soll  an  ein  anderes  Gymnasium  ver- 
setzt werden,  der  Suppl.  AI.  Sohn  ist  seiner  Stelle  enthoben  worden. 

KÖNIGSBERG  in  Preussen.  An  dem  altstädtischen  Gymnasium  ist 
der  Cand.  des  höhern  Schulamts  Dr.  O.  E.  Retzlaff  als  ordentlicher 
Lehrer  angestellt  und  bestätigt  worden. 

Leipzig.  An  der  Thomasschule  war,  nachdem  der  vorherige  Leh- 
rer der  französischen  Sprache  Dr.  ph.  Fr.  Gli.  Günther  sein  Amt 
freiwillig  niedergelegt,  der  Privatlehrer  C.  Ehrt  angestellt  worden. 
Nachdem  der  Schulamtscand.  Dr.  ph.  C.  Chr.  Schubart  Michaelis 
lHb'2  nach  Meifsen  berufen  worden  war,  trat  der  Schulamtscand.  Dr. 
ph.  H.  Wunder  sein  Probejahr  an.  Freiwillige  Aushilfe  leistete  der 
Cand.  Dr.  Schmidt  (s.  Budissin).  Die  Schülerzahl  betrug  Ostern — 
Mich.  1852:  180,  Mich.  1852— Ostern  1853:  172  (I:  28,  H :  31,  Hl: 
39,  IV:  30,  V:  28,  VI:  16).  Mich,  giengen  12,  Ostern  1853:  6  zur 
Universität.     Dem  Programm  beigegeben  ist  die   Abhandlung  des  Rect. 

,  *)  Zwei  ältere,  im  Auslände  wenig  bekannt  gewordene  Verord- 
nungen werden   wir  im  nächsten  Hefte  mittheilen. 


statistische  und  andere  Mittheiltingen.  603 

Prof.  Dr.  G.  Stall  bau  in:  de  aitis  dialccticac  in  Phucdio  IHatonia 
doctrina  et  usu  (32  S.  4).  —  An  der  Universität  ist  der  Privatdocent 
Lic.  Dr.  ph.  H.  G.  Hölemann  zum  aufserordentiiclien  Prof.  der  Theo- 
logie ernannt  worden. 

LlKGMTZ.  Das  Directorat  an  der  hiesigen  Ritterakademie  hat  der 
seitherige  DIrector  des  Gymnasiums  zu  Torgau  Prof.  Dr.  G.  A.  Sau  ppe 
vorläufig  auf  ein  halbes  Jahr  übertragen  erhalten.  Der  Prof.  an  der- 
selben Anstalt  Dr.  J.  Sommerbrodt  ist  zum  Director  des  Gymna- 
siums in  Ratibor  ernannt  worden. 

LÜKKCK.  Ostern  1852  verliefs  das  dortige  Catharineum  Dr.  Plötz, 
erster  Lehrer  der  französischen  Sprache,  um  einem  Rufe  an  das  fran- 
zös.  Gymn.  in  Berlin  zu  folgen;  in  seine  Stelle  trat  Michaelis  1852 
Dr.  Adolf  Holm  aus  Lübeck.  Im  Laufe  des  Schuljahres  starb  der 
emeritierte  Gymnasiallehrer  Chr.  Gottfr.  Poser.  Der  Hilfslehrer 
in  den  Vorbereitungsclassen  A.  J.  Kvers  wurde  als  Waisenvater  am 
städtischen  Waisenhause  angestellt;  in  seine  Stelle  trat  C.  H.  C.  Sa- 
ger. Das  Lehrercollegium  besteht  demnach  gegenwärtig  aus  dem  Di- 
rector Prof.  Fr.  Jacob,  den  Professoren  Dr.  Classen,  Dr.  Dee- 
cke  und  Mos  che,  den  Collaboratoren  Mantels,  Dr.  Dettmer, 
Scherling,  Evers,  v.  Grofsheim,  Dr.  Zerre nner,  Richter, 
Haase,  Dr.  Holm  und  den  Gymnasiallehrern  Peacock,  Mussard, 
Äleyer,  Sager.  Die  Schülerzahl  betrug  von  Ostern  bis  Michaelis 
1852:  296,  von  da  bis  Ostern  J853:  317  (I:  21,  II:  26,  IIP:  31,  III'': 
29,  IV":  41,  IV»:  28,  V^:  33,  V" :  22,  VI":  37,  VI":  34,  VII:  15).  Zur 
Universität  entlafsen  10.  Inhalt  des  Osterprogramms  1853:  1)  Ad. 
Holm:  ad  Car.  Lachmanni  exemplar  de  aliquot  Iliadis  carminum 
compositione  quaeritur  (S.  1 — 24).  2)  Etüde  sur  Andre  Chenier,  par 
Ad.  Holm  (S.  25—38).     4. 

Naumburg.  Am  dasigen  Domgymnasium  trat  im  vergangenen  Jahre 
keine  Veränderung  des  Lehrercollegiums  ein.  Die  Schülerzahl  betrug 
am  19.  Febr.  1853  181  (I:  21,  II:  25,  III:  45,  IV:  41,  V:  49).  Abi- 
turienten waren  Ostern  1852  4,  Michaelis  2.  Das  Programm  Ostern 
1853  enthält  F.  W.  Holtze:  Syntaxis  priscorum  scriptorum  Latinnrum 
usque  ad  Tcrcntium  specimcn  altcrum  (22  S.  4). 
Nt-UHAUS.      (S.  Iglau). 

Neuss.  An  das  hiesige  Gymnasium  wurde  der  Lehrer  vom  Gymn. 
zu    Vechta  in  Oldenburg  Dr.  W.  Bogen  als  Oberlehrer   berufen. 

Oels.  An  dem  dasigen  Gymnasium  (s.  Bd.  LXV  S.  117)  wurde 
Ostern  1852  die  6.  Classe  eröifiiet,  die  der  Secunda  parallele  Real- 
classe  gieng  aus  Mangel  an  Schülern  Michaelis  desselben  Jahres  ein 
und  auch  die  Realtertia  und  Quarta  schmolzen  so  zusammen,  dal's  sie 
Ostern  1853  aufgehoben  wurden;  dagegen  muste  die  Tertia  in  zwei 
Classen  getrennt  werden.  Der  Schulamtscandidat  Schwarzkopf  er- 
hielt Ostern  1852  eine  Anstellung  an  der  Stadtschule  zu  Wohlau;  da- 
gegen ward  in  derselben  Zeit  der  Cand.  W.  Rabe  als  Hilfslehrer  ein- 
geführt. Die  Lehrer  der  kathol.  Religion,  Curatus  Grund  und  Hein- 
zel  wurden  nach  kurzer  Dienstleistung  versetzt.  Mich,  1852  trat  in 
ihre  Stelle  der  Curatus  Hippel.  Zur  Gründung  einer  neuen  Hilfs- 
lehrerstelle wurden  die  Mittel  von  den  Patronaten  der  Anstalt  bereit- 
willigst gewährt.  Die  Schülerzahl  betrug  218  (I:  17,  II:  25,  III:  48, 
IV:  42,  V:  29,  VI:  57).  Michaelis  1852  giengen  2  zur  Universität. 
Das  Programm  1853  enthält:  Lieb  ig:  de  gcnitivi  usu  Tcrcntiano 
(26  S.  4). 

Olmütz.  Am  k.  k.  Gymnasium  war  der  Supplent  Dr.  K, 
Schwippel  zum  wirkl.  Gymnasiallehrer  befördert,  der  Supplent  Th. 
Hohen  warter  an  das  Gymnas.  in  Iglau,  daj^egen  der  Lehrer  Frz. 
Wan'"k  von  dort  hierher  versetzt  worden. 


604  Schul-  und  Personalnachrichten  u.  s.  w. 

Salzburg.  Der  kaiserl.  Rath  L.  Ritter  v.  Köchel  ist  von  sei- 
ner Stelle  als  Gymnasial-  und  Volksschulinspector  des  Kronlandes  Salz- 
burg zurückgetreten. 

ScHÄssBURG  in  Siebenbürgen.  Nachdem  das  dasige  Gymnasium 
am  18.  f'ebruar  J849  durch  die  aufständischen  Szekler  eine  Stätte  der 
Zerstörung  und  Plünderung  geworden  war,  wurden  die  Schäden  an 
Gebäude  und  Schuleinrichtung  durch  das  Locaiconsistorium  wieder 
ausgebefsert,  die  von  dem  k.  k.  Ministerium  unter  dem  29.  Oct.  1850 
bewilligte  Unterstützung  von  2000  rt.  C.-M.  aber  zur  Wiederherstel- 
lung der  bis  auf  traurige  unvollständige  Reste  vernichteten  Lehrmittel- 
sammlung verwendet.  Das  Lehrerpersonal,  welches  im  Schulj.  1851 — 
1852  den  Unterricht  am  Gymnasium  und  zugleich  an  dem  evangeli- 
schen Seminarium  von  4  Jahrgängen  und  einer  Unterrealschule  von 
2  Jahrgängen  besorgte,  bestand  aus  dem  Director  G.  D.  Teutsch, 
den  ordentl.  Lehrern  W.  Berwerth,  Joh.  Stürz  er,  Dan.  Hain, 
Mich.  Kellner,  Jos.  Halt  rieh,  Frdr.  Müller,  W.  Melzer, 
K.  F  a  b  r  i  t  i  u  s ,  Joh.  Lander,  M  a  r  t.  D  u  I  d  n  e  r ,  Frdr.  B""  r  o  n  i  u  s, 
Joh.  Mätz  und  den  Nebenlehrern  Cautor  Mich.  Kellner,  Ferd. 
Hefsmann  und  Ad.  F'riesel  (für  Zeichnen  neu  angestellt).  Sämmt- 
liche  Lehrer  sind  weltlich.  Wegen  der  früher  am  Gymnasium  statt- 
findenden zweijährigen  Curse  fehlten  die  8.  Classe  des  Gymnasiums 
und  die  4.  des  Seminariums.  Schülerzahl  im  Gymnasium:  111  (I:  48, 
II:  19,  III:  14,  IV:  7,  V:  6,  VI:  5,  VII;  12;  109  Deutsche,  2  Rumä- 
nen), im  Seminar:  34  (I:  18,  II:  8,  III:  8;  33  Deutsche,  1  Rumäne), 
in  der  Realschule:  33  (I:  23,  II:  10;  30  Deutsche,  3  Rumänen),  im 
ganzen  also  178. 

Stargard.  In  die  durch  Pensionierung  des  Gymnasiallehrers 
Reichhelm  [s.  Bd.  LXV  S.  231]  erledigte  sechste  Lehrstelle  am  kö- 
nigl.  Gymnasium  ascendierte  GL.  Essen,  in  die  siebente  GL.  Run- 
ge, und  der  wifsenschaftliche  Hilfslehrer  Dr.  Roll  mann  wurde  als 
achter  ordentlicher  Lehrer  angestellt.  Das  Lehrercollegium  besteht 
danach  gegenwärtig  aus  dem  Director  Prof.  Dr.  Freese,  dem  Pro- 
rector  Prof.  Dr.  Wilde,  den  Gymnasiallehrern  Dr.  Schirlitz,  Dr. 
Engel,  Dr.  Schmidt,  Essen,  Runge,  Dr.  Rollmann,  Dr. 
Kopp,  Zeichen-  und  Schreiblehrer  Keck,  Musikdirector  Bischoff. 
Die  Zahl  der  Schüler  betrug  am  Schlufs  des  Schuljahres  1852 — 53:  186 
(I:  ti,  II:  19,  III:  46,  IV:  50,  V:  43,  VI:  22);  zur  Universität  wurden 
2  entlafsen.  Abhandlung  des  Osterprogramms  1853  von  Dr.  W.  En- 
gel: Xenophons  politische  Stellung;  und  Wirksamkeit  (20  S.  4). 

Stendal.  Am  8.  April  feierte  der  Director  des  hiesigen  Gymna- 
siums Dr.   Haacke  sein  50jähriges  Amtsjubilaeum. 

Teschen.  Am  k.  k.  Gymnasium  wurde  der  Supplent  AI.  Indra 
zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  ernannt,  desgleichen  einstweilig  ver- 
wendet der  wirkliehe  Gymnasiallehrer,  Unterleutnant  im  Infanterie- 
regiment Nr.  14,  AI.  Czedik,  der  Nebenlehrer  E.  Jan  ota  nach  Kra- 
kau  versetzt,  als  Supplenten  K.  Häfele  und  O.  Lorenz  angestellt. 
Am  evangel.  Gymn.  trat  als  Supplent  Joh.  Oertel  ein. 

Triest.  Der  Supplent  am  k.  k.  Gymnasium  Dr.  Jos.  Zhismann 
ist  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  befördert  worden. 

Troppau.  Der  provisor.  Director  des  k.  k.  Gymnasiums  A.  Alt 
ist  zum  wirklichen  Director,  die  Supplenten  Jac  Meister  (aus  dem 
Nassauischen  gebürtig),  Religionslehrer  Dr.  Jos.  Mikula  (nach  be- 
standener Prüfung  aus  dem  Böhmischen),  Jos.  Walz  und  Mich. 
Schenk  zu  wirklichen  Gymnasiallehrern  befördert  worden. 

Wkuthiieim.  Von  dem  Lyceum  sind  die  katholischen  Religions- 
lehrer Kaplan  Burger  (nach  Baden-Baden  versetzt)  und  Stadtpfar- 
rer Grimm  ausgeschieden.     Am  5.  Aug.    1852  feierte  der  Director  Dr. 


Todesfälle.  605 

Pöhlisch  sein  SOjähr.  Lclirerjiibllaeum  (s.  Bd.  LXVI  S.  442).  Die 
Anzahl  der  Scliülerbctruftl:  i-^l,  II:  20,  III:  J4,  IV":  10,  IV":  4,  V'':ü, 
V":  7,  VI'':  14,  VP  :  6,  Su. :  III.  Zur  Universität  giengen  Michaelis 
1851:   II. 

Wien.  Der  Supplent  am  k.  k.  Gj^mnasiiim  in  Josephstadt  K.  To- 
maschek  ist  zum  Gymnasiallehrer  aui  theresianischen  Gymnasium  be- 
fördert worden. 

Zittau.  Am  Gymnasium  war  der  Director  Prof.  Lindemann 
nach  längerer  Beurlaubung  um  seine  P^meritierung  mit  Pension  einge- 
kommen.  Die  Schülerzah!  betrug  im  vergangenen  .Schuljahre  HS  (1:9, 
II:  20,  III^:  13,  III'':  14,  IV:  II,  V:  II,  VI:  7.  Abiturienten  Ostern 
1853:  6.  An  der  Anstalt  ersciiienene  Programmabhandlungen  sind: 
zum  Osterprogramm  1852:  Jahn:  Uvbcr  Praemicn  und  Rcscrvcfonds- 
bcrcchnung  bei  Lebensvcrsichcrung;sanstalten  (68  S.  8).  Linde- 
mann: Verba  CorncUae  Gracchorum  matris  ex  Cornclii  Nepotis  libro 
excerpta  und  Prccatio  doniini  ex  Tcutonico  Mahlmnn?ii  latine  reddita. 
Lachmann:  Wie  ist  es  beim  allgemeinen  Gcsekichtsunterrieht  mit 
dem  Vortrage  der  jüdischen  Geschickte  zu  halten?  und  ad  loeum 
Psalm  LXVllI,  13 — 15,  endlich  zum  Osterprogramm  1853  Kämmel: 
Der  Einfluss  der  französischen  Sprache  und  Lilteratur  auf  die  ho- 
hem Stände  Deutschlands  seit  der  Mitte  des  sechzehnten  Jahrhun- 
derts (27  S.  4). 

Znaim.  Die  Supplenten  am  k.  k.  Gymnas.  L.  Bahr,  K.  Steys- 
kal  und  W.  Rösner  sind  zu  wirklichen  Gymnasiallehrern  befördert 
worden. 

Zwickau.  An  dem  Gymnasium  (s.  Bd.  LXVII  S.  494)  ist  der 
Schulamtscand.  Dr.  Mosen  als  Lehrer  angestellt  worden. 


Todesfälle. 


Am  12.  Sept.  1852  starb  der  Oberlehrer  am  Gymnasium  zu  Marien- 
werder E.  A.  Th.  Baarts  (geb.  zu  Tempelburg  in  Pommern  J807). 

Am  6.  Nov.  1852  zu  Frankfurt  a.  M.  der  k.  k.  österr.  Hof-  und  Mini- 
sterialrath  Frz.  Maria  Freih.  Neil  v.  Nel  I  e  nbiir  g-Da  men- 
acker  (geb.  zu  Brunn  am  17.  Juni  1795),  Verfafser  mehrerer 
archaeologischer  Schriften:  Ueber  die  Baetylien  der  Alten,  über  den 
Dienst  der  Kabiren  u,  a. 

Am  15.  Nov.  1852  zu  Waitzen  P.  Sümeghi,  Piaristenordenspriester, 
mehrere  Jahre  in  Pesth  Lehrer  und  Verfafser    vieler  Schulbücher. 

Am  26.  Dec.  1852  zu  Wien  der  k.  k.  Ministerialsecretär  Jos.  Hain, 
Verfafser  ausgezeichneter  statistischer  und  geograph.  Werke. 

Am  31.  Dec.  1852  zu  licin  der  Prof.  am  k.  k.  Gymnasium  Dr.  Ant. 
Fähnrich  51  J.  alt.  Verf.  mehrerer  deutscher  und  cechischer 
Schriften,  namentlich  eines  Lehrbuchs  der  Mathematik  in  cechi- 
scher Sprache. 

Am  2.  Jan.  1853  zu  Agram  der  Prof.  am  Gymnasium   Jos.  Bielak. 

Am  23.  Jan.  zu  Wien  Ad.  V.  Kritsch,  Piaristenordensjubilarpriester, 
Exprovincial,  Consultor  und  Decan  (geb.  zu  Znaim  1776;  von 
1796 — 1820  in  allen  Stadien  des  Lehramts,  namentlich  in  Wien 
thätig). 

Am  30.  Jan.  zu  Darmstadt  Gymnasiallehrer  A.  Nodnagel,  50  J.  alt, 
Herausgeber  mehrerer  Sammlungen  für  den   deutschen   Unterricht. 

Am  1.  Febr.  zu  Wien    der   Prof.    der   franz.    und   poln.    Litteratur   an 


606  Nekrolog:. 

der  k-  k-  tlieresianisohen  Akademie  Job.  Bapt.  Hofstetter, 
Tl  J.  all. 

Am  20.  Febr.  zu  Wien  der  Director  des  k.  k.  akademischen  Staats- 
gymnasiums  W.  Po  dl  aha,  Priester  des  Ordens  der  frommen  Schu- 
len (geb.  zu  Sternberg  in  Böhmen  am  3.  Juli  1803,  seit  1828  am 
Gymn.  zu  Hern,  seit  1828  in  Wien  als  Lehrer  thätig). 

Am  5.  April  zu  München  der  Oberconsistorialrath  Dr.  theol.  Höfling. 

Am  13.  April  zu  Heidelberg  der  Geheime  Rath  Prof.  an  der  Univer- 
sität Dr.   Leopold  Gmelin. 


Nekrolog. 

Die  Kunde  Ton  dem  am  21.  Januar  dieses  Jahres  erfolgten  uner- 
warteten Ableben  des  Prorectors  am  Gymnasium  zu  Schweidnitz,  Carl 
August  Friedrich  Brückner,  hat  gewis  in  engen  und  weiten 
Kreisen  die  zahlreichen  Freunde  und  Verehrer,  die  er  ebensowohl 
durch  seine  hohe  Anspruchslosigkeit  und  Rechtlichkeit  als  Mensch,  wie 
durch  rastlose,  erfolgreiche  Thätigkeit  als  Lehrer  und  durch  seine  ge- 
diegenen Werke  als  Schriftsteller  sich  erworben  hat,  mit  gerechtem 
Schmerze  erfüllt.  Der  unterzeichnete,  ein  früherer  Lehrer  des  ver- 
storbenen, erachtet  es  für  eine  traurige  Pflicht,  dem  Andenken  sei- 
nes Schülers  und  Freundes  hier  einige  Worte  zu  widmen. 

C.  A.  Fr.  Brückner  wurde  am  2.  Mai  1803  in  Volkenrode  im 
Gothaischen,  wo  sein  Vater,  der  jetzige  Hofrath  Heinrich  Lud- 
wig Karl  Brückner  in  Gotha,  damals  Amtscommi&sair  war,  gebo- 
ren. Seinen  ersten  wifsenschaftlichen  Unterricht  erhielt  er  in  der 
sogen,  latein.  Schule  in  Waltershausen,  wohin  sein  Vater  im  Jahre 
1807  versetzt  worden  war.  Vom  Jahre  1813—1818  wurde  er  diü-(  h 
Privatunterricht  so  weit  gefördert,  dafs  er  zu  Ostern  des  Jahres  1818 
in  die  Classis  Prima  des  Gymnasiums  zu  Gotha  aufgenommen  wurde. 
Wohl  darf  es  der  unterzeichnete  aussprechen,  dafs  hier  Brückner  den 
Grund  seiner  wifsenschaftlichen  Tüchtigkeit  legte  und  dafs  er  den 
Lehrern  dieser  Anstalt,  unter  denen  er  nachmals  Döring,  Schulze 
und  Rost  mit  besonderer  Verehrung  nannte,  die  Liebe  zum  Alter- 
thum  und  zur  Alterthumswifsenschaft  verdankte.  Wohl  vorbereitet  be- 
zog er  zu  Ostern  1822  die  Universität  Jena,  um  sich  den  philologi- 
schen Studien  zu  widmen.  An  Eichstädt,  welcher  damals  auch  als 
Docent  noch  rüstig  war  und  das  philol.  Seminar  mit  besonderer  Vor- 
liebe leitete,  fand  er  einen  Gönner  und  Beschützer,  der  ihm  sein 
Wohlwollen  bis  an  sein  Lebensende  erhielt;  in  Hand  und  Göttling 
verehrte  er  diejenigen  Lehrer,  welche  auf  die  Richtung  seiner  Studien 
den  meisten  Einflufs  hatten.  Zur  Fortsetzung  seiner  Studien  gieng  er 
1824  nach  Göttingen.  Die  Georgia  Augusta  hatte  damals  den  Zeit- 
punkt ihrer  höchsten  Blüte  erreicht ;  mit  den  andern  Disciplinen  hielt 
sich  die  Philologie  auf  gleicher  Höhe.  Neben  dem  für  das  Seminar 
besonders  thätigen  Mitscherlich  begeisterten  D  i  s  s  e  n  und  K.  O  t  f  r. 
Müller  für  die  Alterthumswifsenschaft  und  gewannen  ihr  tüchtige 
Schüler.  Unter  ihnen  war  Brückner.  Einen  schönen  Beweis  seiner 
erworbenen  Kenntnisse  und  der  Richtung  seiner  Studien  gab  er  in  dei 
Schrift  über  Massilia,  welche  im  Jahre  1826  den  Preis  gewann.  Um 
diese  Zeit  wurde  ihm  die  Aussicht  zu  einer  Anstellung  an  der  Ritter- 
akademie zu  Lüneburg  eröffnet,  von  der  er  aber  keinen  Gebrauch 
machte,  weil  er  den  besondern  Wunsch  hegte,  an  einer  Schule  im 
Preussischen  als  Lehrer  wirken   zu    können.      Auf  eine   desfalsige   An- 


Nekrolog'.  607 

fiajre  wurde  ilim  <lie  Antwort  ertlieilt,  (lafs  er  zuvörderst  Iii  das  phi 
lolo{>i.s<;lic  Seminar  in  lire.slaii  eintreten  und  sich  zu  dem  FCnde  einer 
Prüfung  unterwerfen  solle.  Kr  leistete  dieser  Anforderung;  Genüfre  und 
eriiielt  während  seines  einjälirifren  Aufenthalts  in  dieser  Stadt  von  dem 
Prof.  M  iddeld  o  rf  und  andern  Cielehrten,  vor  allen  von  Wachler, 
einem  Ciothaner,  und  Passow,  einem  Zögling  des  Gothaischen  Gym- 
nasiums, viele  Beweise  ihres  Wohlwollens.  Zu  Ende  des  Jahres  1827 
ward  ihm,  nachdem  er  eine  Zeit  lang  an  dem  Gyninas.  Magdal.  zu 
Breslau  als  Lehrer  fungiert  hatte,  die  fiinfte  Lehrerstelle  am  Gymna- 
sium zu  Schweidnitz  angetragen.  Er  nahm  sie  an  und  blieb  der  An- 
stalt —  einer  städtischen,  von  welcher  Berufungen  und  Versetzungen 
an  königliche  Gymnasien  nur  in  seltenen  Fällen  stattfinden  —  bis  an 
sein  Ende  getreu.  Mit  der  gröfsten  Gewifsenhaftigkeit  erfüllte  er  die 
ihm  als  Lehrer  obliegenden  Pflichten  und  benutzte  jede  ihm  von  den 
Berufsgeschäften  übrige  Mufsestunde,  um  in  seiner  Wifsenschaft  fort- 
zuschreiten und  die  Resultate  seines  Forschens  der  gelehrten  Welt 
mltzutheilen.  Nachdem  er  schon  mehrere  Jahre  die  Stelle  eines  Pro- 
rectors  ,  d.  i.  des  ersten  Lehrers  nach  dem  DIrector,  bekleidet  hatte, 
rief  ihn,  den  in  voller  Rüstigkeit  wirkenden,  der  Tod  ab.  Wie  sehr 
seine  nützliche  Wirksamkeit  in  der  neuen  Vaterstadt  anerkannt  wurde, 
beweist  der  schöne  Nachruf,  welchen  der  dortige  ÄLigistrat  und  Ge- 
meinderath  ihm  widmete,  so  wie  die  erhebende  Todtenfeier,  welche 
kurze  Zeit  darauf  dem  abgeschiedenen  zu  Ehren  von  seinen  Collegen 
und  Schülern  in  dem  Gymnasium  begangen  wurde. 

So  wie  Brückners  amtliche  Thätigkeit  eine  gedeihliche  war  und 
ihm  die  allgemeine  Achtung  sicherte,  so  hat  er  auch  durch  seine  lit- 
terarischen Leistungen  einen  wohlbegründeten  Ruf  sich  erworben.  Sein 
Erstlingsversuch,  die  Historia  rcipublicae  Massiliensium.  Göttingen 
1826,  eine  gekrönte  Preisschrift,  wird  noch  jetzt  wegen  der  fleifsigen 
Benutzung  der  vorhandenen  Quellen  und  wegen  der  lichtvollen  Anord- 
nung und  Behandlung  des  Stoffes  geschätzt.  Aufser  mehreren  Schul- 
schriften, von  denen  wir  besonders  zwei  hervorheben:  Cicero  num  Ca- 
tilinam  repetundarum  reum  defenderit.  Schweidnitz  1844  und  Dispu- 
tatio,  qua  Cicero  in  libris  de  oratore  scribendis  quid  ex  Isocratc  et 
Aristotele  mutuatus  sit,  ad  explic.  epist.  ad  fam.  I,  9,  23  examina- 
tur,  eine  Abhandlung,  mit  welcher  der  Prorector  Krebs  bei  seinem 
fünfzigjährigen  Jubilaeum  1849  von  dem  Schweidnitzer  Lehrercolle- 
gium  begrüfst  wurde,  hat  er  eine  historische  Untersuchung  von  grö- 
fserm  Umfang:  König  Philipp,  Sohn  des  Amyntas  von  Ma- 
kedonien, und  die  hellenischen  Staaten.  Göttingen  1837  und 
ein  Lehrbuch  der  allgemeinen  Geschichte  für  den  gelehr- 
ten Schulunterricht  in  3  Abtheilungen,  Göttingen  1838  heraus- 
gegeben. Aber  sein  Hauptwerk,  in  welchem  die  Forschungen  eines 
Lebensalters  niedergelegt  sind,  und  welches  seinen  Namen  lange  bei 
der  Nachwelt  erhalten  wird,  ist:  Leben  des  M.  Tu  11  ins  Cicero. 
Erster  Theil,  das  bürgerliche  und  Privatleben  des  Ci- 
cero. Göttingen  1852.  Trotz  mancher  Vorarbeiten  war  es  eine 
schwierige  Aufgabe,  das  Leben  des  Cicero  zu  schreiben,  welche  Brück- 
ner mit  glücklichem  Erfolge  gelöst  hat.  Das  letztere  Werk  von  Be- 
deutung, welches  eine  zusammenhängende  Darstellung  des  Lebens  von 
Cicero  zum  Zweck  hat,  das  von  Middleton,  war  vor  länger  als  100 
Jahren  erschienen.  Es  bedarf  der  Erwähnung  nicht,  welche  Forschun- 
gen seitdem  auf  dem  Gebiete  der  römischen  Geschichte  angestellt  worden 
sind  und  welche  Fortschritte  die  Wort-  und  Sacherklärung  der  cice- 
ronischen  Schriften  gemacht  hat.  Drumanns  sonst  sehr  verdienst- 
liche Bearbeitung  von  Ciceros  Leben  macht  bekanntlich  nur  einen 
Theil  der  Geschichte  Roms  in  seinem  Uebergange  von    der   republica- 


608  Nekrolog. 

nischeii  zur  monarchischen  Verfal'snn^  aus,  und  da  einzelne  Partien 
dieser  Biographie  dem  Plane  des  Verf.  zufolge  mit  dem  Leben  ande- 
rer Personen  verbunden  und  abgehandelt  worden  sind,  so  wird  die 
Uebersichtlichkeit  der  Lebensereignisse  des  Cicero  erschwert;  auch 
hat  dieser  Standpunkt,  von  welchem  aus  Drumann  urtheilt,  einen 
eigenthümlichen  Einflufs  auf  die  ganze  Darstellung  ausgeübt,  und  uns 
oft  ein  Bild  von  Cicero  vorgeführt,  welches  wir  nicht  als  eine  reine  Ab- 
spiegelung seines  Lebens  betrachten  möchten.  Doch  dies  hier  zu  ver- 
folgen würde  uns  zu  weit  führen.  Wir  glauben  der  Arbeit  von  Brü  ck- 
ner  nur  ein  mäfsiges  Lob  beizulegen,  Avenn  wir  sagen,  dafs  er  eine 
vorurtheilsfreie  und  unparteiische,  aus  den  Quellen  selbst  geschöpfte 
Darstellung  gegeben  hat,  welche  ganz  geeignet  ist,  uns  ein  getreues 
und  anschauliches  Bild  des  grolsen  Römers  zu  verschaffen,  wobei  wir 
noch  dies  rühmend  hervorheben,  dafs  der  Standpunkt  ein  rein  objec- 
tiver,  und  jede  Polemik  vermieden  ist.  Wir  bemerken  dabei,  dafs  die 
auch  für  den  Biographen  bedeutungsvolle  Frage  über  die  in  neuern 
Zeiten  mehrfach  angefochtene  Echtheit  mehrerer  ciceronischen  Schrif- 
ten nicht  umgangen  worden  ist.  Der  Verf.  hat  sich  dahin  entschie- 
den, dafs  er  die  Reden  pro  Archia ,  post  reditum  in  senatu  und  ad 
Quirites ,  pro  domo,  de  haruspicum  response  und  pro  Marcello  für  un- 
bezweifelt  echt  hält,  und  hat  selbst  durch  den  Zusammenhang,  in 
welchen  er  mehrere  in  ihnen  erwähnte  geschichtliche  Thatsachen  ge- 
bracht hat ,  weitere  Gründe  für  deren  Echtheit  nachgewiesen.  Un- 
sicherer war  er  eine  Zeit  lang  in  seinem  Urtheil  über  die  Echtheit  de^ 
Briefwechsels  zwischen  Cicero  und  M.  Brutus,  doch  glaubte  er  nach 
sorgfältiger  Prüfung  aller  Momente  der  Ansicht  K.  Fr.  Hermanns 
beistimmen  zu  müfsen.  —  Der  bisher  erschienene  erste  Band  hat  es 
nur  mit  dem  bürgerlichen  und  dem  damit  zusammenhängenden  häusli- 
chen Leben  des  Cicero  zu  thun.  Der  zweite  Band  sollte  ausschliefs- 
Ilch  über  die  litterarische  Thätigkeit  des  Cicero  berichten.  Es  wird 
den  Lesern  dieser  Zeitschrift  erfreulich  sein  zu  vernehmen,  dafs  nach 
den  bei  der  Familie  noch  in  der  letzten  Zeit  eingegangenen  Briefen 
die  Bearbeitung  dieses  Theiles  so  weit  vorgeschritten  ist,  dafs  zu 
deren  baldiger  Veröffentlichung  gegründete  Hoffnung  vorhanden  ist. 

Wenn  wir  als  einen  Vorzug  aller  Schriften  Brückners  eine  licht- 
volle Darstellung  bezeichnen,  die  ebenso  eine  Folge  des  klaren  Den- 
kens, als  der  Beherschung  des  behandelten  Stoffes  ist,  so  müfsen  wir 
noch  besonders  rühmend  der  guten  Latinität  gedenken,  die  seine  latei- 
nischen Abhandlungen  auszeichnet.  Ohne  gerade  ängstlich  einzelne  Wör- 
ter zu  vermeiden,  die  von  den  strengen  Puristen  heutzutage  verpönt 
sind,  hat  Brückner  seinen  Schriften  das  Gepräge  echter  antiker 
Auffafsung  aufgedrückt,  die  von  einem  tiefen  Eindringen  in  das  We- 
sen der  Sprache  Latiums  zeugt  und  einen  höhern  Werth  hat ,  als  eine 
oberflächliche  Bekanntschaft  mit  den  Regeln  der  Antibarbari  und  Syn- 
onymiken. Auch  von  der  immer  seltner  werdenden  Fertigkeit  eine 
gute  lateinische  Ode  zu  dichten  ,  hat  er  manche  erfreuliche  Probe  ge- 
geben, noch  vor  kurzem  bei  der  Feier  der  Grundsteinlegung  des  neuen 
Gymnasialgebäudes  zu  Schweidnitz. 

Gotha.  E.  F.  Wüstemann. 


NEUE 

JAHRBÜCHER 

FÜR 

PHILOLOGIE  IfflD  PAEDAGOGIK. 


Begründet 

von 

M.  Johann  Christian  Jahn. 

Gegenwärtig  herausgegeben 
von 

Reinhold  Klotz  Rudolph  Dietsch 

Professor   in   Leipzig  Professor  in    Grimma 

und 

Alfred  Fleckeisen 

Gymnasiallehrer   in   Dresden. 


Siebenundsechzigsler  Band.     Fünfles  Heft. 


Inhalt 

ton  des  siehemmdsechz4gsfen  Bandes  fünftem  Hefte.*') 

Seite 

Kritische  Beurtheilungen 497 — 557 

Dindorf:  Scholia  in  Sophoclis  tragoedias.  Vol.  II.  —  Vom 

Professor  Dr.  Schneidewin  zu  Göttingen 497 — 510 

G.  Curtius:  Griechische  Schulgraminatik.  — Vom  Assessor 

Dr.  L.  Lange  zu  Göttingen 510 — 526 

Thomas:  Studien  zu  Thukydides.  —  Vom  Conrector  Haus- 

dörffer  zu  Eutin 526—533 

ßegge:  Zur  paedagog.  Gymnastik.       \  VonM. üoss,Direc-/  533—542 

Breier  :Das  Schulturnen  nach  Splefs.  f  tor  d.  königl.  sächs.  )  542—544 

Rothstein:  Die  gymnastischen  Frei- /  Turnlehrerbildungs  j 

Übungen.                                                J  anstalt  zu  Dresden.  (  544  —  551 

TFoepcke:  L'algebre  d'Omar  Alkhayyami. —  Vom  Professor 

Dr.  Bottger  zu  Dessau 551 — 553 

Boltz    und   Frans:    Handbuch    der    englischen    Literatur. 

1.  u.  2.  Thl.  —  Von  demselben 554—557 

Kürzere  Anzeigen 557 — 576 

Dettmer:   Vocabularium   für    den    griechischen  Elementar- 
unterricht. —  Von  Dr.  Benseier  zu  Freiberg.     .      .      .  557 — 558 

Fritzsche:   Prosodische  Regeln  und  Anweisung  zum  Vers- 
bau. —  Von  demselben 558 — 559 

Mühlmann:    Böhme's    historische   Chrestomathie   aus    den 

lateinischen  Schriftstellern.  —  Von  demselben.   .      .      .  559 — 560 

Volckmar :  Poematia  Latlna.  —  Von  demselben.      .      .      .  560 — 561 

Holzapfel :    Mittheilungen  über  Erziehung  und  Unterricht 

in  Frankreich.  —  Vom  Prof.  Dr.  Dietsch  zu  Grimma.   .  561 — 566 

Günther:   Das  Schulwesen   im  protestantischen  Staate.  — 

Von  demselben 567—573 

Ludowieg:    Lehrbuch    der   Arithmetik    und    der  Anfangs- 
gründe der  Algebra.  —  Von  ^.  i>,  in  D 573—575 

Pape :  Rechenbuch  für  die  unteren  Classen  der  Gymnasien. 

—  Von  demselben 575 

Kneise:  Arithmetisches  Aufgabenbuch.  —  Von  demselben.  ö7ö 
Pütz:   Grundrifs   der  Geographie  und 

Geschichte.     1.  Bd.    7.  Aufl. 

Derselbe:  Grundrifs  der  deutschen Ge-  \  Von  R.  in  M.     .  575 — 576 
schichte  mit  geographischen  Ueber- 
sichten.     5.  Aufl. 

*)  Jeder  Jahrg-ang-  dieser  Zeilschiift  wird  von  jetzt  an  nicht  nielir  in  drei  Bände  von 
je  vier  Heften,  sondern  in   zwei  Bände  von  je  sechs  Heften  zerfallen. 

Redaction  und  Verlagshandlang. 


Seite 
Kleinere    auf   Gymnasialpaedagogik   bezügliche   Schriften.  — 

Vom  Prof.  Dr.  Dietsch  zu  Grimma 577—589 

Steffenhagen:  Die  modernen  Berufsschulen 577—580 

VoUbrecht:  Höhere  Bürgerschulen,  Gesammtgymnasien   und 

Gymnasien ^"^ 

Haspe:    Ansichten     über    die    gegenwärtige    Aufgabe    des 

Gymnasiums 580 — 583 

Ljunn-berg:    De  linguae  et  litterarum  Latinarum  studiis.      583 — 584 
Stclzcr :    Ein  Wort  über  die  alten  Sprachen  und  den  Ein- 
flufs  der  classischen  Studien  in  politischer  und  religiöser 

Beziehung ^"o 

Pansch:  Ueber  christliche  Gymnasialbildung 585 — 586 

Meins :  Die  Natnrwifsenschaften  und  das  Gymnasium.      .     586 — 587 
Bleich:  Ueber  den  naturgeschichtlichen  Unterricht  in  den 

höheren  allgemeinen  Bildungsanstalten 587 — 589 

Auszüge  aus  Zeitschriften. —  Zeitschrift  für  die  Alterthums- 
wifsenschaft,  herausgegeben  von  Julius  Caesar.  X.  Jahrg. 

5.  u.  6.  H.     XI.  Jahrg.  1.  H 589—592 

Rheinisches   Museum    für   Philologie,     herausgegeben    von 

Welcher,  Ritschi  und  Bernays.    N.  F.  VIII.  Jahrg.  4.  H.  592—594 
Schul-  und  Persoualnachrichten  ,  statistische  und  andere  Mit- 
theilungen  594—605 

Altenburg  S.  594.  Altona  594.  Basel  594.  Berlin  594. 
Bonn  59-t.  Braunsberg  595.  Brunn  595.  Budissin  595. 
Cilli  595.  Czernowitz  595.  Eger  595.  Freiberg  595. 
Freiburg  im  Breisgau  595.  Gratz  595.  Grelffenberg  595. 
Greifswald  595.  Grossglogau  595.  Hanau  595.  König- 
reich Hannover  596 — 602.  Jglau  602.  Königsberg  in  Pr. 
602.  Leipzig  602.  I.,iegnitz  603.  Lübeck  603.  Naum- 
burg 603.  Neufs  603.  Oels  603.  Olmütz  603.  Salzburg 
604.  Schässburg  604.  Stargard  604.  Stendal  604. 
T eschen  604.  Triest  604.  Troppau  604.  Werthheim  604. 
Wien  605.     Zittau  605.     Znaim  605.     Zwickau  605. 

Todesfälle 605-606 

Nekrolog   Carl    Aug.  Fr.  Brückners.   —    Vom   Hofrath   Prof.. 

Dr.  IFüstemann  zu  Gotha 606—608 


Leipzig; 

Druck   und  Verlag  von   B.  G.   Teabner. 
1S53. 


Kritische  Beurtheilungen. 


Geschichte  der  homerischen  Poesie  von  Julius  Franz  Lauer.  Er- 
stes und  zweites  Euch.  Nebst  Bruchstücken  homeris<-her  Studien. 
Berlin  1851.  Druck  und  Verlag  von  G.  Reimer.  XVI  u.  '6'1-i  S. 
gr.  8. 

(Schlufs  von  S.  241  ff.  361  IT.) 

Sämmtliche  Ansätze  scheiden  sich  in  zwei  Classen,  in  solche, 
die  auf  reiner  Ueberlieferung',  und  in  solche,  die  auf  Conjectar  oder 
Conibinatiou  beruhen.    Zu  der  letztern  Classe  gehören  folgende: 

1)  üionysius  Cyclogr.  zur  Zeit  des  thebischen  und  troischen  Kriegs. 

2)  Crates  60  p.  Tr.  =  1  Kyklos  zu  60. 

3)  Eratoslhenes,  Apol-  240  p.  Tr.  =  4  Kyklen  zu  60  Homers  ajcfi^j. 
lodorus   (Ephorus?) 

4)  Philochorus  180  p.  Tr.  =  3  Kyklen  zu  60. 

5)  Anonym,  ap.  Philo-  24  p.  Tr.  1207  a.  Chr.  captam  =  zur  Zeit  der 
strat.  um  1183  von  andern  angesetzten  akcoaig. 

6)  Anonym,  ap.  Euscb.  als  Orestes  den  Pyrrhos  erschlug. 

7)  Cyrillus  165  p.  Tr.  =  3  X  63  —  24  p.  Tr.  1183  cap- 

tam ^:=  3  X  63  p.  Tr.   1207  captam ,  zur 

Zeit  des  Labofas. 
im  9ten  Jahr  des  Labotas,  zur  Zeil  Salomos. 
im  3ten  Jahr   des  Lahotas ,  zur  Zeit  Salomos 
mehr  als  160  Jahre  p.  Tr.  c. 

11)  Anonym,  ap.  Philo-  160  p.  Tr.  c.  ayojv. 
strat. 

12)  Anonym,  ap.    Said.  160  p.  Tr.  c.  Geburt. 

13)  Anonym,  ap.  Philo-  TQOucg  akovötjg  Beginn  der  dichterischen  Thä- 
strat.  tigkeit. 

14)  Anonym,  ap.  Suid.    57  vor  Ol.  1,  1  ^=i  360  p.  Tr.  1193  a.  Chr.  ob- 

sideri  coeptam  r=:  6  Kyklen  zu  60  Zusam- 
menkunft mit  Lykurg. 

643  vor  264  a.  Chr.  n.  =  907  a.  Chr.  n.  = 
276  p.  Tr.  1183  captam  =  4  X  63  +  24. 

ferme  950  ante  Vclleium  floruit  =  920  (genau 
917)  a.  Chr.  n.  ay.^rj  ^=  4  X  60  p.  Tr.  1190 
a.  Chr.  captam  Geburt  =  950  a.  Chr.  Geburt. 

circiter  160  a    u.  750  a.  Chr.  conditam  =  910 


8)  Eusebius 

9)  Hieronymus 
10)  Cassius  Hemina 


15)  Marmor  Parium 

16)  Velleius 


17)  Cornelius  Nepos 

JV.  Jiihrli.  f.  Phil.  u.  Paed.  Bd.  LXVll.  ///t.  tj. 


4ü 


610  Lauer:  Gescliiclile  der  liomerischen  Poesie. 

a.  Chr.  11.  \ix[l  =  CiX^i'j  910  a.  Chr.,  Gehurt 
943  a.  Chr.  =:^  4  X  60  p.  Tr.  1183  captain. 

18)  Solinus  160  a.  n.  750  a.  Chr.  condilam  oder  272  p.  Tr. 

1183  caplam  rebns  hunianis  excessit  =~4  X 
60  p.  Tr.  1183  caplam  (vxfi?j  =-—  943  a.  Chr. 

19)  Cicero  triginta  fere  aunis  älter  als  der  allere  Lykurg-, 

welcher   108   vor  Ol.  1,  1  die  Gesetze  giht 
— -  ßxjtijj  917  a.  Chr.  n. 

20)  Anonym,  ap.  Taliffn.  övi'  A^'/^doxco. 

Ich  habe  die  Ansätze  in  dieselbe  Folge  geordnet,  wie  sie  in  der 
vorangegangenen  Untersuchung  stehen.  Ihre  Anzahl  schwindet  um  drei 
Fünftel  zusammen,  wenn  wir  bedenken,  dafs  nach  dieser  Untersuchung 
Nr.  19  und  16  nur  Varianten  zu  17,  18  nur  ein  3Iisverständuis  von  17, 
15  nur  eine  Variante  zu  3,  12  nur  eine  Variante  zu  11,  11  nur  eine 
Abrundung  von  7,  10  ein  ungenauer  Ausdruck  für  7,  9  und  8  identiscli 
mit  7,  7  in  seinen  Motiven  identisch  mit  17,  6  identisch  mit  5,  5  end- 
lich nur  Variante  zu  13  ist.  Entfernen  wir  die  Doppelgänger  und  ordnen 
wir  die  ursprünglichen  Ansätze  wie  es  sich  für  eine  Uebersicht  gehört, 
so  erhalten  wir  folgende  niedliclie  Tabelle: 

1)  zur  Zeit  des  liiebischen  und  troischen  Kriegs. 

2)  zur  Zeit  der  Einnahme  Troias. 

3)  1  Kyklos  p.  Tr. 

4)  3  Kyklen  p.  Tr. 

5)  4  Kyklen  p.  Tr. 

6)  6  Kyklen  p.  Tr. 

7)  Gvv  ytvKOVQycp. 

8)  Gvv  Aq^fiXoi^ü. 

Ihre  Gründe  haben  »lle  acht  Ansätze;  vier  von  ihnen,  Nr.  4.  b. 
6.  7  stützen  sich  sogar  auf  Ueberlieferung,  und  zwei,  Nr.  4  und  5, 
der  Ansatz  des  Philochoros  nnd  der  des  Eratosthenes  und  Apollodoros, 
trelTeu  eine  recht  glückliche  3Iitle.  Aber  hierdurch  haben  diese  bei- 
den nur  denselben  ^^crfh,  den  jede  heutzutage  aufgestellte  verstän- 
dige Vermuthung  über  die  Zeit  hat,  in  welche  Homer  unter  Berück- 
sichtigung der  verschiedenen  sehr  auseinanderlaufenden  Angaben  in 
durchschnittlicher  Rechnung  etwa  anzusetzen  sein  möchte.  Und  was 
die  von  vier  Ansätzen  als  Stütze  gebrauchte  Ueberlieferung  betrifft, 
so  ist  daran  zu  erinnern,  dafs  sie  eben  nicht  einer  localen  Ueberlie- 
ferung unbedingt  und  blindlings  folgen,  sondern  an  der  Ueberliefe- 
rung herumknaupeln  und  vernünfteln  und  combinieren  und  verschieben 
und  drehen,  bis  das  Ding  ihnen  in  ihren  Kram  passt.  Die  übrigen  vier, 
Nr.  l.  2.  3.  8,  sind  reine  Conjecluren,  ohne  den  Boden  auch  nur  einer 
verdrehten  Ueberlieferung,  lediglich  auf  innere  Gründe  aus  den  Ge- 
dichten gestützt. 

Ganz  anders  steht  es  mit  der  andern  Classe  von  Ansätzen ,  denen, 
welche  auf  nicht  combinierter  Ueberlieferung-  ruhen.  Auch  sie  sind 
nur  runde  Zahlen,  einer,  der  des  Sosibios,  nimmt  sogar  die  Rechnung 
nach   Kyklen    zu   Hilfe,    aber    nichtsdestoweniger  sind   sie  von  dem 


Lauer:  Gcschiclifo  dor  liomcrisflion  Poesie. 


611 


lioclisteti  liistorisclien  \\'eitlic  und  so  genau,  wie  tnan  es  mir  wiiiisclien 
kann.  Jeder  dieser  Ansätze  f>eliort  an  i;in(;n  beslininileii  Orl  (jricelien- 
lands  und  bezieht  sich  nur  auf  dessen  Ueberliererunir  vom  Homer; 
seine  Zaiil  ist  das  runde  Datum  l'iir  das  Auriretcii  der  homerischen 
Poesie  an  diesem  Orte;  eine  Tabelle  dieser  Ansalze  liefert  also  <lio 
bisher  sehmerzlieh  vermil'ste  kritisch  sichere  Grundlage  für  die  ältere 
Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

Ich  stelle  auch  diese  Ansalze   zuvörderst  in    der  (d)en  beobach- 
teten Ueihenfolffe  zusammen. 


1)  Aristoteles 

2)  Anonym,  ap 
Philostrat. 


3)  Aristarchus 

4)  Castor 


ö)  Epigramm  auf 
Pisistralus 

6)  Sage  bei  Phi- 
lostratus 

7)  Vita  A 

8)  Herodolus 


9)  Sosibius  La- 
co 

10)  ArtemonCla- 
zoinenius 


11)  Eulliymenes, 
Archemachos 

12)  Damastes 

13)  Anonym,    in 
vita  B 

14)  Syncellus   p. 
176  D 


Zur  Zeit  der  ionischen  Wanderung, 

Geburt 
Zur  Zeit  der  ionischen  Wanderung, 

welche  im  Islen  Jahr  des  3.  Ky- 

klos  p.  Tr.  c.  geschieht  =  127  p. 

Tr.  c,  yiyovB  v,al  y8iv 
Zur  Zeit  der  ionischen  Wanderung, 

Zur  Zeit  der  ionischen  Wanderung, 
welche  unter  Akastos  geschieht, 
axjuij;  Homer  macht  die  Wande- 
rung mit 

Zur  Zeit  der  ionischen  Wanderung, 
«jCjUr;;  Homer  unter  den  atheni- 
schen Colonisten  in  Smyrna 

Die  Musen  führen  die  athenische  Flot- 
te nach  Asien;  Homer  auf  der  Flotte 

168  p.  Tr.  r^  130  +  20  +  18  p.  Tr. 
=  3  ysvtcd  +  30  +  20  +  18  p.  Tr. 

400  J.  ante  Herodotum  =  12  ycvscä 
vor  484—451  -^  884—851  Ho- 
mers ysvtri 

Im  achten  Jahr  des  Chanllos,  90  vor 
Ol.  1,  1 ;  5  X  63  p.  Tr.  obsideri 
coeptam 

Arktinos  ,  Homers  Schüler,  aKfia^cov 
Ol.  1,2  —  408  p.  Tr.  1183  a.  Chr. 
captam  =  775  a.  Chr. ;  Homer  eine 
ysve'^  älter,  geboren  842  a.  Chr. 

200  p.  Tr.  c.  =  6  yeveaC  p.  Tr.  c. 
Homer  auf  Chios  geboren 

Homers  zehnter  Vorfahr  Musaios 

150  p.  Tr.  c.  =  2  X  63  +  24  p. 
Tr.  1207  a.  Chr.  capfam— -zur  Zeit 
der  ionischen  Wanderung. 

Unter  David  =  zur  Zeit  der  ioni- 
schen Wanderung 


Athen,  Smyrna. 
Athen,  Smyrna. 

Athen,  Smyrna. 

Athen,  Smyrna. 
Athen,  Smyrna. 
Smyrna,  Kynie. 

Samos. 

Sparta,  Samos. 

Milet. 


Chios. 
Chios. 


Athen. 


Athen,  Smyrna, 


Athen,  Smyrna. 
40* 


612 


Lauer:  Geschichte  der  honierisclieu  Poesie. 


15)  Anonym,  ap. 
rhiloslrat. 

16)  Anonym,  ap. 
Pliiloslrar. 

17)  Vila  B 

18)  Anonym,  ap. 
l'rochnnin  vila 
llosiodi 

19)  Porphyrins 


20)  Dcmetrius 
i^lagnes 

21)  Anonym,  ap. 
Snidam 

22)  Vita  A 

23)  Theopompns 


24)  Enphorion 


OXTO)  ysvttilg  p.  Tr.,  Beginn  der  dich- 
terischen   Thätigkeit;   Geburt  200 

,    !'•  'I'r. 

oXiyaig  yerialg  p.  Tr.,  Beginn  der 
dichlorischen  Thätigkeit 

100  p.  Tr.  -;-  d  yeveaii^.  Tr.,  Geburt 

Gegen  das  Ende  von  Archippos  Ke- 
gierung  ^1=  kurz  vor  978  a.  Chr. 

ld-2  vor  Ol.  1,  1;  275  p.  Tr.   1183  a. 

Chr.  c.  Homer  geboren  ^=  3  yeve- 

cä  +  32  vor  Ol.  1,  1 
Zur  Zeit  des  Thaletas  =  625  v.  Chr. 

Jünger  als  Thaletas 

Zur  Zeit  als  Midas  starb  --=^  694  a. 

Chr.,  Homers  Ankunft  in  Kyme 
jitET«  (p   inj  TCO^/  inl   IXito  ßrQarsv- 

aciVTCOv  =  500  p.  Tr.  J193  a.  Chr. 

obsideri  coeptam,   aXjtt>j;  Geburt 

726  v.  Chr. 
nara  ivyijv ,  bald  nach  716  v.  Chr. 


Chios. 

Athen. 
Atiien. 

Chios. 


Kolophon. 
Knosos. 

Knosos. 


Kyme. 


Kypros. 

Prokonnesos. 


Hier  sind  v^eniger  Doppolgänger  als  in  der  Tabelle  der  Conjec- 
turen.  Bei  weitem  am  iiäuligsten  erscheint  die  Ueberlieferung,  an  el- 
cher Aristarch  folgt,  unter  24  Ansätzen  nicht  weniger  als  neunmal: 
jNr.  14.  13.  6.  5.  4.  2  sind  identisch  mit  Nr.  3,  Nr.  17  aber,  wenn  es 
nicht  ein  blofser  Irthuni  ist,  identisch  mit  Nr.  16,  und  Nr.  16  läuft  auf 
dasselbe  hinaus  wie  Nr.  3.  Sonst  erscheint  noch  der  chiische  Homer 
dreimal,  Nr.  18.  15.  11  ,  und  der  kretische  zweimal,  Nr.  21.  20.  Ord 
neu  wir  nun  um  und  reducieren  überall,  wo  Troia  oder  die  ionische 
Wanderung  ins  Spiel  kommt,  wie  Inder  Untersuchung  selbst,  aufEra- 
toslhenes;  von  den  Sagen  und  dem  geschiciitlichen  mnfs  so  viel  bei- 
gefügt werden,  Avie  zum  unmittelbaren  Verständnis  nöthig  ist. 
V.  Chr. 

1283  Musaios  der  Atliener  geboren,  Thraker,  Diener  der  Musen,  Vor- 
fahr des  chiischen  Homer  im  zehnten  Gliede. 
1183  Einnahme  Troias. 
1076  Homer  in  Athen  geboren,  Schüler  des  Atheners  Pronapidas,  Freund 

des  Königs  Medon. 
1043  Homer,  von  d^n  Athenern  mit  einer  Geldstrafe  belegt,  geht  az- 
^d^03v  mit  den  loniern  unter  dem  Geleit  der  Musen    über  Naxos 
und  los  nach  Ephesos   und  Smyrna.     Die  Dichterschulen  in  los 
und  Smyrna  werden  gegründet. 

Homer  auf  los  geboren,  Sohn  der  lelin  Klymene  und  eines  der 
Daemonen,  welche  mit  den  Musen  den  Reigen  tanzen. 


Lauer:  Gcscliiclile  der  lionierisclicn  Poesie.  013 

V.  Clir. 

1043       Homer  in  Smyrna  g-eboren,   Soliii   des   KliirsgoKos   Mel(!S  und 

der  Nyiiiplie  Krillieis. 
]()2J  Aiolisolie  KpoiUcn  aus  Kyiiie  in  Smyrna. 

Homer  in  Smyrna  geboren,  Sohn  eines  Kymaiers  und  der  Ky- 
maierin  Krillieis. 
9f?3  Die  Diclilerscluiie  auf  Chios  wird  oeoi-iindol. 

Homer  reist  von  Smyrna   iiacb  Chios   und  woiinl  in  Bolissos, 
nachlier  in  Chios  selbst. 

Homer  auf  Chios  geboren,  AO-ij}'ai:i)g  to  c(viyMl}£u. 
908  Die  aiolischen  Hpoiken  verlreiben  die;  lonier  aus   Smyrna;   diese 
zielin  sieb  nach   kolopbon  zurück.      Die   Diclilerscluiie  in   Kolo- 
|)lion  wird  gegründel. 

Homer  wird  im   Kriege  zwischen   Smyrna  und   Kolopbon   den 
Kolopboniern  von  den  Sniyrnaiern  als  Geisel  gegeben. 
Homer  in  Kolopbon  geboren. 

Homer  verlegt  sich    in  Kolopbon   auf  die   Poesie,   wird   blind 
und  dichtet  den  Margites. 
884  Die  Diclilerscluiie  in  Samos  wird  gegründet.  Kreopbylos  geboren. 
Homer  reist  nach  Samos  und  wird  dort   vom  Kreopbylos  aul- 
genonimen. 

Homer  nacb  samisclier  Rechnung  geboren. 
Kreopbylos  heiratet  Homers  Tochter.     Kreopbylos  unlcrricli- 
tet  den  Homer. 
Htm  Die  Samier  tbeilen  den  ihnen   sehr  befreundeten  I>akedainioniern 
die  homerischen  Gedichle  mit. 

Lykurg  kommt  nacb  Samos  und  IrilVt  dort  d;n  Homer,  welcher 
ihm  seine  Gediente  behufs  der  Einführung  in  Sparta  übergibl. 
842  Die  Dicbterscbule  in  Milet  wird  gegründet. 

Homer  nacb  milesischer   Rechnung  geboren. 
775  Arktinos  von  Milet,  Homers  Schüler,  ocfia'^roj/. 
726  Die  Dicbterscbule  zu  Salamis  auf  Kypros  wird  gegründel.    Sla- 
sinos  geboren. 

Homer  auf  Kypros  geboren,  auf  dem  Lande  bei   Salamis,   >\ie 
der  kyprische  Dichter  Eukloos  vorhergesagt, 
71Ü  Gyges  König  von  Lydien.    Er  führt  einen  Krieg  mit  Milet,  Kolo- 
pbon und  dem    wieder  ionisch  gewordenen  Smyrna.     Zu  seiner 
Zeit  die  Milesier  auf  Prokonnesos,  unter  ihnen  Arisleas,  ax^icc^iop. 
Homer,  Aristeas  Schüler,  zur  Zeit  des  Gyges,  in  Prokonnesos. 
694  Die  homerische  Poesie  tritt  in  Kyme  auf.    König  Midas  von  Phiy- 
gien  stirbt,  der  Gemahl  einer  Kymaierin  Hermodike;  ein  home- 
rischer Dichter  macht  ihm  die  Grabschrift. 

Homer  reist  zu  den  Aiolern  von  Kyme,  wohnt  zuerst  in  Neon- 
leichos,  kommt  dann   nacb    Kyme   selbst  und   macht    dem   Midas 
die  Grabschrift. 
693  Slasiuos  dichtet  die  Kyprien. 


614  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie, 

V.  Chr. 

693       Homer   dichtet   die  Kyprien.     Er  schenkt  sie  später  bei  der 
Verheiratung  seiner  Tochter  mit  dem  Stasinos  diesem  als  3Iit"iff. 
625  Thalelas  fiihrt  die  homerische  Poesie  in  Knosos  auf  Kreta  ein. 

Homer  in  Knosos  geboren,  jüngerer  Zeitgenolse  des  Thaletas. 
Viele  Gedanken  drängen  sich  beim  Anblick  dieser  Tabelle  auf, 
dieser  nach  so  langem  Kampfe  um  Homer  endlich  eroberten  oder  viel- 
mehr wiedereroberten  festen  Positionen.    Ich  will  für  jetzt  nur  zweier- 
lei hervorheben. 

Nördlich  von  Smyrna  liegen  in  Kleinasien  nur  zwei  homerische 
Orte,  und  zwar  in  Klcinasien  die  jüngsten,  Prokonnesos  und  Kyme. 
Die  Daten  aller  übrigen  kleinasiatischen  Orte  Homers,  jener  eigent- 
lichen alten  echten  ionischen  Pllanzstätten  der  homerischen  Poesie, 
folgen  der  Zeit  nach  genau  so  aufeinander,  wie  die  Orte  selbst  auf- 
einander folgen,  wenn  man  von  Smyrna  aus  nach  Süden  an  der  Küste 
bis  Kypros  herumgeht:  Smyrna,  Chios,  Kolophon,  Samos,  Milet,  Ky- 
pros.  Also  in  dieser  Linie  hätte  sich  der  Tabelle  zufolge  die  Pflege 
der  homerischen  Poesie  durch  die  kleinasiatischen  Orte  verbreitet,  re- 
gelmäfsig  fortschreitend.  Demselben  Gesetze  folgt  nun  aber  auch  die 
Sage  in  Bezug  auf  diese  kleinasiatischen  Orte;  ihre  Stärke  steht  in 
geradem  Verhältnis  zur  Zeit  und  zum  Kaum:  je  weiter  vom  Central- 
punkt,  der  ax^i]  des  athenischen  Homer  in  Smyrna,  dem  Raum  und 
der  Zeit  nach  die  Orte  entfernt  sind,  desto  mehr  erstirbt  die  Sage. 
Kypros  macht  hier  eine  Ausnahme,  aber  sie  erscheint  wohl  begrün- 
det; denn  Kypros  ist  der  isolierte  Endpunkt  der  Reihe.  Auf  ihm 
flammt  die  Sage  noch  einmal  hoch  auf. 

Dies  augenscheinliche  Hervortreten  eines  Gesetzes  in  der  Tabelle 
kann  ohne  Zweifel  nur  dazu  dienen,  die  Glaubwürdigkeit  der  einzel- 
nen Daten  noch  zu  erhöhn. 

Und  nun  noch  eins.  Gegen  Homers  Persönlichkeit  liegt  in  der 
Tabelle  kein  Beweis.  Freilich  niüfsen  fortan  diejenigen,  welche  diese 
Persönlichkeit  festhalten  wollen  ,  sich  um  Arislarchs  Fahne  schaareu 
und  unbedingt  auf  den  in  Athen  geborenen  und  mit  den  loniern  nach 
Smyrna  auswandernden  Homer  bestehn,  um  dessen  Person  wie  um  die 
weitere  Verbreitung  seiner  Poesie  sich  später  Sagen  ansetzten.  Denn 
die  übrigen  Homere,  der  in  Smyrna  geborne  lonier  wie  der  chiisclie, 
der  kolophonische ,  die  andern,  sind  ganz  unverkennbar  nur  Personili- 
cationcn  der  in  Smyrna,  Chios,  Kolophon  u.s.  m.  blühenden  homerischen 
Poesie,  Bei  allen  diesen  Orten  habe  ich  deshalb  auch  in  der  Tabelle 
die  Sage  und  das  geschichtliche  gesondert,  bei  dem  alhenischen  Ho- 
nier  dagegen  nicht. 

Dabei  soll  aber  durchaus  nicht  gemeint  sein,  dafs  die  Anhänger  Fr, 
A.  Wolfs  nicht  ebenso  gut  ein  Recht  hätten,  mit  Aristarch  den  Homer  für 
einen  Athener  zu  erklären,  wie  die  für  die  Einheit  der  Gedichte  strei- 
tenden. Denn  erstens  läfst  sich  auch  der  athenische  Homer  ebenso  gut 
t'ür  eine  blofse  Persoiiilication  erklären;  zweitens  aber  kann  sogar  an 
ilem  persönlichen  Homer  auch   derjenige  noch  festhallen,  der  davon 


Lauer:  Gcschichlc  ilur  liomeriscIiL-ii  Poesie.  615 

überzeiigl  ist,  die  einzelnen  Tlieile  der  llias  und  Odyssee  seien  von  ver- 
scliiedene»  Veilalsern  jiediclilet  ,  oder  die  Odyssee  jreiiöre  einem  oder 
mehreren  andern,  wohl  »ar  einem  spälerii  Zeilaller  an  als    die  llias. 

Diese  sehr  nalie  liej-eiide  M()ylichkeil,  aiieli  >>eiin  man  die  (ic- 
diclile  unter  mehrere  Verlalser  verliieill,  doeh  an  einem  persönlichen 
Homer  festzniiallen,  hat  Lauer  in  seinem  ganzen  Buche  niciit  berück- 
sichligt.  Die  Ansicht  dagegen,  dals  die  Odyssee  einem  spätem  Zeil- 
aller  angehöre  als  die  llias,  hat  er  nicht  nur  berücksichtigt,  sondern 
sogar  verlheidigt.  Der  IJeweis,  den  er  dafür  aufstellt,  ist  ein  einzi- 
ger grofser  Fehler. 

Unser  moderner  Chorizont  stellt  diesen  Beweis  bei  der  Motivie- 
rung des  Ansatzes  auf,  welcher  in  Homer  einen  Zeitgeuol'sen  des  Ar- 
chiloclios  sieht.  In  Folge  dessen  erölViicn  den  Beigen  mehrere  Gründe, 
welche  Lauer  zunächst  den  Alten  zuschreibt,  dann  aber  insoweit  bil- 
ligt, als  die  Odyssee  so  jung  angesetzt  werden  müCse.  Die  Kimmerier 
der  Odyssee  siehn  voran.  Sie  sind  von  uns  bereits  abgethan;  wir 
sahen,  dafs  sie  für  Homers  Zeitalter  in  keiner  Art  beweisen.  Dann 
folgt  die  Grabschrift  auf  Midas.  Sie  ist  ebenfalls  abgethan;  sie  be- 
weist die  Jugend  des  lieben  kymaiischen  Homer,  aber  nicht  die  .lu- 
gend der  Odyssee.  Dann  kommt  ein  Grund,  bei  dem  wir  verweilen 
miilsen,  nemlich  die  Stelle  cp  13,  in  welcher  Messenien  als  ein  Theil 
von  Lakonika  erscheint.  Dies  konnte  nicht  \\ohl  vor  Beendigung  des 
ersten  messenischen  Kriegs  gesehehn.  So  meint  Lauer.  Aber  wie 
meint  denn  Aristarcb?  Der  meint,  dafs  auch  nach  der  Vorstellung  der 
llias  Messenien  zu  Lakonika  gehört,  und  erklärt  das  Ding  ganz  anders. 
Derböse  Aristarcb  I  Was  nur  der  Mann  davon  haben  mag,  uiiserm 
sinnreichen  Lauer  beständig  den  Possen  zu  spielen  und  seine  grols- 
artigen  Entdeckungen  zu  stören  I 

Die  Stelle  der  Odyssee  spricht  von  dem  Bogen  des  Eurytos,  von 
welchem  Welcker  Ep.  Cycl.  II,  421  gegen  K.  0.  Müller  behauptet,  er 
spiele  in  der  Odyssee  gar  keine  Bolle,  sondern   nur    Eurytos  sei   ein- 
mal als  berühmter  Bogenschütze  erwähnt,  nemlich  im  &.     Es  ist  aber 
der  fragliche  Bogen  kein  anderer  als  der,    mit  welchem  Odysseus  die 
Freier  tödtet.    Diesen   Bogen  nennt  unsere  Stelle   der   Odyssee   im  go 
Vs.  31  ein  Erbstück  vom  Eurytos,  welches  dessen  Sohn    dem  Odys 
sens  schenkte  bei  einem  ZusammeutrelVen  in  Lakedaimon,  Vs.  13; 
öaQa  rcc  Ol  E,stvog  ylaKSÖai^ovi,  Öcozs  rvyjjöag 
"Icpitog  E/vQvriörjg  lTtLEL%EXog  cc&avaroLGLV. 
15    T(ö  d    £V  MeffcTrji'j/  '£,viißX'}iTr]v  cckXyjloLiv^ 
ol'nto  iv  ÖQGtXo'ioi.o  dcaq)Qovog. 

Hierzu  kommt  ein  Scholiast  BQ  bei  Vs.  13  AccKtSal^ovi:  Nvv 
£ttI  trj  yluKMvixfi  %(OQ(x^  tjg  ^i^og  Kcncc  rovg  ViQOiLKOvg  iQOPOvg  }j 
McGiiTjvr}.  ÖLxaöQ'fjvai  da  (pci6i  r-yju  Aci%(ovL'/.\]v  r^jg  Me66i]i'iag  fTtt 
r(OV  HfianXetöüv ^  o"  ^sra  tiji'  tou  IXiov  (iXnöi-v  %cixe6iov  t)jv  ThXo- 
TtovvtjOou.  In  den  SclioU.  Vulg.  heifsl  es  bei  Vs.  15  Me06i]uij:  xPj 
MtGöiivaUi  jiOQCi^  i\xig  riv  {üqog  r%  AccKedaiiiovog  ttqo  rtjg  tcgi'  Hjj«- 
nXudav  nccd-oöov.    Eu&talli.  (p  13  p.  1899,  b'l  H  öh  JVhaat'iv)]  y^äoptxm 


616  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

(heV,  CDg  ncd  7]  SiKehKij  Kai  sY  xLq  nov  aXlt],  TtccQcc  Ttäöiv  iv  övgI  6ö. 
Itäyerat,  öe  Kccra  ^lap  rovg  ^jQCOvKOvg  %Qovovg  Auxcovoav  eivai^  nata  dh 
rovg'HQUKleLdag ,  Tiyovv  fiera  rrjv  avrav  Kci&oöov,  öi-iaad-jjvcii,  amiiv 
TJjig  Aa'MoviK'rjg.  ro  äe  diitkciß^a  rov  öLyfjLa  iv  tw  Meßijijin^  Ötjloi  oicd 
xo  Qrj&hv 'O^iijQLKov  l'nog  ^  TOJ  Ö  iv  MsGötjvy  'E,v^ßXrjT)]v  alXtjloLLv'' 
i'iyovv  övv)]vz)iGccv  6g  6fj  ötiyog  ymI  incnvihca  ag  oko6jt6v8eLog. 

Vier  aristarchisclie  Beiiiorkiingen  haben  wir  hierin  vor  uns ; 
J)  (lafs  der  Vers  tw  ö^  iv  Meßß^vtj  ein  oloß7t6vöet,og  sei,  2)  dafs  in 
diesem  Verse  das  '^v^ßXrivijv  soviel  wie  Gvvi^vTipav  sei,  3)  dafs  hier 
Homer  das  Land  Lakedaimon  nenne,  anderswo  aber  die  Stadt,  4)  dals 
Messenien  in  den  heroischen  Zeiten  zu  Lakedaimon  gehört  habe. 

Dafs  die  erste  Bemerkung  dem  Aristarch  zugeschrieben  werden 
miifse,  erhellt  aus  Schol.  A  yl  130,  für  die  zweite  zeugt  die  Verglei- 
chung  dieses  Scholions  A  ^  J30  mit  Eustalhios  Anmerkung  zu  der- 
selben Stelle  und  mit  Apollonios  Lexikon  s.  vv.  '£,v^ßlt]ro.  öuftjSA/jfis- 
vog.  Schol.  A  A  130  rj  öcTtlij,  ort  övcoöeKaavlXaßog  o  öxlxog^  nul 
GTtavLOog  iQ^xai^  a>g  Kai  iv  Odvßßela  '  toj  6  iv  Meööijvij  E,vj.ißXtjvif}v 
ttXXrjXouv.'  7]  Ö£  avacpoQa  ngog  iTtL%QL6LV  xrig  6xi%07touag^  ovc  Evxa- 
leig  xf]  Kaxaansvf]  öokovölv  elvai  ot  xolovxoi.  Kai  oxl  xo  yovva'^ioQ'rjv 
KaraxQifixiKcog  avvl  xov  ik£X£vov.  Villoison  hat  das  Zeichen  im  Text. 
Eustath.  A  130  p.  836,  13  To  öe  yovva^ia&^v  ov  KVQtoXsKvahai,  ovä 
ivxav&a.  ov  yaQ  öi'}TCOvd-£v  yovvcov  'iqTCxovxo  ol  ix  ölcp^ov  XaXovv- 
T£g,  — .  S)]iiH(a(5aL  8  ivxav&a  Kai  ext  Gxi'/pv  oXoßnovddov  KSi^i- 
vov  xov  '  AvQSiöijg,  xa  ö  avx  iK  ölcpQOv  yovva'^iß&}jv'  xa  xoiavxa 
ETirj  EvieXij  cpaßlv  eivai  ot  TtaXaiol  xrj  xiig  GxiypitoUag  KaxaßKSvij  öca 
xo  oXiyoßvXXaßov.  öaÖEKaßvXXaßoi.  yaQ  i'i,  avayzyjg  elßl.  xovg  ys  iirjv 
oXoöaKxvXovg  -rj  TCoXvöaxxvXovg  ^ayaXoTCQcnEßzEQOvg  KQLVovßi,  dfjXov 
ö  ort  ßnaviOL  naga  xa  Ttoojry  elgIv  ot  oXoßnovÖEiOi ,  onolog  Kai  ev 
OövßßELcc  EKEivog  ^  TD)  0  iv  MEßßijVi]  ^v^ißXijxijv  aXXi^XoLLV.'  ApoUon. 
Lex.  v.  ^v}ißX}]TO  ßvvi]vt)]ßcv.    v.  ßv^ßX/j^isvog  ßvvavvrjßag. 

W^as  die  dritte  Bemerkung  betrilTt,  dafs  der  Dichter  mit  dem  Na- 
men Lakedaimon  cp  13  das  Land  bezeichne,  anderswo  aber  die  Stadt, 
so  ist  unter  Lakedaimon  ganz  unzweifelhaft  die  Stadt  zu  verstehn  6  1, 
das  Land  aber  aufser  unserer  Stelle  auch  B  581.  Hier  fehlt  in  den 
Schollen  jede  Anmerkung  des  Aristouikos,  aber  Euslathios  hat  die 
betreffende  aristarchische  Notiz  erhalten,  p.  293,  30  XiyExai  öi,  cpaßi^ 
AaKsSatjxcov  Kai  r,  xcoQa  Kai  r]  TtoXig'  i]  ^lEv  %(iiQa  iv  x(p  ^ ra  ol  t,si- 
vog  ylaKEÖai^iovL  öwke  xvp'jßag'',  t]  Ö£  noXtg  iv  xco  ^  ol  ö  li-ov  KOtXrjv 
Aa'K£Öai'i.iova  ngog  öcoi-uaa  MEVEXaov.'  Villoison  hat  im  Text  eine 
nEQUßviyi^iEviy^  ein  Scholion  aus  D  und  Enstathios  p.  294,  8  sagen, 
dafs  es  in  diesem  Verse  eine  Lesart  %aiEza£Gßav  für  Ki]X(ji£ß6av  gab, 
über  welche  man  Strabon  VIll  p.  367  vergleichen  kann,  und  ein  Scho- 
lion Q.  Harl.  zu  der  dritten  hier  im  Spiel  belindlicheii  Stelle  8  1  lehrt, 
dafs  dies  Zenodots  Lesart  war.  Ein  anderes  Scholion  Q  zu  demselben 
Verse  t)  1  wiederholt  die  Bemerkung  über  den  Gebrauch  des  Wortes 
AaK£Öatfi(ov:  tiote  (iev  xijv  itöXtv  KaXEu  ylaKEÖat^ova,  tiote  öe  xijv  yia- 
(lav.   AaK£8al{A,ova  i'ixot  xijv  IliiäQX)iv.    Ganz  in  demselben  Sinne  redet 


Lauer:  Gescliichle  der  lioinerisclien  Poesie,  617 

Strabon  VIII  p.  367,  nach  Apollodoros  naliirlicli,  Avelclicr  in  i^co^sra- 
|tliisclieii  und  cliorograpliisclicn  Dinaren  bekannllicli  dciin  Arislaicli  zu 
r()lf>en  pllegt.  Slrabou  beruft  sicli  nicbt  aul'  alle  drii  belreiroiidou 
Slellen  Homers,  sondern  niil  Uebergeluing  von  ß  Ml  nur  auf  die  bei- 
den andern,  welche  bei  Euslalhios  in  der,  wie  bemerkt,  dem  Aristo- 
nikos  eutnomnieucn  Notix  zu  B  5HI  ciliert  werden,  d  1  und  cp  15,  und 
beginnt  seine  Auseinandersetzung  fast  wörtlich  übereinstimuiend  mit 
dieser  Notiz  bei  Eustalhios :  'Ort  öe  AansÖai^cov  b^covv^cog  ki- 
yazuL  'KCil  rj  xcoQa  kccI  7}  rcoXtg,  ö)iXoi  KCiVüiiyiiioq. 

Strabon  verwebt  mit  dieser  Untersuchung  gleich  jene  vierte  He- 
luerkung  der  Scholien  und  des  Kustatbios  bei  go  i;^.  15,  Jlessenieu  habe 
in  den  heroischen  Zeiten  zu  Lakonika  gehört.  Dafs  diese  Bemerkung 
vom  Aristarch  berriilire,  zeigen  auch  seine  üiplen  bei  B  582  und  502. 
An  letzterer  Stelle  sagt  Arislonikos  Qioß)]v:  'ij  ÖLnXrj^  ort  Ztivoöorog 
y^jacpei  Miööijv.  k'öti  öe  7}  JVltßßrj  Tt]g  AaKCoviKrjg ,  r/v  iv  alkoig 
MeaaijVijv  Kaiet.  A.  Das  r)  öiTtlij  fehlt  im  Codex  und  bei  Bekker, 
Villoison  bat  die  neQLEaxLy^ivri  im  Text.  B  582  wird  im  Katalog  der 
Lakedaimonier  ein  MiüGij  genannt.  Hier  sagt  Aristonikos  MiGG)\v: 
->/  ÖLTxXii^  oxL  MeGOtjv  Tijv  inl  rijg  AaKOiVL'/,rig  Meßatjv^v  kiySL,  avy- 
Tioipag  rovi'oixa.  ort  yaQ  vtco  Aavieöcii^oviovg  ccvttjv  oiÖs  öylouit,  cui/ 
(ptjal  '  öcoQa  tu  Ol  ^etvog  AaKEÖaifxovi-  öcoks'  toj  ö  iv  MeOG}jvy  ^v^- 
ßXijTijv  aXXijkoiLV.'  A.  Von  ort,  yuQ  ab  auch  BL,  Das  rj  ömh]  bat  der 
Codex  und  Bekker  nicht,  Villoison  hat  im  Text  die  aiteQLGxLKvog. 
£541  fallen  die  Söhne  des  Diokles,  des  Dynasten  von  Pherai,  eben 
jener  messeuischeu  Stadt,  wo  cp  13  Odysseus  und  Eurytos  zusammen- 
trelfen,  und  Menelaos  will  ihren  Tod  rächen.  Hier  sagt  ein  Scholion 
BL  zu  543  T(üv  qk  narijQ:  TiQOGvviGTijGiv  avxovg,  f)]V  naql  avxäv 
(iccii]v  avE^fov.  ov  ^i^vi^xai  ös  avxüv  iv  reo  KaxaXoyo) ,  snsi  MeGGtj- 
VLoC  eiGiv,  Ol  xal  vtco  Mevekdco  ixilovv  ^  6(^^a  xä  ot  gctvog  Acck^Ökl- 
(.lovi,  öooKS  xvx'TjGag-  ra  d'  iv  MeGGrjvtj  '^v^ßXijxrjv  oXy.u)  iv  OqxiXÖ'/ov.'' 
di,a  xovvo  %al  nsGovxag  avxovg  aXXog  ovöelg  t]  MsviXccog  eXssl.  Bekker 
ixiXovv  öcoQW  ^xa  oi  ^dvog  %.  x.  X.  Die  Zeichen  im  Text  fehlen  be- 
kanntlich durch  diese  ganze  Partie  bin  und  auch  Scholien  bietet  der 
cod.  A  nicbt;  es  fehlt  hier  nach  Villoison  p.  24  ein  ganzes  Stück  von 
dieser  Handschrift  selbst,  mit  den  Scholien  der  Text,  welche  Lücke  eine 
andere  Hand  auf  eiugeilickten  Blättern  ergänzt  hat,  indem  sie  den 
blolsen  Text  hinschrieb.  Diesen  Sachverbalt  kann,  wer  ihn  nicht  sonst- 
ber  schon  kennt,  aus  der  Darstellung  in  Hrn.  Beccards  Dissertation 
p.  79.  80  niemand  herauslesen.  Selbige  Darstellung  ist  überhaupt  ein 
wahres  Muster  von  Unordnung.  Aber  ich  habe  es  hier  nicht  mit  die- 
sem unreifen  Geschreibsel  Hrn.  Beccards  zu  thun.  Trotz  der  bezeich- 
neten Lücke  der  Handschrift  A  im  E  ist  es  deutlich,  dafs  der  Gedanke 
des  zuletzt  vorgelegten  Scholions  aristarchisch  ist.  Ohne  weiteres  zu 
Lakonika  gerechnet  wird  das  messeniscbe  Pherai,  die  Stadt  des  Dio- 
kles, auch  Schol.  Harl.  Q.  E.  Vulg.  y  488.  Euslath.  y  489  p.  1477,  63. 
Schol.  Hamburg,  ö  1.  Schol.  Harl.  o  186.  Alle  jene  sieben  Städte,  wel- 
che Agamemnon  im  I  dem  Achilleus  verspricht,  werden  messeniscbe 


618  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

genannt  und  zugleich  für  die  heroischen  Zeiten  zu  I^akonika  gerechnet 
im  Scliol.  BL  /  150  Meaayp'iöeg  avxca  nöhig,  ij  öh  Msöß/jvrj  elg  xov 
ziov  ylaKedaLi.wi'LCOv  voixuv  TtaXai  avvntkef  it(og  ovv,  rpipiv,  ^Aya- 
^^iv(ov  xcivxag  öldcoöLv  ovk  ovöag  avxov;  %.  r.  X.  Wer  dies  Bedenken 
aufstellte  und  wie  es  erledigt  ward,  ist  hier  gleicligiltig;  genug,  dafs 
man  es  dabei  nicht  im  entferntesten  hezweifelte,  diese  messenischen 
Städte  hiilten  dem  Menelaos  gehört  und  seien  ein  Theil  Lakonikas  ge- 
wesen. Eustathios  verhandelt  in  ganz  ähnlicher  Weise  dieselbe  Frage. 
Aus  Aelius  Dionysius  berichtet  dieser  p.  294,  44  zu  B  582,  wo  Messe 
zu  Lakonika  gerechnet  wird:  Miaöi}  ös  avxl  xov  Meoat'jvr]'  aXXcog 
yc'^Q,  q)tj6l^  JVLioöt]  ovöa^ov  Ödnvvxav.  Aelius  hatte  hier  den  Strabon 
vor  Augen,  welcher  im  Abschnitt  über  Lakonika  VIll  p.  564  eine  Aus- 
einandersetzung über  das  honicriSi^he  3Iesse  mit  diesen  Worten  be- 
ginnt: Tmv  8  vcp  0(ii]Qov  yMxakeyojA.£V(ov  x^]v  neu  Miaat^v  ovöafiov 
öuKvvö&ccC  cpaöLV.  In  dem  Abschnitt  über  Elis  VllI  p.  353  stellt  der- 
selbe mit  aller  Schärfe  die  Behauptung  auf,  Messenien  sei  dem  Mene- 
laos unterlhan  gewesen,  unter  dem  auch  Lakonika  stand,  wie  im  fol- 
genden sich  zeigen  werde,  und  p.  358  beginnt  er  dann  seinen  Ab- 
schnitt über  Messenien  mit  einer  in  Aristarchs  Sinn  gehaltenen  Aus- 
einandersetzung über  unsern  Gegenstand:  Avxi]  öl  int  ^isu  rdu  Tqcol- 
YAOV  VTto  Msve/iacp  ixexanxo^  ^^Qog  ov6a  xijg  AaKaviKrjg'  EKaleixo  ös 
')j  xco^a  MeGöy'jvi]  x.  x.  L  Nur  in  zwei  unwesentlichen  Punkten  stimmt 
er  nicht  mit  Artslarch.  Erstens  nemlich  meint  er  hier  p.  358  f.  und 
p.  393.  (j33,  die  Abtrennung  Messeniens  von  Lakonika  sei  nicht  erst 
zur  Zeit  der  Herakliden  erfolgt,  sondern  nach  Menelaos  Tode  sei  die 
Macht  Lakonikas  gesunken,  und  in  Folge  dessen  hätten  die  Könige  von 
Pylos  sich  Messeniens  bemächtigt.  Zweitens  entscheidet  er  sich  nicht 
dafür,  dafs  in  dem  Messe  ß  582  der  Name  der  Landschaft  zu  erkennen 
sei,  sondern  führt  dies  p.  3(J4  nur  als  die  Ansicht  '^einiger'  auf,  wel- 
cher entgegengesetzt  man  sich  jenes  ovöaf.iov  öeinwa&ai,  anderer  zu 
denken  hat.  Diese  beiden  Uiil'erenzen  haben  aber  auf  die  Hauptsache, 
die  Zugehörigkeit  Messeniens  zu  Lakonika  im  heroischen  Zeitalter, 
d.  h.  Messeniens  im  engern,  eigentlichen  Sinne,  des  Pamisosthales  und 
der  angrenzenden  Küsten ,  nicht  den  mindesten  Einflufs.  Für  diese 
Hauptsache  bringt  Strabon  im  Abschnitte  über  Messenien  und  in  dem 
über  Lakonika  p.  364.  367.  36S  die  aristarchischen  Nachweisungen  aus 
Homer,  welche  ich  aus  den  Scholien  angeführt  habe.  Ein  Wider- 
spruch gegen  Aristarchs  Ansicht  wird  bei  ihm  ebenso  wenig  laut  wie 
in  den  Scholien,  und  was  noch  mehr  sagen  will,  er  beruft  sich  bei 
der  ganzen  Darlegung  gar  nicht  einmal  auf  den  Aristarch  oder  den 
Apollodor.  Es  ist  also  unzweifelhaft,  dafs  zu  seiner  Zeit  wenigstens 
Aristarchs  Ansicht  entweder  überhaupt  die  Ansicht  von  ganz  Griechen- 
land war,  oder  doch  wenigstens  die  bei  weitem  vorhersehende. 

Es  setzte  aber  Aristarch  bei  unserer  Stelle  der  Odyssee  zwei 
Diplen,  eine  bei  qo  13,  die  andere  bei  q)  15.  Was  Aristonikos  über 
diese  Diplen  sagle,  läfst  sich  durch  Vergleichuug  des  vorgelegten 
leicht  wieder  herstellen.    Bei  90  13  hiels  es  AaKiöai^ovt,  dw>t£  xvy^t]- 


Lauer;  Geschichte  der  hoinerischcu  Poesie.  619 

Gag:  t]  ömXijy  ort  Iv  aXXoig  f^dv  Accutöai^iova  keyst  ryv  TtoXiv,  vvv 
ÖS  rt]v  i(0(j<xv ,  ijg  (.iSQog  Kcnu  rovg  ijQCOir.ovg  ;i^ooFOfj  7]  Meööt^v)], 
und  bei  qo  J5  rw  ()'  iv  Msaa/jinj  E^v^ißXi^Ttiv:  t]  diitXij^  ort  f^ioog  rijg 
AciKcouiKijg  y.ccra  rovg  r;Q(oiy.ovg  ^^^oi'oug  •>/  MeoGi'ivtj.  iäi^aci)^}]  öe 
Ttjg  MeOGtjviag  rj  AayAovLy.i]  inl  xav'HQayXeLÖMv ^  dt  [isra  t»/v  IXi'ov 
aXadiv  yMxiG'iov  r^jv  IhXoTcöviniGov.  ycd  ort  övcaöey.aavXXaßog  o  GTt- 
2og.    TO  de  '^v^ißXijZ)jv  kvtI  rov  Gvv}jvrriGca'. 

Diese  Kiklärun<?cii  imiste  sich  Lauer  restituieren,  eiic  er  sidi  er- 
lauben durfte  «US  der  Stelle  der  Odyssee  irgend  einen  Schluls  zu 
ziehn.  Lauer  aber  hat  nicht  einmal  eine  Ahnung  vom  Aristarch  und 
von  der  Lage  der  Sache.  Er  kann  nicht  einmal  den  Kiepertschen  At- 
las nachgesehn  haben,  in  \velchem  das  die  ijOMr/.ol  %oovol  betreffende 
Blatt  den  gröfsern  südöstlichen  Theil  des  spätem  Messeniens,  also  ganz 
Messenien  im  eigentlichen  engern  Sinne  des  Worts,  wo  auch  das  mes- 
senische Pylos  nicht  dazu  gehört,  zu  Lakonika  zieht.  Er  weifs  hier 
nichts  anderes  zu  citieren,  er,  der  grofse  Citator,  als  das  Scholion 
zu  Pind.  Pylh.  6,  35  und  das  Scholion  zu  <p  13.  Und  doch  war  das 
letztere  gewis  wenigstens  dazu  angethan,  jeden  nur  etwas  regen  Geist 
zum  weitern  Forschen  zu  bringen.  In  dem  Scholion  zum  Pindar  steht 
so  gut  wie  nichts.  Pindar  nennt  den  Nestor  den  messenischen  Greis, 
und  der  Scholiast  sagt:  M£GGi]viov  rov  JSsGroQu  q)uGLV  ovroi,  oGoi 
vniXaßov  tj^v  TLvXov  rijg  MeGGi]in]g  dvai,  ctXk  ov'/l  rrjg  ■Kcaa  r'}]v 
A^jy-aöuiv  TQKfvliag.  o  ^ivxoi  "Of-UjQog  oiöev  vTtoreray^ivi'jv  rfj  Aa- 
Tiaviyy  rt]v  MeGGipniv.    (p^Gi  yao 

öcö^a  T«  Ol  ^stvog  Aciyeöcdi.iovi  dtöxE  rvxi'iGag  • 
reo  Ö  iv  M£GG7]vi]  '^v^ßXijx^jv  uXXrjXouv. 
Dies  durfte,  wenn  nicht  gleich  dabei  behauptet  werden  sollte,  es  sei 
ans  Aristarchs  Commentar  zum  Pindar  geflofsen,  und  Aristarch  habe 
zu  dieser  Stelle  Pindars  und  zu  Pyth.  5,  66  mit  Bezug  auf  Homer  ein 
Zeichen  gesetzt,  woran  sich  dann  eine  Untersuchung  über  das  Pylos 
Nestors  knüpfte  :  wenn  nicht  so  verfahren  werden  sollte ,  so  durfte 
dies  pindarische  Scholion  füglich  ganz  uncitiert  bleiben.  Aber  Lauer 
ist  überall  zu  finden,  nur  nicht  da  wo  er  hingehört. 

Nach  dem  lakedaimonischcn  Messenien  kommt  bei  ihm  noch  ein 
auch  den  Alten  zugeschriebener  Grund  für  die  Gleichzeitigkeit  Homers 
mit  Archilochos;  es  ist  die  Formel  oFoi  vvv  ßQorol  uglv.  Als  ob  nicht 
diese  Formel  mit  Hinblick  auf  Troia  zur  Zeit  der  ionischen  Wanderung 
ebenso  gut  gebraucht  werden  durfte  wie  zu  der  des  Archilochos ! 
*B.  Thiersch  und  Nitzsch'  sagt  Lauer  S.  129  Anm.  162  'besprechen 
diesen  Ausdruck  in  verschiedenem  Sinne,  ohne  den  wahren  getroffen 
zu  haben.'  Und  welches  ist  denn  der  wahre?  Das  erfahren  wir  nicht. 
Lauer  hüllt  sich  in  den  xllantel  des  Schweigens.  Und  wo  kommt  denn 
nun  eigenllich  wohl  der  Ausdruck  bei  Homer  vor?  Lauer  zählt  die 
Stellen  ganz  richtig  auf  wie  seine  Vorgänger,  vergifst  aber  dabei  zu 
sagen,  dafs,  wenn  man  dieselben  zu  solcherlei  Folgerungen  benutzen 
wolle  wie  er,  man  aus  ihnen  gerade  das  Gegentheil  von  dem  folgern 
müfse,  was  er  aus  ihnen  folgert.     Es   sind  nemlich  lauter  Stellen  der 


620  Lauer:  Geschichte  der  homerisclien  Poesie. 

Ilias,  £304.  M383.  449.  2"  287;  in  der  Odyssee  kommt  das  oloi  vvv 
ß(iOxoi  döLV  g-ar  nicht  vor.  Soll  also  aus  ihm  mit  Lauer  auf  ein  höhe- 
res Zeitalter  der  einen  von  beiden  üiclitungen  geschlolsen  werden,  so 
kann  man  nicht  umhin,  auf  dasselbe  gestützt  die  Odyssee  gerade  für 
die  ältere  und  die  Ilias  für  die  jüngere  zu  erklären. 

Es  ist  kein  ^^nnder ,  dals  Lauer  hier  so  gedankenlos  verfährt. 
Denn  er  hat  den  bisher  besprochenen  Coniplex  von  Gründen  gar  nicht 
aus  eigner  Quellenforschung,  sondern,  wie  er  selber  uns  S.  1'26  naiv 
genug  ganz  beiläufig  verrälh,  von  H.  Dodnell.  '^Diese  Gründe'  sagt  er 
^mochten  die  Alten  bestimmen,  wie  sie  H.  Dodwell  bestimmt  haben.'  .  .  . 

\N'enn  man  auch  die  Begründung  eines  so  späten  Zeitalters  (nem- 
lich  wie  das  des  Arcbilochos)  für  Homer  nicht  als  ganz  zwingend  an- 
erkennen wolle,  meint  nun  Lauer  weiter,  so  trage  er  doch  kein  Be- 
denken in  gewisser  Hinsicht  die  Folgerung  selbst  für  gerechtfertigt 
zu  halten,  und  mit  der  Odyssee,  also  auch  mit  ihrem  Verfafscr,  der 
uns  bis  jetzt  noch  Homer  sei,  bis  in  die  Olympiaden  herabzugehn,  d. 
h.  den  Abschlufs  der  Form,  in  der  wir  sie  haben,  so  jung  anzusetzen. 
Wir  sehen  vorläulig  gern  von  der  Unklarheit  in  diesen  Worten  ab, 
denn  jetzt,  denken  wir,  jetzt  wirds  kommen.  Ja  es  kommt,  aber  was 
kommt?  Ein  zierlicher  Gang  um  den  heifsen  Brei.  'Lafsen  wir'  beifst 
es  ^iafsen  wir  hier  das  bei  Seite,  wodurch  die  Odyssee  weit  jünger 
als  die  Hias  erscheint'  .  .  .  Aber,  mein  bester  Lauer,  das  ist  ja  ge- 
rade die  Hauptsache!  Lafsen  wir  das  nicht  bei  Seite!  AN'arum  sollten 
wir  das  wohl  bei  Seite  lafsen?  Ich  denke,  was  bis  jetzt  von  anderen 
vorgebracht  ist,  um  ein  jüngeres  Zeitalter  der  Odyssee  zu  erweisen, 
ist  eitel  unkritisches  Gerede.  Wenn  wirklich  das  eine  anders  ist  als 
das  andere,  so  braucht  es  darum  noch  nicht  gleich  jünger  zu  sein. 
Wer  aber  die  Gedichte  kennt,  wird  wifsen,  dafs  aufser  jenem  oloi 
vvv  ßqoxot  eiöi  noch  manches  andere  in  iiinen  sogar  auf  ein  bidieres 
Alter  der  Odyssee  hinzudeulen  scheint,  ^^'er  nun  an  der  Einheit  bei- 
der Gedichte  festhält,  mufs  schliefsen,  dafs  Hias  und  Odyssee  gleich- 
zeitig entstanden  sind.  Wer  dagegen  tbeilt,  mufs  sorgsam  je  zwei 
gesonderte  Stücke  miteinander  vergleichen,  um  das  relative  Alter  bei- 
der zu  finden;  auf  diesem  freilich  nicht  für  alle  Leute  pracficabeln 
^Vege  wird  er  zuletzt  eine  Scala  des  relativen  Alters  aller  Stücke  be- 
kommen. Ueber  das  absolute  Alter  der  Stücke  ist  aber  damit  auch 
noch  wieder  nichts  entschieden.  Denn,  um  die  Sache  schrolT  hinzu- 
stellen, es  können  z.  ß.  in  20  Jahren  40  verschiedene  Lieder  successiv 
jedes  folgende  mit  Anspielung  auf  das  nächstvorbergehende  gedichtet 
sein.  Aber  verfolgen  wir  nnsern  Iraner  weiter,  treiben  wir  ihn  aus 
seinen  Beiseitelafsungen  und  Schlupfwinkeln  erbarmungslos  vor. 
^Nicht  allein  in  Geldangelegenheiten,  auch  in  solchen  Sachen  hört  die 
Gemülhlichkeit  auf.'  An  einer  S.  128  folgenden  Stelle  sagt  er,  dafs 
die  Hias  weit  älter  sei  als  die  Odyssee,  erkenne  man  leicht  durch  ein- 
faches Lesen  beider  Gedichte.  Und  was  soll  man,  fragen  wir,  um 
nur  beispielsweise  eins  zu  erwähnen,  was  soll  man  beim  ^einfachen 
Lesen'  denken,  wenn  man  an  die  Stellen  der  Hias  (im  B  und  A)  kommt, 


Lauer:  dcscliiclito  der  Iionicrisclion  Poesie.  021 

>vo  Odysseus  sieh  als  Valer  des  Tehüiiaelios  hri'islel?  Scizcn  diese 
Slelleii  etwa  keine  Dieliliiii^eii  vom  Teleiiiaelios  voraus?  UikI  wenn 
sie  deren  voraiissefzen,  Avomil  will  Lauer  wohl  i)e\veisen,  dal's  die 
vorausgeselzlen  nicht  die  in  der  Odyssee  sind?  Arislareh  <,'^ab  solchen 
Stellen  der  Uias  eine  Diple  ort  TtQooLKOi'o^eL  rtjv  08v66£iav  und 
schlofs  Tov  avxov  cxqcc  Ttoti/roi;  Kai  tj  Oävöösi-a,  TtQog  rovg  yfiHQi^ov- 
Tccg.  Aber  wie  sollte  Lauer  wohl  derj^leiehen  veralleles  Gewäsch  des 
dummen  Alten  berücksiehligen?  Ja  wenn  es  Jean  Boivin  le  cadet  wäre  ! 
Lal'sen  wir  Aristarehs  Ehrfurcht  gebieleuden  Namen,  Lauer  verdient 
es  gar  nicht,  dafs  man  ihm  gegenüber  diesen  Namen  ausspricht,  wir 
werden  ohne  Aristarehs  Autorität  mit  ihm  fertig.  Was  bringt  er 
weiter  für  Gründe?  Er  bringt  den  Bernslein.  Dieser  komme  in  der 
Odyssee  vor,  aber  in  der  llias  nicht;  ihn  könnten  die  Griechen  erst 
damals  erhalten  haben,  als  sie  ausgebreitete  Handelsverbindungen  mit 
den  Nordkiislen  des  adrialischcn  oder  schwarzen  Meeres  haften.  Da- 
bei berücksichtigt  Lauer  zuvörderst  nicht,  dafs  die  Phocniker  schon 
lange  vorher  den  Bernstein  den  Griechen  bringen  konnten,  so  gut  wie 
die  Purpnrkleider  und  silberne  und  goldne  Geräthe.  In  jenem  frühe- 
ren Aufsalze  ^über  die  angeblichen  Spuren  einer  Kenntnis  von  dem 
nördlichen  Europa  im  Homer'  hat  er  es  S.  318  berücksichtigt;  aber 
auch  hier  hat  er  nicht  bemerkt,  dafs  wirklich  der  Bernstein  der  Odys- 
see, weit  entfernt  irgendwie  auf  Fahrten  der  Griechen  an  die  Nord- 
küsten des  schwarzen  oder  adrialischcn  Meeres  zu  deuten,  vielmehr 
ausdrücklich  als  ein  blofs  jjhocnikischer  Handelsartikel  charakterisiert 
wird.  Den  Bernstein  o  460  auf  der  Insel  Syros  bietet  ein  Phoeniker 
zum  Kauf  an,  und  aus  Phocnicien  stammt  unverkennbar  auch  der  Bern- 
stein bei  Menclaos  ö  73,  so  gut  wie  der  schöne  Krater  6  613.  Und 
was  nun  zweitens  dv.n  Umstand  betrilft,  dafs  in  der  llias  der  Bernstein 
nicht  vorkommt,  so  gedenken  wir  der  Stelle  im  Herodot,  welche  so 
passend  den  Bernstein  mit  dem  Zinn  zusammenstellt  und  behauptet, 
dies  seien  die  beiden  Producte,  welche  vom  äufsersten  Westen  Eu- 
ropas zu  den  Griechen  kämen.  Wir  stellen  dem  Bernstein  der  Odyssee 
das  Zinn  der  llias  entgegen ,  welches  in  der  Odyssee  nicht  vorkommt. 
Sagt  jemand,  der  acißaireQog  der  llias  sei  kein  Zinn,  nun  dann  dürfen 
wir  ja  wohl  mit  demselben  Rechte  sagen,  das  ijley.tQov  der  Odyssee 
sei  kein  Bernstein.  Nicht  wahr?  Wird  uns  eingewandt,  das  Zinn  der 
llias  brauche  nicht  gerade  von  den  Zinninseln  durch  die  Phoeniker 
hergebracht  zu  sein,  sondern  Zinn  finde  sich  auch  etwas  näher  an  Ho- 
mers Heimat:  nun  dann  berufen  wir  uns  auf  Lauer  selbst,  welcher  in 
jenem  früheren  Aufsatze  a.  a.  0.  S.  318  nachweist,  der  Bernstein  kom- 
me auch  an  den  Gestaden  des  Mittelmeers  vor,  an  mehreren  Orten  und 
reichlich.  Und  in  welchen  Partien  der  llias  erscheint  denn  nun  ei- 
gentlich das  Zinn?  3Ian  merke  wohl,  dafs  es  z.  B.  im  5i  nicht  vor- 
kommt, obgleich  dort  die  schönste  Gelegenheit  dazu  ist,  dagegen 
aber  unter  andern  im  A^  im  Anfange  des  vi,  in  einer  unzweifelhaft 
echten  Stelle,  mitten  im  edelsten  Theile  der  llias.  Und  Avas  folgt  nun 
aus  alle  dem?  Dafs  alle  Indicien  dieser  Art  täuschen  können.    Weiter. 


g22  Lauer:  Gcschiclifc  der  homerisclicn  Poesie. 

Es  kommen  die  kurzen  Näclite  k  81.    Diesen  Grund  hat  Lauer  gleich- 
falls in  dem  eben  genannten  Aufsatze  selbst  beseitigt,  Lauer  arbeitet 
uns  fürwahr  trefflich  in  die  Iliinde.     Aber  wir   brauchen  seine  Hilfe 
nicht.    Beseitigen  wir  seine  Beseitigung,  seien  wir  grofsmüthig,  neh- 
men wir  einmal  an,  die  Stelle  x  81  kenne  nicht  blofs  kurze  Nächte, 
sondern  die  kurzen  INachte  des  Nordens.     Kann  nicht  auch  die  Kunde 
von  diesen  den  Griechen  durch  die  Phoeniker  oder  auch  durch  andere 
Völker  o-eworden  sein,  lange  bevor  sie  selbst  an  den  Nordküsten  des 
adriatischen  oder  schwarzen  Meeres  Handel  trieben?    Dunkel  genug 
ist  die  Stelle  der  Odyssee,  um  die  Annahme  einer  nur  dunkeln  Kunde 
zu  rechtfertigen.    Ungleich  deutlicher  jedesfalls  verräth  sich  Kenntnis 
des  nördlichen  Europa  vom  Pontos  her  in  der  Hias,  nicht  im  Sl  oder 
'F  sondern  in  der  Schlacht  bei  den  Schiffen,  iV5,  in  welche  Stelle, 
möffe  man  sie  interpretieren  wie  man  wolle ,   die  verehrlichen  Kosse- 
melker     die  Milchefser  und  Habelosen,    die  gerechtesten  Menschen, 
unzweifelhaft  aus  den  Gegenden  nördlich  vom  schwarzen,  asowschen, 
kaspischen  3Ieere   eingezogen  sind.     Von   den   Handelsverbindungen 
der  Milesier  redet  bei  Gelegenheit  der   kurzen  Nächte  des  x  Lauer 
ganz   insbesondere.     Um  den  Anfang  der  Olympiaden,  meint  Lauer, 
hätten  die  Milesier  die  Nordküsten  des  Pontos  erreicht.    Dies  zeige 
sich  darin,   dafs  Arktinos  schon  den  Achilleus  auf  der  Insel  Lenke  an 
den  Mündungen  des  Istros  kenne.     Wann  die  Blilesier  die  Nordküste 
des  Pontos  erreichten,  das  zu  untersuchen  habe  ich  hier  keine  Lust, 
ich  will  nur  darthun ,  dafs  Lauers  Beweis  auch  in  diesem  Nebenpunkte 
nichts  taugt.    Die  Insel  Lenke  ist  ursprünglich  gewis  nicht  historisch, 
sondern,  wie  die  Inseln  der  Kirke  und  der  Kalypso,  eine  mythische 
Fiction,  welche   später  localisiert  ward,  und  zwar  zuerst  schwerlich 
am  Istros.    Arktinos  aber  bringt,  so  viel  ich  nachweisen  kann,  den 
Achilleus  nicht  nach  der  Insel  Lenke  an  den  Mündungen  des  Istros, 
sondern  schlechtweg  slg  rrp  yhvm]v  vriöov.    Das  älteste  ausdrücklich 
überlieferte  Datum  der  milesischen  Colonialgeschichte  für  den  Norden 
des  Pontos  ist  die  uriötg  von  Borysthenes  und  Istros  Ol.  31.    Wollte 
man  hierüber  hinauf,   so  bedürfte  es  ganz  anderer  Forschungen,  als 
unser  Mann  angestellt  hat.    An  die  Apotheose  Achills  auf  Lenke  reiht 
Lauer  die  im  ö  dem  Menelaos  gemachte  Verheifsung,  er  werde  ins 
Elysion  kommen.     Aber  die  Stelle  kann  wegbleiben,  ohne  dafs  der 
Zusammenhang  leidet,  und  sieht  mir  höchst  verdächtig  aus,  nicht  des- 
halb, weil  sie  mir  etwa  für  meinen  Beweis  nicht  passte,  sondern  des- 
halb, weil  Proteus  in  ihr  etwas  sagt,  wonach  Menelaos  gar  nicht  ge- 
frao-t  hat  und  was  gar  nicht  zur  Sache  gehört.    Aber  Iva  ^rj  Jojcco  Xv- 
ceag  ti  ijTto^fjXEv^t,  es  läfst  sich  gegen  Lauer  auch  geltend  machen, 
dafs  die  Vorstellung  vom  Elysion  durchaus  nicht  jünger  zu  sein  braucht 
als  die  vom  Hades.    Das  Elysion  ist,  wie  schon  der  Name  selbst  zeigt, 
ursprünglich  ganz  dasselbe  wie  der  Hades,  nemlich  das  Todtenreich; 
nur  dafs  es  einem  andern  3Iythenkreise  und  Volksstamme  angehörte 
als   der   Hades.     Ein  griechischer  Stamm  bezeichnete  das  Todlenreich 
als  den  Ort  der  unsichtbaren,  ein  anderer  als  den  Ort  der  hingegan- 


LcTiier:  Goscliiclifo  der  Iiomcrisclied  Poesie.  623 

gcnen.  Hcrscliond  war  bei  der  wecliselsciliffen  Beriiliniiiff  und  dem 
Gediiiikenaiislaiiscli  der  Släiimie  zu  Homers  Zeil  l)ereils  der  Name  des 
Hades  ge>\(»r(l('ii ;  das  Klysiofi  lialle  sieh  allerdin<>s  nelxüi  ihm  heliaiip- 
Icl,  alter  man  halte,  um  es  zu  relU-n,  ans  ihm  in  einzelnen  dazu  pas- 
senden Sagen  eine  Art  von  hcsonderem  Auleiithaltsort  lür  besondere 
Leute  gemacht.  So  fand  es  Homer,  kann  man  sagen,  so  wandte  er 
es  an.  Drittens  aber,  angenommen  einn)al,  die  Vorstellung  vom  Ely- 
sion  sei  durchaus  jünger  als  die  vom  Hades,  so  fragt  sicii  wieder,  um 
wie  viel  jünger  sie  sei?  Sind  wir  berechtigt,  die  Stelle  des  ö  für 
300  Jahre  jünger  zu  halten  als  die  ionisclie  Wanderung?  Kann  das 
Klysion  nicht  doch  schon  zur  Zeit  dieser  \^'andernng  da  gewesen  und 
vom  Homer  in  dem  einen  Gedichte  nur  verschmäht,  in  dem  andern 
Kar  inicpoQav  7ioi)]XL'K-rig  agsOiieiag  angebracht  sein?  Ich  meine  unge- 
fähr ebenso,  wie  in  der  Hias  einmal,  ganz  vereinzelt,  im  E  die  Tarn- 
kappe des  Aides  auftaucht,  welche  doch  in  der  Odyssee  gewis  zu 
g-ebrauchen  war,  und  ungleich  jünger  und  märchenhafter  aussieht  als 
das  Elysion.  Lauer  meint,  die  weiteren  Seefahrten,  die  man  um  den 
Anfang  der  Olymjtiaden  wagte,  seien  nicht  ohne  wesentlichen  Einflufs 
auf  die  Verwunderbarung  der  ursprünglichen  schlichten  Sage  geblie- 
ben;  damals  sei  die  Phantasie  reger,  das  Herz  weiter  geworden,  Sehn- 
sucht über  das  Meer  bin  zu  den  fernen  Ländern,  die  man  gesehn  oder 
von  denen  man  gehört,  habe  die  Brust  erfüllt,  und  wie  im  Traum  der 
Seele,  so  im  Glauben  aus  dem  Bleere  selige  Inseln  emporsteigen  lafsen 
als  jenseitige  Heimat  vortrefilicber  Menschen,  zumeist  also  der  He- 
roen. Gut  gesagt,  in  der  That:  Lauer  wagt  weitere  Seefahrten  in  den 
Anfang  der  Olympiaden,  und  das  bleibt  nicht  ohne  wesentlichen  Ein- 
Hufs  auf  die  Verwunderbarung  der  ursprünglichen  schlichten  Ansieht 
Aristarchs;  Laners  Pbantasie  wird  reger,  sein  Herz  weiter;  Sehnsucht 
über  die  Diplen  hin  zu  den  zweideutigen  Indicien,  die  Lauer  gesehn 
oder  von  denen  er  gehört  hat,  erfüllt  seine  Brust,  und  wie  im  Traum 
der  Seele,  so  läfst  sie  im  Glauben  selige  Theorien  aus  der  Luft  herab- 
schweben als  jenseitige  Heimat  der  ihrer  Zeit  entrifsenen  Odyssee. 
Es  ist  nur  schade,  dafs  die  Schitffahrt  der  Griechen  um  den  Anfang 
der  Olympiaden  so  einen  gewaltigen  neuen  Aufschwung  gar  nicht  ge- 
wann. Hundert  Jahr  später  und  drüber,  als  nachweislich  Naukratis, 
Kyrene,  Borysthenes,  Istros,  und  zum  zweitenmal  Sinope,  höchst 
wahrscheinlich  auch  Phasis ,  Diosknrias,  Pityus,  Kepoi,  Pantikapaion 
gegründet  wurden,  als  der  Samier  Kolaios  seine  weite  Fahrt  ins  West- 
nieer  machte,  bis  zur  Gründung  von  Massalia  herab,  damals  gieng 
durch  das  Bewustsein  der  griechischen  M'elt  ein  gewaltiger  Ruck  von 
der  Art,  wie  Lauer  meint;  aber  in  diese  Zeit  wird  doch  wohl  selbst 
Lauers  Sehnsucht  nicht  geneigt  sein  'mit  der  Odyssee  hinabzugehn'. 
Und  vorher  kenne  ich  nur  eine  ähnliche  Zeit  der  geistigen  Revolution 
in  Griechenland;  und  das  ist  die  Zeit  der  • —  ionischen  Wanderung, 
die  Zeit  in  welche  Aristarch  Odyssee  und  Hias  setzt.  Bleiben  wir 
also  auch  nur  bei  dieser  Zeit  sfehn  mit  dem  Elysion  und  der  Kappe 
des  Aides,  den  Rossemelkern  und  den  kurzen  Nächten,  dem  Bernslein 


624  Lauer:  Gesrhiclitc  der  homerischen  Poesie. 

und  dem  Zinn.  Lauer  meint  aber  ferner,  auch  den  älteren  Partien  der 
Odyssee  sei  eine  solche  Vorstellung  wie  die  des  Elysion  ganz  Trenid. 
Alter,  Mann,  welches  sind  denn  die  älteren  Partien  der  Odyssee?  Das 
nuislet  ihr  vor  allen  Dingen  sagen,  und  die  Sache  beweisen,  mit  an- 
derweitigen Gründen,  falls  es  euch  nicht  etwa  wünschenswerth  er- 
schien eine  pelitio  principii  zu  begehn.  Was  ihr  so  ungefähr  meint, 
kann  man  freilich  errathen.  Ihr  habt  offenbar  noch  dieselbe  Ansicht 
wie  in  eurer  berühmten,  gerade  durch  petitiones  principii  besonders 
sich  auszeichnenden  quaestio  p.  49  und  in  euren  angeblichen  Spuren 
einer  Kenntnis  S.  318  huius  voluminis.  Ihr  meint,  dafs  die  Partien, 
in  denen  die  Freier  vorkommen,  einer  Jüngern  Zeit  angehören  als  die 
von  den  Irfahrten.  Und  darauf  mufs  ich  euch  erwidern,  dafs  ihr  euch 
in  einer  ganz  erschrecklichen  Weise  irrt.  Wer  die  Indicien  des  Al- 
fers in  der  Odyssee  wirklich  kennt,  der  weifs,  dafs  in  mehreren  der 
Partien  mit  den  Freiern  Andeutungen  höchsten  Alters  sich  linden,  in 
denen  von  den  Irfahrten  neben  wenigen  solchen  Andeutungen  sehr 
viele  einer  Jüngern  Zeit,  wie  ja  z.  B.  gleich  gerade  die  kurzen  Nächte 
im  Apologos  vorkommen,  was  Lauer  weder  hier  noch  an  jenen  andern 
Stellen  beachtet.  Dabei  will  ich  aber,  damit  ich  nicht  misverstanden 
werde,  gleich  hinzufügen,  dafs  diese  und  alle  dergleichen  Indicien  in 
meinen  Augen  gar  keinen  Werth  haben.  Das  Warum  kann  der  ver- 
ständige aus  dem  hier  gegen  Lauer  gesagten  errathen.  Auf  die  übli- 
chen vom  Metrum  und  von  der  Sprache  hergenommenen  Indicien ,  das 
Digamma  und  dgl.  gebe  ich  ebenso  wenig  etwas  wie  auf  die  sachlichen. 
Wer  da  glaubt,  vermittelst  solcher  Dinge  lafse  sich  der  Homer,  soweit 
ihn  Aristarch  für  echt  erklärt  hat,  auf  verschiedene  Zeitalter  verthei- 
leu ,  der  irrt  sich  und  kennt  den  Homer  nicht,  sollte  er  ihn  auch  lange 
Jahre  hindurch  studiert  und  dicke  Bücher  über  ihn  geschrieben  haben. 
Dies  und  den  Homer  kennen  ist  zweierlei,  wie  hier  Lauer  zum  Er- 
schrecken deutlich  macht. 

Mit  dem,  was  derselbe  für  das  jüngere  Zeilalter  der  Odyssee 
vorbringt,  sind  wir  zu  Ende.  Er  meint  S.  128,  die  Facta  liefsen  sich 
ohne  Mühe  vermehren.  Ohne  Mühe!  Hätte  er  sie  doch  nur  vermehrt! 
Er  meint,  diese  Facta  aus  der  Odyssee  müfse  man  sich  hüten  zur  Be- 
stimmung des  Alters  für  den  Homer  der  Ilias  zu  gebrauchen.  0  vor- 
sorgliche und  feine  Kritik!  Er  meint  ....  doch  das  verstehe  ich  ei- 
gentlich gar  nicht,  was  er  nun  sonst  noch  meint. 

Er  sagt  nemlich,  die  von  ihm  angeführten  Facta  aus  der  Odyssee 
zeigten,  ^dafs  dies  Epos  in  seiner  jetzigen  Gestalt  noch  etwa  in  den 
ersten  zehn  Olympiaden  seinen  Bildungsprocess  nicht  beendigt  hatte,' 
und  weiterhin,  die  Ilias  habe  Sveit  früher  mit  ihrer  Gestaltung  abge- 
schlofsen',  und  vorher  S.  127  in  der  schon  vorgelegten  Stelle,  'der 
Abschlufs  der  Form',  in  der  wir  die  Odyssee  hätten,  müfse  in  den 
Olympiaden  angesetzt  werden.  Diese  Bedensarten  verstehe  ich  gar 
nicht.  Meint  er,  einzelne  Stücke  oder  viele  oder  alle  seien  erst  da- 
mals gedichtet,  und  an  ihrer  Stelle  seien  früher  andere  gewesen?  Oder 
meint  er ,  die  ganze  Odyssee  sei  bis  dahin  wie   eine  Art  perpetuum 


Lauer:  Geschichte  der  liomerischen  Poesie.  625 

mobile  in  einer  un/.usumnienhün&°cndeii  Umarbeiluno^  aller  einzelnen 
Theile,  in  einem  conlinuierliclien  heraklileisclien  Klul'se  gewesen? 
Die  letztere  Vorstellung-  ist  absurd.  Ich  will  iiir  \vidersi)rechen ,  weil 
sie  mehreren  neueren  geläufig-  zu  sein  scheint.  So  leichtfertig,  wie 
sie  meinen,  hat  man  hei  weitem  nicht  in  diesen  alleren  Zeiten  mit 
den  homerischen  Gedichten  umzuspringen  gewagt,  mit  diesen  Gedich- 
ten, die  als  ein  lleiligthum  betrachtet  und  von  so  vielen  einander  mit 
eifersüchtigen  Augen  beobachtenden  Siingerschulen  gehütet  wurden. 
Am  allerwenigsten  aber  ist  es  jemandem  gelungen,  mit  Erfolg  umzu- 
arbeiten, ich  meine  ursprüngliches  wegzulafsen,  sein  3Iachwerk  dafür 
einzusetzen,  und  dieser  Abänderung  allgemeine  oder  auch  nur  über- 
wiegende Anerkennung  zu  verschalTen.  Etwas  ganz  anderes  ist  es 
mit  dem  prosodischen,  mit  dem  dialektischen  in  den  Formen,  mit 
Kleinigkeiten  im  Ausdrucke,  wie  ijvla  (poii'i'Koevra  für  t]i'La  ßiyaXoev- 
TCf,  oder  TCoöcoKea  FhjkELCova  für  a^vjxova  fJyjkscoji'a ,  mit  unschuldigen 
Einschiebseln  zwischen  das  nur  gelreniile,  nicht  beseitigte  echte,  Er- 
weiterungen, die  ohne  Störung  oder  vielmehr  zur  Befserung  des  Zu- 
sammenhanges wegbleiben,  welche  jeder,  der  wollte,  ohne  weiteres 
weglafsen  konnte,  derjenige  aber  behielt,  welcher  an  ihnen  seine 
Freude  hatte. 

Wie  es  überhaupt  in  solcher  Beziehung  zu  den  älteren  Zeilen 
stand,  erhellt  z.  B.  auch  aus  der  Geschichte  bei  Herodot  VII,  6  vom 
Onomakritos,  der  in  die  xqijG^ol  des  Musaios  einen  Spruch  eigner 
Fabrik  hineinpracticierte,  dabei  von  einem  Nebenbuhler,  einem  an- 
dern Dichter,  dem  Lasos  von  Ilermione,  ertappt,  angezeigt  und  vom 
Hipparch  zur  Strafe  aus  Athen  verbannt  ward.  Ein  Unterschied  ist 
allerdings  zwischen  ^q^G^olg  und  epischen  Gedichten ,  und  blofse 
Erweiterer  der  letzteren  werden  wohl  nicht  immer  gerade  so  wie 
Onomakritos  behandelt  worden  sein;  aber  derjenige,  welcher  sich  un- 
terfieng,  aus  dem  ^heiligen  Homer'  etwas  wegzuescamotieren,  um  Raum 
für  seine  eigne  Production  zu  schaffen,  wie  meint  man  wohl,  dafs  es 
dem  ergangen  sein  werde? 

Mit  Lachmann  habe  ich  über  diesen  Punkt  viel  gesprochen,  aber 
nicht  lange ,  denn  wir  waren  auf  der  Stelle  einig,  indem  er  die  eben 
dargelegte  Ansicht  sofort  billigte  und  hinzufügte,  sie  werde  durch 
seine  Beobachtungen  über  die  Lieder  von  den  Nibelungen  durchaus 
bestätigt.  Wie  dies  letztere  zu  verstehn  sei,  zeigen  die  Anmerkun- 
gen zu  den  Nibelungen  im  Eingange,  wo  Lachmann  sagt:  'Lücken 
habe  ich  innerhalb  der  Lieder  nicht  wahrgenommen.  Wie  aber  meh- 
reren derselben  Fortsetzungen  anhangen,  die  obgleich  offenbar  von 
andern  Verfafsern,  auf  jene  sich  beziehen,  so  sind  auch  überall  in  den 
Liedern  gröfsere  und  kleinere  Zusätze  erkennbar,  von  denen  gewis 
nur  wenige  dem  letzten  Anordner  der  Sammlung  zuzuschreiben  sind.' 

Es  ist  aber  die  hier  von  mir  verfochfene  Ansicht  auch  die  An- 
sicht Aristarchs.  Darauf  führt  der  Umstand,  dafs  er  keinen  Vers  für 
unecht  erklärt  hat,  dessen  Entfernung  den  Zusammenhang  aufgehoben 
hätte.     Dafs  aber  Aristarch  diese  Grenze  bei  seinen  Athetesen  sich 

N.  Jahrb.  f.  Phit.  u.  Paed.  Bd.  LXVIF.   Hfl.  C.  41 


626  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

steckte,  beweist  wieder  der  Umstand,  dafs  er  nicht  selten  den  Homer 
tadelte.  Wie  durfte  er  das,  wenn  er  Athetesen  mit  Aufhebung  des 
Zusammenhangs  für  erlaubt  hielt?  Bestätigt  wird  der  Schlufs  durch 
die  Betrachtung  der  uns  erhaltenen  Berichte  von  einzelnen  Athetesen. 
Denn  trotz  des  erbärmlichen  Zustandes,  in  dem  sich  die  Scholienlit- 
teratur  befindet,  trotz  des  Misbrauchs,  der  in  mancher  Noliz  mit 
Aristarchs  Namen  getrieben  wird,  trifft  man  doch  nur  auf  äufserst 
wenige  Fälle,  wo  eine  dem  Aristarch  imputierte  oder  der  Fafsung 
nach  zu  imputierende  Athetese  mit  Störung  des  Zusammenhangs  über- 
haupt auch  nur  vorzuliegen  scheint.  Untersucht  man  dann  aber,  so 
schwindet  das  vermeintliche  Hindernis.  Entweder  ist  es  gar  keine 
Athetese,  oder  sie  ist  nicht  von  Aristarch,  oder  sie  hat  einen  andern 
Umfang,  so,  dafs  sie  die  Gweneia  nicht  aufhebt.  Lehrs  in  seinem 
Aristarch  ist  bekanntlich  der  entgegengesetzten  Meinung.  Es  sagt  p. 
361  A.  1;  'Ne  ibi  quidem  mutavit  Aristarchus  ubi  si  versum  exemeris 
sententiae  connexus  tollitur.  Exemplum  est  %  31.  Sc.  ubi  versus 
spurlos  esse  pronuntiamus  ibi  non  continuo  dicimus  nullos  fuisse  sed 
non  hos.'  Es  genügt  für  jetzt  vollständig,  wenn  ich  in  Betreff  der 
einzigen  von  Lehrs  angeführten  Stelle  die  Sache  aufkläre. 

Nemlich  im  ii  ^Is  Odysseus  den  Anlinoos  erschofsen  hat,  fahren 
die  Freier  erschrocken  auf,  Vs.  21 

rol  6    oi-iccSi^üav 

fivrjCX'^Qeg  xara  öcoi.ia&  ,  OTtcog  i'dov  ävöga  TtsGovra, 

£%  8e  &QOVG)v  ai'OQOvGccv  OQLv&iviEg  %axa  ödofxa , 

nccvroös  nanraivovxsg  ivö^rjxovg  ttoxI  xoifpvg ' 

25  ovÖE  nrj  aßTflg  et]v,  ovo    ccIki^ov  e'yxog  lAeö-^ßi. 

26  vsLKEiov  d    Oövörja  ^olcorotßiv  inieGöiv. 
^h,eive,  KaKwg  avÖQwv  ro'E,a^eaL'  ovair    ai&kcov 
aXXav  avr uiGetg'   vvv  rot,  Gag  ainvg  oXs&Qog. 
-Kai  yaQ  di]  vvv  qpwra  '/.arenTaveg  6g  ^liy    ccQiGtog 
KOVQCov  £LV  I&dur]  •   TW  g'  ivd-äde  yvTtEg  sdovraL.' 

31    'lGkev  eaaGrog  avrJQ,  snel  7]  cpaGav  ov%  i&Elovra 
avÖQCi  KarcixrsivaL'  ro  öh  vi^moL  ovk  Bvoi]Gav  ^ 

33  (og  ör]  Gtpiv  'koI  tikGiv  oXe&qov  TteiQccr    icptJTtro. 

34  Tovg  6    aQ    vTtoÖQa  Idav  TtQOGecpj]  7to\v[ii]Tig  OdvGGsvg 

'co  KvvEg,  ov  fi  I't  i(pccG%£&^  vTtoTQOTTov  oi'xaö  i%EG&at,'  K.r.i. 
Bei  dieser  Stelle  lautet  ein  Scholion  Vindob.  zu  Vs.  31  so :  OvöiTtors 
0^t7}Qog  inl  TOü  eksye  ro  I'gks  ,  aXX  ini  rov  0(iolov.  rjnarrjrai  ovv 
o  öiaGxEvaGTfjg  ek  rov  ^I'gke  ipEvÖEa  TtoXka  Xiycov  irvfioiGiv  Ojttoia' 
(t  203).  Dafs  dieses  Scholion  von  einer  arislarchischen  Athetese 
spricht,  ist  nicht  zweifelhaft;  über  den  Umfang  derselben  lehrt  aber 
das  Scholion  nichts.  Diesen  Umfang  erkennt  man  dagegen  sehr  deut- 
lich aus  Eustalhios  Anmerkung  zu  derselben  Stelle,  %  32  p.  1917,  56 
iGriov  Se  ort  vo&EvExai  vno  rav  naXaiäv  ro  y^agiov  rovro.  axaiQOv 
yaQ  cpccGL  Kai  ysXoiov^  navrag  Ofiov  xavra  XiySLV  wg  in  Gvv&fjixarog 
oia  riva  rQayiKov  %oq6v.  E&og  yaq  (paGtv  '0[xi]Q(p  iv  roTg  roLOvroig 
ovi   ovrca  tcoielv  ocXXcc  XeyEiv  loÖE  öi  rig  tineGnEv.     Also  Aristarch 


Lauer;  Geschichte  der  Iiomerischen  Poesie.  G27 

verwarf  die  ganze  Rede  der  Freier  mit  dem  26sten  Verse,  der  sie  ein- 
leitet, und  den  dreien,  welche  nur  an  ihr  hängen;  entfernt  man  aber 
diese  acht  Verse  26 — 33,  so  schliefscn  25  eXia&ai  und  34  rot;!,'  d  uq 
vtcoöqu  genau  zusammen.  Aul'ser  dem  übelos  aber,  den  jeder  der 
acht  Verse  trug,  musle  der  Vers  31  i'oxev  nocii  besonders  seine  diTiXij 
cmeQcöriKzog  haben,  wegen  der  avagjoQcc  zu  r  203  und  anderen  Stei- 
len; und  das,  was  Arislonilios  in  einer  besondern  Anmerkung  über 
diese  Diple  bei  %  31  sagte,  gibt  jenes  Scholion  zu  selbigem  Verse 
wieder,  durch  welclies  Lelirs  p.  106.  351  verleitet  ward,  nur  bei 
X  31  einen  Obelos  anzunehmen ,  eine  Athetese ,  die  allerdings  den 
Zusammenhang  aufheben  würde. 

Jetzt  wird  man  es  auch  Molil,  denke  ich,  im  rechten  Lichte  be- 
trachten, wenn  es  in  der  Motivierung  einer  Alhelese  heifst  xai  ort, 
öiayqdcpivtav  rmv  Qxifwv  r/  awinetcc  ovölv  ^tjrei,  oder  bei  einer  Di- 
ple gegen  eine  bedeutendere  zenodolische  Aenderung  e'xec  de  TcaQ" 
avta  xa  rrjg  Gweneiag  ovroog,  oder  wenn  überhaupt  von  der  GvviTceia 
die  Rede  ist. 

Mit  dem  allen  will  ich  aber  gar  nicht  sagen,  dafs  keine  einzige 
Umarbeitung  im  Homer  jemals  siegreich  gewesen  sei.  Nemlich  dafs  in 
der  Zeit  zunächst  vor  Peisistratos  der  Homer  nur  als  ein  anoq(x6}]v 
«£töojLi£vog  existierte ,  kann  kein  Mensch  mehr  leugnen;  Peisistratos 
liefs  die  Stücke  sammeln  und  zusammenfügen ;  es  hätte  wunderbar 
zugehn  müfsen,  wenn  dabei  nicht  hin  und  wieder  einmal  das  geschehn 
wäre,  was  ich  Umarbeitung  genannt  habe,  Interpolation  mit  Weg- 
lafsung  von  echtem.  Diese  Aenderungen  aber,  deren  Zahl  und  Um- 
fang übrigens  im  ganzen  gewis  höchst  unbedeutend  ist,  waren  in  den 
Augen  der  Nation  gerechtfertigt  und  sanclioniert.  Man  glaubte,  ob 
mit  Recht  oder  Unrecht,  kümmert  uns  hier  nicht,  an  jenen  einen  per- 
sönlichen Homer  und  die  ursprüngliche  Einheit  der  Gedichte,  und 
muste  also  die  peisislrateischen  Aenderungen,  welche  die  Zusammen- 
fügung zu  ermöglichen  schienen,  sich  gefallen  lafsen.  Dafs  aber  keine 
Spuren  da  sind  von  irgend  einem  Widerspruch  gegen  die  Art  der  Zu- 
sammenfügung im  einzelnen  und  der  Aenderungen  in  den  Fugen ,  wäh- 
rend doch  nachweislich  über  attische  Unkunde  oder  bösen  Willen  in 
anderer  Beziehung  hier  und  da  geklagt  ward,  dies  beweist,  dafs  man 
sich  überzeugt  hielt,  Peisistratos  habe  hier  in  den  Fugen  nicht  ge- 
macht oder  machen  lafsen,  sondern  nur  das  ursprüngliche  wieder  in 
sein  Recht  eingesetzt,  beweist  also  weiter ,  wie  fest  die  Ueberzeugung 
von  der  ursprünglichen  Einheit  wurzelte. 

Dieses  einzige  ausgenommen,  glaube  ich  so  wenig  wie  Aristarch 
an  irgend  eine  Umarbeitung  in  unserm  Homer,  glaube  an  keine  sieg- 
reiche Nebenversion,  welche  das  echte  so  bei  Seite  gedrängt  hätte, 
dafs  es  aufser  dem  Bereiche  der  Alexandriner  lag.  Und  hier  vertrete 
ich,  wie  ich  aufs  bestimmteste  versichern  darf,  nur  Lachmanns  An- 
sicht. Wer  es  bezweifelt,  nehme  das  Lachmannsche  Buch  zur  Hand 
und  sehe,  dafs  er  sich  Athetesen  mit  Aufhebung  des  Zusammenhangs 
nur  an  solchen  Stellen  erlaubt  hat,  wo  er,  ob  mit  Recht  oder  Unrecht, 

41* 


628  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

ist  hier  einerlei,  die  Hand  der  attischen  Anordner  sah.  Auch  aufser- 
dem  scheidet  er  vieles  als  unecht  aus,  im  B  z.  B.  und  im  r"  ganze 
Partien;  aber  da  schliefst  das  von  ihm  als  echt  belafsene  bei  Ent- 
fernung- des  für  unecht  erklärten  überall  eng  zusammen;  dies  ist  so- 
gar da  der  Fall,  avo  er  mitten  durch  den  Vers  schneidet,  im  M  und 
im  O.  Ob  Lachmann  wüste ,  dafs  Aristarch  schon  demselben  Princip 
folgte,  weifs  ich  nicht;  Lachmann  war  unter  Umständen  schweigsam; 
wie  er  z.  B.  das  mir  nicht  sagte,  dafs  er  in  seinen  Betrachlungen  über 
die  llias  dies  Princip,  von  dem  ich  ihm  zu  reden  anfieng,  schon  sel- 
ber angewandt  habe,  so  dafs  ich  erst  nach  seinem  Tode  durch  die 
immer  m  iederholte  Lesung  des  Buchs  darauf  geführt  ward. 

Wer  indessen  über  diesen  Punkt  anders  denkt  als  jene  beiden 
grofsen  Geisler,  der  sei  sich  wenigstens  dessen  bewust,  was  er  ei- 
gentlich thut.  Während  das  Princip  jener  beiden  in  den  meisten  Fäl- 
len einen  festen  Halt  gewährt,  öffnet  er  der  Willkür  Thür  und  Thor. 
Denn  sobald  man  jenes  leiclilfertige  Umspringen  mit  Homer  statuiert, 
was  z.  B.  Lauer  zu  statuieren  scheint,  so  kann  jeder,  der  auf  irgend 
eine  Stelle  im  Homer  irgend  eine  Behauptung  gründet,  vom  Gegner 
der  Antwort  entgegensehn,  die  Stelle  sei  umgearbeitet.  Dann  wird 
bald  jeder,  dem  etwas  in  seinen  Kram  nicht  passt,  von  ^Diaskeue' 
sprechen,  und  wir  werden  bald  dahin  kommen,  im  Homer  nichts  an- 
deres als  eine  Sammlung  vermeintlicher  Interpolationen  zu  besitzen. 
Dann  ist  es  also  mit  unserer  ganzen  homerischen  Forschung  nichts. 

Dann  kann  aber  wenigstens  auch  Lauer  aus  keiner  Stelle  irgend 
einen  Beweis  für  die  Zeit  entnehmen,  zu  der  Homers  Odyssee  gedich- 
tet ward.  Denn  das  Ding,  was  wir  da  haben,  das,  beim  Apollo!  das 
ist  dann  gar  nicht  Homers  Odyssee. 

Wir  dürfen  endlich  dem  Schlufse  dieses  Abschnitts  der  Lauer- 
schen  Arbeit  zueilen,  welcher  uns  so  lange  beschäftigt  hat.  Was  der 
Verf.  dort  S.  130  von  dem  bisherigen  allgemeinen  und  leeren  Gerede 
der  meisten  neueren  über  Homers  Zeitaller  sagt  und  über  ihre  Träg- 
heit, die  Gedichte  ordentlich  zu  durchforschen,  ist  leider  nur  zu 
wahr;  schade  dafs  es  ihn  selbst  vor  allen  trifft.  Was  er  dann  weiter 
sagt,  man  habe  sich  in  unfruchtbaren  Rechnungen  mit  den  Angaben 
der  Alten  eingelafsen ,  ist  auch  noch  wahr,  aber  die  Schuld  dieser 
Unfruchtbarkeit  liegt  nicht  an  den  Angaben  der  Alten.  Und  was  dann 
nachher  kommt,  die  Ueberlieferung  lafse,  wie  in  BelreiT  des  Vater- 
landes, so  auch  in  Betreff  der  Zeit  Homers  uns  im  Stich,  das  bedarf 
einer  wesentlichen  3Iodification.  Die  Ueberlieferung  ist  unschätzbar, 
insofern  sie  Angaben  des  Alters  der  homerischen  Poesie  für  einzelne 
Orte  enthält;  diesen  Inhalt  herauszuheben  war  Lauer  blofs  zu  schwach. 
In  Bezug  auf  Homers  Persönlichkeit  aber  läfst  uns  allerdings  auch  die 
Ueberlieferung  der  Zeiten  im  Stich. 

Auch  in  Bezug  auf  die  Zeit,  meint  Lauer,  stehe  den  Gedichten 
allein  die  letzte  Entscheidung  zu.  Ganz  gut,  aber  Lauers  Weg  ist  ein 
Abweg.  Fast  scheint  er  das  auch  selber  zu  fühlen.  Denn  er  sagt,  ein 
reicher  Stoff  an  Merkmalen  des  Alters  liege  in  den  Gedichten  vor,  und 


Lauer:  Gcscliichle  der  homerischen  Poesie.  f)29 

er  empfehle  ihn  allen,  die  Liehe  zur  Saclie  und  genug'  Scharfsinn  hät- 
ten ihn  aufzuspüren  und  zu  benutzen;  ihm  selbst  verbiete  der  Zweck 
dieser  Schrift  näher  auf  diesen  Slolf  eiuzugohn.  Kinigermafsen  ko- 
misch klingt  das  allerdings,  \^'elches  ist  denn  eigentlich  der  Zweck 
dieser  Schrift?  Doch  wohl  vor  allem,  die  Frage  nacii  Person,  Zeil, 
Vaterland  Homers  zu  erorlcrn  und  wo  möglich  zu  entscheiden.  Dazu 
ist  ja  von  weither  ausgeholt  worden.  Und  nun,  \\  o  der  Verf.  mit  der 
Ucberlieferung  fertig  zu  sein  glaubt,  wo  es  dran  und  drauf  gehn  soll, 
nun  wird  das  Schwert  eingesteckt,  nun  verbietet  der  Zweck? 

0  nein,  antwortet  uns  der  Verf. ,  'in  anderer  Weise'  wollen  wir 
uns  den  homerischen  Gedichten  zuwenden,  um  mit  vorläufiger  Bei- 
seitelafsung  der  als  unzulänglich  erkannten  Tradition  aus  ihnen  die 
Entscheidung  zu  holen.  Aber,  fragen  wir  armen  Leser  wieder,  was  soll 
denn  das  für  eine  andere  \\'eise  sein?  Ist  es  auch  eine  weise?  Was 
wird  uns  das  zweite  Buch  wohl  für  eine  Antwort  geben? 

Es  trägt  einen  sehr  stolzen  und  des  Sieges  gewissen  Tilel,  die- 
ses zweite  Buch:  ''der  Ursprung  der  homerischen  Gedichte.'  Ach  wenn 
der  doch  nicht  blofs  in  der  Ueberschrift  zu  sehn  wäre  ! 

Es  zerfällt  in  zwei  Abschnitte,  dieses  stolze  zweite  Buch,  deren 
erster  den  Ursprung  des  Stoffes  der  homerischen  Gedichte  behandelt, 
der  zweite  den  Ursprung  der  Form.  ■ 

Der  erste  Abschnitt,  der  über  den  Ursprung  des  SlolTes,  welcher 
nicht  weniger  als  50  Seiten  einnimmt,  gehört  gar  nicht  hierher.  Hätte 
Lauer  doch  die  schönen  50  Seiten  mit  guten  Observationen  aus  den 
Gedichten  über  Vaterland  und  Zeit  angefüllt! 

Mit  demselben  Rechte ,  mit  dem  hier  vom  Ursprünge  des  Stoffes 
gehandelt  wird,  könnten  ja  z.  B.  im  zweiten  Abschnitte,  dem  über 
den  Ursprung  der  Form,  wo  Lauer  Ursachen,  Mittel,  Gestalt  und  Ur- 
heber bespricht,  Abhandlungen  über  das  Wohlgefallen  am  schönen, 
über  die  Entstehung  der  griechischen  Sprache  und  der  Kunst  Verse 
zu  machen,  über  das  Verhältnis  der  griechischen  Stämme  zueinander, 
über  den  Ursprung  des  griechischen  Volkes,  der  Indogermanen,  der 
kaukasischen  Race,  des  ganzen  Menschengeschlechts  erscheinen. 

Diese  Klippen  zu  umschiffen  ist  dem  Verf.  in  der  That  gelungen, 
aber  auf  dem  Ursprünge  des  Stoffes  blieb  sein  Schiftlein  sitzen.  Und 
doch  führte  er  im  Eingange  des  Werkes  S.  3  Lachmanns  Ausspruch 
an,  er  wifse  nicht,  ob  die  homerische  Frage  nicht  schon  weiter  ge- 
fördert sein  würde ,  wenn  man  mit  minderem  Aufw  ande  von  Gelehr- 
samkeit und  Theorie  nicht  alles  auf  einmal  aus  den  ersten  Gründen 
zu  erforschen  versucht  hätte,  den  Ursprung  und  die  Ausbildung  der 
Iroischen  Sagen,  die  Entstehung  von  Liedern  über  die  troischen  Be- 
gebenheiten ,  und  die  Entstehung  der  beiden  homerischen  Gedichte. 
Freilich  fordert  derselbe  Lachmann  anders\^  o  vom  Ilomeriker,  er 
müfse  begreifen,  wie  sich  die  Sage  vor,  mit  und  durch  Lieder  bilde; 
aber  das  ist  elwas  ganz  anderes  als  an  diesem  Orte  eine  Abhand- 
lung über  den  Ursprung  des  Stoffs. 

Das,  was  von  der  Geschichte  der  Sage  hierher  gehört,  versucht 


Ö30  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

der  Verf.  im  ersten  Capitel  des  zweiten  Abschnitts  zu  geben,  wo  von 
der  Wahl  und  Umwandlung  des  Stoffes  die  Rede  ist.  Der  Stoff  selbst 
wie  die  Sprache  und  noch  viel  anderes  ist  dem  Dichter  gegeben;  seine 
Eigenthiimlichkeit,  die  Art,  wie  er  wählt  und  umbildet  und  darstellt, 
das  gehört  ihm. 

Ob  sich  nun  überhaupt  ^^'ahl  und  Umbildung  des  Stoffes  bei  Ho- 
mer so  recht  genau  nachweisen  läfst,  diese  Frage  dürfen  wir  hier  bei 
Seite  lafsen  ;  denn  das  ist  deutlich,  dafs  sie  jetzt  wenigstens  noch 
nicht  beantwortet  werden  kann.  Ehe  man  Abschnitte  über  diesen  Ge- 
genstand zusammenzustellen  vermöchte,  wie  sie  Lauer  geben  will, 
müsten  erst  ganz  andere  Vorarbeiten  gemacht  sein.  Und  so  bleibt  denn 
auf  diesem  Punkte  der  homerischen  Untersuchung  für  jetzt  nur  übrig 
das  hervorzuheben,  was  Lauer  S.  158  selbst  behauptet  und  beweist, 
es  sei  für  das  Verständnis  der  homerischen  Poesie  der  Ursprung  des 
Stoffes  vollkommen  gleichgiltig;  gleichgiltig  z.  B.  ob  Agamemnon  ur- 
sprünglich ein  Zeus  Agamemnon  war  oder  ein  irdischer  König.  Denn 
dafs  Homer  ihn  für  letztern  hielt,  ist  sicher,  und  wenn  wirklich,  was 
ich  gar  nicht  glauben  kann,  irgend  einer  im  Ernst  behauptet,  Homer 
selbst  habe  den  Achilleus  für  einen  Flufs  mit  flachen  Ufern  angesehn 
oder  die  Athene  für  eine  Sternschnuppe,  so  verdient  das  doch  wohl 
keine  Erwähnung  mehr. 

Um  diese  Fragen  nun  aber,  ob  die  Heroen  dem  Homer,  ob  ur- 
sprünglich Menschen  oder  Götter  waren,  drehen  sich  die  ganzen  50 
Seiten  dieses  Abschnitts.  Lauer  verficht  aus  allen  Kräften  mit  der 
Geschichtlichkeit  des  troischen  Krieges  auch  das  ursprüngliche  Men- 
schenthum  der  Heroen,  und  führt  das  namentlich  am  Beispiele  des 
Agamemnon  aus.  Hieran  knüpfen  sich  Erörterungen  über  die  Art,  wie 
die  Menschen  dazu  kamen ,  den  geschichtlichen  Stoff  zur  Sage  um- 
zubilden. Dabei  wird  manches  ganz  gute  gesagt,  schade  nur  dafs  es 
nicht  neu  ist;  was  aber  die  Hauptsache  betrilft,  die  Frage,  ob  gött- 
licher oder  menschlicher  Ursprung,  so  ist  es  Lauer  gar  nicht  einmal 
gelungen ,  seine  Ansicht  in  ihrem  ganzen  Umfange  zur  Ueberzeugung 
darzuthun.  Denn  abgesehn  davon,  dafs  jeder,  welcher  die  Untersu- 
chung über  Agamemnon  liest,  das  misliche  der  Lauerschen  Deduclion 
fühlt,  und  die  Berechtigung  der  Gegner,  an  denen  nur  die  Art  der 
Beweisführung  zu  tadeln  sein  dürfte  und  die  Ueber treibung,  wie  man 
denn  insbesondere  ausdrücklich  den  Vorbelialt  machen  mufs,  der  troi- 
sche  Krieg  dürfe  für  historisch  gelten,  auch  wenn  Agamemnon  mit 
vielen  seiner  Unterkönige  dem  Forscher  in  die  Region  der  Götter  auf- 
steige: abgesehn  hiervon,  wie  steht  es  denn  eigentlich  mit  der  Fabel 
der  Odyssee?  Von  ihr  spricht  Lauer  hier  aulTallenderweise  gar  nicht, 
sondern  nennt  nur  in  Aufzählungen  beiläufig  einmal  den  Odysseus  und 
die  Penelope.  Dafs  die  Fabel  der  Odyssee  nichts  anderes  sei  als  ein 
Conglomerat  ausgebildeter,  d.  h.  entstellter  3Iythen,  läfst  sich  nicht 
leugnen.  Lauer  sagt  ja  selber  in  dem  schon  betrachteten  Aufsatze 
über  die  Volkssage  vom  Odysseus  S.  251  f.,  Odysseus  sei  an  vielen 
Orten  als  ein  agrarischer  Gott  verehrt  worden,  und  hierin  sei  nicht 


Lauer:  Gescliiclitc  der  lioincrisclieii  Poesie.  031 

spätere  Umbildung;  zu  seliti,  sundern  man  miilse  neben  dem  lielden- 
liaflen  Odysseus  Homers  einen  andern  agrarischen  üdysseus  anerken- 
nen; beiden,  dem  agrarischen  und  dem  heldenhaflen,  habe  ein  dritter 
Charakter  zu  Grunde  gelegen.  Dies  letzte  ist  nicht  wahr;  der  agrari- 
sche üdysseus  ist  der  ursprungliche;  ihn  machten  erst  die  auf  der 
See  sich  umlreibonden  Kephallenen  zu  einem  Heros  der  Irfahrten  auf 
der  See.  Doch  können  selbst  wir  noch  in  der  Odyssee  sehr  deutlich 
erkennen,  dals  die  Locale  der  Irfulirten  ursprünglich  nichts  anderes 
waren  als  verschiedene  AuHalsungen  und  Gestaltungen  des  Todten- 
reichs,  in  welches,  ganz  analog  jenen  bekannten  anderen  Mythen,  die- 
ser agrarische  Gott  hinabsteigt,  um  wieder  aus  demselben  hervorzu- 
gehn.  Mehrere  Gestaltungen  dieser  Sage  gab  es,  weil  der  3Iylhos 
vom  Odysseus  mehreren  Stämmen  angehörte.  Als  Odysseus  dann  durch 
die  Kephallenen  zu  einem  aut  der  See  umgelriebenen  Heros  gemacht 
ward,  schien  diese  mehrluclie  Gestaltung  des  Mythos  erwünscht,  weil 
nun  die  verschiedenen  Gestaltungen  des  Hades  als  eine  Reihe  von 
Localen  der  Irfalirt  nebeneinander  gestellt  werden  konnten. 

Wem  diese  Ansichten  abenteuerlich  erscheinen,  der  denke  zu- 
vörderst einmal  an  die  Nekyia  im  X,  in  welcher  wir  eine  Gestaltung 
des  Odysseusmylhos  noch  in  weniger  umgebildeter  Form  besitzen; 
weiter  an  die  schon  mehr  umgebildete  Fahrt  des  Odysseus  nach  Thes- 
protien ,  einem  der  bedeutendsten  Locale  clilhonischen  Cultus;  sodann 
sehe  er  sich  die  Namen  an  und  prüfe,  ob  woiil  der  JN'ame  Odysseus 
selbst  irgend  eine  andere  Ableitung  zulafse  als  die  schon  im  Alterthum 
aufgestellte  von  ovÖog,  ovSag;  ob  die  Namen  XßAu^w,  TIoXv(p}]{iog^ 
KiQKT]  nicht  unverkennbare  Bezeichnungen  der  Gottheit  der  Unterwelt 
sind  ;  ob  die  OaCa%ig  nicht  doch  w  irklich  mit  Beiseitelafsung  aller 
nordischen  Todtenschilfer  und  sonstigen  Dunkelmänner  von  cpäS-og, 
goaj-ft),  (paiva  abzuleiten,  so  dafs  diese  Phaiaken  sich  als  die  Daemo- 
nen  ausweisen,  welche  den  in  der  Erde  verborgenen  agrarischen  Gott 
aus  der  Gewalt  der  Verhüllerin  Kalypso  in  die  Heimat  führen;  er 
überlege,  was  wohl  mit  den  vcrgefsenmachenden  Lolophagen  anzu- 
fangen sei  und  mit  dem  Namen  der  Charybdis;  er  bedenke,  dafs  di<' 
Sirenen  unzw  eifelhaft  Sängerinnen  des  Todes  sind ;  er  kümmere  sich 
um  die  von  anderen  anders  angegebenen  Eltern  der  Skylla ;  er  unter- 
suche ,  an  welchen  Ort  Griechenlands  denn  eigentlich  wohl  die  Sage 
von  der  Skylla  ursprünglich  hingehört,  und  er  wird,  glaube  ich,  auf 
die  Todlcnsladt  Hermione  geführt  werden.  Wie  diese  Gestaltung  des 
Mythos  vom  Odysseus,  dem  Gotle  des  fruchtbaren  Erdbodens,  wel- 
cher zur  hundsköpfigen,  menschenverschlingenden  Skylla,  der  Toch- 
ter der  Ilekate,  hinabfährt,  die  Sage  von  Hermione  ist,  so  die  von 
der  Fahrt  nach  Thcsprofien  natürlich  die  des  thesprotischen  Ephyra, 
die  im  X  aber  die  fhebanische,  die  von  der  Kirke  die  der  thessali- 
schen  Minyer. 

Eines  genaueren  Eingehens  in  dies  Thema  darf  ich  mich  ja  wohl 
um  so  mehr  entbrechen,  als  in  den  Tagen,  wo  ich  dieses  schreibe, 
in  der  Mille  des  März,  zu  Berlin  ein  Buch  verbreitet  worden  ist,   von 


632  Lauer .  Geschiclile  der  homerisclieii  Poesie. 

Hrn.  Conrector  Osterwald,  welclies  unter  dem  Tilel  'Hermes - 
Odyseus'  (Halle  1853.  gr.  8)  selbiges  Thema  bespricht.  In  der  Haupt- 
sache verficht  es  ebenfalls  den  Gedanken  eines  agrarischen  Odyssens, 
in  Einzelheiten,  und  zwar  bedeutenden,  weichen  wir  voneinander  ab, 
■wie  jeder  schon  aus  den  wenigen  eben  gegebenen  Andeutungen  ent- 
nehmen kann.  Sie  sowohl  wie  auch  anderes  werden  mich  gegen  den 
Verdacht  schützen,  als  habe  ich  an  Hrn.  Osterwald  ein  Plagiat  began- 
gen; um  die  gloriola  aber  der  sogenannten  Priorität  streite  ich  na- 
türlich in  keinem  Falle  mit  ihm.  Vielleicht  aber  könnte  er,  was  den 
Grundgedanken  betrifft,  mit  einer  kleinen  Schrift  von  H.  D.  Müller 
zu  streiten  haben,  die  er,  so  viel  ich  sehe,  niclit  citiert,  folglich 
auch  nicht  kennt.  Sie  führt  den  Namen  'Ares'  und  ist  in  Braunschweig 
bei  F.  Vieweg  u.  Sohn  J848  erschienen:  ein  vortreffliches  Werk,  des- 
sen Verfafser  als  Philologe  unleugbar  weit  über  Hrn.  Osterwald  sieht, 
welcher  letztere,  beiläufig  bemerke  ich  es  um  allenfallsigen  Befürch- 
tungen vorzubeugen,  nicht  etwa  Conrector  in  der  Wifsenschaft ,  son- 
dern in  der  Merseburger  Schule  ist. 

Indem  wir  ihm  das  vorschlagende  o  in  Ovövßevg.  im  aiolischen 
Tdvßevg  und  im  lateinischen  Ulixes  zur  geneigten  Berücksichtigung 
empfehlen,  theilen  wir  dem  Hrn.  Conrector  zugleich  sub  rosa  mit, 
dafs  in  Berlin  in  gewöhnlich  gut  unterrichteten  Kreisen  das  Gerücht 
geht,  in  dem  nur  transitiv  gebrauchten  Svöco  pflege  das  v  lang  zu 
sein,  unglaublich  lang,  in  OÖvGevg  aber  von  einer  wirklich  fabelhaf- 
ten Kürze.  Wir  bitten  ferner  den  Hrn.  Conrector,  weil  er  doch  die 
Etymologien  oder  vielmehr  'Faseleien'  eines  mit  Unrecht  'geistreich' 
genannten  Mannes  so  scharf  tadelt  und  selber  den  Gesetzen  der  Spra- 
che und  des  mythischen  Gedankens  so  ungemein  treu  ist,  die  Odys- 
seussage  nicht  nach  der  Schablone  der  Siegfriedssage  zuzuschneiden, 
und  wenn  er  den  berüchtigten  Bäuber,  den  einäugigen  Kerl,  'd-gerta- 
veXo  Tov  ÄvJcAcoTra,  wenn  er  diesen  berüchtigten  HoXvcprj^og  an  einem 
anderen  Orte  wiedersieht,  oder  auch  das  Digamma  in  Oalaxeg,  beide 
freundlich  zu  grüfscn.  Auch  das  von  ihm  angenommene  Digamma  in 
Alay.og  dürf(e  hierher  gehören  ;  und  da  w  ir  trotz  der  oben  gegebenen 
freundschaftlichen  Winke  nichtsdestoweniger  der  unmafsgeblichen 
Ansicht  sind,  dafs  der  Ovövßevg  doch  in  gewisser  Beziehung  nicht 
nur  ein  ^vßofxevog  sei,  sondern  auch  ein  odvGßaaei'og  und  ein  dvßevg, 
nemlich  in  Beziehung  auf  den  Hrn.  Conrector,  so  möchte  es  nicht  un- 
passend erscheinen,  einmal  bei  dem  Aiazog  angelangt,  dem  Hrn.  Con- 
rector zu  wünschen,  dafs  dieser  'bekannte  Todtenrichter'  ihm  einen 
gnädigen  Blick  schenke,  dafs  er  ihm  nur  so  lange  noch  als  Oaia^  er- 
scheine wie  nöthig  ihn  zu  erleuchten.  Vielleicht  sieht  er  dann  wenig- 
stens, dafs  es  aufser  ^aiai,  noch  andere  Wörter  auf  ä^,  ÜKog  gibt, 
dafs  man  sich  also  bei  einer  Untersuchung  über  die  Endsilbe  jenes 
Wortes  nicht  darauf  beschränken  dürfe,  y.öXa'g^  öKuip  und  aXcoip  zu 
vergleichen.  Vielleicht  wird  es  sogar  dem  Hrn.  Conrector  einleuch- 
ten,  dafs  die  Vergleichung  des  lateinischen  r<7P,  welches  sich  für  den 
Hrn.  Conrector  zu  einem  rechten  vne  tibi  zu  gestalten  droht,  mit  dem 


Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie.  633 

griechischen  av  nicht  genüge  um  zu  erhärten ,  dafs  das  Wort  AiuKog 
mit  einem  Digamma  beginne.  Bei  der  grofscn  Liebe,  welche  der  Hr. 
Conrector  für  die  gricchisclie  Poesie  zu  hegen  beliauptct,  hälfe  man 
erwartet,  daTs  er  Stellen  griechischer  Dichter  herzeigen  werde,  wo 
jenes  Wort  oder  ein  von  ilim  abgeleitetes  vorn  das  Digamma  hat. 
Ich  meinerseits  kenne  nur  Stellen,  wo  Aiakos  und  die  Aiakiden  jenes 
Digamma  vorn  nicht  haben;  doch  bescheide  ich  mich  gern  nicht  so 
belesen  zu  sein  wie  der  Hr.  Conrector,  erwarte  nun  aber  nachträg- 
lich dergleichen  Nachweisungen,  und  freue  mich  schon  im  voraus  auf 
neue  Fragmente,  vielleicht  gar  Auekdola  aus  einem  Papyrus  der  Mer- 
seburger Bibliothek.  Mittlerweile  würde  ich  den  Hrn.  Conrector  auf 
die  Ausgabe  der  J-tAJ-mg  von  Payne  Knight  verweisen,  und  überhaupt 
noch  etwas  länger  bei  diesem  interessanten  Gegenstande  verweilen, 
wenn  ich  nicht  fürchten  müste  den  Anschein  zu  gewinnen,  als  habe 
ich,  wie  die  Hellenen  bei  Salamis,  gegen  den  Hrn.  Conrector  die 
Aiakiden  zu  Hilfe  geholt.  Dies  zu  thun  ist  in  der  That  nicht  nöthig, 
obgleich  der  Hr.  Conrector  allerdings  ganz  wie  ein  Barbar  aussieht. 
Letzteres  dürfte  indessen  nur  bewirken ,  dafs  niemand  etwas  dagegen 
hat,  wenn  der  Hr.  Conrector  mit  seinem  J-aiaKog,  diesem  ^Manne  des 
Wehes',  mit  dem  nordischen  Fafnisbani  und  dem  indischen  Sarameyas, 
mit  Loptr,  Hroptr  und  Hrimfaxi  durch  die  Waberlohe  in  das  Haus 
der  Hei  reitet.  Dort  mag  er  mit  diesem  wilden  Heere,  dessen  wir  in 
Griechenland  nicht  benöthigt  sind,  mit  seinen  Rhapsoden,  den  Früh- 
lingsräthselsängern ,  mit  seinen  Homeriden,  den  Sängern  verzückter 
Zauberlieder,  mit  dem  wunderbaren  Hunde  seines  Sophokles,  mit  der 
ganzen  wüsten  Gesellschaft  mag  er  dort  die  Anthesterien  feiern  oder 
auch  die  Apaturien,  und  dabei  den  Hrafnagaldr  singen: 

Thrains  Ausspruch 

Ist  schwerer  Traum, 

Dunkler  Traum 

Ist  Dains  Ausspruch. 

Den  Zwergen  schwindet 

Die  Stärke. 
Aber  wir  wagen  es  den  Herren  Fafnisbani  et  Comp,  mit  der  de-  und 
wehmüthigen  Bitte  zu  nahen,  sie  möchten  barmherzig  sein  und  das  A 
und  das  x  nicht  ganz  und  gar  für  unecht,  dagegen  die  avaKe(paXcd(oßtg 
im  ip  doch  um  des  Himmels  willen  nicht  für  echt  halten ,  die  '  letzte 
Redaclion'  aber  der  Odyssee  wenigstens  nicht  in  die  Zeit  des  Ulphi- 
las  setzen.  Auch  wäre  es  wünschenswerth ,  wenn  der  Hr.  Conrector 
mit  seinem  langen,  grofsmächtigen  Speer,  ich  meine  die  ^Qaßöog'  oder 
den  ^raptus'^  wenn  er  mit  diesem  '^  Habenzauber'  in  seiner  ^  rnbi.es'' 
G.  W.  Nitzsch  doch  nicht  ganz  durchbohrte ,  andererseits  aber  gegen 
ihn  sich  doch  nicht  so  in  einem  Athem  auf  ^Wolf,  Welcker,  Lach- 
mann, Bernhardy  und  wie  viele  den  Wolfschen  Principien  huldigende 
grofse  Philologen  sonst  noch'  beriefe.  Denn  hier  walten  Unterschiede 
und  Aehnlichkeiten  ob,  speciell  in  Homericis  und  überhaupt,  welche 
nur  ein  so  grofser  Mann  wie  der  Hr.  Conrector  verkennt.    Dem  Ari- 


634  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

starch,  als  welcher  durch  gröfsere  Verliefung  in  die  Unklarheit  zur 
näheren  Vermittlung  eines  innigeren  Verständnisses  bei  unsern  sinni- 
geren Zeilgenofsen  so  wenig  leistete,  dem  könnten  wohl  noch  einige 
Fufstritte  vom  Hrn.  Conrector  beigebracht  und  dabei  Grazie  entwik- 
kelt  werden. 

Scherz  bei  Seite,  wenn  Hr.  Osferwald  S.  VII  die  Befürchtung 
äufsert,  sein  Lehrer  Bernhardy  möchte  ihn  vielleicht  für  einen  Dilet- 
tanten ansehn,  so  darf  man  hierüber  woiil  nicht  geradehin  urlheilen; 
wenn  aber  Hr.  Osterwald  glaubt,  in  seiner  Schrift  wifsenschaftlich, 
scharfsinnig,  grtindlich,  methodisch  zu  sein,  so  ist  er  imirthum;  und 
in  einem  noch  weit  gröfseren,  wenn  er  S.  X.  XII.  157  vermeint,  mit 
dieser  Schrift  den  Homerikern  auf  den  philologischen  Leib 
gerückt  zu  sein  und  der  homerischen  Frage  eine  ganz 
neue  Wendung  gegeben  zu  haben.  3Iit  dieser  Frage  haben 
selbst  die  trefflichsten  Forschungen  über  den  Ursprung  der  Sage  nichts 
zu  thun,  und  die  Beziehung,  in  welche  Hr.  Osterwald  Sage  und  Ge- 
dicht setzt,  ist  albern,  wie  sein  Lehrer  Bernhardy  ihm  hoffentlich 
schon  gezeigt  haben  wird. 

Unsern  Lauer  hat  Hr.  Osterwald  auch  gelesen.  Er  erklärt  seine 
Schriften  für  trefflich ,  sieht  in  ihnen  die  gediegensten  Forschungen 
der  Philologie,  in  ihm  selbst  aber  eine  tiefe  Natur.  Bei  alle  dem  aber 
hat  er  gar  nicht  einmal  verstanden,  was  Lauer  in  seiner  quaestio  Avill: 
er  schreibt  ihm  S.  53  die  Behauptung  zu,  das  A  sei  eine  Interpolation 
und  späteren  Ursprungs. 

Was  aber  den  hier  vorliegenden  mythologischen  Punkt  betrifTt, 
so  werden  andere  wenigstens  nicht  behaupten,  dafs  Lauer  sich  auf 
ihm  als  eine  umsichtige  Natur  zeige.  Er  hat  sich  vielmehr  hier  wie 
gewöhnlich  in  einer  einmal  gefafsten  Ansicht  verrannt;  er  eilt  dem 
König  der  Männer  Agamemnon  nach  und  sucht  ihn  festzuhalten,  ohne 
umzuschauen,  ob  ihm  dabei  nicht  vielleicht  unversehens  der  göttliche 
Odysseus  in  den  Rücken  falle. 

Wir  kommen  von  den  aTtQOGÖtovvßOLg  dieses  ersten  zum  zwei- 
ten Abschnitte,  dem  Ursprünge  der  Form.  Er  zerfällt  in  zwei  Capitel, 
*die  qualitative  Form'  und  'die  quantitative  Form.'  ^^'as  heifst  das, 
quantitative  Form,  qualitative  Form?  Lauer  behandelt  unter  der  letz- 
teren Ueberschril't  die  \\'ahl  und  Umwandlung  des  Stoffes,  unter  der 
ersteren  Ursachen,  3IitteI,  Gestalt,  Urheber.  Nun  ich  will  über  die 
Ausdrücke  nicht  rechlen,  aber  so  viel  ist  gewis,  dafs  Lachmann  sie 
in  dieser  Weise  nicht  gebraucht  hätte,  dafs  ihm  dergleichen  in  tief- 
ster Seele  zuwider  \^ar  und  von  ihm  als  "^viel  zu  theoretisch'  abge- 
wiesen ward.  Freilich  wird  aber  Lauer  auch  wohl  seines  Lehrers 
Unbekannfschaft  mit  jeder  höheren  wifseuschaftlichen  Idee  zu  bekannt 
gewesen  sein,  als  dafs  er  ihm  in  solchen  Sachen  hätte  folgen  sollen; 
auch  stimmt  der  Charakter  der  fraglichen  Ausdrücke  sehr  wohl  zu 
dem  Tolaleindrucke,  welchen  dieses  zweite  Buch  macht.  Denn  Lauer 
sucht  in  ihm  den  Homer  so  recht  nach  Herzenslust  a  priori  zu  con- 
struieren,  wie  das  alles  von  Anfang  der  Dinge  an  und  aus  der  tiefsten 


Lauer:  Gescliiclilc  der  homerischen  Poesie.  635 

Menschennalur  und  den  Verhältnissen  heraus  genau  so  und  nicht  an- 
ders bis  ins  einzelnste  hinein  sich  habe  entwickeln  niüfsen.  lov  iovl 
to  Zev  ßaßilEv^  xo  %Qri^ci  trjg  vvKxog  ocTov  ccTriQccvrovl  Wenn  dieses 
wellweisen  Lauers  tiefe  Natur  doch  nur  erst  alle  die  Thalsachen  er- 
gründet hätte,  dals  es  sich  in  den  und  den  Momenten  entwickelt  hat, 
und  dafs  diese  Momente  an  den  und  den  Ort  und  in  die  und  die  Zeit 
fallen,  und  was  sich  überhaupt  entwickelt  hat,  ob  einzelne  kleinere 
Lieder  oder  zwei  grofse  Epopoeen:  das  Wie  und  das  Warum  hätte 
sich  nachher  schon  ganz  beiläufig  von  selbst  gefunden.  Jenes  that- 
sächliche  aber  läfst  sich  durch  Schlüfse  a  priori  aus  der  Nothwendig- 
keit  einer  so  oder  so  gestalteten  Entwicklung  heraus  nicht  feststellen, 
sondern  nur  auf  dem  entgegengesetzten,  dem  philologischen  Wege. 

W^as  im  einzelnen  den  Inhalt  des  ersten  Capitels  betrifft,  die 
Wahl  und  Umwandlung  des  Stoffes  ,  so  finden  sich  hier  zwei  brauch- 
bare Bemerkungen,  nemlich  S.  182  die,  dafs  die  ältesten  Sagen  sich 
vorzugsweise  mit  Kämpfen  gegen  wilde  Thiere ,  Räuber,  Unholde  n. 
dgl.  beschäftigen,  und  S.  183  die,  dafs  die  Rias  wie  die  Odyssee 
einen  sehr  kleinen  Hintergrund  von  Sagen  habe,  indem  zwischen  den 
Helden  und  ihren  göttlichen  Stammvätern  höchstens  drei  Geschlechter 
lägen,  dafs  es  demnach  in  der  homerischen  Zeit  erst  wenig  Sagen  ge- 
geben zu  haben  scheine ,  das  meiste  vielmehr  den  Kyklikern  und  ge- 
nealogischen Dichtern  gehöre.  Diese  Bemerkung  ist  gut,  ob  sie  gleich 
modiüciert  werden  mufs,  z.  B.  wegen  der  Genealogie  des  Aineias  im 
T.  Sie  macht  dem  unausstehlichen  allgemeinen  und  unbestimmten 
Gerede  vom  unerschöpflichen  Borne  der  Sage  ein  Ende,  welcher  in 
den  homerischen  Gedichten  sprudle,  bei  den  Kyklikern  aber  vertrockne. 
Aber  Lauers  eignem  Geiste  verdankt  diese  Bemerkung  so  wenig  wie 
die  über  die  Thierkämpfe  ihren  Ursprung.  Und  abgesehn  von  diesen 
beiden  Bemerkungen  ist  auch  dieses  ganze  Capitel  nichts  als  ein  all- 
gemeines Gerede,  was  für  Homer  wahr  sein  kann  und  auch  nicht,  ein 
Eintheilen  und  Schematisieren  und  Rubricieren  und  Deducieren  ohne 
concreten  Inhalt.  Was  hier  stehn  dürfte,  wäre  ein  Nachweis,  in  wel- 
cher Gestalt  Homer  die  einzelnen  Sagen  übernahm  und  w  arum  er  sie 
so  und  so  umformte.  Vermochte  Lauer  diesen  Nachweis  nicht,  nun  so 
muste  er  dies  bekennen  und  weitergehn. 

Im  zweiten  Capitel,  von  der  quantitativen  Form,  versteht  sich 
Lauer  nun  endlich  dazu,  der  Sache  wieder  etwas  näher  auf  den  Leib 
zu  rücken.  Dies  geschieht  aber  mit  aller  denkbaren  Weitschweifigkeit, 
in  einer  Menge  von  W^inkelzügen  und  Flausen ,  die  eben  so  ermüdend 
wie  nutzlos  sind. 

Der  erste  §.  handelt  von  den  'Ursachen',  weshalb  man  die  Sagen 
darstellte,  und  führt  als  Antwort  die  Sätze  aus,  dafs  die  aus  den 
Heldenthaten  entsprungene  Empfindung  sich  nur  habe  in  Form  der  Er- 
zählung objectivieren  können,  und  dafs  die  Menschen  einer  angeneh- 
men Unterhaltung  bedurft  hätten,  ^^'elche  Gemeinplätze!  Als  ob  es 
sich  nicht  von  selbst  verstände,  dafs  man  die  Sagen  nicht  deshalb 
vortrug,  um  sich  und  andere  zu  ennuyieren,  und  dafs  die  Erzählung 


636  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

einer  Heldenthat  geeigneter  ist  die  durch  sie   mögliche  Empfindung 
hervorzurufen  als  allgemeines  leeres  Gewäsch. 

Der  §.  2  handelt  von  den  ^  Mitteln',  d.  h.  er  erörtert  die  Frage, 
ob  die  Erzählung  allein  gestanden  habe  oder  ob  und  inwiefern  sie  un- 
terstützt war  von  Tanz  und  Musik,  und  ob  es  schriftliche  Erzählung 
war  oder  mündliche.     Was  hierüber  in  Bezug  auf  die  Zeit  vor  Homer 
gilt,  darüber,   denke  ich,  sind  alle  einig,   und  der  Verf.  hätte  höch- 
stens die  aus  Homer  sich  ergebenden  Resultate  nennen  dürfen.     Ob 
diese  auch  auf  Homer  selbst  anwendbar  sind,  ist  eine  andere  Frage, 
die  hierher  noch  nicht  gehört,  vom  Verf.  hier  auch  noch  nicht  erör- 
tert wird,   und  welche  jeder  sich  wohl  dann  erst  vollständig  beant- 
worten  kann,   wenn  er  mit  anderswo    liegenden    Gründen   über   die 
Frage  nach  der  Einheit  der  Gedichte  sich  so  oder  so  entschieden  hat. 
Der  §.  3  handelt  von  der  'Gestalt',  d.  h.  er  bespricht  die  Fragen, 
ob  die  Erzählung  metrisch  oder  prosaisch  war,  und  ob  es  grofse  oder 
kleine  Composilionen  waren,      lieber  das  letztere  sind  ebenfalls  alle 
einig  in  Bezug  auf  die  Zeit  vor  Homer,   es  handelt  sich  nur  um  Ho- 
mer, um  ihn  selbst,  mein  bester  Lauer,   ob  Hias  und  Odyssee  die  er- 
sten grofsen   Schöpfungen   waren,    die    sich   zu   den   vorangehenden 
kleineren  Liedern  wie  Herodots  Werk  etwa  zu  den  Arbeiten  der  Logo-, 
graphen  verhalten,   oder  ob  die  homerische  Poesie  auch  nur  lauter 
kleinere  Lieder  schuf,  aus  diesen  aber  Hias  und  Odyssee  später  von 
anderer  Hand  lose  zusammengefügt  sind.    Dies  ist  die  Frage,  und  nur 
dies;  hie  Rhodus ,  hie  salta.     Das  erstere  aber,   die  metrische   oder 
prosaische  Darstellung  der   Sage,  kann  ja  auch  nicht  dem  mindesten 
Zweifel  unterliegen  und  durfte  höchstens  kurz  erwähnt  werden.  Ueber- 
dies  ist  die  ganze  Deduction  wieder  a  priori,   und  den  schlagenden 
Beweis  a  posteriori,   dafs  das  vollendete  des  homerischen  Versbaues 
eine  vorhergehende  Kunstübung  beweise,    hat  Lauer  übersehen  oder 
nicht  gewürdigt  der  Aufnahme  in  die  langsam  und  feierlichen  Schrittes 
fortschreitende  und   sich  aus  sich  selbst  entwickelnde  Entwicklung. 
Und  warum  gerade    der  daktylische  Hexameter  die  metrische  Form 
dieser  Poesie  ward,  diese  Frage  ist  nicht  einmal  erwähnt,   obgleich 
sie  vor  den   Füfsen  liegt  und  wenigstens  eben  so  berechtigt  ist  wie 
die  von  Lauer  besaalbaderten. 

Der  §.  4  handelt  von  den  'Urhebern',  d.  h.  in  weniger  abstracter 
Sprache  von  den  Dichtern.  Auch  wieder  eine  bekannte  Sache,  dies- 
mal aber  hat  Lauer  gut  zusammengestellt.  Und  nun  endlich,  endlich, 
spricht  er  denn  auch  S.  204  das  grofse  Wort,  bis  hierher  führe  ein 
gemeinschaftlicher  Weg  alle  Freunde  Homers,  auf  diesem  Punkte 
trenne  man  sich,  die  einen  sähen  in  Hias  und  Odyssee  die  ersten  um- 
fangreichen Schöpfungen,  die  anderen  zwei  Sammlungen  kleinerer 
Lieder.  Und  nun  geht  es  endlich,  endlich,  an  eine  zweckmäfsige  Be- 
trachtung der  Gedichte  selbst,  und  wir  stehen  wieder  auf  dem  Punkte, 
auf  dem  wir  schon  S.  130  standen,  wo  sich  gezeigt  hatte,  dafs  die 
Ueberlieferung  die  letzte  Entscheidung  nicht  bringe.  Hier  hätte  der 
Verf.  meiner  unmafsgeblichen  Meinung  nach  gleich  hinter  S.  130  fort- 


Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie.  637 

fahren  sollen,  nachdem  als  Eiiilcilunff  auf  wenigen  Seiten  dem  zwei- 
ten Buche,  der  Betrachlunjyi:  der  Gedichte  und  des  aus  ihnen  selbst 
sich  ergebenden  einige  kurze  Notizen  über  die  vorhomerische  Sage 
und  Poesie  vorangeschickl  waren. 

Wenn  nun  aber  der  unglückliclie ,  welcher  bis  zu  diesem  Punkte 
durch  so  viele  maeandrische  Krümmungen  sich  zurückgewunden,  jetzt 
endlich  eine  Befriedigung  seines  im  ersten  Buche  auf  den  höchsten 
Grad  getriebenen  und  im  zweiten  so  lange  nutzlos  hingehaltenen  lleifs- 
hungers  erwartet,  so  irrt  er  sich  gewaltig. 

Denn  was  erwartet  er?  Ohne  Zweifel  erstens  eine  genaue  Kritik 
der  Lachmannschen  Forschung  über  die  Theiie  der  llias,  zweitens  eine 
Forschung  über  das  Verhältnis,  in  welchem  die  Thoile  der  Odyssee 
zueinander  stehen,  drittens  eine  Forschung  über  Zeitalter  und  Vater- 
land der  einzelnen  neugewonnenen  Lieder  oder  der  beiden  grofsen 
beibehaltenen  Gedichte  nach  den  in  ihnen  selbst  liegenden  Indicien. 
Von  allen  drei  Dingen  gibt  aber  Lauer  nicht  eines. 

Er  begnügt  sich  vielmehr  damit,  von  der  Lachmannschen  Unter- 
suchung über  das  A  und  seine  Stellung  zum  B  eine  erläuternde  und 
systematisierende  Paraphrase  zu  geben ,  deren  pedantische  Manier  den 
frischen  Hauch  geistiger  Kraft  in  den  betrelTenden  Abschnitten  des 
Lachmannschen  Buches  kaum  ahnen  läfst.  Als  unwesentliche  Zuthat 
erscheint  dabei  erstens  die  Widerlegung  einiger  Lachmann  gemachter 
Einwürfe,  welchen  man  vielleicht  gar  nicht  die  Ehre  anthun  sollte  sie 
zu  erwähnen,  und  zweitens  die  Modificatiou ,  Lachmanns  zweite  Fort- 
setzung des  ersten  Liedes  sei  nicht  für  eine  Fortsetzung  anzusehn, 
sondern  für  ein  Lied,  d.  h.  für  ein  selbständiges  Ganzes;  der  Anfang 
sei  der  Zusammenfügung  halber  fortgelafsen. 

Und  nachdem  diese  Heldenthat  vollbracht,  heifst  es  S.  211:  ^Da- 
mit ist  die  ganze  Frage  eigentlich  schon  entschieden  und  es  bedarf 
hier  keiner  Anhäufung  von  Beispielen ,  sondern  nur  einer  einfachen 
Hinweisung  auf  die  Schriften  jener  Männer,  deren  Scharfsinn  wir  die 
Entdeckung  verdanken,  dafs  die  Hias  eine  gut  oder  übel  verbundene 
Sammlung  von  Einzelliedern  ist.' 

Nein,  mit  der  Untersuchung  über  das  A  und  seine  Stellung  zum 
B  ist  eigentlich  so  wenig  wie  uneigenflich  die  ganze  Frage  schon  ent- 
schieden; denn  man  kann  ja,  wenn  man  Lachmann  alles  zugibt,  doch 
sagen,  aus  dem  Anfange  der  Hias  sei  beim  stückweisen  Vortrage  der 
Rhapsoden  im  Lauf  der  Jahrhunderte  ein  ganzes  Stück  verloren  ge- 
gangen und  durch  die  zweite  Lachmannsche  Fortsetzung  des  ersten 
Liedes  von  anderer  Hand  ersetzt  worden,  von  Peisistratos  vier  An- 
ordnern  oder  schon  früher.  Erklärte  doch  Lachmann  selbst  (Ausg.  v. 
1847  S.  18)  sogar  nach  Abschlufs  der  Untersuchung  über  das  jT,  gegen 
diese  Ansicht  habe  er  theoretisch  nichts  zu  erinnern,  nur  müfse  sie 
bewiesen  werden. 

Noch  weniger  aber  folgt  aus  diesem  Stückchen  Untersuchung  ir- 
gend etwas  für  die  Odyssee.    Denn  sogar  dann,  wenn  man  zugibt,  die 


638  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

Ilias  sei  unwiderleglich  in  eine  Anzahl  kleiner  Lieder  gesondert,   darf 
man  nichtsdestoweniger  die  Einheit  der  Odyssee  verfechten. 

Aber  angenommen,  es  sei  zweifellos  und  auch  schon  bewiesen, 
dafs  Ilias  und  Odyssee  nichts  als  Sammlungen  kleinerer  Lieder  seien, 
angenommen.  Lauer  brauchte  sich  hier  nur  auf  den  Scharfsinn  jener 
Männer  zu  berufen,  dies  angenommen  erscheint  Lauer  im  Lichte  der 
possierlichsten  Lächerlichkeit.  Denn  wenn  das  Ergebnis  der  Unter- 
suchung schon  feststeht,  warum  thut  da  Lauer  auf  den  200  Seiten  vor- 
her so,  als  ob  es  noch  nicht  feststehe?  Als  ob  es  zu  seiner  Feststel- 
lung noch  der  gröfsten  Anstrengung  und  des  namhaften  Schweifses 
der  edeln  bedürfe?  "Warum  nimmt  er  nicht  gleich  anfangs  den  hier 
plötzlich  eingenommenen  Standpunkt  ein.  warum  beginnt  er  nicht  mit 
dem  Satze ,  wir  seien  jetzt  endlich  zur  Klarheit  über  die  Wolfsche 
Frage  gekommen,  wir  wüsten,  dafs  Ilias  und  Odyssee  Sammlungen 
kleinerer  Lieder  seien;  von  diesem  jetzt  gewonnenen  Standpunkte  aus 
wolle  er  eine  Geschichte  der  homerischen  Poesie  schreiben,  wolle  das 
neu  gewonnene  in  Verbindung  mit  dem  früher  bekannten  setzen,  wolle 
untersuchen ,  inwiefern  sich  dadurch  die  Geschichte  der  homerischen 
oder  überhaupt  der  altern  griechischen  Poesie  anders  gestalte,  wolle 
die  Ueberlieferung  des  Alterthums  vom  Homer  kritisch  beleuchten, 
um  zu  ergründen,  wie  sie  mit  dem  Lachmannschen  Resultate  zu  ver- 
einigen sei,  wolle  versuchen,  die  vielfach  voneinander  abweichenden 
Angaben  der  Alten  über  Zeitalter  und  Vaterland  Homers  zu  deuten. 

Es  ist  klar,  dafs  der  Verf.  entweder  gleich  so  beginnen,  oder 
S.  205  eine  neue  grofse  Untersuchung  über  jene  drei  genannten  Punkte 
anstellen  muste.  Jedes  dritte  war  lächerlich;  am  lächerlichsten  aber 
der  possierliche  Mummenschanz ,  w  eichen  unser  Lauer  200  Seiten  hin- 
durch mit  seinem  Leser  sich  erlaubt,  um  hier  plötzlich  die  Maske  sin- 
ken zu  lafsen  und  den  Wolf  (ich  meine  den  Friedrich  August  Wolf) 
im  Schafskleide  zu  zeigen. 

Lauer  fügt  seiner  Berufung  auf  den  Scharfsinn  jener  Männer  noch 
die  Bemerkung  bei,  von  dem  X  hätten  schon  die  Alten  behauptet,  es 
sei  ein  besonderes  Lied  gewesen,  und  hiermit  bricht  nach  der  Erklä- 
rung der  Hrn.  Herausgeber  das  druckfertige  Manuscript  Lauers  ab. 
Schon  die  Note,  in  welcher  die  Litteratur  der  Wolfschen  Partei  über 
die  Ilias  angeführt  wird,  ist  von  den  Hrn.  Herausgebern  hinzugefügt 
worden,  und  dann  die  Citation  von  Schol.  V  Ä  1  0aal  x7}v  Qciiptoöiav 
v<p'0^t]QOV  iöia  rerai'&ai  xal  (i'tj  eivac  [iSQog  rijg  'IXiadog,  vno  ds 
neLaiaxQcaov  rerax&ai,  dg  ti]v  nolrjßiv. 

Bei  dieser  letztern  Note  habe  ich  zu  erinnern,  erstens,  dafs  die 
Bemerkung  im  V  gar  nicht  bei  Kl  steht,  sondern  vor  Kl  als  eine 
Art  Eingang  zu  den  Scholl.  V  für  dieses  Buch;  zweitens,  dafs  die  un- 
gemein wichtige  Parallelstelle  des  Eustathios  nicht  beigefügt  ist,  wel- 
che gerade  denselben  Platz  hat  wie  die  im  V,  vor  iCl,  p.  758,  41  ^aöl 
de  OL  nccluLOi  xt)v  ^a^pcoöiav  ravrrjp  v(p  'O^riQOv  iöia.  x£rci%&aL  xal  fxt] 
iynaxaXEyijvai  xolg  fiigsöt  xijg  'ifiidöog ,  VTto  ös  nsiGiaxQcitov  xExayj&ui 
£ig  xrjv  Ttoirjatv.    Hier  lehrt  das  oi  nuXuLoi^  dafs  Eustathios  die  Notiz 


Lauer :  Geschichte  der  homerischen  Poesie.  639 

dem  ihm  vorliegenden,  aus  den  bekannten  Schriften  des  Arisfonikos, 
Didymos,  Nikanor,  Ilerodian  zusammengesetzten  Commentar  entnahm, 
und  die  wörtliche  Uebereinstimmung  zwischen  Eustathios  und  dem  V, 
welchem,  wenn  er  allein  steht,  niclil  allemal  zu  trauen  ist,  sie  be- 
weist, dafs  die  Worte  genau  so  in  jeni-n»  Commentar  standen,  und  der 
Umstand,  dafs  die  so  verbürgte  und  an  sich  so  verständige  Ansicht 
nicht  als  eine  von  den  TralaLOtg  blofs  referierte  auftritt,  sondern  als 
die  Behauptung  der  naXcaol  selbst,  dieser  Umstand  zeigt,  dafs  wir  es 
mit  einer  Meinung  des  Grofsmeisters  Aristarch  selbst  zu  thuu  haben. 
An  einen  Vorgänger  Aristarchs,  den  Arisfophanes  von  Byzanz  etwa 
oder  den  Aristoteles,  dürfen  wir  schon  deshalb  nicht  denken,  weil 
dann  eine  Diple  bei  K  1  stehn  müste,  wie  Zll9  über  die  Stellung  der 
Partie  vom  Glaukos  und  Diomedes  7^  ÖLTtXij,  ort  ^eraTL&iaöl  xiveg  cc\- 
XcciÖgs  xavrt]v  t?}v  av6rc(oLv.  A.  Dafs  aber  eine  solche  Diplc  bei  K  1 
nicht  stand,  lehrt  die  Stellung,  welche  die  betreffende  Notiz  bei  Eu- 
stathios wie  im  V  hat.  Hieraus  geht  denn  auch  zugleich  hervor,  dafs 
diese  Notiz  nicht  durch  Aristonikos,  sondern  durch  Didymos  etwa  in 
die  Scholien  kam.  Aber  wie  ?  ^^  enn  sie  durch  kein  kritisches  Zei- 
chen im  Text  angedeutet  ist,  mufs  man  sie  da  nicht  auch  dem  Ari- 
starch selbst  absprechen?  0  nein,  man  mufs  nur  sagen,  sie  sei  jünger 
als  die  zweite  Ausgabe,  sei  eins  der  letzten  und  reifsten  Ergebnisse 
der  aristarchischen  Kritik ,  für  die  Wolfianer  gewis  das  theuerste  Ver- 
mächtnis. 

Sehen  wir  jetzt  zu,  wie  den  Hrn.  Herausgebern  die  vorherge- 
hende Anmerkung  gerathen  ist.  Sie  beginnt  mit  ^^'erken,  in  denen 
einzelne  Andeutungen  von  dem  sich  fänden,  was  am  umfal^endsfen  und 
fruchtbarsten  Lachmann  gab,  und  da  steht  Hrn.  A\  eifses  Buch  über 
das  Studium  des  Homer  voran.  Aber  kann  man  denn  dies  Buch  über- 
haupt anständigerweise  eitleren,  ein  Buch,  welches  unter  anderm  be- 
hauptet, das  ganze  £,  auch  nach  Lachmanns  Urlheil  eins  der  herlich- 
sten Stücke  im  Homer,  sei  schlechte  Poesie  und  (S.  56)  ein  Erzeugnis 
der  Leber  und  des  Unterleibes?  Haben  die  Hrn.  Herausgeber  wohl 
auch  das  Buch  gekannt?  ^^'enn  sie  es  nicht  kannten,  wie  citierten  sie 
es?  Und  wenn  sie  es  kannten,  wie  citierten  sie  es?  Und  wenn  sie  es 
citierten,  wie  citierten  sie  neben  ihm  so  viele  andere  Werke  nicht, 
wie  z.  B.  Frauceson,  ^^  ilhelm  Müller,  Geppert?  Kannten  die  Herren 
etwa  alle  diese  Schriften  nicht?  Aber  ihnen  stand  ja  doch  aus  dem 
Lauerschen  'Schatze'  das  überaus  reiche  und  sorgfältige  Verzeichnis 
der  homerischen  Litteratur  zu  Gebot,  das  die  gänzliche  Unzulänglich- 
keit des  Nettoschen  Versuchs  auf  den  ersten  Blick  erkennen  liefs ! 
Aber  was  rede  ich  da  für  eine  leere  Rede?  Sollte  man  es  glauben,  in 
dieser  Anmerkung  zu  der  Stelle  vom  Scharfsinn  jener  Männer  der  so- 
genannten Kleinliedertheorie,  in  dieser  Anmerkung  sind  nicht  einmal 
die  Prolegomena  erwähnt,  die  Prolegomena  von  Friedrich  August 
Wolf.  —  Die  zweite  Citation  der  Herren  nennt  die  Blätter  für  lite- 
rarische Unterhaltung  1844  S.  503  ff.  (lies  501  ff.).  Dies  ist  aber  nichts 
mehr  und  nichts  weniger  als  eine  Recension  des  Lachmannschen  Buchs, 


640  Lauer:  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

muste  also  hinter  Lachmann  stehn.  Und  wenn  sie  ciliert  ward,  so 
musten  auch  alle  andern  Recensionen  citiert  werden,  alle  Schriflen, 
die  in  Lachmanns  Sinne  weiter  zu  gehn  versuchen  oder  sich  ihm  ent- 
gegenstellen,  alle,  ohne  Ausnahme.  Oder  meinen  die  Herren  vielleicht, 
dafs  Lachmann  seine  Gegner  zu  scheuen  hat  und  sie  deshalh  wie  Vogel 
Straufs  nicht  sehn  will?  —  Brechen  wir  ab,  es  wäre  unnütz  nach 
Gründen  für  die  Anordnung  solcher  Noten  zu  suchen. 

In  w  elcher  Art  Lauer  selbst  seine  Darstellung  weiter  zu  führen 
beabsichtigte,  weifs  ich  aus  dem  Grunde  nicht,  weil  man  dergleichen 
bei  einem  Buche  wie  dieses  unmöglich  errathen  kann.  Die  Hrn.  Her- 
ausgeber lafsen  nach  ihrer  Erklärung  §.  211  Anm.  108  zunächst  einige 
Zeilen  aus  dem  Lauerschen  Collegienheft  folgen,  ^entnehmen'  dann  die 
weitere  Fortsetzung  dem  'Homer  und  die  Kreophylier'  überschriebe- 
nen  Aufsatze  und  fügen  endlich  in  unmittelbarem  Anschlufse  das  Ende 
der  Lauerschen  Habilitationsschrift  an.  So  wird  ein  äufserer  Zusam- 
menhang hergestellt.  Aber  das  Thema  ist  durch  die  zusammengefügten 
Stücke  auch  in  des  Verf.  Sinne  nicht  gedeckt.  Denn  der  Aufsatz  'Ho- 
mer und  die  Kreophylier'  setzt  nur  auseinander,  dafs  die  Griechen 
bei  ihrer  ^^'anderung  aus  Europa  nach  Asien  Lieder  mit  hinüberge- 
bracht hätten,  und  welcher  Art  diese  gewesen  seien;  wie  diese  dann 
in  Asien  durch  die  Homeriden  auf  Chios  umgestaltet  worden,  aus  wel- 
chen Gründen ,  zu  welchen  Zwecken,  unter  welchen  Umständen;  zu- 
letzt wird  die  Frage  aufgestellt,  ob  die  chiischen  Homeriden  die  Hias 
und  die  Odyssee  gesungen  hätten  oder  nur  die  Hias.  Das  Ende  der 
Habilitationsschrift  aber  beschränkt  sich  darauf,  diese  letzte  Untersu- 
chung Aveiter  zu  führen,  bis  zu  dem  Resultat,  den  Homeriden  von 
Chios  gehöre  die  Hias,  den  Kreophyliern  von  Samos  die  Odyssee. 

Da  fehlt  also  das  im  ersten  Buche  so  sehr  hervorgehobene  aioli- 
sche  Smyrna,  da  fehlt  Kolophon,  da  fehlt  los;  und  auch  in  dem  ge- 
gebenen vermifst  man  mehrmals  die  Anknüpfung  an  das  frühere  und 
sogar  die  Uebereinstimmung.  Es  ist  ein  ganz  anderer  Gedankenkreis, 
wie  aus  einer  andern  Welt;  zu  dem  abgebrochenen  Hauptwerke  passen 
diese  nicht  einmal  untereinander  überall  ganz  genau  stimmenden  Stücke 
wie  die  Faust  aufs  Auge. 

\^'ie  können  also  die  Hrn.  Herausgeber  Vorr.  S.  XII  erklären, 
das  zweite  Buch  seien  sie  im  Stande  gewesen  zum  Abschlufs  zu  brin- 
gen? Welch  unordentliches  und  unüberlegtes  Verfahren!  Haben  die 
Herren  das  vielleicht  von  Lachmann  gelernt?  Geht  man  so  mit  dem 
nachgelafsenen  'Schatze'  eines  Freundes  um?  Wohl  dürfte  Lauer 
sagen:  'Gott  bewahre  mich  vor  meinen  Freunden,  mit  meinen  Feinden 
kann  ich  ohnehin  nicht  fertig  werden." 

Es  ist  freilich  ein  solches  Verfahren  der  eignen  Art  Lauers  ganz 
homogen,  und  hat  insofern  hier  eine  Art  von  Berechtigung.  Dies  mufs 
man  den  Hrn.  Herausgebern  einräumen,  die  wahrscheinlich  nur  des- 
halb so  verfuhren,  um  möglichst  treu  im  Stil  zu  bleiben,  dafs  die  Er- 
gänzung nicht  etwa  befser  scheine  als  der  Torso  selbst.  Nichtsdesto- 
weniger hätte  es  sich  verlheidigen  lafsen,  wenn  alles  so  blieb,  wie 


Lauer:  Gescliiclilc  der  homerischen  Poesie.  G41 

Lauer  es  hinterliefs,  wenn  die  Geschichte  der  homerischen  Poesie  kei-* 
nen  'Absclilurs'  erhielt,  die  kleineren  Aufsätze  aber  und  das  ganze 
Collegienhcft  unverändert  hintereinander  abgedruckt  wurden.  Zu 
schön  würde  diese  Art  von  Supplement  gewis  nicht  geworden  sein  im 
Vergleich  mit  dem  unvollendeten  llaui)t\verke;  war  es  ja  doch  derselbe 
Vertal'ser!  Den  innern  Zusammenhang  aber  iiälte  der  mitforschende 
schon  selber  gefunden,  wie  ich  ja  z.  B.  den  Gedankengang  über  das 
hoiolische  der  IVekyia  aus  den  drei  Lauerschen  Sciiriflen  ganz  richtig 
herausgefunden  zu  haben  glaube.  Und  dann  hätte  man  doch  drei  voll- 
ständige Arbeiten  und  eine  nicht  mangelhaft  fortgesetzte,  während 
jetzt  alles  in  dieser  Gegend  Fiickwerk  ist. 

Dafs  indessen  die  Hrn.  Herausgeber,  wo  eine  Partie  in  doppelter 
Bearbeitung  vorlag,  die  befsere  Fafsung  ausgesucht  haben,  das  wer- 
den wir  voraussetzen  mülsen.  Um  so  gerechtfertigter  ist  es,  wenn 
wir  aucii  hier  noch  einige  Worte  der  Beurtheilung  sprechen,  welche 
ja  die  Wifsenschaft  ohnehin  fordert. 

Von  Richtigkeit  im  ganzen  oder  zum  grofsen  Theile  kann  gar 
keine  Rede  sein;  einzelne  Bausteine,  Notizen  und  Citationen  mögen 
gelten.  Das  Ganze  ist  Mieder  a  priori,  und  der  erste  Salz,  auf  den  es 
aufgebaut  wird,  ist  entschieden  falsch.  Diesen  Salz  bildet  nemlich 
die  Behauptung,  dafs  vor  den  Wanderungen  die  Lieder  der  einzelnen 
Völkerschaften  über  den  troischen  Krieg  und  die  andern  Stoffe  gänz- 
lich voneinander  isoliert  waren,  indem  die  Dichter  jedes  Staates  nur 
den  engen  Gesichtskreis  der  Heimat  festhielten,  ohne  sich  um  die  Lie- 
der, Sagen,  Auffafsungen  der  Nachbarn  irgendwie  zu  kümmern.  Dies 
ist  nun  aber  lediglich  eine  Einbildung  Lauers.  Es  ist  nicht  der  Schat- 
ten eines  Grundes  da,  warum  die  Dichter,  die  denn  doch  damals  ge- 
wis auch  schon  (vergl.  q  382  B  594)  zum  grofsen  Theil  fahrende  Leute 
waren ,  und  von  denen  gew  is  nicht  einer  sein  Leben  lang  wie  ein 
Pllanzenthier  immer  auf  der  Stelle  festsafs,  welche  ihn  gebar,  warum 
das  gewis  auch  damals  schon  bewegliche  und  leichtblütige  cpvXov 
aoiöcöv  sich  auf  so  traurige  Weise  selber  sollte  borniert  und  in  die 
Zwangsjacke  gesteckt  haben.  Dazu  war  auch  überhaupt  damals  schon 
der  ganze  Verkehr  zu  lebhaft,  wie  Homer  und  alle  anderweitig  über- 
lieferten Sagen  und  die  Natur  des  Landes  genugsam  lehren. 

Ist  nun  aber  diese  erste  Lauersche  Idee  falsch,  so  fällt  auch  gleich 
die  folgende  mit,  dafs  bei  den  Wanderungen  auf  der  Küste  Asiens 
Sänger  der  verschiedenen  Stämme  zusammengetroffen,  hier  erst  in  der 
Noth  der  neuen  Heimat  einander  näher  getreten,  auf  Chios  die  Innung 
der  Homeriden  geschlofsen  und  in  ihr  erst  das  Werk  des  gegenseiti- 
gen Austausches  und  der  Umarbeitung  der  altern  Lieder  begonnen, 
indem  die  stammlichen  Besonderheiten  soviel  wie  möglich  aus  diesen 
altern  Liedern  verwischt,  alles  so  gut  es  gieng  gleichförmig  gemacht, 
und  so  durch  wiederholte  Umformung  zuletzt  dann  die  homerische 
Poesie  zum  Vorschein  gebracht  ward.  Ich  glaube  vielmehr  getrost 
behaupten  zu  dürfen,  dafs  lange  vor  der  ionischen  Wanderung  z.  B. 
in  Athen  die  argivischen  Sagen  vom  troischen  Kriege  so  gut  bekannt 

yv.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Bd.  LXVII.   Hfi.  6.  42 


642  Lauer:  Geschiclite  der  homerischen  Poesie. 

waren  wie  in  Argos  selbst,  und  dafs  ich  meinen  athenischen  Homer 
nicht  erst  in  Smyrna  etwa  in  den  durch  ihn  verherlicliten  SlolT  voll- 
kommen einzuweihn  brauche.  War  doch  ein  grofser  Theil  des  Pelo- 
pidenreichs  von  den  nächsten  Verwandten  der  Athener,  von  loniern 
bevölkert,  die  ganze  Nordküste  am  korinthischen  Meerbusen;  und 
ebenso  auf  der  andern  Seite  am  saronischen  die  dem  Diomedes  ge- 
hörige Akte,  wo  namentlich  Troizen  mit  den  Athenern  die  genauste 
Freundschaft  unterhielt.  Aus  diesen  Verhältnissen  erklärt  sich  bei- 
läufig auch  die  Theilnahme  Athens  am  troischen  Kriege,  welche  Lauer 
S.  220  unüberlegterweise  zu  leugnen  nicht  übel  Lust  zeigt,  erklärt 
sich  ferner,  warum  das  Kind  Orestes  vor  Aigisthos  gerade  nach  Athen 
gerettet  wird,  erklärt  sich,  warum  gerade  der  Athener  Homer  der 
Herold  von  Agamcmnons  Ruhm  werden  konnte,  erklärt  sich  endlich 
auch  noch  die  Zulafsung  von  Epoiken  ans  Kyme,  einer  von  Agamcm- 
nons Nachkommen  beherschten  Stadt,  in  die  athenische  Colonie 
Smyrna. 

Aber  kehren  wir  zu  unserm  Lauer  zurück.  Das  Hervortreten  der 
Homeriden,  welches  auch  hier  ganz  unrichtig  erklärt  ist,  werde  ich, 
meinem  schon  gegebenen  Versprechen  gemäfs,  andern  Orts  motivie- 
ren. Sonst  aber  will  ich  von  Einzelheiten  auf  diesem  Punkte  der  Lau- 
erschen  Untersuchung  nur  noch  die  Andeutung  hervorheben,  S.  222, 
das  homerische  Datum  Herodols,  welches  hier  für  das  Jahr  840  v.  Chr. 
genommen  wird,  möchte  auf  das  Entstehn  der  Form  der  homerischen 
Lieder  zu  beziehn  sein,  in  der  sie  uns  die  Hias  und  die  Odyssee  zei- 
gen. Diese  Ansicht  scheint  Lauer  später  selbst  aufgegeben  zu  haben; 
wenigstens  ein  Altersunterschied  zwischen  Hias  und  Odyssee,  wie  ihn 
das  Hauptwerk  annimmt,  und  wie  er  S.  230  in  dem  Bruchstück  aus 
der  Habilitationsschrift  wieder  auftaucht,  erscheint  dabei  nicht  be- 
rücksichtigt. 

Und  nun  zum  dritten  und  letzten  Theile  dieser  Lauerschen  Aus- 
einandersetzungen, der  Deduction,  die  Homeriden  auf  Chios  hätten  die 
Hias  gedichtet,  die  Kreophylier  auf  Samos  die  Odyssee.  Laners  un- 
glückliche Manier,  von  einem  einmal  gefafsten  Gedanken  aus  unauf- 
haltsam vorwärts  zu  gehn  ohne  rechts  oder  links  zu  blicken,  ob  nicht 
todbringende  SeitenangrifFe  nahen,  diese  Manier  zeigt  sich  hier  zum 
letztenmale  wie  die  Sonne  vor  ihrem  Untergange  in  vollem,  strahlen- 
dem Glanz.  Ich  höre,  dafs  jemand  namentlich  diese  Deduction  über 
den  samischen  Ursprung  der  Odyssee  öffentlich  zur  nähern  Prüfung 
empfohlen  habe;  ich  mag  nicht  fragen,  wer  das  thut,  ich  will  es  nicht 
wifsen ,  es  ist  zu  herabstimmend,  dafs  heutzutage  noch  ein  Homeri- 
ker  eine  solche  Seifenblase  der  Beachtung  empfehlen  kann,  viel  her- 
abstimmender als  dafs  jemand  sie  aufsteigen  läfst.  Auf  eine  förmliche 
Widerlegung  dieses  Einfalls,  der  fürwahr  wenig  befser  ist  als  der- 
jenige ,  welcher  in  der  Hias  die  Belagerung  von  Jericho  erzählt  fand, 
auf  eine  förmliche  Widerlegung  also  kann  ich  mich  nicht  einlafsen; 
ich  würde  mir  vorkommen,  als  kämpfte  ich  mit  Windmühlen.  Aber 
beispielsweise   verstehe  ich  mich  dazu   wenigstens   ein   paar  kleine 


Lauer:  Gescliiclilc  der  hoinerisclien  Poesie.  04.'^ 

Hiebe  zu  führen.  Also,  wenn  in  aller  Zeit  die  Saniier  nur  die  Odys- 
see liabeii,  wie  erhall  Lykurg-  von  ihnen  die  ganze  Poesie,  d.  h.  Odys- 
see und  llias?  Ferner,  Avenn  Sainos  neben  Cliios  an  AN  iir<le  und  He- 
deulunjj-  der  zueile  homerische  Ort  ist,  uaruin  heilst  Homer  nirgends 
ein  Saniier?  Endlich ,  wenn  die  Samier  die  Odyssee  machen,  Marum 
läfst  die  Sage  dem  kreopliylos  vom  Homer  nicht  vielmehr  die  Odys- 
see schenken  als  die  arme  üix<^dLc<g  cihoGig'^  —  Und  damit  der  un- 
bekannte Zur-nahern-Priifung-Kmpfehler  meinen  freundlichen  Willen 
recht  erkennt  ihm  beizuspring-en  und  seinem  erhabenen  Urtheile  mit 
meinen  schwachen  Kräften  unter  die  Arme  zu  greifen,  so  will  ich  nun 
auch  noch  ein  übriges  thun  und  eins  von  den  Lauerschen  Argumenlen 
in  seiner  traurigen  Blöfse  ihm  unmillelbar  vor  die  Augen  stellen.  Die 
Odyssee  soll  unter  anderm  deshalb  für  Samos  bel'ser  als  die  llias  pas- 
sen und  von  den  samischen  Dichtern  gedichtet  und  gesungen  sein,  weil 
in  ihr  die  keusche  Ehegallin  Penelope  verherlicht  wird,  Hera  aber, 
die  Hauptgötlin  der  Saniier,  Schulzgöttin  der  Ehe  war.  Wer  dies 
Hest,niufs  doch  alsbald  fragen,  warum  denn  Hera  in  der  Handlung 
der  Odyssee  durchaus  nicht  vorkommt,  während  sie  in  der  Handlung 
der  Hias  eine  Hauptrolle  spielt.  Die  blofsen  Cilationen  ihres  Namens 
aus  der  Hias  nehmen  in  der  Oxforder  Ausgabe  des  Seberus  drei  Vier- 
theile einer  Spalte  ein.  In  der  Odyssee  dagegen  wird  sie  überhaupt 
nur  beiläufig  erwähnt,  und  auch  das  nur  an  sieben,  sage  sieben  Stel- 
len, von  denen  eine  unecht  ist.  Dies  ist  im  A  die  Stelle  vom  Herakles, 
wo  613  Hebe  bezeichnet  wird  als  natg  zliog  (leyaXoio  Kai  H^Tjg  %QV~ 
eoneöUov.  Ferner  in  der  Phaiakie  'ö'  465  und  bei  Menelaos  o  112.  180 
hat  Zeus  das  Epitheton  eQiyöovTtog  noGig  'HQfjg;  ö  513  heifst  es  in  der 
Erzählung  vom  Nostos  des  Agamemnon,  Here  habe  diesen  aus  dem 
Sturme  ans  Land  gerettet,  Gcmas  öi  noivia  Hqjj;  ft  72  sagt  Kirke, 
die  Argo  wäre  wohl  gescheitert,  all  'Hq}]  ■naQms^'iliev,  inel  cpilog 
ijev  It]6(oi';  V  70  erzählt  Penelope  von  den  Töchtern  des  Pandareos, 
"Hq)i  d'  avTfptv  7t£Qi  naöicov  Öcüke  ywaioicov  eidog  aal  TTivinip',  und 
bemerkenswerth  genug  ist  es  in  dieser  Erzählung  nicht  Here,  welche 
die  iMädchen  verheiraten  will,  sondern  Aphrodite;  diese  geht  zum 
Olymp  KOVQijg  alz7]GovGa  xiXog  ■9'alsQoto  ya^oio,  und  zu  wem  geht 
sie?  Zur  Here?  0  nein,  zum  Zeus  reQmyjQccvvog.  Also  Here  erscheint 
in  der  Odyssee  auch  nicht  einmal  als  Schulzgötlin  der  Ehe,  selbst  nicht 
in  der  leisesten  Andeutung,  obgleich  dazu  überall  die  einladendste 
Gelegenheit  ^^ar.  Und  doch  soll  die  Odyssee  deshalb  unter  anderm 
gerade  samisch  sein,  weil  den  Samiern  der  Stolf  um  ihrer  Ehegötlin 
willen  lieb  sein  muste.  Dergleichen  Behauptungen  werden  nur  da- 
durch überboten,   dafs  man  sie  zur  nähern  Prüfung  empfiehlt. 

Gerade  umgekehrt  von  der  Hias  liefse  sich  mit  weit  mehr  Schein 
behaupten,  sie  gehöre  nach  Samos,  oder  doch  wenigstens  wer  die 
Hias  theilt,  könnte  vielleicht  versucht  sein,  ein  und  das  andere  Lied 
nach  Samos  zu  setzen.  Denn  nicht  nur  ist  in  der  Hias,  wie  erwähnt, 
Here  Hauptperson,  sondern  es  gibt  ja  auch  eine  Ueberlieferung,  Ho- 
mer habe  dem  Kreophylos  die  Hias  geschenkt,  welche  Ueberlieferung^ 

42* 


644  Lauer :  Geschichte  der  homerischen  Poesie. 

unserm  Lauer  nicht  bekannt  geworden  zu  sein  scheint,  obgleich  Wel- 
cher ihrer  gedenkt;  und  völlig  samisch  sieht  es  z.  B.  im  13ten  Liede 
Lachnianns  aus,  in  der  z/tog  ccTtuv}].  Hier  leitet  Here  gewissermafsen 
die  ganze  Handlung,  und  bei  der  Schilderung  ihres  Beilagers  mit  Zeus 
kommt  samische  Sage  und  Sitte  zum  Vorschein,  5*294,  wo  es  vom  Zeus 
heifst,  nachdem  er  die  Here  erblickt: 

big  6    l'ösv .,  cog  ^ti>  e'Qü)g  Ttv/.tvag  (pQsvag  a^g)SKuXvilf£v, 

oiov  ore  ngarov  itSQ  efiiG'yiöd'ijv  (piXöt^xi, 

elg  £vv7jv  cpOLxavxs^  cpikovg  h']9ovr£  roKrjag. 
Hierzu  bemerkt  unter  anderm  ein  Scholion  BLV  äXkot  toi»  ^icc  (paalv 
iu  ^ajjLO)  kcc9Qa  rcov  yovifov  artonaQ^evivaai  rr]v  Hqav  o&ev  2^a- 
fitot  fxvt]aTcVOvveg  zog  Kogag  kad^QU  Gvyaoifit^ovGiv ,  eita  itaQQtjaia 
d-vov6i  Tovgyci^iovg.  Eustath.  5*294  p.  987,  9  exsQOt  de  ei>  Zü^a  käd-Qoc 
öiaTtuQ&svsv&ijvai  avxtjv  cpaGiv.  öd'EV  Scqiioi  naxa  ^fjkov  'Hgag 
ka&Qa   xag  nccgd'ei'ovg  avyKOifit^ovGiv^   eixa    (fcti'EQCüg    xovg  ya^uovg 

'&V0V61V. 

Welch  ein  prächtiger  Zopf  zum  Anbeifsen  für  unsern  Lauer! 
Wenn  er  doch  nur  die  Scholien  gekannt  hätte!  Welche  Deductionen 
würden  wir  erlebt  haben  !  '^AA'  «AAot  yag  laaiv  ccQiGxrJEg  nava^aKov, 
noch  ist  nicht  jede  Holfnung  verloren,  hat  denn  sonst  niemand  Lust? 
Eine  samische  Ilias!  Fürwahr  kein  übler  Bifsen!  Nicht  weniger 
schmackhaft  als  die  helikonische!  0  süfs  und  ehrenvoll  ist  es  gewis 
für  jeden  wifsenschaftlichen  Mann  sich  nun  auch  zu  bethätigen  und 
auch  selbst  so  etwas  ganz  neues  zu  behaupten  und  durchzuführen. 
Nachher  Avird  man  zur  nähern  Prüfung  empfohlen;  und  selbständige 
Forschung  und  Auffafsung  wird  einem  zugeschrieben;  und  wenn  es 
sich  dann  auch  alles  in  blauen  Dunst  verflüchtigt,  so  heifst  es  doch 
immer,  man  sei  eine  tiefe  Natur  gewesen  und  habe  eben  so  geistreich 
als  mit  gründlicher  Gelehrsamkeit  gearbeitet.  Ich  frage  nochmals, 
hat  denn  sonst  niemand  Lust? 

Berlin.  Dr.  M.  Sengebnsch. 


I.  Lucreh  Lart  de    rerum    natura  librl   sex.      Carolas   Lachmannus 

recensuit  et  emendavit.     Berolini  impensis  Georgii  Reimeri.  1850. 

252  S.  gr.  8. 
CnroU  Lachmanni   in   T.  Lucretii    Carl   de  rerum   natura   libros   com- 

mentarius.  Berolini  impensis  Georgii  Reimeri.  1850.   439  S.  gr.  8. 
1.  Lncretl   tan   de  rerum  natura  libri  sex.  Recognovit  lacobus  Ber- 

naysius.  Lipsiae  sumptibus  et  typis  B.  G.  Teubneri.  1852.  XII  u. 

198  S.  8.^) 

Das  grofse  Zeugnis  eines  lief  empfindenden,  viel  gebildeten  Gei- 
stes, die  Bücher,  welche  der   Römer  Lucretius  über  die  Natur   der 


♦)  Die  Redaction  glaubt  bei    der   hohen  wifsenschaftlichen  Bedeu- 


Lacinnann  u.  Bernays:  T.  Lucrctius  Cariis.  645 

Diiiße  uns  hiiilcrlarsen  lial,  sie  liallcii,  was  ilirt;  kritische  Beliaiulluiig 
anbetriirt,  lanj^e  geruht,  nachdem  sie  durch  die  Hand  des  geschmack- 
vollen  und   gelehrten  Lambin  stellenweise    mehr  Ebenmafsigkeil  und 
mehr  Glanz  erhalten,  als  ihnen  der  Dichter  gegeben  oder  die  Zeil  ge- 
lafsen.    Alan  benutzte  das  \\  erk  als  (Jiieile  einer  genauem  Kunde  über 
Epikurs  Philosophie,   niancbmal  auch  als  einen  reichen  Schatz  |>hysi- 
calischer  Beobachtungen;  mau  lobte  l.ucre/,  hier  utid  da  als  gewandten 
und  phantasiereicben  Dichter,  mau  schalt  und  widerlegte  ihn  als  gräu- 
lichen Atheisten  und   Jlaterialisteu:    an  eine  griiudliche  Prtilung  des 
Lambinschen  Verfahrens,    an  eine  wiederholte  Untersuchung  über  die 
wahre  Gestalt  des  Textes  dachte  niemand.     Die  Arbeit  des  gelehrten 
Franzosen  scbien  in  der  Hauptsache  für  alle  Zeit  genügend.    Auch  die 
beiden  einzigen  bedeutendem  Ausgaben  vor  Wakeüeld,  die  von  Creech 
und  von  Havercamp,  forderten  in  dieser  Beziehung    wenig  oder  gar 
nicht.    Creech    lieferte  in    seiner    umschreibende!»    Inhaltsangabe  ein 
trotz  aller  3Iängel  nicht  zu  verachtendes  Hilfsmittel  fiir  die  Erklärung, 
leistete  aber  als  Kritiker  nichts.    Havercamp  batte  die  relativ  reinsten 
Quellen  in  Händen,  verstand  sie  aber  weder  genau  zu  lesen  noch  con- 
sequent  zu  benutzen;  sein  gelehrter  und  scharfsinniger  Freund  Prei- 
ger  lieferte  ihm  zwar  einzelne  schätzenswerthe  Berichtigungen:  der 
Text  im  ganzen  blieb  der  Lambins  mit  all  den  gewagten  Zusätzen  und 
Aenderungen,  welche  das  Gedicht  einer  eleganten  Lecture  zuganglich 
machten.    Was  Wunder,  wenn  das  in  seiner  Conseqiieuz   verkehrte 
aber  energische  Verfahren  Wakelields,  der  ziemlich  alle  Zuthat  Lam- 
bins verwerfend  den  Text  ohne  sonderlich  Bedenken  fast  einzig  und 
allein  nach  seinen  Handschriften  herstellte,  die  von  der  Gestalt  des 
Lucrezischen  Werkes  und  Lambins  mafsloser  Kühnheit  nichts  ahnen- 
den Zeitgenofsen  dergestalt  verblülHe,  dafs   sie  dem  geschmackvol- 
len und  scharfsinnigen  aber   allzuverwegnen  Herausgeber  des  16ten 
Jahrhunderts  plötzlich  entsagten,  um  dem  anscheinend  gewifsenhaften 
und  energischen  Kritiker  ganz  und  gar  sich  hinzugeben,  der  am  Ende 
des  18.  Jh.  mehr,  wie  es  scheint,  aus  Eigensinn  als  nach  wohldurch- 
dachtem Plane   das  Gedicht  im  ganzen  so    darstellte,   wie  der  allzu 
plötzlich  verstorbene  Dichter  es  unvollendet  und  ungefeilt  hinterlafseu 
und  Unwifsenheit  oder  falscher ,    von  unzureichender  Gelehrsamkeit 
schlecht  unterstützter  Eifer  der  Abschreiber  und  Bearbeiter  es  verun- 
staltet hatten. 

Wakefields  Hauptfehler,  dafs  er  die  Hss.  nicht  nach  ihrer  Zuver- 
läfsigkeit  scheiden  und  dem  entsprechend  benutzen  mochte ,  dafs  er 
die  eigenthümliche  Sprach-  und  Darstellungsweise  des  Dichters  nicht 
durch  gründliches  und  ausdauerndes  Studium  sich  zu  eigen  machen 
wollte,  dafs  er  plötzlichen  wunderlichen  Einfällen  und  Anschauungen 


tung  der  obigen  Ausgaben  des  Lucretius  ihren  Le.sern  gegenüber  kaum 
einer  Entschuldigung  zu  bedürfen,  dafs  sie  nach  der  oben  S.  315  H". 
abgedruckten  Recension  derselben  hier  noch  eine  zweite  von  einem 
andern  Mitarbeiter  folgen  läfst. 


646  Lachmann  u.  Bernays:  T.  Lucretiiis  Carus. 

sicli  nur  zu  gern  hingab;  alles  das  blieb  mit  wenigen  Ausnahmen  sei- 
nen Zeitgenolsen  und  nächsten  Nachfolgern  verborgen.  Sein  wirklich 
bedeutendes  aber  ungezügeltes  und  launenhaft  angewendetes  Talent, 
seine  glückliche,  durch  nichts  beirrte  Entschiedenheit,  selbst  seine 
ungerechte  ,  unbesorgt  ausgesprochene  Verachtung  früherer  Leistungen 
blendete  diejenigen,  welche  zunächst  um  Lucrez  sich  benuihten,  der- 
gestalt, dafs  sie  durch  seine  Arbeit  sich  jeder  weitern  Anstren- 
gung zur  Herstellung  des  wahren  Textes  fast  ganz  überhoben  glaub- 
ten. Eichstädt  z.  B.  empfiehlt  seinem  Freunde  ^^'eifse  die  Wakelield- 
sche  Ausgabe  in  folgenden  Worten:  ^  cecidit  ut  —  prelis  tandem 
Brilannicis  exiret  diu  promissa  ^^'akeüeldii  editio,  tot  tantisque  vir- 
tutibus  exsplendescens,   ut  exspectationem  quantumvis   magnam  non 

aequasse  sed  longe  snperasse  lam  existiniaretur. Ac 

vere  mihi  videor  hoc  esse  dicturus,  ante  Wakefieldium  quum  libra- 
riorum  Stupor  et  edilornm  audacia  Lucretium  nobis  paene  eripuisset, 
hiinc  demum  criticum  diiudicalis  revocatisque  optimorum  librorum 
lectionibus  praeclare  elTecisse,  ut  Lucretium  in  Lucrefio  agnoscere- 
nnis.'  Knebel  vor  seiner  Uebersetzung  begrüfst  die  Manen  Wake- 
lields  in  folgender  Weise:  'Auch  du  stelltest  ein  herrliches  Mal  der 
künftigen  Zeit  auf;  nicht  der  einzige  zwar  aber  der  würdigste  doch.' 
In  dem  ersten  Bande  der  Eichstiidtschen  Ausgabe  ist  demnach  der  Wa- 
kelieldsche  Text  fast  ohne  Veränderung  abgedruckt,  und  nach  dem, 
was  man  aus  der  Vorrede  des  Herausgebers  schliefsen  nuifs ,  würden 
auch  die  nicht  erschienenen  Anmerkungen  die  Kritik  um  nichts  geför- 
dert haben.  Forbigers  Ausgabe  basiert  der  Art  auf  der  Wakeüeldschen, 
dafs  wie  bei  Eichstiidt  selbst  grobe  Verstöfse  des  Vorbildes  beibe- 
halten sind  und  die  Anmerkungen  meist  nur  einen  bequemern,  aber 
unzuverläfsigen  Auszug  aus  dem  an  unnützem  Ballast  überreichen 
Commentar  der  englisclien  Ausgabe  enthalten.  Knebels  Uebersetzung 
ward  ebenfalls  durchaus  nach  dem  Wakefieldschen  Text  gearbeitet 
und  ist  ein  recht  schätzenswerthes,  mit  vieler  Liebe  gefertigtes  Werk, 
zeigt  aber  in  keiner  Beziehung  eine  neue  Auffafsung.  Sie  ist  jetzt 
antiquiert. 

Einige  Abweichungen  finden  sich  freilich  bei  Eichstädt  und  For- 
biger  hier  und  da ;  aber  sie  beruhn  nicht  im  mindesten  auf  einer  ab- 
weichenden Grundansicht  über  die  Texfgestallung;  sie  sind  meistens 
nur  die  Zeugnisse  eines  gewissermafsen  bescheidenem  Urtheils  oder 
suchen  gar  noch  handschriftliche  Lesart  zum  Nachtheile  des  Dichters 
auch  da  festzuhalten,  wo  Wakefields  lebendigerer  Geist  mit  vollem 
Beeilt  zu  Conjecturen  aufgefordert  worden  war.  Auch  Orelli,  wel- 
cher in  seinen  Eclogis  poetarum  Lafinorum  mehrere  Stellen  des  Dich- 
ters ziemlich  ausführlich  commentiert  hat,  befserte  nur  im  einzelnen 
und  benutzte  junge  und  alte  Hss.  ziemlich  gleichmäfsig.  Eine  durch- 
greifende Aenderung  des  bisher  verfolgten  Verfahrens  wurde  erst 
nach  dem  Vorgange  Madvigs  versucht,  welcher  in  einer  kleinen  aber 
inhaltreichen  akademischen  Gelegenheitsschrift  von  1832:  "^De  aliquot 
lacunis  codicum  Lucrelii'  (wiederholt  in  den  Opuscc.  acad.  I,  305  sqq.) 


Latliinaiiii  ii.  I5oniuys  :  T.  Liicrcliiis  Cariis.  647 

klar  und  onlschcidend  darauf  Iiinwics,  wie  alle  bisher  I)ekaiinleu  Hss. 
unseres  Dichters  nur  aus  einer  schon  ar«-  verderl)leu  Quelle  herrühr- 
ten. Durch  ihn  ward  lerner  zujileich  nacli>,''e\\  lesen,  wie  uni>leich  an 
Werth  unsere  llss.  seien  und  wie  nuineiillich  nur  weiiiij'e  jenen  relaliv 
ältesten  Text  ohne  ahsichlliche  Aendcning  w  iederi>el)en.  llierdurcii 
erschien  das  \\'akelieldsche  Verlahren  in  seiner  ganzen  Schwäehe  und 
llnzuverlälsigkeil.  ^^'akeiield  halte  trotz  mancher  liedensarlen  von 
dem  respeetabelu  Alter  dieses  oder  jenes  Ferüaments  alle  ihm  zu  Ge- 
bote stehenden  Hss.  ganz  gleichmärsig  eklektisch  benutzt;  nun  aber 
wurde  es  klar,  wie  alle  die  Codices,  welche  er  selbst  zuerst  vergli- 
chen hatte,  und  welche  ihm  ajs  die  Fundgrube  der  rarsten  und  bemer- 
kenswertheslen  Lesarten  erschienen  waren,  wie  ferner  der  ßodleianus, 
dessen  Lesarten  schon  Ilavercanip  mitgelheilt  halte,  wie  die  Hss., 
welciie  den  alten  Ausgaben  zu  Grunde  lagen,  alle  nichts  meiir  und 
nichts  v\'eniger  waren  als  späte  Sprofsen  jenes  allen  Slammcodex, 
dem  andere  ältere  llss.  an  Alter  und  ^^  crth  viel  näher  standen  und 
von  dem  die  Jüngern  sich  so  weit  entferntfti,  wie  es  interpolierte  Hss. 
zu  Ihun  pflegen,  welche  den  gevvaltthätig  recensierenden  Italienern  des 
15.  Jh.  in  die  Hände  gefallen  sind.  Auch  ürellis  Hss.  zeigten  sich  als 
ebenso  werthlos. 

Die  kritische  Taktik  war  so  ausnehmend  vereinfacht;  man  konnto 
nach  Madvigs  Vorgange  sich  an  zwei  oder  drei  der  bekannten  Hss. 
ballen  und  die  andern  alle  unbeachtet  liegen  lafsen,  ohne  den  Vor- 
wurf einer  leichtsinnigen  Bequemlichkeit  sich  zuziehn  zu  dürfen.  Mad- 
vig  that  aber  auch  noch  mehr.  Er  bezeichnete  im  Laufe  der  Untersu- 
chung den  Charakter  des  Urcodex  genauer.  Er  erwies  durch  Beispiele, 
wie  neben  gewöhnlichen  Verderbnissen  namentlich  bedeutende  Lücken 
demselben  eigenthnmlicb  waren,  und  machte  somit  jeden,  der  sich 
künftig  mit  Lucrez  beschäftigte,  auf  einen  der  allerwichtigsten  Funkle 
aufmerksam,  welcher  von  den  Italienern  und  von  Lamiiin  zw  ar  bemerkt, 
aber  zumeist  übel  behandelt,  von  AA'akelield  und  seinen  Nachfolgern 
durchaus  nicht  hervorgehoben  worden  war.  Madvigs  Arbeit  wurde, 
soweit  mir  bekannt  ist,  ausführlich  zuerst  von  Siebeiis  in  der  Zeit- 
schrift für  AW.  1844  Nr.  99  ff.  besprochen.  Dieser  stimmte  zunächst, 
wie  natürlich,  in  der  Haniptsache  mit  Madvig  vollkommen  überein,  hob 
aber  noch  hervor,  dafs  aufser  den  von  M.  als  die  relativ  besten  an- 
erkannten Hss.  in  einem  zu  Wien  befindlichen,  von  Alfer  vergliche- 
nen Fragmente  eine  Quelle  wenigstens  desselben  Werthes  enthalten 
sei.  Da  er  nach  den  unzureichenden  Miltheilungen  des  ^^  iener  Her- 
ausgebers nur  eine  allgemeine  Kenntnis  der  Eigenthümlichkeilen  jener 
Hs  haben  konnte,  so  stellte  er  sie  in  derselben  Weise  etwas  zu  hoch, 
wie  es  früher  Madvig  mit  dem  Gottorper  Fragment  gethan  hatte:  beide 
nemlich  haben  diese  stückweise  erhaltenen  Quellen  über  die  in  den 
beiden  Leidnern  erhaltene  vollständige  einigermafsen  erheben  wollen. 
Beide  Leidner  aber,  welche  Haverkamp  mit  Y  und  Z,  Wakelield  mit 
L  und  M  bezeichnete,  erschienen  dem  dänischen  wie  dem  deutschen 
Kritiker  in  der  Art  ungleich  an  Werth.  dafs  sie  die  Folio-Hs.  (Y  bei 


648  Lachmann  u.  Bernays:  T.  Lucretius  Carus. 

Havercamp,  L  bei  Wakefield)  tiefer  stellten  als  die  Quart-Hs.  (Z  oder 
BI),  ohne  indes  einen  bestimmten  Unterschied  zwischen  beiden  durcli 
bezeichnende  Beispiele  darzuthun.  Siebeiis  stellte  sog-ar  dieFolio-Ils, 
dem  Bodleianus  gleich,  was  sich  einfach  dadurch  widerlegen  liels, 
dafs  der  Bodleianus  zu  den  entschieden  interpolierten  Quellen  des  15. 
Jh.  gehörte,  im  ersten  Leidner  aber  von  Siebeiis  keine  absichtliche 
Interpolation  nachgewiesen  worden  war. 

Die  kritischen  Grundlagen  halten  also  nach  den  Arbeiten  dieser 
beiden  Miinner  folgenden  Bang.  Oben  an  standen  l)  das  Gottorper 
Fragment ,  welches  das  erste  Buch  und  vom  zweiten  die  ersten  456 
Verse  enthielt;  2)  das  Wiener  Bruchstück,  welches  aufser  kleinern 
Besten  das  zweite  Buch  von  Vs.  641  an,  das  dritte  bis  Vs.  621  und 
das  sechste  von  Vs.  740  an  enthielt.  Nur  ein  geringer  nicht  besonders 
charakterisierter  Unterschied  war  zwischen  den  Bruchstücken  und  der 
Leidner  Quart-Hs.,  so  dafs  diese  als  die  einzige  (wie  es  schien)  voll- 
ständige Quelle  für  die  eigentliche  Grundlage  der  Kritik  im  ganzen 
anzusehn  war.  Die  erste  Leidner  (die  Folio-Hs.),  die  an  Vollständig- 
keit der  zweiten  wenigstens  nicht  nachstand,  trat  namentlich  bei 
Siebeiis  hinter  der  andern  zurück  und  schien  nur  zur  Vergleichung 
lind  aushilfsweise  benutzt  werden  zu  können.  Eine  intensive  Verschie- 
denheit war  indes  auch  in  ihr  nicht  nachgewiesen.  Die  interpolierten 
llss.  des  15.  Jh. ,  welche  sich  eben  nur  durch  Interpolationen  und  an- 
dere Verderbnisse  von  den  altern  Quellen  unterschieden,  waren  nun- 
mehr werthlos  geworden. 

Um  ein  bedeutendes  erweiterte  und  berichtigte  sich  die  Kenntnis 
unserer  Hss.  durch  eine  Arbeit  von  Hrn.  Jacob  Bernays:  ^De  emenda- 
tione  Lucretii'  im  Rhein.  Mus.  N.  F.  V,  533  ff.  Schon  der  Verf.  dieser 
Anzeige  hatte  in  seiner  Doctordissertation  aus  den  Lambinschen  Hss. 
der  Zahl  der  unverfälschten  Quellen  noch  den  Bertinianus  und  Mem- 
mianus  zugewiesen;  Bernays  setzte  es  aufser  allen  Zweifel,  dafs  der 
Bertinianus  Lambins  nichts  anderes  sei  als  die  Leidner  Quart-Hs.  selbst. 
Gestützt  auf  eine  eigne  sorgfältig  durchgeführte  Vergleichuug  der 
Leidner  Hss.  war  B.  auch  der  erste,  welcher  es  unternahm,  das  Ver- 
hältnis der  beiden  Leidner  Hss.  zueinander  gejau  zu  bestimmen.  Durch 
ihn  wurde  zuerst  klar,  dafs  unter  alten  Hss.  zwei  Hauptfamilien  zu 
unterscheiden  wären,  welche  beide  aus  dem  einen  alten  Stammcodex 
abgeleitet  waren  und  dadurch  sich  charakterisierten,  dafs  die  unmit- 
telbar nach  jenem  Archetypus  gefertigte  Quellschrift  der  einen  älter 
war  als  die  andere  und  zu  einer  Zeit  unternommen,  wo  der  defecte 
und  verbleichende  Stammcodex  an  manchen  Stellen  noch  lesbarer  und 
vollständiger  war.  Ganz  im  Gegensatz  zu  den  bisherigen  Resultaten 
erschien  aber  als  Bepraesentant  der  beziehungsweise  altern  und  voll- 
ständigem Abschriften  die  Leidner  Folio-Hs.,  und  zu  ihnen  halte,  wie 
B.  zeigte,  auch  der  Codex  gehört,  aus  welchem  die  interpolierten 
Hss.  der  Italiener  alle  abzuleiten  sind.  Hauptrepraesentanten  der  Jün- 
gern Abschriften  waren  die  Leidner  Quart-Hs.  und  neben  ihr  die  bei- 


Lachmann  ii.  Bernays:  T.  Lucretius  Carus.  649 

den  Fragmente,  das  Wiener  und  das  Gotforper.  Die  Gründe  l'iir  diese 
neue  Entdeckung  gaben  Lücken  in  der  Quarl-Hs.  und  den  Fragmenten, 
welche  in  der  Folio-Hs.  nicht  zu  (luden  waren.  So  liefs  namentlich 
im  Verlauf  des  Textes  der  Quartcodcx  folgendes  aus:  I,  IM — 8ö; 
11,253—304;  11,757 — 806;  V,  928  —  79.  Hinten  am  Schlufsc  linden 
sich  in  ihm  wie  in  dem  Wiener  Fragmente  die  Stücke  in  dieser  Ord- 
nung: II,  757  H".;  V,  928  11".;  1,  734  11".;  11,  253  ir.  üa  nun,  nach  den 
uns  erhaltenen  Ilss.  dieser  Familie  zu  schlielsen,  kein  Zeichen  in  ih- 
rem Archetypus  vorhanden  gewesen  ist,  wodurch  ein  Abschreiher 
auf  die  richtige  Einreihung  des  ausgelafsenen  geführt  werden  konnte, 
ein  durch  kein  äulseres  Hilfsmittel  dieser  Art  unterstütztes  Einfügen 
am  richtigen  Orte  aber  weit  über  seinen  Kräften  erscheint,  so  mustc 
die  Folio-Hs.  entweder  selbst  aus  dem  Archetypus  abgeschrieben  sein 
zu  einer  Zeit,  da  die  Versetzung  noch  nicht  stattgefunden  hatte,  oder 
wenigstens  auf  einen  Codex  zurückzuführen  sein,  welcher  unter  jenen 
Bedingungen  geschrieben  worden  war.  Fast  noch  klarer  wurde  diese 
Nothwendigkeit  bei  einer  andern  Stelle  des  ersten  Buches.  I,  1068 — 
75  fehlt  in  der  Quart-IIs.  und  dem  Gottorper  Fragmente ,  während  die 
Folio-Hs.  von  jedem  Verse  ungefähr  die  Hälfte  enthält;  z.  B. 

sed  vanus  stolidis  haec 

amplexi  quod  habent 

u.  s.  \f. 
Es  schien  natürlich,  dafs  derjenige,  welcher  den  Sfammcodex 
der  Jüngern  Familie  aus  der  allgemeinen  Hauptquelle  abschrieb,  auch 
den  Anfang  der  Verse,  der  früher  noch  lesbar  gewesen  war,  so  ver- 
löscht fand,  dafs  er  die  Verse  lieber  ganz  ausliefs  und  jenes  Zeichen 
beifügte,  Avelches  von  Bernays  und  Lachmann  als  von  derselben  Hand 
herrührend  im  Quartcodex  an  dieser  Stelle  gefunden  wurde.  fVIII 
sollte  doch  wohl  eben  sicherlich  nichts  anderes  bedeuten,  als  dafs 
der  Schreiber  wohl  Raum  und  Zahl  der  Verszeilen  im  allgemeinen 
genau  erkennen,  das  einzelne  aber  nicht  mehr  lesen  konnte.  Auch 
im  Gottorper  Fragment  steht  an  dieser  Stelle  VIII.  Ein  eben  solches 
Zeichen  findet  sich  in  der  Quart-Hs.  auch  nach  Vs.  1093,  nach  wel- 
chem Verse  auch  im  Foliocodex  ein  leerer  Raum  von  8  Zeilen  ge- 
lal'sen  ist. 

Nach  diesen  Zeichen  nun  und  nach  einigen  andern  derselben  Art 
bestimmte  schliefslich  Bernays  (1.  1.  p.  572)  den  Unterschied  zwischen 
beiden  Leidnern  Hss.  auf  folgende  Weise:  '^Praestat  igilur  Lugdunensi 
2  (quadVato)  Lugdunensis  1  (oblongus)  eo  quod  ex  pleniore  exemplo 
est  descriptus.  Praestat  etiam  eo  quod  cum  universus  liber  tum  \to- 
tissimum  inde  a  v.  78  lib.  VI,  quam  partem  ante  alteram  scriptam  esse 
p.  552  ostendimus,  vulgaribus  scribendi  mendis  longe  minus  est  con- 
laminatus  quam  Lugdunensis  2.  Aliquante  autem  inferior  Lugdunensi 
2  evasit  Lugdunensis  1  hoc  casu ,  quod  saepe  primae  manus  scriptura, 
quae  in  Lugdunensi  2  remansit  integra ,  prorsus  erasa  est  in  Lugdu- 
nensi 1.'  Hiermit  ist  zu  verbinden  was  sich  p.  585  findet:  'Fundamen- 
tura  crilicae  Lucrelianae  quam  sint  duo  Codices  Lugdunenses,  in  illo- 


650  Lachmann  u.  Bernays ;  T.  Lucrctiiis  Carus. 

nun  discrepantiis  iis ,  quae  a  plcniore  muülioreve  archetypi  exemplo 
possunt  repeti,  sequendus  est  solus  Lugdiinensis  1.' 

Durch  Bemays"*  Arbeit  war  somit  ein  entschiedener  Fortschritt 
gegen  die  seit  Madvig  feststehenden  Kesultale  gemacht.  Man  unter- 
schied nicht  mehr  blofs  allgemein  zwischen  altern  und  Jüngern,  zwi- 
schen nicht  interpolierten  und  interpolierten  Hss.,  man  hatte  ein  festes, 
bestimmtes  Zeichen,  nach  welchem  alle  Hss.  zunächst  in  zwei  grofse 
Galtungen  zerfielen,  deren  Unterschied  sich  schon  von  früh  her  da- 
tierte; man  hatte  eine  vollständigere  und  eine  lückenhaftere  Haupt- 
gattung. Eine  Hs. ,  welche  man  ohne  rechten  Grund  sich  gewöhnt 
hatte  zurückzusetzen ,  bekam  ihr  Recht  und  trug  in  einer  Beziehung 
wenigstens  entschieden  den  Preis  über  die  bis  dahin  obenangestellten 
Bücher  davon.  Auch  das  Verhältnis  der  interpolierten  Hss.  zu  den 
nicht  interpolierten  stellte  sich  fester,  insofern  sie  als  spätere  Spros- 
sen der  vollständigem  Hauptgattung  erschienen.  Die  Beschreibung 
des  gemeinschaftlichen  Archetypus  beider  Galtungen  gewann  dagegen 
nicht  weiter  an  Bestimmtheit,  wenn  auch  B.  einige  Lücken  mehr  auf- 
deckte, als  bis  dahin  bekannt  gewesen  waren;  ja  es  blieb  sogar  noch 
ein  gewisses  Schwanken  in  der  Charakteristik  und  Vergleichung  der 
beiden  noch  vorhandenen  und  genauer  verglichenen  Hauptquellen. 
Die  Folio-Hs.  war  die  vollständigere;  ob  sie  aber  auch  überall  den 
Vorrang  verdiene,  darüber  halte  sich  B.  nicht  bestimmt  genug  ausge- 
sprochen, welcher  die  Quart-Hs.  ins  9.  Jh.,  eben  dahin  auch  den  letz- 
ten Theil  der  Folio-Hs  und  deren  ersten  und  gröfsern  Theil  in  den 
Anfang  des  10.  Jh.  verwies.  Auch  nach  seinen  Uesullaten  konnte  man 
immer  noch  zweifeln,  ob  nicht  die  Folio-Hs.  zwar  einem  Codex  ent- 
stamme, welcher  dem  Archetypus  entnommen  wurde,  als  dieser  noch 
vollständiger  war;  ob  er  nicht  auch  reiner  von  gewöhnlichen  Fehlern 
mangelhaft  gebildeter  Schreiber  und  trotzdem  unzuverläfsiger  sei  als 
die  Quart-Hs.,  welche  vielleicht  ein  a>  eniger  gelehrter  aber  gewifsen- 
haflerer,  jeder  überdachten  Veränderung  abholder  Mann  geschrieben 
halte,  und  die  vielleiciit  dem  Archetypus  zeitlich  und  in  Bezug  auf  die 
Zwischenglieder  näher  stehe  als  die  Folio-Hs. 

Bestimmter  war  die  Kenntnis  der  Hss.  durch  Bernays  geworden; 
bestimmt  wurde  sie  erst  durch  Lachmann,  der  mit  wunderbar  energi- 
scher Umsicht  und  durch  einen  fast  zauberhaften  Scharfsinn  überall 
Licht  verbreitete  auch  da,  wo  man  früher  selbst  nicht  einmal  geahnt 
hatte,  im  dicksten  Schatten  zu  wandeln.  Nach  seiner  grofsartigen 
Arbeit  dürfen  wir  uns  nicht  mehr  begnügen ,  den  Archetypus  itls  einen 
lückenhaften,  von  der  Zeit  hart  mitgenommenen  Codex  allgemein  hin 
zu  bezeichnen;  diese  seit  einem  Jahrlausend  vielleicht  verlorene  Hs. 
kennen  wir,  den  äufsern  Umrifsen  wenigstens  nach,  jetzt  so  genau, 
als  ob  wir  sie  vor  Augen  hätten.  Wir  wifsen  die  Zahl  und  Gröfse  ih- 
rer Blätter,  ob  und  an  welcher  Stelle  einmal  eine  Seite  unbeschrie- 
ben gelafsen  wurde  und  wo  und  wie  die  eine  stark  beschädigt  war; 
wir  kennen  die  Zahl  der  Zeilen  auf  jeder  Seite,  die  Galtung  der 
Schriftzeichen  u.   s.  w.     Lachmann    sagt  vom  Archetypus:  'er  hatte 


Lacliiiianii  u.  Dcrnays:  T.  Lucrcliiis  Cariis.  6')! 

302  Seilen,  Unljesi'lirieben  waren  die  erste  und  leJzle  Seile,  eine 
Seile  j^egen  Ende  des  ersten  Biulies  und  eine  unniillelbar  naeli  dem 
Sciilufs  des  vierten  B.  Aul' jeder  Seile  waren  26  Zeilen;  nur  die  lelzle 
Seile  jedes  Buchs  iialte  weniger.  Die  Buelislahen  waren  Majuskeln, 
doch  keine  Uncialen.  Die  \N  orte  waren  nicht  getrennt,  wohl  aber 
sehr  genau  die  einzelnen  Sülze  inniillen  der  Verse.  Die  Hs.  war  etwa 
im  vierten  oder  fünften  Jh.  nach  Chr.  geschrieben,  den  Vcrgil-ilss. 
der  Art  sehr  ähnlich.' 

Das  sind  natürlich  keine  Hariolationen,  schon  weil  es  Lachmanns 
Worte  sind.  Um  aber  einigerniafsen  zu  zeigen,  auf  wie  sichern  und 
unifafsenden  Berechnungen  zugleich  das  ganze  beruht,  will  ich  aus 
dem,  was  L.  an  einzelnen  Stellen  des  Conimenlars  miltheill,  das  noth- 
wendigsle  zusammenslellen.  —  Wie  wir  schon  wifsen,  ündcn  sich 
am  Ende  der  Quarl-Ils.  und  des  Wiener  Fragments  vier  ziemlich 
gleich  grofse  Partien  des  Gedichts  aus  verschiedenen  Büchern  am 
Schlufs  des  ganzen  angellickt.  Bernays  benutzte  diesen  Umstand  ganz 
richtig  zur  Charakterisierung  der  beiden  Haupifamilien,  in  welche 
unsere  Hss,  sich  verlheilen.  Die  Versetzung  dieser  Partien  konnte 
man  sich  am  besten  erklären,  wenn  man  annahm,  jede  derselben  habe 
gerade  ein  Blatt  des  Archetypus  gefüllt,  und  da  diese  4  Blätter  sich 
allmählich  aus  ihren  Verbindungen  lösten,  seien  spätere  Abschreiber 
veranlafst  worden,  das  auf  ihnen  enthaltene,  da  sie  es  am  gehörigen 
Orte  nicht  unterzubringen  verstanden,  am  Ende  des  ganzen  anzuflicken. 
Rechnet  man  die  alten  Titel,  welche  den  einzelnen  Abschnitten  in  den 
Hss.  vorgesetzt  sind,  wie  nothwendig,  mit  zur  Zahl  der  Verse,  so  ha- 
ben wir  in  jedem  der  versetzten  Theile  52  Verszeilen,  d.  h.  jedes 
Blatt  des  Archetypus  hatte  52,  jede  Seite  26  Zeilen.  Da  die  erste 
Seite  der  Hs.,  wie  billig,  leer  blieb  und  höchstens  den  Titel  des  Wer- 
kes enthielt,  bis  zu  der  ersten  der  versetzten  Stellen  (I,  734 — 85) 
aber  733  Verse  sind,  welche  nebst  den  dazu  gehörigen  21  Titeln  ge- 
rade 29  Seiten  füllten,  so  trifft  zunächst  die  Berechnung  aufs  schön- 
ste, indem  mit  Vs.  734  ein  neues  Blalt,  nemlich  das  16te  der  ganzen 
Hs.,  anfieng  und  mit  Vs.  785  schlofs.  Bedenklicii  ist,  dafs  bis  zur  2ten 
Versetzung  (II,  253 — 304),  die  doch  wieder  auf  einem  Blatte  enthal- 
ten sein  muste,  von  I,  786  an  gerechnet,  nach  Hinzuzählung  der  ein- 
zelnen Titel  und  der  Unterschrift  des  ersten  Buches,  nur  eine  ungerade 
Zahl  von  Seiten  herauskommt,  nemlich  39,  und  von  diesen  39  Seiten 
eine,  aber  nicht  die  letzte,  nur  25  Zeilen  enthalten  konnte.  Lachmann 
nahm  demnach  an,  es  sei  eine  Seite  leer  geblieben;  und  dafs  dem  so 
ist,  nicht  aber  dafs  die  Zeilen  anders  vertheilt  gewesen  sind  als  je  26 
auf  eine  Seite,  das  erweist  ein  ganz  besonderer  Unfall,  welcher  den 
Archetypus  betrolfen  hat.  Vs.  1068 — 75  incl.  sind,  wie  ich  schon  mit- 
gelheilt  habe,  in  der  Folio-Hs.  am  Ende  verstümmelt  und  fehlen  in 
der  Quart-Hs.  ganz;  1094 — '1101  incl.  fehlen  auch  in  der  Folio-Hs. ; 
doch  ist,  wo  sie  hätten  stehn  sollen,  für  8  Zeilen  Raum  gelafsen. 
Denkt  man  sich  mit  1068  ein  neues  Blatt  beginnend,  so  fieng  die  Kehr- 
seite desselben  gerade  mit  1094  an.    Wenn  nun  die  obere  rechte  Ecke 


652  Laclimaim  u.  Bernays :  T.  Lucrelius  Cariis. 

des  Blattes  abgerifsen  wurde,  so  verloren  Vs.  1068  IT.  das  Ende, 
1094  ir.  den  Anfang,  und  der  Abschreiber,  welcher  die  zu  Ende  ver- 
stümmelten Verse  getreulich  abschrieb,  sowie  er  sie  fand,  trug  Be- 
denken, die  zu  Anfange  verstümnielten  ebenfalls  so  wiederzugeben, 
liefs  aber  den  Raum  leer,  den  sie  hätten  einneiimen  müfsen.  So  ha- 
ben wir  ziemlich  in  der  Mitte  zwischen  I,  785  und  11,  253  wieder  ein 
Blatt  mit  genau  52  Zeilen  und  von  ihm  ab  bis  zum  2ten  losen  Blatte 
zählen  alle  Seiten  genau  26  Zeilen;  es  ist  somit  dem  Leser  nicht  zu 
viel  zugemulhet,  wenn  er  unbedenklich  mit  L.  annehmen  soll,  dafs 
von  den  12  Seiten  zwischen  1 ,  785  und  1068  im  Archetypus  eine 
leer  geblieben  ist.  Aus  welchem  Grunde,  das  wifsen  wir  freilich 
nicht.  Vor  1068  mufs  auch  eine  Seite  nur  25  Zeilen  enthalten  haben; 
denn  von  785 — 1067  incl.  kommen  mit  Hinzureclinung  der  drei  Titel 
nur  10  beschriebene  Seiten  zu  26  und  eine  zu  25  Zeilen  heraus;  dieser 
Zwischenraum  einer  Zeile  ist  aber  vor  Vs.  921  sehr  natürlich,  weil 
mit  diesem  Verse  mitten  im  Buche  ein  ganz  neues  Exordium  beginnt. 
—  Von  II,  253  sind  bis  zu  Vs.  757  desselben  Buches  504  Verse;  rech- 
net man  die  sechzehn  Titel  hinzu,  so  ergeben  sich  520  Zeilen  oder 
20  Seiten,  und  Vs.  757  begann  somit  ein  neues  Blatt;  da  dies  aber 
ausfiel  und  ans  Ende  gerielh,  so  kamen  Vs.  757 — 806  incl.  ans  Ende 
der  Quart-IIs.,  denn  diese  50  Verse  und  die  zwei  dazu  gehörigen  Titel 
füllten  gerade  wieder  ein  Blatt.  So  ist  auch  das  dritte  der  ausgefalle- 
nen Blätter  nach  allen  Beziehungen  hin  wieder  ein  neuer  Beweis  für 
l/achmanns  untrügliche  Berechnung  und  es  bedarf  keiner  weitern  Aus- 
führung mehr,  um  jeden  zu  überzeugen,  wie  richtig  L.  mit  den  ange- 
gebenen Ausnahmen  jeder  Seile  genau  26  Zeilen  zugewiesen  hat.  Ge- 
stützt auf  diese  Erkenntnis  konnte  L.  bei  seiner  aufserordentlichen 
Sorgfalt  und  Genauigkeit  auch  den  Umfang  einiger  Lücken  bis  aufs 
Haar  bestimmen,  in  einer  Art,  wie  es  vor  seiner  Entdeckung  unmög- 
lich war.  —  Im  vierten  Buche  sind  nemlich  Vs.  299 — 322  incl.  in  al- 
len unsern  Hss.  am  falschen  Platze;  sie  gehören  an  die  Stelle, 
die  in  den  Hss.  von  Vs.  323  —  47  incl.  eingenommen  wird.  Da 
mit  Hinzurechnung  der  Titel  jede  dieser  Partien  26  Zeilen  zählt,  so 
ist  es  natürlich,  dafs  beide  zusammen  ein  Blatt  füllten  und  die  falsche 
Lage  dieses  Blattes  die  Umstellung  der  Verse  möglich  machte.  Es 
fieng  also  mit  Vs.  299  (323)  ein  neues  Blatt  an.  Da  aber  mit  Buch  Hl 
ein  Blatt  schlols,  die  erste  Seite  des  nächstfolgenden  Blattes  von  dem 
Titelregister  des  4ten  Buches  eingenommen  wurde  und  die  298  Verse 
vor  der  Umstellung  mit  den  Titeln  gerade  6  Blätter  füllten,  so  wür- 
den wir  wieder  durch  eine  leere  Seite  in  Verlegenheit  gesetzt  wer- 
den, wenn  wir  nicht  wüsten,  dafs  nach  Vs.  126  eine  Lücke  ist. 
Schon  Havercamp  hatte  hier  etwas  vermifst,  doch,  irthümlich  genug, 
nur  einen  Vers,  während  die  Lücke  manchem  andern  grofs  genug  schei- 
nen könnte,  um  sich,  Avie  am  bequemsten,  ein  ganzes  Blatt  ausgefal- 
len zu  denken.  Dem  ist  aber  nicht  so.  Eine  gerade  Zahl  von  Seiten 
konnten  die  verlorenen  Verse  nicht  ausfüllen;  dies  würde  ja  mit  dem 
aus  der  Umstellung  gezogenen  UesuUate  nicht  stimmen.     Es  waren 


Laciimann  n.  Bernays:  T.  Lucreliiis  Carus.  G53 

entweder  drei  Seiten  oder  eine.  Drei  Seilen  wären  aber  doch  zu  viel, 
da  Lucrez  sich  iiurz  fafsen  wollte  (vgl.  Vs.  115  percipe  pavcis);  es 
kann  daher  nur  eine  Seile  gewesen  sein,  d.  h.  es  fehlen  25  Verse  und 
der  Titel;  esse  item  maiora^  welcher  im  Hegistcr  der  Titel  am  gehö- 
rigen Orte  7A\  linden  ist,  im  Texte  seihst  aber  nicht  vorkommt.  So 
viel  also  steht  fest.  Ob  freilich  die  von  l'robus  aufbewahrten  und  von 
Scrvius,  der  sie  jedoch  unter  dem  Namen  des  Knuius  mittlieilt,  ergänz- 
ten Worte:  qui  fulmine  vlaro  Omnia  per  sonilus  arcet^  terram^  mare, 
caelum  wirklich  hier  ihren  Platz  gehabt  haben,  wie  L.  annimmt,  das 
scheint  mir  sehr  problematisch.  —  Ein  ganzes  Blatt  liel  nach  VI,  839 
aus,  denn  mit  840  muste,  wie  die  Berechnung  ergibt,  im  Archetypus 
ein  neues  Blatt  beginnen,  und  die  Lücke  ist  grofs  genug,  um  52  Verse 
darin  enthalten  zu  denken.  Auch  hier  hat  L.  einige  in  unserm  Texte 
nicht  mehr  aufzuhndende  \>'orte  und  Verse  untergebracht,  welche  von 
Grammatikern  unter  dem  Namen  des  Lucrez  citiert  werden.  Dals  in 
solchen  Sachen  sich  nichts  beweisen  und  vieles  sich  vergeblich  rathen 
läfst,  hat  natürlich  L.  ebenso  gut  gewust  wie  nur  irgend  jemand. 
Die  längere  der  von  L.  hier  also  gebrauchten  Stellen  will  mir  am  Ave- 
nigsten  passen,  und  inwieweit  sich  gegen  den  Lucrezischen  Ursprung 
der  Stelle  überhaupt  argumentieren  läfst,  habe  ich  früher  einmal  an 
gedeutet,  Philologus  111,  66  IT. 

Mit  meinem  Urtheile  über  die  Richtigkeit  der  weitern  Mittheilun- 
gen Lachmanns  aus  diesem  Thcile  seiner  Arbeit  will  ich  den  Leser 
nicht  aufhalten.  Die  Sicherheit  der  Hauptresultate  ebenso  wie  die 
aufserordentliche  Sorgfalt  und  Genauigkeit  L.s  erhellt  aus  dem  ange- 
gebenen mehr  als  hinlänglich.  —  Die  andern  Angaben  L.s  über  die 
Beschaffenheit  und  das  Alter  des  Archetypus  konnte  er  ohne  so  grofse 
Mühe  aus  den  verschiedenen  Fehlern  und  Versehn  entnehmen,  welche 
in  unsern  Hss.  auf  jeder  Seite  zu  finden  sind.  Hierüber  brauche  ich 
nichts  auseinanderzusetzen.  Es  ist  vielmehr  nun  an  der  Zeit  anzu- 
geben, in  wie  weit  sich  unser  Urtheil  über  die  erhaltenen  Grundlagen 
des  Textes  durch  Lachmanns  Arbeit  berichtigt  hat.  Hierbei  ist  unbe- 
dingt das  wichtigste,  dafs  L.  die  Folio-Hs.  als  Ha  up  tgrund  1  age 
des  Textes  ohne  weiteres  ansieht  und  die  Quart-Hs.  nur  aushilfsweise 
gebraucht  wifsen  will.  Bernays,  wenn  ich  ihn  anders  in  der  Vorrede 
zu  seiner  Ausgabe  richtig  verstehe,  stimmt  damit  nicht  ganz  überein. 
Ich  halte  L.s  Ansicht  für  die  unbedingt  richtige.  Nehmen  wir  z.  B. 
einmal  die  Stelle  selbst,  bei  welcher  B.  mir  sein  abweichendes  Ur- 
theil zu  äufsern  scheint:  VI,  562.  63.  Hierzu  spricht  sich  B.  praef. 
p.  111  folgendermafsen  aus:  41i  versus  sie  scribuntur  in  Quadrato 
codice: 

562  Ad  caelumq.  magif  quauTo  funT  ediTaqueq. 

563  Inclinaxa  minenr  in  eadem  ,pdiT  parie  aqueq. 

quicum  consentit  Oblongus  codex  nisi  quod  versiculi  562  clausulam 
sie  scriptam  exhibet:  aedtxa  queq.  versiculi  autem  563  clausulam  sie: 
prodn  partem.  a.  a.  q.  q.  cum  rasuris  infra  puncla,  quae  post  utrumque 
<j  cernuntur.    lam  sie  duobus  Ulis  versibus  sub  uno  conspectu  positis. 


6.'')4  Lachmann  u.  Bernays :  T.  Lucretius  Carus. 

quivis ,  piito,  semel  admonitus  concedet,  Quadrat!  o^we^.  in  versu  563 
nil  esse  nisi  pravam  iterationem  eariim  litterarum,  quae  priorem  ver- 
snm  562  claudunt:  eAnaqueq.  Neque  aliorsum  spectant  a.  o.  q;q; 
Oblong!  codicis.  Alleruin  enim  ä  inde  pervenit  in  hunc  codicem,  qiiod 
qui  eum  exaravit  in  exemplari  suo  ä  litteram  supra  prodit  scriptam 
repperit,  ubi  re  Vera  etianinunc  a  correctore  ascripta  exstat  in  Qiia- 
drato,  ut,  qiiod  sentenfia  postulat,  efüciatur  prodita.  Id  vero  quid 
sibi  vellet  cum  non  intelligeret  librarius  Oblong!,  reiecit  ä  illud  ad 
rcliquas  singulares  litteras  in  finem  versiculi.  Haue  igitur  originem 
liuius  re!  cum  Lachmannus  non  perspiceret,  atque  secundum  niorem 
suum  inferiores  partes  Quadrato  tribuens  a  portentosiore  Oblong! 
scriptura  proiicisceretur,  in  ipso  autem  Oblongo  non  prodita  exstare 
sed  prodit  parum  memorabile  existimaret:  eo  pervenit  ut  haec  anno- 
taret  ad  versum  563:  'INCLINATA  MINEM  IN  EADEM  PRODITA 
PARTEM.  A.  A.  Q.   Q.    Quadralus  prodit  partem  aqueq. ,  ut  appareat 

librarium  illa  a.  a.  q.  q.  non  intellexisse neque  ego  quid  per 

ea  significetur  exputare  possum neque  vero,  siquis  hie  notae 

alicuius  Probianae  vestigium  remansisse  suspicetur,  ad  versum  ipsuni 
emendandum  miiii  quicquam  proiicere  videbitur.'  Unde  qui  virum  pau- 
cissimorum  verborum  cognoverint  haud  immerito  concludent,  ne  ipsuni 
quidem  a  Probiana  nota  ibi  suspicanda  alienum  fuisse,  ubi  potius 
prava  iteratio  agnoscenda  erat  iam  in  archetypo  nostrorum  codicum 
admissa.'  —  Soweit  Bernays.  Zunächst  ist  anzuerkennen,  dafs  derselbe 
den  Ursprung  der  Corruptel  ganz  richtig  angegeben  hat.  Schon  im 
Archetypus  ist  diese  Stelle  in  einer  Weise  verdorben  gewesen,  wie 
manche  andere  auch;  denn  auch  der  Archetypus  hatte  schon  Verderb- 
nisse und  Lücken  ziemlich  alten  Ursprungs.  Finden  sich  doch  z.  B. 
schon  bei  Macrobius  V,  440 — 45  in  derselben  verkehrten  Ordnung 
wie  in  unsern  Hss.  In  dem  von  L.  beschriebenen  Archetypus  oder  gar 
schon  in  der  Hs.,  aus  der  er  abgeschrieben  ist,  war  aber  auch /jrodif 
und  x\'ic\\i  prodita  geschrieben;  das  fehlende  ß  war  vom  ersten  Schrei- 
ber selbst  oder  von  einem  spätem  Leser  dazu  bemerkt  und  ist  von 
dem  Schreiber  des  Oblongus  oder ,  und  das  möchte  ich  noch  lieber 
glauben,  schon  von  dem  Schreiber  des  Archetypus  selbst  in  derselben 
verkehrten  ^>'eise  an  der  unrechten  Stelle  nachgeholt  wie  ein  ver- 
gefsenes  st  z.  B.  in  V,  227 :  in  vita  re  et  transiresl  malorum,  wo  es 
heifsen  soll:  in  vita  restet  transire  malorum.  Der  Schreiber  der 
Quart-IIs.  hat  mit  geringerer  Treue  copiert:  in  vita  re  et  transire 
est.  Dafs  der  eine  Corrector  der  Quart-Hs.  unmittelbar  in  prodit 
das  ausgelafsene  a  bemerkt,  hebt  die  Autorität  der  IIs.  nicht;  denn 
diese  Correctoren  gehörten  dem  15.  Jh.  an  und  corrigierlen  sine  exem- 
plari; vgl.  Lachmann  im  Commentar  p.  8.  Dafs  also  hier  aus  der 
Quart-Hs.  der  Ursprung  der  Corruptel  leichter  zu  entdecken  war,  ist 
Zufall.  Die  Folio-Hs.  ist  auch  hier  wenigstens  in  Erhaltung  des  ersten 
a  die  treuere.  Welchen  Umständen  die  Rasuren  und  die  Punkte  ihren 
Ursprung  verdanken,  läfst  sich  nicht  ermefsen.  Als  Aushilfe,  das  ver- 
steht sich  aber  von  selbst,  und  zur  Yergleichung  kann  und  mufs  die 


LaoIiiii:tiiii  II.  iJoriiays:  T.  I.iicroliiis  Cariis.  055 

Qiiart-IIs.,  da  y\iv  sie  einmal  «•■iiickliclienvoise  lialien,  überall  benufzt 
werden,  eben  ueil  solche  und  ühnliclie  Zufälle  sich  überall  ereig- 
nen können.  Ganz  in  derselben  \\'eise  zeigt  sich  die  gröfsere  Treue 
und  Genauigkeit  der  Folio-Ils.  bei  einer  andern  ebenso  bezeichnen- 
den Corruptel  des  Archetypus;  11,  627  IT.: 

—  —  —  ninfjvntipte  rosarnm 

(lorihus  nmhrantes  motrem  comititmqne  calcrvas. 

hie  armata  manns^  Cur  das  nomine  (Irai 
630  quos  memuranl  Phrijfjios,  infcr  se  [orte  catervas 

hidunt  in  numerumqiie  exullant  etc. 
catervas  in  630  ist  unbedingt  nichts  als  eine  Wiederholung  des  SchluPs- 
wortes  aus  628  und  von  L.  durch  qnod  arniis  ergänzt.  Schon  der 
Archetypus  hatte  catervas.  Der  Schreiber  des  üblongus  schrieb  ge- 
nau, was  er  vorfand;  in  der  Quart-Hs.  ist  cafenas  daraus  geworden, 
und,  so  möchte  ich  glauben,  wohl  nicht  zufällig.  Bernays  hat,  wie 
billig,  die  Autorität  der  Quart-Hs.  hier  ebenso  gering  angesehn  wie 
Lachmann.  Ich  könnte  noch  einige  solcher  Stellen  anführen ,  doch 
wird  das  gesagte  dem  Leser  genügen,  um  mit  Bezugnahme  auf  die 
schon  oben  erwähnte  gröfscre  Genauigkeit  und. Vollständigkeit  der 
Folio-Hs.  bei  Gelegenheit  des  Defecis ,  den  der  Archetypus  am  Ende 
des  1.  Buches  zeigte,  Lachmanns  V^erfahren  unbedingt  zu  billigen,  in- 
soweit dieser  überall  von  der  Lesart  der  Folio-Hs.  zunächst  auszugehn 
für  gut  fand.  Zu  erwähnen  ist  an  diesem  Orte  auch  der  wunderliciie 
Umstand,  dafs  in  der  Folio  Hs.  hier  und  da  einzelne  Verse  roth  ge- 
schrieben sind,  welche  in  der  Quart-Hs.  fehlen.  Und  doch  sind  diese 
Verse,  soweit  es  eben  Verse  sind,  unbedingt  von  Lucrez ;  vgl.  Lach- 
mann zu  11,  42.  43.  —  Lachmanns  Urtheil  über  die  Quart-Hs.  findet 
sich  p.  7:  *Superest  ut  de  terlio  genere  expouam,  quod  ab  eadem 
stirpe  venisse  supra  dixi.  ex  hoc  duo  mihi  nota  sunt  exemplaria,  alte- 
rum  non  integrum ,  neutrum  vetustate  par  oblongo,  neutrum  denique 
ita  scriptum  ut  librario  librum  antiquissimum  ipsum  ante  oculos  fuisse 
appareat.'  Von  dieser  Ansicht  über  das  Verhältnis  zwischen  der 
Folio-  und  der  Quart-Hs.  ausgehend  glaube  ich  auch  an  zwei  Stellen 
die  von  B.  aufgenommenen  Lesarten  verwerfen  zu  müfsen.  1,  412 
liest  man  bei  L.  wie  folgt:  nsqiie  adeo  largos  haustus  e  fontihu'  mo(j- 
7iis  Linf/uameo  suavis  diti  de  pecfore  fnndet.  In  der  Folio-Hs.  steht: 
e  fontilrus  magnes.  Das  hat  der  Corrector  (nemlich  der  zweite  von 
den  beiden  Correctoren,  welche  L.  unterscheidet)  in  wo^nis  verändert. 
Aufserdem  freilich  hat  er  auch  amnes  dazu  geschrieben  und  dies  am- 
lies  haben  die  Quart-Hs.  und  das  Gottorper  Fragment.  B.  consfruiert 
demgemäfs  also:  usqtie  adeo  largis  haustos  e  fontihus  amnis.  Aber 
L.s  Lesart  ist  die  richtige.  Für  sie  spricht  die  älteste  Autorität.  Der 
genannte  Corrector  hat  allerdings  nicht  blofs  nach  Conjectur,  sondern 
auch  nach  dem  Archetypus  selbst  emendiert.  Aber  wie  sehr  gelehrte 
Leser  und  Schreiber  geneigt  gewesen  sind,  um  der  Elision  des  s  zu 
entgehen,  allerhand  willkürliche  Aenderungen  vorzunehmen,  das  zei- 
gen  nur  gar  zu  viele  Stellen  in  unsern  Hss.     Amnes  ist  also  schon 


656  Laclimann  u.  Bernays:  T.  Lucrelius  Carus. 

deshalb  verdächticr.  Dazu  kommt,  dafs,  wenn  der  Correclor  im  Ar- 
chetypus amnes  und  nicht  magnes  vorgefunden  halte,  er  gewis  jenes 
magnes  nicht  erst  in  magm's  verändert  haben  würde.  Magnes  ist  die 
Lesart  des  Archetypus.  Amnes  ist  Conjectur,  die  in  die  Quart-Hs. 
übergegangen  ist.  Ebenso  ist  nicht  Lesart  des  Archetypus,  sondern 
Conjectur  das  von  B.  IV,  81  aus  der  Quart-Hs.  aufgenommene  inclusa. 
Der  Vers  heifst  nach  der  Folio-Hs. :  et  quanto  circum  mage  sunt  in- 
cloustra  theatri  Moenia.  Für  das  unverständliche  inclaustra  hat  L. 
angusta  emendiert,  aber  wohl  nicht  mit  Recht.  Ich  v.eifs  indes  nichts 
befseres;  nur  soviel  steht  fest,  dafs  inclusa  deshalb,  weil  es  in  der 
Quart-Hs.  steht,  noch  nicht  die  richtige  Lesart  sein  mufs.  —  Die  Be- 
schreibung der  erhaltenen  Hss.  ist  natürlich  bei  L.  viel  genauer  als 
bei  B.  Da  wo  L.s  Beschreibung  ganz  anderes  bringt  als  B.  gebracht 
hat,  kann  ich  mir  nicht  einfallen  lafsen  entscheiden  zu  wollen.  Es 
ist  indes,  wie  gewis  B.  selbst  gern  einräumen  wird,  L.s  Uebung  im 
Lesen  und  Vergleichen  von  Hss.  allzu  bedeutend  gewesen,  als  dafs 
man  nicht  ihm  als  einem  ganz  sichern  Führer  ziemlich  unbedingt  sich 
überlafsen  könnte.  Wichtig  namentlich  für  eine  kritische  Behandlung 
des  Texles  ist  das  von  L.  über  zwei  Correctoren  der  Folio-Hs.  mitge- 
Iheilte,  die  er  nach  der  Zeitfolge  und  Bedeutung  und  Nation  genau 
unterschieden  hat.  Folgendes  ist  der  Inhalt  seiner  Worte:  'Zwei  Cor- 
rectoren haben  in  derselben  Zeit,  in  welcher  der  Codex  geschrieben 
ward,  daran  gebefsert;  der  eine,  ein  Sachse  (scribendi  genere  Saxo- 
nico  usus)  hat  die  von  dem  Franken  (d.  h.  von  dem,  welcher  die 
ganze  Hs.  geschrieben  hat)  ausgelafsenen  Verse  eingefügt.  Er  wischte 
dabei  die  Schrift  des  Franken  weg  und  schrieb  an  diese  Stelle  das 
ausgewischte  mit  dem  ausgelafsenen  wieder  hin,  wodurch  natürlich 
die  Zeilen  enger  wurden.  Viel  verbefsert  hat  er  sonst  nicht.  Aus  e 
hat  er  meistens  e  gemacht.  Der  andere  Corrector  ist  später  daran  ge- 
kommen, denn  er  hat  einmal  in  einem  von  dem  Sachsen  eingeschobe- 
nen Verse  geändert,  und  hat  an  unzähligen  Stellen  Buchstaben  und 
Worte  theils  emendiert  theils  corrumpiert,  zum  Theil  nach  Conjectur, 
zum  Theil  nach  dem  Archetypus.'  Auch  der  Sachse  hat  natürlich  den 
Archetypus  in  Händen  gehabt.  Dafs  die  Hs.  aus  zwei  Theilen  bestehe, 
die  zu  ganz  verschiedenen  Zeiten  geschrieben  seien,  wie  B.  mittheilt, 
davon  sagt  L.  nichts.  Die  Quart-Hs.  ist  nach  L.  im  10.  Jh.  und  in 
Deutschland  geschrieben.  Auch  hier  ist  viel  corrigiert  und  oft  sehr 
genial;  aber  mit  einer  Ausnahme  nur  sine  exemplari  und  erst  im  15. 
Jh.  Die  zu  derselben  Gattung  wie  die  Quart  Hs.  gehörigen  Fragmente 
hat  L.  mit  schlagenden  Gründen  als  Theile  einer  und  derselben  Hs. 
bezeichnet.  Was  er  den  bisherigen  Beschreibungen  des  Wiener 
Stückes  aus  Conjectur  hinzufügt,  kann  ich,  als  in  Wirklichkeit  sich 
so  verhaltend,  aus  bester  Quelle  bestätigen.  Was  die  übrigen  Hss. 
anbetrifft,  so  ist  das  von  B.  gewonnene  durch  L.  nicht  sonderlich  mo- 
dificiert  worden.  Für  die  Kritik  von  Wichtigkeit  ist,  dafs  der  den 
interpolierten  Hss.  zu  Grunde  liegende  Codex  zwar  der  Folio-Hs. 
durchaus  sehr    ähnlich,    aber  doch  nicht  aus  ihr  abgeschrieben  ist. 


Laclmiann  u.  Beriiays :  T.  Lucreliiis  Cariis.  G57 

Soviel  über  die  ersten  Griiiidlaijeu  der  Krilik  iiiid  iiiwielern  sie 
von  L.  erscliöpfeiid  und  sielier  hcsilirieben  und  {^ewiirdij^l  sind.  — 
Ebenso  iirol'saiii^-  wie  hierin  zeifjl  sieb  I>.s  Soi'<>rall,  (ienauif'keil  und 
sdiarfe  Beobacbtun^'  aueii  in  dem  eonsequenlen  Aursiiciien  und  lie- 
milzen  der  vielen  von  diesen»  und  jenem  cilierlen  Verse  des  Lucrez. 
Die  consequentc  Benutzung  dieser  Sleilcn,  das  ist  eben  das  grofsar- 
tige  in  diesem  Theile  der  L. seilen  Arbeit.  Dal's  solche  Cilatc  wichlig 
und  nützlich  für  den  Herausgeber  sind,  bat  man  natürlich  schon  längst 
gewust;  dafs  es  aber  die  IMlicIil  eines  Herausgebers  sei,  sie  soweit 
wie  möglich  vollständig  zur  Hand  zu  haben,  davon  ist  von  den  3Iän- 
nern  wenigstens,  die  sich  an  Lucrez  versucht  haben,  niemand  auch 
nur  entfernt  in  dem  Malse  durchdrungen  gewesen  w  ie  L.  Da  ich  selbst 
einmal,  soweit  meine  Hilfsmittel  es  erlaubten,  mir  eine  möglichst 
vollständige  Sammlung  aller  cilierten  Verse  anzulegen  suchte,  so 
glaube  ich  bierin  vollgiltiges  Zeugnis  ablegen  zu  können.  Beweise 
dafür  liefern  zu  wollen,  würde  hier  natürlich  Thorheit  sein.  Wie 
diese  ausgedehnte  Kenntnis  der  citierlen  Stellen,  ebenso  gut  wie  dio 
consequente  Benutzung  alles  dessen,  was  über  epikureische  Philoso- 
phie uns  die  Allen  mittheilen,  der  VN'iederherstellung  des  eciiten  Tex- 
tes ungemeinen  Vorschub  geleistet  bat,  davon  kann  man  sich  schon 
bei  einer  flüchtigen  Durchsiebt  des  L. sehen  Commentars  überzeugen. 

Wohllhuend  ist  endlich  noch,  wenn  man  die  ungemeine  Gewi- 
fsenbaftigkeit  L.s  bei  Ermittlung  desjenigen  kennen  lernt,  welcher  als 
der  jedesmalige  erste  Urheber  einer  Emendation  zu  betrachten  ist. 
Der  ganzen  Reihe  von  Lesern  und  Herausgebern  des  Dichters,  die  nur 
irgend  etwas  erhebliches  zum  befsern Verständnis  desselben  beigetra- 
gen haben,  vom  sächsischen  Corrector  der  Folio-Hs.  an  bis  auf  die 
jüngste  Zeit,  hat  L.  üir  Recht  widerfahren  lafsen  und  dabei,  gewis  ein 
erfreulicher  Triumph  für  ein  gereclites  Herz,  den  Namen  eines  Man- 
nes zu  grofsen  Ehren  gebracht,  den  das  Unglück  verfolgte  und  dem 
noch  bei  seinen  Lebzeiten  die  Früchte  seines  erfolgreichen  Fleifses 
durch  arge  Unredlichkeit  entzogen  worden  sind.  Michahel  Marullus, 
ein  Grieche  von  Geburt,  halte  sich  eine  so  lebendige  Kenntnis  der  rö- 
mischen Poesie  zu  eigen  gemacht  und  sich  so  in  die  Kunst  und  den 
Geist  unscrs  Dichters  hineingearbeitet,  dafs  er  für  Verbefserung  des 
Textes  mehr  geleistet  hat  als  nach  ihm  auch  die  haben  leisten  können, 
welche  ihn  an  Gelehrsamkeit  übertrafen.  So  urtbeilt  L.  p.  11.  Erst 
zwölf  Jahre  nach  seinem  freiwillig  gesuchten  Tode  gab  Petrus  Candi- 
dus  den  von  Marull  emendierlen  Text  auch  unter  dem  Namen  desselben 
heraus.  Vorher  hatte  Avantius ,  in  dessen  Hände  Marulls  Arbeit  ge- 
kommen war,  noch  bei  dessen  Leben  wie  ein  gemeiner  Betrüger  (*im- 
probus  für'  sagt  L.)  sich  mit  3Iarulls  Federn  geschmückt,  und  er  hat  bei 
den  unkritischen  Herausgebern  der  Neuzeit  bis  auf  L.  als  der  Urheber 
einer  Menge  von  ausgezeichneten  Textverbefserungen  gegolten,  wel- 
che L.  nach  untrüglichen  Untersuchungen  dem  Manne  wieder  zugewie- 
sen hat,  dem  sie  gehören.  —  Fafst  man  diesen  Beweis  grofsartiger 
Gerechtigkeifsliebe  ins  Auge,  dann  namentlich  wird  man  auch  die 
iV.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Bd.  LXVII.  Hft.  ü.  43 


658  Lachaiann  ii.  ßernays  :  T.  Liicreliiis  Carus. 

schneidende  Bitterkeit  sich  erklären  und  würdigen  können,  mit  wel- 
cher L.  die  Leistungen  zweier  Manner  verfolgt,  welche  nach  Wake- 
lield  sich  an  Lucrez  versucht  hahen. 

Einige  Beiträge  zur  Kritik,  welche  noch  vor  dem  Erscheinen  seiner 
Ausgabe  ans  Licht  traten,  hat  L.  nicht  berücksichtigt;  wahrscheinlicii 
aus  dem  Grunde,  den  Fleckeisen  in  seinem  Nachworte  zur  Hecension 
über  Hilschls  Plautus  in  diesen  N.Tahrb.  Bd.  LXi  S.  66  verniuthet  hat. 
Sonderlich  viel  bedeutendes  ist  freilich  auch  nicht  geleistet  worden. 
Eine  unbedingt  richtige  Emendation,  ^velche  auch  B.  noch  nicht  auf- 
genommen hat,  findet  sich  in  Oppenrieders  Augsburger  Gymnasial- 
programm von  1848.  Dieser  conjiciert  nemlicli  IV,  147  und  152  vi- 
trum  für  veslem.  Wie  er  seine  Conjectur  verlheidigt  hat,  weifs  ich 
nicht,  da  ich  sein  Programm  nicht  gelesen  habe;  dafs  die  Aendernng 
aber  richtig  und  nothwendig  ist,  beweist  ohne  weiteres  Vs.  602  des- 
selben Buches. 

Soweit  hätten  wir  Lachmanus  Vorarbeiten  zur  Wiederherstellung 
des  echten  Textes  mit  den  Arbeiten  von  Madvig  und  Siebeiis  und  na- 
mentlich mit  der  van  Bernays  verglichen.  Wir  kommen  nun  zu  einem 
Punkte,  über  den  die  beiden  ersten  sich  nicht  äufsern  und  welchen 
der  letztere  in  seiner  Abhandlung  als  unter  den  gegenwärtigen  Ver- 
hältnissen unerklärbar  von  sich  gewiesen  hatte.  Ich  meine,  wir  kom- 
men nun  zu  der  Frage,  in  welcher  Weise  Lucrez  sein  Werk  liinler- 
lafsen  und  welche  Schicksale  dasselbe  durchgemacht  hat,  ehe  es  im 
grofsen  und  ganzen  die  Gestalt  annahm,  welche  der  Archetypus  dar- 
stellte. Es  ist  natürlich,  dal's  in  diesem  Theile  der  Lachmanuschen 
Arbeit  alle  die  einzelnen  Resultate  nicht  mit  solcher  Bestimmtheit  und 
Sicherheit  als  nothwendig  und  wahr  nachgewiesen  werden  können 
wie  in  dem,  was  L.  über  die  handschriftlichen  Grundlagen  des  Textes 
aufgefunden  hat.  Da  hier,  wie  bei  allen  solchen  Fragen  der  sogenannten 
höhern  Kritik,  das  aesthetische  Gel'üld  nicht  selten  die  Hauptrolle 
spielt,  so  kann  im  grofsen  und  ganzen  woiil  Uebereinstimmung  erzielt 
werden;  im  einzelnen,  da  uns  doch  zuletzt  die  festen  Handhaben  feh- 
len, wird  eine  allgemein  befriedigende  Lösung  der  Frage  um  so  schwie- 
riger, wenn  nicht  unmöglich,  als  gerade  bei  Lucrez  so  mancherlei 
widerstrebende  Rücksichten  untereinander  in  Einklang  zu  bringen 
sind.  Unbestreitbar  ist,  dafs  Lucrez  sein  Gedicht  nicht  selbst  heraus- 
gegeben und  auch  nicht  einmal  bis  zur  Innern  Vollendung  gebracht 
hat.  Schon  äufsere  Zeugnisse  sprechen  dafür,  namentlich  das  des 
Hieronymus ,  welches  Mai  unter  dem  Jahre  1918  aulTührt:  Titus  hi- 
er et  ivs  poefa  nascilur  ^  qui  postea  amaturio  poculo  in  furorein  iier- 
sus,  cum  aliquot  libros  per  intervalla  insaniae  conscripsisset,  quos 
postea  Cicero  emendamt,  propria  se  mann  inlerfecit  anno  aetalis 
XLIV.  Da,  wie  bei  L.  p.  62  zu  ersehn  ist,  die  Angabe  des  Todes- 
jahrs durch  Donats  Zeugnis  als  richtig  bestätigt  wird,  so  hat 
man  Grund  genug,  im  Hieronymus  hier  eine  ziemlich  genaue  Wieder- 
gabe des   von  Sueton  überlieferten  zu  vermulhen;   um  so  mehr,   als 


i.arlimann  u.  Bcrnays:  T.  Liicroliiiä  Carus.  fh)0 

auch  im  Monat  Fcl)riiar  des  auf  das  angcfti'hcnc  Todesjahr  foltrenden 
Jahres  M.  Cicero  an  seinen  Bruder  also  schrieb  (II,  II):  liinviii  poe- 
niata  ul  scribis  ita  sunt:  \non\  inultis  liniiiiiilnis  iiKjeiiii.  miiltnc  Uivieii 
artis.  Lucrcz  konnte  naliirlich  zu  der  Zeil  des  Briefes  niciil  nieiir 
am  Leben  und  doch  auch  noch  nicht  lange  verstorben  sein.  Dafs  in 
dem  andern  Tlieile  des  von  Hieronynuis  berichteten  nichts  sei ,  was 
man  nolhwcndig-  als  blofse  spätere  Fabel  bezeichnen  müfse ,  darauf 
hatte  ich  schon  in  meiner  Dissertation  hin<^e\viesen.  Auch  Ciceros 
Name  hat  nichts  in  sich,  was  uns  berecliliffle,  an  der  Ueberlieferung 
zu  zweifeln,  wenn  man  nur  ().  Cicero  versl  iil.  An  allem,  was  be- 
richtet ist,  zweifeln  zu  wollen,  ist  Ja  keine  Kritik,  ebenso  wenig  wie 
alles  zu  glauben,  nur  weil  es  berichtet  wird.  Von  den  inncrn  Zeug- 
nissen, die  dasselbe  aussprechen  und  über  welche  L.  an  den  betref- 
fenden einzelnen  Stellen  sich  äufsert,  will  ich  einige  hervorheben. 
Zunächst  II,  522  ff. : 

Quod  quoniam  dociit,  pergam  conectere  rem  quae 

ex  hoc  apta  pdem  ducat,  primordia  reruni, 

inter  se  simili  quae  sunt  perfecta  /igura, 
525  in  finita  einer  e.  elenim  distantia  cum  sit 

formarum  finita,  necesse  est  quae  similes  sint 

esse  infinitas,  auf  summam  materiai 

ßnitam  constare,  id  quod  non  esse  probavi. 

* 

versibus  ostendam  corpuscula  materiai 
530  ex  in  finita  summam  rerum  usque  tenere, 

undique  protelo  plagarum  continuato. 

nam  quod  rara  indes  etc. 
Man  vergleiche  Lachmanns  Anmerkung  zu  diesen  Versen,  Melche  die 
\^  ichtigkeil  dieses  Zeugnisses  am  deutlichsten  hervorhebt.  Was  bei- 
läufig dessen  Emendation  protinus  für  versibus  in  Vs.  529  anbetrifft, 
so  stimme  ich  hier  mit  Bernays  überein,  welcher  eine  Lücke  annimmt, 
wie  sie  auch  L,  nicht  für  unmöglich  hält. 

Zu  VI,  1270  bemerkt  L. :  Mtaque  hunc  versum  a  Lucretio 
non  eo  consilio  scriptum  esse  existimo,  ut  ceteris  ita  ut  nunc 
legunlur  constitutis  servaretur.  similiter  iudicavi  supra  de  iis  quae 
sunt  in  II,  522,  de  versu  libri  III  1031,  de  1230  et  1328  quinti, 
itcmque  de  huins  libri  85  cum  proximis.'  Die  bezeichnendste  von 
diesen  Stellen  ist  VI,  85—89.  In  Bezug  auf  III,  1031  und  V,  1230 
w  eicht  B.  insofern  ab ,  als  er  sie  ohne  besondere  Zeichen  in  den  Text 
aufgenommen  hat,  während  er  sonst  die  Stellen,  welche  Lucrez  nach 
seiner  3Ieinung  bei  wiederholter  Durcharbeitung  ganz  getilgt  oder 
geändert  haben  würde,  wie  L.  durch  bestimmte  Zeichen  (||  ||)  her- 
vorhebt. Hier  kann  freilich  nur  das  Gefühl  entscheiden.  Ich  halte 
es  mit  Lachmann. 

Einige  höchst  auffallende  Ausdrücke  ausgenommen,  wie  ordia 
prima  in  IV,  28  und  fucit  ore  in  VI,  962  oder  coepil  in  IV,  619,  wel- 
ches letztere ,  w  enn  auch  nicht  ohne  Analogie ,  doch  ganz  ungewöhn- 

43* 


660  Laclimann  u.  Bernays :  T.  Lucretius  Canis. 

lieh  ist:  dies  und  dergleichen  also  ausgenommen  verdient  namentlich 
hier  V,  155  hervorgehoben  xu  werden,  wo  der  Dichter  etwas  in  gro- 
fser  Ausführlichkeit  {largo  sermone)  später  darzulegen  verspricht, 
wovon  im  ganzen  Werke  nichts  mehr  vorkommt.  Weiteres  über  diese 
Stelle  habe  ich  im  Pförtner  Programm  des  Jahres  1849  gesagt,  S.  18  IT. 
Das  Gedicht,  soviel  steht  also  fest,  hat  Lucrez  nicht  zur  letzten 
innern  Vollendung  bringen  können;  das  erste  Buch  etwa  ausgenom- 
men, wie  L.  annimmt.  Dafs  wir  dies  noch  aus  der  jetzigen  Gestalt 
des  Werkes  ersebn  können ,  ist  ein  grofser  Ruhm  für  die  treue  Ge- 
wifsenhat'tigkeil  Ciceros,  welcher  an  der  unvollendeten  Schöpfung 
des  zu  früh  verstorbenen  sich  in  keiner  Weise  hat  vergreifen  wollen. 
Nur  geschickter,  so  meint  L.,  hätte  er  bisweilen  sein  können.  Lucrez 
nemlich  habe  manche,  zum  Theil  umfangreiche  Partien  seines  Gedichts 
auf  einzelnen  Blättern  niedergesciirieben  und  dies  auch  zu  Zeiten,  da 
er  das  ganze  des  Werks,  soweit  es  gerade  vollendet  war,  nicht  zur 
Hand  hatte.  Auf  diese  Weise  erkläre  sich,  wie  Heihen  von  ziemlich 
viel  Versen  da  und  dort  den  Zusanuuenhang  der  Argumentation 
unterbrechen.  Mit  dem  ganzen  dies  zu  verschmelzen,  hätte  nur  mit 
Hilfe  umfafsender  und  willkürlicher  Aenderungen  gelingen  können, 
wie  sie  glücklicherweise  Cicero  nicht  zu  unternehmen  wagte.  Er  hat 
diese  Bruchslücke  theils  da  eingefügt,  wo  Lucrez  sie  hinbestimmt 
hatte,  ohne  sie  doch  mit  dem  andern  schon  in  Einklang  bringen  zu 
können,  theils  da,  wo  er  selbst  nach  nicht  immer  ganz  sicherm  Ur- 
theil  Platz  für  sie  zu  finden  glaubte.  L.  hat  solcher  Stellen  sehr  viele 
bezeichnet:  im  2.  Buche  165—83  und  1013 — 1104;  in  III  300—95; 
IV,  129—41;  168—75  und  179;  706-21;  777—817;  822  —  57  und 
858-76.  V,  110—234;  509—33;  1090—1160;  1379 — 1435.  VI,  85— 
89;  608 — 38.  B.  ist  in  dieser  Beziehung  ganz  derselben  Ansicht  und 
es  ist  unbestreitbar,  dafs  diese  glückliche  und  scharfsinnige  Hypo- 
these in  nicht  wenig  Stellen  die  richtige  und  einzige  Erklärung  für 
den  gestörten  Zusammenhang  geben  mag.  Einige  Bedenken  kann 
ich  aber  nicht  unterdrücken.  So  z.  B.  kann  ich  mit  L.  in  seiner 
Ansicht  über  den  letzten  Tbeil  des  zweiten  Buchs  durchaus  nicht  über- 
einstimmen. Nach  ihm  unterbrechen  Vs.  1013 — 1104  den  Zusammen- 
hang und  Vs.  1105  ir.  sei  nur  versländlich,  wenn  man  ihn  gleich  an 
1012  anschliefse.  Das  zweite  Buch  aber  handelt  in  seinem  ersten 
Theile  Vs.  62 — 332  von  der  Bewegung  der  Atome,  in  seinem  zweiten 
bis  Vs.  729  von  den  verschiedenartigen  Gestaltungen  derselben  und 
deren  Verhältnis  zueinander.  Im  dritten  Theile  lernen  wir,  dafs  die 
Atome  färb-,  geruch-  und  geschmacklos  sind.  Die  Atome  haben  auch 
keine  Sinne,  und  doch  entsteht  alles,  was  empfinden  kann,  ebenfalls 
aus  ihnen ,  obschon  ihnen  die  Empfindung  ganz  und  gar  abgeht.  Letz- 
tern Salz  führt  Lucrez  Vs.  865 — 1022  aus:  hätten  die  Atome  Empfindung, 
so  müsten  sie  vergänglich  sein;  wäre  jedes  Atom  ein  empfindendes 
Wesen,  so  würden  sie,  da  doch  jede  Empfindung  eine  particuläro 
ist,  bei  den  resp.  Zusammensetzungen  nichts  gleichmäfsiges  und  in 
sich  übereinstimmendes  hervorbringen  können.    Das  empfindende  cnt- 


Laclimann  u.  Bernays:  T.  Lucrcliiis  Cariis.  661 

stellt  aus  den  nicht  em|»liii(lrii(it'ii ,  indem  diese  in  die  passenden  Ver- 
bindMn<ifen  untereinander  ^rehraclil  werden.  Au  den  Alonieti  lialtel  dio 
Eni|)findnn<r  nicht.  Die  Atome  bilden  alles,  eniplindendes  und  nicht 
empfindendes.  Da  sie  ewig-  in  Be\>  e<,''nn<r  sind,  so  kommen  sie  in  dio 
mauis!:faltig:sten  Verbindungen  und  eine  Geslalliing  der  Dinge  gehl  so 
immer  in  die  andere  über,  während  allen  dieselben  Stoffe  zu  Griindu 
liegen.  'Kurz  wir  haben  alle  einen  und  denselben  Ursprung,  Men- 
schen und  Thierc  und  alles,  was  die  Krde  trägt.  In  ewigem  Kreislauf 
lost  sieh  immer  das  eine  in  das  andere  auf;  denn  aullösen  ist  ja  eben 
das  (Jeschäft  des  Todes,  nicht  vernichten.  Und  je  nachdem  die  jedes- 
mal enislehcnden  Verbindungen  sind,  so  haben  sie  Farbe  und  haben 
sie  Emplindung  oder  haben  sie  nicht.' 

itide  aliis  alind  co/uvttgifnr  ^  et  fit  ut  oinnes 
1005     res  ita  corwertant  formas  vmteiitque  culures 

et  capiant  sensus  et  puncto  tempore  reddant , 

«/  noscas  referre  eadetn  primordia  rerttm 

cum  quihns  et  quali  positura  contineanlur 

et  quos  inter  se  dent  motus  accipiatitque, 
1010     neve  pules  aeterna  peiies  residere  potesse 

Corpora  prima ^  quod  in  sunriiris  ßaitare  videmus 

rebus  et  interduni  nasci  snhitoqne  perire. 
Das  heifst:  es  ist  also  klar,  dal's,  um  Empfindung  hervorzubringen, 
es  keiner  mit  Empfindung  ausgerüsteter  Atome  bedarf;  nur  auf  die 
Art  der  Verbindungen  kommt  es  an.  Die  Atome  sind  ewig  und  unver- 
änderlich, sie  können  also  nicht  als  ihr  Eigenlhum  haben,  was  be- 
ständigen Veränderungen  und  plötzlicher  Vernichtung  unterworfen  ist, 
wie  Farbe  und  Empfindung;  was  mit  dem  eigentlichen,  innern  Kern 
der  Dinge  nichts  zi-  thun  hat  und  nur  ein  Product  der  zeitweiligen 
Verbindung  der  Atome  ist:  quod  in  summis  fluitare  videmus  Rebus  et 
interdum  nasci  subitoque  perire.  Dies  ist  die  von  Weil  in  der  Zeil- 
schrift für  Alterthumswifsenschaft  vorgetragene,  allein  richtige  Er- 
klärung von  Vs.  1010 — 12*),  und  daran  schliefsen  sich  ganz  passend 
Vs.  1013  —  22.  'Nur  auf  die  verschiedene  Verbindung  der  Atome 
kommt  es  an;  das  ist  die  Hauptsache.  Ist  es  doch  ebenso  in  unsern 
Versen,  wo  je  nach  den  einzelnen  Verbindungen  gleichartiger  Ele- 
mente bald  diese,  bald  jene  Bedeutung  entsteht.' 

quin  etiam  refert  nostris  in  versilrus  ipsis 

cum  quibus  et  quali  sint  ordine  quaeque  locala. 
1017     si  non  omnia  sunt.,  al  niulto  maxima  pars  est 

consimilis :  verum  positura  discrepitant  res. 

sie  ipsis  in  rebus  item  iam  materiai 

concnrsus  motus  ordo  positura  jUjurae 

cum  permutantur ,  mutari  res  quoque  debent. 


*)  Sollte  jemand  Lachinanns  Conjectur  cunctis  immer  noch  vor- 
ziebn,  so  wird  trotzdem  das  Verständnis  des  ganzen  nicht  weiter 
geändert. 


662  Lachmann  u.  Bernays:  T.  Liicretius  Carus. 

Wie  L.  darauf  gekommen  ist,  diese  Verse  von  den  vorhergehenden 
zu  trennen,  begreife  ich  nicht  recht;  ebenso  Avenig  wie  ich  mir  eine 
nähere  Verbindung  zwisclien  ihnen  und  den  folgenden  denken  kann: 
nnnc  animvm  nobis  adhibe  veram  ad  rationem.  Nam  tibi  vementer 
Kova  res  niolüur  ad  auris  Accidere  et  novo  se  species  ostende re  re- 
runi.  Mit  Vs.  1022  schliefst  der  eigentliche  ,  oben  entwickelte  Haupt- 
inhalt des  zweiten  Buchs  und  mit  Vs.  1023  beginnt  noch  ein  Anhang 
über  unsere  Welt  im  ganzen  oder  über  den  Complex  alles  dessen,  was, 
soweit  unsere  Kenntnis  reicht,  an  endlichen  Erscheinungen  durch  die 
im  ersten  und  zweiten  Buche  erwiesenen  und  beschriebenen  Atome  ge- 
bildet wird.  'Nichts  ist  einzig  im  AH,  also  auch  unsere  Welt  nicht, 
und  nichts  ist  unvergänglich,  also  auch  unsere  \'\'elt  ist  vergänglich/ 
Diese  beiden  Punkte  musten  nothwendig  erörtert  werden  und  schlie- 
fsen  sich  an  die  Lehre  von  den  Atomen  hier  am  besten  an;  denn  we- 
der im  dritten  Buch,  wo  von  der  Unsterblichkeit  der  Seele  gehandelt 
wird,  noch  in  den  übrigen  war  ein  passenderer  Platz  dafür.  Beide 
Punkte  schliefsen  sich  aber  auch  untereinander  selbst  verhältnismäfsig 
ganz  gut  zusammen  und  Vs.  1105  steht  wohl  mit  1104,  nicht  aber  mit 
1012  in  Verbindung.  1012  kann  von  1013  nicht  gelrennt  werden,  denn 
was  bei  solcher  Trennung  1013 — 22  irgend  für  eine  Bedeutung  haben 
könnten,  das  kann,  wie  schon  bemerkt,  kein  Mensch  errathen.  Eine 
Einleitung  zu  1022  ff.  können  sie  ja  unmöglich  sein.  Von  991  bis  1012 
kommt  der  dritte  Hauptabschnitt  des  zweiten  Buchs,  wie  ich  oben  ge- 
zeigt habe,  zum  Abschlufs;  mit  dem,  was  in  diesen  Versen  verhan- 
delt wird,  steht  das  von  1105  an  erzählte  in  gar  keiner  Verbindung. 
Dort  hören  wir  in  kurzer  Endrecapitulaiion  noch  einmal,  dafs  man 
die  Atome  sich  nicht  mit  Empfindung  begabt  denken  darf;  hier  lernen 
wir,  dafs  die  Welt  wie  jedes  andere  lebendige  \^'esen  an  Kraft  und 
Stärke  zugenommen  habe  und  gewachsen  sei  und  demgemäfs  auch  ab- 
nehmen und  zuletzt  ein  Ende  finden  müfse.  Dies  kann  man  doch  eher 
an  einen  Abschnitt  sich  anschliefsend  denken,  der  uns  belehren  soll, 
dafs  unsere  Welt,  ebenfalls  ganz  wie  jede  andere  Erscheinung,  nicht 
die  einzige  ihrer  Art  sei,  sondern  dafs  es  noch  mehrere  dergleichen 
geben  müfse.  Diese  beiden  Abschnitte  haben  doch  untereinander 
das  gemeinsame  eines  und  desselben  Gegenstandes  der  Behandlung 
und  sind  einer  wie  der  andere  nur  Anhänge  zu  dem  Hauptinhalte  des 
Buches,  zu  dem  der  eine  in  demselben  nahen  oder  fernen  Verhältnisse 
steht  wie  der  andere.  Der  Anschlufs  durch  luuUaqite  posl  u.  s.  w.  ist 
freilich  nach  Vs.  1104  etwas  hart,  um  so  mehr  als  Lucrez  sich  unmit- 
telbar vorher  darüber  expectoriert  hat,  wie  man  durch  das  nolhwen- 
dige  Zugeständnis  mehrerer  Welten  zugleich  einen  neuen  Beweis  von 
der  Unmöglichkeit  des  Gölterregiments  liefere;  aber  an  Vs.  1012 
schliefst  sich  1105  noch  viel  härter  an,  weil  er  auf  noch  weiter  ablie- 
gendes hinüberführt.  Und  dabei  müste  man  immer  noch  Vs.  1015 — 
22  von  dem  trennen,  mit  dem  man  sich  die  Verse  durchaus  verbunden 
denken  mufs,  will  man  ihnen  nicht  allen  AVerlh  und  alle  Bedeutung 
f'auben.     Ich  gestehe  recht  gern  zu,   dafs  Lucrez  bei  einer  Durchar- 


Liuliiiianii  II.  ßoniays:  T.  I.iicrolius  ('ariis.  OO.'i 

beilung  des  Gediclils  liier  maiiclies  zu  ändern  g-cfiindeii  haben  würde, 
wie  jeder  seihst  lieraiisliihlen  kann;  Lachinaiiiis  V^eilaliren  aber  ist 
hier  ungerechlferli»!  und  Vs.  1(U2 — 1104  isl  nicht  i^ediciilel ,  naeiideni 
das  zweile  Buch  sehoii  zu  Kiide  i^eliraehl  \\ar,  und  nainenllich  niclil, 
nach(h'iii  1  ](),')  11".  sclioii  als  iiothweii(li<ier  Anschlnrs  an  1()I2  und  das 
A'orhei'oehende  aiisgcarhcilel  wnv,  denn  1105  sielil  niil  lOl'i  in  keinem 
Zusainmenhangc. 

Ich  habe  schon  oben  Kiigeslaiiden,  dafs  in  Bezii»  aiifnianclic  der 
übrig'en  von  Lachinann  unler  dieselbe  Kalegorie  gcreclinelen  Abschnillo 
seine  Krkläriing:  des  uiilerbroclienen  /yiisainnienhanijs  auch  nach  mei- 
ner UeberÄeiigiing-  als  die  einzig  richtige  gelten  kann.  Ks  gibt  aber 
unter  ihrer  Zahl  auch  einige,  von  denen  man  zwar  nicht  leugnen  darf, 
dafs  sie  den  Gang  der  Argumentation  mehr  oder  weniger  aufhalten, 
bei  denen  man  aber  doch  sich  zu  erklären  vermag,  wie  der  Dichter 
im  Verlauf  der  ersten  Arbeit  seihst  zu  ihrer  Composilion  geführt  sein 
kann,  und  bei  diesen  Stellen,  fürchte  ich,  kann  L.s  Hypothese  zwar 
scheinbar  und  annehmlich  sein  und  doch  das  richtige  \erfehlen.  Sicher- 
heit hier  zu  erzielen  lialle  ich  für  ausnehmend  schwer,  insofern  wir 
durcli  den  Bericht  bei  Ilieronymus  wifsen,  dafs  Lncrez  selbst  das,  was 
er  hiiiterlafsen  hat,  nicht  ohne  gewallige  Störungen  und  nur  stückweise 
hat  ausarbeiten  können.  Auf  innere  Zeugnisse  der  Unfertigkeit  des 
Gedichts  habe  ich  vorhin  durch  L.s  eigne  \N  orte  aufmerksam  gemacht ; 
ein  noch  bedeutenderes,  worauf  mir  L.  zu  wenig  Gewicht  gelegt  zu 
haben  scheint,  will  ich  hier  noch  nachholen.  Es  sind  dies  jene  eigen- 
thiimlichen  Wiederholungen  nicht  blofs  einzelner  Verse  und  Verspaare, 
sondern  auch  ganzer  Reihen  von  10  und  mehr  Versen,  welche  man 
längst  nicht  mehr  versucht  durch  homerische  Analogien  zu  erklären, 
und  deren  Menge  und  namentlich  deren  Häufung  an  einzelnen  Punkleu 
des  Gedichts  gerade  hier  eine  besondere  Berücksichtigung  verdient. 
Einige  dieser  Wiederholungen,  wie  sie  unsere  Hss.  zeigen,  sind  frei- 
lich spätem  Ursprungs;  aber  auch  L.  hat  ihrer  noch  so  viele  als  echt 
anerkennen  müfsen,  dafs  die  von  mir  früher  auf  diesem  Wege  ge- 
Avonnenen  Resultate  noch  immer  ihre  Giltigkeit  haben.  Ich  will  die 
bedeutendsten  der  wiederholten  Stellen  hier  zusammenstellen,  weil, 
wie  ich  glaube,  dadurch  meinem  Zwecke  am  besten  gedient  wird.  Die 
Verse  II,  55 — 61  finden  sich  unverändert  auch  111,  87- — 93  und  VI,  35 
— 41.  Andere  zum  Theil  noch  längere  Stellen  finden  sich  nur  einmal 
wiederholt.  I,  789—93  und  11,  750—54.  I,  8-23 — 26  und  II,  688—91, 
im  2  Buch  mit  einer  kleinen  Abweichung,  weil  hier  das  Beispiel  einem 
andern  Beweise  dient.  Vergleichen  mag  man  hier  die  oben  angeführ- 
ten Verse  II,  1013  fl".  Ferner  II,  29—33  und  V,  1392-96  (mit  einigen 
Verändernngen,  weil  die  Verse  im  2.  Buche  klar  machen  sollen,  Avie 
wenig  der  Mensch  zu  seinem  Glück  bedürfe,  während  sie  im  5.  dazu 
dienen,  den  Zustand  und  das  Leben  der  ersten  Menschengeschlechter 
zu  schildern).  II,  177—81  und  V,  195—99.  II,  1061—63  und  V,  429 
— ^31.  III,  784 — 97  und  V,  128 — ^41  (mit  einigen  kleinen  Verschieden- 
heiten).   IV,  170— 73  und  VI,  251—54.     IV,  180—82  und  IV,  909— 


664  Laclitnann  u.  Bernays:  T,  Lucrcüus  Carus. 

11.  IV,  217—28  und  VI,  923—32.  V,  82—90  und  VI,  58—66.  V, 
187—  91  und  V,  422 — 26  (auch  was  in  V  auf  426  folgt,  hat  viel  Aehn- 
lichkeit  mit  192  11".  Vs.  419 — 23  sind  dieselben  wie  I,  1021 — 24).  V, 
269 — ^72  und  VI,  635 — 38.  Im  5.  Buche  finden  sich  also  folgende  län- 
gere Wiederholungen:  128—41;  195 — 99;  419 — 23;  422—26;  429— 
31;  1392—96.  Im  6.  Buche:  35—41;  58—66;  251—54;  923—32.  Der 
Anfang  des  6,  Buchs  und  die  Stelle  des  5.  Vs.  419—31  geben  demnach 
ein  befremdliches  Zeichen  geistiger  Armut  und  können  bei  einem  gei- 
stig so  reich  begabten  Dichter  wie  Lucrez  nur  durch  ganz  besondere 
Umstände  erklärt  werden  der  Art  wie  sie  Hieronymus  andeutet ,  wel- 
che uns  bei  Urtheilen  über  die  Coniposition  des  ganzen  Gedichts  sehr 
vorsichtig  machen  müfsen, 

Eine  der  längern  Wiederholungen  hat  Lachmann  dem  Lucrez  ab- 
gesprochen und  die  Verantwortlichkeit  dafür  auf  Cicero   übertragen. 
Das  ist  das  Exordinm  des  4.   Buchs,  welches  schon   I,  926 — 50  vor- 
kummt,    Dafs  die  Verse  im  1.  Buche  unbestreitbar  echt  sind,  bedarf 
keines  Beweises;  sollen  sie  im  4.  Buche  nicht  von  Lucrez   herrühren, 
so  müfsen  sie  wenigstens  schon  sehr  früh   eingeschoben  sein,  denn 
Nonius  zeigt  in  fünf  Citaten,  dafs  er  die  Verse  am  Anfange  des  4.  Bu- 
ches gelesen  hat.    An  beiden  Stellen  zugleich  konnten  sie  nicht  stehn 
bleiben;  hätte  Lucrez  sie  als  Anfang  des  4.   Buchs  benutzen  wollen, 
so  hätte  er  damit  zugleich  ihrer  Anwendung  im  1.  Buche   das   Urtheil 
gesprochen.    L.  aber  behauptet,  in  die  Einleitung  des  4.  Buchs  passten 
die  Verse  primiim  quod  magnis  doceo  de  rebus  et   artis  ReUigiunum 
animam  nodis  exsohere  pergo  schlechter  als    nach:  minc  age,  quod 
superest  cognosce  et  clarius'audi.    Demnach  müfse  man  annehmen,  Lu- 
crez habe  das  4-  Buch  ohne  Exordium  gelafsen  und  Cicero   habe,  um 
diesem  Mangel  abzuhelfen,  jene  Verse  aus  dem  1.  Buche  herbeigeholt. 
Ich  bin  nun  natürlich  auch  unbedingt  der  Ansicht,  Lucrez  habe  jene 
Verse  zunächst  für  das  1.  Buch  bestimmt,  und  gebe  demgemäfs  auch 
ganz  gern  zu,  jene  von  L.  hervorgehobenen  Ausdrücke  passen  in  der 
gegenwärtigen  Verbindung  sich  bequemer  an  I,  921  ff.  an,  als  sie  im 
Exordium,  so  wie  sie  jetzt  sind,  ihren  Platz  haben.    Aber  bedenklich 
scheint  mir,  dafs   man  hier  dem  Cicero  einen  Mangel  an  Gewifsen- 
haftigkeit  und  Achtung  vor  der  Gestalt  des  hinterlafsenen  Werkes  zu- 
gehreiben soll,  wie  er  ihn  nach  den  oben  angeführten  deutlich  spre- 
chenden Beweisen  nirgends  anders  zeigt.    Es  scheint  mir  dies   um  so 
bedenklicher,  als  Cicero  auch  die  letzte  Zeile  ganz  bedeutend  geän- 
dert und  so   ein   entschiedenes   Falsum  begangen  haben  müste.     Ich 
meine,  es   ist   ebenso  wahrscheinlich   anzunehmen,   Lucrez   habe  die 
Verse  vom  Ende  des  1.  Buchs  entfernen  wollen,  indem  er  sie  zum  Ex- 
ordium des  4.  Buchs  bestimnite.    So  ganz  kurz   vor   dem  Schlufs  des 
l.  Buchs  ist  ein  neuer  so  umfangreicher  und  pomphafter  Eingang  nicht 
ohne  Bedenken,  um  so  mehr  als  das,  was  durch  ihn  eingeleitet  wird, 
nicht  blofs  dem  Umfange  nach  keine  besondere   Bedeutung  hat,   son- 
dern auch  dem  Inhalte  nach  von  dem  bis  dahin  behandelten  sich  nicht 
»0  entschieden  hervorhebt,    Dafs  am  Anfange  des  4.  Buchs  Lucrez  sich 


Lachmann  u.  Bcrnays :  T.  Lucrcliiis  Cariis.  665 

in  einer  gewissen  Vcrlegenlicil  befand,  zei^fl  jenes  wuiiderlielie  ordia 
prinuf,  und  man  kann  dcsliall)  wolil  annelinicn.  Liicnz  habe  die  Verse, 
•welche  er  nnnmeiir  zun»  Exordium  des  4.  lUichs  beslininile,  in  gelege- 
nerer Zeit  diesem  Zweck  entsprechend  weiter  uniarheilen  wollen. 
Dals  dies  mit  dem,  was  wir  sonst  vom  Gedichte  wilsen,  wohl  in  Ein- 
klang stehe,  beweisen  mehrere  der  oben  angerührten  Beispiele;  der 
Umstand,  dafs  das  1.  Buch  eine  bei  weitem  grölsere  innere  Ueberein- 
slimmung  zeigt  als  die  andern  fünf,  ist  ebenfalls  kein  Beweis  gegen 
mich;  denn  Lucrez  halte  doch  das  1.  Buch  nicht  schon  herausgegeben, 
ehe  er  an  das  4.  kam. 

So  viel  von  dieser  dornigen  Materie.  Mag  man  darüber  denken 
Mie  man  will;  als  grofses  Besnltat  von  Lachmanns  Arbeit  steht  fest, 
dafs  er  zuerst  auf  eine  Menge  mehr  oder  weniger  umfangreicher  Ab- 
schnitte aufmerksam  gemacht  hat,  welche  gegenwärlig  den  Zusam- 
menhang ganz  ersichtlich  stören.  Wie  man  diesen  Umstand  sich  zu 
erklären  versucht,  hat  zuletzt  auf  das  Verständnis  des  ganzen  Ge- 
dichts verhältnisniäfsig  wenig  Einlhifs. 

Sicherer  und  unangreifharer,  wie  natürlich,  ist  das,  was  L.  über 
spätere  Interpolation  festgesetzt  hat.  Es  ist  klar,  dafs  in  ziemlich 
früher  Zeit  ein  Leser  an  das  Gedicht  gekommen  ist,  der  nicht  ohne 
eine  Art  philosophischer  Bildung,  theils  um  der  Argumentation  ein 
Gewicht  mehr  zu  verschaffen,  theils  um  seine  Bedenken  gegen  die- 
selbe zu  erkennen  zu  geben,  einzelne  Verse,  die  er  selbst  fabriciert 
hatte,  oder  auch  ganze  Versreihen,  die  er  aus  Lucrez  entnahm,  bei- 
schrieb. Letzteres  an  Orten,  wo  seiner  Meinung  nach  sich  Lucrez  zu 
widersprechen  schien,  wie  z.  B.  am  Anfange  des  1.  Buchs  nach  der 
Anrufung  der  Venus  er  die  Verse  aus  dem  2.  Buche  herbeizieht,  in 
denen  Lucrez  auseinandersetzt,  dafs  die  Götter  sich  um  menschliche 
Dinge  gar  nicht  kümmern.  Wie  glänzend  in  der  Bestimmung  dieser 
Randbemerkungen,  welche  als  Interpolationen  in  den  Archetypus  über- 
giengen,  sich  L.s  Scharfsinn  bewiesen  hat,  das  werde  ich  nicht  erst 
ausführen.  L.  hat  im  Index  unter  dem  Lemma  intcrpolator  carminis 
Lucr.  die  betreffenden  Verse  zusammengestellt.  Bernays  hat  der  Zahl 
der  von  L.  angenommenen  Interpolationen  noch  einige  hinzugefügt  und 
zwar,  wie  mir  scheint,  zum  Theil  mit  Recht;  z.  B.  III,  358  und  362. 
Nicht  seiner  Meinung  bin  ich  in  Bezug  auf  111,  764.  Diesem  Verse  vor- 
her geht  in  den  Hss.  der  sicherlich  vom  Inlerpolator  hier  wiederholte 
Vs.  746  desselben  Buches  und  daran  anknüpfend  sagt  B.  p.  VII:  *ex 
eadem  igitur  officina,  ex  qua  iteratio  illa,  prodiit  etiam  versus  iste  nee 
tarn  (hcttts,  quo  logicas  ineptias  suas  scurrili  irrisione  cumulavit  versi- 
ficator.'  Die  Verse  heifsen  im  Zusammenhange :  sin  animas  hominum 
dicent  in  corpura  semper  Ire  humana^  tarnen  quaeram  cur  e  sapienli 
Stulfa  queal  fieri  ^  nee  prudens  sil  puer  ulhis^  Nee  tarn  doclus  equae 
pulius  quam  f'ortis  equi  vis?  Dazu  bemerkt  B.:  'cum  tali  quaestione' 
(s/w  animas  etc.)  *  quis  ferat  coniungi  id  quod  continetur  v.  764,  ubi 
prorsus  contra  hypothesin  equinae  animae  irrepunt  in  societatem  hu- 
manarum.'  Aber  der  Zusammenhang  ist  folgender:  hätten  die  Seelen  ihr 


666  Laclimann  u.  Bernays:  T.  Lucroliiis  Cariis. 

eignes  Leben  für  sich  und  gien<?en  sie  aus  einem  Körper  in  den  andern 
über,  so  müsten  ja  einmal  im  Menschen  die  Eigenschaften  der  Thier- 
secle,  im  Thiere  die  der  Menschensecle  liervurlreten.  Leugnet  Fnan 
aber,  dafs  die  Thiersede  in  den  Mensciien,  die  Menschenseele  in  das 
Thier  übergehn  könne;  nimmt  man  an,  dafs  Menschenseelen  nur  in 
Jlcnschen  und,  was  damit  nolhwendig  zusammenhangt,  die  einzelnen 
Thierseelen  nur  in  die  entsprechenden  Thierkörper  übergehn  können, 
so  bleibt  doch  wunderbar,  dafs  die  Seele  erst  eine  eigne  Verwand- 
lung durchmachen  mufs,  dafs  sie  zuerst  unbehilllich  und  schwach  sich 
zeigt,  dafs  der  Knabe  nicht  gleich  mit  dem  Verstände  des  Mannes, 
das  Füllen  nicht  gleich  mit  der  Gelehrigkeit  und  Geschicklichkeit  des 
kräftigen  Rosses  auftritt.  Ich  sehe  hier  nichts  auffallendes  und  be- 
denkliches, sobald  man  nur  nicht  die  Bedeutung  des  Vordersatzes  sin 
unimas  etc.  so  beschränkt,  wie  es  B.  ohne  Nolh  und  irthiimlich  ge- 
than  hat.  Am  wenigsten  sehe  ich  hier  eine  ^scurrilis  irrisio ';  ich  sehe 
überhaupt  nichts  scurriles  in  dem  Verse,  der  mir  nach  seinem  ganzen 
Baue  eines  so  grofsen  Dichters  wie  Lucrez  vollkommen  würdig  er- 
scheint. Dafs  der  interpolierte  Vers  zwischen  762  und  64  gerathen  ist, 
bat  bei  dem  Zustande  unsers  Textes  nichts  befremdliches. 

So  Avären  v.ir  endlich  bis  zu  dem  Punkte  gelangt,  in  welchem 
sich  Lachmanns  Gelehrsamkeit  am  glänzendsten  und  grofsartigsten 
zeigt,  nemlich  zu  den  Untersuchungen,  welche  L.  über  den  Sprach- 
gebrauch und  die  Kunst  des  Dichters  angestellt  hat  und  die  er  unter- 
mischt mit  einer  Menge  anderer  Entdeckungen  aus  dem  Gebiete  der 
lateinischen  Sprachkenntnis  an  vielen  Stellen  mittheilt.  Es  wäre  viel- 
leicht nicht  ohne  ^^'erth  und  manchem  erwünscht,  die  in  dieser  Be- 
ziehung gewonnenen  Ilcsultale  hier  zusammenzustellen;  da  indes  die 
meisten  dieser  Untersuchungen  über  Lucrez  hinausgehn.  auch  die  Aus- 
dehnung der  vorliegenden  Anzeige  ohnedies  schon  grofs  genug  er- 
scheinen kann ,  so  will  ich  gerade  diesen  Punkt  mir  bis  auf  andere 
Zeit  und  andere  Gelegenheit  aufsparen  und  nur  noch  kurz  hervorheben, 
dafs  ganz  im  Gegensatz  gegen  die  frühern  Herausgeber,  Avelche  bei 
Lucrez  jede  Freiheit  für  möglich  hielten,  L.  auf  Grund  der  allerge- 
nausten  Beobachtungen  dem  Dichter  seine  Stelle  unter  den  casli  poe- 
tue des  7.  Jh.  anweist,  welche  ihre  Verse  nach  festen  Regeln  bauten 
und  in  Behandlung  ihrer  Sprache  gewifsenhafter  und  weniger  willkür- 
lich waren  als  selbst  die  Dichter  der  augusteischen  Zeit, 

Ich  w  erde  zum  Schlufs  zur  kurzen  Besprechung  einiger  Texfes- 
verbefserungen  übergehn  *).  Der  Archetypus  war,  um  mit  L.s  Wor- 
ten zu  reden  'passim  detrilus,  corrosus,  sordibus  obductus,  aliqua 
etiam  parte  lacer.'  Nimmt  man  dazu,  dafs  der  durch  ihn  repraesen- 
tierte  Text  noch  an  älteren  Corruptelen  und  Interpolationen  litt,  so 
wird   man  begreiflich   finden ,   dafs  L.s  divinatorische  Thätigkeit  bei 


*)  Ich  werde  die.sen  letzten  Tlieil  der  Anzeige  namentlich  be- 
nutzen ,  um  den  Charakter  der  Arbeit  von  ßernay.s  einigermafsen  ge- 
nauer zu  bestimmen. 


Lacliinaiiii  u.  Cornays:  T.  Liicrcliiis  Ciinis.  067 

I.iicrez  iiiclir  als  bei  den  nieislcn  andern  Scliriflslelleni  sicii  gellend 
machen  konnle.  Ich  hal)c  die  Slellen  niclil  gii/.Ml ,  an  welche  I,.  die 
verbefsernde  Hand  gelegt  hal ;  aber  auf  jeder  Seite  last  sind  deren 
mehrere.  Eichsliidls  im  King^ange  er\\  ahnte  Anpreisung  der  ^^  ake- 
lieldschen  Ausgabe  war  durchweg  übertrieben  und  ungerechtfertigt; 
>vendet  man  dieselben  Ausdrücke  auf  L.s  Ausgabe  an,  so  kann  man 
der  Beistimmung  auch  späterer  Geschlechter  sicher  gewis  sein.  Be- 
weise für  diese  meine  Beluiuptung  durch  Anführung- einiger  der  schön- 
sten Emendalionen  zu  liefern,  halte  ich  für  unnüthig. 

Laciimann  war  der  erste,  der  eine  wahrhaft  wifsenschaflliciie 
.Kritik  bei  Lucrez  angewendet  hat.  Bei  so  heillos  verstümmeltem  Te.vt 
und  so  schw  ierigcm  Argument  ist  es  daher  natürlicii,  dafs  er  noch  nicht 
alle  Zweifel  gelöst ,  nicht  an  allen  Stellen  das  richtige  hat  trelfen 
können,  wenn  auch  gewis  nur  wenig  Stellen  zu  linden  sein  werden, 
wo  er  nicht  die  Schwierigkeit  erkannt  und  vielleicht  auch  auf  den 
richtigen  Weg  zur  Beseitigung  derselben  hingewiesen  hätte.  Bcrnays 
hat  an  weit  über  hundert  Stellen  von  L.  abweichen  zu  müfsen  ge- 
glaubt, und  wenn  ich  auch  nicht  überall  in  dieser  Beziehung  mit  iiini 
iibcrein.^timmen  kann,  so  darf  man  es  doch  nur  ein  ganz  besonders 
glückliches  ZusanimentrelYen  nennen,  dafs  gerade  ein  so  scharfsinni- 
ger, gelehrter  und  besonnener  Mann  wie  Bernays  die  Bccognition  von 
l.achnianns  Arbeit  übernommen  hat.  Seine  Ausgabe  fufst  natürlich  auf 
der  Lachmannschen  und  er  selbst  schreibt  auf  dem  Titel  nicht  recensuit 
I.  B.  sondern  recognovit  I.  ß.,  aber  trotzdem  hat  er  für  Lucrez  auch 
nach  L.  mehr  geleistet  als  manch  einer,  der  sein  recensuit  unbedenklich 
voranschreibf ,  und  es  ist  gewis,  dafs  schon  jetzt  seine  Ausgabe  eine 
durchaus  nothwendige  Ergänzung  der  L. sehen  ist  und  dafs  die  gröfsere, 
die  Avir,  wie  ich  gehört  habe,  von  ihm  zu  erwarten  haben,  es  in 
noch  viel  höherm  Grade  sein  wird. 

Gleich  beim  ersten  Anblick  unterscheidet  sich  die  von  B.  be- 
sorgte Textausgabe  von  der  L. sehen  dadurch,  dafs  sie  eine  verhältnis- 
mäfsig  mehr  gleichmäfsige  Orthographie  festhält.  Da  nemlich  Lucrez 
schwerlich  je  Schulautor  gewesen  und  gewis  nur  verhälfnismäfsig 
selten  abgeschrieben  worden  ist,  so  haben  sich  in  seinen  IIss.  Spuren 
der  alten  echten  Schreibweise  theils  unverkürzt  theils  in  mehr  oder 
weniger  leicht  zu  bestimmenden  Corruplelen  erhalten.  L.  hat  mit  selt- 
ner Genauigkeit  alle  dem  nachgespürt  und  wo  die  alte  Schreibweise 
durch  handschriftliche  Autorität  festbegründet  schien,  sie  in  den  Text 
aufgenommen;  er  hat  überhaupt,  wofür  man  ihm  nicht  genug  danken 
kann,  darnach  gestrebt,  namentlich  die  handschriftliche  Textgestal- 
tung, soweit  sie  auf  die  ältesten  Quellen  zurückzuführen  war,  in  die- 
ser Beziehung  festzuhalten  und  zu  reproducicren.  Er  konnte  dies  um 
so  eher,  als  durch  die  unter  den  Text  gesetzten  Abweichungen  der 
handschriftlichen  Autorität  die  nöthige Ergänzung  dazu  geliefert  wurde. 
B.  konnte  diese  Ergänzung  nicht  hinzufügen,  und  da  seine  Ausgabe 
aufserdem  für  weitere  Kreise  bestimmt  war  als  die  L.sche ,  so  hat  er 
mit  Recht  im  ganzen  die  Orthographie  angewendet,  welche  man  ge- 


668  Laclimanii  u.  Bcrnays:  T.  Lucrelius  Carus. 

geuwärtig  in  den  Dichtern  des  sogenannten  goldnen  Zeitalters  festzu- 
lialleii  ptlegt.  Ich  hätte  dies  dem  Charakter  der  Ausgabe  nach  noch 
consequenter  durchgeführt  gewünscht;  wenn  z.  B.  11,  955  relicui  mo- 
tusvilalis  für  vitales  gedruckt  ist,  so  scheint  mir  dies  nach  L.s 
Plane  sehr  gereciilferligt ,  für  eine  editio  Teubneriana  aber  unpassend. 
Ebenso  liest  man  IV,  397  (ed.  Bern.)  extant  — montis  für  mon- 
les;  und  so  noch  öfter.  Die  Unmöglichkeit,  die  Abweichung  der  hand- 
schriftlichen Autorität  anzuführen,  hat  B.  auch  dazu  veranlafst,  die 
einzelnen  Worte,  welche  entweder  er  selbst  oder  L.  oder  schon  frü- 
here zur  Ausfüllung  kleinerer  Lücken  conjiciert  haben,  durch  Cursiv- 
schrift  hervorzuheben.  Ich  wünschte,  er  hätte  dies  auch  bei  den  mei- 
sten der  andern  bedeutendem  Emendationen  gethan;  denn  gerade  bei 
Lucrez  trifft  es  sich  nicht  sollen,  dafs  man  mit  gröfserer  Sicherheit 
das  Wort  bestimmen  kann,  welches  in  den  llss.  ganz  verloren  gegan- 
gen ist,  als  dasjenige,  welches  in  irgend  einer  der  schlimmsten  Cor- 
ruptelen  bis  zur  Unkenntlichkeit  verunstaltet  worden  ist.  So  z.  B. 
hätte  das  von  L,  dem  Lucrez  zugewiesene  manticulari ^  welches  B, 
nicht  blofs  mit  seinem  Vorgänger  II,  547,  sondern  aufserdem  auch 
noch  111,  240  in  den  Text  genommen  hat,  diese  Bezeichnung  verdient. 

In  der  Vorrede  hat  B.  einige  Hauptgesichtspunkte  hervorgehoben, 
von  wo  aus  er  namentlich  zu  Abweichungen  vom  L. sehen  Text  gekom- 
men ist.  Dafs  er  der  Interpolation  ganzer  Verse  einen  etwas  gröfsern 
Kaum  anweist  als  dies  L.  gelhan  hat,  darüber  habe  ich  mich  schon 
geäufsert.  In  den  Text  gekommene  Glossen  hat  er  ebenfalls  mehr 
nachgewiesen,  wie  ich  unten  zeigen  werde.  Ganz  glücklich  ist  er 
auch  in  seiner  Aufmerksamkeit  auf  Homoeofeleula  und  dem  ähnliches 
gewesen.  Ein  Beispiel  davon  habe  ich  schon  oben  gegeben;  hervor- 
heben will  ich  hier  noch  die  schöne  Verbefserung  zu  VI,  509,  zu  wel- 
cher er  auf  diesem  Wege  gekommen  ist.  Dieser  Vers  heifst  in  den 
llss.  a\so:  confertae  nuhes  viventi  mittere  certanl.  Aus  dem  unver- 
ständlichen viventi  hat  L.  das  allzukünslliche  umentia  gemacht;  B. 
denkt  es  sich  aus  irisrenti  entstanden,  welches  im  folgenden  Verse 
denselben  Platz  einnimmt,  und  schreibt  imbris  demiltere^  einfach 
und  richtig.  Wenn  übrigens,  um  dies  beiläufig  zu  bemerken,  B.  zu 
IV,  493  erklärt,  es  sei  zweifelhaft,  ob  das  irrige  7iecessest  am  Schlufse 
aus  490  oder  aus  495  in  den  Vers  gekommen  sei,  so  glaube  ich,  zwei- 
felt B.  mit  Unrecht.  Vs.  492  schliefst  mit  colORES,  494  mit  odORES ; 
der  Abschreiber  konnte  also  bei  mangelhafter  Aufmerksamkeit  am 
Ende  von  493  sich  leicht  zum  Schlufse  von  495  verirren.  Mit  wel- 
chem Recht  B.  in  Bezug  auf  die  Versetzungen  ganzer  Verse  an  ein- 
zelnen Stellen  von  L.  abweichen  zu  müfsen  geglaubt  hat,  darüber 
werde  ich  unten  noch  einiges  mittheilen.  —  Ich  werde  nun  der 
Reihe  nach  über  einige  Verse  sagen,  was  mir  darüber  bemerkens- 
werth  scheint. 

I,  120  f.  haben  die  Hss. :  etsi  praeterea  tarnen  esse  Acherusia 
tempin  Ennius  aeternis  exponit  versilins  edcns.  B.  läfst  die  hand- 
schriftliche Lesart  ungekränkt;  L.  verändert  edens  in  eidem  {^oimu.); 


Lacliniann  ii.  ßemays:  T.  I.iicrcliiis  Cariis.  6G9 

und  (las  ohne  alles  Bedenken  mit  Recht.    Ich  glauhe,  um  jeden   davon 
zu  überzeugen,  brauche  ich  nur  auf  L.s  Worte  noch  einmal  aufmerk- 
sam zu  machen:  ^edcns,  quod  niillum  pondus  addil  senloutiae:  sed  vin- 
culo  opus   est,  quo  iunganlur   iiaec    cum    su(>erioribus.'    —    Vs.  230 
lügt  B.  mit  Hecht  die  Kommata  inmilteu   des  Verses  und  nimmt  siip- 
perf//flrt/ als  transitives  Verbun\;  dafür  spricht  die  Zusammenslellung 
mit  af/'l ,  (HKjel .,  pascil  und  Vs.  1031  desselben  Huches:   efficil  nt  lar- 
(jis  aridum  mare  fUtniinis  midis  Iiilegreiil  amnes  etc.     Dafür  spricht 
auch,  dafs  bei  L.s   Auffafsung  iiigemti  ein  ganz  müfsiges  Flpilheton  zu 
fonU's  wäre;  denn  ein  Gegensatz  gegen  arte  facti  kann  es  doch  nicht 
sein  sollen,    externaque   larye  aber  kann  ich  nicht  mit  15.  für  richtig 
halten,  da  ich  mir  keine  interna  ßiimina  denken  kann;   man  niufs  mit 
L.  schreiben:  extenlaque  lange.  —   Vs.  271  conjicierte  L.  für  das  un- 
verständliche corfiis  abweichend  von  den  frühern:  cauics;  B.  hat  die 
alte  Conjectur  pon/um  wieder  aufgenommen  und  darin  stimme  ich  ganz 
mit  ihm  überein,  denn  au  den  ^^'ellen  des  Meeres  treten  die  ^^'irkHn- 
gen  des  rerhevare  viel  ersichtlicher  hervor  als  an  den  Klippen.     Pa- 
laeographisch  haben  beide  Conjecturen  gleichen  Werth.  —    Vs.  356  f. 
haben  die  Hss.:  quod  nisi  inania  sinl .,  qua  possent  Corpora  quaeque 
Transire  haiid  nlla  valerenl  ratione  rideres.     L.  ändert   in  356  nichts 
und  liest  357  also:  fransire  haud  ulla  fieri  ratione  videres.    B.  liest: 
quod  nisi  inania  sint.,  qua  corpora   quaeque  raferent   Transire   haud 
nlla  fieri  ratione  rideres.    B.  hat  das  richtige  getroffen;  denn  nur  bei 
seiner  Lesart  kann  man  sich  die  Entstehung  von  talerent  in  Vs.  357 
erklären.    Dies  wurde  verdrängt  durch  das  Glossem  possunt  und  ver- 
drängte wiederum  durch  einen  Zufall  fieri  in  357  ganz  ebenso,  wie 
wir  es  weiter  unten  noch  bei  einem  andern  Verse  sehn  werden.  — 
Vs.  469  liest  L. :  7iamqne  aliut  per  sest,  aliut  regionibus  ipsis  Even- 
ttim  dici  polerit  quod  cnmque  erit  actum.    Die  Hss.  haben  das  ganz 
unpassende  terris  für  per  sest;  L.s  Conjectur  bringt  aber  etwas  in  den 
Text,  wovon  hier  gar  nicht  die  Rede  sein  kann,   und  wogegen  jedes- 
falls  regionibus  keinen  ausreichenden  Gegensatz  bildet.    Es  kann  nichts 
anderes  hier  stehn  als  seclis,  was  B.  hat.    Der  Gegensatz  ist  dann  ganz 
derselbe  wie  481  f.:  sed  magis  ut  merito  possis  eventa   vocare  Cor- 
poris, atque  loci,  res  in  quo  quaeque  gerantur.     Sechs  und  regioni- 
bus stehn  für  tempore  und  loco  und  sind  diese  Ausdrücke  nur  dem  ge- 
wählten Beispiele  mehr  angepasst.  ■ —   Eine  schwierige  Stelle  ist  Vs. 
599  f.,  schwierig  namentlich  insofern,  als  Lucrez  hier  zwei  ganz  ver- 
schiedene  Dinge,    nemlich  die    denkbar    kleinsten,    sowie   die   in 
Wirklichkeit  kleinsten  Theilchen  der  Dinge  mit  demselben  Namen 
bezeichnet.    Die  Atome  müfsen  in  Wirklichkeit  untheilbar  sein,  aber 
der  Gedanke  kann  sie  noch  in  unendliche  Theile  zerlegen.    Sunt  igitur 
solida  primordia  simplicitate ,  Quae  mtnimis  stipata  cohaerent  par- 
tibus  arte  etc.     Hier  sind  die  minimae  partes  die  denkbar  kleinsten 
Theilchen.    Anders  dagegen  628,  wo  unter  minimae  partes  sicherlich 
die  real  kleinsten  zu  verstehn  sind;  wo  der  Sinn  der  Verse  also  der 
ist:  wenn  man  nicht  der  Theilung  ein  bestimmtes  Ende,  eine  feste 


670  Lachmann  ii.  Bernays:  T.  Lucretius  Canis. 

Grenze  setzt,  so  bleibt  zuletzt  nichts  übrig,  woraus  etwas  neues  sicli 
bilden  könnte.  Denique  ni  minimas  in  partis  cuncfa  resolvi  Cocjere 
consuesset  rerum  natura  creatrix,  lam  nil  ex  Ulis  eadem  repurare 
■valeret  Propterea  quta,  quae  nullis  sunt  partihus  aucta,  Non  pos- 
sunt  ea  quae  debet  genitalis  habere  Materies ^  varios  conexus,  pon- 
dera,  piagas,  Concwsus ,  motus,  per  quae  res  quaeque  geruiUur. 
In  den  Hss.  steht  628  si  viinimas  ^  so  dafs  man  hier  auch  die  denkbar 
kleinsten  Thcilchen  wieder  zu  verstehn  hiitte,  um  den  nothwendigen 
Sinn  herauszubekommen ;  es  scheint  aber  befser  wegen  der  unmittel- 
bar vorhergehenden  Verse:  rictus  fateare  necessest  Esse  ea  quae 
nullis  iam  praedita  partibus  exlent  Et  minima  constent  natura  etc. 
die  andere  Bedeutung  vorzuziehn  und  ni  zu  schreiben.  Dagegen  hat 
Vs.  631  nullis  partibus  eine  andere  Bedeutung  als  625  und  zwar  eine 
Vs.  610  entsprechende:  aus  denjenigen  Theilchen,  welche  sich  zuletzt 
auch  der  Gedanke  nicht  weiter  zerlegen  kann,  vermag  die  Natur  nichts 
zu  schaiTen,  denn  sie  sind  eben  nichts  und  haben  demnach  auch  we- 
der Gewicht  noch  Bewegung  u.  dergl.  So  ist  ein  nothwendiger  und 
passender  Abschlufs  für  die  Argumentation  gewonnen  ;  denn  diese 
sollte  eben  erweisen,  dafs  man,  um  die  Natur  der  Atome  zu  bestim- 
men und  zu  finden,  der  Theilung  der  Dinge  ein  bestimmtes  Ende  setzen 
müste.  Durch  L.s  Lesart  multis  partibus  kommt  etwas  an  den  Schlufs 
der  Argumentation,  was  mit  derselben  gar  nichts  zu  thun  hat  und  was 
überhaupt  gar  nicht  mehr  erwiesen  zu  werden  brauchte.  Auch  leidet 
der  Schlufs  auf  diese  "Weise  an  einem  unheilbaren  Widerspruch;  denn 
dafs  qiiae  multis  sunt  partibus  aucta  wenigstens  pondera  haben 
niüfsen,  das  versteht  sich  doch  von  selbst.  Sollte  jemand  glauben, 
dafs  wegen  des  sich  anschliefsenden:  qua  propter  qui  materiem  re- 
rum esse  putarunt  Ignem  atque  ex  igni  summam  consistere  solo  etc. 
multis  partibus  vorzuziehn  sei,  so  ist  er  im  Irlhum;  denn  denjenigen, 
welche  entweder  Feuer  oder  Luft  u.  s.  w.  für  die  einzige  Grundlage 
aller  Erscheinungen  halten,  wirft  Lucrez  nicht  vor,  dafs  sie  Grundstoffe 
annehmen  multis  partibus  aucta,  sondern  nullis  partibus  aucta;  vergl. 
Vs.  740  If.  B.  liest  in  dieser  Stelle  wie  L.  —  Abweichend  von  diesem 
schreibt  er  Vs.  805  IT. :  et  nisi  tempestas  indulget  tempore  fausto  Im- 
bribus ,  ut  tabe  nimborum  arbusta  racillent,  Solqiie  sua  pro  parte  fo- 
vet  tribuitque  calorem,  Crescere  non  possint  fruges  arbusta  animan- 
ies.  In  den  Hss.  steht:  imbribus  et  tabe  nimborum  etc.  L.  stellt  dem- 
nach die  Verse  um  und  construiert  folgendermafsen :  et  nisi  tempestas 
indulget  tempore  fausto  Solque  sua  pro  parle  fovet  tribuitque  calo- 
rem ,  Imbribus  et  tabe  nimborum  ambusta  vacillent  etc.,  wobei  am- 
busta  tabe  nimborum  höchst  auffallenr'  und  durch  ambusta  pruinis  gar 
nicht  zu  rechtfertigen  ist.  Das  Verfahren,  welches  B.  eingeschlagen 
hat,  ist  einfach,  natürlich  und  sich  wie  von  selbst  ergebend.  —  Eine 
schöne  und  geistreiche  Conjectur  ist  die  von  B.  in  II,  28  aufgenom- 
mene: nee  domus  argento  fulgenti  auroque  renidet.  Nee  citharae  re- 
boant  laqueata  ar quataque  tecta.  Die  Hss.  haben  aurataque ,  was 
wegen  des  auroque  im  vorhergehenden  Verse  nicht  wohl  zu  ertragen 


Laclimniin  ii.  nrniays;  T.  I.iicrcliiis  Carii.«.  671 

ist.     Die  Lesart  der  Quart  lls.  mnoataque  sclieint  iiocli  dazu  für  B.  zu 
sprechen;  indes  ist  es   doch  möglich,  dafs  L.   mit  seinem  ornuiaqite 
der  Wahrheit  eben  so  nahe  gekommen  ist  und   auroataque  nur  um  so 
deutlicher  verrälh,  daCs  die  ganze  Corruptel   durch   eine  Verirning  in 
das  darühersleliende  anroqiie  enislanden  ist.     IIand.schrif(liciie  Lesart 
ist  auch  noch  tcuipla  liir  lecln  und  da  hei  iMacrohitis  VI,  2  Icmpe  dafür 
zu  lesen  ist,  so  glaubt  der  neuste  Herausgeber  des   Macrobius  tcnipla 
dopitell  gereciitferligl.     Icii/pe   ist  aber  aus  der  I'aralielslelle  des  Vcr- 
gil  in  den   Lnerezischen   Text  gekommen    und    uar   vielleicht  an  den 
Rand  geschrieben  zum  Zeichen,  dafs  in  dem  bei  Lucrez  nun  nnmillcl- 
bar  folgenden   Verse  das   beschrieben  wird,  was  Vergil  in  [ritjida 
tempe  darstellt.    VI,  4,  21  hat  auch  Macrobius  tecta.     Derselbe  hat 
auch  auralaqne;  dies  beweist,  dafs  der  von   ihm  benutzte  Codex  mit 
unserm  Archelypns  sehr  libereiuslimmte,  vielleicht  gar  derselbe  war. 
—  Durchaus  ausgezeichnel  ist  die  von  D.  in  der  Vorrede  vveitlaufliger 
entwickelte  Emendalion  zu  II,  42  und  43:  sl  non  forte  tnas   legwnes 
per  loca  campi  beriH're  cum  Videos^  belli  simitlacra    dentis,   Hubsi- 
diis  maijnis  hastatis  conslnbililas  Oma  tos  armis  pariter  pariler- 
qiie  atninatas.    Die  Hss.  haben:  sttbsidiis  viagnis  epicuri  constabi- 
litas  Ornatas   armis    itastuas    tnriterque   animalas.     L.    schreibi : 
subsidiis  niagnisque  elephunlis  constabilitas  Ornatas  armis,  va- 
tidas,  pariterqne  animatas.     Kpicuri,    so  conjiciert  B.,  ist  nichls 
als  das  in  den  Text  gekommene  Glossem  eTri'xovQoi,  was  man  gerade 
bei  einem  philosophischen  (iedicht   nicht   auffallend  finden   kann,   da 
dies  nur  von  griechisch  gebildeten,  vielleicht  auch  von  Griechen  selbst 
viel  gelesen  wurde.    Das  dadurch  verdrängte  hastatis  gerieth,  wie  in 
dem  üben  schon  besprochenen  Verse,   in  die  darunter  stehende  Zeile 
und  verdrängte  das  erste  pariter.     Wie  epicuri  auf  dem   Wege  der 
einfachen  Corriiptel  aus  elepliantis  hätte  entstehen  können,  ist  wegen 
des  \A'egfalls  des    bei   elepliantis  nolhwendigen   que  um  so   weniger 
zu  erklären.  —    Vs.  98  geben   die  Hss.   und  ebenso  auch  L.   und  B.: 
partim  intervalUs  tnagnis  confulta  resiiltant.    Die  einzig  mögliche, 
von  L.  vorgetragene  Erklärung  für  confitlta  ist  aber  allzu  praeguanl ; 
eine  kleine  Aenderung  ist  nölhig;  man  mufs  conpulsa  lesen  wie  II, 
563:  numquam  in  concilium  ul  possint  compulsa  coire. —  Vor  II,  165 
nimmt  L.  eine  Lücke  an : 


nee  persectari  primordia  singula  quaeque, 
iit  videant  qua  quicqtie  geratur  cum  ratione. 
At  quidam  contra  haec ,  ignari  materiai, 
naturam  non  passe,  deum  sine  numine,  rentur 
tonte  apere  kumanis  rationibus  atmoderote 
tempora  nmtare  annorum,  frugesque  creare  etc. 

Was  in  der  Lücke  gestanden  haben  mag,  scheint  mir  von  L.  richtig' 
und  erschöpfend  angegeben  zu  sein.  B.  räumt  dieselbe  nicht  ein  und 
consiruiert  die  Verse  also:   At  qiiidam  contra  haec,  ignari  materiai, 


572  Lacliinann  u.  Bcrnays:  T.  Lucretiiis  Cariis. 

j^ecpersectatiprimordiasiiiffulaqtiaeque^  Vt  videant  qua  qtiic- 
uue  geratur  cum  ratione,  JSaluram  nun  passe,  demn  sine  tiumine, 
rentur  elc.  Mir  scheint  aber  in  dieser  Verbindung  contra  haec  doch 
iill/,n  vereinzelt  und  unmotiviert  gesetzt  zu  sein;  auch,  so  fürchte  ich, 
m()c\\\.ü  n'Ac\\  nee  persectali  \\o\\\  videreiit  nothwendig  werden.  An- 
ders wäre  es,  wenn  die  Negation  fehlte.  — '■  Vs.  342  hat  B.  die  L.- 
sclie  Conjcctur  parturiunl  für  das  handschriftliche  praeterea  ebenfalls 
in  den  1&\{  gQwomm&n:  par luriunt  genus  Immanum  mutaeque  na- 
tunles  Squamigerum  pecudes  et  laeta  armenta  feraeque,  Et  variae 
volucres  etc.  Aber  parturiunt  hat  hier  gar  keinen  Wertli,  möchte 
auch  zu  squatnigerum  pecudes  nicht  gut  passen,  und  das  durch 
das  Zeugnis  des  Nonius  *)  bestätigte  praeterea  unterliegt  kei- 
nem Bedenken,  wenn  man,  wie  ich  für  nothwendig  halte,  vor  342 
eine  Lücke  annimmt.  Der  Gang  der  Argumentation  ist  nemlich  folgen- 
der: Weil  der  Atome  so  viele  sind,  können  sie  unmöglich  alle  einander 
gleich  sein.  Einen  Beweis  dafür  liefert  schon  die  grofseManigfaltigkeit 
all  der  sinnlichen  Erscheinungen,  welche  unsere  Erde  zeigt.  Da  sind 
Flüfse ,  Seen,  Meere,  Berge,  Steine,  Kräutern,  s.  w.  praeterea  genus 
humanum  etc.  Und  alles  dies  ist  nicht  einmal  blofs  Gattung  von  Gat- 
tung, sondern  jedes  Individuum  in  seiner  Gattung  ist  wiederum  vom 
andern  verschieden:  quorumunum  quidvis  generatim  sumere  perge: 
Jnpenies  tarnen  inter  se  differre  fujuris.  Dafür  werden  drei  bewei- 
sende Bespiele  angeführt :  Vs.  349  IT.  367  ff.  und  371  ff.  Praeterea  in 
Vs.  367  hat  mit  dem  ersten  praeterea  in  Vs.  342  gar  nichts  zu  thun. 
—  Vs.  381  haben  die  Hss.:  perfacile  est  animi  ratione  exsolvere 
nobis.  B.  conjiciert  est  parili ;  L.  est  tali.  Ich  weifs  nicht,  warum  L. 
das  bequemere  parili  nicht  aufgenommen  hat;  denn  dafs  es  ihm  nicht 
eingefallen  sein  könnte,  ist  doch  kaum  zu  glauben.  —  Schwieriger 
ist  die  Stelle  Vs.  456  ff. :  omnia  postremo  quae  puncto  tempore  cernis 
Diffugere,  ut  fumum  nebufas  ßammasqite ,  necessest,  St  minus  om- 
nibu''  sunt  e  levibus  atque  rntundis,  At  non  esse  tarnen  perplexis  in- 
dupedita,  Pungere  uti  possint  corpus  penefrareque  sese.  Nee  tarnen 
haerere  inter  se ;  quod  cumque  videmus  Ventis  esse  da  tum, 
facile  ut  cognoscere  possis  Non  e  perplexis  sed  acutis  esse  elementis. 
Statt  videmus  ventis  esse  datum  schreibt  L.:  venenumst  sensibu''  sed 
rarum;  denn  die  Hss.  geben  nicht,  wie  ich  oben  nach  B.  geschrieben, 
sondern  videmus  sensibtis  sedatum.  Ich  halte  L.s  Conjectur  für  durch- 
aus unglücklich;  schon  die  Stellen  selbst,  um  nur  dies  eine  hervor- 
zuheben, welche  er  zur  Vertheidigung  derselben  heranzieht,  geben 
den  Beweis  dafür,  z.  B.  VI,  974:  denique  amaricinum  fugifat  sus  et 
timet  omne  Vnguentum :  nam  saetigeris  est  acre  venenum;  oder  Varro 
r.  r.  I,  2,  19:  eins  enim  salivam  esse  fructuis  venenum.  Rauch  und 
Nebel  kann  man  kein  venenum  für  die  Sinne  nennen.    Aber  auch  was 


*)  Das  Zeugnis  des  Nonius  ist  von  besonderer  Wichtigkeit,  weil 
er  nicht  wie  Macrobius  sich  eines  Codex  bedient  zu  haben  scheint, 
der  dieselben  Corruptelen  wie  der  Archetypus  zeigt. 


Laclimann  n.  Beniays:  T.  Lucroliiis  Carus.  G73 

B.  schreibt  ist  unpassend.  Die  ^^'inde  können  niclil  als  erläuterndes 
IJeispiel  zn  Dingen  ^cbrancht  werden ,  von  denen  Lucrcz  sagt:  facile 
Hl  cot/noscere  possis  Non  e  pcrpkxis  sed  acntis  esse  elemcnlis.  Den 
AN'iiulen  sind  acuta  elcnieiita  fremd;  verji:!.  VI,  685:  reiifns  eiiim  fit., 
nhi  esf  a(j/la)id(>  perciliis  aer.  Dazu  kommt,  dal's,  wenn  Lucrez  niclit 
eins  der  Vs.  457  genannten  Dinge  seihst,  vielmehr  ein  dem  3Iohn  in 
Vs.  453  analoges  Beispiel  ans  der  Zahl  der  ähnlichen,  ahcr  in  ihrer 
lelzicn  Ursache  leicht  crkennilichen  Erscheinungen  hätte  nehmen 
wollen,  er  an  die  Winde  nicht  denken  durfte,  weil  bei  diesen  die  wir- 
kende Ursache  ihrer  Eigenlhümlichkeit  nicht  mehr  zu  Tage  liegt  als 
hei  Mebel,  Rauch  und  Feuer.  Ich  glaube,  es  bleibt  nichls  übrig  als: 
ijiiod  cumque  videimis  Ignihus  esse  dafuni  etc.  Die  alle  Conjeclur 
seiit/hns  widerlegt  sich  durch  sich  selbst.  —  Vs.  517  schreibt  B.  nach 
L.s  Conjectnr:  amhit  enim  ealur  ac  friyns^  mediique  tepoies  Iiiler- 
vtraque  iaccnt  explentes  urdine  summaiii.  Die  llss.  haben  omii  is  enim 
und  ich  kann  mich  auch  jetzt  noch  nicht  von  der  iNothNvendigkeit  einer 
Aenderung  überzeugen.  Calor  und  fritjus  sind  noch  nicht  ttjnes  und 
gelidae  pminae,  wie  Vs.  515,  oder  ßammae  und  rigidae  prumae,  wie 
Vs.  521  hat.  Ignes  und  pruinae  bilden  die  änfscrsten  Grenzen  aller 
Temperatur,  und  zwischen  ihnen,  in  geordneter  und  ununlerbrochener 
Stufenfolge  den  Raum  ausfüllend,  liegen  calor ^  frigiis  und,  die  man 
weder  das  eine  noch  das  andere  nennen  kann,  mcdii  lepores.  Ich 
schreibe  demgemäfs:  omnis  enim  calor  ac  frigiis  mediique  fepores 
Inferufraque  iacent.  —  Vs.  579  scheint  mir  dem  ganzen  Zusammen- 
hange nach  aegris  kein  recht  passendes  Epitheton  zu  vugitibus;  es  ist 
demnach  vielleicht  befser,  es  in  acris  zu  ändern.  ■ — ■  Vs.  718  f.  liest 
L. :  sed  ne  forte  putes  animalia  sola  teneri  Legibus  his,  quaedam 
ratio  dislerminat  omnia.  his  quaedam  ist  handschriftliche  Lesart; 
umnia  dagegen  Conjectur  für  omnis,  welches  B.  in  omne  verändert. 
Noch  sicherer  und  einleuchtender  ist  seine  Veränderung  von  his  quae- 
dam in  hisce  eadem ,  wie  der  Zusammenhang  ohne  weiteres  erweist. 
• —  Ebenso  schön  ist  seine  Verbefserung  zu  Vs.  911:  at  nequeaiif  per 
se  partes  sentire  necessest:  Nam  ratio  sensus  memhrorum  respuil 
omnis,  Nee  manus  a  nobis  potis  est  secrela  neque  uUa  Corporis  omnino 
sensum  pars  sola  teuere.  Die  Hss.  geben  namque  alias  und  L. 
schreibt  namque  alio  sensus  m.  respicit  omnis.  Die  Lesart  von 
B.  ist  viel  einfacher  und  natürlicher  und  palaeographisch  gar  kein 
Wagnis.  —  Vs.  939  ff.  schreibt  L.:  ni  mir  um,  quia  maleries  disiecta 
tenetur  Aiire ,  fluminihus ,  terris,  aethraqne  creatis.  Nee  congressa 
modo  ritalis  conrenientes  Coniulil  inter  se  7nofus,  quibns  omni- 
tuen  tes  Accensi  sensus  animan  tum  concnter  eutur.  Die  Hss. 
geben  942:  omne  tuentes  und  943  animantem  qiiamque  tuentur.  B. 
liest  omnicientes  und  animantem  quamque  tuentur.  Ich  bin  zweifel- 
haft an  dieser  Stelle:  es  ist  nenilich  möglich,  dafs  /we«/?/r  in  943 
durch  das  tuentes  in  942  hervorgerufen  worden  ist,  und  dann  konnte 
der  Vers  vielleicht  gelautet  haben:  accensi  sensus  animante  in  qua- 
que  vigerenf;  oder  man  liest :  conlulit  inter  se  motus,  quibus  omni- 

N.  Jahrb.  f.  Plul.  u.  Paed.  Bd.  LXVIJ.    IJß.  6.  44 


674  Lachmann  u.  Bernays:  T.  Liicretius  Carus. 

luentes  Accensi  sensns  animante  in  qnaque  cicnlur.  L.s  Lesart  wie 
die  von  B.  wollen  mir  alle  beide  nicht  passen.  —  III,  173  ist  die 
richtige,  von  B.  leicht  und  glücklich  hergestellte  Lesart  L.  wunder- 
harerweise  verborgen  geblieben.  Die  Hss.  geben:  at  tarnen  inseqai- 
Inr  languor  lerraeque  petilus  Suavis  et  in  terra  mentes  qui  gitjni- 
Inr  aestus.  L.  schreibt:  terraeque  petilus  Suppus,  et  in  terra  men- 
iis  qui  ijignitur  aestus ;  B.  dagegen:  petifus,  üaevus  et  in  terra  etc, 
■ —  Eine  glänzende  Conjectiir  ist  die  von  B.  in  Vs.  198  angewandte: 
namque  papareris  aura  putest  suspensa  lecisque  Cogere  ut  ab  siimmo 
tibi  diffluat  altus  acermts,  At  contra  lapidum  conlectum  Caiirtt' 
movere  Noenu  pofest.  Die  Hss.  haben  das  von  L.  ausreichend  als 
irrig  erwiesene  spicarumque.  L.  conjiciert  Spiritus  acer.  Aber  CA- 
RUMQUE  und  CAUKUMüUE(liE)  haben  viel  mehr  Aehnlichkeit  mit- 
einander; wie  SPI  enistehn  konnte,  bleibt  freilich  noch  im  dunkeln. 
• — •  Leid  thut  es  mir,  dafs  B.  in  Vs.  234  L.s  Beispiel  verlafsen  hat; 
hier  geben  die  Hss.  und  mit  ihnen  B. :  nee  calor  est  quisquam,  cui 
non  Sit  mixtus  et  aer.  Et  aber  ist,  wie  L.  richtig  bemerkt,  ganz 
>vertiilos  und  für  eliam  von  Lucrez  schwerlich  gebraucht  worden'); 
er  schreibt  demnach:  mi  mixtus  non  siet  aer.  Wahrscheinlich  hat 
das  vergefsene  und  dann  noch  nachträglich  hinzu  bemerkte  e  aus  siet 
die  Corruptel  veranlafst.  —  Vs.  238  IT.  geben  die  Hss. :  7iec  tarnen 
haec  sat  sunt  ad  sensum  cuncta  creandum ;  Nil  hör  um  quoniam  re- 
cepit  m e  n s  posse  creare  Sensiferos  molus  quaeda m  quae  m en  te 
voiutat.  L.  schreibt:  nil  hurum  quoniam  recipit  quem  posse  creare^ 
Sensiferos  motus  quaedam  vis  menti''  voiutat;  dagegen  B. :  nil 
hör  um  quotiiam  recipit  res  posse  creare  Sensiferos  motus.,  quid  am 
quod  m  anli culantur.  Hätte  aber  Lucrez  sich  wirklich  zu  der 
von  B.  ihm  zugeschriebenen  Behauptung  berechtigt  gefültlt,  so  würde 
er  sicherlich  sich  weitläufliger  darüber  geäufsert  haben.  Bei  L.  mis- 
fällt,  dafs  der  vierte  Bestandlheil  der  Seele  im  Gegensatz  zu  den  drei 
andern  so  ganz  besonders  als  ti^s  mew^'s  hier  bezeichnet  wird,  während 
die  unmittelbar  darauffolgende  Beschreibung  desselben  keine  Veranla- 
fsung  dazu  gibt.  Ich  glaube,  die  Corruptel  ist  unsern  Verbefscrungs- 
vcrsuchen  überlegen;  nur  den  Sinn  dürfte  folgendes  ungefähr  trelfen: 
nil  horum  quoniam  recipit  res  posse  creare  Sensiferos  motus ,  quibu'' 
constel  cumque  voluntas:  d.  h,  die  erst  genannten  drei  Bestaudtheile 
genügen  nicht,  um  die  Seele  zu  bilden.  Sie  können  ja  nicht  als  aus- 
reichende Veranlafsung  der  Emplindung  betrachtet  werden ,  um  so  we- 
niger als  auf  dieser  zuletzt  der  freie  AN'ille  des  Menschen  beruht.  Vgl. 
z.  B.  IV,  881  ff.:  dico  animo  nostro  primum  simulacra  nieandi  Acci- 
dere  atque  animum  pulsare^  ut  diximus  ante.  Inde  voluntas  fit  etc. 
~  Bei  L.s  Umstellung  von  296.  97.  98  ist  allzu  leicht  möglich,  dafs 
L.  den  Dichter  verbefsert;  ich  glaube  deshalb,  dafs  B.  mit  vollem 
Recht  die  Verse  so  ordnet,  wie  sie  in    den  Hss.  aufeinander  folgen. 


*)  Ja  Bezug  auf  diesen  Gebranch    von    et   weicht   B.    auch   ander- 
wärts vun  L.  ab;  meines  Dafürhaltens  mit  Unrecht. 


Laclimanii  ii.  Bcrnays:  T.  Lucrcliiis  Carus.  675 

■ — Vs.  420  scheint  mir  B.  (Iaj2:cgen  sclir  ung-lücklicli  licrsfeslclit  zu 
liabeii:  innic  (i(je  •,  iKttivos  aniDiantihus  et  mortalis  Esse  miiiiios 
animasqne  levis  vt  noscere  possis ,  Conquisila  diu  dulcique  reperta 
labore  r erpetiia  percjam  disponcre  earniinn  vita.  Lucrez  niiisfe 
doch  glauben,  in  seinem  Leben  das  Gedicht  einmal  zu  Ende  zu  brin- 
gen, und  sollte  er  auch  das  nicht  geholTl haben,  das  4.,  5.  und  6.  Buch 
handeln  doch  von  andern  üingon  als  von  der  Eudlicliktit  der  Seele. 
Die  Hss.  geben:  üitjna  tua  —  vila.  L.  schreibt:  diijna  tun  pergam 
disponere  carmina  cura. —  Vs.  440  IT.  liest  L. :  quippe  eleiiim  corpus^ 
qnod  vas  quasi  constilit  eius,  (Juam  cohibere  nequit  cunquassatum 
ex  aliqua  re  Ac  rare  factum  detracto  sanytiine  teiiis,  Aere  qui  credas 
passe  hanc  cuhiberier  ullo?  Corpore  qui  nostro  rarus  maijis  is  co- 
hibessi t?  Die  IIss.  haben:  in  cühibescit.  ß.  liest:  aere  qui  credas 
j)Osse  hanc  cohiberier  ullo  ^  Corpore  qui  nostro  rarus  mayis  usque 

l iques  cit?    Ich  halle  für  richtig: ullo  .^  Corpore  qui  nostro 

rarus  mag i''  tantopere  extet?  MAGISINCÜIÜBESCIT  und  MA- 
GITANTOPERESTET  *)  liegen  nicht  gar  so  weit  auseinander.  —  Vs. 
531  haben  die  Hss.:  scinditur  atque  animo  haec  quoniam  natura 
iiec  uno  Tempore  sincera  existit,  mortalis  hahendast.  L.  schreibt: 
scinditur  11  sque  adeo  haec  quoniam  etc.  Der  Genetiv  animae 
scheint  aber  kaum  enlbehlich  und  deshalb,  wie  ich  glaube,  nament- 
lich schreibt  B. :  aeque  animae  haec.  Vielleicht  thut  man  noch  befser, 
haec  ganz  wegzulafsen  und  sich  die  Corruptcl  also  entstanden  zu  den- 
ken: ANIMIAECONIAM;  so  dafs  AE  ursprünglich  übergeschrieben  ge- 
wesen und  dann  in  den  Text  gekommen  wäre.  —  Eine  grölsere  Cor- 
ruptel  ist  in  Vs.  620: 

615     denique  cur  animi  numquam  mens  consiliumque 

gignitur  in  capite  avt  pedibus  manibusve.,  sed  unia 

sedibus  et  certis  regionihu   pectoris  hacref, 

si  non  certa  loca  ad  nasceiidum  reddita  cuique 

sunt,  et  ubi  quicquid  possit  durare  creafum 
620    atque  ita  nmltimodis  perfectis  artubus  es se^ 

membrorum  ut  numquam  existat  praeposterus  ordo? 

usque  adeo  sequitnr  res  rein,  neque  ßamma  creari 

fluminibus  solilast  neque  in  igni  gignier  algor. 
Also  L, ;  die  IIss.  haben  perfotis  a.  e.  ,•  B.  partitis  a.  e.  L.  und  B. 
irren,  wie  ich  glaube,  darin,  dafs  sie  die  von  Lucrez  beabsichtigte 
Zweilheilung  verwischen.  Sie  ist  folgende:  das  geistige  Leben  kann 
nie  in  den  Händen  oder  in  den  Füfsen  sich  entwickeln,  weil  jedes 
Ding,  um  zu  entstehn,  an  bestimmte  locale  Bedingungen  gebunden  ist, 
und  weil  jedes  Glied  seinen  bestimmten  Zweck  und  Nutzen  hat,  dem 
es  allein  dient  und  keinem  andern.  Wie  das  entstehende  Ding  selbst 
eingerichtet  sein  soll,  ist  hier  ohne  Bedeutung.  Ich  vermuthe  also: 
er ea tum  Atque   ita  multimodis  pa  rttlust  artubus  usus. 


♦)  Vielleicht  war  die  ursprüngliche  Lesart    auch:    mage  tantopere 
extet. 

44* 


(37C  Lacltmaun  u.  Berviays:   T.  LucrcUus  Cariis. 

Membrornm  ut  mimquam  etc.  —  IV,  199  IT.  geben  die  Hss. :  praeierea 
si  qiiae  penilus  corpuscula  rerum  Ex  altoque  foras  mittunlur  ^  solis 
Uli  lux  Ac  vapor ,  luiec  puncto  cernunfur  lapsa  diei  Per  tutum  cueli 
spulium,  diffundere  sese  Perque  volare  mare  uc  terras  caelumque  ri~ 
(jare.  caelumque  ritjare  ist  wegen  des  vorhergehenden  Verses  uner- 
träglich; L.  verändert  es  deshalb  in  cir  c  nmque  rigare;  B.  setzt 
dmn  ganzen  Vs.  :!03  nach  188:  in  quo  tarn  rjcnere  est  solis  lux  et  va~ 
por  eius  Propterea  quia  sunt  e  prirnis  facta  minutis,  Quae  quasi  cu~ 
duntur  perque  aeris  intercallum  Non  dubilant  Iransire  sequenti  con~ 
cita  plaga  Perque  volare  mare  ac  terras  caelumque  rigare.  Ich 
balle  den  Vers  für  interpoliert;  er  ist  nach  V,  592  gemacht.  —  Vs. 
209  ff.  lauten  bei  L.  und  ß.  also: 

hoc  etiam  in  primis  specimen  verum  esse  videtur, 
quam  celeri  motu  rerum  simulacra  ferantur, 
quod  simul  ac  primum  sub  diu  splendor  äqual 
ponitur  ^  extemplo  caelo  stellante  serena 
sidera  respondent  in  aqua  radiantia  mundo, 
iamne  vides  igitur  quam  puncto  tempore  imago 
aethens  ex  oris  in  terrarum  accidat  oras? 
quare  etiam  atque  etiam  mitti  fateare  necessest 
Corpora  quae  f'eriaiit  oculos  visumque  lacessant. 
üer   Gang  der  Argumentation   ist    nach  dieser  Anordnung  folgender ; 
'Nun  noch    ein  Beispiel  für  die   ungeheure  Schnelligkeit  der  Bilder- 
chen:  du  mufst  also  gestehn,  dal's  immerwährend  Körperchen  den  Din- 
gen entströmen,  welche  unsere  Gesichts-,  Geruchs-  und  Geschmacks- 
nerven treffen.''     Gewis  eine  auffallende  Argumentation:  und  dieselbe 
ist  noch  dazu  erst  künstlich  hergestellt,  denn  die  Hss.  geben  Vs.  216 
also:  quare  etiam  atque  etiam  mira  fateare  necessest.,   so  dafs  es 
deutlich  wird,  wie  wir  in  Vs.  216  den  verstümmelten,  sonst  ganz  feh- 
lenden Schlafs    des  nächstvorhergeiienden,  mit  Vs.   176  beginnenden 
Abschnitts  haben.    "^So  mufst  du  doch  also  gestehn,  dafs  die  simula- 
cra in  wunderbarer  Schnelligkeit  sich  bewegen.'    In  welchem  un- 
mittelbaren   Zusammenhange    Vs.  217  —  28    mit   dem    vorhergehenden 
standen,  wage  ich  jetzt  nicht  mehr   anzudeuten;   früher  hatte  ich  mir 
die  Sache  einmal  also  gedacht:  quare  etiam  atque  etiam  mira  fateare 
necessest  [Perpetuo  ßuere  ac  dimitti  mobilitote]  Corpora  quae  feri- 
ant  oculos  visumque  lacessant;  Perpetuoque  fluunt  etc.     Mit  dem  An- 
hang Vs.  218 — 28  schien   nvir  Lucrez  selbst  nicht  zufrieden   gewesen 
zu    sein   und  ihn  deshalb   durch  wiederholte  Aufnahme  in  VI,  923  if. 
hier  beseitigt  zu  haben.  —    Vs.  397  geben  die  Hss.:  exstantisque 
procul  medio  de  gurgite  montis;  L.   und  nacli  ihm  B.  lesen:  exsfant 
usque ;  usqiie  scheint  mir  hier  bedeutungslos.     Die  Corruptel  entsland 
wahrscheinlich  dadurch,  dafs  das  im  Verbum  selbst  ausgelafsene  und 
nachträglich  dazu  bemerkte  is  durch  einen  schon  oben  erwähnten  Zu- 
fall zwischen  Verbum  und  Partikel  gerielh.    Zu  schreiben  mag  sein: 
exis tun  tque  procul  medio  de  gurqite  inuntes.     Der   Index  in   der 
Eichstädtschcn  Ausgabe  gibt  die  nötbigcn  Beispiele.  —    Vs.  462  liest 


Lacliiiiann  ii.  Roriijiys:  T.  Fjicroliiis  Canis.  677 

]j.:  cetera  de  f/encre  hoc  miracli  mvlln  ridennts.  Qiiae  riolore  p- 
dcm  quasi  seiisihits  otuiiia  quaerimt-  Die  IIss.  «^chcn  (J;i.s  Ichlcrliaflo 
v//raiide^  wciclics  F..  auch  in  419  sclioii,  wie  ychiiliiend .  emciidiert 
Iial.  H.  liest  nicht  miracli^  sondern  miraciüa ;  ich  kann  niiraher  \M)hl 
denken,  Avie  miracio  und  miracli  in  mirande  liat  übergehn  können; 
bei  miracnla  kann  icl)  mir  dies  nicht  erklären.  Will  man  miracli  in 
462  nicht  zugehen,  so  liegt  miranies  viel  näher.  —  Vs.  633  geben 
die  llss. :  nvnc  aliis  aiins  qiii  sil  cibiis  vi  rideamvs,  lürpediam 
qttareve  aliis  qtiod  trisle  et  an/amnist,  Hoc  tarnen  esse  aliis  possit 
perdaice  rideri,  Taniaque  in  liis  rebus  distaiitia  dilj'eritasqiie ;  17 
qiiod  ali  cihus  est  aliis  fual  acre  nenenum.  Da  L.  und  B.  tit  ridea- 
miis  und  expediam  in  dieser  Verbindung  zusammen  für  unerlrüglich 
hielten,  so  änderten  sie  ersteres,  L.  in  unicus  aptus,  B.  in  suppedila- 
tiis.  Vielleicht  kann  man  es  ganz  uugckränkt  lafsen,  Menn  man  im 
folgenden  Verse  quareque  schreibt  und  nicht  wie  die  Hss.  quareve : 
JSunc  aliis  alias  qui  sit  cibus  ut  rideawus ,  Expediam  quareque  aliis 
qiiod  friste  et  amarinnst  ^  Hoc  tarnen  esse  aliis  possit  perdulce  videri^ 
Tantaque  in  his  rebus  etc.  Lucrez  setzt  nemlich  im  folgenden  wirk- 
lich nur  auseinander,  warum  dasselbe  dem  einen  bitler,  dem  andern 
süfs  schmeckt,  warum  dasselbe  für  den  einen  nahrhaft,  für 
den  andern  lödtend  ist.  —  Vs.  959  lesen  L.  und  B.:  fit  ratione  ea- 
dem  coniectus  partim  onimai  Altior^  atque  foras  eiectns  largior  eins. 
Et  divisior  inter  se  ac  disfractior  actus.  Die  Hss.  geben  intus;  ich 
schreibe  ipsast;  vgl.  Vs.  944  IT.:  ßt  uti  pars  inde  animai  Eiciatnr, 
et  infrorsum  pars  abdita  cedat.,  Pars  eliam  distracta  per  artus  non 
queat  esse  Coniuncla  inter  se  iieqne  motu  miifua  funr)i.  —  V,  201  geben 
die  Hss.  principio  quantum  caeli  tecjit  impetus  imjens .^  Jude  avidam 
partem  montes  silraeque  ferarum  Posscdere  etc.  L.  conjiciert  ali~ 
quam,  B.  aride;  vielleicht  hiefs  es  amplam.  —  Vs.  1007  ff.  lauten 
bei  L. :  tum  pevuria  deinde  ciüi  langnentia  leto  Membra  dabat^  contra 
nunc  verum  copia  mersal.  Uli  inprudentes  ipsi  sibi  saepe  venenum. 
Vergebant ,  nunc  se  nudant  soUerlius  ipsi.  Die  Hss.  lafsen  in 
1010  nunc  se  aus  und  L.  glaubte  gerade  in  dieser  Weise  die  Lücke 
ausfüllen  zu  niüfsen,  weil  so  Vs.  1010  am  besten  mit  1008  harmonierte. 
Die  Hauptsache  aber,  so  glaube  ich,  ist,  einen  Gegensalz  gegeu  10' 9 
zu  finden,  und  dem  scheint  die  alle  von  B.  aufgenommene  Lesart  nunc 
danl  aliis  mehr  zu  genügen.  Nur  möchte  ich,  damit  ipsi  nicht  zu 
müfsig  steht,  lieber  patribiis  oder  etwas  dem  ähnliches  ergänzend  also 
schreiben:  minc  dani  [patribns]  soltertius  ipsis.  —  VI,  178  f.  lautet 
in  den  Hss.  plumbea  vero  Glans  etiam  longo  cursu  volvenda  quies- 
cit.  L.  schreibt  calescit,  B.  liquescit;  aber  letzteres  steht  den  Zügen 
der  Hss.  ferner  und  deutet  auf  eine  Erscheinung,  welche  in  rerum  na- 
tura schwerlich  vorkommt.  Lucrez  wenigstens  kennt  diese  Erschei- 
nung nicht.  —  Vs.  220  schreibt  L.  :  quod  super  est,  quali  natura 
praedita  constent  Fulmina .  declarant  ictu  loca  inusta.,  vaporis 
Signa.,  noliteque  (jraris  haJantis  sulpiiris  auras.  Die  Hss.  geben  et 
m«s<rt  und  daraus  entwickelte  B.   eius  inusta  vaporis  Signa.    Ich 


678  Laclunann  u.  Bernays:  T.  Lucrelius  Canis. 

glaube,  es  müste  wenigstens  heifsen:  eiusexcvssav.s.  Vielleicht  schrieb 
Lucrez:  ictu  procusa  voporis  Signa.  —  Vs.  279  IT.  sagt  Liicrez  vom 
"V\  inde  :  nnm  duplici  ratione  accenditur,  ipse  sua  cum  Mobilitate  cales- 
ctf,  et  e  contaijibus  ignis.  Inde  tibi  percaluit  gravis  v  e  7iti  vis  ig  n  i 
Impetus  incessit ,  matiirum  tum  quasi  fulmen  Perscindit  subito  nu- 
hem  etc.  Die  Corruptel  in  Vs.  281  beseitigt  L.  folgender  Art:  inde  ubi 
percaluit  gravid  a,  aut  vis  ignis  et  acer;  B.  schreibt:  ««rfe  «i« 
percaluit  venti  vis  et  gravis  ignis.  Ich  hatte  einmal  conjiciert: 
inde  ubi  percaluit  gravi''  vis  venti  \et  ferus}^  ignis  Impetus  incessit.  Bei 
L.  wäre  nubes  als  Subject  zu  percaluit  zu  verstehn,  während  es  ventus 
sein  mufs.  —  Vs.  788  ff.  ist  bei  L.  und  B.  eine  durchaus  fehlerhafte 
luterpunction:  scilicet,  liaec  ideo  terris  ex  omnia  surgunt  Multa  nio- 
dis  multis  multarum  semina  rerum,  Quod  perrnixta  gerit  tellus  dis- 
cretaque  tradit.  Das  Komma  gehört  an  den  Schlufs  von  Vs.  788,  nicht 
an  den  von  789.  —  Vs.  802  ff.  lautet  in  den  Hss. :  carbonumque  gra- 
vis vis  atque  odor  insinuatur  Quam  facile  in  cerebrum,  nisi  aquam 
praecepiinus  ante!  At  cum  membra  domus  percepit  fervida  ser- 
vis.  Tum  fit  odor  vini  plagae  maclabilis  instar.  L.  bezieht  Vs.  804 
und  805  auch  auf  die  Kohlen  und  schreibt:  at  cum  membra  domus  per- 
cepit f  er  vidior  vis,  Tum  fit  odor  viri  plagae  mactubilis  instar. 
Ebenso  B,  Im  ganzen  stimme  auch  ich  damit  überein;  nur  scheint 
mir  der  Hauptgedanke  der  zu  sein:  Mst  die  Slacht  des  Kohlendampfes 
grofs  genug,  um  das  ganze  Haus  zu  füllen,  dann  wirkt  er  tödtend'; 
und  deshalb  möchte  ich  in  Vs.  80-4  nichts  sonderliches  ändern.  FER- 
UIDASEHUIS  und  FEUUIÜUSESTUS  scheinen  mir  in  der  Schrift^ 
gattung  des  Archetypus  fast  gar  nicht  voneinander  verschieden.  Vgl. 
noch  Vs.  823.  24.  26.  30.  925  ff.  Vielleicht  ist  gar  domus  nur  ein  in 
den  Text  gekommenes  Glossem  und  hat  ein  ^^'ort  verdrängt,  durch 
welches  vini  im  nächstfolgenden  Verse  seine  Berechtigung-  erhielt. 
Dann  wäre  et  cum  zu  schreiben.  Oder  domnus,  wie  die  Hss.  geben, 
ist  schliefslich  gar  nicht  aus  domus  corrumpiert.  Jedesfalls  bleibt 
meine  Lesart  in  Vs.  804  die  richtige.  Dafs  übrigens,  um  dies  noch  zu 
bemerken ,  die  aus  gährendem  Most  sich  entwickelnden  Gase  in  eng- 
geschlofsenen  Kellerräumen  die  in  Vs.  805  angedeuteten  Wirkungen 
haben  können ,  mögen  die  Alten  aus  eigner  Erfahrung  ebenso  gut  ge- 
wust  haben,  wie  wir  es  wifsen.  —  Vs.  955  geben  die  Hss  :  morbi- 
da  visque  simul  cum  extrinsecus  insinuatur  Et  lempestafem  terra 
caeloque  coorta  In  caclu7n  terrasque  remotae  iurae  facessunt  Quan- 
doquidcm  nil  est  nisi  raro  corpore  nextim.  L.  setzt  Vs.  955  nach  947 
und  schreibt  die  andern  also:  et  tempestate  in  terra  caeloque  coorta., 
In  caelum  terrasque  remotae  iura  facessunt;  Quandoquidcm  nil  est 
nisi  raro  corpori  nexu.  Vs.  958  ist  unbedenklich  so  zu  behalten,  wio 
ihn  L.  hergestellt  hat,  und  auch  B.  natürlich  hat  ihn  so  aufgenommen; 
während  derselbe  Vs.  955  an  seiner  Stelle  liefs  und  die  beiden  andern 
in  dieser  Form  wiedergab  :  e  tempestate  in  terra  caeloque  coortast., 
In  caelum  terrasque  remotas  iure  facessunt.  Ich  nuifs  bekennen,  dafs 
ich  seine  Lesart  nicht  verstehe;  Lucrez   schrieb;  morbida  visque  si~ 


Lewis;   Plalo  ;ij»';iint;l  lliu  iidicisls.  679 

tnul,  cum  extrinsecns  insimiatnr  ^  Et  lempes/afcs  aclhra  cae/at/ne 
cuorlae  In  caeliim  tcrrasque  remulus  iura  facessiiul;  (JiK/mlut/uidviit 
Uli  est  nisi  rare»  corpuiC  tiexu. 

Schulp lulle,  Hugo  Purmann. 


Philo  agaiust  Ihe  afheisfs;  or  Ihe  lenth  book  of  ihe  dialogue  oit 
UlWS ^  accoinpanied  with  critical  iiotcs  aiid  followetl  by  exteiided 
dissertations  o»  soinc  of  (lie  iiiain  poiiits  uf  the  Piatonic  philoso- 
phy  and  tlieoloyy,  esj)e(ially  as  compared  witli  the  holy  scriptu- 
res.  ßy  Taylcr  Lewis,  LL.  D. ,  Professor  of  the  greek  langiiage 
and  literature  in  the  University  in  the  City  of  New- York,  New- 
York,  Harper  et  Brothers.  1845. 

Es  kommt  so  seilen  aus  der  neuen  Well  eine  philoloffische  Er- 
scheinung zur  Besprechung-,  dafs  wir  es  wohl  unlernelimen  dürfen  die- 
selbe einer  Prüfung  zu  unlerzichn,  wenn  «^leich  schon  meiirere  Jahre 
veiflofsen  sind,  dafs  sie  in  New-York  herausgegeben  wurde.  Der  Verf. 
Tayler  Lewis,  von  dem  uns  sonsl  nichts  bekannt  ist,  macht  es  sich 
zur  Aufgabe  das  lOle  Bucb  der  plalonischeu  Gesetze  mit  besonders 
e.vegelischeni  Commeutar  versehn  seinen  Lesern  vorzuführen,  verbin- 
det damit  —  und  dies  möchte  sein  Hauptzweck  sein  -  -  ausführliche 
Excurse  hauptsächlich  über  praktische  Fragen  aus  der  platonischen 
Philosophie,  und  sucht  überall,  wo  es  angeht,  Vergleichungspunklo 
auf  aus  der  heiligen  Schrift  in  ähnlicher  Weise,  wie  es  bei  uns  von 
Ackermann,  Baur  u.  a.  geschehn  ist.  Dabei  ist  er  fern  davon,  den 
orthodoxen  Standpunkt  der  anglicanischen  Kirciie  zu  verlafsen,  glaubt 
aber  den  gereifleren  Studierenden  seiner  Universitäleti  die  Leclüro 
dieses  Buchs  empfehlen  zu  niüfsen,  um  sie  zu  veranlafsen  sich  mit 
den  Schöpfungen  Piatos  bekannt  zu  maclieu,  weil  er  ü!)erzeugt  isl, 
dafs  sie  dann  feind  der  verflachenden  Hichluug  der  modernen  Philoso- 
phie in  religiöser  Beziehung  weder  halbgelelirte  noch  ungläubige 
werden  würden.  'Wenn  das  schöne'  sagt  er  p.  XII  'etwas  mehr  ist 
als  eine  Verallgemeinerung  von  angenehmen  individuellen  Gefühlen ; 
wenn  das  gerechte  Untersuchungen  umfafst,  die  weit  erhaben  sind 
über  die  Fragen  der  Casuislik  moderner  Sillenlehrer;  wenn  das  Ge- 
setz eine  geistige  Gewalt  ist,  verschieden  von  der  Majorität  einer 
heuligen  \^  illensmcinung;  wenn  Gott  elwas  mehr  bedeutet  als  Gravi- 
tation oder  das  Fatum;  wenn  Strafe  und  Vergeltung  Ausdrücke  ent- 
halten von  höherem  Gewicht,  als  ihnen  modernes  Gesch\v  ätz  von  phy- 
sischen Consequenzen  zntheilen  will :  dann  isl  Plato  der  Schriftsteller, 
dessen  wahre  Religiosität,  dessen  tiefsinnige  Einfachheit  das  Gegen- 
gift gewährt  gegen  die  Uichlungen  unserer  Tage.' 

In  der  Vorrede  (14  S.),  die  Lew  is  seinem  Werke  vorausgeschickt 
hat,  bespricht  er  zunächst  den  Unterschied  zwischen  der  Darstellung 


(jl^O  Lewis :  Plato  againsl  the  atheists. 

Platos  in  den  Gesetzen  und  in  dessen  Staat,  kommt,  ohne  mit  den  An- 
siclilen  der  neueren,  wie  Hermann  und  Rettig,  beliannt  zu  sein,  auf 
den  vielfach  ventilierten  Titel  der  Republik,  und  will,  wie  andere,  dafs 
ihr  cig-entlich  mehr  der  Name  tte^I.  ölymCov  gebidire,  wie  er  sagt  au 
iiKininj  in  tu  the  nature  of  rü/hf,  und  zeigt  hierauf,  wie  er  für  sei- 
nen Zweck  mit  Platos  Meinung  Iheils  Aristoteles  und  die  griechischen 
Dichter,  theils  aber  auch  die  heilige  Schrift  verglichen  und  zu  ent- 
wickeln gesucht  habe,  auf  welche  Weise  die  Aussprüche  der  Ribel 
mit  denen  des  griechischen  Philosophen  übereinstimmen.  Was  den 
Text  begrilft,  erklärt  er,  nur  Bekker  und  Ast  gefolgt  zu  sein,  ^u-ho 
hardhj  (l/'lf'er  at  all,  either  in  words  or  in  punctuation.'  Obgleich 
dies  gerade  nicht  sehr  genau  sein  möchte,  so  wollen  wir  deshalb  mit 
dem  Verf.  nicht  weiter  rechten ,  sondern  vielmehr  uns  zu  dessen  Lei- 
stungen selbst  wenden. 

Der  Vorrede  des  Buchs  folgt  eine  ziemlich  ausführliche  Einlei- 
tung, die  Inhaltsanzeige  des  lOten  Buchs  der  platonischen  Gesetze, 
kein  Wort  jedoch  darüber,  ob  die  Gesetze  mit  Recht  den  echten  pla- 
tonischen Werken  beizuzählen  seien  oder  nicht,  so  sehr  auch  die 
sonst  so  ausführliche  Schrift  durch  ihre  vielen  Excurse  Veranlafsung 
dazu  finden  konnte.  K.  Fr.  Hermanns  Meinung  (Gesch.  der  piaton.  Philos. 
I  S.547),  dafs  sie  eins  der  herlichsten  Vermächtnisse  von  Platos  Weis- 
heit seien,  das  nur  von  der  höchsten  Einseitigkeit  und  Befangenheit 
des  Urtheils  für  unecht  erklärt  werden  konnte,  kannte  sicher  Lewis 
nicht.  Die  Wahl  übrigens  gerade  des  lOten  Buches  der  Gesetze  scheint 
darum  allerdings  eine  sehr  zweckmäfsige,  weil  kaum  in  einem  andern 
Buche  desselben  Werkes  so  viel  treflliche  Stellen  —  wir  nennen  die 
Ausführung  über  wahren  Gottesglauben,  über  das  Walten  einer  gött- 
lichen Vorsehung,  über  die  ewige  Gerechtigkeit,  über  Verletzung  des 
heiligen  —  gesammelt  sich  ünden  werden,  so  dafs  die  Schrift  nach 
Sochers  Ausdruck  eine  populäre  Theologie  bildet. 

An  die  Einleitung  scliliefst  sich  der  eigentliche  Text  des  lOlen 
Buches  (S.l  —  83)  mit  darunter  stehenden  selir  ausführlichen  englischen 
Anmerkungen.  Diese  Anmerkungen  werden  für  die  Kritik  wenig 
Ausbeute  liefern,  da  Lewis  sich  besonders  nach  Bekkers  und  Asts 
Ausgaben  richtet,  und  mit  andern  Ausgaben  der  neuesten  philologi- 
schen Litteratur  noch  nicht  bekannt  geworden  ist.  Verkennen  läfst 
sich  dabei  nicht,  dafs  der  Verf.  bisweilen  bestrebt  zu  sein  scheint, 
selbständige  Kritik  zu  üben  und  nicht  sklavisch  den  Spuren  seiner 
Vorgänger  zu  folgen,  wie  er  denn  namentlich  gegen  Ast  sich  wendet. 
So  nimmt  er  gegen  Ast  xrjv  öe  p.  898  in  Schutz;  ebenso  p.  899  £l"& 
oöTtg,  p.  903  ßehüo,  p.  91)7  tdv  xe,  ead.  p.  iv  enaßrcp,  obwohl  er  in 
diesen  und  andern  Stellen  doch  nur  die  Lesart  vertheidigt ,  die  sich 
bei  Bekker  und  in  den  neuesten  Ausgaben  Platos  findet.  Nicht  selten 
auch,  wenn  eine  richtigere  Lesart  aufgenommen  war,  versäumt  er  es 
seine  Quelle  zu  nennen,  als  sei  das  befsere  eben  sein  Eigenthum. 
Wichtiger  ist  das,  was  Lewis  für  die  Erklärung  geleistet  hat.  Folgt 
er  auch  hierbei  häulig  seinem  Vorgänger  Ast,   und  entlehnt  er  auch 


Lewis:  Plato  against  llie  alhcisls.  681 

manclies  aus  dessen  Ausg'ahe :  die  Erkliinm«'!',  die  Lewis  gibt,  liefert 
den  Beweis,  dai's  er  iiiclil  nur  Thilo  {iciiuii  üfoicseii ,  sotidern  aiicl« 
überluuii)!  mit  der  giiecliischeii  Liileradir  verlraiilere  HcUannlscIiaft 
gemacht  hat. 

Um  nur  an  einiges  zu  erinnern,  in  der  Stelle  p.  902,  in  welcher 
Plalo  davon  spricht,  dafs  wir  die  Götter  nicht  darin  für  schlechter 
als  die  Menschen  hallen  und  glauben  dürften,  dafs  sie  nur  das  grofse 
im  Auge  hallen ,  kleineres  aber  und  uui)cdeulenderes  ihrer  Aulnicrk- 
samkcil  nicht  würdigten,  vergleicht  er  die  (iollheil  in  der  Beziehung 
mit  Feldherren,  Slaalsmänuern,  Aerzlen,  von  denen  auch  anxuiieiinien 
sei,  dafs  sie  bei  dem  Blick  auf  das  ganze  nicht  etwa,  wollten  sie  an- 
ders sich  tüchtig  erweisen,  das  kleine  und  einzelne  vernachläfsiglen. 
Dabei  kommen  folgende  >\'ortc  nach  Bekker  vor:  laxQa  dr}  n^oGre- 
xay^iivQv  okov  xi  &eQa7tEveiv  ßovXo^evco  Kai  öwa^iva ,  tcov  ^£v  fis- 
yahov  inL^iEkov^iino,  xäv  ^OQt'av  öh  kol  CiiLKqav  d^elovvxi^  s^et 
Tiore  %aXcog  avrn  xb  nciv;  Lewis  übersetzt  dies:  ^when^  to  a  physi- 
ciati  who  is  bolli  irilh'iiff  and  competent^  ü  is  appoiiited  lo  heul  any 
who/e,  will  his  icorli,  as  a  irlwle,  be  in  a  conditioii  credilable  to  liiin^ 
attendin(j ,  or  if  he  atlends  only  to  the  great  portions,  irkile  he  ne- 
glects  the  snuill?'  Er  streitet  dabei  gegen  Ast,  welcher  ein  Komma 
nacb  iaxQfp  öf,  nicht  öi]^  wie  citicrt  wird,  setzte,  will  das  avx(5  mehr 
zu  TtQOßrexccyfisvov  herangezogen  wifsen,  da  es  sonst  überflüfsig  sein 
würde,  entfernt  sich  jedoch  mit  seiner  Erklärung  nicht  allzuweit  von 
der  von  Ast  gegebenen.  Daneben  verbreitet  er  sich  über  den  Ge- 
brauch von  TtQOöxexay^dvov  als  eines  Nominat.  absol.,  und  vergleicht 
damit  das  von  Thukydides  I,  125  gebrauchte  ßeöoyi.iivov  öh  avxoig^ 
weil  auch  das  Passiv  hin  und  wieder  so  vorkomme :  niiher  lag  es  ihm 
das  von  Lysias  in  IS'icom.  angewendete  gleiche  Verbnm  TTQOöiaxifh'  da- 
für anzuziehn.  Ausführungen  von  manchen  neueren  Erklärern  cnlgien- 
gen  ihm  freilich,  wie  er  auch  Engelhardt  nicht  zu  kennen  scheint,  der 
in  seinem  Anacoluth.  spec.  III  p.  40  eine  reiche  Sammlung  solcher 
Nom.  oder  Accus,  absol.  liefert. 

Zu  dieser  Stelle  gehören  übrigens  2  Excurse,  der  46sle  und  47sto 
der  Ausgabe  von  Lewis.  Im  46stcn  Excurs :  ^Pecnliarify  of  certain 
negative  forms  of  greek  i^erbs'  bespricht  er  die  Eigenthümlichkeit  der 
griechischen  Sprache,  dafs  sich  selten  —  if  ever ^  fügt  er  hinzu  — 
griechische  Verba  mit  a  privativum  in  der  medialen  Form  fänden,  und 
weist  mit  Hinblick  auf  iTH^clov^iiva  - —  a^i£lovvxi  auf  Beispiele  hin, 
wie  nd&o^icci  —  uTtsi&ko^  'i^öo^iai  —  «»/öe'co,  K')]dofxat  —  a%i]öico  u. 
a.,  Zugleich  aber  macht  er  auf  den  Unterschied  aufmerksam,  der  zwi- 
schen (xj]  S7ni.ieXei6d-at.  und  ai.iel£iv^  zwischen  (.uj  nei&eßd'ca  und  ansi- 
^eiu  und  anderen  slalt  findet.  Ein  zweiter  Excurs,  der  hierher  gehört, 
hat  zur  Ueberschrifl:  ^Great  things  cannot  exist  n-ithonf  small.  Ap- 
plication of  the  maxiin  to  the  doctrine  of  a  special  proridence  ^  edu- 
cation  and  to  politics.'  Indem  Le^^  is  den  piaionischen  Gedanken,  dafs 
die  Gottheit  das  grofse  wie  das  kleine  im  Auge  habe,  in  seiner  An- 
■wenduuff  auf  Erziehung  und  Politik  einer  kurzen  Erörterunar  unter- 


682  Lewis:  Plato  against  llie  atheisfs. 

>virft,  zeigt  er,  dafs  auch  Aristoteles  in  den  BB.  über  Politik  II,  2  eine 
iihnliche  Anwendung  auf  den  Staat  mache,  und  davon  abgesehen  wei- 
ter die  Gleicliheitslräume  der  Neuzeit  verwerte.  Für  das  letztere  zieht 
er  noch  Soph.  Aj.  151  an:  ngog  yag  rov  l'xov&  o  cpd-oi'og  e^Ttei  jctA., 
zum  Beweis  hauptsächlich,  dafs  die  destrucliven  Ideen  des  Jahrhun- 
derts dem  Altertiiuni  fern  gelegen  haben  —  ein  Gedanke,  der  sich 
mehrfach  in  dem  Buche  von  Lewis  wiederholt. 

Auch  im  Etymologisieren  versucht  sich  der  Herausgeber.  Frei- 
lich erkennt  er  selbst  das  schiefe  einer  Etymologie  wie  die  von  aya- 
-9^0?  —  ayeiv  \).  1  L. ,  und  zieht  deshalb  die  Ableitung  im  Kratylos 
vor,  nach  der  rb  aya&ov  so  viel  als  ro  ayaßxov  sei ;  Passows  und  Len- 
neps  Zurückführ ungen  des  Wortes  kannte  er  natürlich  nicht,  ebenso- 
wenig die  Bemerkung  Heindorfs  zu  der  Stelle  des  Kratylos:  ^  nun 
solum  to  ayaßrov,  sed  etiam  xo  &oov  verbo  aya&oi>  contineri  voluit 
h.  l.  Plato,  id  quod  ipse  declarat  p.  422  B.'  Dies  Etymologisieren 
geschieht  jedoch  von  Lewis  nur  beiläufig,  und  jedesfalls  sind  andere 
grammatische  Bemerkungen,  die  in  seiner  Ausgabe  vorkommen,  von 
weit  gröfserer  Bedeutung.  Nicht  gerade  solche  wie  p.  76  d.  A.  über 
(og  oxi  fidXißxa  und  derartige  Verstärkung  des  Superlativs;  auch  ist 
diese  Verstärkung  des  Superlativs  bei  Plato  nicht  so  selten,  wie  Le- 
wis anzunehmen  scheint.  Wir  finden  sie  wenigstens  aufserdem  noch 
in  den  Legg.  V  p.  751  B,  VI  p.  759  C,  Conv.  p.  218  D.  Aber  rich- 
tigere Bemerkungen  lesen  wir  über  öe,  dat,  öt],  cigcc,  oßa,  den  Gebrauch 
von  TtEQi^ivco ,  xivdvveva,  ov^ig)(ovi(o,  über  öfjkog  mit  Infinitiv  n.  v. 
a.  Erwarten  dürfen  wir  zwar  auch  hier  nicht,  dafs  alles,  was  über 
den  Gebrauch  dieser  Wörter  gesagt  ist,  überall  neu  genannt  werden 
könne;  es  zeigt  aber  wenigstens,  wie  schon  erwähnt,  dafs  Lewis  in 
ein  innigeres  Verständnis  seines  Schriftstellers  einzudringen  bemüht 
gewesen  ist. 

Den  Beschlufs  der  Ausgabe  von  Lewis  und  bei  weitem  den  gröfs- 
ten  Theil  des  Buches  bilden  S.  1- — 373:  Extended  notes  and  disser- 
tntions ,  von  denen  wir  zwei  bereits  benutzt  haben,  und  in  denen 
theils  einzelne  bedeutsame  platonische  Worte  ihre  Erklärung  finden, 
theils  Ansichten  des  Philosophen  einer  ausführlichen  Besprechung  un- 
terliegen. Daran  reihen  sich  am  Ende  des  Buchs  nochlndices  der  Stellen 
aus  Plato,  den  übrigen  classischen  Schriftstellern  und  der  heiligen 
Schrift,  die  erläutert  worden  sind,  ^^'ie  wir  schon  gesagt  haben,  und 
wie  es  der  Umfang  der  Excurse  schon  an  die  Hand  gibt,  so  enthalten 
sie  den  bei  weitem  wichtigsten  Theil  der  Schrift  von  Lewis.  Ohne 
zu  viel  Raum  für  die  Anzeige  derselben  in  Anspruch  nehmen  zu  wol- 
len,  nennen  wir  nur  einige  der  ausführlicheren:  I.  The  Plalonic  view 
of  the  parental  and  filial  relalions,  and  Ihe  ancicnt  doclrine  generally 
on  this  subject.  V.  Pialos  regard  for  antiquity  and  the  ancient  my- 
Ihology.  His  use  of  Ihe  word  &soi.  VI.  Pliilosophy  and  character  of 
Anaxagoras.  VIII.  Universality  of  the  belief  in  a  god.  Dazu  cf.  IX, 
XIU,  XIV.  XII.  Ancient  doclrine  of  the  four  Clements.  XVI.  Argument 
for  the  existcnce  of  a  god  from  niotion.  XIX.  Invocation  of  Ihe  divine 


Lewis:  Plalo  againsl  llic  alhcisfs.  683 

ald  in  Ihc  argumcnt.  Strikins?  cxaniplcs  of  Ihis  from  Ihe  otlicr 
(iialogucs.  XX.  Tlie  grcat  question  of  flie  ancicnt  soliools,  do 
all  Ihinjrs  flow?  wilh  a  skelcli  of  somc  of  llic  iniiuipal  inaleiialixitig 
er  allieistical  pliilosopliers  who  belonged  lo  Ihc  loiiic  and  lo  llic  pliy- 
sical  schüol  of  Elca.  XXIV.  Pliilosopliy  of  Ihc  verb  lo  be.  IMalonic 
uso  of  sl^L  and  yiyvoixai.  XXXI.  IMalonic  doclrinc  of  llic  cvil  princi- 
ple.  Of  cii'dyKi}  or  necessily.  XXXIl.  rialoiiic  analog-y  bctwccn  Ihe 
niolion  of  vovg  and  ipvxt'j  and  Ihal  of  a  spliorc  or  of  Ihc  heavcns.  XXXIV. 
Piatonic  doclrinc  of  Ihc  animalion  of  llic  hcavcnly  bodics.  Ancicnt 
belief  Ihat  each  nalion  had  ils  own  pccnliar  guardian  Dacnion  or  Ge- 
nius. XXXVII.  Sccond  grand  division  of  Ihc  argumcnt.  Doclrinc  of 
a  special  providencc.  Mislake  of  Cudworlh.  XXXIX.  Alhcislic  argii- 
menl  againsl  providcnce  drawn  from  Ihc  prosperily  of  Ihc  wicked. 
Piatos  languagc  comparcd  wilh  Ihat  of  Ihc  scriplnrcs.  L.  The  ancient 
maxim,  de  nihilo  nihil.  LIII.  Explanation  of  a  diflicult  passage.  Remarks 
on  those  views  whicli  rcsolve  nioralily  into  an  obediencc  lo  physical 
laws,  and  regard  all  pnnishnicnt  as  consequenüal  inslcad  of  penal, 
LV.  The  greek  words  for  etcrnity,  aioav  and  ccLcovLog.  LVI.  Piatos 
doctrine  of  Ihe  freedom  of  Ihe  will,  viewcd  in  conncxion  wilh  Ihe  law 
of  cause  and  effect  in  nature.  LX.  The  word  ayiog.  Excecding  spirilua- 
lity  of  some  of  Piatos  views.  Many  of  bis  thoughts  capable  of  bcing 
fairly  accoininodaled  to  a  spiritual  sensc  bighcr  than  thc  aulhor  him- 
self  had  intendcd  to  convey.  Difference  in  this  respect  between  bis 
wrilings  and  Ihose  of  all  philosopbers,  ancient  or  modern,  LXIII.  Doc- 
trine of  a  final  judgment.  Use  of  thc  word  awriXua.  LXVII.  Pialos 
doclrinc  of  thc  öai^oveg  or  Genii.  LXXIV.  Common  law  againsl  all 
private  religions.  Examinalion  of  Pialos  doclrinc  in  respect  to  cban- 
ges  in  the  public  v>orship  and  rcligion  of  Ihc  State.  LXXV.  Beliel  in 
apparitions,  ghosts,  spectres,  dreams  etc.,  the  same  in  all  ages. 

Wählen  wir  unter  diesen  angegebenen  weiteren  Ausführungen 
den  Isten  Excurs:  ^die  platonische  Ansicht  von  dem  Verhältnis  der 
Ellcrn  zu  den  Kindern',  so  kommt  der  Verf.,  indem  er  sich  an  dio 
Worte  anscblicfst  p.  885:  elg  öe  yoviag,  T^iVa,  yaqlg  xäv  l'jXTtQoa&ev 
£iQtj^i.iv(ov ,  orav  vß^i^rj  rtg  kxX.  auf  die  Differenz,  die  in  Beziehung 
auf  das  Verhällnis  der  Eltern  zu  den  Kindern  bestebt  zwischen  dem 
5tcn  B.  der  Republik  und  den  Gesetzen.  Er  erklärt  die  DitTcrenz  frei- 
lich auf  die  Weise,  wie  sie  einmal  bergebracliter  Mafsen  gedacht  wird. 
Schwer  konnte  es  ihm  nicht  werden,  in  den  Gesetzen  die  Stellen  zu- 
sammenzustellen, die,  man  darf  es  wohl  sagen,  die  Ehrfurcht  der 
Kinder  gegen  ihre  Eltern  als  eine  wirklich  religiöse  Pflicht  darstellen,» 
nicht  von  ihr  als  einer  gewöhnlichen  Pflicht  sprechen.  So  Legg.  XI  p. 
931  A — C,  wo  Plato  erklärt,  dafs  weder  ein  Gott  noch  ein  seines  Ver- 
slandes mächtiger  Mensch  rathen  werde,  die  Eltern  zu  vernachläfsi- 
gen  ,  und  wo  er,  nachdem  aus  den  alten  Sagen  von  der  Wirkung  des 
elterlichen  Fluches,  Maren  die  Eltern  von  ihren  Kindern  verachtet 
worden,  berichtet  ist,  noch  hinzufügt,  dafs,  wenn  jemand  Eltern  oder 
Grorsellern  von  Aller  entkräftet  in  seinem  Hause  habe,  diese  als  ein 


()S4  Lewis:  Plato  against  llie  allieisfs. 

Schaf/-  seines  häuslichen  Herdes  zu  belrachfen  seien,  und  keiner  mei- 
nen möge,  dal's  ein  GiUterbild  seines  Hauses  mehr  seiner  Verehrung 
Mürdig  sei.  Dasselbe  bekräftigt  Plato  nocli  einmal  p.  931  D,  indem  er 
hinzusetzt,  dafs  Gott  selbst  sich  freue,  ehre  man  in  geziemender  Weise 
Ellern  oder  Grofseltern.  Mit  dieser  Stelle  des  Plato  vergleicht  Lewis 
anfser  der  h.  Sehr.,  die  er  stets  dabei  zur  Hand  hat,  auch  die  Worte 
des  Sophokles,  Antig.  703: 

xi  ya(3  TtaxQog  &aXkovrog  evaleuig  reKvoig 

ciycili.ici  fict^oj^ ; 
Er  erläutert  ferner  Verse  aus  den  Fragmenten  des  Euripides ,  in  wel- 
clicn  gleichfalls  ausgesprochen  wird,  dafs  kindliche  Pietät  die  Quelle 
aller  Tugenden  sei,  und  neben  der  Ehrfurcht  vor  Gott  und  den  Ge- 
setzen sich  die  Ehrfurcht  vor  den  Eltern  als  dringendste  Pllicht  dar- 
stelle ;  auch  gibt  ihm  das  euripideische 

0)  TtatQog  iiiov  övßtijx'og  ctQa 
Veranlafsung  zu  zeigen,  welch  schweres  Gewicht  nach  der  Vorstel- 
lung des  Alterthums  in  eines  Vaters  Fluch  lag.  Andere  Aussprüche 
der  Gesetze  werden  noch  von  Lewis  erwähnt,  in  welchen  die  Pllicli- 
ten  aufgezählt  werden,  die  den  Eltern  gegenüber  zu  erfüllen  sind, 
und  die  nur  denen  nachstehen,  Melche  der  Gottheit  gebühren.  So  die 
Stelle  Legg.  p.  717,  in  der  es  heifst,  dafs  nächst  den  Göttern  den  Eltern 
die  gröfste  Ehre  zugestanden  werden,  dafs  diese  zum  Dank  dafür, 
was  sie  an  den  Kindern  gethan,  kindliche  Verehrung  und  liebende 
Sorge  im  Alter  umgeben  müfse.  Dafs  dieses  geschehe,  beaufsichtige 
die  Nemesis,  so  wie  denn  auch  den  Erzeugern  zu  Ehren  Denkmäler 
zu  errichten,  das  Andenken  an  sie  jährlich  zu  erneuern  sei.  Verglei- 
chen wir  damit  eine  andere  merkwürdige  Sentenz  p.  880  E,  so  sehen 
wir  die  strengsten  Mafsregeln  gegen  diejenigen  genommen,  welche 
mit  Verleugnung  alles  sittlichen  Gefühls  es  wagen  sollten  Hand  anzu- 
legen an  ihre  Eltern  oder  Grofseltern,  ja  es  ist  geradezu  gesagt,  dafs 
für  solche  ungeheure  Frevler  der  Tod  nicht  das  äufserste  sei ,  was 
sie  erwarte,  dafs  sie  noch  die  Strafen  der  Unterwelt  bedrohen. 

Ein  anderer  Excurs  V  schliefst  sich  an  die  AVorte  des  lOten  Bu- 
ches an  p.  886:  ov  (^aötov  ZTtixiiiav  Ttcdcnoig  ovGiv  Kxl.,  und  verschalft 
dem  Verf.  Gelegenheit,  sich  über  Piatos  Ansicht  über  die  alte  Mytho- 
logie und  den  Gebrauch  des  Wortes  &cOl  zu  verbreiten.  Indem  er  auf 
die  Aussprüche  des  Philosophen  über  die  Dichter  zu  reden  kommt,  er- 
läutert er  Rep.  p.  398  A  mit  einigen  Worten,  obschon  es  ihm  nicht  fern 
gelegen  hätte,  sich  darüber  ausführlicher  auszusprechen,  kannte  er 
»auch  nicht  namentlich  die  treftliche  Abhandlung  von  Dr.  Schramm  in 
Glatz  :  'Plato  poetarum  exagitator.'  Plato,  sagt  Lewis  weiter,  accommo- 
dierte  sich  an  die  hergebrachten  mythischen  Vorstellungen,  sofern  sie 
nur  den  reineren  sittlichen  Ideen  nicht  zu  sehr  widerstritten.  Plato 
nahm  ein  höchstes,  ewiges,  unaussprechliches  Wesen  an,  wie  es  die 
Republik  besonders  und  der  Timaeus  zur  Genüge  darthut,  das  Wort 
a>£ot  aber  ist  nach  Lewis  entweder  collectiv  zu  fafsen,  als  das  göttli- 
che überhaupt  (s.  darüber  Zeller:  Philos.  der  Griechen  II  S.  306),  oder 


Lewis:  Philo  agaiiisl  llic  allicisls.  085 

es  sind  darunter  die  Wesen  zu  vcrslelin,  die  Tlalo  aiiderw  iirls  mit 
dem  Nameu  iicä(xoveg  bezeiclinel.  Mil  dem  letzteren,  dals  der  Pliilo- 
sopli  nirklicli  an  solelie  «»(Hlliclie  ^^  esen  zweiten  Itanges  <>ej4laul)t 
habe,  sind  \>  ir  denn  IVeilicIi  niclit  einverstanden,  und  wir  iiabcn  dar- 
über kürzUcli  (die  Mythen  des  l'lato  S.  25)  l)erielilet,  aucli  slimmea 
für  unsere  Meinung-  deutsclic  ErUliirer  der  platonischen  Sebrilten;  aber 
immerhin  ist  die  Darstellung-  des  Verf.  lehrreich,  und  in  dem  5teii  wie 
in  dem  67slenExcurs  lindet  sich  vieles,  was  Icsenswerth  ist. 

So  ist  auch  lesenswerth  der  19te  Excurs,  welcher  von  der  An- 
rufung der  göttlichen  Hilfe  liandell,  wie  wir  ihr  in  Pialos  Dialogen 
olier  begegnen.  'Manche  christliche  Schriftsteller,  Philosophen  so- 
wohl als  Theologen"'  sagt  Lewis  '^können  hierbei  Unterricht  nehmen 
von  dem  griechischen  Philosophen.  \\  as  liifsl  sich  erhabeneres  den- 
ken als  die  Bitte  um  göttliche  Hilfe,  wie  sie  in  der  Untersuchung 
gegen  die  Gottesleugner  angerufen  wird?  p  893.  Es  ist  dies  ein  Ge- 
bet, welches  auch  das  reinste  Chrislenthum  nicht  errothen  wird  anzu- 
erkennen'. Und  allerdings  lesen  wir  solche  Anrufungen  mehrfach  in 
den  Werken  Piatos.  Auch  in  den  Gesetzen  kommt  ein  solches  Gebet 
noch  einmal  vor,  p.  712  B  im  4ten  B.  ^^afst  uns  Gott  anrufen"'  heifsl  es 
dort  'uns  bei  Begründung  unseres  Staates  Hilfe  angedeihen  zu  lafsen. 
Möge  er  uns  hören,  und  wenn  er  auf  unsere  Bitten  gehört  hat,  gnädig 
und  wohlwollend  zu  unserem  Beislandc  kommen,  um  gemeinschaftlich 
mit  uns  Staat  und  Gesetze  einzurichten  1'  Im  Phileb.  p.  25  B  wendet  sich 
Sokrates  an  Gott,  dafs  er  seinem  Flehen  Gehör  geben,  bei  seinen 
Untersuchungen  ihn  unterstützen  möge ,  und  in  der  vielerw  ahnten 
Stelle  des  Timaeus  p.  27  C  läfst  Plato  den  Timaeus  sagen,  dafs  alle  Men- 
schen, wofern  sie  nur  ein  wenig  Weisheit  besäfsen,  in  dem  Augenblicke, 
wo  sie  eine  grofse  oder  kleine  Unternehmung  beginnen,  immer  die 
Gottheit  anrufen;  ein  um  so  stärkerer  Grund  für  sie,  die  über  die 
wichtigsten  Angelegenheiten  zu  sprechen  sich  unterfiengen,  dafs  auch 
sie  die  Götter  und  Göttinnen  anriefen,  um  sie  anzuflehen,  ihnen  eine 
des  hohen  Gegenstandes  würdige  Sprache  zu  verleihen.  Als  Sokrates 
im  Begriff  ist,  den  verhängnisvollen  Becher  zum  Munde  zu  führen,  da 
bricht  er  in  die  Worte  aus  (Phaedo  p.  117  B):  'Zu  den  Göltern  mufs  ich 
flehen,  dafs  die  Wanderung  von  hier  zu  einem  andern  Leben  eine 
glückliche  sei.  Darum  flehe  ich,  und  möge  es  also  geschehen."  Und 
so  schliefst  auch  der  Phaedrus  des  Plato  mit  den  schönen  Worten:  '0 
geliebter  Pan  und  alle  ihr  anderen  Gölter,  vergönnet  mir  schön  zu  wer- 
den im  Innern,  verleihet  auch,  dafs,  was  ich  im  äufseren  habe,  dem 
inneren  befreundet  sei.' 

Diese  innige  Ueberzeugnng,  die  sich  in  den  platonischen  Schrif- 
ten kund  gibt,  dafs  wir  unsere  Gebete  an  Gott  zu  richten  haben,  steht 
auch  in  einiger  Verbindung  mit  der  platonischen  Ansicht,  dafs  es  eine 
göttliche  Vorsehung  gibt,  die  über  alle  Menschen -Nvacht.  Dies  führt 
Lewis  in  einem  andern  ,  wenn  auch  kürzeren  Excurs  aus,  in  dem  er  es 
sich  zur  Aufgabe  macht,  Piatos  Lehre  über  eine  göttliche  Vorsehung 
darzustellen.    Des  Philosophen  Worte  Legg.  p.  899,  dafs  es  Menschen 


686  Lindemann:  de  prima,  qiiae  in  convivio  Platonico  legilur,  orat. 

o-ebe  die  an  das  Dasein  Gottes  glaubten,  dem  ungeachtet  aber  anuäh- 
nicn  dafs  diese  sich  nicht  um  die  menschlichen  Angelegenheiten  küm- 
merten veranlafst  den  Verf.  zu  diesem  Excurs.  Wir  können  nur  mit 
ihm  übereinstimmen,  wenn  er  sagt,  dafs  die  bewundernswerthen  Be- 
weise welche  Plalo  dafür  bringt,  vollkommen  neben  den  Lehren  der 
h.  Sehr,  bestehen  können,  und  dafs  er  auch  in  dieser  Beziehung  mehr 
relif^iösen  Sinn  beurkundet  als  mancher  christliche  Schriftsteller. 

Wir  würden  leicht  noch  mehrere  Excurse  für  unsere  Darlegung 
wählen  können:  es  mögen  diese  genügen,  um  sowohl  auf  den  manig- 
fach  interessanten  Inhalt  derselben  aufmerksam  gemacht,  als  überhaupt 
die  philologischen  Leser  angeregt  zu  haben,  die  in  mehr  als  einer 
Rücksicht  nicht  unbedeutende  Schrift  des  amerikanischen  Herausgebers 
der  eigenen  Untersuchung  zu  unterwerfen. 

Eisenach.  Gustav  Schwanitz. 


Kürzere  Anzeigen. 


De  prima  ^  qnae  in  convivio  Platonico  legilur^  oratione.  Scripsit 
M.  Lindemann.  Programm  der  Kreuzschule  in  Dresden  Ostern 
1853.    41  S.  gr.  8. 

Eine  durchdachte  Abhandlung.  Zuerst  S.  1—3  steht  ein  kurzer 
Hinweis  auf  das  innere  gegenseitige  Verhältnis  der  fünf  ersten  Reden 
überhaupt.  Dann  wendet  sich  der  Hr.  Verf.  zunächst  zur  Darstellung 
des  Inhalts  und  der  Mängel  von  der  Rede  des  Phaedros.  An  dem  er- 
sten Theile  tadelt  er  zuvörderst,  dafs  der  Redner,  obschon  er  über 
das  Wesen  des  Eros  sprechen  will,  doch  nur  das  Alter,  d.  h.  die 
einzige  Eigenschaft  desselben,  welche  ihn  der  Verehrung  besonders 
empfahl,  hervorhebt.  Dabei  ist  aber  nicht  beachtet,  dafs  ein  zwie- 
facher Standpunkt  der  Beurtheiiung  möglich  ist,  nemllch  der  der  ge- 
gebenen Wirklichkeit  und  der  der  theoretischen  Forderung.  Geht  man 
von  der  Art  der  Lobrede  aus,  wie  sie  sich  als  Stilgattung  nun  ein- 
mal historisch  gebildet  hatte,  so  ist  Phaedros  Verfahren  durchaus  in 
der  Ordnung,  und  Teuffei,  gegen  weichen  der  Hr.  Verf.  polemisiert, 
hatte  ganz  Recht,  diese  Seite  hervorzuheben.  Vom  Gesichtspunkte 
der  dialektischen  Kritik  dagegen  mufs  allerdings  bei  irgend  zweideu- 
tigen Gegenständen  die  Voranstellung  einer  wirklichen  Definition  ver- 
langt werden.  Richtig  aber  bemerkt  Hr.  L.  den  Widerspruch  des 
oi/rco  nollaiöQ^fv  p.  178  C  gegen  die  geringe  Zahl  der  angeführten 
Zeugnisse,  von  denen  er  überdies  das  des  Parmenides  als  Einschiebsel 
streicht  (mit  Ast  und  Wunder),  das  des  Akusilaos  aber  gleichfalls  be- 
seitigt, indem  dieser  nach  Clem.  Alex.  IV  p.  629  meist  dem  Hesiodos 
gefolgt  sei,  so  dafs  nur  das  einzige  Zeugnis  dieses  letztern  übrig  bleibe. 
Allein  so  fest  steht  namentlich  der  zweite   Punkt,   d.   h.   die   Richtig- 


Lindemann :  de  prima,  qiiac  in  convivio  Plafonico  legilur,  oral.  687 

keit  der  Angabe  des  Clemens,  iiiclit,  so  fern  das  spätere  Alterthiim 
keine  echten  Schriften  des  Aktisilaos  mehr  gekannt  zu  haben  scheint, 
s.  Schömann  Greifsw.  Sommerkat.  1852  p.  JG.  Bedeutender  ist  es, 
wenn  der  Hr.  Verf.  hervorhebt,  wie  jedesfalls  der  Anführung  aller 
jener  Zeugnisse  die  mangelnde  Unterschei<!ung  des  Eros  im  kosmogo- 
nischen  und  andererseits  im  physisch-ethischen  Sinne  zu  Grunde  liegt, 
denn  nur  von  dem  erstem  reden  jene,  während  doch  Phaedros  eigent- 
lich vielmehr  die  menschliche  Liebe  im  Gedanken  hat  (S.  4—9).  — 
Zum  zweiten  Theil  der  Rede  oder  zu  den  Wirkungen  des  Eros  über- 
gehend, verwirft  Hr.  L,  zunächst  S.  9 — 11  mit  Recht  Wunders  Auf- 
fafsung,  welche  in  der  verdeckten  Empfehlung  der  sinnlichen  Knaben^ 
liebe  den  eigentlichen  Zweck  des  Vortrags  erblickt.  Richtig  bemerkt 
er,  dafs  Wunder  durch  die  vage  Sprechweise  des  Phaedros,  welcher 
allerdings  p.  17<S  C  ausdrücklich  sagt,  es  gebe  kein  höheres  Gut,  als 
Liebhaber  oder  Geliebter  zu  sein,  sich  täuschen  liel's  und  die  hinzu- 
gesetzte Begründung  aul'ser  Acht  gelafsen  hat,  aus  welcher  deutlich 
hervorgeht,  dafs  jene  Bezeichnung  als  höchstes  Gut  auf  die  Liebe  nur 
übertragen  wird,  weil  sie  die  mächtigste  Ursache  zu  dieser  Wir- 
kung, nemlich  zum  ^aXcög  ßtcivaL ,  zum  schönen  und  glücklichen  Le- 
ben, d.  h.  zum  höchsten  Gute  ist.  —  Aber  auch  bei  der  Auffafsung, 
welche  in  der  Liebe  zunächst  (p.  178  C— E)  den  Trieb  zur  Tugend 
überhaupt,  dann  specieü  zur  Tapferkeit  beim  Phaedros  ausgedrückt 
sieht,  beruhigt  sich  Hr.  L,  nicht,  glaubt  vielmehr,  dafs  auch  schon 
p.  178  C— E  bei  dem  y-alov  und  uiaxQov  lediglich  an  Tapferkeit  und 
Feigheit  gedacht  sei  (S.  11—14).  Sein  Hauptgrund  aber,  dafs  dies 
aus  dem  Beisatz  Si  dvuvSqiav  (p.  178 D)  erhelle,  beweist  nichts ,  weil 
dieser  Zusatz  ganz  selbstverständlich  ist,  indem  natürlich  keine  an- 
dere Untugend  als  die  Feigheit  dazu  bewegen  kann,  sich  eine  unwür- 
dige Behandlung  gefallen  zu  lafsen.  Daraus  folgt  jedoch  wahrlich 
nicht,  dafs  einzig  Feigheit  dazu  verleiten  könne,  seinerseits  selbst 
eine  unwürdige  Handlung  zu  begehn;  nach  Gorg.  p.  474  C  galt  viel- 
mehr auch  jede  Ungerechtigkeit  dem  populären  hellenischen  Bewust- 
sein  als  ein  alaxgöv.  Irthümlich  glaubt  ferner  Hr.  L.,  Ref.  habe  dem 
Phaedros  die  philosophische  Auffafsung  des  aiexQOv  und  v.aXov  unter- 
schieben wollen,  da  ich  doch  ausdrücklich  S.  206  meiner  Abhandl. 
(Philol.  VI)  den  Standpunkt  der  gesammten  fünf  ersten  Redner  als  den 
populären  bezeichnet  habe!  Endlich  greift  die  Behauptung,  dafs  das 
populäre  agfZT]  ebenso  wie  i^rtus  =  fortitudo  sei,  viel  zu  weit  und 
unterscheidet  nicht  den  römischen  Standpunkt  vom  griechischen,  wel- 
cher durch  das  Element  des  kuXÖv  eine  besondere  Färbung  bekommt. 
Allerdings  ist  ccqstt]  die  praktische  Tüchtigkeit,  die  harmonische  Aus- 
bildung des  Geistes  und  Körpers,  und  insofern  der  Grieche  hierin  die 
Männlichkeit  sucht,  treten  allerdings  Mannhaftigkeit  und  Tapferkeit, 
aber  nie  so  ausschliefslich  wie  bei  den  Römern,  in  den  Vordergrund. 
Gerade  deshalb  liegt  auch  dem  Phaedros  der  Uebergang  von  der  all- 
gemeinen ägsTT]  zur  speciellen  Kvdgi'a  so  unmittelbar  nahe,  und  in  so 
weit   ist  allerdings   der  von   Hrn.   L.    gegebene    Anstofs,    diese   Seite 


688  Lindemann:  de  prima,  qiiae  in  convivio  Platonico  legitur,  orat. 

schärfer  zu  betonen,  dankenswerth.  —  Recht  gut  zählt   der  Hr.  Verf. 
g    14 j^9  die  sonstigen  Mängel  des  Vortrags    auf.      Während   die  Be- 
weisführung des  ersten  Theils  nur  auf  den  kosmogonischen  Eros  passt, 
weil's   Phaedros   sodann   p.   178  C— 179  B    nur    von    den  Avohlthätigen 
Wirkungen    der   Liebe   unter   männlichen  Personen   zu   erzählen;   dies 
hindert  ihn  jedoch  nicht  p.  179  B  mit  einemmale   die  Alkestis  als  Bei- 
spiel liebender  Lebensopferung  anzuführen,  wobei  noch  dazu  das  Weib, 
der  hellenischen  Auffafsung  durchaus  zuwider,   als  der   liebende   Theil 
erscheint.     Während  er    p.    179  B   behauptet,    dafs   nur   die  liebenden 
einer  solchen  Aufopferung  fähig  sind,  veranlafst  ihn   nichts   desto  we- 
niger das  Beispiel    des   Achilleus    p.  179  E  ff.,  den  geliebten  ein   glei- 
ches zuzuschreiben.     Während  die  Liebe  p.   180  B    nur  in   den  lieben- 
den wohnt,  äufsert    sie   doch   p.   178  C,  E,    179  E  ff.  auch  in  den  ge- 
liebten ihre  Wirksamkeit,    wogegen   dennoch    wiederum   in  Bezug   auf 
Staat  und  Heer  ihre  Thätigkeit  durchaus  auf  die  liebenden-beschränkt 
wird.     Indessen  fragt  es    sich   doch,    ob    nicht   manche    dieser   Wider- 
sprüche blofs  formeller  Natur,    d.  h.    nur    auf  eine   vage   und   unklare 
Ausdrucksweise  zu  reducieren  sind. —  Die  Willkürlichkeiten  in  der  Be- 
handlung der  Mythen  und  des  Homeros  entwickelt  Hr.    L.   S.  16 — 19, 
bürdet  jedoch   wieder   dem   Phaedros   zu   viel   auf,    denn   kein   Redner 
wird  gehalten  sein,  alle  Gründe,  welche  Homer  für  Achilleus   Hand- 
lungsweise angibt,    darzulegen,    falls   nur   derjenige,    welcher  für  ihn 
passt,  und  welchen  er  daher   anführt,    wirklich  vorhanden  war.     Un- 
richtio    ist    es,    dafs   vTceQa-RO&vrjatiiiv  p.   179  E   in  einer  andern  Be- 
deutung stehe  als  vorher;  der  Sinn  ist:  seine  Handlungsweise  erstreckte 
sich  nicht  etwa  blofs  auf  das  geringere,    für  den  lebenden  zu  sterben, 
sondern  er  folgte  sogar  dem  todten  in  den  Tod.   —  Den    Grund    aller 
dieser  Mängel  sucht  der  Hr.  Vt^rf.  S,  19 — 29  mit  Recht  theils    in    der 
Kritiklosigkeit  des  Phaedros ,  theils  in  seiner  Begeisterung  für  die  da- 
malige sophistische  Rhetorik,  zu  deren  gewöhnlichen   Mitteln  nament- 
lich auch  die  absichtliche  Verdrehung  von  Mythen   und  Dichterstellen 
gehört.  Aehnlich  wie  Ref.  a.  a.  O.  S.  19if.  erkennt  auch  Hr.  L.  keine  spe- 
cielle  Nachahmung  der  Manier  des  Lyslas,  und  selbst  der  Hang  zu  Para- 
doxien,  aus  welchem  Phaedros  z.  B.  den  Achilleus  zum  Geliebten  des  Pa- 
troklos  macht,  ist  ihm  wohl  nicht  blofs  mit  der  lysianischen  Liebesrede  im 
Dialog  Phaedros, "sondern  überhaupt  mit  der  damaligen  epideiktischen  Re- 
dekunst gemeinsam.  Trügerisch  Ist  indessen  der  S.  28  angegebene  Grund, 
dafs   auch   Lyslas   dort   nur   als   Repraesentant   dieser  letztern  im  all- 
gemeinen in  Betracht  komme.  Denn   dort  ist   eben  Lysias   ihr   einziger 
Vertreter;  hier,  wo  mehrere  Redner  auftreten,  würde  an  sich  nichts  da- 
ran gehindert  haben,  sie  in  ihren  verschiedenen  besondern  Richtungen 
zur  Erscheinung  zu  bringen.  —    Allzu   gesucht    erscheint    es    dagegen, 
wenn  Hr.  L.  S.  29—32  die  Frage,  warum  Phaedros  geradein  der  Ta- 
pferkeit so  vorzugsweise  das  höchste  Gut  erblicke,  dahin  beantwortet, 
dafs  weichliche  Menschen  wie  er  gerade  am  meisten  die  Tapferkeit  zu 
bewundern  pflegen.     Ich  denke,  es  lag  einfach  in  der  oben  entwickel- 
ten Natur  der  populären  Tugend  begründet,    dafs,    wenn   Eros   über- 


Lindcmann:  de  prima,  qiiao  in  coiivivio  Plalonico  loirilur,  oral.  0*^0 

haupt  als  Erwecker  der  Tugend  gepriesen  werden  sollte,  d'e  Tapfer- 
keit dabei  die  erste  Stelle  einnelimen  innste.  Ebenso  ^^(Mli<^  wird  die 
Erklärung  des  (Jinstandes,  dafs  Phaedros  nicht  selbst  den  Antrag 
dem  Eros  Lobreden  zu  halten  stellt,  sondern  ihn  durch  den  Ervxinia- 
chos  stellen  läl'st,  aus  der  Trägheit  und  Schüchternlieit  {limiditn.s) 
des  erstem  befriedigen,  zumal  da  die  vorliegende  (Charakteristik  des 
Mannes  gar  keinen  Anhalt  bietet,  die  letztere  Eigenschaff  bei  ilim  an- 
zunehmen.  —  S.  32—35  begründet  Hr.  L.  die  Voranstellung  dieser 
Rede  vor  alle  andern  richtig  dadurch,  dafs  nicht  blofs  Phaedros  die- 
sen ganzen  Redewettkampf  in  Anregung  gebracht  hat,  sondern  dafs 
auch  sein  Vortrag  als  der  mangelhafteste  von  allen  in  einer  aufstei- 
genden Reihenfolge  an  den  Anfang  gehört.  Sodann  folgen  einige  trelf- 
liche  Winke  über  die  Berichtigungen,  welche  die  folgenden  Redner 
beibringen.  Richtig  ist  es  auch,  dafs  dem  Phaedros,  v>ie  dem  Aga- 
then, abweichend  von  den  drei  andern,  keine  bestimmte  Anschauung 
vom  Eros  vorliegt;  räthselhaft  dagegen  die  Behauptung,  der  erster« 
habe  zu  wenig,  der  letztere  zu  viel  in  der  Anordnung  des  Stolfes  sich 
nach  den  rhetorischen  Theorien  gerichtet.  Beide  Reden  gleichen  sieb 
vielmehr  auch  in  ihrer  äufserlich  mit  Strenge  durchgeführten  Dispo- 
sition, und  in  beiden  scheint  Piaton  haben  zeigen  zu  wollen,  dafs  ein 
solcher  logischer  Pormalismus  noch  keine  Gewähr  für  eine  bestimmte 
innere  Anschauung  von  der  Sache  bietet.  Was  Hr.  L.  S.  '2H  in  die- 
ser rein  formalen  Beziehung  an  Phaedros  Vortrage  auszusetzen  hat, 
so  dafs  er  sogar  mit  der  Ordnungslosigkeit  der  lysianischen  Rede  im 
Dialog  Phaedros  eine  Aehnlichkeit  findet,  bleibt  mir  unklar.  —  Die 
Schlufsentwicklung  (S.  35 — 41),  dafs  die  eigentliche  Zielscheibe  der 
platonischen  Polemik  in  Phaedros  Rede  die  sophistische  Zeitbildung 
überhaupt,  und  dafs  in  allen  fünf  Reden  nicht  blofs  die  theoretischen 
Ansichten  der  Redner,  sondern  auch  ihre  praktische  Charakteristik 
enthalten  sei,  wogegen  in  Bezug  auf  den  Sokrates  beide  Momente  in 
die  beiden  Schlufsreden  auseinander  getheilt  seien,  ist  zutrelfend,  bie- 
tet aber  nichts  neues  mehr,  s.  meine  Abhandl.  S.  196.  'H)6,  ausge- 
nommen die  Gründe  des  abweichenden  Verfahrens  beim  Sokrates. 
Aufser  der  so  erzeugten  grol'sern  Deutlichkeit  der  entscheidenden  End- 
entwicklung und  der  geringern  Wichtigkeit  praktischer  Charakteristik 
der  andern  Redner  nennt  der  Hr.  Verf.  den  Umstand ,  dafs  sonst  nicht 
wohl  die  Fiction  der  Dlotima  möglich  gewesen  wäre. 

Greifswald.  Fr.  StiscmUil. 


C.  Julii  Caesaris  commeniarii  de  hello  Gallico.  Für  Schüler  zum 
ölfentlichen  und  Privatgebrauch  herausgegebon  von  Albert  Do- 
bcrenz,  Professor  am  Gymnasium  in  HildburgKausen.  Mit  einem 
geographischen,  einem  grammatischen  und  Wortregister.  Voll- 
ständig in  einem  Bande.  Leipzig,  Druck  und  Verlag  von  B.  G. 
Teubner.  1«53.  VHI  u.  316  S.  gr.  8. 
Die  vorliegende  Ausgabe  von  Caesars  Bell.  Gall.  kann  mit  Ueber- 

zeugung  den  Gymnasien  empfohlen  werden.     Sie  ist   zweckmäfsig,  mit 
/V.  J(i/irb.  f.  I'hil.  n.  Paed.   Bd.  LXVII.   ///<.  0.  45 


690  Dobercnz :  Caesaris  commcnlarü  de  bello  Gallico. 

Erfahrung  und  Saclikenntnis  gearbeitet  und  enthält,  obwohl  zunächst 
für  Schüler  bestimmt,  auch  für  den  Lehrer  viele  brauchbare  Finger- 
zeige und  anregende  Bemerkungen.  Es  ist  immer  ein  Vortheil,  wenn 
Schulausgaben  von  IMännern  bearbeitet  werden  ,  bei  denen  mit  philo- 
logischen Kenntnissen  die  Erfahrung  verbunden  ist,  welche  die  Schule 
gibt.  Dies  ist  bei  der  gegenwärtigen  Bearbeitung  des  B.  Gall.  der 
Fall,  und  wie  sie  aus  einem  Bedürfnis  des  Herausgebers  bei  seinem 
Unterricht  in  der  Tertia  hervorgegangen  ist,  so  wird  sie  auch  man- 
chem Bedürfnis  abhelfend  entgegenkommen.  Wer  entweder  selbst  Cae- 
sar erklärt  hat  oder  wer  sich  noch  an  die  Jahre  erinnert,  da  er  als 
Schüler  zuerst  in  denselben  eingeführt  worden  ist,  wird  finden,  dafs 
Doberenz  meist  die  Punkte  getroffen  hat,  in  denen  der  Schüler  auf- 
merksam gemacht  werden  mufs,  weil  er  au fserdem  falsch  verstehn  oder 
mit  einer  oberliächlichen  Auffafsung  sich  begnügen  oder  über  Stellen 
hinwegeilen  würde,  aus  denen  für  den  Unterschied  des  lateinischen 
und  deutschen  Idioms  viel  zu  lernen  ist,  und  welche  zur  Befestigung 
und  Erweiterung  des  grammatischen  VVifsens  beizutragen  besonders 
geeignet  sind. 

Die  Punkte,  aufweiche  vorzugsweise  Rücksicht  genommen  wor- 
den ist  und  wodurch  sich  diese  Ausgabe  von  den  bisher  erschiene- 
nen unterscheidet,  gibt  Doberenz  selbst  in  der  Vorrede  an.  Es  sind 

1)  längere  Perioden  so  geordnet,  dafs  sie  der  Schüler  leichter 
übersehen  kann; 

2)  ist  Anleitung  gegeben  zum  freiem  und  gewandtem  Ueber- 
setzen  und  zur  Sprachvergleichung; 

3)  erhält  der  Schüler  Anweisung  zur  Befestigung  und  Erweite- 
rung seiner  grammatischen  Kenntnisse. 

Was  nun  den  ersten  Punkt  anlangt,  so  ist  es  Thatsache,  dafs, 
so  übersichtlich  und  klar  auch  Caesars  Darstellung  im  allgemeinen  ist, 
doch  die  in  längern  Perioden  stattfindende  Häufung  der  Nebensätze 
und  Participialconstructionen  es  auch  dem  schon  einigermafsen  ge- 
übten Leser  schwer  macht,  rasch  und  gewandt  zu  übersetzen.  Wie 
viel  mehr  Anstrengung  kostet  es  dem  Tertianer,  sich  zurecht  zu  fin- 
den und  das  Verhältnis  der  einzelnen  Glieder  der  Periode  richtig  ein- 
zusehn!  Zwar  das  wäre  kein  Nachtheil,  dafs  der  Schüler  zum  Ver- 
ständnis solcher  Perioden  längere  Zeit  brauchte:  könnte  er  das  rich- 
tige nur  allein  finden,  ohne  irgend  eine  Anleitung  und  ohne  dafs 
er  die  Lust  verlöre,  so  wäre  der  dadurch  entstehende  Gewinn jedes- 
falls  höher  anzuschlagen,  als  der  etwaige  Zeitverlust;  aber  nur  we- 
nige werden  sich  ohne  Anleitung  zu  helfen  wifsen,  und  Schwierig- 
keiten, die  nicht  zu  überwältigen  sind,  nehmen  dem  Schüler  die  Lust 
an  der  Leetüre.  Doberenz  hat  den  richtigen  Weg  zur  Abhilfe  einge- 
schlagen: er  hat  nicht  die  Uebersetzung  selbst,  sondern  nur  Andeu- 
tungen gegeben,  wie  zu  ordnen  und  zu  übersetzen  ist.  Es  bleibt  also 
dem  eigenen  Nachdenken  des  Schülers  noch  genug  überlafsen.  Man 
beachte,  um  sich  hiervon  zu  überzeugen,  aufser  den  in  der  Vorrede 
angegebenen  Stellen  beispielsweise  noch  I,  12:  Ita  — persolvit;  1,39: 


Doboreiiz:  CaesarJs  conimciiliiiii  de  liello  Gallico.  691 

Dum  paucos  — ■pcrturharet ;  17,  8:  uhi  noslros :  IT,  25:    Caesar,   ubi; 
Iir,  i:  Ins  nuntiis  acccptls :  tlT,  28:  codcm  ferc  tempore;  IV,  9:  <]Uod 
—  rcscidit.      Dasselbe    zweck mäfsipe    Verfahren  hat    D.    auch  hei  dein 
zweiten  Punkte,  auf  den  es  ihm  ankam,  einf^ehalten :  er  hat  meist  nur 
Hinweisungen    und     Anieituufren    {ief^eben,    wodurcli    der    Schüler   auf- 
merksam gemacht  und  zum  Nachdenken  angeregt  wird;  wo  die  Ueber- 
setzung  aber  beigefügt  ist,  ist  es  geschehn,  um  auf  eine  Art  und  Weise 
des  Uebersetzens  aufmerksam   zu  machen,  die  der    Schüler    nicht    von 
selbst  finden  Avürde  und  an  die  vielleicht   auch    der    Lehrer   manchmal 
nicht  denken  würde.     Dies  gilt  namentlich  von   den  verscliiedenen  Ar- 
ten von  Nebensätzen,  die  sich  durch  Substantiva   im    Deutschen   wie- 
dergeben lafsen  (wie  w<»nn  z.  B.    übersetzt    wird  :    ut   idem    cnnaretur 
ei  persuadet   I,  3;    er  überredete  ihn  zu  ebendemselben    Unternehmen; 
qui    aderant:  die    Anwesenden),    von    den    Stellen,    wo    im    Deutschen 
Worte  unübersetzt  bleiben  können  (z.  B.    I,    2    inductus:   35:   pcrmit- 
teret,  ut  licerct ;  II,  5:  eian  ab  sc  dimlttit :  IV,  2:  ad  se  importari  de- 
siderent)    und   von    denen,    wo    wir    im    Deutschen    Worte    hinzufügen 
müfsen,  die  der  Römer  nicht  beizufügen  braucht    (z,  B.  die   Hilfszeit- 
wörter müfsen,    sollen,     dürfen,    können,    lafsen,    welche   der 
Römer  nicht    durch   besondere    entsprechende    Verba,    sondern   durchs 
Hauptverbum  im  Indicativ  oder  Conjunctiv  ausdrückt;  s.  V,  7  zu  com- 
moratus).     Durch  eine  freiere  und    gewandtere   Uebersetzung,   wie  sie 
D.    anstrebt,    mufs    sich    nothwendig    das  Wohlgefallen  der  Schüler  an 
dem  zu  lesenden  Autor  steigern.     Von  besonderm  Nutzen  aber  ist  die 
durch    eine    freiere   Uebersetzung   geförderte    Sprachvergleichung,    so- 
wohl an  sich  durch  das  bildende,  was  sie    hat,    als    auch    in    Hinsicht 
auf  das  Uebersetzen  aus  dem  Deutschen  in   das   Lateinische.      Germa- 
nismen lernt  der  Schüler  gar  nicht  anders    vermeiden,    als    durch  Ver- 
gleichung  der  eigenen  und  der  fremden  Sprache.     Befestigung  und  Er- 
weiterung des  grammatischen  Wifsens   sucht  D.  dadurch  zu  erreichen, 
dafs  er  an  besonders  dazu    geeigneten    Stellen   auf  die   grammatischen 
Regeln   aufmerksam  macht,  zu  welchen  sie  ein  Beispiel  enthalten.  Dies 
geschieht  jedoch  nicht  so,  dafs  ein  Paragraph  einer  bestimmten  Gram- 
matik citiert  wird,  sondern  die  Regel  selbst   wird    erwähnt,    um    ent- 
weder, wenn    sie   schon    bekannt   ist,    durch    das    vorliegende    Beispiel 
befestigt  oder,  wenn  sie  noch  nicht  bekannt  ist,    von  dem  Lehrer  ge- 
geben zu   werden.     Mit  Recht   nennt    es   D.  unzweckmäfsig,  dafs  man 
den  Schüler  an  einem  Capitel  mehrere   Regeln   lernen   läfst;  dies  hin- 
dert den  B'ortschritt  der  Leetüre,  stört  das   Interesse   an   dem   gelese- 
nen und  ermüdet.     Befser  ist  es  jedesfalls,  in  den  besondern  gramma- 
tischen Stunden  gerade  die  Capitel  der  Syntax  zu  behandeln,  zu  denen 
die  Leetüre  vorzugsweise  Beispiele  liefert. 

Ueber  die  Art,  wie  D.  die  drei  Punkte,  durch  die  sich  seine 
Ausgabe  ohne  Frage  vortheilhaft  auszeichnet.  Im  einzelnen  durchge- 
führt hat,  kann  man  wohl  hie  und  da  abweichender  Meinung  sein; 
gröfstentheils  aber  wird  man  sich,  scheint  es,  einverstanden  erklären 
müfsen.     Vor  allem  wünscht  der  Herausgeber  dem  Vorwurf  zu  begeg- 

45* 


692  Dobcrenz:  Caesaris  cominenlarii  de  hello  Gallico. 

nen ,  als  sei  zu  viel  erklärt.  Ueber  das  zuviel  und  zuwenig  gibt  es 
aber  keinen  absoluten  Malsstab:  ein  anderer  Bearbeiter  hätte  viel- 
leicht manches  weggelalsen ,  aber  dafür  auch  wieder  anderes  ge- 
geben, was  ein  dritter  am  Ende  auch  für  überflfifsig  erklärt  hätte. 
Manche  Anmerkung  wäre,  das  kann  man  ja  wohl  getrost  sagen,  viel- 
leicht nicht  vorhanden,  hätte  nicht  ein  oder  der  andere  Tertianer  ein- 
mal gerade  an  der  betreifenden  Stelle  gestrauchelt.  Uebrigens  ver- 
ringert sich  die  Zahl  der  leichtern  Bemerkungen  mit  jedem  Buch.  Die 
Uebersetzung  von  Wörtern  wie  probare,  citpcre,  conßrmare,  princi- 
patus  (I,  17),  von  Wendungen  wie  principatum  teuere  (1,31),  in  ali- 
qucm  aniinadvcrtere  (I,  19),  von  Stellen  wie  his  rcpugnabat  (f,  19) 
kann  man  Avohl  dem  Tertianer  zumuthen  selbst  zu  finden  (bei  animad- 
vertere  gibt  ihm  ohnedies  das  Lexikon  Auskunft) ,  ebenso  wie  man  an- 
nehmen kann,  dafs  er  bereits  prima  luce,  in  summo  monte  und  ähn- 
liches richtig  zu  übersetzen  gelernt  hat.  Indes  soll  ja  die  Ausgabe 
auch  den  PrivalHeifs  unterstützen,  und  diese  Rücksicht  rechtfertigt  es 
allerdings,  dafs  hier  und  da  auch  leichtere  Stellen  übersetzt  und  er- 
klärt sind.  —  Als  ein  besonderer  Vorzug  er.'^cheint  es,  dafs  die  ge- 
gebenen Bemerkungen  so  viel  als  möglich  nicht  vereinzelt  stehn,  son- 
dern dafs  zusammengehöriges,  gleichartiges,  ähnliches  auf  einander 
bezogen  ist,  dafs  einzelne  F'älle  unter  allgemeine  Gesichtspunkte  ge- 
stellt sind  und  dafs  auf  dagewesenes  immer  wieder  Rücksicht  genom- 
men wird.  Auf  diese  Weise  wird  der  Schüler  allmählich  mit  Caesar 
vertraut  und  lebt  sich  in  ihn  hinein.  Wir  deuten  nur  auf  einige  Stel- 
len hin,  um  das  gesagte  zu  beweisen.  J,  2  zu  arbitrabatur  ist  eine 
dreifache  Weise  angegeben,  wie  die  Verba  arbitrari,  ducere ,  existi- 
mare  y  audire,  dicere,  intellegere ,  tüdere  und  ähnliche  sich  übersetzen 
lafsen  (1)  durch  Substantiva ,  2)  durch  Zwischensätze,  3)  wörtlich), 
und  an  den  betreffenden  übrigen  Stellen  ist  dann  auf  diese  Norm  hin- 
gedeutet. I,  3  zu  et  regno  occupato  wird  gezeigt,  dafs  Participien 
übersetzt  werden  können:  a)  durch  Substantiva,  b)  durch  einen  bei- 
geordneten, c)  durch  einen  untergeordneten,  gewöhnlich  aber  d)  in 
den  beiden  letzten  Fällen  durch  Umwandlung  der  passiven  Construc- 
tion  in  die  active.  Auf  diese  hier  gegebene  Anleitung  wird  nun  an 
vielen  andern  Stellen  wieder  hingewiesen:  so  z.  B.  I,  5  usi  und  exu- 
stis ;  II,  2  comparata;  II,  11  cognita;  II,  12  perturbatis  ordijiibus : 
II,  22  diversie  legionibus  :  II,  26  incitato  :  11,32  iacta,  cclatn,  reten- 
ta;  III,  2ö  eductis  und  circumductis ;  IV,  24  productis ,  instituta  und 
nroiectis  u.  s.  w.  I,  7  zu  maturat  proficisci,  er  bricht  eiligst  auf, 
ist  bemerkt,  dafs  im  Lateinischen  Verba  oft  betonte  deutsche  Adver- 
bia  vertreten,  und  an  diese  Bemerkung  wird  erinnei-t  I,  36  zu  con- 
suesse:  I,  8  zu  quam  constituerat :  IV,  6  zu  quam  consuerat ;  IV,  29 
zu  accidit:  V,  6  zu  petere  contendit.  I,  10  zu  magno  cum  perieulo 
und  I,  38  zu  ibi  sind  gleichartige  Fälle  zusammengestellt,  wodurch  so- 
fort die  gemachte  Bemerkung  begründet  wird.  Dafs  gegen  das  Ende 
des  B.  G.  an  einigen  Stellen  auch  auf  die  stilistische  Färbung,  wie 
ßie  durch  den  Inhalt  bedingt   ist,   hingewiesen   worden    ist,    ist  nicht 


I 


Dobcrcnz;  Caesaris  coinnieiilaiii  de  hello  Gallico.  693 

zu  taclein.   —  Zum  Sclilufs  sei  fs  dem  R<^f.  iiocli  {gestattet,   zu  einigen 
Stellen  seine  abweichende  Ansicht  zu   {;el)en. 

I,  1  qui  ipsorum  llnß;ua  Ccliae,  noslra  Galli  appcllantur.  An 
dieser  Stelle  hält  es  Doberenz  für  nothwendij;,  auf  das  Asyndeton  auf- 
merksam zu  machen  und  auf  I,  18  zu  verweisen,  wo  es  heifst;  cunci- 
liiim  (limittit,  lAscum  rciinet.  Während  aber  I,  IH  es  im  Deuts<:lien 
nothwendig  ist,  zu  übersetzen:  den  Liscus  aber  hält  er  zurück,  liefet 
<lie  Sache  I,  1  anders.  Wir  können  im  Deutsclien  {ranz  {;ut  ebenso  sa- 
gen: den  dritten  Theil  bewohnen  die  Gelten,  wie  sie  in  ihrer,  die 
Gallier,  wie  sie  in  unserer  Sprache  heifsen.  Kine  ähnliche  Stelle, 
wo  man  nicht  an  ein  Asyndeton  denkt,  ist  V,  50  eo  die  —  conti- 
iiejit:  Gnlli,  quod  ampliorcs  copias  —  cxspectubavt;  Caesar,  si  forte 
etc.  Beide  Theile  blieben  in  ihrer  Stellung:  die  Gallier,  weil  sie 
mehr  Truppen  erwarteten,  Caesar,  um  zu  versuchen.  Wir  brauchen 
hier  ebenfalls  kein  aber.  Auf  das  Asyndeton  hat  D.  mit  einer  ge- 
wissen Vorliebe  geachtet,  und  wenn  auch  zugegeben  werden  mufs,  dafs 
er  die  Beziehungen  der  unverbundenen  Stellen  meist  richtig  angegeben 
hat,  so  kann  sich  Ref.  doch  nicht  damit  einverstanden  erklären,  dafs 
angenommen  wird,  als  habe  Caesar  überall  mit  bewnster  Absicht  ein 
Asyndeton  gesetzt.  Manche  Asyndeta  sind  ohne  Zweifel  aus  einer  ge- 
wissen Flüchtigkeit  der  Darstellung  hervorgegangen,  wie  sie  in  den 
Commentarien  hie  nnd  da  zu  Tage  tritt.  So  z.B.  1,46:  Caesari  ntin- 
iiatum  est,  cquites  Ariovisti  ad  nostros  adequitarc,  lapidvs  tclaque  in 
voslros  coniiccre.  Das  Asyndeton  soll  hier  'die  Eile  der  handelnden 
malen.'  Kann  sein  ,  kann  aber  auch  nicht  sein.  Die  Wiederholung 
von  in  nostros,  wahrend  kurz  vorher  ad  iiostros  steht,  berechtigt  zu 
der  Annahme,  dafs  hier  Caesar  mit  einer  gewissen  FMüchtigkeit  ge- 
schrieben hat.  Füi  dieses  Sichgehnlafsen  in  der  Darstellung  ist  auch 
I,  48  die  viermalige  Wiederholung  von  castra,  I,  49  die  Wiederholung 
von  locum  —  loco  —  locum  —  locus  ein  Beweis. 

I,  1  coniurationem  nobilitatis  fccit :  hier  braucht  nicht  nothwen- 
dig  der  Genetiv  durch  eine  Praeposition  übersetzt  zu  werden,  etwa: 
eine  Verschwörung  unter  dem  Adel;  es  lälst  sich  ganz  gut  sagen: 
eine  Adelsverschwörung. 

I,  18  in  quaerendo:  wenn  in  mit  dem  Ablativ  hier  den  Grund 
bezeichnet,  so  war  zu  übersetzen  :  durch  Nachfragen;  die  Uebersetzung 
'bei  seinen  Erkundigungen'  deutet  kein  Verhältnis  des  Grundes  an. 
Deutlich  wird  die  Beziehung  des  in  quaerendo ,  wenn  man  sich  er- 
gänzt: im  Laufe  der  Unterredung  erfuhr  Caesar  bei  seinen  Erkundi- 
gungen gelegentlich  auch,  dais  u.  s.  w. 

I,  3  sementes  quam  maximas  faccre:  hier  ist  facere  übersetzt: 
bestellen.  Nun  sagt  man  zwar  Saaten  bestellen,  aber  wie  soll  man 
dieses  Verbum  beibehaltend  quam  maximas  übersetzen?  Grofse  Saa- 
ten bestellen  sagt  man  im  Deutschen  nicht,  es  ist  also  eine  andere 
Wendung  nöthig,  etwa:  so  viel  als  möglich  aussäen. 

I,  6  isque  nonnullis  locis  vado  transitur:    hier  war   zu   bemerken, 


694  Doberenz:  Gaesaris  commenlarii  de  hello  Gallico. 

dafs  transitur  übersetzt  werden  mufs:  kann  überschritten  werden,  wenn 
vudo  ''an  einigen  seichten  Stellen'  übersetzt  wird. 

I,  9  gratia  ''Beliebtheit'  ist  kein  gutes  deutsches  Wort;  warum 
will  man  dies  gratia  gerade  durch  ein  Substantiv  wiedergeben  ,  da 
wir  ein  ganz  -.ntsprechendes  nicht  haben?  Man  kann  ja  sagen  :  Dum- 
norix   vermochte,  weil  er  beliebt  und  freigebig  war  u.  s.  w. 

I,  27  omnium  rerum  inopia :  durch  allgemeinen  Mangel.  Die  wört- 
liche Uebersetzung:  'durch  Mangel  an  allem'  ist  hier  gewis  befser. 

I,  3ö  M.  31cssala,  M.  Pisone  consuUbus :  Collegen  in  einem  Amt 
verbunden,  werden  gewöhnlich  ohne  Verbindung  nebeneinander  ge- 
stellt. Diese  Bemerkung  ist  schon  I,  6  zu  L.  Pisone,  A.  Gabinio  coss. 
gemacht. 

I,  44  recusare:  Weigerung  machen  ist  keine  gute  deutsche  Wen- 
dung. 

I,  49  tertiam  castra  munire  iiissit :  auch  an  dieser  Stelle  braucht 
nicht  auf  ein  Asyndeton  hingewiesen  zu  werden,  wir  sprechen  im  Deut- 
schen gerade  so:  die  erste  und  zweite  Schlachtreihe  hiefs  er  sich 
kampfbereit  halten,  die  dritte  ein  festes   Lager  aufschlagen. 

II,  1  coniurandi:  hierzu  bemerkt  D. :  'für  uns  reicht  aus:  dazu, 
allein  der  Rötner  setzt  für  das  matte  und  farblose  Formwort  aus  dem 
Streben  nach  Deutlichkeit  und  Anschaulichkeit  den  in  dem  Formwort 
liegenden  lebendigem  Begriff.'  Diese  Bemerkung  ist  richtig,  nur  läfst 
sie  sich  nicht  auf  die  vorliegende  Stelle  anwenden.  Sagen  wir,  statt 
coniurandi  zu  übersetzen,  dazu,  so  bezieht  sich  dies  auf  bereits 
vorhergehende  Begriffe:  auf  coniurare  und  obsidts  dare;  Caesar  will 
aber  nur  die  Ursachen  des  coniurare  angeben,  und  deshalb  sagt  er 
coniurandi  ausdrücklich. 

II,  11  his  praefccit:  'läfst  sich  an  den  vorigen  Satz  anschliefsen : 
unter  dem  Befehl:  warum  Caesar  anders?'  Solche  Fragen  halten  wir 
nicht  für  zweckmäfsig,  weil  auf  sie  eine  bestimmte  Antwort  nicht 
iiiöt'lich  ist.  Der  Autor  selbst  weifs  nicht  in  jedem  Falle,  warum  er 
so  oder  anders  geschrieben   hat. 

III,  28  evolavcrunt.  Hier  konnte  auf  das  frü'iere  provolare  (II, 
19)  und  auf  den  Unterschied  in  der  Anschauung  aufmerksam  gemacht 
werden. 

IV,  12  incitato  equo :  'sprengte  er  herbei.'  Damit  konnte  hier 
gleich  se  obtulit  in  Verbindung  gebracht  und  übersetzt  werden:  er 
sprengte  in  die  Feinde  hinein. 

VI,  12  Ambiorigem  sibi  societate  et  foederc  adiungunt.  Hier 
schlägt  D.  vor  societate  et  focdere  zu  übersetzen:  'durch  eine  hei- 
lige Allianz.'  Es  scheint  dies  deswegen  nicht  recht  passend ,  weil  der 
Ausdruck:  'heilige  Allianz'  für  uns  eine  bestimmte  historische  Beziehung 
hat  und  sich  auf  etwas  viel  wichtigeres  und  gröfseres  bezieht,  als  das 
Bündnis  ist,  von  welchem  Caesar  spricht. 

Doch  genug;  diese  wenigen  Bemerkungen  sollten  nur  andeuten, 
welcher  Art  die  Ausstellungen  sind,  die  man  allenfalls  im  einzelnen  an 
der  Doberenzschen  Ausgabe   des  Caesar  machen  kann.     Sie  sind  unbe- 


Lateinische  Schiilgrammatiken  und  Ueberselzungsbücher.     695 

deutend  und  verschwinden,  wen»  man  das  zweckiuäCsif^e  und  Rute  da- 
gegen hält,  was  {Teboten  ist.  Das  sachliche  ist,  soweit  es  nothwendig 
ist,  berü«  ksichtigt  und  erklärt.  Die  beigegehenen  Jndices  sin<l  voll- 
ständig und  übersichtlich.  Deiu  Texte  liegt  Nipperdejs  Ausgabe  zu 
Grunde.     Druck  und  Papier  sind  gut. 

Hildburghausen.  Ernst  Uittwegvr. 


Bericht     über    einige    lateinische    Schulgrammatiken    und 
Uebersetzuncrsbücher. 


Wenn  wir  die  Menge  der  lateinisclien  Granuuatiken  und  Lesebü- 
cher, die  alljährlich  erscheinen,  betrachten,  so  drängt  sich  uns  un- 
willkürlich die  Furage  auf:  besitzt  denn  nun  iu  Wahrheit  das  in  Frage 
stehende  Buch  solche  Eigenschaften,  die  sein  Erscheinen  rechtfertigen, 
oder  soll  es  eben  nur  einen  numerischen  Zuwachs  zu  dem  ohnehin 
schon  grofsen,  ja  übergrolsen  Strome  von  derartigen  Büchern  bilden? 
Freilich  findet  man  der  Entschuldigungsgründe  der  Herausgabe  in  den 
bezüglichen  Vorreden  genug,  nach  denen  bald  Neuheit  der  Anordnung, 
bald  in  höherem  Grade  erstrebte  F'afslichkeit  und  Darstellung  der  Re- 
geln entschuldigen,  bald  glückliche,  die  Wilsenschaft  um  ein  bedeu- 
tendes fördernde  Funde  zu  Tage  gefördert  werden  sollen.  Unterwirft 
man  jedoch  ein  solches  Buch  einer  strengern  Kritik,  so  findet  man 
nicht  eben  selten,  dafs  weder  die  eine  noch  die  andere  vermeintliche 
Eigenschaft  an  ihm  zu  finden  ist,  dafs  vielmehr  zehn  Grammatiken 
oder  ebenso  viel  lateinische  Hilfsbüiher  erwünschte  Gelegenheit  boten 
ein  elftes  Buch  anzufertigen  und  dann  mit  marktschreierischem  Lobe 
in  die  Welt  zu  senden.  Was  Wunder  dann,  dafs  solche  unzeitige  Bü- 
cher das  Loos  unzeitig  geborener  Geschöpfe  tlieilen,  die  ohne  die  nö- 
thige  Lebenskraft  ihr  ärmliches  Dasein  fristen? 

Ref.  durch  das  Vertrauen  der  Redaction  aufgefordert,  über  meh- 
rere grammatische  Bücher  und  Hilfsbücher  ein  kurzes  Referat  zu 
geben,  freut  sich,  unter  der  Zahl  der  von  ihm  anzuzeigenden  Schrif- 
ten meist  tüchtige  gefunden  zu  haben,  und  erlaubt  sich,  ehe  er  zu 
einer  kurzen  Besprechung  der  einzelnen  Bücher  übergeht,  vorher  einige 
wenige  Bemerkungen.  Unter  diesen  Grammatiken  befinden  sich  einige 
nur  für  das  Bedürfnis  der  untern  Classen  bestimmte  (Burchard,  Hiller, 
Schöne,  Junker),  so  dafs  also  für  die  Mittel-  und  Oberclassen  neue 
Lehrbücher  erforderlich  sind.  Von  der  Zweckmäfsigkeit  und  Nütz- 
lichkeit einer  derartigen  Einrichtung  kann  sich  Ref.  nicht  überzeugen. 
Denn  abgesehn  von  dem  Geldpunkte  wollen  wir  nur  das  eine  Beden- 
ken äufsern ,  dafs  der  in  seiner  Grammatik  allmählich  heimisch  ge- 
wordene Schüler  beim  Aufrücken  in  eine  obere  Classe  sich  lange  aufser 
Stande  sehn  wird,  sich  mit  sonst  gewohnter  Leichtigkeit  in  seinem 
Buche  zurecht  zu  finden.  Entgegnet  man,  dafs  ein  vollständiger  In- 
dex diesem  fühlbaren    Uebelstande    abhelfe,    s.)    geben    wir   gleichwohl 


69Ö      Lateinische  Schulgrainmalikeii  und  Uebersetzuiigsbücher. 

zu  bedenken,  wie  viel  Zeit  dem  Schiller  durch  Aufsuchen  der  einzel- 
nen Regeln  geraubt,  wie  gar  oft  dadurch,  wenn  auch  nur  augenblick- 
lich, die  Luüt  zum  Lernen  geschwächt  wird,  Ist  aber  die  Granm[iatik 
so  eingerichtet,  dafs  sie  den  Schüler  durch  das  ganze  Gymnasium  be- 
gleitet, indem  entweder  der  eine  Band  für  das  Bedürfnis  der  untern 
Classen  ausreicht,  der  andere  in  gleicher  Anordnung  das  erweiterte 
Material  bietet  (MiddendorfJ ,  oder  sich  beides  in  einem  Buche  ver- 
einigt findet,  da  duich  den  Druck  das  allgemeine  von  dem  beson- 
dern, das  wichtige  von  dem  minder  wichtigern  getrennt  ist  (Feld- 
bausch, Berger),  ist  sie  so  eingerichtet,  so  wird  sie  dem  Schüler  ein 
vieljähriger,  immer  zugänglicher  B'reund  werden,  der  ihn  nicht  im 
Stiche  läl'st. 

Wir  wenden  uns  nun  zunä  hst  zu  der  Lateinischen  Schulgram- 
inalik  für  Gymnasien  nnd  höhere  Dürgerschnlen  von  F.  S.  Feld- 
bausch, Geh.  Hofrath.  Vierte  Autlage.  Heidelberg,  Druck  und  Ver- 
lag von  J.  Groos.  1852.  XII  und  394  S.  «,  und  zu  der  Lateinischen 
Grainnia'Ak  für  den  Unterricht  auf  Gymnasien  von  Dr.  Berger  etc. 
Zweite  verbel'serte  Auflage.  Celle,  Verlag  der  Capaun-Karlowaschen 
Buchhandlung.  1852.  VIII  u.  279  S.  8.  Die  Grammatik  von  Feld- 
bausch hat  nicht  nur  im  engern  Vaterlande,  sondern  auch  über  die 
Grenzen  desselben  hinaus  grofsen  und  verdienten  Eingang  gefunden. 
Hat  sie  schon  in  den  beiden  vorigen  Ausgaben  durch  natürliciie  An- 
ordnung des  Stoffs  und  fafsliche  Darstellung  dem  praktischen  Bedürf- 
nisse im  hohen  Grade  genügt,  so  mag  hier  nur  folgendes  bezüglich 
der  neuen  Autlage  bemerkt  werden.  Hervorstechende  Verbefserungen 
und  Erweiterungen  hat  diese  Ausgabe  an  mindestens  50  Stellen  erhal- 
ten; vorzüglich  sind  die  disjunctiven  Fragesätze  mit  quid,  quis  etc. 
S.  300  ff.  klarer  dargestellt  werden.  Als  höchst  praktisch  erweist  sich 
»las  statt  des  frühern  Registers  zur  Angabe  der  Tempusstämme  S.  3ö7 
—  37-i  angefügte  alphabetische  Verzeichnis  der  Verba  mit  Angabe  der 
Perfect-  und  Sui)informen.  Der  dieser  Grammatik  gemachte  Vorwurf, 
ilafs  die  Lehre  von  dem  Gebrauch  der  Tempora  nach  der  Lehre  vom 
Gerundium  und  Supinum  folge,  hat  den  Hrn.  Verf.  nicht  bewegen 
können  ,  von  dieser  so  fest  in  dem  praktischen  Gebrauch  begründeten 
Anordnung  abzugehn.  Die  am  Ende  der  Syntax  beigefügten  einzelnen 
Wort-  und  Satzverbindungen  sind  trotz  der  gemachten  Bemerkung, 
daCs  sie  der  logischen  Ordnung  widerstrebend  seien,  mit  Recht  bei- 
behalten worden,  weil  es  gerathener  ist,  einzelne  schwierige  Lehren 
dem  Schüler  erst  dann  zuzuführen,  wenn  er  im  übrigen  schon  sicher 
ist.  Das  Buch  kann  ungeachtet  der  beregten  Verbefserungen  ohne 
Anstofs  neben  den  frühern  Auflagen  gebraucht  werden.  Druck  und 
Papier  lal'sen  nichts  zu  wünschen  übrig.  —  In  dem  für  den  ganzen 
gramuiatischen  Unterricht  an  einem  Gymnasium  bestimmten  I^ehr- 
buche  befleifsigte  sich  Hr.  Berger  der  Kürze,  sowohl  dem  Inhalte 
als  dem  Ausdrucke  nach.  Beides  ist  ihm  nach  unserm  Dafürhalten 
mit  seltenen  Ausnahmen  meisterhaft  gelungen.  Nicht  minder  zu  loben 
i^t  das  Streben  des  Verf.,  seine   Grammatik   als    für   alle    Classen    ge- 


Lateinische  Schulgrammalilien  und  Ueberselzungsbücher.      697 

niigend  eiiiznricliten ,  weun  aiuli,  wie  \>ir  dies  leicht  durchführen  könn- 
ten, bald  für  den  Anfänger  zu  viel  (Formenlehre),  bald  für  den  ge- 
übten zu  wenig  gegeben  sein  möchte  (Syntax).  Indes  dort  wird  der 
Lehrer  das  eben  nöthige  leicht  angeben,  das  noch  sciiwierigere  für 
eine  nächste  Stufe  aufbewahren  können;  liier,  wo  also  ein  sichtbarer 
INIangel  zuweilen  nicht  zu  leugnen  ist,  soll  nach  des  Hrn.  Verf.  eigner 
Ansicht  dem  zu  gröfserer  Selbständigkeit  herangereiften  Schüler  ein 
gröfseres,  ausführlicheres  Werk  zum  Selbststudium  empfohlen  werden. 
Allein  das  würde  von  dem  mit  irdischen  Glücksgütern  weniger  geseg- 
neten Schüler  doch  nur  ein  neues  Geldopfer  erheischen,  weshalb  wir 
im  Interesse  der  Schule  unter  Beibehaltung  der  Anordnung ,  der  Kürze 
und  Fafslichkeit  im  Ausdruck  den  Wunsch  auszusprechen  uns  erlau- 
ben, es  möchte  bei  einer  neuen  Auflage  dem  Verf.  gefallen,  die  Syn- 
tax zu  erweitern,  ohne  dadurch  das  Buch  mit  einem  überflül'sigen  Bal- 
laste zu  überladen,  wie  ja  auch  der  Verf.  sich  in  dieser  Autlage  durch 
die  Wünsche  einiger  Lehrer  hat  bestimmen  lafsen,  einige  Zusätze  der 
Syntax  zu  geben  (vergl.  Vorr.  S.  VII).  Bezüglich  des  S.  V  gesagten 
sind  wir  nach  dem  Eingangs  erwähnten  anderer  Meinung.  Sonst  ist 
«lieses  Buch,  wie  schon  gesagt,  als  ein  höchst  zweckmäfsiges  zu  be- 
zeichnen. Die  Anordnung  ist  folgende:  Barster  Tlieil:  Wortlehre  S.  1 
-121;  zweiter  Theil :  Satzlehre  S.  122-258;  S.  259—270:  Vom  röm. 
Versbau  (mit  besonderer  Rücksicht  auf  Ovid ,  Virgil,  Horaz) ;  S.  271 
—271:  Vom  röm.  Kalender;  S.  273-279  ein  vollständiger  Index.  Die 
äufsere  Ausstattung  ist  schön. 

Wir  gehn  sodann  zu  den  für  die  untern  und  mittlem  Gymnasial- 
classen  bestimmten  Lehrbüchern  über.  Die  Lateinische  Schvlgmm- 
malik,  nebst  Uebungsbeispielen  zum  U eb er set-^en  ins  Lateinische 
und  einem  Lesebnehe  roh  J.  F.  W.  Burchard,  Director  des  Gym- 
nasiums zu  Bückeburg.  6te  Auflage.  Leipzig,  Verlag  von  Hermann 
Schnitze.  1852.  IV  u.  404  S.  8,  zeichnet  sich  durch  Kürze  und  Fafs- 
lichkeit der  Regeln  und  meist  treff'end  gewählte  Uebungsstücke  aus, 
Grund  genug,  weshalb  sie  in  solchen  Schulen,  in  denen  verschiedene 
Lehrbücher  beim  grammatischen  Unterrichte  gebraucht  werden,  Ein- 
gang gefunden  hat.  Die  Anordnung  ist  übersichtlich,  und  Ref.  weifs 
aus  eigner  Erfahrung  ,  dafs  Anfänger  sich  gern  und  mit  Nutzen  mit 
diesem  Buche  beschäftigen.  Von  praktischem  Takte  zeugt  die  getrof- 
fene Anordnung  und  das  gebotene  Mafs  der  Grundregeln.  Aber  S.  140 
steht  noch  penis!  Das  Buch  reicht  aus  für  die  Bedürfnisse  der  Sexta 
und  Quinta,  kann  aber  auch  als  Wiederholungsbuch  für  die  Quarta 
benutzt  werden.  —  Zugleich  für  die  untern  und  mittlem  Classen  be- 
stimmt ist  ist  die  Kleine  lateinische  Grammatik  y. Dr. ¥,  Schultz, 
Director  des  Gymn.  zu  Braunsberg.  Paderborn,  Verlag  von  F.  Schö- 
ning.  1850.  IV  u.  211  S.  8.  Dieses  Buch  —  die  früher  erschienene 
latein.  Sprachlehre  desselben  Hrn.  Verf.  ist  uns  unbekannt  —  empfiehlt 
sich  durch  Einfachheit  und  Kürze,  Wahrheit  und  Klarheit,  rücksicht- 
Hch  des  Inhalts  wie  des  Drucks.  Nicht  weniger  hat  der  Verf.  'selbst 
die  äufsere  Form  des  Büchleins    sich    sehr   angelegen   sein    lafsen    und 


698      Lateinische  Schulgrammaliken  und  Uebcrsetzungsbiicher. 

eine  gewisse  Freundlichkeit  derselben,  eine  leichte  Ueberschaulichkeit 
durch  angemefsene  Absätze,  eine  Unterscheidung  des  wichtigern  vom 
minder  wichtigern  durch  den  Druck ,  und  manche  andere  scheinbare 
Kleinigkeit  der  Aufmerksamkeit  und  Sorge  nicht  unwerth  geachtet', 
Vortheile,  welche  das  vorliegende  Buch  zu  einem  tüchtigen  Schnlbuche 
machen.  Vorzüglich  hat  uns  die  geschickte,  auf  praktischer  Einsicht 
beruhende  Tlieilung  des  Lehrstoffes  durch  den  Druck  gefallen,  so  dafs 
der  Lehrer  nur  selten  Gelegenheit  haben  dürfte  von  dieser  umsichti- 
gen Anordnung  abzuweiclien.  Inhalt  des  Buchs:  Die  Formenlehre  S. 
1—142,  von  da  —199  Syntax;  S.  200 — 211:  einiges  aus  der  Prosodie 
und  Metrik;  vom  röm.  Kalender;  röm.  Gewicht,  Geld  und  Mafs;  die 
gewöhnliciisten  Abkürzungen.     Druck  und  Papier  lobenswerth. 

Was  die  Lcileinisclie  Schul grammaük  für  die  untern  Gymna- 
nasialclassen  *)  mit  einer  zum  Memorieren  besümmlen  Würter- 
sammlung ,  vielen  deutschen  und  lafeinisehen  Uebungsau/'gaben 
zum  Ueberse'zen  und  einem  deu'sclt-lalein.  und  latein. -deutschen 
Würterbnche  von  Dr.  H.  Middendorf  und  Dr.  F.  Grüter.  Coes- 
feld ,  Druck  und  Verlag  von  B.  Wittneven  Vater.  1849.  XIV  und 
448  S.  8.  anlangt,  so  geben  wir  zuvörderst  ganz  kurz  die  Anordnung 
des  Stoffes  an.  Erste  Abtheilung:  Elementarlehre  S.  1—9;  zweite 
Abthl.:  Formenlehre  S.  10—232:  dritte  Abtlil. :  Wortbildungslehre  S. 
233—259;  vierte  Abthl.:  Satzlehre  S.  260—364;  von  S.  365— 383  deut- 
sche, von  384—408  latein.  Uebungsstücke  ;  S.  409 — 4-26  deutsch-latein., 
S.  427 — 448  latein.-deutsches  Wörterbuch.  Auch  dieses  höchst  empfeh- 
lenswerthe  Buch  zeichnet  sich  durch  Fafslichkeit  der  Regeln  nach  Form 
und  Inhalt  aus;  dazu  kommt  als  wesentlicher  Vorzug,  dafs  es  nur 
diejenigen  Regeln  und  Ausnahmen  gibt,  'die  auf  dem  allgemeinen  pro- 
saischen Sprachgebrauche  beruhen',  besonder^  Eigenthümliclikeiten  aber 
einzelner  prosaischer  Schriftsteller  der  Berücksichtigung  bei  der  Lee- 
türe zuweist.  Die  Syntax  beschränkt  sich  in  diesem  ersten  Theile  na- 
türlich nur  auf  das  für  die  untern  Gymnasialclassen  erforderliche  Ma- 
terial, während  die  Hrn.  Verf.  (Vorrede  S.  VI)  mit  Recht  'der  An- 
sicht sind,  dafs  die  Syntax  für  die  obern  Classen  nur  eine  Erweite- 
rung des  syntaktischen  Pensums  für  die  untern  Classen  sein  und  sich 
diesem  also  nach  Form  und  Inhalt  genau  anschliefsen  solle,  da  es  für 
den  grammatischen  Unterricht  sehr  störend  und  für  das  sichere  Fort- 
schreiten der  Schüler  sehr  hinderlich  ist,  wenn  denselben  zugemuthet 
wird,  in  den  obern  Classen  die  in  den  untern  gelernten  Regeln  in  ganz 
anderer  Form  und  Zusammenstellung  von  neuem  zu  erlernen.'  Recht 
praktisch  sind  in  der  Syntax,  um  Sicherheit  und  Gewandtheit  des 
Schülers  im  Uehersetzen  zu  fördern,  den  Regeln  zahlreiche  ins  Latei- 
nische zu  übersetzende  passende  Sätze  beigegeben,  auch  mit  einem 
Sternchen,  wo  zuläfsig,  angegeben  worden,  dafs  der  active  Satz  ins 
Passivum  oder  umgekehrt  zu  verwandeln  sei.     Treffend   ist   ferner  die 


*)  Daneben  der  allgemeine  Titel:   Lateinische  Schulgrammatilc  für 
sämmtliche  Gymnasialclassen  etc.     Erster  Theil. 


Lateinische  Scliulnrammalikcn  und  Ucbcrselziingsbüclicr.      609 

in  den  Noten  aiifjostellle  Ver{r|eicluing  mit   dein    Griecliischen   für    die 
vorgerücktem    iScIu'iler.      Aber    wir   können    die    vielen,   wenn    auch  in 
verbefserter  Gestalt    recipierten   Reinire^reln  nicht    billifien  ;   wir  luilten 
es  durchaus  für  nn|)raktis(h,  Knaben  nut  einem    .soi<-h(»n    meclianisclicn 
Hersagen  zu  beh(>l!i{>en.     Ferner   l)ekun(len    die    den    einzelnen    Regeln 
beigegebenen  lielegstellen    den    richtigen    iSinn    der  Hrn.    Herausgeber, 
die  es  verschmähten  mit   Citaten  aus    den  verschiedensten   Schriftstei- 
lern zu  prunken.     Die    deutschen    zusammenhängenden    Uebungsstü<ke, 
für  die  Quarta  bestimmt,  begleitet  mit  den    Citaten    der   schwierigem 
Paragriiphen  aus  der  Grammatik,  sind  geschichtlichen  Inhalts  und  des- 
halb ganz  wohl  geeignet  das  Interesse  des  Knaben    zu    fefseln ;    ebenso 
<!ie    lateinischen,    unter    denen    sich    freilich    manche   mit    anziehendem 
liätten   vertauschen  iafsen.     Aber  die  gebotenen  Grenzen  verlangen  hier 
abzubrechen,  obschon  wir  noch  manchen  Vorzug  dieses  Bnrhs  hervor- 
heben könnten,  so  z.  B.   die  geschickte  Einrichtung    des  Wörterbuchs. 
Auch   bei   dieser   Grammatik    läfst    die    äufsere   Ausstattung    nichts  zu 
wünschen  übrig.     Nach  der  Vorrede  wird  jeder  der  beiden  Theile  auch 
einzeln    (mit   einem    besondern  Titel)  abgegeben  werden.  —  Es  folgen 
sodann:    Uebersichis-Tahellen  der  deutschen  inid  laleiv.  Formen- 
nnd  Salzlehre  ^  ein  Beilrag  zur  erleichternden  und  parallelen  Be- 
handlung beider  Sprachen^  für  unlere  Classen  höherer  Lehran- 
Sfal'en  vonPh.  J.  Hiller,  Studienlehrerin  Würzburg.  2te  Aufl.  Würz- 
burg, Verlag  der  Stahelschen  Buchh.  1852.    VIII  u.  46  S.    gr.  4.    Ref. 
sieht  sich  bei  dem    Berichte    über  vorliegende   Tabellen   aufser   Stand, 
diese  wie  es  heifst  'vielfach  vermehrte  und   verbefserte    Auflage',   die 
schon  nach  kurzer  Zeit  sich  nöthig  machte,  mit  der  ersten  zu  verglei- 
chen; er   referiert    deshalb    das    neu    hinzugekommene   nach    dem    Vor- 
wort.    Durch  die  gröfstentheils  aus  lateinischen   Classikern  gewählten 
Beispiele  glaubt  der  Hr.  Verf.  ausgesprochenen  Wünschen   nachgekom- 
men zu  sein;   ebenso  bat  er  durch  Anführung  der  Seitenzahl    der   neu- 
sten Schulgrammatik  von  Heyse  (1851)  die  Benutzung  der  frühern  Auf- 
lagen ermöglicht.     Neu    hinzu    kam    Tabelle    I:   Buchstaben;   vermehrt 
wurde  Tabelle  II:  Sillien,  Wörter.     Dem  zu  machenden  Vorwurfe  'dafs 
solches    für  die  Schüler  dieser  Classen  noch  zu   schwierig   sei',  begeg- 
net der  Verf.    durch   die    Erklärung,   dafs    es  jedem    Lehrer    freistehe, 
den  Lehrstoff  nach  eigner  Wahl  und  Ansicht  zu  vertheilen  und  zu  be- 
handeln.    Dafs  diese  Arbeit  brauchbar  sei,  unterliegt  keinem    Zweifel. 
Druck  und  Papier  sind  gut.  —  Lehrbuch  der  lalein.  Sprache  mit 
zahlreichen  sowohl  lalein.  als  deutschen  Uebersetz-ungsaufgaben 
zur  Einübung  der  einzelnen  grammatischen  Punkte  und  beigege- 
benen zusammenhängenden  latein.  und  deutschen  Uebungsslüchen 
nebst  einem  doppellen  Wörterrerzeichnisse.    Von  E.  W.   Schöne. 
Leipzig  1S53.      Verlag   von    J.    Klinkhardt.     IV    u.    294    S.  8.      Dieses 
Buch  soll  keine  vollständige  Grammatik  enthalten.  Der  Hr.  Verf.  wollte 
nur  das  zur  Vorbereitung  auf  die  Leetüre  leichter  lateinischer  Schrift- 
steller nothwendige  geben   und  den  Schüler  vom  leichtern  zum  schwe- 
rern auf  naturgemäfsem  Wege  hinführen.     So  wichtig  das  letztere  ist 


700      Lateinische  Schulgrammaliken  und  Ueberselzungsbücher. 

olinehiii  schon  ein  Haupterfordernis  jegliches  Unterrichts,  und  so  gut 
das  auch  dem  Verf.  meist  gelungen  ist,  so  will  uns  gleichwohl  die  Be- 
stimmung des  Buchs  <■  keine  vollständige  Grammatik'  zu  sein,  aus  dem 
oben  erwähnten  Grunde  nicht  als  die  zweckmäfsigste  erscheinen.  Ist 
es  Aufgabe  der  Schule  und  des  Lehrers,  die  Schüler  eben  nur  so  weit 
zu  fördern,  dafs  sie  einen  leichten  Schriftsteller  —  freilich  ein  ziem- 
lich relativer  Begriff  —  verstehn  lernen  sollen,  so  ist  dieses  Lehr- 
buch gewis  wie  manches  andere  brauchbar  und  zweckmäfsig;  soll  aber 
das  Ziel  des  Gymnasialunterrichts  ganz  erreicht  werden,  so  würden 
wir  doch  ein  Buch  wählen,  welches  wie  das  von  Middendorf  und  Grii- 
ter  für  den  ganzen  Gymnasialcursus  ausreicht.  Sonst  ist  anerkennend 
hervorzuheben ,  dafs  die  Masse  des  gegebenen  den  Anfänger  nicht 
niederdrückt,  dafs  das  eben  dagewesene  sofort  durch  Beispiele  zur 
lebendigen  Anschauung  gebracht  wird ,  dafs  nach  dem  Vorgänge  an- 
derer anfangs  immer  die  eben  nöthige  Phraseologie  dem  Stücke  vor- 
gesetzt ist,  und  erst  später  der  Schüler  die  beigegebenen  Wörterver- 
zeichnisse nachzuschlagen  hat.  Hinsichtlich  der  Anordnung  gefällt 
dem  Ref.  die  erst  nach  der  regelmäfsigen  verzeichnete  DecHnation  der 
griechischen  Wörter,  ferner  die  Zusammenstellung  gleichlautender  Ca- 
sus, z.  B.  3te  Decl.  Sing.  Nom.  Voc,  Acc.  Gen.  Dat.  Abi.  Plur. 
Nom.  Voc.  Acc.  Gen.  Dat.  Abi.  In  den  Genusregeln  findet  sich 
manches,  wa;?  ein  Schüler,  für  den  das  vorstehende  Buch  ausgearbeitet 
ist,  nie  brauchen  wird.  Einen  wenn  auch  nur  kurzen,  aber  über- 
sichtlichen Paragraph  über  Eintheilung  und  Aussprache  u.  s.  w.  der 
Buchstaben  vennifst   man    ungern.     Die   äufsere    Ausstattung   verdient 

j^ol).   Worllehre  der  lifeinischen  Sprache  für  Schulen.    Von 

G.  Hil.  Högg.  Nördlingen  ]8j3.  Druck  und  Verlag  der  Beckschen 
Buchhandlung.  VIII  u.  143  S.  8.  'Dieses  Buch  ist  dazu  bestimmt, 
dem  Schüler,  welcher  durcli  sein  erstes  Sprachbuch  in  die  Anfangs- 
gründe der  Sprache  eingeführt  worden,  die  bereits  erkannten  Formen 
vollständig  und  übersichtlich  darzulegen.  Es  soll  also  die  Wortlehre 
dem  Schüler  nicht  schon  in  der  ersten  Stunde  des  Lateinlernens  in  die 
Hand  gegeben,  und  auch  dann,  wenn  ein  Grund  gelegt  ist,  nicht  von 
§.  ]  u.  s.  f.  auswendig  gelernt  werden',  sondern  der  Lehrer  soll  die  eben 
nöthigen  §§.  auswählen  und  erläutern.  'Schülern  von  reiferem  Alter 
dagegen  mag  das  Buch  allerdings,  besonders  wenn  sie  nur  einer  Auf- 
frischung ihrer  grammatischen  Kenntnisse  bedürfen,  zur  Selbstbeleh- 
rung überwiesen  werden.'  Es  mag  uns  verstattet  sein,  kürzlich  den 
Inhalt  dieses  auf  einer  festen  Basis  beruhenden  Buchs  mitzutheilen. 
S.    1    und    2:    die    lateinische    Sprache    (geschichtliches);     Wortlehre. 

g.  1 7  von  den  Lauten    und    Lautzeichen,    §.  8 — 20    von   den    Silben. 

Von  den  Wörtern:  §.  20  Wortarten,  .S.  21  —  61  Nomen  substantivum, 
Declinationen,  Nomina  abundantia,  defectiva,  genus  substantivi ;  §.  6'2 
— 72  Nomen  adjectivum;  adjectiva  abundantia,  defectiva,  Compara- 
tionsformen;  §.  73—83  Pronomina,  von  da  —  §.  87  Zahlwörter.  §.  87 
—  14(1  Verbum;  146— 154  Particulae,  154  —  178  Wortbildung,  178  und 
179  Abkürzungen.     Ref.  freut  sich,  dieses  nach  Inhalt  und  Anordnung 


Lalcinisclic  Sclmljjranimalikcu  und  Ucbcrsctzting.sbiiclicr.     70l 

so  viel  neues  darbietende  gründliche  Buch  als  ein  höchst  hcaciitens- 
werthes  bezeichnen  zu  können.  In  neuer  und  übersichtliciier  Anord- 
nung treten  z.  B.  die  Paradigmata  der  Verba  hervor,  bei  welchen, 
abweichend  von  der  frühem  Ordnung,  die  Einrichtung  getrofFen  wurde, 
dafs  je<lesmal  die  linke  Seite  in  zwei  Columnen  getheilt  ist,  von  denen 
die  erste  die  F'ornien  des  Praesensstanimes,  die  zweite  die  des  Per- 
fect-  oder  Supinstammes  enthält;  auf  der  rechten  Seite  steht  das  Pas- 
sivum  in  gleicher  Weise  verzeichnet.  Den  denkenden  umsichtigen 
Schulmann  bekunden  eine  Reihe  von  S<?. ,  die  sich  ebenso  durch  Neu- 
heit als  Klarheit  der  Auffafsung  und  Darstellung  auszeichnen.  So  ist 
S.  31  (dritte  Declination)  eine  Uebersicht  der  Nominativformen  in  drei 
Columnen  gegeben  worden,  aus  der  man  zugleich  das  Geschlecht  der 
Wörter  kennen  lernen  kann.  §.  39  theilen  wir  hier  kurz  mit,  um  un- 
ser obiges  Urtheil  zu  erhärten.  Es  heifst:  im  Genet.  PI.  haben  -/«;« 
1)  die  Stämme  auf  -i:  vavis  navium  etc.  Ausnahmen.  2)  die  Wörter, 
deren  Stamm  auf  zwei  Mitlaute  endigt:  mons  {mont-)  montium  u.  s.  f. 
Ausnahmen.  3)  Ferner  nix  nivium  etc.  4)  Die  Völkernamen  auf  -as 
und  -is:  Arpinas  Arpinätium  etc.  5)  Alle  Adject.  und  Partie, 
insoweit  sie  unter  die  obigen  Regeln  1)  und  2)  fallen:  levis  levium, 
florcns  florentium  (nur  consors  hat  consortum).  Ferner  diejenigen 
Adjectiva  auf  ar,  deren  Stamm  vor  dem  c  einen  langen  Vocal  hat:  au- 
dax  audäcium,  victrix  (nur  als  Adject.  victricium,  als  Subst.  victrt- 
ciim)  u.  s.  f.  Dagegen  supplex  sitpplicum  etc.  Die  in  §.  54 — 59  auf- 
gestellten Grundregeln  der  Substantive  nach  der  Endung  nöthigen  den 
Schüler  freilich  mehr  zum  Denken  als  die  gewöhnlichen,  leider  so 
gäng  und  gäbe  geAvordenen  Reimregeln.  Allerdings  wird  der  Lehrer 
nicht  blofs  vornehm  vom  Katheder  herunter  erklären,  sondern  mit 
Kreide  in  der  Hand  sich  an  die  Tafel  begeben  müfsen,  um  durch  Ver- 
anschaulichung dem  klaren  Verständnisse  zu  Hilfe  zu  kommen,  wie 
denn  überhaupt  gar  oft  eine  Minute  an  der  Tafel  mehr  nützt  als  fünf 
Minuten  lang  gesprochene  gelehrte  Worte.  Jedesfalls  verdient  diese 
mit  vieler  Kenntnis  und  paedagogischem  Takt  geschriebene  Wortlehre 
volle  Berücksichtigung  der  Schulvorstände.  Ref.  erlaubt  sich  noch 
den  Wunsch  auszusprechen,  es  möchte  der  Hr.  Verf.,  dem  wir  für 
manche  Belehrung  gern  danken,  zum  Anschlufs  an  die  gegenwärtige 
Wortlehre  auch  eine  Satzlehre  ausarbeiten,  und  glaubt,  dafs  dann  das 
Buch  mehr  Verbreitung  finden  werde  als  vielleicht  jetzt,  da  sonst  im- 
mer eine  andere  Grammatik  daneben  in  Gebrauch  sein  mufs.  Die  An- 
schaffung wird  durch  den  vom  Verleger  gestellten  Partienpreis  sehr 
erleichtert,  wie  auch  der  Verleger  nichts  gescheut  hat,  um  das  Buch 
auch  dun  h  ein  angenehmes  Aeufsere  zu  empfehlen.  —  rrükttsches 
Uilfslmch  zur  Einnbmig  der  lalein.  Formenlehre.  Im  Anschlufs  an 
den  gewöhnlichen  Gang  der  latein.  Grammatik  bearbeitet  von  G.  Jun- 
cker, Lehrer  an  der  Bürgerschule  des  Hallischen  Waisenhauses.  Er- 
ster Cursus.  Halle  185L  C.  A.  Schwetschke  u.  Sohn.  X  u.  53  S. 
8.  Zweiter  Cursus.  Mit  einer  kurzen  Formenlehre  und  einem  Lese- 
buche.     Braunschweig  1852.     C.  A.  Schwetschke  u.  Sohn  (M.  Bruhn). 


702      Lateinische  Schiilgrammalikcn  und  Ueberselzungsbüchei*. 

"VI  u.  150  S.  8.  Aus  der  Vorrede  zum  ersten  Cursus  sehn  wir,  'dafs 
dem  Hrn.  Verf.  der  Mangel  an  einem  Buche  immer  fühlbarer  wurde, 
welches  passenden  und  zugleich  reichhaltigen  Uebungsstoff  zur  An- 
schauung des  zu  erlernenden  und  zur  Anwendung  des  erlernten  dar- 
biete.' Wir  bekennen,  dafs  an  einem  Buche,  wie  das  vorliegende, 
kein  Mangel  vorhanden  ist.  Wollen  wir  auch  zugeben,  dafs  der  er- 
ste Cursus  keine  unpassenden  lateinischen  Sätze  enthält,  ferner  dafs 
er  brauchbar  sein  kann,  so  sehen  wir  gleichwohl  keinen  Grund,  warum 
das  Buch  veröffentlicht  wurde.  Denn  weder  Neuheit  der  Anordnung^ 
noch  sonst  eine  hervorstechende  Eigenschaft  zeichnet  es  aus.  Der  er- 
ste Cursus  bebandelt  in  lateinischen  und  deutschen  Stücken  die  De- 
clinationen,  Adjectiva,  Pronomina,  Zahlen,  das  Hilfszeitwort  sum 
bis  S.  42,  von  da  bis  zu  Ende  stehn  die  Vocabeln.  Den  zweiten  Cur- 
sus besprechen  wir  etwas  ausführlicher,  bedauern  aber  schon  hier  aus- 
sprechen zu  müfsen,  dafs  die  Arbeit  in  der  Ausführung,  theilwei.se 
auch  in  der  Anordnung  den  zu  machenden  Anforderungen  nicht  genügte 
Es  sind  diesem  Cursus  von  S.  68  —  108  die  Elemente  der  lateinischen 
Formenlehre  beigegeben  worden,  mit  denen,  abgesehn  von  den  anzu- 
gebenden Mängeln,  wie  man  zu  sagen  pflegt,  das  Pferd  hinter  den 
Wagen  gespannt  worden  ist.  Denn  nachdem  in  beiden  von  einander 
getrennten  Cursen  die  Declinationen  bis  zu  den  Fragen  durch  Bei- 
spiele eingeübt  sind,  da  folgt  plötzlich  eine  kurze  Formenlehre.  'Der 
Zweck  bei  Abfafsung  dieses  Cursus  war  vorzüglich  der,  den  Lehrern 
an  den  Bürgerschulen,  Hauslehrern  u.  s.  w.,  kurz  denen,  die  ohne 
ei'Tentliche  Philologen  zu  sein,  doch  Schüler  für  das  Gymnasium  vor- 
bereiten müfsen,  nach  Kräften  Hilfsleistung  zu  thun.'  Von  S.  109 — 
124  sind  einige  Lesestücke  als  Vorübung  zum  Uebersetzen  lateinischer 
Schriftsteller  beigegeben.  Wir  sehen  deren  Nutzbarkeit  in  einem  nur 
für  die  Formenlehre  berechneten  Buche  nicht  ein;  denn  abgesehn  von 
der  Construction  des  Acc.  c.  inf.  ist  keiner  syntaktischen  Regel  Er- 
wähnung gethan.  Des  Hrn.  Verf.  Ansicht  geht  freilich  abweichend 
von  der  unsern  dahin:  'Die  Abi.  absol.  hingegen  sind  weit  seltner, 
und  deswegen  bedürfen  sie  keiner  besondern  Erwähnung  und  Einübung, 
sondern  können  dem  Schüler,  sobald  sie  vorkommen,  leicht  erklärt 
werden.'  Wenn  der  Hr.  Verf.  ferner  glaubt  durch  dieses  Hilfsbuch 
den  Gebrauch  anderer  Bücher  ausgeschlofsen  zu  haben,  so  mag 
ilim  schon  die  Dürftigkeit  und  Unzuverläfsigkeit  der  angehängten 
Wörterverzeichnisse  als  Gegenbeweis  dienen.  Doch  nun  zu  einer 
kurzen  Angabe  des  falschen,  unzuverläfsigen.  Auf  die  Correetur  ist 
in  diesem  Cursus  keine  Sorgfalt  verwendet  worden.  S.  69  liest  man 
als  Endungen  für  die  Neutra  der  4.  Decl.  im  Acc.  und  Voc.  us.  S.  71 
heifst  es:  die  auf  is  haben  entweder  wieder  is  —  oder  bekommen  noch 
irgend  ein  Einschiebsel;  ebendas. :  die  auf  ex  verwandeln  das  x  ge- 
wöhnlich in  eis,  z.  B.  vox,  thorax,  cervix,  arx  ;  S.  72:  Tolle  me  etc., 
warum  nicht  deutsch  ?  S.  73  werden  unter  den  Ausnahmen  der  2.  Decl. 
aufgeführt:  arctus ,  carbasus,  Iccythus  etc.  Wozu  das  für  den  An- 
fänger höchst  überflüfsige?     S.  74  segcs,  it{s(?);  S.  75   fehlt  zu  cos- 


Laleinisclic  Scliulgramniafikcn  und  tTol)crscf7,iing'sl)üclier.      703 

fth  die  Bedeiifiin^,  ebenso  zu  crnchris  und  iiiitf^lHs;  pcvis  felilt  iiiclit, 
die  Bedeutung  ist  wohl  absieht licli  verschwiegen;  callis  heilst  Fnls- 
steig;  lies  dcns,  wieder,  gnomoti.  S.  76  was  heilst  astur?  Auch  mag 
hier  bemerkt  sein,  dafs  die  Qiianfitätszeichen  für  den  Genetiv  sehr 
oft,  die  für  die  Stammsilben  ganz  fehlen.  In  dem  Verzeichnis  der  ge- 
bräuchlichsten Verba  mit  abweichenden  Haupttem[)oril)ns  lesen  wir 
vieo.  Die  Uebersicht  und  Zusünimenstellung  ist  ni<;ht  eingehalten  S. 
102,  4;  103,  6;  unter  8  lies  avsiis  svm;  S.  1  OH  lies  «lefo,  rncssui  statt 
metui:  S.  126  wird  quo  valerct  für  den  Anfänger  übersetzt:  was  sie 
meinte;  lies  suadco,  suasi,  und  tilge  beim  darüberstehenden  pcrsua- 
fleo  die  Stammformen;  S.  127  conficio  geht  nach  3,  lies  mocnin,  tilge 
das  eben  dagewesene  redire,  füge  zu  cnbo  den  Infinitiv;  S.  129  lies 
incumbo,  abstergo  (eo) ,  si,  stersiim  2  und  3,  richtig  ist  doch  nur 
abstergco  2;  S.  130  setze  zu  ' natus  alt'  den  Casus,  lies  e//ifrere,  ter ; 
S.  133  werden  Kriegskosten  durch  sumtus  übersetzt,  lies  magnifica, 
callida,  Thür  heifst  volva?  Zudem  schreibe  vulvae;  S.  136  lies  cert- 
seo;  S.  137  phalerarum ,  setze  zu  invideo  den  Casus,  wie  es  bei  vtor 
geschehen  ist;  S.  138  lies  Schmähungen,  tilge  eins  von  den  sich  ge- 
genüberstehenden desum  und  tandem:  S.  139  übersetze  imitabilis  an- 
ders; wozu  die  Stammformen  von  exanimo  mit  1?  Wegen  des  Nom. 
vicis  war  das  richtigere  nachzulesen,  zu  crijno  setze  3  statt  2,  obsi- 
deo  war  anders  zu  übersetzen;  S.  140  commentum  Ermahnung?  lies 
appono ;  S.  141  lies:  siehe  infero;  S.  142  lies  fero,  wozu  fanum  etc. 
mit  Angabe  des  Genetivs?  S.  143  kann  dcfendere  nicht  Verbieten' 
heifsen,  siehe  die  betreffende  Stelle,  exardeo  zweimal  verzeichnet, 
S.  144  lies  intuitus ,  S.  146  wird  iwcmIio  durch  'einstofsen'  übersetzt, 
praeceps  hat  praecipitis :  setze  vor  novitas  die  Zahl  31  ;  S.  147  lies 
premo  3;  S.  148  lies  32,  setze  zu  interlino  die  Stammformen,  lies 
perfcci;  S.  149  soll  proceritas  Fruchtbarkeit  heifsen,  lies  piguit  und 
33.  Doch  dieses  mag  zureichen.  —  Anfänge  des  Lafeinisclien  in 
Verbindung  mit  dem  Anschamingsnnlerricht  bis  znrn  Lesen  und 
Ueberselzen  der  Distichen  nebst  Schema  der  lateinischen  Sprach- 
lehre. Von  Dr.  G.  L.  Kloker.  Nebst  einer  Tabula  grammatices  La- 
tinae.  Dritte  verbefserte  und  vermehrte  Ausgabe.  Hamburg  n.  Leip- 
zig 1851.  Verlag  von  G.  Heubel.  V  u.  258  S.  8*).  Der  Hr.  Verf. 
läfst  die  Grammatik  jeder  Sprache  auf  die  Frage:  Was  macht  sie  oder 
was  läl'st  sich  aus  ihr  machen?  sagen:  'Ich  regle  deine  Gedanken,  ich 
bringe  die  Gründe  deines  Ausdrucks  zu  deiner  Erkenntnis.'  Ganz  gut; 
er  fährt  aber  dann  auf  eine  eben  nicht  delicate,  höchst  marktschreie- 
rische Weise  fort:  'Hier  aber  beginnt  erst  die  Stellung  des  Schul- 
meisters recht  feindlich  zu  werden:  ihr  regelt  Gedanken,  wo  keine 
vorhanden  sind ;  ihr  lehret  Musik  dea  tauben  und  Geometrie  den 
blinden,  ihr  künstelt  und  faselt,  weil  ihr  aus  nichts  etwas,  aus  einem 
leeren  Kinde  einen  Gelehrten,    aus    einem    Mechanismus    eine    Wifsen- 

*)  Daneben  der  allgemeine  Titel:  Der  Schullehrer  des  neunzehn- 
ten Jahrhunderts,  oder  Darstellung  des  gesammten  Unterrichts  für 
Väter  und  Lehrer.     Fünfter  Band,  zweite  wohlfeile  Ausgabe. 


704      Lateinische  Schulgframmatiken  und  Uchersetzungsbücher. 

Schaft  machen  wollt;  ihr  gebt  Formeln,  und  überall  fehlt  der  geord- 
nete Stoff!  Da  mufs  ich  Krieg  führen;  hier  ist  meine  Erklärung: 
Entweder  schliefst  eure  lateinischen  Knabenschulen,  oder  fanget  mit 
meiner  Vorschule  und  dann  mit  meiner  Volk  ss  chule  an  !  Solange 
ihr  das  nicht  thut,  können  wir  nicht  Friede  haben:  euren  Verstand 
oder  eure  Ehrlichkeit  werde  ich  immer  lauter  in  Zweifel  ziehn,  zu 
welchem  Rang  auch  die  Gesellschaft  euch  erhoben  habe.'  Was  soll 
ein  Rec.  zu  solch  einem  Buche  sagen?  —  Ref.  beschliefst  das  kurze 
Referat  mit  der  Anzeige  eines  in  seiner  Art  trefflichen,  deshalb  weit 
verbreiteten  Buches:  Auff/abcn  ZU  lateinischen  Slilübungen  von  J<. 
Fr.  Süpfle  u.  s.  w.  Erster  Theil.  Aufgaben  für  untere  und  mitt- 
lere Classen.  Sechste  verbefserte  und  vermehrte  Auflage.  Karlsruhe 
1852.  Verlag  von  Groos.  IX  u.  280  S.  8.  Diese  Auflage  unterschei- 
det sich  von  der  vorhergehenden  dadurch,  dafs  der  Text  der  Uebungs- 
stücke,  wo  nöthig,  nach  Inhalt  und  Form  verbefsert  wurde  —  am 
meisten  in  Alexanders  Jugendgeschichte  nach  R.  Geiers  Erziehung  und 
Unterricht  Alex.  d.  Gr.  — ;  ferner  sind  die  Anmerkungen  berichtigt, 
die  Phraseologie  vermehrt,  die  Citate  auf  Zumpt,  Schulz  und  Feld- 
bausch gleichmäfsiger  und  vollständiger  durchgeführt,  endlich  die 
Nummern  8,  35  und  42  der  vorigen  Auflage  weggelafsen  und  dafür 
Nr.  36  Wunden  im  Dienste  der  Staates  sind  ehrenvoll ,  Nr.  45  Tele- 
phus,  Nr.  92  Amphiaräus,  Nr.  131.  132  ArTon,  Nr.  142  Wie  wird  das 
Andenken  guter  Männer  am  wahrsten  geehrt,  Nr.  255.  256  Kluger  Ein- 
fall des  Königs  Agesilaus,  Laomedons  Treulosigkeit,  aufgenommen  wor- 
den. Da  Ref.  sich  dieser  Uebersetzungsaufgaben  seit  6  Jahren  beim 
öffentlichen  Unterrichte  bedient  hat  und  noch  bedient,  so  erlaubt  er 
sich  einige  Bemerkungen,  die  ihm  die  Schule  an  die  Hand  gab,  und 
wünscht  sie  ebenso  freundlich  angenommen  als  dargeboten.  Zu  wört- 
lich übersetzt  und  für  den  Schüler  leicht  zu  finden  sind  Nr.  218  aus 
Cic.  Lael.  §.  22;  Nr.  209  aus  Parad.  6,  3,  hier  heifst  wohl  auch 
eripere  opp.  surripere  mit  Gewalt  entreifsen;  Nr.  235  aus  de  F'in.  2, 
30  steht  wie  die  vorigen  in  den  vielgebrauchten  Locis  memor.  Qued- 
linburg.; Nr.  236  findet  sich  wörtlich  in  den  meisten  lateinischen  Le- 
sebüchern, so  bei  Burchard,  Middendorf  u.  a.  Nr.  14,  1  ist  sarcinae 
zu  lesen;  Nr.  82,  6  auch  umgekehrt,  87,  15:  vor  allen,  96  Minwider- 
stehlich'  lateinisch?  oder  269,  7;  125,  11  lies  in,  128,  7  pedibus,  148, 
7  hebes  fehlt  der  Gen.  mit  der  Quantität;  179,  2  Aruns ,  untis ,  179 
'zu  wenig'  war  hier  zu  latinisieren,  187  'triefend'  lateinisch? 
189  im  Text  lies  nach  man  8),  ebend.  12  zu  verweisen  wegen  factum 
auf  182,  5;  193,  16  entweder  als  bekannt  wegzulafsen  oder  mit  dem 
Casus;  199  war  'mit  eignen  Augen'  zu  übersetzen  oder  zu  verweisen 
87,  9  mit  Verwarnung  des  Gebrauchs  von  proprius ;  201  hätte  ich  blofs 
dignitas  'Werth'  übersetzt;  202,  4  siehe  179,  15.  207,  5  befser  in 
aliquid,  so  ist  die  Verbindungsweise  bei  inesse  243,  5  gut  angegeben ; 
217,  4  vielleicht  anschaulicher  quicum:  235,  2  exanimari;  236,  l  Nt- 
töcris;  237,  1  wohl  eher  zu  verweisen  auf  212,  5,  dadurch  prägen  sich 
bald  die  mitverzeichneten  Phrasen  ein;   setze    vor    opus    est   2;    über- 


FcUcr:  Exercises  oii  tlie  geniiis  of  tlie  ong-lisli  lano;uagc.      705 

setze  ^jemand  «'inen  grolsen  Gefallen  erweisen',  ebendas.  11  konnte 
auch  Ziini|)t  ^■.  '2'29  und  8cluilz  .^■.  Gü,  3  citiert  werden.  Lies  Nr.  242  5 
248,  10  ist  erst  247,  2  und  öfters  daj;ewesen ;  259  'erstarken'  latei- 
nische 263  ist  'Geschicklichkeit'  zu  lesen;  283,  9  auch  animo  aliquem 
confirmare  Caes.  B.  G.  5,  49;  295,  1  sollicitavit;  312,  2  refertus; 
ebendas.  3  acciperc;  322,  13  war  eher  auf  die  Grammatiken  zu  ver- 
weisen; 333  verbinde  der  Deutlichkeit  halber  afßccre  et  tenlare ;  340, 
15  sanitatis ;  346  im  Text:  eingeleitet  hatte;  353,  5  rem  publicavi ; 
369,  11  Tonwort;  391,  12  'dann  auch';  395,  6  vergl.  392,  7;  402,  5 
hätten  wir  noch  verwiesen  auf  212,  5;  403  'Reigentänze'  lateinisch? 
Ref.  scheidet  von  diesem  vortrefflichen  Ruche  mit  dem  aufrichtigen 
Wunsche,  dals  es  immer  mehr  iNutzeu  stiften  und  immer  weitere  Ver- 
breitung finden  möge.     Druck  und  Papier  löblich. 

Sondershausen.  Dr.  Hartmann, 


Exercises  on  the  genins  ofthe  english  language.  Ein  Uebungsbuch 
für  höhere  Schulclassen  und  zur  selbständigen  Fortbildung  nach 
genofsenem  Unterricht.  Von  Dr.  F.  E.  Feller.  Zweite  verbefserte 
und  vermehrte  Auflage.   Leipzig,  Baumgärtner.  1853.     286  S.  8. 

Das  Buch  ist  ein  Pendant  zu  den  gleichfalls  schon  in  zweiter  Auf- 
lage von  demselben  Verf.  bearbeiteten  Nouveaux  exercices  sur  le  ge- 
nie  de  la  languc  fran^aise  (1843)  und  soll  wie  dieses  zur  Vorberei- 
tung für  freie  stilistische  Arbeiten  dienen.  Das  Bedürfnis  einer  sol- 
chen Vermittlung  ist  gewis  aufser  dem  Verf.  auch  vielen  andern  Leh- 
rern fühlbar  gewesen,  zumal  an  solchen  Anstalten,  wo  dem  englischen 
Sprachunterrichte  namentlich  eine  noch  im  ganzen  so  knappe  Zeit  zu- 
gemefsen  ist,  dafs  der  Sprung  von  den  grammatikalischen  Arbeiten 
zu  freiem  Compositionen  immer  ein  zu  gewagter  ist  und  selten  ge- 
lingt. Demnach  kann  das  Buch  denjenigen  Lehrern  und  Anstalten  sehr 
wohl  empfohlen  werden,  wo  der  langsame  und  stufenmäfsig  bis  zu 
jenem  Ziele  fortschreitende  Unterricht  durch  die  Verhältnisse  nicht 
thunlich  ist.  Hr.  Fe  11  er  hat  nun  sein  Buch  in  zwei  Abtheilungen 
gebracht,  deren  letztere  kleine  zusammenhängende  deutsche  Stücke 
bringt  zum  Uebersetzen  ins  Englische  mit  der  nöthigen  phraseologi- 
schen Beihilfe ,  welche  das  Uebersetzen  dem  lernenden  ebenso  leicht 
und  angenehm  als  instructiv  macht,  zumal  der  deutsche  Text  so  ein- 
gerichtet ist,  dafs  er  nur  mit  Hilfe  idiomatischer  englischer  Ausdrücke 
und  Wendungen  wirklich  übersetzbar  wird.  Eigenthümllcher  ist  die 
erste  zu  ausschllefslich  'mündlichen  Uebungen'  bestimmte  Hälfte  des 
Buchs.  Sie  ist  mehr  lexikalischer  Natur,  und  bringt  in  alphabetischer 
Anordnung  eine  ziemliche  Anzahl  deutscher  vieldeutiger  und  des- 
wegen für  das  Uebersetzen  schwieriger  Zeitwörter  (wie  angeben, 
au  fge  h  e  n,  a  u  ssc  h  la  ge  n,  b  r  ing  en,  ein  fa  11  en,  kommen  u.  s.w.) 
in  deutschen  aphoristischen  Sätzen  mit  der  entsprechenden  englischen 
Uebertragung  gegenüber.  Also  z.  B.  unter  'stecken'  die  Sätze: 
IS.  Jahrb.  f.  P/iif.  u.  Paed.  Bd.  LXVII.   Hft.  C.  46 


706     Feller:  Exercises  on  the  genius  of  the  englisli  language. 

'  Der  Junge  schrie  als  wenn  er  am  Spiefse  steckte '  (as  if  he  tfas 
guhig-  to  be  killed)  —  "'damufs  etwas  dahinterstecken'  (ihere  must  bc 
some  special  reason  for  it)  u.  s.  f.  Kein  ungeübter  wird  von  selbst, 
ohne  mehr  oder  weniger  grobe  Germanismen  zu  begehn ,  dergleichen 
Sätze  in  einer  dem  Genius  der  englischen  Sprache  entsprechenden  Weise 
wiedergeben ;  die  Wörterbücher  lafsen  ihn  vollends  in  den  meisten 
Fällen  im  Stiche.  Das  gute  können  solche  Uebungen  sicherlich  haben, 
dafs  sie  der  landläufigen  Meinung  steuern,  als  sei  das  Englische  über- 
haupt leicht;  ein  wenig  Respect  vor  erkannten  Schwierigkeiten  ist  wie 
überall  so  beim  Lernen  immer  schon  ein  Schritt  vorwärts  aus  der 
Mittelmäfsigkeit  heraus.  Ref.  kann  daher  solche  Uebungen  nicht  ge- 
nug empfehlen.  Wie  man  sieht,  sind  sie  ein  Stück  von  Onomatik, 
freilich  auch  nur  ein  Stück.  Der  Verf.  hat  sich  aus  Rücksichten  lei- 
der nur  auf  gewisse  Zeitwörter  beschränken  müfsen,  wiewohl  sich  sol- 
che idiomatisch  deutsch-englische  Uebungen  mit  einem  oder  dem  an- 
dern der  übrigen  Redetheile  auch  noch   anstellen  liefsen. 

Mnemonisch  hat  dies  Verfahren,  nach  des  Ref.  Ansicht,  doch  auch 
manche  Schwierigkeiten,  denn  die  Sätze  sind  so  desultorisch,  dafs 
dem  Gedächtnis  leicht  der  Stützpunkt  für  das  sichere ,  feste  Behalten 
dessen,  worauf  es  hier  ankommt,  schwindet.  Für  diejenigen,  die  das 
Buch  unter  Anleitung  eines  Lehrers  gebrauchen,  wäre  es  vielleicht 
wünschenswerther  gewesen,  nur  die  englischen  Sätze  zu  geben,  und 
für  jede  Partie  das  betreffende  deutsche  Verbum  nur  einmal  als 
Schlagwort  anzugeben,  mit  der  Aufgabe,  dasselbe  in  der  eignen  Ue- 
bersetzung  in  irgend  einer  passenden  Wendung  zur  Anwendung  zu 
bringen.  Was  so  vom  Schüler  selbst  gefunden,  tritt  für  ihn  auch  als 
Idiotismus  viel  leichter  hervor,  und  setzt  sich  darum  leichter  bei  ihm 
an ,  während  bei  dem  andern  Verfahren  Auge  und  Sinn  daran  vorüber 
eilt  und  dem  Gedächtnis  nicht  so  bleibend  zuführt.  Noch  mehr  würde 
sich  durch  Fruchtbarkeit  ein  anderes  onomatisches  Verfahren  empfehlen, 
bei  welchem  man  entweder  deutsche  oder  englische  Wurzelverben  zu 
Grunde  legt,  daran  die  ganze  Wortfamilie  lernen  läfst,  und  vorzugs- 
weise die  dabei  vorkommenden,  der  einen  oder  andern  der  beiden  Spra- 
chen eigenthümlichen  Ausdrucksweisen  berücksichtigt.  Also  beispiels- 
weise nehme  man  brechen  mit  seinen  verschiedenen  Anwendungen 
als  Simplex  und  als  Compositum,  dazu  gleich  ab-,  anbrechen,  mit 
Rücksicht  auf  die  Nebenbedeutungen  aufhören  und  anfangen,  fer- 
ner ein-,  aus-  und  gebrechen  (Synon.  fehlen,  mangeln  u.  s.  w.), 
dazu  wieder  die  entsprechenden  Substantiva  Bruch,  Gebrechen 
(mit  seinen  Synonymen  im  Deutschen  wie  im  Engl.!),  Abbruch  (Syn. 
Nachtheil)  und  die  dazu  gehörigen  Redensarten,  Abbruch  thun, 
leiden  u.  s.  w.,  alles  in  Sätzen,  die  soviel  als  thunlich  einen  Inhalt 
haben,  z.  B.  aus  classischen  Schriftstellern,  aber  auch  aus  der  Um- 
gangssprache. So  bringt  man  durch  leichte  Etymologie  und  Syno- 
nymik und  Association  verwandter  Vorstellungen  wahrhaft  fruchtbare 
Elemente  hinein  ,  die  das  Lernen  weniger  mechanisch  machen  und  für 
das    Memorieren    unter   allen    Umständen    feste    Stützpunkte  abgeben. 


Pfizer:  die  philosopliische  Propaedeutik  auf  den  Gymnasien.    707 

Man  hat  nun  die  Wahl,  in  dieser  onomatischen  Weise  vom  Deutschen 
oder  vom  Englischen  auszugclin,  wiewohl  der  letztere  Fall  durch  die 
starke  Versetzung  des  Englischen  mit  romanischen  Elementen  etwas 
erschwert  wird.  Alle  bis  je(zt  vorhandenen  Lehr-  und  Uebungshücher 
haben  unsers  Wifsens  auf  solche  onomatische  Behandlung  noch  viel  zu 
wenig  oder  gar  nicht  Rücksicht  genommen,  und  doch  scheint  dies  das 
einzige  zuverläfsige  Mittel,  (]en  Schüler  mit  einer  angemefsenen  Wort- 
und  phraseologischen  Copia  auszurüsten  und,  so  weit  es  hierdurch  mit 
geschehn  kann,  in  den  Sprachgeist  einzuführen.  —  Inzwischen  kann 
man  das  oben  besprochene  Buch  schon  mit  vielem  Nutzen  gebrauchen. 
Beide  Abschnitte  desselben  empfelilen  sich  ebenso  sehr  auch  zum  Ge- 
brauch für  deutsch  lernende  Engländer,  die  in  die  Eigenthümlichkeiten 
deutscher  Ausdrucksweise  eingeführt  sein  wollen.  Zu  wünschen  wäre 
nur  gewesen,  die  zweite  Abtheilung  im  Buche  wäre  in  einen  mehr  or- 
ganischen Zusammenhang  mit  der  ersten  getreten,  so  etwa,  dafs  viele 
oder  die  meisten  Sätze  der  letztern  dort  ihre  praktische  Anwendung 
und  Einübung  gefunden  hätten. 

E.  B. 


Kleinere  auf  Gymnasialpaedagogik  bezügliche  Schriften. 


[Fortsetzung.] 
Dem  Unterrichte  in  der  philosophischen  Propaedeutik  sind  zwei 
uns  vorliegende  Programmabhandlungen  gewidmet,  zuerst:  Die  philo- 
sophische Propaedeutik  auf  den  Gymnasien  nebst  einigen  logischen 
Aphorismen.  Von  Prof.  Pfizer.  (Stuttgart  1852.  51  S.  4).  Die 
Bedeutung  dieser  in  vieler  Hinsicht  ganz  vortrefflichen  Schrift  ist  eine 
doppelte,  indem  sie  einmal  die  wichtigsten  Gesetze  der  formalen  Lo- 
gik einer  tief  eingehenden  Erörterung  unterwirft,  den  Umfang  ihrer 
Wahrheit  und  die  ihnen  nothwendig  zu  gebende  Fafsung  darlegt  und 
also  selbst  ein  Beitrag  zum  Ausbau  dieser  Wifsenschaft  ist.  Diese 
Seite  der  Schrift  zu  würdigen  überlafsen  wir  andern,  sprechen  aber 
unsere  volle  und  aufrichtige  Anerkennung  derselben  aus.  Uns  be- 
schäftigt zunächst  nur  die  zweite  Seite,  die  Erörterung  der  paeda- 
gogischen  Frage  über  die  Beibehaltung  der  auf  dem  Titel  genannten 
Disciplin,  deren  Umfang  und  methodische  Behandlung  in  den  Gymna- 
sien. Hier  tritt  uns  —  ohne  dafs  wir  jedoch  damit  behaupten  wollen, 
es  habe  noch  niemand  das  gleiche  geäufsert  —  als  neu  die  Ansicht 
entgegen,  dafs  die  formale  Logik  dem  Gymnasium  allein  angehören  und 
hier  zu  einem  völligen  Abschlufs  gebracht  werden  solle.  Da  Ref.  eine 
davon  wesentlich  verschiedene  Ansicht  geäufsert  hat  (s.  Bd.L  S.464.  Bd. 
LVI  S.  323  f.  Suppl.  XVI  S.  138  f.),  so  hält  er  sich  für  verpflichtet, 
die  von  dem  Hrn.  Verf.  vorgebrachten  Gründe  zu  prüfen.  Deren  sind 
—  denn  von  den  nur  empfehlenden  sehn  wir  ab  —  hauptsächlich  zwei: 

'      46* 


708    Pfizer:  die  philosophische  Propaedeutik  auf  den  Gymnasien. 

einmal  dafs  diese  Wifsenschaft  nur  durch  dialogische  Behandlung  ihre 
Trockenheit  verliere,  wahrhaft  fruchtbringend  und  in  succum  et  san- 
guinem  vertiert  werden  könne,  eine  solche  Behandlung  aber  von  der 
Universität  fern  bleiben  miifse,  sodann  dafs  die  Aufgabe  und  Idee  der 
Gymnasien  dies  fordere,  'dieser  Anstalten,  welche  ebenso  auf  for- 
melle Geistesbildung,  Erweckung  und  Schärfung  hinzuarbeiten,  wie 
den  Grund  eines  positiven  ,  für  das  künftige  Berufsstudium  und  für 
das  ganze  Leben  vorbereitenden  und  bleibenden  Wifsens  zu  legen  ha- 
ben, welche  dahin  wirken  sollen,  dafs  der  jugendliche  Geist  ebenso 
in  dem  festen  Boden  des  gegebenen  Wurzel  schlage,  als  sich  ins  Licht 
emporringe,  ebenso  auf  den  verschiedenen  Gebieten  des  geistigen  Le- 
bens sich  mit  emsiger  Beharrlichkeit  anbaue,  wie  in  rüstiger  Wande- 
rung aussichtsreiche  Höhen  erklimmend  und  die  Blicke  nach  allen  Sei- 
ten hinrichtend  sich  zurecht  finde  und  orientiere ,  ebenso  an  Selbst- 
vertrauen und  Sicherheit  des  Fortschreitens,  einem  immer  klarer  er- 
kannten Ziele  entgegen,  wachse,  als  die  bescheidene  und  doch  nie 
entmuthigende  Ueberzeugung  von  des  menschlichen  Wifsens  Mangel- 
haftigkeit sich  bewahre.'  Bei  allem  dem  wahren ,  welches  der  erste 
Grund  enthält,  will  er  uns  dennoch  als  ein  solcher  erscheinen,  der 
von  der  Mangelhaftigkeit  eines  Tragmittels  die  Verlegung  der  Last 
nach  einem  andern  Platze,  nicht  die  Stärkung  und  Befestigung  jenes 
herleitet,  nicht  als  ob  wir  uns  anmafsten,  eine  Verbefserung  der  auf 
den  Universitäten  üblichen  Lehrmethode  zu  verlangen,  um  so  weniger, 
als  wir  wifsen,  dafs  auch  dort  vielfache  Gelegenheit  geboten  ist,  auf 
andere  Weise  als  durch  das  blofse  Anhören  und  Durcharbeiten  eines 
Lehrvortrags  in  die  Philosophie  eingeführt  zu  werden,  sondern,  weil 
die  Zweckmäfsigkeit  der  für  andere  Gegenstände  im  Gymnasium  ein- 
geführten Methode  doch  nicht  die  Verlegung  eines  dahin  nicht  gehö- 
rigen Gegenstandes  in  dasselbe  zur  Folge  haben  kann.  Dieser  Grund 
kann  demnach  nur  ein  unterstützendes  Gewicht  haben,  wenn  der  zweite 
ein  zwingender  ist.  Allein  alles  das  schöne  und  gute,  was  der  Hr. 
Verf.  von  der  Aufgabe  des  Gymnasiums  sagt,  gibt  durchaus  keine 
scharf  und  fest  bestimmte  Grenze,  ja  man  könnte  mit  jenen  Sätzen 
wohl  noch  andere  Dinge,  z.  B.  den  Abschlufs  des  geschichtlichen  Stu- 
diums, in  das  Gymnasium  herüberziehn.  Wenn  man  die  Aufgabe  des 
Gymnasiums  in  intellectueller  Hinsicht ,  die  Vorbereitung  zum  wifsen- 
schaftlichen  Studium  zu  geben,  nicht  anders  verstehn  kann  als  dafs 
es  seinen  Zögling  zu  befähigen  habe,  sich  jedes  wifsenschaftlichen  Ob- 
jects  ganz  bemächtigen  zu  können,  so  hat  es  allerdings  den  Anschein, 
als  gehöre  die  Kenntnis  der  Gesetze  und  der  Methoden  des  Denkens 
als  des  Prüfsteins  der  Wahrheit  und  des  Weges  zu  derselben  zu  ge- 
langen, dahin;  allein  da,  wie  der  Hr.  Verf.  selbst  zugesteht,  es  mög- 
lich ist,  zur  richtigen  Uebung  dessen,  was  die  Logik  lehrt,  zu  gelan- 
gen, ohne  diese  selbst  zu  kennen,  andererseits  aber  unmöglich  die 
Logik  zu  lernen ,  ohne  dafs  vorher  der  Geist  durch  vielfältige  Uebung 
erstarkt,  so  ist  es  an  und  für  sich  dem  Principe  des  Gymnasiums  nicht 
widersprechend,    wenn    man    die    Logik   auf    die    Universität    verlegt. 


Pfizer:  die  philosophisclie  Propacdculik  uiit'  den  Gymnasien.     700 

Wollen  wir  nun  auch  dem  Ciiuul.satze,  dafs    nur    die    llefäliigung  znin 
wifsrn.schaftlichen  Studium,  nicht  die  Vorbereitung  und  Grundlage,  wel- 
che die  Wil'.senschaften  von  einer  andern  entlehnen,  dem  Gymnasium  ange- 
hört, nicht  die  Ausdehnung  geben  ,  dafs  wir  damit  jedes,  was  nur  die  Form 
eines  wifsenschaftlichen  Systems  hat,  wozu  doch  die  formale  Logik  jedes- 
falls  gehört,  als  von  vornherein  für  immer  ausgeschlofsen  ansehn,  so  ist 
doch  der  äufsere  Grund  nicht  zu  übersehn,  dafs  zum  Studium  einer  Wi- 
fsenschaft  ein  anhaltenderes  Verweilen  und  eine  stetigere  Sammlung  er- 
forderlich   ist,    als    der    Schüler    auf  dem    Gymnasium,    wo    noch    eine 
Menge  anderer  verschiedenartiger  Lehrgegenstände  zu  treiben   ist,  ge- 
winnen kann.     Sagt  man,  dafs  dadurch  der  Uebergang  zur  Universität 
vermittelt  werde,  so  geben  wir  nicht  viel  darauf,    weil  es  auch  gewis 
viel  gutes    hat ,  wenn  der  Jüngling  ganz  und  gar  frei  in  das  sich  vor 
ihm  zum  erstenmal  aufthuende  Gebiet  der  Wifsenschaft  eintritt.  Damit 
ist  aber  freilich  die  Sache    nicht    abgethan.     Man   kann    uns    vielleicht 
einhalten,  dafs,  wenn  man  einmal  zugestanden,  wie  Ref.  an  der  zuletzt 
angeführten  Stelle  gethan,  es  sei  zum  Abschlufse  des  Gymnasialunter- 
richts    eine    Herausstellung    und     Zusammenordnung    ('systematische' 
wünschten  wir  dort  weggelafsen  zu    haben)    des   bisher    unbewust    ge- 
wonnenen wünschenswerth,  weil  dadurch    der  Besitz   ein   festerer  und 
sichrerer  werde,    der    Schritt   zu    einem    zusammenhangenden    und    ab- 
schliefsenden  Vortrage  nicht  mehr  weit  sei;  allein  wir    erwidern,  dafs 
in  jenem  immer  Grenzen  gesteckt  seien ,  welche  die  Wifsenschaft ,  die 
sich  über  alle  Gebiete  des  Geistes  zu  vei'breiten  hat,  nicht  anerkennen 
darf,  dafs  demnach  mit  jenem  die   eigentliche   wifsenschaftliche   Logik 
auf  der  Universität  erst  gefordert  werde.      Auch   wenn  Avir   zugestehn 
müfsen,  dafs  in  die  Aufgabe  des  Gymnasiums  die  Forderung  falle,  das 
geistige  Vermögen  an  der  Auffafsung  einer  philosophischen  Behauptung 
und  eines  philosophischen  Gesetzes  zu   üben,    und   dafs    sich    dazu    die 
Gesetze  der  formalen  Logik  als  die  einfachsten  am    besten   eignen,    so 
geben  wir  damit  keineswegs  die  abschliefsende  systematische    Behand- 
lung   zu.      Fafsen    wir    nun    dies    alles    zusammen   ins   Auge    und   be- 
rücksichtigen   dabei   vorzüglich    die   bedeutend   ins    Gewicht    fallenden 
änfsern  Hindernisse  (namentlich  auch  die  grofse  Vielheit    der   Lehrge- 
genstände und  die  da,  wo    der   Cursus   der   letzten   Classe   länger   als 
einjährig  ist,  aus  dem   verschiedenen   Bildungsstand    der    Schüler    her- 
vorgehende   Schwierigkeit,    und    dafs    hier   eigentlich    ein    zweimaliges 
Durchmachen  nur  schwer  vermeidlich  ist),  so  scheint  sich  uns  folgen- 
des zu  ergeben:  es  reicht   für    das    Gymnasium    aus,    wenn    einige  der 
wichtigsten  Gesetze  der  Logik  Erörterung    finden    und   zwar,    wie   es 
das  Princip  des  Gymnasiums  fordert,   an  thatsächlich    gegebenem,  po- 
sitivem; es  empfiehlt  sich  aber  dazu  ein  doppelter  Weg,  entweder  dafs 
diese  damit  verknüpft  werde,  wo  sich  eine  natürliche  Gelegenheit  dazu 
findet,  mit  dem  deutschen  Unterrichte  (auch    wenn    dieser    in    sprach- 
licher Hinsicht  nach  dem,  was  Bd.    LXVII   S.  479  f.    gesagt  ist,   eine 
Veränderung  erfahren  sollte,  werden    dennoch  die    Correctur    der  Auf- 
sätze und  die  dem  ähnlichen  Uebungen  die   Gelegenheit   zu  jener  An- 


710  Kiesel:  de  primis  artis  logicae  praeceplis  Piatone  duce  tradendis. 

knüpfunff  fort  und  fort  bieten) ,  oder  dafs  sie  als  eine  Uebung  an  einem 
thatsächlich  gegebenen  Objecte  vorgenommen  werde.     Für  das  letztere 
gibt  es  wieder  einen  doppelten  Weg,  entweder  den  von  Trendelenburg 
in  den  Elementis  log.  Arist.  eingeschlagenen  oder  die  Verknüpfung  mit 
der  Leetüre  einer  philosophischen  Schrift  des  Alterthums.     Das  letztere 
finden  wir  in  die   Praxis    aufgenommen ,    z.    B.    am    Obergymnasium  in 
Stuttgart,  in  dessen  Lectionsplan  wir    für   CI.  X   unter    Griechisch 
lesen:  ' Piatos  Phaedon  mit  logischen  Erläuterungen  und  Excursen'  und 
unter  philosophischer  Propaedeutik:  'W.  s.  Griechisch;   im  S. 
Psychologie  nach  Becks  Leitfaden.'     Rücksichtlich   der  Geschichte  der 
Philosophie    nuifs    Ref.    ganz    unbedingt    an    dem    festhalten,   was   er 
Suppl.  Bd.  XVI  S.  139  gesagt  hat,  und  auch  Hr.  Prof.  Pfizer  hat  ihrer 
mit  keinem  Worte  in  seiner  Schrift  gedacht,  und  was  endlich  die  em- 
pirische Psychologie  anbelangt,    so  will   es   uns   immer   bedünken,    als 
mül'se  das  wichtigste  aus   derselben  bereits  bei  der   Leetüre   der  Alten 
und  beim    deutschen   Unterrichte   in    der   für   das    Gymnasium    ausrei- 
chenden Weise  bekannt  werden  und  könne    selbst    eine    Zusammenord- 
nung  desselben    nicht   viele   Zeit    in   Anspruch   nehmen.      Da   wir  also 
eine  von  der  seinigen  abweichende  Ansicht  aufgestellt  haben ,   so  sind 
wir  um  so  mehr  Hrn.  Prof.  Pfizer  die  Anerkennung   schuldig,   dafs  er 
für  die  Beantwortung  der  erörterten  Frage    sehr  wesentliches,   für   die 
Behandlung  der  Logik  selbst  aber  bedeutendes  geleistet  habe.     Mit  den 
von    uns    eben    vorgetragenen   Ansichten    in    den   Hauptsachen   einver- 
standen finden  wir  Hrn.  Dir.  Dr.  K.  Kiesel  in    der   Abhandlung:    De 
primis   artis   logicae   praeccptis    Platonc    duce    tradendis    (Düsseldorf 
1831.     19  S.   4).     Namentlich   schliefst   auch    er   die    Psychologie   und 
Geschichte  de:  Philosophie  aus  und  erkennt  die    Nothwendigkeit  einer 
Beschränkung  in  der  Logik  und  die  Einübung  an   gegebenen   Objecten 
an   (fluic    autem   rei   tum    optime    consuletur,    quum   non    ita   magna 
praeceptorum  copia ,  in    quibus   deligendis  animorum    condicionem  re- 
spexeris  et  eius  usus,   qui  corum  sit,  rationem  habueris,  petitis  ex  re- 
liqua  iuvenili  institutione  excmpUs  illustrabitur).     Wenn  er  aber  dafür 
besondere  Stunden  verlangt,  weil  so  der    Unterricht   selbst   an    Werth 
und    Tiefe   gewinne    und    die    vielseitige   Behandlung   und   Anschauung 
eines    Objects    (z.    B.     einer   philosophischen    Schrift    des    Alterthums) 
nicht  so  oft  unterbrochen  werde,  so  ist  die  Differenz  von  den  Ansich- 
ten des  Ref.  nicht  so  grofs,  da  er  bereits    a.  a.  O.    S.  140  die  Räth- 
lichkeit    davon    unter    gegebenen    Verhältnissen    anerkannt    hat.      Der 
Hauptinhalt  der  Schrift  ist  der  Beweis ,    dafs  sich    die   wichtigsten  lo- 
gischen Gesetze,  welche  sich  in  Trendelenburgs  Elementis  finden,  ganz 
zweckmäfsig  aus  Piatos    Schriften    erläutern    lafsen    und    demnach    der 
Vortrag  der  Logik  so  einzurichten  sei  ,  dafs  dadurch  die    Leetüre  des 
Plato  und  diese  wiederum  durch  jene  gefördert  werde.     Freilich  scheint 
dem   Ref.    dabei    eine    umfänglichere    Leetüre   des   Plato    vorausgesetzt 
oder  gefordert  zu  werden,  als  sie  factisch  an   den   meisten  Gymnasien 
geübt  wird  und  auch  wohl,  da  doch    andere   Litteraturzweige   des  Al- 
thums  Berücksichtigung  finden  müfsen,    thunlich   geübt   wex'den   kann. 


Roth:  Andeutung  iK  s.  vv.  u.  Neuber:  die  Wertlieiiner  MitlelHchnle.  71  I 

Uebrigens  verdient  die  Abhandlung  auch  als  ein  wichtiger  Beitrag  zur 
Kenntnis  der  platonischen  Philosophie  und  von  deren  Verhältnis  zu 
der  des  Aristoteles  Beachtung. 

In  dein  bereits  erwähnten  Stuttgarter  Programm  hat  der  trefdiche 
Ilotli  S.  52 — 58:  Andeutung  einiger  Umstände,  welche  das  Gedei- 
hen des  Schulunterrichts  bei  Knaben  und  Jünglingen  aus  den  höhern 
Ständen  zu  erschweren  scheinen,  gegeben  und  dabei  nicht  allein  die 
aus  Verzärtelung,  Verweichlichung,  unchristlicher  Weltlichkeit  und 
Standesvorurtheilen  hervorgehenden  Nachtheile,  sondern  auch  die  in 
intellectueller  Hinsicht  so  häufig  begangenen,  in  ihren  Folgen  sich  so 
schwer  rächenden  Fehlgriffe  anschaulich  dargelegt.  Besonders  hat  es 
den  Ref.  gefreut,  hier  die  leider!  noch  so  weit  verbreitete,  aller  ver- 
nünftigen Ansicht  von  der  Seele  Hohn  sprechende  und  die  eigne  Na- 
tionalität herabwürdigende  Unsitte,  vom  ersten  Lallen  an  das  Fran- 
zösische zu  lehren,  ruhig  und  doch  ganz  entschieden  in  ihrer  Schäd- 
lichkeit nachgewiesen  zu  finden.  Auch  über  die  Handhabung  der  Dis- 
ciplin  in  den  Schulen  finden  sich  für  den  aufmerksamen  sehr  beach- 
tenswerthe  Winke.  Was  Roth  schreibt,  bedarf  nicht  erst  unseres  Lobes, 
aber  Ref.  hielt  es  für  seine  Pflicht  seine  Berufsgenofsen  darauf  auf- 
merksam zu  machen.  Wollen  wir  das  Gedeihen  unseres  Unterrichts 
bei  allen  unsern  Schülern,  so  sind  wir  auch  verpflichtet,  den  Hinder- 
nissen, welche  demselben  von  aufsen  bereitet  werden,  nach  Kräften 
entgegenzuarbeiten.  Mögen  Roths  Worte  vielen  zum  Antriebe  und 
Mittel  dazu  werden! 

Wir  erwähnen  noch  einige  Beiträge  zur  Geschichte  des  Gymna- 
sialwesens liefernde  Schriften,  zuerst  C.  A.  Rüdiger:  Zum  Regula- 
tiv für  die  Gelehrtenschulen  im  Königreich  Sachsen.  Ein  litterar- 
geschichtlicher  Aufsatz  (Beigabe  zum  Programm  von  Zwickau  1852. 
31  S.  8),  eine  sehr  fleifsige  Zusammenstellung  alles  dessen,  was  der 
genannten  organisatorischen  Verordnung  vorausgegangen,  was  über 
dieselbe  geschrieben  und  später  daran  geändert  und  hinzugefügt  wor- 
den ist.  Eingehende  Beurtheilung  und  Würdigung  lag  nicht  im  Zwecke, 
der  aber,  ein  brauchbares  Material  dazu  zu  liefern,  ist  recht  gut  er- 
reicht. —  Ein  langes  treues  Lehrerwirken  verdient  Darstellung  nicht 
nur  für  die  Schüler,  welche  den  Segen  davon  empfangen  haben,  zur 
Erweckung  eines  treuen  dankbaren  Gedächtnisses,  sondern  auch  für 
weitere  Kreise,  namentlich  für  die  Berufsgenofsen  zur  Kräftigung,  Er- 
munterung und  Belehrung.  Zugleich  erscheint  die  Würdigung  des  Wir- 
kens eines  noch  lebenden  als  das  beste  Mittel  der  Anerkennung.  Damit 
begrüfsen  wir  die  Schrift:  Die  Wertheimer  Mittelschule  tinter  der  Lei- 
tung von  Dr.  J.  G.  E.  Föhlisch  ,  welche  dem  genannten  Veteran  am 
Tage  seiner  50jähr.  Lehrerthätigkeit,  von  der  43  Jahre  der  jetzt  von 
ihm  geleiteten  Anstalt  gewidmet  waren,  Prof.  Dr.  F.  A.  Neuber,  ein 
Schüler  und  jetziger  College,  im  Auftrage  seiner  Amtsgenofsen  ge- 
widmet hat  (Wertheim  1852.  64  S.  8).  Wir  legen  dabei  nicht  so- 
wohl auf  das  viele  interessante  Werth  ,  welches  die  äufsere  Geschichte 
der  mit  unendlichen  äufsern  Hindernissen  ringenden  Anstalt,  die  Ver- 


712       'leulsch:  Zur  Geschichte  des  SchiirshLirger  Gymnasiums. 

zeichnIsse  der  Lehrer  und  Schüler  bieten,  als  viehnehr    auf   die  durch 
und   durch    das    Gepräge    der  Wahrheit   an    sich    tragende   Darstellung 
des  vom  tiefsten  Pflichtgefühl  und   lebendigster   Begeisterung   für    den 
Beruf  getragenen,  Energie  mit  kluger  Vorsicht  und  Mäfsigung  verbin- 
denden, von  den  klarsten  und  richtigsten  Ansichten    geleiteten   paeda- 
gogischen  und  organisatorischen  Wirkens.     Niemand  wird   die    Schrift 
ohne  Befriedigung  und    Förderung    lesen.      Zur    Geschichie   des   Duis- 
burger Gxjjmnasiums  im  16.  und  17.  Jahrhundert  hat  Hr.  Oberl.  KÖh- 
nen  in  den   Programmen    der   genannten   Anstalt   von   1850   und   1851 
(27  u.  28  S.  4)  eine    Abhandlung   gegeben.      Es    gehörte   ausdauernder 
Fleifs    und    eindringender    Scharfsinn    dazu,    um    aus    zum    Theil    sehr 
dürftigen  und  zerstreuten  Nachrichten    eine    nur   einigermafsen   zusam- 
menhangende   und   anschauliche   Darstellung    von    den   Schicksalen    der 
Schule  und  den  Männern,  die  an  ihr  gewirkt  haben  (wir  heben  G.  Ca- 
stritius,  Joh.  Molanus ,    Ts.  Cramer  hervor)  zu  bilden.    Hrn.  Köhnen  ist 
dies  aber  ganz  trefflicii  gelungen  und  seine  Schrift   sehr   werthvoll  für 
die  Geschichte  der   Gegend    sowohl    wie    für    die    der   Paedagogik   und 
Litteratur.     Von    dem    Westen   Deutschlands    an   die   äufserste   Grenze 
der  Verbreitung,  welche  das  deutsche  Element   nach    Osten   gefunden, 
versetzt  uns  das  Programm  von  G.   D.  Teutsch:  Zur  Geschichte  des 
Schässburgcr   Gifninasiums    (1852.     32    S.    4).     Behandelt   werden   die 
ersten  Anfänge    des    Schulwesens    vor    der   Reformation    und   dann    die 
Geschichte  des  Gymnasiums  bis    1677,    beigegeben   ist   ein    chronologi- 
sches Verzeichnis  der  Rectoren  und  Lehrer.     Die  Arbeit  zeigt  von  aus- 
gedehnter und  genauer  Bekanutschaft  mit  der  paedagogischen    Littera 
tur   und    der    Geschichte    des    Schulwesens    in    Deutschland,    von   sehr 
sorgfältiger  und  umsichtiger    Benützung    der    Quellen,    welche   in   Bü- 
chern und  den  Archiven  Siebenbürgens  sich  finden  (davon  hat  der  ge- 
lehrte Hr.  Verf.  in  seiner  Geschichte  der  Sachsen  in  Siebenbürgen  noch 
mehr  sprechende  Beweise  gegeben)  und  einer  grofsen    Geschicklichkeit 
in  klarer  und  ansprechender  Darstellung.     Sehr  ergreifend  ist  der  hier 
empfangene  Beweis  davon ,  dafs  sich  die  Deutschen  Siebenbürgens  un- 
ter schweren  Opfern  doch  mit  ihrem    Heimatlande   in   engster    Verbin- 
dung gehalten  und  dafs  dessen  geistiges  Leben  mit  allen  seinen  Bewe- 
gungen und  Richtungen  dort  einen  steten  lebendigen  Nachhall  gefunden 
hat.     Möge  das  dortige  deutsche  Element,  durch   Oesterreichs  Festig- 
keit vom  Untergange  gerettet  und    des   Segens,   den    dessen    Regiment 
verhelfst ,  theilhaftig,  mit  Gottes  Hilfe  kräftig  und  glücklich  gedeihn  ! 
Die  Geschichten  der  Schulen  stellen  uns    übrigens    fast    alle   in    leben- 
digen Zügen  vor  Augen,  wie  tiefe  Anerkennung  von  dem  Werthe  wah- 
rer  höherer   Bildung    unsere    Vorfahren  hegten  und    wie    schwere    und 
grofse  Anstrengungen  sie  machten,  um   ihren    Kindern    und    Nachkom- 
-  men  den  Segen  einer    solchen    zu   schaffen.      Dadurch    aber   ergeht    an 
uns  die  Mahnung,  die  Anstalten,  zu  denen  sie  mit  so   grofsen    Opfern 
den    Grund  gelegt,  als    das    zu    erhalten,   was   sie   nach   ihrem  Willen 
sein  sollten,  Pflanzstätten  christlichen  Glaubens  und  christlicher  Zucht, 
geistiger  Tüchtigkeit  und  echter  Wifsfnschaft.  Ji.  Dicisch. 


Auszüge  ans  Zeitschriften.  713 


Auszüge  aus  Zeitschriften. 


Zeitschrift  für  das  Gymnasialwescn   hcrausf^egcbcn  von  W.  J.  C. 
Mützcll.     Sechster  Jalirgang  1852.     Novemberheft.    Abhandlung. 
Wer    soll    den    Religionsunterricht    an    den    Gymnasien   ertheilen?   von 
Gottschick    (S.   819 — 29:    gelangt    nach    eingehender    Prüfung   des 
Zweckes,  welchen  der  Unterricht  hat,  nnd  der   zu  dessen   Erreichung 
nothwendigen  Bedingungen  zu  dem  Resultate,  dafs  der  Ordinarius  den 
Religionsunterricht  zu  ertheilen    habe,    wenn    nicht  besondere    Gründe 
dagegen  sprechen ;  für  die  obern  Classen  müfse  einem   besonders   daza 
befähigten   Lehrer   dann  auch  der  Unterricht  in  der  nächst  höhern  oder 
tiefern  Classe  übertragen  werden ,  er  aber    in   dieser   dann   auch  meh- 
rere andere  Lectionen  zu  ertheilen  haben;  die  Bestimmung  der  Lehrer 
sei  dem   Director   zu    überlafscn.      Schüler   verschiedener   Confessionen 
seien  unter  allen  Verhältnissen  ein  Uebelstand ,  w  obei  aber  Lutheraner 
und  Reformierte   nicht   als    confessionell    geschieden  angenommen   wer- 
den). —  Litterarische   Berichte   über    Seyffert:    das   Privatstudium, 
von  Am  eis    (S.    830—41:   neben   trefflichen   Erörterungen   finde   sich 
manches  übertriebene,  einseitige,  mafslose,  ideologische). —  Haacke: 
Beiträge  zu  einer  Neugestaltung  der  griech,  Grammatik,  von  Schmidt 
in  Stettin  (S.  841  —  49:  sehr  anerkennende   Beurtheilung.     Der   Unter- 
schied zwischen  Activum  und  Passivnm  wird   erörtert  und    auch    sonst 
zu  einzelnen  Behauptungen  Bemerkungen    gegeben).    —   Göbel:    grie- 
chische Schulgrammatik,  von  Gottschick  (S.  849 — 55:  erkennt  den 
guten  Willen  und  die  Bescheidenheit  des  Verf.   an    und  charakterisiert 
nur  die  Eigenthümlichkeiten).    —     Lehmann:    Goethes   Sprache   und 
ihr  Geist,  von  Kehrein  (S.  855—27:  als  sehr   lehrreich   empfohlen). 
—  Mozart:  deutsches  Lesebuch  für  die  untern   Classen   der  Gymna- 
sien. Ir  Bd.,  von  Niemeyer  in  Crefeld   (S.   857 — 63:   wird   als   eine 
bedeutende  und    originelle   Leistung   anerkannt,    aber    der   didaktische 
Gesichtspunkt  getadelt,  da  doch  ein    deutsches    Lesebuch    das    jugend- 
liche Geschlecht  auf  aesthetischem  Wege  erziehn  solle).  —     Strack: 
Charles  de  la  Harpes  französische  Schulgrammatik,  von  Philipp   (S. 
863  f.:  die  Grammatik  als  praktisch  für  die  obern  Classen  bezeichnet, 
die  Bearbeitung  als  auch  für  die  untern  Classen   berechnet  dem  Prin- 
cip  jener  widersprechend  gefunden).  —     Brennecke   und  Wagler: 
über  die  Erlernung  der  englischen  Sprache,  von  de  ms.    (S.  865 — 67: 
sehr  empfohlen).  —     Fol  sing:  Lehrbuch  für  den  elementaren  Unter- 
rich  in  der  engl.  Sprache.  6e  A.,  von  dems.  (S.  867  f.:  einzelne  Män- 
gel werden  bei  voller  Anerkennung  des  ganzen  gerügt).  —     Schott- 
ky:  englische  Schulgrammatik,  von  dems.  (S.  868—70:    empfehlende 
Anzeige).  —     Schmidt:  Anthology  of  englisch  prose  and  poetry  und 
Süpfle:  englische  Chrestomathie,  von  dems.  (S.  871  f. :  beide  Werke 
empfohlen).  —     Diezmann:  dictionnaire  supplementaire  de  la  langue 
fran^aise,  von  Barbieux  (S.  872—76:  bei  erheblichen  Ausstellungen 
doch  als  nicht  unnützlich  empfohlen).  —     Sandmeier:  Lehrbuch  der 


714  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Naturkunde,  von  Wunschm  a  nn  (S.  876—79:  für  Volksschulen  und 
Schullehrerseminarien  bestens  empfohlen).  —  Vermischte  Nachrichten. 
Ueber  das  erzieherische  in  Lings  Gymnastik,  von  Roth  stein  (S. 
880—86.  Nachtrag  zum  9.  und  10.  Heft:  beschäftigt  sich  namentlich 
mit  der  aesthetischen  Gymnastik  Lings  und  zeigt,  in  welchem  Ver- 
hältnisse sie  zu  der  paedagogischen  stehe).  —  Die  Versammlung  deut- 
scher Realschulmänner  in  Kosen,  26. — 28  Sept.  1852,  von  E.  Nie- 
meyer  (S.  886—88).  —  Aus  Bayern  (S.  889—91:  Verzeichnis  der 
1850 — 52  an  den  bayerschen  Gymnasien  und  Lyceen  erschienenen  Pro- 
grammabhandlungen). —  Berichtigung  von  Gymnasiallehrer  Dr.  K.  W. 
Piderit  in  Kassel  (S.  891 — 93:  gegen  den  im  Junihefte  enthaltenen 
Aufsatz  gerichtet,  Entstellung  von  Thatsachen  nachweisend).  —  Aus 
Kurhessen.  Verordnungen  den  evangel.  Religionsunterricht  betreffend 
(S.  893  f.).  —  Personalnotizen.  —  Decemberheft.  Abhandlungen. 
Ueber  den  Unterricht  im  Lateinischen ,  besonders  auf  Real  -  und  hö- 
hern Bürgerschulen,  von  Langensiepen  (S.  897 — 917:  zeigt  aus 
dem  Principe  der  Realschule:  ' nichtgelehrte  allgemeine  höhere  Bil- 
dung", dafs  sie  das  Latein  nicht  entbehren  könne,  weil  ohne  dieses 
der  Sprachsinn  nicht  entwickelt  werden  könne.  Die  aus  der  Erfah- 
runtr  dagegen  vorgebrachten  Gründe  werden  als  nichts  beweisend  dar- 
gestellt,  weil  sie  nur  Folge  verkehrter  und  ungenügender  Behandlung 
seien.  Um  für  das  Lateinische  ausreichenden  Raum  zu  gewinnen  (8, 
8,  8,  7,  5,  4  Stunden  in  6  Classen)  wird  Verminderung  der  deutschen, 
französischen  und  englischen  Stunden  vorgeschlagen,  und  in  den  neuern 
Sprachen  das  Sprechenlernen  vom  Ziele  ausgeschlofsen).  —  Littera- 
rische Berichte:  Sophokles.  Erklärt  von  Schneidewin.  2s — 4s 
Bdchen,  von  Wolff  (S.  918 — 25:  das  Verfahren  des  Herausgebers 
darlegende  und  einzelne  Bemerkungen  und  Ausstellungen  vorbringende 
Beurtheilung).  —  Söltl:  Demosthenes ,  der  Staatsmann  und  Redner, 
von  Capellmann  (S.  926  —  31:  zwar  viel  tadelnde,  aber  doch  sehr 
wohlwollende  Beurtheilung).  —  Miscellen :  über  Schulgebetbücher, 
von  Funkhänel  (S.  931—33:  Älittheilungen  aus  einem  Briefe  von 
Fritsche  und  Besprechung  von  Baltzers  Schulgebeten).  —  Ver- 
mischte Nachrichten:  Die  Spiefssche  Turnweise,  nach  eigner  Anschau- 
ung dargestellt  von  Kawerau  (S.  934 — 47:  begeisterte  ausführliche 
Darstellung).  —  Duplik  von  A.  Krause  gegen  A.  W.  Zumpt  im 
Juniheft  (S.  948).  —  Nekrolog  von  K.  L.  Lorsch  (S,  948).—  Perso- 
nalnotizen (S.  939  f.).  —  Siebenter  Jahrgang  1853.  Januar- 
heft. Abhandlungen.  Kallenbach:  Zur  Methodik  des  Religions- 
unterrichts. Beurtheilung  der  Abhandlung  von  Weidemann  über 
den  inductiven  Religionsuntenücht  (S.  1 — 38:  die  grofse  Bedeutsam- 
keit der  vorgeschlagenen  inductiven  Methode  wird  in  eingehender  Be- 
sprechung dargethan,  wobei  die  ihr  zu  Grunde  liegenden  Ideen  und 
Principien  Entwicklung  und  Ausführung  finden.  Manches  wird  er- 
gänzt, gegen  anderes  Widerspruch  erhoben). —  Litterarische  Berichte: 
Programme  der  evangelischen  Gymnasien  der  Provinz  Schlesien.  Ostern 
1852  (S.  39 — 60:  Personalnachrichten,  Angaben  über  Lectionspläne  und 


Auszüge  aus  Zeitschriften.  715 

Etats,  kurze  Relationen  über  Programinabhandlungen.     Wir  geben  die 
Titel  der  in  unsern  Jahrb.  noch  nicht  erwähnten:  Hänel:  de  epigram- 
matis   graeci   historia.     Spec.   I.     Bresl.    Elisab.      Geisler:   über   die 
schriftstellerische  Thätigkeit    Thomas   Abbts.     Bresl.   Friedrichs -Gym. 
Brix:  de  Terenti  libris  maniiscriptis  a  Rieh.  Bentleio  adhibitis.  Brieg. 
Roller:    recordationes    scholae   Griinensis.    Glogau.      Schnitze:    ein 
neugriechisches  Beicht-  und  Conimunionbüchlein.     Text  und  erklärende 
Uebersetzung.  Liegnitz.     Kelch:  Grundlage  zur   Kenntnis   der  Ortho- 
pteren und  Käfer  Ober-Schlesiens.  Ratibor.     Brückner:   de   locis  in 
Isocratis  ad  Nicociem  oratione  propter  ea,    quae   in   oratione   de   anti- 
dosi  ex  illa  referuntur,  falso  suspectis.  Schweidnitz).  —  Badische  Pro- 
gramme (S.  60—63).  —  Rüstow  und  Köchly:  Geschichte  des  grie- 
chischen Kriegswesens,  von  Wendt  (S.  63—68:  durch  Darlegung  des 
Inhalts  und  des  eigenthünilichen   der   allgemeinen  Beachtung    dringend 
anempfehlende  Anzeige).  —  Rost:    griech.- deutsches   Wörterbuch.    4. 
unter  Mitwirkung  von  Am  eis    und   Muhlmann  gänzlich   umgearbei- 
tete Aufl.,  von  Schmidt  in  Stettin  (S.  68  —  77:  das  Buch  habe  zwar 
vor  der  frühern  Auflage  erhebliche  Vorzüge,  entspreche  aber  in  Rück- 
sicht auf  Vollständigkeit  und  Genauigkeit  den  Anforderungen,    welche 
den  Fortschritten  der  Lexikographie  gemäfs  auch  an  ein  Schulwörter- 
buch zu  stellen  seien,  nicht  völlig).   —    Friedreich:  die  Realien  in 
der  Illade  und  Odyssee,  von  Albani    (S.  77  f. :   gelobt,   aber   beson- 
ders die   Incorrectheit   des    Druckes    getadelt).  —     Stern:  Grundrifs 
einer    Grammatik   für    römische    Dichter,    von  Eich  er  t   (S.    79 — 84: 
Fleifs  und  Brauchbarkeit  werden   anerkannt,   im   einzelnen   aber  viele 
Ausstellungen    gemacht    und    manches   wichtige    gänzlich    vermifst).  — 
W.  Langbein:  Militärische    Uebungen   für    Schüler-Turnplätze,   von 
Kawerau  (S.  84:  empfohlen).  —  Miscellen:  Zu  Horatius,  v.  Funk- 
hänel  (S.  85—88:  Od.  I,  3,  9  wird  die   von    Unger   Theb.   Farad,  p. 
446  gegebene  Erklärung  gebilligt;  I,  6,  15  die  Erwähnung   des  Merio- 
nes  dadurch  motiviert  gefunden,  dafs  ihn  Homer  unter  den   neun  Hel- 
den nennt,  welche  zum  Zweikampf  mit  Hektor   bereit   sind,    I,    12,  17 
— 22  die  Erwähnung  der  Pallas  als  der  nächsten  Göttin  nach  Juppiter 
aus  den  Alten  gerechtfertigt,  dann  die  auch  von  Haupt  gebilligte  Ver- 
bindung von   proeliis  audax  mit  Pallas,  wie  endlich  die  Meinung,  dafs 
die  Ode  eine  Nachbildung  der  alten  epischen  Tischlieder  sei ,  zurück- 
gewiesen). —   Zu   Verg.   Aen.    III,    682—88,   von  Häckermann   (S. 
88  f. :  es  wird   eine  neue   Interpunction   der   Stelle  vorgeschlagen).  — 
Frage    (S.  89:    sollten   nicht   Scripta   und  Exercitia,    sowie  metrische 
Uebungen  in  mittelhochdeutscher  Sprache  ebenso  gut  auf  den   höheren 
Lehranstalten  vorgenommen  werden  dürfen,    als  dies  in   andern   Spra- 
chen geschieht?  von  E.  N[iemeyer]  in  C[refel]d).  —  Vermischte  Nach- 
richten.    Aus  Pommern  (S.  90—104:  Einweihung   des    Gymnasiums    in 
Greifenberg  und  die  dabei  von  Dir.  Dr.  Campe  gehaltene  Rede:  Das 
Princip   der   protestantischen   Schule.     Die    Durchdringung   des   Chri- 
stenthums  und  der  Sprachen    wird   als   solches   unter   Rückblicken    auf 
das  Wiedererwachen  der  Wifsenschaften  in  Italien    und  die  Reforma- 


716  Auszüge  aus  Zeilschriflen. 

tion  nachgewiesen).  —  Aus  Kurhessen    (S.  104 — 109:   Mittheilung   der 
Verordnungen  vom  23.  Sept.   1834   die  Prüfungen  der   Gymnasialiehr- 
amtscandidaten  und  das  Probejahr   betreffend).  —   Statistische    Nach- 
richten aus  Westphalen  und  Nachtrag   zu  S.   41  ff.    (S.    109—112).  — 
Personalnotizen    (S.    112).    —     P'' ebruarhef t.      Abhandlungen,     Die 
lateinischen  Glossarien  zu  Paris  und   Leyden    nebst    Proben   aus    den- 
selben, von  H  ildebr  and  (S.    113—35:    Darlegung   des    Inhalts,    des 
Werths  und  des  Verhältnisses  der  Glossarien   zu   einander   nebst   Auf- 
zählung und  Kritik  der  zu  Paris  und  Leyden  befindlichen   Codices,  so 
wie  der  bis  jetzt   erschienenen   Ausgaben).   —     Zur  Beurtheilung   der 
Trendelenburgischen  Elementa  logices  Aristotelicae,  von  Schmidt  in 
Stettin    (S.   135 — 43;    Entgegnung    auf   Trendelenburgs   Bemerkungen 
1852  S.  784  flgde.,  etwas    gereizt).   —    Litterarische   Berichte:   Ueber 
die  Programme  der  pommerschen  Gymnasien  im  Jahre  1852,  von  Leh- 
mann (S.  144 — 57:  Besprechung  des  Inhalts  von  Wagner:  über  die 
Erziehung  des  Willens.  Anclam.     Reden  des  Schulr.  Wen  dt   und  Dir. 
Adler  bei  der  Einführung  ins  Directorat.  Cöslin.     Klütz:  Der  Strand 
von  Bajae  und  Röder:  Erinneining  an  Klütz.   Neu-Stettin.     Biese: 
Gedächtnisrede   zum    Andenken   an  Hasen  balg.    Puttbus.      Zober: 
Zur   Geschichte   des   Stralsunder    Gymn.    V,   2.   Stralsund.      Hassel- 
bach:  Das  Jagenteufeische   Collegium   zu    Stettin.   Stettin).    —    Pro- 
gramme aus  der  Provinz    Brandenburg    Mich.    J8Jl    und    Ostern    1852, 
von  Planer  (S.  157—64:  Kirchhoff:  Das  gothische  Runenalphabet. 
Berlin,    Joachimsthal.       Ranke:    De    Xenophontis     vita    et    scriptls. 
Schellbach:  Darstellung  der  neuen  Theorie    der   Drehung   der   Kör- 
per von  Poins  ot   (Friedrich-Wilhelms-Gymnas.).     Koppen:   Einige 
Worte  über  den  Buddhismus  (Dorotheenst.  Realsch.).     Weifsenborn: 
Ein  specieller  Fall  des  Problems  der  drei  Körper.     Bartsch:    Schil- 
lers   Glaube    an    die    Unsterblichkeit    der    Seele    (Königst.    Realsch.). 
B ollmann:  Ueber  das  Kunstprincip  in  Lessings  Laocoon    und  dessen 
Begründung    (Gr.  Kloster).      Gercke:    Elementare    Entwicklung    der 
Summenformeln  der   Reihe   der   gleichhohen   Potenzen    der    natürlichen 
Zahlen  (Cöln.   Realgymn.).     Bauer:   Metr.  Uebersetzung   von   Scenen 
aus    Louis  XI    von   Cas.   Delavigne   (Friedrich-Werdersch.    Gymnas.). 
Ranke:   Vortrag    über   Sophokles    (königl.    Realsch.).     Büchmann: 
Ueber  Wort-  und  Satzfügung  im  Neuschwedischen  (Brandenburg)).  — 
Boltz    und   Franz:    Handbuch    der    engl.   Litteratur,    von   Philipp 
(S.  164  —  66:  aufs  angelegentlichste  empfohlen).  —  Gaspey:  englische 
Conversationsgrammatik,  von  dems.  (S.    166  f.:    ebenfalls   empfohlen). 
—  Firnhaber:  Materialien  zum  Uebersetzen  aus  dem  Deutschen  ins 
Lateinische.  Is  u.  2s  Heft  (recensiert  von  — n —  in  n.  S.  167  —  73,  dann 
von  J.    Becker  in   Hadamar   S.    ] 74— 183:    beide    Recensionen   gehen 
von  der  Nothwendigkeit,  dem  lateinischen  Unterricht  in   den  Gymna- 
sien wieder  einen  gröfsern  Raum  zu  verschaffen  und  namentlich  durch 
Stilübungen  in  den  Bau   der   Sprache   einzuführen    aus   und   empfehlen 
das   Buch    dringend   zu   weiter   Verbreitung   und  Benützung).  —  Fre- 
quenztabellen über  die  höhern  Leliranstalten    der    Provinzen    Branden- 


Auszüge  aus  ZeUschriflcn.  717 

bur^;,  Posen,  Preiissen  und  Westphaleii. —  Personalnotlzen.  —  März- 
nnd  April  lieft.  Abhandlunneu.  Emmerich  in  Hildburj^liausen: 
Ueber  den  evangelischen  Religionsunterricht  an  Gymnasien  (S.  193 — 
204:  nachdem  der  Hr.  Verf.  die  grofse  Verschiedenheit,  welche  in  der 
Organisation  des  Religionsunterrichts  zwischen  den  Gymnasien  Deutsch- 
lands stattfindet,  erwähnt  und  aus  seinem  (in  diesen  Jahrb.  ßd.  LXV 
S.  325  erwähnten)  Programm  über  den  Religionsunterricht  In  den  un- 
tern Classen  die  wichtigsten  Bemerkungen  wiederholt  hat,  stellt  er 
für  die  obern  die  Nothwendigkeit  einer  mehr  wifsenschaftiichen  Be- 
handlung auf  und  entwirft  folgenden  dann  näher  begründeten  und  er- 
läuterten Plan:  III:  alttestamentllche  i^ectüre,  II:  neutestamentllche 
Leetüre,  I:  Glaubenslehre  in  Verbindung  mit  Sittenlehre,  Kirchenge- 
schichte und  Leetüre  des  neutestamentlichen  Urtextes).  —  Schmidt 
in  Stettin:  Ueber  Zutritt  und  Abfall  des  vi,  über  den  singularischen 
Nominativ  der  Neutren  und  den  Accusativ  der  übrigen  Nomlnen  und 
die  Futuren  und  Aoristen  (S.  204 — 25:  Versuch  darzulegen,  wie  viel 
durch  das  Neugriechische  für  die  Kenntnis  des  alten  Griechischen  ge- 
wonnen werde).  —  Litterarische  Berichte.  Nachrichten  über  die  Gym- 
nasien der  Provinz  Preussen,  vonMerleker  (S.  226 — 35:  Aufzählung 
der  von  Mich.  1851  —  Mich.  1852  erschienenen  Programme  und  Aus- 
züge aus  den  Schulnachrichten).  —  Programme  der  Provinz  Posen 
1851 — 52,  von  — n —  in  P.  (S.  235 — 39:  Anzeige  folgender  Abhand- 
lungen: Krüger:  über  die  Lehre  von  den  Parallaxen  (Bromberg), 
OlaAvsky  (s.  NJahrb.  LXIV  S.  479),  Enger:  Zur  Prosodik  des  Plau- 
tus  (Ostrowo),  C,  A.  Müller:  de  Ammiano  Marcellino,  und  Hey- 
demann:  Einige  Andeutungen  über  die  Realclassen  an  dem  Friedrich- 
Wilhelms-Gymnasium  ,  besonders  in  Betreff  des  deutschen  und  latei- 
nischen Unterrichts  (Posen),  Rymarkiewicz  (s.  unten),  Klos- 
sowski:  De  Glauco  Potniensi  (Trzemesno),  Rodowicz:  de  quelle 
fapon  pourrait-on  avantageusement  modifier  l'etude  de  la  litterature 
fran9aise  dans  nos  Colleges?  (Krotoschin),  Kade:  Die  losen  Verstei- 
nerungen des  Schanzenberges  bei  Meseritz).  —  Rymarkiewicz: 
Ueber  die  Conjugation  im  Polnischen,  von  Bauer  in  Neifse  (S.  240 
— 42 :  als  mit  grofsem  Aufwände  von  Flelfs ,  Scharfsinn  und  Gelehr- 
samkeit gearbeitet  und  für  Sprachforschung  wichtig  geschildert).  — 
Döderleln:  Vocabularium  für  den  lateinischen  Elementarunterricht 
und  Erläuterungen  dazu,  von  Fr.  Berger  (S.  242 — 47:  ganz  aner- 
kennende Anzeige.  Der  Rec.  glaubt ,  dafs  die  Etymologie  In  noch 
gröfserem  Umfange  berücksichtigt  werden  könne,  und  erhebt  gegen  meh- 
rere von  dem  Verf.  gegebene  Ableitungen  Bedenken  und  Einsi^iachen), 
—  Geographische  Lehrbücher.  Beitrag  zur  Methodik  des  geographi- 
schen Unterrichts,  von  Campe  (S.  148^ — 71:  nach  einem  Rückblicke 
auf  die  Entwicklung  der  Geographie  als  Wifsenschaft  durch  K.  Ritter 
und  die  Schicksale  des  Unterrichts  in  den  Gymnasien,  erklärt  sich  der 
Hr.  Verf.  dafür,  dafs  eine  Vereinigung  und  Verschmelzung  des  geogr. 
und  geschichtlichen  Unterrichts  noch  nicht  möglich  sei,  sondern  ein 
Nebeneinander  stattfinden  und  der  eine  möglichst  viel  von  dem  andern 


718  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

gewinnen  niüfse.  Dann  stellt  er  die  Geographie  als  den  für  Knaben 
geeignetsten  Boden  dar,  auf  dem  sich  geschichtliche  Kenntnisse  auf- 
bauen lafsen,  und  verweist  diejenigen  Stoffe  der  Geschichte,  welche 
Phantasie  und  Gemiith  in  Anspruch  nehmen,  an  den  deutschen,  die- 
jenigen, welche  Gedächtnis  erfordern,  an  den  geographischen  Unter- 
richt, so  dafs  in  VI  und  V,  ja  selbst  in  IV  gar  keine  besondern  Ge- 
schichtsstunden stattfinden,  sondern  dergleichen  erst  in  III  eintreten. 
Nachdem  hierauf  Kapp:  Leitfaden  beim  ersten  Schulunterrichte  in  der 
Geschichte  und  Geographie.  6.  Aufl.  als  den  dargelegten  Grundsätzen 
ganz  und  gar  nicht  entsprechend  bezeichnet  ist,  stellt  der  Verf.  fol- 
genden Lehrplan  auf:  Die  Phantasie  des  Knaben  schweift  ins  weite, 
demnach  beginne  der  Unterricht  in  VI  mit  einem  Ueberblicke  über  die 
ganze  Erde,  von  den  Meeren  zu  den  Küsten  und  dann  in  das  innere 
der  Länder  fortgehend.  Die  Geschichte  werde  damit  so  verbunden, 
dafs  man  die  Entdeckungsreisen  und  den  Befund  derselben  berück- 
sichtige; im  zweiten  Semester  bilde  Europa  das  Pensum.  In  V  werde 
das  Auge  von  dem  einzelnen  aufs  ganze  gerichtet ,  auf  die  Länder- 
räume, die  politische  Geographie.  Zum  Chartenzeichnen  wird  Vogels 
Netzatlas  bestens  empfohlen,  und  für  den  Unterricht  trotz  einzelner 
Ausstellungen  Bormann:  Grundzüge  der  Erdbeschreibung  mit  beson- 
derer Rücksicht  auf  Natur-  und  Völkerleben.  In  Quarta  soll  dann  der 
Unterricht  mehr  physisch  sein,  in  Tertia  aber  in  die  Naturwlfsen- 
schaft  übergehn.  Beurtheilt  werden  dann  noch:  Geographischer  Leit- 
faden. Von  zwei  Gymnasiallehrern.  Coesfeld  1844,  als  erfahrene  und 
kundige  Verfafser  bekundend.  Jüngst:  der  erste  Cursus  des  Unter- 
richts in  der  Geogr.  3e  Aufl.  als  an  sehr  erheblichen  Mängeln  leidend, 
Rave:  Leitfaden  zu  einem  methodischen  Unterricht  in  der  Geogr., 
als  zu  einer  weiten  Verbreitung  dringend  empfohlen,  desgl.  Hart- 
mann:  Leitfaden  in  zwei  getrennten  Cursen.  Dommerich:  Lehr- 
buch der  vergleichenden  Erdkunde  wird  als  einen  naturkundigen  Leh- 
rer voraussetzend  bezeichnet  und  trotz  aller  Trefflichkeit  da  nicht 
brauchbar  befunden,  wo  das  geographische  mehr  auf  seine  Verbindung 
mit  dem  geschichtlichen  hingewiesen  ist.  Dringend  werden  schliefs- 
lich  E.  V.  Seydlitz:  Leitfaden  der  Geographie,  und  Proben  einer 
Erdbeschreibung.  Mit  einer  Einleitung  von  Schow,  deutsch  von 
Sebald,  empfohlen).  —  Neugriechische  Schriften.  Sophokles  Oe- 
conomus:  IIsqI  M^q-hov  tov  ktX.  Athen  1849.  Consta ntin  Oe- 
conomus:  Hioovirrjg  JtQOOKVvrjzrjs  und  Fgriyogiov  zJsKciXoyog  Trjg  -/taror 
XgiOTOv  vofio&BGiag  r/zot  rrjg  viccg  Stcc&iiHTjg.  Athen  1850  und  51 ,  von 
Mull  ach  (S.  272 — 80:  sämmtllche  drei  Schriften  werden  als  tüchtige 
und  verdienstvolle  Arbeiten  gerühmt,  bei  der  ersten  aber  besonders 
die  vernichtende  Kritik  der  Fallmeray ersehen  Hypothese  hervorgeho- 
ben. Rec.  bringt  manche  selbstständige  Bemerkungen).  —  HIrzel: 
comparatio  eorum,  quae  de  imperatorlbus  Galba  et  Othone  relata  le- 
gimus  ap.  Tac.  Plut.  Sueton.  Dion.  Cass.,  von  Schiller  in  Erlangen 
(S.  280 — 91:  ausführliche  Beurthellung;  vieles  einzelne  wird  vervoll- 
ständigt und  berichtigt,   und   einige   Stellen    des    Tacitus    erklärt).   — 


Auszüge  aus  Zeitscliriflen.  719 

Miscellen.  Scliulgebete  von  Funkliäuel  (S.  292—94:  Mittheilung 
dreier  von  Diaconus  Kohl  in  Eisenach  aus  Stellen  der  heilif^en  Schrift 
zusammengestellter  Schulgebete).  —  Wer  soll  den  Religionsunterricht 
an  den  Gymnasien  ertheiien?  Von  Guttmann  (S.  295  f. :  bekämpft 
die  von  Gottschick  im  Novemberheft  des  vorigen  Jahrgangs  aufge- 
stellte Behauptung,  dafs  in  confessionell  gemischten  Gymnasien  ein 
Uebelstand,  welcher  die  gesunde  und  natürliche  P^ntwicklung  störe, 
liege,  mit  dem  Beispiele  des  Gymnasiums  in  Ratibor).  —  Zu  Hora- 
tius.  Ep.  I,  19,  35—40,  von  Funkhänel  (S.  296-98:  der  Hr.  Verf. 
erklärt  die  Schmidtsche  Erklärung  für  die  einzig  richtige).  —  Zu  Ho- 
ratius,  von  W.  Rein  (S.  299—301:  zeigt,  dafs  an  den  beiden  Stellen 
Sat.  I,  2,  16  und  Ep.  II,  1,  103 — 105  das  Wort  nomen  keineswegs  die 
sonst  ganz  ungewöhnliche  Bedeutung  'Schuldschein'',  sondern  'Namen' 
und  'Schuldposten'  habe  und  dafs  scriberc  nicht  mutuum  sumcre,  cJii- 
rographo  sc  debitorem  agnosccre  bedeute).  —  Vermischte  Nachrich- 
ten. Aus  Posen  (S.  302 :  das  Bedürfnis  einer  neuen  höhern  Lehran- 
anstalt  in  dieser  Provinz  wird  statistisch  gezeigt).  —  Die  13.  Philolo- 
genversammlung zu  Göttingen,  von  Eckstein  (S.  302 — 318).  —  F. 
A.  Wolfs  Büste,  von  dems.  (S.  318  f.:  Quittung  über  Beiträge).  — 
Aus  Hamburg  (S.  319—23:  Beschreibung  des  Jubilaeums  von  Director 
Kraft).  —  Zur  Kenntnis  des  Erziehungs-  und  Unterrichtswesens  auf 
den  pommerschen  Gymnasien,  von  Lehmann  (S.  323 — 338:  handelt 
besonders  von  der  Vertheilung  der  Unterrichtsstunden  und  führt  den 
Satz  durch,  dafs  in  der  Hand  der  Ordinarien  Religion,  Geschichte,  La- 
teinisch, Griechisch  und  Deutsch  vereinigt  sein  müsten).  —  Nekrologe 
vonBaarts  und  Wilberg  (S.  338—43).  —  Zur  Kenntnis  der  preus- 
sischen  Gymnasien  (Tabelle  aus  den  Anlagen  zum  Staatshaushaltsetat 
für  1853,  woraus  wir  bemerken,  dafs  sämmtliche  preussische  Gymna- 
sien 292458  Thlr.  6  Sgr.  2  Pf.  aus  Staatsfonds  und  767291  Thlr. 
11  Sgr.  aus  eigenen  Fonds  Einnahme  haben).  —  Personalnotizen.  — 
Maiheft.  Abhandlungen.  Hollenberg:  Ueber  die  Kritik  des  Thea- 
ges  (S.  353—63:  eine  Prüfung  der  bis  jetzt  für  und  gegen  die  Echt- 
heit des  Dialogs  vorgebrachten  Gründe.  Die  Unechtheit  wird  übri- 
gens zugegeben  ,  aber  die  bestimmt  formulierten  Angriffe  als  noch  zu 
schwach  bewiesen).  —  Programme  der  katholischen  Gymnasien  Schle- 
siens von  Mich.  1851  und  Mich.  1852,  von  Hoffmann  in  Neifse  (S. 
363 — 74).  —  Programme  der  Provinz  Westphalen  vom  Jahre  1852,  von 
Kölscher  (S.  374—77).  —  Thüringische  Programme  vom  Jahre  1852 
(Altenburg  und  Gera),  von  Hartmann  (S.  377—79).  —  Eyth:  Die 
uralte  Gegenwart  und  Sophokles  König  Oedipus ,  von  J.  M  i  n  c  k  - 
witz  (S.  379 — 89:  eingehende,  aber  die  prosodischen  Grundsätze  des 
Verf.  gänzlich  verwerfende  Beurtheilung).  —  Minckwitz:  Lehrbuch 
der  deutschen  Prosodie  und  Metrik.  2e  Aufl.,  von  Z  ei  sing  (S.  389 — 
91:  durchaus  anerkennende,  nur  in  wenigen  Punkten  abweichende  Mei- 
nungen äufsernde  Recension).  —  Rochholz:  deutsche  Arbeitsent- 
würfe, von  Stern  (S.  392 — 96,  es  wird  in  dem  Buch  vieles  anregende, 
geistreiche,  manch  interessanter  Gesichtspunkt  und  ein  ziemlich  reich- 


720  Auszüge  aus  Zeitschriften. 

haltiges  Repertoir  von  Beobachtungen  und  Hilfsquellen  gefunden, 
aber  Ordnung,  Plan,  Verständlichkeit,  Einfachheit  der  Darstellung 
vermifst  und  viele  Seltsamkeiten  beklagt), —  Stamm:  Vorschule  zum 
Ulfila,  von  Kuhn  (S.  397  f.:  unter  Niederlegung  mehrerer  Bemerkun- 
gen bestens  empfohlen).  —  Krüger:  Des  Horatius  Satiren  und  Epi- 
steln, von  Tromp  hell  er  (S.  398  — 404:  eingehende  Beurtheilung.  Be- 
sprochen werden  Sat.  I,  3,  4.  8,  38,  63,  69,  96.  Bei  aller  Anerken- 
nung wird  doch  ausgesprochen,  dafs  Kr.  nicht  genug  geboten  und  der 
Grund  davon  darin  gefunden,  dafs  er  von  der  Kunst  des  Dichters  nicht 
grofs  genug  denke).  —  Wex:  Tacitus  Agricola,  von  Hu  de  mann  (S. 
404  f. :  nur  einige  wenige  Ausstellungen,  c.  27  wird  duci  se  zu  lesen 
vorgeschlagen).  —  Eichert:  Ovids  Metamorphosen.  Auswahl,  P.  Ovi- 
dii  Nasonis  Metamorphoseon  delectus  und  Horstig:  Anthologie  aus 
lateinischen  Dichtern,  von  Hart  mann  (S.  406—8:  die  Nothwendig- 
keit  solcher  Anthologien  wird  anerkannt  und  sämmtliche  drei  Bücher 
bestens  empfohlen).  —  Stacke:  Erzählungen  aus  der  alten  Geschichte, 
von  Kölscher  (S.  408  f. :  gelobt;  zu  einer  zweiten  Auflage  werden 
einige  Bemerkungen  gemacht).  — Diester  weg:  Astronomische  Geo- 
graphie und  populäre  Himmelskunde,  von  Sadebeck  (S.  409 — 11: 
unter  einzelnen  Ausstellungen  als  ganz  trefflich  belobt).  —  Aus  Sig- 
maringen (S.  411  f. :  Anzeige  des  Programms  von  Hedingen  1852).  — 
Aus  Westphalen  (S.  412:  erster  Jahresbericht  der  Realschule  in  Mün- 
g^er).  —  Verordnung  des  k.  hannoverschen  Oberschulcollegiums  und 
Ministeriums  vom  14.  Febr.  1853  die  Schulamtscandldatenprüfungen 
betreffend  (S.  413 — 24).  —  Miscellen.  Ueber  eine  nothwendige  Aende- 
rung  im  preussischen  Abiturienten-Reglement,  von  Schweminsky  in 
Posen  (S.  424 — 26 :  für  die  polnischen  Schüler  wird  entweder  Aus- 
dehnung des  Deutschen  als  Unterrichtssprache  oder  Beschränkung  der 
Prüfungsarbeit  in  demselben  auf  eine  Uebersetzung  gefordert).  —  Zu 
Ammian.  23,  6  p.  293  Ern.,  von  Hudemann  (S.  427:  die  Aende- 
rungsvorschläge  werden  alle  als  ganz  unnötliig  erklärt).  —  Zu  Taci- 
tus Agricola,  von  J.  Mützell  (S.  427:  c.  1  At  narraturo  —  tempora 
wii'd  erklärt,  c.  3  securitatis  res  publica  vorgeschlagen).  —  Statisti- 
sche Nachrichten  aus  Westphalen  über  die  Abiturientenprüfungen  1852, 
von  Hölscher  (S.  428  f.).  —  Verordnung  des  k.  sächs.  Cultusmlni- 
steriums  vom  3.  Juni  1852  die  Bedingungen  bei  der  Aufnahme  in  eine 
der  beiden  Landesschulen  rücksichtlich  der  Religion  betreffend  (S. 
430).  —  Personalnotizen.  D. 


Feier  des  21.  April  1&53  in  Rom. 


Die  diesjährige  Festsitzung  des  archaeologischen  Instituts  zur 
Feier  des  Geburtstags  Roms  ward  mit  einer  Gedächtnisrede  auf  den 
vor  kurzem  [s.  oben  S.  496]  verstorbenen  Vicepraesidenten,  A.  Kest- 
ncr,  von  Dr.  E.  Braun  eröffnet.     Es    waren    die   Verdienste  um    die 


Feier  des  21.  April  1853  in  Rom.  721 

verschiedenen  Zweige  der  Archaeologle,  deren  bei  dieser  Gelegenheit 
vorzugsweise  gedacht  weiden  muste:  Verdienste  die  nach  der  Stellung 
des  verstorbenen  mehr  als  in  litterarischen  Werken  in  der  vielseitigen 
persönlichen  Anregung  zu  suchen  sind,  welche  er  auf  den  Kreis  seiner 
Freunde  ausübte.  So  war  er  es,  der  auf  die  eigenthümlichen  künst- 
lerischen Verdienste  der  aegyptischen  Monumente  schon  zu  einer  Zeit 
hinwies,  wo  dieselben  durch  die  hieroglyphischen  Entdeckungen  Cham- 
pollions  noch  nicht  die  Aufmerksamkeit  auch  in  gröfsern  Kreisen  auf 
sich  gezogen  hatten.  Schon  damals  entstand  seine  eigne  Sammlung, 
welche  trotz  ihrer  Beschränkung  auf  kleinere  Stücke  für  den  genann- 
ten Gesichtspunkt  eine  Reihe  der  schönsten  Muster  und  Proben  ent- 
hält. An  eine  andere  Abtheilung  seiner  Sammlungen,  die  der  ge- 
schnittenen Steine,  knüpft  sich  die  Erinnerung  an  die  Verdienste,  wel- 
che er  sich  um  diese  ganze  Denkmälerclasse  erworben  hat.  Die  gröfste 
der  bis  jetzt  vorhandenen  Zusammenstellungen  von  Gemmenabdrücken, 
die  Cadessche,  verdankt  ihren  wlfsenschaftlichen  Werth  den  Bemühun- 
gen und  der  Sorge,  welche  Kestner  auf  die  Sichtung  und  Ordnung  die- 
ses zerstreuten  und  verwirrten  Materials  verwendet  hat.  Unter  den 
etruskischen  Monumenten ,  deren  massenhafte  Entdeckungen  gerade  in 
die  Mitte  seines  römischen  Lebens  fielen,  waren  es  aufser  den  kleinen 
Bronzen  und  den  Skarabaeen  vorzugsweise  die  Wandgemälde,  welche 
seinen  künstlerischen  Sinn  fefselten.  Zusammen  mit  seinem  langjäh- 
rigen Freunde  Stackeiberg,  dessen  vortreffliche  Werke  über  griechi- 
sche Kunstdenkmäler  gleichfalls  Kestners  materieller  Unterstützung  viel 
zu  danken  haben,  war  er  bemüht  die  von  Tag  zu  Tag  mehr  ver- 
löschenden Züge  dieser  IMalereien  der  Nachwelt  in  getreuen  Zeichnun- 
gen zu  bewahren.  Leider  sind  dieselben,  obwohl  sie  alle  bekannte 
Publicationen  in  Hinsicht  auf  Feinheit  des  künstlerischen  Verständnisses 
weit  übertreffen ,  niemals  ans  Licht  getreten.  Das  archaeologische  In- 
stitut endlich  zählt  Kestner  zu  seinen  Gründern,  ja  es  war  in  seinem 
Hause,  wo  sich  die  Gesellschaft  der  ^Hyperboreer',  aus  der  das  In- 
stitut hervorgegangen,  zuerst  bildete;  seitdem,  fast  ein  Vierteljahr- 
hundert, hatte  er  nicht  aufgehört  für  dasselbe  als  Vicepraesident  thä- 
tig  zu  wirken.  In  dieser  Stellung  folgt  ihm  jetzt  der  kön.  preussische 
Gesandte,  Hr.  von  Usedom,  welcher,  an  Dr.  Brauns  Vortrag  an- 
knüpfend, die  Versammlung  mit  einer  kurzen  Antrittsrede  bewill- 
kommnete. 

Dr.  W.  Henzen  legte  sodann  das  Fragment  einer  griechischen 
Chronik  in  galvanoplastischen  Nachbildungen  vor,  welches,  bereits 
vor  zehn  Jahren  entdeckt  und  für  das  capitolinlsche  Museum  erwor- 
ben ,  erst  vor  kurzem  durch  eine  sehr  ungenaue  Publicatlon  bekannt 
gemacht  worden  war.  Es  gehört  der  Zeit  seiner  Abfafsung  nach  in 
das  dritte  Jahr  der  Regierung  des  Tiberius;  und  wenn  auch  die  An- 
gaben welche  es  enthält  schon  beinahe  durchgängig  aus  andern  Quel- 
len und  übereinstimmend  uns  überliefert  waren,  so  wird  es  doch  wegen 
jener  Abfafsungszeit  für  eine  Reihe  anderer  Denkmäler  von  Wichtig- 
keit, z.  B.  die  sogenannte  Tabula  Iliaca,  das  albanische  Relief  mit 
IV.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  Bd.  LXVII,  Hft.  6.  47 


722  Schul-  und  Personalnachrichten, 

der  Apotheose  des  Hercules  u.  a.,  indem  es  sich  nach  dem  Material, 
dem  Stil,  der  B''orm  der  Inschriften  herausstellt,  dafs  diese  sämmtlich 
einem  einzigen  gröfsern  mythologisch -historischen  Bildercyclus  au- 
gehören. 

Den  Schlufs  bildete  ein  Vortrag  des  Dr.  H.  Brunn  über  drei  Sar- 
kophage ,  welche  vor  kurzem  an  der  Strafse  von  Civitavecchia  nach 
Livorno  bei  der  Dogana  del  Chiavone,  der  toskanischen  Grenzstation, 
entdeckt  Avorden  sind.  Der  erste  ist  eine  ziemlich  genaue  Wiederho- 
lung des  berühmten  Sarkophags  im  Dom  von  Girgenti,  auf  dem  wir 
bisher  die  umfafsendste  Darstellung  des  Mythus  der  Phaedra  und  des 
Hippolytos  besafsen,  und  steht  diesem  höchstens  in  Hinsicht  der  Er- 
iialtung  einigermafsen,  sonst  aber  in  keiner  andern  Beziehung  nach. 
Auch  der  zweite  ist  als  Sarkophag  von  vortrefflicher  Arbeit  und  in 
der  einen  Hälfte  seiner  Darstellung,  welche  gleichfalls  auf  Hippolytos 
gedeutet  wurde,  durchaus  neu.  Ebenso  weicht  der  dritte,  von  gerin- 
germ  Kunstwerth  aber  vollkommener  Erhaltung,  den  Streit  des  Apol- 
lon  mit  Marsyas  und  die  Bestrafung  des  letztern  darstellend,  in  der 
Auffafsung  der  Hauptscene  von  den  bisher  bekannten  Kunstwerken  be- 
deutend ab;  so  dafs  dieser  Fund  gewis  den  wichtigsten  Entdeckungen 
der  letzten  Jahre  auf  dem  Felde  der  römischen  Sculptur  zugezählt  wer- 
den darf.  (Augsburger  Allgemeine  Zeitung.) 


Schul-   und   Personalnachrichten,    statistische  und  andere 


Mittheilungen. 


Aachen.  Am  Gymnasium  ist  der  katholische  Geistliche  L.  Spiel- 
mann als  Religionslehrer  angestellt  worden. 

Agram.  Der  bisherige  provisorische  Director  am  Gymnasium  Jo  s. 
Premrn  ist  zum  wirklichen  Director  dieser  Lehranstalt  befördert 
worden. 

Athen.  Der  Professor  der  Mathematik  und  deutschen  Sprache 
am  Gymnasium  zuPatras,  Baron  von  Streit,  wurde  hierher  als  Pro- 
fessor der  deutschen  Sprache  und  Litteratur  versetzt. 

Bautzen.  Seit  Ostern  dieses  Jahres  ist  am  dasigen  Gymnasium 
Unterricht  in  der  wendischen  Sprache  eingeführt,  welcher  vom  Re- 
dacteur  Schmaler  ertheilt  wird.  Von  32  Wenden,  welche  das  Gym- 
nasium besuchen,  nehmen  29  und  aufserdem  7  deutsche  Schüler  an 
demselben  Theil. 

Böhmisch-Leippa.  Das  Lehrerpersonal  des  k.  k.  Obergymnasiums 
bestand  am  Schlufs  des  Schuljahres  18 J2  aus  dem  Dir.  K.  Posselt,  den 
Lehrern  B.  Ansorge,  P.  Hackel,  C.  Johne,  R.  Frank,  E. 
Plaschke,  E.  Hamaczek,  A.  Weingärtner,  den  Supplenten 
M.  Krupsky  (Augustinerordenspriester  für  den  der  Erholung  bedürf- 
tigen Prof.  Gr.  Reicho  beim  Beginne  des  Schulj.  eingetreten)  und 
Dr.  med.  K.  Watzel,  den  Nebenlehrern  Dr.  med.  W.  Foges,  L. 
Martin  und  Gittel.  Die  Schülerzahl  belief  sich  auf  155  (VIII:  14, 
VTI:  10,  VI:  17,  V:  13,  IV:  23,  HI:  30,  II:  24,  I:  24).  Im  Schulj. 
1851  wurden    6,    im  folgenden    14  bei   der   Maturitätsprüfung  für  reif 


statistische  und  andere  Mittheilungen.  723 

erklärt.  Die  Uebernainne  zweier  Clas.sen  auf  das  Aerar  .stand  in  Au.^- 
Sicht.  Abhandlung:  C.  Johne:  lieber  unser  Studienwesen  neuester 
Zeit  (,2-i  S.  h). 

BuESL.vi.  Das  Coileiiluni  des  dasi^en  katholisrhen  Gyninasiunis 
bestand,  nachdem  der  Lehrer  der  Mathematik  und  Physik  Dr.  Sond- 
haufs  als  Dlrector  der  städtischen  Realschule  nach  Neilse  versetzt, 
der  Oberlehrer  Rotter  am  26.  Decbr.  ]MJ1  und  der  Sclireiblehrer 
Haucke  am  '26.  Jul.  IHo'l  {gestorben,  endlich  der  Schulamtsrandidat 
Brilka  an  die  Realschule  in  Neilse  berufen  worden  war,  Mich.  I85"2 
aus  dem  Dir.  Dr.  Wissowa,  Prof.  Krömer,  den  Oberlehrern 
Janske,  Winkler,  Kabath,  Dr.  Pohl,  den  Gymnasiallehrern 
Idzikowski,  Di  tt  rieh.  Kühn,  Runkel,  Dr.  liaucke,  Dr.  K  u- 
schel,  Dr.  Schedler  (von  Leobschütz  hierher  versetzt),  CoUabor. 
Ullbrich,  Prof.  Dr.  .Schmölders,  Sprachlehrer  Scholz,  den 
Schulamtscandidaten  Puls,  Mohr,  Häfjele,  Mi  hat  seh,  Kleiber, 
Zeichenl.  Prof.  Schall,  Singlehrer  Schröer.  Die  Schiilerzahl  be- 
trug 67-t.  Abiturienten  Ostern  1ÖJ2  7,  ^Michaelis  28.  Abhandlung  im 
Programm:  Krömer:  Jlesiodi  quae  fvruntur  Thcogoniu  et  upera  in- 
ier se  coniparata  (10  S.  4).  —  Am  Friedrichs -Gymnasium  ist  der 
Candidat  C.  E.  A.  Anderfsen  als  ordentlicher  Lehrer,  der  Prediger 
an  der  Hofkirche  G.  F.  Tusche  als  ordentlicher  Religionslehrer  an- 
gestellt worden. 

BuLNN.  Der  Supplent  am  k.  k.  Gymnasium  H.  Schreyer  ist 
nach  Iglau,  an  seine  Stelle  von  dort  der  Lehrer  Steph.  Wolf  ver- 
setzt worden. 

CüsFELP.  Das  Gymnasium  zählte  Mich.  1852  ]3I  Schüler  (P:  20, 
P:  12,  IP:  17,  IT":  9,  HP:  16,  IIP:  13,  IV:  12,  V:  18,  VI:  14) 
und  hatte  im  Jahre  vorher  17  Abiturienten  entlafsen.  Programmab- 
handlung:  Rump:  Trif^onomctrisckc  Außösungen  für  eine  bestimmte 
Classe  von  Dreiecksaiif gaben. 

Danzio.  Das  LehrercoUeglum  des  Gymnasiums  bestand  Ostern 
1853  aus  dem  Dir.  Engel  hardt,  den  Professoren  Herbst,  Anger, 
Hirsch,  iMarquardt,  den  ordentl.  Lehrern  Czwalina,  Brand- 
stätter,  Hintz,  Skusa,  den  aufserordentl.  Lehrern  Dr.  Röper, 
Prediger  Blech,  Professor  ISIichalski,  Hilfslehrer  Dr.  Strehlke 
(neu  angestellt  wegen  der  Theilung  von  Secunda  und  Quarta),  Zei- 
chenlehrer Breysig,  Schreiblehrer  Fisch,  Musiklehrer  Markull, 
Elementarl.  Wilde  und  den  Schulamtscand.  Förstemann,  Stein, 
Hintz  II  und  Dr.  Botzon.  Die  Schülerzahl  betrug  520  (I:  30, 
IP:  27,  IP:  50,  IIP:  57,  IIP:  49,  IV^ :  48,  IV' :  76,  V:  63,  VI:  70, 
VII:  50).  Zur  Universität  wurden  16  entlafsen.  Dem  Programm  geht 
voraus:  Engelhardt:  De  pcriodorum  Platonicarum  struetura.  Dis- 
scrt.  I  (36  S.  4). 

Dresden.  Aus  dem  Lehrercollegium  des  VItzthumschen  Geschlechts- 
gymnasiums und  der Blochmann-Bezzenbergerschen  Gymnasialerziehungs- 
anstalt schied  mit  dem  Schlufs  des  Winterhalbjahrs  1852 — 53  Dr.  Th. 
H.  Langgut h  aus,  um  eine  ordentliche  Lehrerstelle  an  dem  Gymna- 
sium zu  Zeitz  zu  übernehmen.  Es  traten  dagegen  ein  Dr.  Paul  Grau- 
toff  aus  Lübeck  und  Dr.  Hermann  K  r  i  pp  e  n  dorf  aus  Dresden. 

Emden.  Nachdem  aus  dem  Lehrercollegium  des  Gymnasiums 
Ostern  1852  der  Rector  Dr.  Krüger  wegen  seiner  Ernennung  zum 
Oberscbulinspector  beim  Consistorium  zu  Aurich  und  Ostern  1853  der 
Praeceptor  Lüpkes,  um  die  Lehrerstelle  in  Oldersum  anzutreten, 
ausgeschieden  waren,  bestand  dasselbe  aus  dem  Dir.  Dr.  Schwe- 
ckendieck,  Oberlehrer  Dr.  Prestel,  Rector  Dr.  Regel  (vorher 
Conrector  am  Gymn.  zu  Celle,  an  Krügers  Stelle  berufen),  Oberlehrer 
Bleske,     Subrector    Dr.    Metger,    den    Collaboratoren    Dr.    Tejie. 

47* 


724  Schul-  und  Persorialnachrichteii, 

Schlüter  und  Dr.  Wiarda,  Musiklehrer  Storme  und  Lehrer 
Warnke.  Im  Schuljahre  1851 — 52  hielt  der  Schulamtscandidat  A. 
Meyer,  im  folgenden  der  Schulamtscandidat  Dr.  Bleske  sein  Pro- 
bejahr   ab.     Die    Schülerzahl  betrug  : 


I 

11 

III 

IV 

V 

VI 

Sa. 

Sommer 

1851: 

11 

9 

25 

34 

46 

37 

162 

Winter 

1851: 

8 

11 

28 

30 

44 

35 

156 

Januar 

1852: 

8 

12 

28 

30 

44 

33 

155 

Januar 

1853: 

7 

13 

27 

30 

40 

13 

130 

Abiturienten  im  Sommer  1851  3,  im  Winter  1,  Sommer  1852  4,  im 
Winter  2.  Abhandlungen  in  den  Programmen:  Ostern  1852:  Metger: 
Beiträge  zur  Gymnusialpaedagogik  I  (20  S.  4),  Ostern  1853:  Schlü- 
ter: Rückblick  auf  die  Geschichte  der  französischen  Gesetzgebung 
über  den  höheren   Unterricht  (24  S.  4). 

Feldkiuch.  Der  Supplent  am  k.  k.  Gymnasium  Weltpriester  Ad. 
Wildgrub  er  ist  zum  wirklichen  Gymnasiallehrer  befördert  worden. 

P'rainkfurt  a.  M.  Der  Rector  des  Gymnasiums  Dr.  Vömel  tritt 
nach  "vierzigjähriger  Amtsverwaltung  in  den  Ruhestand. 

Genf.  Dr.  Carl  Vogt  ist  zum  ordentlichen  Professor  der  Geo- 
logie an  der  dortigen  Akademie  ernannt. 

Gera.  An  die  Stelle  des  verstorbenen  Cantors  und  Musikdi- 
rectors  Siebeck  war  am  Rutheneum  Fr.  W.  Tschirch  von  Lieg- 
nitz  berufen  worden.  Ostern  1852  zählte  das  Gymn.  197  Schüler 
(I:  15,  II:  16,  III:  34,  IV:  42.  Prog.  I:  50,  II:  50);  Abiturienten 
Mich.  1851:  2,  Ostern  1852:  4.  Programmabhandlungen:  Zum  Hein- 
richstage  1852:  Züger:  lieber  religiöse  Erziehung  (16  S.  4),  zum 
Schüfslerschen  Gedacht nistage  (6.  Decbr.  1852):  Herzog:  Commen- 
tariorum  particula  XXIH,  quae  brevem  exhibet  disputationein  de  La- 
tine  vetcres  scriptores  interpretandi  consuetudi?ie  non  temere  intcrmit- 
tenda  (8  S.  4).  Neujahr  1853:  Mayer:  Euripides,  Racine  und  Goe- 
the. Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  tragischen  Kunst.  Dritte  Ab- 
theilung (s.  Bd.  LXV  S.  419  f.). 

Glatz.  Das  dasige  katholische  Gymnasium  war  Michaelis  1852 
von  318  Schülern  besucht  und  entliefs  J5  zur  Universität.  Abhand- 
lung im  Programm:  Schober:  lieber  Gefühlsbildung  auf  Gymnasien 
(14  S.  4). 

Gleiwitz.  Das  (katholische)  Gymnasium  war  in  dem  Mich.  1852 
vollendeten  Schuljahre  von  578  Schülern  besucht  (358  kath.,  96  evang., 
124  jüd.)  und  entliefs  17  zur  Universität.  Abhandlung  im  Programm  : 
Spiller:  Kritische  Behandlung  des  korinthischen  Krieges  (29  S.  4). 
Glogau.  Nachdem  am  katholischen  Gymnasium  die  durch  den 
Tod  des  Oberlehrer  Prof.  Seidel  erledigte  Stelle  durch  Ascension  be- 
setzt war,  bildeten  Mich.  1852  das  Lehrercollegium  Director  Dr. 
Wentzel,  die  Oberlehrer  Uhdo  Ip  h,  Dr.  Müller,  Ei  ebner,  Emm- 
rich,  die  Gymnasiallehrer  Padrock  nnd  v.  Raczeck,  der  Colla- 
borator  Wahner,  Candidat  Schütze,  Gesauglehrer  Battig,  Turn- 
lehrer Haase.  Die  Schülerzahl  betrug  339.  Ostern  1852  wurde  1, 
Michaelis  19  zur  Universität  entlafsen.  Abhandlung:  Eich  n  er:  Ob- 
servationcs  criticac  in  Apollonii  Rhodii  Argonautica.  —  Das  Lehrer- 
collegium des  kön.  evang.  Gymn.  bestand  Ostern  J853  aus  dem  Di- 
rectoratsverw.  Pror.  Dr.  Petermann,  Prof.  Dr.  Roller,  den  or- 
dentlichen Lehrern  Stridde,  Lucas,  Beifsert,  Hey  er,  den  Hilfs- 
lehrern Frafs,  Scholtz,  Dr.  Munk  und  Haase.  Schülerzahl  220 
(I:  29,  II:  31,  Ilf:  45,  IV:  49,  V:  43,  VI:  23).  Abiturienten  11.  Im 
Programm  ist  enthalten:  A.  Hey  er:  Uebersicht  der  urweltlichcn 
l'flanzenreste    aus   den    verschiedenen  Entwicklungsepochen  der  Erde 


slatislisclii;  und  aiideie  iMiltlicilungen.  725 

nebst  Folgerungen  über  die  wahrscheinliche  Entstehung  der  Kohlen 
(12  S.  4). 

Gotha.  Von  dem  Gymnasium  illustre  schied  Ostern  185^  der 
Lehrer  der  französischen  Sprache  Hofrath  J.  H.  Milien  et  und 
ward  an  seiner  Stelle  provisorisch  und  zunächst  auf  ein  Jahr  der  vor- 
herige Lehrer  an  der  Erziehungsanstalt  zu  Schnepfenthal  R.  A.  A. 
Heiniz  angestellt.  Der  Superintendent  Dr.  Petersen  übernahm 
mit  seiner  Ernennung  zum  Oberconsistorialrath  und  Generalsuperin- 
tendenten den  bisher  freiwillig  ertheilten  Religionsunterricht  in  den 
beiden  obersten  Classen  als  amtliche  Obliegenheit.  Die  Schülerzahl 
betrug  Ostern  1853:  148  (Sei.:  13,  I:  18,  11:  33,  III:  43.  IV:  21, 
V:  20).  Zur  Universität  giengen  Ostern  1852  8,  Mich.  3.  Das  Pro- 
gramm enthält:  De  nominum  quantitate  partic.  IL  Scr.  Dr.  Fr.  Ber- 
ger (24  S.  4). 

GiiEiFBENBEUG.  Der  Schulamtscandldat  A.  O.  Dietrich  ist  als 
Lehrer  am  Gymnasium  angestellt  worden. 

Halberstadt.  Nach  dem  Ausscheiden  des  Professor  Dr.  Jordan 
(s.  Salzwedel  oben  S.  493)  sind  die  Lehrer  Dr.  Bor  mann,  Dr. 
Hincke,  Rehdantz,  Ohlendorf,  Dr.  Hense,  Dr.  Rinne  in 
die  beziehentlich  höheren  Stellen,  der  Hilfslehrer  Dr.  Wolters- 
dorff  I  in  die  achte  ordentliche  Lehrerstelle  aufgerückt,  als  Hilfs- 
lehrer aber  Dr.  Woltersdorff  II  von  der  lateinischen  Schule  in 
Halle  berufen  worden. 

Hamm.  (S.  Bd.  LXV  S.  113  und  337.)  Das  Gymnasium  zählte  Mi- 
chaelis 1852  102  Schüler.  Programmabhandlung:  Rempel:  Kritische 
und  exegetische  Nachlese  zu  Sophokles^  Antigone  (12  S.  4). 

Hannover.  Am  Lyceum  wurde  Ostern  1850  wegen  Vermehrung 
der  Classenzahl  auf  9  der  Collaborator  Ebeling  neu  angestellt.  Die 
Schülerzahl  war; 

P     P     IP    II''  IIP  IIP   IV    V    VI     Sa. 
nach  Neujahr  1852     12     14    12     23    23     18    24    32    25     183. 
nach  Ostern     1852     16     10    20     23     18    21     33    42     18    201. 
nach  Neujahr  1853     13     10     18    23     14    21     26    41     20    186. 
Zur  Universität  wurden  entlafsen  Ostern  1852:  9,  Mich.  3.     Das  Pro- 
gramm enthält  von  dem  Director  Dr.  H.  L.  Ahrens:  Simonidis  lamen- 
tatio  Danaae  cmendata  (27  S.  8). 

Heidelberg.  Nach  Gmelins  Tode  ist  der  aufserordentliche  Prof. 
Dr.  Delffs  zum  ordentlichen  Prof.  der  Chemie  ernannt  worden. 

Helmstedt.  Eine  Veränderung  im  Lehrercollegium  des  dasigen 
Gymnasiums  kam  im  Laufe  des  Schuljahres  Ostern  1852 — 53  nicht 
vor;  Candidat  Verdens  leistete  bisweilen  freiwillige  Aushilfe.  Die 
Schülerzahl  betrug  56,  darunter  21  auswärtige  (1:  5,  II:  19,  III:  14, 
IV:  18);  zur  Universität  wurde  ein  Primaner  entlafsen.  Das  diesjäh- 
rige Programm  enthält  folgende  Abhandlung:  Excerptorum  ex  C.  Plini 
Secundi  natur.  hist.  libro  XXXV  pari.  lU.  Germanico  sermonc  inter- 
pretatus  est  et  commentario  crit.  et  excget.  instruxit  I.  Chr.  Elster, 
Phil.  Dr.  et  Gymn.  Conrector  (19  S.  4).  Ueber  die  part.  I  dieser 
Abhandlung  s.  oben  S.  81  ff.;  die  part.  II  erschien  Ostern  1852  gleich- 
falls als  Programm  (24  S.  4). 

Hildburghause.n.  Das  hiesige  Gymnasium  war  Ostern  1853  von 
71  Schülern  (I:  12,  II:  8,  III:  8,  IV:  10,  V:  16,  VI:  17)  besucht  und 
entliefs  8  zur  Universität.  Das  Programm  enthält:  E.  Ritt  weg  er: 
Die  philosophische  Propacdeutik  und  der  deutsche  Unterricht  in  den 
oberen  Classen  des  Gymnasiums  (20  S.  4)  und  Stürenburg:  Der 
englische  Privatunterricht  auf  dem  hiesigen   Gymnasium  (1  S.). 

Hirschberg.  Am  Gymnasium  ist  der  Schulamtscandldat  P.  Scholz 
als  College  bestätigt  worden. 


726  Schul-  und  Personalnachrichten, 

Leer.  An  dem  dasigeu  Progymnasium  ist  der  frühere  Lehrer  an 
der  Domschule  zu  Schleswig,  Dr.  C.  E.  Hudemann,  zeither  in  Kiel, 
als  Conrector  angestellt  worden. 

Leobschütz  (s.  Bd.  LXV  S.  227).  An  die  Stelle  des  versetzten 
Collaborator  Dr.  Schedler  (s.  Breslau)  wurde  Dr.  Wissowa  am 
Gymnasium  angestellt.  Die  Schülerzahl  war  324  und  zur  Universität 
wurden  11  entlafsen.  Das  zur  100jährigen  Jubelfeier  am  29.  Septbr. 
1852  erschienene  Einladungsprogramm  enthält:  Welz:  Adnotationcs 
criticae  in  quosdcim  locos  Livianos,  Schramm  und  Fiedler:  Ther- 
mometer- und  Barometer  -  lieobachtungcn  von  1805 — 51,  Kruhl:  Hi- 
storisch-statistische Nachrichten  über  die  Gründung  und  Erweiterung 
des  Gymnasiums  (zusammen  56  S.  4). 

Marien  WERDER  (s.  Bd.  LXV  S.  115).  Am  12.  Septbr.  v.  J.  starb, 
wie  bereits  oben  S.  605  gemeldet ,  der  Oberlehrer  am  kön.  Gymna- 
sium E.  A.  Ph.  Baarts,  45  J.  alt.  Der  Schuiamtscandidat  Fabri- 
cius  war  im  Oct.  1851  an  das  Gymnasium  zu  Tilsit,  der  Hilfslehrer 
Flemming  Ostern  1852  an  das  FriedrichscoUegium  zu  Königsberg 
zu  commissarischer  Thätigkeit  gesandt  worden.  Die  Schülerzahl  be- 
trug am  Schlufs  des  Schuljahres  1851 — 52:  280  (darunter  92  auswär- 
tige), nemlichinl:  15,  II:  40,  IIT:  56,  IV:  54,  V:  65,  VI:  50.  Ostern 
1852  waren  8  Primaner  zur  Universität  entlafsen  worden.  Die  Ab- 
handlung im  Michaelisprogramm  1852  vom  Prorector  Dr.  Gützlaff: 
über  das  Auflösen  planimctrischer  Aufgaben  (20  S.  4  mit  einer  Fi- 
gurentafel). 

Minpen.  Aufser  den  Bd.  LXV  S.  439  mitgetheilten  Veränderun- 
gen sind  zu  bemerken:  der  Tod  des  Religionslehrer  Pfarrer  Hanne- 
mann und  der  Abgang  der  Oberlehrer  Bruch  und  Dr.  Bromig  (an 
die  Realschule  zu  Düsseldorf)  und  des  Candidaten  Paulsieck  (nach 
Hamm),  so  wie  die  Anstellungen  des  Hilfslehrers  Henermann  und 
Candidaten  Dr.  Selfs.     Schülerzahl  Mich.  1852:  220.  Abit.  1. 

München.  Am  21.  März  d.  J.  feierte  Hofrath  und  Professor  G. 
H.  von  Schubert  sein  50jähriges  Doctorjubilaeum,  bei  welcher  Ge- 
legenheit er  aufser  andern  Ehrenbezeugungen  von  der  theologischen 
Facultät  in  Erlangen  zum  Doctor  theologiae  creiert  wurde.  Neuer- 
dings ist  derselbe  unter  Ernennung  zum  Geheimen  Rath  in  den  ge- 
wünschten Ruhestand  versetzt.  —  Der  aufserordentliche  Professor 
Dr.  Max  Pettenkofer  ist  zum  ordentlichen  Professor  für  organi- 
sche   Chemie  in  der  medicinischen  Facultät  der  Universität  ernannt. 

MÜNSTER.  Aufser  dem  oben  S.  125  berichteten  Abgang  des  Di- 
rectors  am  kön.  Gymnasium  ist  noch  der  Tod  des  Oberlehrer  S le- 
rn ers  und  der  Abgang  des  Candidaten  Dr.  Schür  mann  nach  Arns- 
berg zu  berichten.  Neu  angestellt  wurden  als  9.  ordentl.  Lehrer  Dr. 
Schürmann  (vorher  in  Paderborn)  und  Candidat  Dr.  Wer  necke. 
Schülerzahl  Mich.  1852:  672,  Abiturienten  44.  Programmabhandlung: 
Hesker:  De  elucubrando  libro  religionis  superiorlbus  gymtiasiorum 
classibus  accommodando  (17  S.  4).  =  Die  Tndices  lectt.  der  Academie 
enthielten  Winter  1851:  Rospatt:  Uidcrkgung  von  J'hilipps  Be- 
hauptung von  der  Wahl  des  Honigs  im  Mcrovingcrgeschlecht.  Ostern 
1852:  Esser:  Leben  von  Chr.  Gudermann,  Mich.  1852:  Derselbe: 
heben  von  W.   Grauert. 

Neisse.  Das  (katholische)  Gymnasium  hatte  Mich.  1852  folgende 
Lehrer:  Director  Dr.  Zastra,  die  Oberlehrer  Kö  hnh  o  rn,  Dr.  Hoff- 
mann, Kastner,  Otto  (s.  Bd.  LXV  S.  439),  die  Gymnasiallehrer 
Schmidt,  Seemann,  Gotschlich,  Dr.  Teuber,  Collaborator 
Steinmetz,  Candidat  Wutke  (vorher  in  Sagan),  Gesanglehrer 
Jung,  Zeichen-  und  Schreiblehrer  Barthelmann,  Turnlehrer  Han- 


statistisrilo  und  andere  Milllieilungen.  727 

ser.  Die  Zahl  der  Schüler  hctrn<;  45[;  Abitiiriciitoii  Mich.  1851  17, 
1852:  22.  Al)liaiuilnn<;  im  I'rogranim:  Kästner:  JJiplomata  A/sscn- 
sia  anüquiora  (iW  S.  4). 

NoitiiHAUSEN.  Nachdem  Ostern  1852  der  Conrector  Professor  Dr. 
E.  G.  Förstemann  mit  Pension  aus  seinem  Amte  entlafsen  nnd  die 
Stelle  durch  Ascension  und  resp.  neue  Anstellung  besetzt  worden  war, 
bestand  das  Lehreicolle{;ium  des  Gymnasiums  aus  dem  Director  Dr. 
Schirlitz,  Conr.  Dr.  Th  ei  fs,  Oberlehrer  Dr.  Roth  mal  er,  Gym- 
nasiallehrer Nitzsche,  Oberlelner  Dr.  Haacke,  Gymnasiallehrer 
Dr.  W  ei  Csen  bor  n  ,  Mathem.  Dr.  Kosack,  Gymnasiallehrer  Di  hie 
(neu  als  ordentl.  Lehrer  aufgestellt),  Musikdirector  Sorge  1,  Schreib- 
und Zeichenlehrer  De  icke,  Klementarlehrer  Dippe.  Der  Cand.  Dr. 
K.  W.  A.  H.  Hinze,  welcher  sein  Probejahr  begonnen  hatte,  ward 
imOctbr.  nach  Zeitz  zur  Aushilfe  berufen.  Schülerzahl  Ostern  1853: 
237  (I:  17,  IP:  15,  II":  32,  III:  29,  IV:  48,  V:  48,  VI:  48).  Abi- 
turienten wurden  entlafsen  6.  Das  Programm  enthält  vom  Director: 
Rede  bei  der  zum  Andenken  an  die  oOjü/irinc  Vercinig;ung  Nordhau- 
sens mit  dem  preussischeyi  Staate  veranstalteten  Jubelfeier  (8  S.  4). 

Oppeln.  Die  Lehrer  des  von  329  Schülern  besuchten  Gymna- 
siums (8  Abiturienten)  waren  Mich.  1852  der  Director  Dr.  Stinner, 
die  Oberlehrer  Ochmann,  Dr.  Kayfsler,  Peschke,  die  Gymna- 
siallehrer Dr.  Wagner,  Hufs,  Hab  1er,  Dr.  Wink  1er,  Collabora- 
tor  Dr.  Res  1er,  Cand.  Weber,  Licentiat  Swientek,  Zeichen-  und 
Schreiblehrer  Buffa,  Gesanglehrer  Kothe,  Turnlehrer  Hilscher. 
Das  Programm  enthält:  Wink  1er:  Ecclcsia  Hispana  Romanorum, 
Gothorum  et  Arabum  temporibus  (14  S.  4). 

Pakerboun.  Im  Schuljahre  Mich.  1851  —  52  schieden  aus  dem 
Lehrercollegiuni  des  Gymnasiums  Oberlehrer  Dr.  Top  hoff  (in  glei- 
cher Eigenschaft  nach  Pilsen),  Cand.  Seck  (als  Hilfslehi-er  ebendahin) 
und  Gymnasiallehrer  Dr.  Seh  ür  mann  (s.  Münster).  Definitiv  ward 
der  provisorische  Lehrer  J.  Schüth  und  neu  Gymnasiallehrer  Dr. 
Otto  von  Brilon  angestellt.  Aufserdem  trat  Candidat  G.  Humper- 
dieck  ein.  Schülerzahl  538,  Abiturienten:  41.  Programmabhand- 
lung: Schwubbe:  P.  Virgilius  per  medium  aetatem' gratia  et  aucto- 
ritate  ßorentissimus  (22  S.  4). 

Quedlinburg.  Der  Hilfslehrer  am  Gymnasium  F.  W.  Schulze 
ist  als  ordentlicher  Lehrer  eingerückt. 

Recklinghausen.  Am  Gymnasium  waren  im  Schulj.  Mich.  1851 
—  52  der  Hilfslehrer  B.  Strothmann  als  ordentlicher  Lehrer,  der 
Candidat  Ed.  de  Vos  als  Hilfslehrer  angestellt  worden  und  Candidat 
Altendorf  eingetreten.  Schülerzahl:  140,  Abiturienten  20.  Pro- 
grammabhandlung: Nieberding:  lieber  Göthes  Fischer  und  Schil- 
lers Alpenjäger ,  so  ivie   über  Folkspocsie  im  allgemeinen  (22  S.  4). 

Rostock.  Der  ordentliche  Professor  des  römischen  Rechts  ,  Con- 
sistorialrath  Dr.  B.  W.  Leist  Ist  In  gleicher  Eigenschaft  an  die  Uni- 
versität Jena,  an  seine  Stelle  Professor  Dr.  H.  A.  Schwanert  aus 
Prag  berufen  worden. 

Sagan.  Das  Lehrercolieglum  des  Gymnasiums  war  Mich.  1852  ge- 
bildet aus  dem  Director  Dr.  FMögel,  den  Oberlehrern  Dr.  Kay  ser 
und  Franke,  den  Gymnasiallehrern  Leipelt,  Varenne,  Dr.  Hil- 
debrand, Schnalke,  Laschinsky  (nachdem  Müller  als  MIs- 
sions-VIcar  nach  Berlin  abgegangen,  als  kathol.  Religionslehrer  an- 
gestellt), Collaborator  Dr.  Michael,  evangel.  Religionslehrer  Alt- 
mann, Cand.  Dr.  Roseck  (s.  unter  Neisse),  und  Lehrer  Hirsch- 
berg. Die  Schülerzahl  betrug  260,  Abiturienten  11.  Programmab- 
handlung: Franke:   Das  französische  Imparfait   und   Parfait   defini 


728  Todesfälle. 

des  Indicatif,   verglichen   mit   den    entsprechenden  Zeitformen  der  la 
teinischcn  und  griechischen  Sprache  (25  S.). 

Soest.  Das  Gymnasium  hatte  Mich.  1852  150  Schüler  und  10 
Abiturienten.  Die  im  Programm  theilweise  abgedruckte  Abhandlung: 
Kapp:  Das  Gymnasium  nach  seiner  concentrierten  Bedeutung  im 
deutschen  Unterrichte  ist  vollständig  im  Archiv  für  das  Studium  der 
neuern  Sprachen  Bd.  XTI  gegeben. 

Sondershausen.  Das  Gymnasium  (siehe  oben  S.  495)  war 
Ostern  1853  von  74  Schülern  (I:  6,  II:  II,  III:  14,  IV:  18,  V:  25) 
besucht.  Abiturienten  waren  Ostern  1851  3,  Mich.  1,  Ostern  1852  I, 
Mich.  2.  —  Die  Oberlehrer  Göbel,  Dr.  Zange  und  Dr.  Queck 
haben   den  Professoititel  erhalten. 

SoRAU.  Am  Gymnasium  ist  der  bisherige  Conrector  am  Gymna- 
sium zu  Brandenburg  Dr.  Christian  Wilhelm  Schrader  zum 
Director  erwählt  und  bestätigt  worden. 

Stralsund.  Der  ordentliche  Lehrer  am  Gymnasium  Dr.  Fetschke 
hat  den  Titel  Oberlehrer  erhalten. 

Trzmeszno.  Zum  Director  des  Gymnasiums  wurde  der  bisherige 
Oberlehrer  und  Inspector  am  Marien -Gymnasium  in  Posen  Dr.  Mi- 
lewski  ernannt. 

Wittenberg.  Die  Adjuncten  am  Gymnasium  Heffter  und  Stier 
sind  zum  5.  und  6.  ordentlichen  Lehrer  ernannt  worden.  Wegen  Er- 
weiterung um  eine  sechste  Classe  wurde  eine  neue  Hilfslehrerstelle 
creiert  und  dem  Dr.  Hasper  übertragen. 


Todesfälle. 


Am  23.  April  starb  zu  Naumburg  der  Geh.  Reg.  Rath  a.  D.  Karl  Peter 
Lepsius,  bekannt  durch  seine  Studien  auf  dem  Gebiete  der 
christlichen  Baukunst,  Sphragistik,  Diplomatik  u.  s.  w.,  Verf.  der 
'Geschichte  der  Bischöfe  des  Hochstifts  Naumburg'  u.  a.  Schriften. 

Am    25.  April  zu  Leipzig  der  Kirchen-  und  Schuhath  Dr.  Schmidt. 

Am  28.  April  zu  Berlin  Ludwig  Tieck,  Hauptbegründer  der  ro- 
mantischen Poesie  unserer  Zeit,  geb.  in  Berlin  31.  Mai  1773. 

Am  2.  Mai  zu  Idstein  in  Nassau  der  in  der  philologischen  und  paeda- 
gogischen  Welt  hinlänglich  bekannte  Oberschulrath  und  Archivdi- 
rector  Dr.  Friedrich  Traugott  Friedemann,  60  J.  alt. 

An  demselben  Tage  zu  Leipzig  der  emeritierte  ordentliche  Professor  der 
Botanik  Dr.  Christ.  Fried r.  Schwägrichenim  78.  Lebens- 
jahre. 

Am  15.  Mai  zu  Augsburg  der  durch  seine  zahlreichen  Schriften  über 
die  römischen  Alterthümer  des  Kreises  Schwaben  in  Bayern  rühm- 
lichst bekannte  Regierungsdirector  von  Raiser,   85   Jahre  alt. 

Am  17.  Mai  zu  Halle  der  Consistorialrath  und  ordentliche  Professor 
der  Theologie  Dr.  Johann  Karl  Thilo. 

Am  18.  Mai  zu  München  der  aufserordentliche  Professor  der  Mathe- 
matik und  Physik  an  der  dortigen  Hochschule  Dr.  Joseph 
Reindl. 

Im  Anfang  Mai  zu  Venedig  Dr.  Doppler  aus  Wien  (s.  oben  S.  127 
unter  Wien). 


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Professor   in   Leipzig  Professor  in    Grimma 

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