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Neue
JAHRBÜCHER
für
Pliiloloftie und Paedagoffik.
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Beerüiidot
M» Johann Christian Jahn.
(xegenwärtig herausgegeben
von
Reinhold Klotz Rudolph Dietsch
Professor in Leipzig Professor in Grimma
und
Alfred Fleckelsen
Gymnasiallehrer in Dresden.
DRElIUlkDZWAIÜ'ZIGSTER JAHROAKG.
Siebenundsechziffster Band.
Leipzig 1853
Druck und Verlag von B. G. Teubner,
BIOL:
JUMasg^je^M
3
Kritische Beurtheiinngen.
Griechische Formenlehre des Homerischen und Attischen Dialektes,
Äum Gebrauche hei derti Elementarunterrichte, aber auch als Grund-
lage für eine historisch-wifsenschaftliche Behandlung der Griechi-
schen Grammatik. Von Heinrich Ludolf yihnns, Dr. ph. Di-
rector des Lyceums zu Hannover. Göttingen bei Vandenhoeck u.
Ruprecht. 1852. XH U. 280 S. gr. 8.
Schon der Titel des Buchs, das wir zu besprechen haben, deutet
auf den doppelten Zweck hin, den der Verf. damit verfolgte. Das
Buch soll beim praktischen Schulunterricht, und zwar beim Elemen-
tarunterricht angewandt werden, und zugleich als Grundlage für eine
historisch-wifsenschaftliche Behandlung der griechischen Grammatik
dienen. Hr. Ahrens gibt uns jedoch im Vorwort (S. V) über diese
Doppelbestimmung den nahern Aufschlufs, dafs 'der nächste Zweck der
praktische sei , und dafs die Darstellung deshalb nicht nach streng-
wifsenschaftlichen Anforderungen beurlheilt werden dürfe'; der ' wi-
fsenschaftliche Inhalt des Buchs' heifst es S. VI 'bilde nur eine Zu-
gabe, welche auf Vollständigkeit, Gleichuiäfsigkeit und absolute
Gründlichkeit keine Ansprüche mache.' Diese Formenlehre ist aus
einem praktisch-didaktischen Gedanken hervorgegangen, welchen der
Verf. 'in fragmentarischer Weise' schon in seinem 'Elementarbuch
aus Homer' zur Gellung zu bringen gesucht, und den er von theore-
tischer Seile in dem Jahresberichte des Hannoverschen Lyceums von
Ostern 1852 ausführlicher beleuchtet hat, nemlich aus dem Gedanken,
den griechischen Unterricht mit dem Homer zu beginnen, wodurch es
denn nöthig ward die homerische Formenlehre in der Art darzustel-
len, dafs dabei die attische durchaus nicht vorausgesetzt wird, und
dann später die allische daran ungefähr in derselben Weise anzureihn,
wie bisher die Abweichungen des homerischen Dialekts an den Atti-
cismus anhangsweise angefügt zu werden pflegten. Eine solche Dar-
stellung, die bisher noch nicht versucht war, haben wir hier vor uns,
doch keine ganz vollständige, indem Hr. A. voraussetzte, die Schü-
ler würden es zunächst mit der Odyssee zu thun haben und deshalb
'zur möglichsten Vereinfachung des Slolfs die eigenlhümlichen Er-
scheinungen der llias von der Betrachtung ausschlofs.'
Bei der doppelten Bestimmung dieser Formenlehre werden wir
augenscheinlich auch in der Beurtheilung die beiden Seiten sorgfältig
zu trennen und die Frage nach dem wifsenschaftlichen Werthe des-
selben von der nach seiner praktischen Anwendbarkeit gänzlich zu
1»
4 Ahrens : griechische Formenlehre.
sondern haben. Die zweite Frage würden >vir füglich zuerst ins Auge
fafsen, weil, wie wir sahn, das Werk aus einem praktischen Gedan-
ken hervorgegangen ist. Allein die ßeaulwortung dieser Frage hängt
mit so vielen tief in die Praxis des Gymnasialunterrichls eingreifenden
Erwägungen zusammen, dafs zu einem reiten Urlheil darüber eine
längere und ausgedehntere paedagogische Erfahrung nöthig ist, als
sie dem Kef. zu Thcil ward, und es >v ird daher demselben nicht ver-
argt werden können, wenn er diese Frage nur sporadisch behandelt
und die Entscheidung darüber den Stimmen gewiegter Schulmänner
überläfst, welche ja nicht verfehlen werden, sich über das Buch ver-
nehmen zu lafsen. Ganz indes konnte diese Frage auch hier nicht
übergangen werden.
Natürlich beruht die Frage nach der Anwendbarkeit dieser For-
menlehre zunächst auf der andern, ob es zweckmäfsig ist den grie-
chischen Elemenlarunlerricht mit Homer zu beginnen. Der Gedanke im
Unterricht der Enl\>icklung der Sprache selbst zu folgen, hat etwas
sehr ansprechendes ; jeder, der sich mit historischen Sprachstudien
beschäftigt hat, wird sich davon zunächst angezogen fühlen. Wie
natürlich scheint es, dem Schüler die verschiedenen Formen, welche
sich nacheinander bildeten, wirklich in der Ueihe vorzuführen, wie
sie geschichtlich einander gefolgt sind! Auch würde man aus der
Schwierigkeit der homerischen Formenlehre kaum einen trelTenden
Einwand gegen das neue Verfahren entnehmen können; im Gegentheil
die homerischen Formen sind vielfach ihrer Allerthümlichkeit wegen
durchsichtiger und eben deshalb leichter in ihre Elemente zu zerle-
gen, so dafs das Bestreben dem Schüler das Erlernen der Formen
durch die Einsicht in ihre Entstehung zu erleichtern und zu beleben,
an den homerischen besonders gut scheint verwirklicht werden zu
können. Mehr Bedenken erregt aber eine andere Eigenthümlichkeit
der homerischen Sprache, \^'enn man diese flüfsig genannt hat, so
ist das doch bis zu einem gewissen Grade ein berechtigter Ausdruck.
Der homerische Dialekt ist gevsis nicht das Product eines einzigen
kurzen Zeitabschnitts, sondern das mehrerer Jahrhunderte; er ist
auch sicherlich nie an einem bestimmten Orte wirklich geredet wor-
den. Obwohl dem Kerne nach entschieden ionisch, ist er doch nicht
frei von fremdartigen, namentlich aeolischen Beimischungen, deren
mehrere gerade der gelehrte Dialektolog, dessen Werk wir bespre-
chen, erst in das rechte Licht gesetzt hat. Der homerische Dialekt
ist ferner eine Art von Compromiss zwischen der alterthümlichen und
organischen Sprache und den Forderungen des Versmafses, dem sich
jene in jugendlicher Nachgiebigkeit anbequemt. Ohne Zweifel herscht
trotz alle dem in diesem Dialekt eine erkennbare Gesetzmäfsigkeit, ob-
wohl, wie ich glaube, nicht überall eine so knapp angezogene Avie
sie Hr. A. annimmt, wir haben hier jedesfalls eine Jlanigfaltigkeit von
nebeneinander slatthaflen, zum Theil ganz verschiedenen Sprachpe-
rioden angehörigen Formen, welche selbst bei dem vom Verf (S. V)
angodeulelcn Verfahren uns zweifeln läfst, ob diese Sprachform ge-
Alircns: gritcliisclio Foriiieiilcliri;. 5
eiiincl if;l, dein praklisclieii riilcrriclil zum Griiiide gelegt zu werden,
zumal ja selbst die Schrift , ^\ clclie erst iiaeli Jaliiliiiiideilen den ho-
merischen Laut zu J'crseln siulile, uiclit immer ein getreues 15iid des-
selben gibt und unser homerischer Text trotz aller darüber erliallenen
alten Traditionen doch an manchen Stellen so wenig mit sich selbst über
einstimmt, dals Hr. A. ihn sehr oft erst durch Vermuthungen verän
dern mufs, eh er seine Lehre darstellt. Mit einem Worte, müfsen >vir
nicht eingcslehn, dals dieser Boden ein etwas schwankender, dafs er
auch in vielen Stücken noch nicht hinlänglich dnrchforscht ist, und
Ihun wir gut die Jugend zuerst auf diesen schwankenden lioden zu
führen? Sollen wir den festen Mittelpunkt aufgeben, welchen Athen
in jeder Beziehung für Griechenland bildet, und wodurch es so natür-
lich ist, den Schüler mit den Aüikern der besten Zeit auf den Homer
als auf etwas altertluimliches zurückblicken zu lafsen? Ist es niciit
in unsrer zerstreuenden und die Aufmerksamkeit nach allen Seiten hin
abziehenden Zeit doppelt nöthig diesen Mittelpunkt festzuhalten? Alles
dies sind Bedenken, die sich g-ewis den Lesern dieser Zeilen ebenso
aufdrängen wie dem Schreiber, welche aber doch nicht verschwiegen
werden durften, und welche auch unter manchen andern beachtens-
werthen Bemerkungen in der paedagogisclien Section der Göltinger
Philologenversammlung laut wurden, als dort Hr. A. im ganzen, wie
es schien , der herschenden Stimmung entgegen sein neues Verlaliren
vertheidigte.
Sehn wir einmal von diesen Bedenken ab — und wer möchte
denn leugnen, dafs es nicht unter Umständen möglich wäre, auch auf
diesem ^A'ege zum Ziel zu gelangen? — nehmen wir es als zweck-
mäfsig an, mit Homer zu beginnen, statt wie bisher — OiiijQixojg —
mit dem Alticismus, so würden doch vielleicht gegen des Verfafsers
Buch noch in mancher Bezieluing Zweifel sich erheben. Dem Bef. we-
nigstens ist der Salz immer sehr einleuchtend gewesen, dals der
Schüler in seiner Grammatik heimisch werden müfse, und dafs des-
halb ein Wechsel der Lehrbücher immer viel gegen sich habe. Und
ein solcher würde doch nach Hrn. Ahrens' Methode durchaus nothweu-
digsein, und zwar in mehrfacher Beziehung. Denn nicht einmal für den
Homer reicht diese Formenlehre ganz aus, weil sie zunächst nur für
die Odyssee berechnet ist; die Eigeulhümlichkeiten der Tragiker
sind gar nicht berücksichtigt, weil Hr. A. diese wieder von deni echt-
attischen Dialekt unlerscheidet. Beides, dünkt mich, ist zu bed'inern,
da der Verf. gerade bei dem von ihm eingeschlagenen Wege nicht all
zn schwer diese beiden Gebiete mit berühren konnte. Denn die Dq-
rismen in den Chören sind nicht so zahlreich, dafs sie nicht mit eini-
gen Winken hätten abgetban werden können, und was die Sprache
der Tragiker sonst eigenlhümliches hat, würde sich an den home-
rischen Dialekt noch leichter anreihn lafsen als die Sprache der
attischen Prosa , ja es könnte den \N eg von jenem zu dieser oft
vermitteln. Da ferner Herodot zu den auf Gymnasien zu lesenden
Schriftstellern gehört , so würde der Schüler auch über ihn noch einer
6 Alirens : griechisclie Fünnenlehre.
besondern Auskunft bedürfen. Und wir zweifeln sehr, ob er sich
wird zurecht linden können, wenn er, nach der vorliegenden Formen-
lehre zuerst unterrichtet, später über diese fehlenden Partien sich in
irgend einer der jetzt gangbaren Schulgraniniatiken Kath zu holen
sucht. Es ist zu fürchten, dafs er lange vergebens darin herumblät-
tern und am Ende in diesen vielen verschiedenen Regionen unsicher
bleiben wird. Vielleicht wird er gar befser zu sagen wifsen, was
nicht homerisch und niciit altisch, als was überhaupt griechisch ist.
Kurz eine so völlige innere und äufsere Umgestaltung des grammati-
schen Unterrichts müste, wenn sie praktisch sein sollte, von Hrn. A.
wenigstens durch die ganze Formenlehre durchgeführt werden. Hier
haben wir nur ein Stück, dessen Ergänzung von fremder Hand oder
durch eigne Sirebkraft des Schülers äufserst schwierig sein dürfte.
Auch durch etwa hinzuzufügende Anhänge dürfte kaum viel geholfen
werden; im Gegenlhcil die noch hinzutretenden neuen Unterscheidun-
gen könnten noch mclir verwirren. Das aufserordentliche Betonen der
niundarllichen Verschiedenheiten möchte überhaupt der klaren Auf-
fafsung des allgemein griechischen im Gebiete des Schulunterrichts
eher schädlich als nützlich sein. Was endlich die Syntax betrifft, so
ist leider ihre Behandlung noch immer von der der Formenlehre sehr
verschieden, und noch ist es keinem gelungen, die von Seiten der
liistorisciien Behandlung nölhigen Reformen vorzunehmen, weshalb
denn vor der Hand kaum etwas anderes als sorgfältiges Verzeichnen
und bündiges Zusammenstellen des wesentlichsten möglich sein wird.
Aber so uuabhängig ist denn doch die Syntax nicht vou der Formeu-
lehre, dafs man eine jede beliebige Syntax an jede Formenlehre an-
kleben könnte. Beide müfsen zusammenpassen und sich in wichtigen
Punkten aufeinander beziehn. Und dafs auch an des Verf. Formen-
lehre nicht leicht eine Syntax sich anreihn wird, geht aus den zum
Theil sehr eigenthümlichen syntaktischen Bemerkungen hervor, die er
gelegentlich und mit grofser Kürze in sein Buch aufgenommen hat.
Es möchte daher zu besorgen sein , dafs auf dem von Hrn. A. einge-
schlagenen Wege keine vollständige und sichere, namentlich keine
für das Verständnis der Schriftsteller ausgiebige praktische Gewandt-
heit in der griechischen Sprache erreicht werde, zumal auch die wich-
tige Hilfe, welche das Griechischschreiben gewährt, bei diesem Ver-
fahren nicht leicht anwendbar ist. Denn homerische Verse wird man
zur Einübung der Formenlehre nicht macheu lafsen wollen.
Doch diese Andeutungen mögen über die eine, die praktische
Bestimmung des Buchs genügen. Wir wenden uns zu der zweiten,
der wifsenschaftlichen , bei der wir denn Hrn. A. auf einem ihm ver-
trauten und von ihm mit so vielem Glück bearbeiteten Felde begegnen.
Indem der Verf. seine Formenlehre '^ als Grundlage für eine historisch-
wifsenschaftliche Behandlung der griechischen Grammatik' bezeichnet
und in der Vorrede S. VI Jacob Grimm als sein Vorbild hinstellt,
ist damit die von ihm verfolgte Richtung deutlich ausgesprochen. Die
Grammatik zu einer historischen zu machen, ist ja das Ziel, welches mehr
Ahrens: griechische Formenlehre. 7
©der weniger alle verfolgten, die seil der Belebung der Sprach-
üliidien durch die Spraciivergleiclning sicli selbständig mit der Aus-
bildung derselben beschäftigen, und dai's dies Ziel allmählich er-
reicht werden wird, dazu dürfen wir schon dadurch ermuliiigt werden,
dafs diese historische Hichtting mit dem aligemeinen Strome der Wi-
l'senschaften in unserer Zeit sich ebenso im Einklänge befindet, wie
die abstrahierende 3Icthode mit dem bis in die dreifsiger Jahre hin
sich erstreckenden Vorhersehen der philosophischen Bestrebungen.
Und der Weg, welchen die historische Grammatik einschlägt, der des
Zersetzens und Vergleichens, ist ja auch wieder nur der nemliche, auf
welchem ihrem Objecte nach ganz verschiedene Wifsenschaften in un-
serer Zeit zu so bedeutenden Ergebnissen gelangt sind. In der Ver-
folgung des erwähnten Ziels sind nun aber doch noch verschiedene
Auffafsungen möglich. Hrn. Ahrens' Arbeiten können allerdings
vorzugsweise mit den Leistungen Jacob Grimms verglichen wer-
den, weil sie wie diese zunächst ein einzelnes Gebiet im Auge haben
nnd innerhalb dieses über die manigfaltige Verzweigung der Mund-
arten und kunstvoll gemischten Dialekte Licht zu verbreiten suchen.
Wie sehr ihm dies durch eindringliche Kritik und scharfsinnige Com-
binationen, namentlich aber durch einen feinen Spürsinn für mund-
artliche Verschiedenheiten in seinen Werken über den aeolischen und
dorischen Dialekt gelungen ist, ist bekannt. Es muste daher jeder
Philolog mit Schmerzen wahrnehmen, dafs Hr. A. sein grofses dia-
lektologisches Werk nicht in der begonnenen Weise fortsetzt, dafs
er es unterläfst, eine philologische Schöpfung zu vollenden, zu der
er sicherlich vor allen befähigt und wozu aufser ihm nicht leicht einer
gerüstet sein möchte. Indes so wenig gewis irgend jemand, der an
diesen Studien Theil nimmt, auf die Hoffnung verzichten möchte, das
begonnene gröfsere Werk noch einmal weiter geführt zu sehn , so
ziemt es sich doch auch die jetzt gebotene Gabe mit Dank und freudi-
ger Anerkennung des vielen trefflichen anzunehmen, das uns hier ge-
boten wird.
Die Anordnung der Formenlehre ist ihrer nächsten Bestimmung
zufolge keine streng wifsenschaftliche. Der erste Theil enthält die
Formenlehre des homerischen Dialekts (S. 1 — 200). Nach einigen
^Vorbemerkungen' über die Mundarten folgt in §. 2-8 die Lehre
von den Buchstaben und Lesezeichen; dann sofort die Declination,
einschliefslich die der Pronomina; von §. 46 an die * Conjugation',
mit welchem herkömmlichen aber doch misbräuchlichen Namen auch
hier die Abwandlung des Verbums bezeichnet wird, und zwar A) die
Flexion, B) die Formation, C) die unregelmäfsige Conjugation. In
§. 104 — 113 ist von den Correlativen, den Zahlwörtern, von der Stei-
gerung der Adjectiva und Adverbia die Bede. Die letztere bildet,
allerdings ihrer Natur entsprechend, den Uebergang zur Lehre von
der Wortbildung (§. 114 — 129), worauf vier Anhänge folgen, von
denen der erste unter der Ueberschrift * verschiedene Affecte der Buch-
staben' in §. l.'^O — 158 das wichtigste aus der Lautlehre enthält, der
8 Ahrens : griechische Formenlehre.
zweite von den Accenten, der dritte von den * Praepositionen nnd an-
dern Partikeln' handelt, der vierte 'prosodische und mclrische Ele-
mente* überschrieben ist. — In gleicher Anordnung folgt dann der
zweite Theil, die Formenlehre des attischen Dialekts (S. 201 — 280j.
Ref. enthält sich jeder Bemerkung über diese Anordnung um so mehr,
■weil der Verf. selbst darauf kein grofses Gewicht zu legen scheint.
Denn obgleich er nur aus didaktischen Gründen so eingetheilt hat,
bringt er doch in der Vorrede S. VI für den praktischen Lehrgang
viele Abweichungen von seiner Anordnung in Vorschlag, wie denn
namentlich klar ist, dafs ohne die Hauptsätze der erst am Schlufse
folgenden Lautlehre viele frühere Theile gänzlich unverständlich sein
würden. Auf die sehr eigenthümliche Behandlung des Verbums wer-
den wir gleich näher eingehn müfsen.
In wifsenschafflicher Beziehung hat der Verf. unstreitig das ei-
gonthümlichste im ersten Theile seines Buchs geleistet. Hier ist er
ganz in seiner Sphaere. Mit dem ihm eignen Scharfsinne weifs er das
eigenthümliche des homerischen Dialekts zu erkennen und die Abwei-
chungen davon wahrzunehmen. So linden wir hier eine Anzahl neuer
statistischer Notizen über das Vorkommen gewisser Laulverbindungen
nnd Formen beim Homer. Die träge alte Manier achtete bekanntlich
fast nur auf die besondern Formen eines Dialekts, ohne sich viel da-
rum zu kümmern, wie weit etwa die später üblichen in demselben
vorhanden seien, da ihr Vorkommen gleichsam überall gerechtfertigt
schien. Hr. A. zeigt uns, dafs vieles den Attikern eigenthümliche beim
Homer noch gar nicht vorkommt. So beschränkt sich die Contraclion
von eo in ov nach S. 56 auf wenige Fälle, von denen nielirere durch
Conjectur beseitigt werden. — S. 51 heifst es: ' ein Optativ des Fu-
turums findet sich bei Homer nur ein paarmal durch falsche Lesart.
So Od. ^, 547 akv'^oi, richtiger alv'^ai.', eine für die Geschichte des
griechischen Verbums in etymologischer wie syntaktischer Beziehung
sehr beachtenswerlhe Wahrnehmung, die auch dann ihren Werth be-
hält, wenn Avir , minder kühn, deshalb nicht gleich den Text zu än-
dern wagen, sondern gewisse erste Ansätze zu jener Modusbildnng
beim Homer einräumen. — Von ähnlicher Art ist die Fesistellung, dafs
das Fut. I Pass. beim Homer noch gar nicht, das Fut. II Puss. Miöch-
stens zweimal vorkömmt' (S. 216); dafs die Adjectiva auf i%6g beim
Homer noch sehr selten sind (S. 270), die Nomina gentis auf ev-g da-
gegen sehr häufig (S. 210). Nachdem wir auf solche treffliche Be-
reicherungen der Wifsenschaft, deren sich noch mehrere nachweisen
lafsen, blofs hingedeutet haben, gehn wir, dem Gange des Buchs we-
nigstens im allgemeinen folgend, auf einzelne Fragen etwas näher ein.
In der Behandlung der ersten und zweiten (A- und 0-)Declina-
lion ist der Stamm nicht von den Endungen geschieden, wie das spä-
ter bei der dritten geschieht. Wir erhalfen statt dessen S. 11 und 13
eine Ueberschrift über die 'Ausgänge', d. h. über die mit dem End-
laute (' Kennlaute') des Stammes verschmolzenen Casusendnngen in
tilter Weise. Wifsenschaftlich strenger wäre es jedesfalls gewesen
Alirciis : griechische Füniieiiiclire. 9
auch hier Slanim und Endung voneinander zu sondern, und zu zei-
gen, wie die 'Ausgänge' durcii die Verbindung beider enislanden sind.
Dann würde sich auch ergeben, dafs mil Unrcciit ii^%i}i Kfjovldij als
Släninie angesetzt sind, indem aus (-layjj niemals ^lä'/^ca^ ncr/^caov ab-
zuleiten ist, wohl aber umgekehrt aus dem Stamme l^ccia das singula-
rische fiCiXij, nemlich durch ionische Dehnung von a in >/. — Uebri-
gcns zeigt sich beim Dual der A-Declinalion die Schwierigkeit, die
es hat, den homerischen Dialekt der Grammatik zum Grunde zu legen.
Der Gen. Dat. des Duals kommt beim Homer nicht vor; die attische
Form auf aiv vorauszusetzen trägt Hr. A. mit Hecht Bedenken. Aber
er weifs sich zu helfen. H. yl, 431 ((JjJju.e^oi' tj öoioiGiv iitav^eai, 'in-
TraöiötjOti^) heifsl es beim Schol.'A InnaöiöifiLv , }'QCi(pErca 'iTcjtaai-
ö}fCu. ^'ach der Analogie von imtoi-n' schreibt der Verf. 'imtaOLÖijtv
und führt sofort ijn' als Ausgang des betrelfcnden Casus ein, und so
geht es nun durch die ganze Formenlehre; wir lesen dort nji-v, rav-
Tj/ti/, }.iai>]iu, ^'-^J/'^' 11- s. w. Ein solches Verfahren ist aber doch
wohl gar zu kühn. So sehr diese Form die Analogie für sich hat, sie
nach einer so schwachen Spur in den homerischen Text aufzunehmen
und vollends danach die Schüler zu unterrichten, das ist zu viel der
"Willkür. Uebrigcns ^ird der Verf. gewis selbst nicht verkannt ha-
ben, dals die Lesart IjTnaaiöijLv in jenem einzigen Verse, auf den sich
die ganze Theorie stützt, nicht ohne weiteres eingeführt werden kann;
wir müsten auch öowljlv in öoiouv vorändern. Aber weder öolouv
noch övoLLV^ övoiv läfst sich im Homer nacinvcisen, bei dem der Dual
ovo, öv(0, öom indeclinabel ist.
Bei der zweiten (O-)Declination trägt Hr. A. aufs neue seine
Theorie der Genetivform vor, wonach die Formen auf Oio nicht die
ursprünglichen, sondern vielmehr aus oo unorganisch verlängerte sein
sollen. Hr. A. slräubt sich hier ohne allen Grund gegen eine Annah-
me, welche ebenso sehr das Zeugnis des homerischen Dialekts als das
der verwandten Sprachen für sich hat. Das Sanskrit und Alipersische
beweisen, dafs die Genetive der A-Stämme im Masculinum ursprüng-
lich auf asja ausgiengen , von welcher Bildung auch im slawischen
Pronomen noch die deutlichsten Spuren vorliegen (Bopp verglei-
chende Grammatik S. 219 f. S. 355). Aus diesem asja kann nach klar
erkannten Lautgesetzen das homer, Oio (st. oGlo) ebenso abgeleitet
\verden, wie der üptaliv c'üjv aus ursprünglichem asjdm. Die nächste
Stufe der Entstellung war oo. Genetive auf oo hatte Hr. A. schon frü-
her mit grofsem Scharfsinn in noch ausgeilehnlerem Mafse im Homer
entdeckt, als vor ihm ßuttmann (ausfiihrl. Grammatik I S. 299), und
so wird denn auch hier (S. 15) in der Anmerkung für Od. x, 36 und
60 die Form Atoloo empfohlen, was — von Seilen der \^ il'senschaft
wenigstens — durchaus zu billigen ist. ISur dürfen wir diese Formen
nicht als die ältesten, sondern als Entstellungen von denen auf oio be-
trachten, gerade wie wir die Verba auf Uo aus älterem und ebenfalls
homerischem cxw {ajami) ableiten. Aus oo ward dann ionisch ou, do-
risch Cd, und der homcrioche Dialekt hat uns von den drei Stufen Spu-
10 Ahrens: griechische Foriiieulehre.
rcn hinterlafseu (vergl. rskeLOixsu — xslio^isv — reXeviiei'). Der do-
rischen Form entspricht, um das noch hinzuzufügen, die litauische
«lerli würdig genau, z. B. lit. vältü = der. Ivko), und auch diese li-
tauische Form, Nvelche Bopp anders erklärte, wird jetzt von
Schleicher (Formenlehre der kirchenslawischen Sprache S. 235)
aus triftigen Gründen mit den sanskritischen auf asja (^vrliasja) iden-
tiliciert, so dais ein neues Zeugnis für das hohe Alter jener Bildung
hinzugekommen ist. Was die Genetive auf ao betritH, aus denen man
eine Einwendung entnehmen könnte, so sind sie unstreitig auf üsja
zurückzuführen, was durch die nach Bopps Besprechung jener Bil-
dungen entdeckten altpersischen Formen auf äha (A statt s) schlagend
bestätigt wird. Auvitmazdüha steht in deutlichster Analogie zum ho-
merischen AvQSiöao.
S. 16 linden wir die treffende Bemerkung, die Circumflectierung
der Genetive und Dative der A- und Ü-Stämnie evvij, oÖov erkläre
sich aus der Contraction. Freilich ist diese in Genetiven wie evuijg
nicht bestimmt nachweisbar, wenigstens nicht vom Standpunkte des
Griechischen aus, und es verliert die Bemerkung dadurch an prakti-
scher Anwendbarkeit. Dazu kommt, dafs ja auch in der sog. dritten
Declinalion die Genetive der Monosyllaba circumllectiert werden: Tto-
dcüi\ 3Iithin ist die eigcnlhiimliche Neigung der Genetive und Dative
zur Circumflectierung doch noch nicht hinlänglich aufgeklärt. Sollte
liier etwa das Princip der Gvve-KÖQOfxi] zuläfsig sein?
Für den Dat. Plur. der sog. dritten Declination vsill der Verf.
nur die beiden Endungen Oi.(v) und saai^v) gelten lafsen, nicht
aber das vereinzelt vorkommende eöi{v). Wenn wir aber auch
mit ihm Od. o, 386 naQ oi'etjO ■>/ TtaQa ßovoiv (statt des überlieferten
Ttao oi'eOii>) und 557 uvaY.xBöQ statt civa%x£6tv und ebenso an einigen
andern Stellen ändern wollten, so bliebe doch II. T, 468 6 ^sv r/Tr-
rno xdqEGi- yovvow. Gewis müfsen wir Hrn. A. darin Recht geben,
dafs die Form auf sGßi nicht, wie ßuttmann (ausf. Gramm. I S. 178)
annahm, eine nach blofs metrischen Bedürfnissen aus egl verlängerte
ist. Das ist schon durch die dorischen und aeolischen Dative auf effcTt
hinlänglich bewiesen (A. de dial. Aeol. p. 115. de dial. Dor. p. 229 f.).
Den Ursprung dieser Dative wird Aufrecht in seiner Zeitschrift (1
S. 117) richiig erklärt haben. Er nimmt dort atii^v) als die dem
skr. SU entsprechende älteste Form der Endung an und läfst daraus
mittelst Assimilation a5i{v) werden. Wenn wir von dieser Gestalt der
Endung ausgehn, so erklären sich Formen wie l'^i-aöL-v, vi-avaaLv ganz
einfach aus LQi,-aFi(v), ve%v~Gt\v. Eine Contraction, wie Hr. A.
(S. 32) sie gegc"! den Accent annimmt (aus i^Ußöiv, vsxvEaßi.)') und
sogar in seiner Weise S. 173 unter den Beispielen der Contraction
aufführt, ist unnöthig. Bei consonant. Stämmen gieng das Doppelsigina
wohl zuerst verloren 7tai(ö)a[{v), dann auch oft nach v und Dijjlilhon-
gen: öa%QV6i(v)^ vrjval^v). Daneben aber hielt sich bei dem Bindevo-
cal c in der Hegel der volle Doppclconsonant : nod-a-aöL, vrj{F)-£-66i.
■\>'eiin aber auch bis\\ eilen ffc sich zu einfachem 6 abslunipfte, so ist
Ahrcns : griecliische Formenlehre. 11
das wohl ebenso wenig- befremdlich, als dafs sich OövGevg neben
'OövCOEv^, oßog neben o6aog .^ ^liOog neben ^eööog ündel. Dagegen
mag auf die herodolischen Formen auf eai wie auf die ähnlichen bei
den Doriern nicht viel zu geben sein (vcrgl. ßredow de dial. Ilero-
dolea p. 254, Ähren s de dial. Dor. p. 230). Aber solche Freiheiten
der homerischen Sprache durch kühne Textesänderungen zu enlziehn,
das scheint dorn Uel". überaus gewagt zu sein.
Die Neutra auf ag und og im Nominativ nebst den dazu gehörigen
Adjectivcn auf ?;g, eg linden S. 2(i ilire richligc Behandlung, indem sie
auf Stämme 'mit dem Kennlaut ö' zurückgeführt werden. — Aber
was den Verf. bewogen hat, den Stamm der Feminina auf co (v/i/roj)
auf Ol ausgehn zu lafsen (S. 30), ist nicht abzusehn. Wir dürfen da-
rin nichts anderes als abgestumpfte N-Stämme erkennen, wie sich
denn aijöa und ay^Scöv nebeneinander findet. Mit Unrecht wird auch
die Form OcGfft beanstandet ; der Diphthong ot. hat seinen zweiten Be-
standtheil vor dem folgenden Vocal ebenso eiugebüfst, wie in den
Genetiven auf oo stall ot,o, wie et in reXia neben releico, wie 1}V in
ßaöLlijog. Hr. A. Avill auch hier wieder — und zwar wäre das in
drei Versen nölhig - — der Regelnuifsigkeit zu Liebe oiGöiv (aus ouG-
6lv) schreiben. — Aus demselben Bemühn , die homerischen Formen
zu vereinfachen, geht die Ansicht hervor (S. 33), die Form %QÜxa sei
nicht Acc. Sing, eines niasculinischen z^ag, sondern Acc. Plur., nem-
lich Od. '9', 92 cci\) OSvGEvg xara XQara y,akv'ipä(iai'og yoouG'/.Ev. Die
angeführten Analogien wie Gxn'i&Ea^ TtgÖGama mögen allenfalls gellen,
aber nach Homer kommt XQag entschieden masculinisch vor: Find.
Pyth. XII, 16 evTtaQaov agära GvXaGai.g MedoiGag und Eurip. Phoen.
1149 TtokXol d enmxov Y.qaxag al^axov^cvoi. Warum also sollte nicht
auch schon beim Homer die masculinische Form sich finden?
Aus der Lehre von der Pronominaldeclination hebe ich nur die
eigenthümliche Erklärung der Formen ÜGGa und aGGa hervor. Das
erstere halle Hr. A. schon de dial. Dor. p. 277 scharfsinnig aus a-xua
(xia aeolisch, Ga megarisch statt xlvc<) abgeleitet. Hier (S. 41) wird
nun auch K(j(j« auf a-Tiß zurückgeführt, wobei das a eigenllich dem
vorhergehenden ^^'orte gehöre, z. B. omtol ccGGa si^li oniioia GGa^
oder 'richtiger etwa o7t7tola,GGce.' Diese Erklärung hat viel an-
sprechendes. Aber Hrn. Ahrens'' Voraussetzung, ccGGa fände sich
nur, wenn das vorhergehende Wort durch Elision ein cc verloren
habe (vergl. S. 215), ist unbegründet. Wir lesen z. B. Plato Phaedo
p. 60 e rjv yuQ di] äxxa xoLads. Tbeaet. p. 145 c ysw^exQiag cixxa.
Soph. p. •J26 b xciov ol-kcXi'/aov ovo^icacov '/.aXov^sv axxu Ttov , und ähn-
liche Fälle finden sich schon allein bei Plato, wie das As Ische Lexikon
nachweist, noch viele. Wenn also des Verfafsers Erklärung die rich-
tige wäre, so müslen wir schon annehmen, dafs nach Verken-
nung des Ursprungs aGGa im Bewuslsein der Griechen eine selbstän-
dige Form geworden sei, — eine doch immer sehr misliche Annahme,
Wir kommen zur Behandlung des Verbums, welche, wie wir
schon sahn, eine ganz eigenth imliche ist. Des Verfafsers Anordnung
12 ' Ahrciis : griechische Formenlehre.
der Verbalfornien berulit im wesenllicheii auf denselben Grundlagen,
■welche er schon in seiner Schrift Miber die Conjugalion auf fu' be-
kannt gemacht hat, und mit denen Ref. im allgemeinen so sehr über-
einstimmt, dal's er in seiner 'griechischen Schulgrammatik' eine we-
sentlich ähnliche Darstellung gegeben hat. Wir beide suchen das
griechische Verbum dadurch klarer und wifsenschaftlicher darzustel-
len, dafs wir es nicht auf einmal, sondern in kleineren Gruppen zur
Anschauung bringen. Und lief, ist überzeugt, dafs diese nicht unwe-
sentliche Aenderung alle wifsenschafilichen wie didaktischen Gründe
für sich hat und allmählich ■ — trotz des vorläulig sich erhebenden
Widerspruchs — sich Geltung verschaffen wird. Die wifsenschaft-
liche Richtigkeit der Einiheilung beruht auf der Wahrnehmung, dafs
zwischen einem Verbalslamme , z. B. Ti,ua, und einer beliebigen Ver-
balform, z. B. hiii^d-)], rtiDi'&Hiig, ebenso wie zwischen dem Stamme
und der Casusform eines beliebigen Nomens, z. B. rc[ii]^arog, etwas in
der Mitte liegt, etwas festes, das wir eben deshalb in beiden Fällen
als Stamm von den Endungen des Modus und der Person unterscheiden
müfsen. Zwischen der Flexionsform 6ti,u)ji>>/, ri^rj&ehjg und dem Ver-
balslamme TijUa liegt als Mittelglied der Stamm rijxijd'c (oder wie Hr.
A. will Tijtt/;0'//), zwischen Tifti/ffarog und lifta der Stamm xi^iyj^ax.
Die Lehre vom Verbum zerfällt danach wesentlich in zwei Theile, die
Lehre von der Bildung oder Formalion und die Lehre von der Flexion.
Der erste Theil entspricht bis zu einem gewissen Grade der Wortbil-
dungslehre beim Nomen , der zweite der Lehre von der Declination
der Nominalstämme. Die Formalion ist die Voraussetzung der Flexion
und ihr begrifilich vorauszuslellen, aber für den praktischen Gebrauch
stellt man mit Recht ■ — als das Tt^oxzQOv %ud' rjiiäg — - die Flexion
voran. So macht es denn auch Hr. A. mit dem Verbum. S. 44 be-
ginnt nach einigen Vorbemerkungen die Besprechung der Flexion.
S. 77 folgt die Lehre von der Formalion. Indessen, während wir die
Unterscheidung zwischen Formation und Flexion im Princip durchaus
billigen, so fragt es sich doch, ob es zweckmäfsig ist, die Trennung
factisch durchzuführen. Es ist unnatürlich, dafs der Schüler, wie es
liier geschieht, nicht blofs das Praesens xqItko mit seinen Modis und
dem Imperfect, sondern auch das Futurum tos'^oj und den Aorist
l'xQaTtov flectiercn lernt, ohne dafs ihm gesagt wird, Avie denn das
Futurum aus dem Praesens entsteht. Praktisch möchte es daher wohl
grofse Vortheile haben zwar mit der Flexion eines jeden Tempus (nach
Ihn. A. ' Systems') zu beginnen, dabei aber zugleich immer das nö-
Ihige über die Formation hinzuzufügen, damit auf diese Weise der
Schüler sich gewöhne die einzelnen Stämme sofort aus dem die manig-
faltigen Formen verbindenden Verbalstamme abzuleiten. Eine Anord-
nung, in welcher Ref. ebenfalls mit dem Verf. zusammentrilTt, ist die,
die Verba conlracla gleich beim Praesens zu behandeln. Allein wenn
unmitlelbar damit S. (iä die conlrahierten Futura verbunden werden,
so kann ich das nicht billigen, weil das s dieser Futura dem Schüler
cisl durch die Formalionslchrc klar wird, und doch wohl die Anord-
Alirens: griccliische Foniioiilclirc. l'i
nung' den Vorzug verdicMit, avcIcIic doii Soliiilcr niög-liclist wenig mit
iiiibckaniiU'ii Gr()rscit aiheileii liilst. Wem daj^'cgeri die conlraliieileii
Praeseiilin im Ciedürliliiis liaflon , dem wird die Flexion der conlra^
liierten Fnlura spiiler gar keine Scln\ ierigkeifen niaciieii. Indes gel)o
icli gern zu, dals in diesen Saelien veiscliiedene ^\'ege zu demselben
Ziele fuhren, und dals manche Züge in des Verfafsers Darstelhin"-
sehr beaehlenswerlh sind.
Ernstlichere Einwendungen erheben sich aber wie von selbst
gegen Hrn. Abrens' Terminologie, welche ihren Grundziigen nach
den mit seinen früheren Schriften vertrauten nicht neu war. Unnöthiir
scheint die Aenderung in der Benennung der Genera verbi. Statt des
berkömmlicben Activs und Mediums erhalten wir ein übjeetivum und
Subjectivum. Ist denn aber die neue Bezeiclinung irgend wahrer und
treffender als die alte? Die Bezeichnung Objeclivum passt doch nur
auf transitive Verba , die Bezeichnung Subjectivum verführt zu der
Meinung, mediale Formen könnten kein Object bei sich haben. Der
Fehler in der alten Terminologie lag in der Entgegenstellung von
Acliv und Passiv; denn freilich, wenn die Formen {.lai, acxi, tul — jui/)/,
()0, xo für ursprünglich passivisch erklärt wurden, so begrilF niemand,
Mie dieselben z. B. in iTQeipc<iirp',TQd7T(oixca niemals passive Bedeu-
tung haben konnten, während den Aoristen von passiver Bedeutung
die passiven Endungen nicht zukamen. Nehmen wir aber — und wir
haben guten Grund dazu — au, dafs jene Endungen ursprünglich me-
dialer, d. b. im weiteren Sinne rellexiver Bedeutung waren , so kommt
alles in Ordnung. Wir tbeilen die F'ormen in activc und mediale. Wir
werden dann nur hinzufügend zu bemerken haben, dafs ein Tbeil jener
medialen Formen auch passive Bedeutung hat. Am Schlufse sind die
Passivaoriste mit ihren Futuris aufzuführen, bei denen das passivi-
sche nicht durch die Personalendung, sondern durch die Kennzeichen
des Tcmpusslanimes, durch die Laute e und d-e bezeichnet wird, über
deren Ursprung ich meine, wie ich sehe, von Lange (Götlinger ge-
lehrte Anzeigen 18ö2 S. 1695) gebilligten Vermuthiingen anderswo aus-
geführt habe. Dafs ixQUT(,riv^ £r()c'9D9'>/i' passive Bedeutung haben, kann
übrigens auch ohne sprachvergleichenden Apparat durch lateinische
Formen wie ceneo, calcßo klar gemacht werden, wo der Ursprung des
passivischen Elements in den klar erkennbaren Verben eo und fio vor-
liegt. — Ein anderer Punkt, worin ich Ihn. A. nicht beistimmen kann,
ist die grofse Anzahl der von ihm angenommenen Systeme. Es sind
ihrer für den homerischen Dialekt 12 (eigentlich mit dem sog. Per-
feclfulurum Vi); für den attischen, bei dem die Passivfutura hinzu-
kommen, 15, nemlicb Praesens Object. und Subject., Futurum Obj.
und Subj., Aoristus I Obj. und Subj., Aorisfus II Obj. und Subj., Perf.
Obj. und Subj., Aor. Pass. I, Aor. Pass. II, Fut. Pass. I, Fut. Pass. II,
Futurum III. Der Unterschied zwischen Activ und iMedium liegt aber
doch nur in den Personalendungen; er kann nicht mit dem zwischen
dem Praesens und Perfect u. s. w. auf eine Linie gestellt werden.
Faclisch nimmt auch später bei der Flexion der Verf. ^ Objectivum und
14 Ahreiis : griechische Formenlehre.
Subjeclivum ' immer zHsammen. Führen wir dies durch und bringen
aufserdem, wie natürlich, jedes Passiv-Futurum (Fut. l und II Pass.)
zu seinem Aorist, das Fut. III aber zum Perfect, von dem es ausgeht,
so erhallen wir sieben Systeme, als deren Stämme jene sieben Tem-
pusstämme sich ergeben , nach denen Ref. in seiner Schulgrammatik
das Verbum abgehandelt hat.
Den entschiedensten Widerspruch wird aber gewis jeder Schul-
mann gegen den Gebrauch des AVortes Modi erheben , wie ihn Hr. A.
einzuführen sucht. Er lehrt nemlich S. 42, jedes System enthalte eine
Anzahl 'Jlodi', deren es im ganzen sieben gebe: Primarium (Indica-
tiv Praesentis, Perfecti, Futuri), Praeleritum, Conjunctivus , Optati-
vus, Imperalivus, Infinitivus , Participium. Hier ist also der Unter-
schied zwischen Tempus und Modus gänzlich aufgehoben. Ich glaube
nicht zu viel zu behaupten, wenn ich sage, dafs durch diese Termino-
\o<^\e die syntaktische Moduslehre aufserordenllich erschwert wird.
Denn dabei nuifs sich ja nun der Schüler seinen Begriff von Modus
wieder abgewöhnen; er mufs lernen, dafs z. B. das Praeleritum kein
Modus, sondern ein Tempus ist. Aber auch wifsenschaftlich ist diese
Behandlung unhaltbar. Die Sprache hat nicht umsonst das Praeleritum
im Anlaut, den Conjunctiv und Optativ aber im Inlaut bezeichnet; sie
deutet schon dadurch an, dafs für das Sprachgefühl IßuXko^sv sich
keineswegs ebenso zu ßallofxev verhält wie ßälXaiixev. \Vir haben es
hier mit ganz verschiedenen Functionen zu thun, die wir, nachdem
sie der glückliche Takt der griechischen Grammatiker gelrennt hat,
nicht wieder vermischen dürfen.
Die Bezeichnungen stark und schwach gebraucht der Verf.
so, dafs er die ohne Bindevocal (' Flexionsvocal') gebildeten Formen
stark, die mit einem solchen versehenen schwach nennt (S. 44). Aber
in der Anwendung vermifst man Consequenz. Das Perfect hat nach
Hrn. A. Mnimer starke Flexion', der Aoristus I schwache. Aber wa-
rum soll das a des Perfects nicht, wohl aber das jenes Aorists als
Flexionsvocal gelten? Dieser Vocal, der beim Aorist sich ja sogar
in Optativ, Imperativ, Infinitiv und Particip beider Genera erhält, ist
für den Aorist so stabil, dafs wir ihn mit zum Stamm ziehn müFsen.
Thun wir das aber, setzen wir einen Stamm r^atpa an — was auch
den praktischen Vortheil hat, dafs der Aorislslamm nicht mit dem Fu-
turstamme zusammenfällt — , so ist irgiipafiev wie i'öraiiev, d. i. nach
Hrn. A.'s Bezeichnung stark fleclierl. Uebrigens hat auch diese An-
wendung der Ausdrücke stark und schwach ihr bedenkliches, zumal
sie mit der in der deutschen Grammatik üblichen so wenig gemein hat.
Es würde zu weit führen, auf alles neue, was uns bei der Be-
sprechung der einzelnen Formen geboten wird, näher einzugehn, doch
wird wenigstens einiges noch hervorgehoben werden können. Die
Formen der homerischen Verba contracta sind S. 52 sehr vollständig
und eingehend behandelt, wobei auf den Einflufs des Metrums gebüh-
rende Rücksicht genommen wird. Bedenklich erscheint es aber, wenn
Hr. A. S. 55 die Form aloco (Od. e, 377) aus dem Text bringen will,
Alircns : griecliisclie Fonnoiilelire. 15
durch sehr kühne Aeiulerung-sversuche. Solche Conjecdiren , die zu-
weilen überaus verwegen sind, ireiioren eifrenilich «^ar niciil in dies
Buch, das für den Scliulgebraudi hcslimnil is(. Uehrigcns iiat dci-
Verf. Recht 'die eigentliciie Natur der Dislraction sehr räthselhaft' zu
linden. Die bisherige Belnndlung nanieullich der Verba auf nco beim
Homer kann für die Wifsenschaft nicht genügen. Ref. verspart es
sich für eine andere Gelegenheit, diese merkwürdigen Formen ein-
gehender zu besprechen, was nur in grölscrer Ausfüiirlichkeil zum
Ziele führen kann.
Die 2. Sing, von i'ar7]fii schreibt Hr. A. mit lola subscriptum:
i'ßttjg (S.60), freilich consequent, sobald wir (pyg schreiben mit Butt-
mann ausf. Gramm, l S. 542 Anm. 1. Dagegen hat aber K. ^V. Krü-
ger (griech. Sprachlehre S. 140) qo^^g eingeführt, das jetzt auch schon
in manche Ausgaben übergegangen ist. Indes bedarf das in diese
Formen eindringende i wohl noch einer näheren Untersuchung, eben-
so die Formen XL&eig, uo^fi, bei denen der Verl", keine Contractioii
annimmt. — Ueber den Optativ der Verba auf ^c linden wir hier
S. 60. 62 dieselbe Theorie, gegen welche Ref. schon in seinen sprach-
vergl. Beiträgen I S, 235 Einwendungen erhohen hat. Die Formen
[ßral^ev, rL&ehe, tßvatro sollen nicht aus ißTauj^ev^ TL&eLtjre, iöruL-
i]xo zusammengezogen, sondern — der Theorie vom Gewichte der Per-
sonalendungen zu Liebe — durch Anfügung des einfachen t an den
Stamm gebildet sein. Den Accent, welcher so deutlich dieser Annah-
me widerspricht, erklärt Hr. A. jetzt (S. 62) durch die Contraction
von lGxu-l-^£v in töxai^Ev. Allein diese Erklärung kann nicht genügen.
Der Accent beweist einen Unterschied zwischen laxcdiiev und xQinot^
(isv, und bei den Verben auf fti selbst zwischen [axcdxo und äycaxo^
övvatxo , in welchen letzteren Formen, wie ich am angeführten Orte
vermulhete, das a nicht mehr als Stammvocal gefühlt und desiialb nach
Art des gewöhnlichen Bindevocals behandelt wurde. — Gewis mit
Recht wird S. 79 cxpiXkeiev (U. 11, 651. Od. j3, 334) nach Buttmanns
Vorgang (a. a. 0. II S. 264) als aeolischer Aorist erklärt. Der Indi-
cativ dazu dürfte Od. o, 18 anzunehmen sein xal a'^cogpeAAfi/ k'eöva, wo
das Imperfect nicht passt.
Aus der Lehre von der Verbal forma ti on heben wir heraus,
dafs zwischen dem Verbalstamme und der Wurzel unterschieden wird.
Als Stämme gelten krj&, Xsltc^ 7tcv&, als Wurzeln Xa& , XItc, Ttvd", als
Stämme zxsv , xEfi, xbqtv, xqeTt, als Wurzeln xrav, raft, xaqTt, xqcctc.
Diese Auffafsung hat viel gegen sich. Zunächst lafsen sich die er-
wähnten Stämme gar nicht nach einem durchgehenden Princip aus ihren
Wurzeln herleiten • — was Hr. A. darüber in der Lautlehre vorbringt,
ist unhaltbar und schon von Lange (Götting. gel. Anz. 1852 S. 809.
839) hinlänglich widerlegt. Ferner widerspricht es dem BegrifFe des
Stammes, als solcher eine Form zu bezeichnen, aus der sich nicht
alle Formen eines Verbums ableiten lafsen, was bei den angeführten
Stämmen nicht möglich ist, denn kaXaö^evog , TteTcvöfiai, , eXmov, inv-
&()i'xo erklären sich nur aus Xad', nvd-, A/tt. Folglich müfsen wir
16 Alirens: griecliisclic Formenlehre.
hier entweder Doppelstämme XsiTt und Xt-it u. s. w. oder die kürzeste
Form als einzigen Stamm annclimen und dann eine für das Praesens
normale Dehnung zulafsen, welche auch in einzelne andere Formen
eindringt, während im Aorist £ in k überzugelm liebt. Hrn. Ahrens'
Unterscheidung- zwischen Wurzel und Stamm ist auch praktisch kaum
zu billigen, indem sie ohne Nutzen die Schwierigkeiten vermehrt.
Für die Formalion des Verbums haben wir es nur mit Stämmen zu
thun; ob diese Stämme noch weiter abzuleiten oder die letzten sprach-
lichen Elemente — Wurzeln — sind, kommt für diesen Theil der For-
menlehre nur insofern in Betracht, als nur die Wurzelverba die sog.
Tempora secunda (starke Zeitformen) bilden.
Die S. 95 ausgesprochene Vermuthung, der Stamm von uji-it sei
Gf, entbehrt jeder Begründung-; auch die Behauptung, dafs i'e^at in
der Bedeutung * streben' das Digamma habe, ist schwerlich haltbar.
Ich verweise in Bezug darauf auf meinen Aufsatz im Philologus III
S. 5 ff. Noch weniger kann es gebilligt werden, wenn auch hier die
Ansicht wiederholt wird, in Conjunctiven wie ^d(o, xQaitsirig sei i
eingeschoben. Dazu ist auch kein Schatten eines Grundes vorhanden,
indem es theils zweifelhaft ist, ob nicht das el hier durchweg eine
falsche Schreibung statt i] ist, theils aber eine ionische Dehnung von
£ in El auch von Hrn. A. nicht weggeleugnet m erden kann. Wenn es
S. 66 heifst, die Einschiebung von Iota fände auch in manchen an-
dern Fällen statt, so sind diese Fälle (S. 14) eben jene Genetive auf
oto und pronominale Genetive wie ij^eio, welche wir anders zu erklä-
ren guten Grund haben. Die Conjunctive der A-Stämme wie q)9'yp^ev
oder q}d'ico^£v erklärt der Verf. jetzt richtig aus dem Wechsel der
Quantität, indem er nach dem, was ich in den sprachvergl. Beitr. I
S. 2^6 dagegen bemerkt habe, seine frühere künstliche Theorie auf-
gegeben hat. Es ist aber kaum zu bezweifeln, dafs er auch von sei-
ner jetzigen Behandlung der E-Slämme zurückkommen und -ö'icofifi',
das er noch immer (S. 9-5) aus dem homerischen Text entfernt wifsen
will, gerade so als Gegenstück von d-)'jO[xsv oder ^siofiev auffafsen
wird wie özicofiEV von 6Trjoi.i£i', cp&iojuEv von cpd-rjo^iEv.
Das äufserste der Kühnheit finden wir S. 99. Dort ist nemlich
schlank weg k'a&i als 2. Imper. von el^i in das Paradigma gesetzt, ob-
wohl Ilr. A. auch nicht einmal einen Versuch macht, diese Form für
den Homer zu begründen. Die Form eö&l hat Hr. A. de dial. Dorica
p. 542 aus Hecataeus in den Anecdofa Oxon. I p. 207, 21 nachgewie-
sen. Aber auf solches Zeugnis hin k'öd-L in die homerische Formen-
lehre einzuführen, ist um so weniger zuläfsig, weil die Form i'a&i,
der Analogie der homerischen Sprache durchaus nicht widerspricht.
Denn jene eigenthümliche Abstumpfung eines stammhaften £ zu f ist
dem homerischen Dialekt nicht fremd; wir finden sie in ißzin] sogar
attischem iaria gegenüber, in welchem Worte lat. Vesta, skr. ras
* wohnen' die Priorität des £ sicher stellen, in x&i'^og von x&ig (Jieri
statt lijesi skr. hjas) ^ in TtUßGovxo nehcii ttAejck), in m,rvdg neben ne-
zdvwiit (lat. pal-en)^ in nilvmciL neben 7tEXc'<G6Exov^ in KiQvag neben
Ahrens : griechische Formenlehre. 17
MQato^ anderer minder sicherer Fälle nicht zu gedenken. Die ange-
füiirlen beweisen aber liinlänglich , dal's schon beim Homer e vor dop-
peltem Consonanten sich bisweilen zu t schwächt, dafs folglich, wenn
das Paradigma einmal vollsländig sein sollte, i'ß&c mit gutem Ge-
wifsen aufgenommen werden konnte. Auch die Deutung der statt
i'ö'd't üblichen Imperativform l'ööo als Imperativ Futuri ist bedenklich;
wir könnten darin doch nur den Stamm mit der medialen Endung wahr-
nehmen, wie in 7/-00, ksI-Go.
S. 107 begegnen wir einer ansprechenden Vermuthung über das
statt der Rediiplication im Perfect eintretende blofse Epsilon. Die mit
gruppiertem Sigma anlautenden Stämme wie ßra sollen den Anfang
mit der Verderbung gemacht haben, indem zunächst, wie in e-örrj-xa,
der Spiritus asper das 6 vertrat. Später schlich sich statt des asper
der Spiritus lenis ein, z. B. in eßray^iai., eöcpayfiai. Von da aus ver-
breitete sich dann dies statt der Reduplicationssilbe eintretende £ auch
auf andere Verba wie ecp&OQa, eq)&aQ^ai,. Es käme darauf an , das
Verhältnis der letztern Classe zur erstem statistisch festzustellen, da-
mit man sähe, ob die sigmatisch anlautenden Verba mit doppeller Con-
sonanz jene hinlänglich überwiegen, um für sie mafsgebend zu werden.
Kühner ist eine andere (S. 85 und 109) ausgesprochene Ansicht
über die Reduplication vocalisch anlautender Stämme. Hr. A. betrach-
tet nemlich die sog. attische Beduplication als die Regel, die blofse
Dehnung des Anlautes als die Ausnahme, eine Auffafsung, welche auf
den ersten Blick viel ansprechendes hat und wofür sich auch lateini-
sche Bildungen anaihren lafsen. Denn im Lateinischen weist egi durch
sein diphthongisches e auf egigi hin (vergl. feci aus fe/ici). Dagegen
aber läfst sich wieder folgendes sagen. Zunächst gilt im Sanskrit die
einfache Regel, dafs blofs der anlautende Vocal gedehnt wird, also W.
ad (edo) Pf. äda. Sodann fordert doch auch das Princip der Redupli-
cation nur Verdopplung des Anlautes; so wenig wie von V^. yev
ysyyova gebildet wird, so wenig fordert die Analogie von ad ein
adäda, denn jenen Ansatz der Stimme, welcher im Griechischen durch
den Spiritus lenis bezeichnet w ird , nimmt die Stelle des anlautenden
Consonanten ein, und mit dem darauf folgenden Vocal ist der Bestand-
theil des Wortes, welcher verdoppelt zu werden pflegt, zu Ende.
Ferner leidet die von Hrn. A. S. 110 versuchte Ableitung der gewöhn-
lichen Formen aus den reduplicierten Schwierigkeiten. Denn die An-
nahme, 'auch diese Erscheinung habe ihren Grund in den Schicksalen
des (>', rjöKrjixat sei aus a-aßn^j^iai statt aß-aöK-rj^iat entstanden, ist
ohne ' eine unregelmäfsige Contraction' nicht durchführbar. Dennoch
ist Hrn. Ahrens' Darstellung immer sehr beachtenswerth. Zu gröfse-
rer Gewisheit würde man auch hier nur durch eine Sammlung der
wirklich vorkommenden Perfecta vocalisches Anlauts gelangen kön-
nen. ■ — Wenn wir übrigens auch in diesem Werke den Ausdruck fin-
den, dafs in gewissen Fällen statt der Reduplication das Augment ein-
trete (besonders S. 227), so möchte das nicht zu billigen sein, weil
es im praktischen Unterricht dazu verführt, die dem Stamme anhaf-
N. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Brf. LXVII. ///M. 2
18 Ahrens: griechische Formenlehre.
teiide Ueduplicalioa mit dem blofs das Praeteritiim bezeichnenden Aug-
ment zu verwechseln.
Die Formen 'd-tjiof.iai, ri&rjTta, exacpov werden S. 112 in der Art
miteinander in Verbindung gebracht, dal's das P eines Stammes ^y]F
im Perfect in jr, im Aorist in cp verwandelt werde. Aber wo haben
wir sonst eine Spur solches Vorgangs ? Wir miifsen ^yiio^ca für sich
nehmen und die Stammformen Q-iin und xacp durch Umspringen der
Aspiration zusammenbringen. — iav(o wird ebendort richtig mit aeaa
verbunden, i aber §. 157 als ein nichtssagender Vorschlag hingestellt.
Es ist aber Reduplicationssilbe wie in i'-»;-jHtvon W. £, in lov&og von
W. avd'. Damit schwindet, nebenbei gesagt, eine neue Stütze der
oben erwähnten Ansicht, dafs t zwecklos vor- oder eingeschoben
würde. — Ganz besonders aber bietet die S. 117 beginnende Lehre
von den "^secundiiren Stammen' Anlafs zu Einwendungen. Wir bil-
ligen es, wenn die durch £ erweiterten Stämme secundäre genannt wer-
den, obwohl bei einer rein wifsenscbaftlichen Darstellung diese nicht
alle in eine Kategorie gestellt werden dürfen. Aber dafs Formen wie
7}6i(j&)}v, i7Tlt]a&t]v aus dem Aor. 1 riöeacijxijv, anhjGa^ dafs das Sig-
ma aller Passivaoriste auf 6&ijv von vocalisch anlautenden Stämmen
aus den activen oder medialen Aoristen entstanden sei, können wir
nicht zugeben. Bestechend freilich sind die von Hrn. A. damit zusam-
mengestellten Fälle, so namentlich die Futura tertia, welche allerdings
deutlich aus dem Perfectstamme hervorgehn. Aber wem fällt dabei
nicht gleich der Unterschied auf? Jene Futura haben ja auch in ihrer
Bede u tung wenngleich bisweilen verwischte, doch unverkennbare
Spuren des Perfects beibehalten , während gar nicht im entferntesten
abzusehn wäre, warum die Sprache in einen Passivaorist das Zeichen
des activen oder medialen aufgenommen haben sollte. Aufserdem liegt
ja in jenem a gar nichts specilisch aorislisches; man könnte mit dem-
selben Rechte auf das Futurum zurückgehn, und es ist durchaus un-
wahrscheinlich, dafs die Sprache in jenem 6 den Aorist gefühlt habe.
Aufserdem lafsen sich Passivaoriste wie 7]K0va&i]v von Perfecten wie
'i'jKOva^icii, gar nicht trennen, und dafs jene Erklärung aus secundärer
Bildung überhaupt nicht durchführbar ist, hat der Verf. selbst S. 251
Anm. 3 angedeutet. Bei den Nominalbildungen mit T- und M-Suffixen,
in denen dieselbe Erscheinung wiederkehrt: oqxyi^-xi'iq.^ ös-a-^og
macht Hr. A. es sich bequem, indem er zu jenem S. 151 nichts be-
merkt, für dies aber ohne weiteres ßfiog als Suffix ansetzt. — In ähn-
licher Weise läfst der Verf. S. 228 das sog. Perfectum primum aus
dem Aor. I hervorgehn, durch Verwandlung des C in x oder des ip,
§ in 9), ;^, also so ziemlich wieder die alte, wie wir holTten, überwun-
dene Manier, ein Tempus aus dem andern abzuleiten. Ueberdies ver-
bindet er hier ganz verschiedene Vorgänge: denn die Lehre, dafs k
ans 6 hervorgienge, ist offenbar nur für die Praxis berechnet, indem
Hr. A. selbst das x, wo es beim Homer erscheint: ßeßrjKa — ßsßa-
fiEv keineswegs aus dem 6 des Aorists erklärt. Auch heifst es S. 230
Anm. 3 wieder, das Perf. I gehe bisweilen aus dem Perf. Subj. (Medii)
Ahrens; griecliisclie Formenlclire. 19
hervor, z. B. öiösna aus öiösfiai. Und wir werden docli das % in ßi-
ßfjKa nicht für ein anderes als das von ^£()ci'7rv>jxc<: Iialteu sollen? Nach
der Anni. 5 S. 231 könnte es fast scheinen, als ob das des Verf. Mei-
nung- wäre. Diese Leiire vom I'erfect scheint mir, offen gesagt, das
verfehlteste im ganzen Buche. Auch die Praxis kann nur verwirrt
werden, wenn diöcoza Perf. II, öedovkayM aber Perf. I g^enannt wird.
Es zeigt sich hier, dünkt mich, dafs Hr. A. seine Theorie eigentlich
blofs für den homerischen Dialekt berechnet hat, woran dann in die-
sem Falle die besonderen Erscheinungn des attischen Dialekts mehr
äufserlich angeklebt werden. Die Perfecta auf q}a und ya versucht
der Verf. geradezu lautlich aus den Aoristen auf ijja und |a abzulei-
ten, indem er S. 230 Anm. 1 dies dadurch zu rechtfertigen versucht,
dafs 1/; und § wie ^cT, ;^(> ausgesprochen Aviiren. Als ob nicht die Re-
duplication allein schon daraufhinwiese, dafs wir in Perfecten wie
Ttiito^cpa eine selbständige Formation besitzen, wozu noch die Vo-
calverschiedenheit kommt, die doch in Ttino^cpa sicherlich auf dem-
selben Bildungstrieb beruht wie in yiyova. Und dennoch sollte ni-
Tto^cpa aus l'Tte^ijja, yiyova aber als Perf. II aus W. ysv entstanden
sein? In el'h](pa wäre die Aspiration eine blofse Affection des Stamm-
consonanten, in ßißkecpa aber ein Niederschlag des ß von 'dßlsipct.
Ref. ist überzeugt, dafs Hr. A. diese Perfecttheorie , die wifsenschaft-
lich und praktisch gleich wenig für sich hat, mit der Zeit selbst auf-
geben wird.
Auch die Lehre von den "^seltnem Bildungen des Praesens' S.
121 ist nicht frei von Willkürlichkeiten. Hr. A. leugnet die Existenz
eines Praesens e^ofttvi auch nach dem was Lobeck zu Buttmanns
ausf. Gramm. II S. 202 darüber beigebracht hat, und will, wie vor
ihmPassow, Od. jc, 372 zCcpQ' ovxiog^ OövGev , naz ag e^eai
ißog avavSo) — £^£0 lesen. Aber wie passt das zum folgenden Verse
&v[iov e'Öcov, ßqw^iqg 6 ov% anreai ovöe Ttovrjrog'I — S. 123 und
später S. 12.t ist davon die Rede, dafs bald 0(>, bald ^ in Verben wie
cc(pv66i0y igs&l^co^ aY,a.ji'Q(x) die Stelle von Gv, vertrete. Soll darunter
ein lautlicher Vorgang verstanden werden, so müste er erst erwiesen
werden; und wir zweifeln, ob das Hrn. A. gelingen wird. — Gegen
den ebendort Anm. 3 angenommenen Stamm ^Fztv. müfsen wir von
Seiten der Sprachvergleichung Einspruch thun; skr. rf/c, lat. dico^
goth. ga-teiha wifsen nichts von einem Vau, und wegen des griech.
öeLÖlßKoiJLai, allein dürfen wir F nicht annehmen. — S. 127 werden
dagegen auf eine sehr scharfsinnige Weise Praesentia wie mvco , dv-
vco, ilavvco auf älteres nivvco, övvvo), ikavvco nach Analogie von
ccvvco zurückgeführt, und dadurch in den beiden ersten Verben wie in
«ro) die Länge des Vocals, in ikavvo) der Diphthong erklärt. Mit
ßalvco aber verhält es sich offenbar anders, das ist — worauf auch
venio hinweist ■ — aus ßa-vi-co entstanden. Auch bleiben in Bezug
auf das Verhältnis der angeführten Verba zu denen auf ai^oj wie a[xaQ-
xävco noch Zweifel übrig.
Die auf die Lehre vom Verbum folgenden Canitel bieten eben-
2*
20 Ahrcns : griechische Formenlehre.
falls sehr viel eigenthümliches. So wird S. 135 das indefinite tcco un-
streitig mit Reclit mit den gleichlautenden dorischen Bildungen zusam-
mengestellt — ursprünglichen, die Richtung woher bezeichnenden
Ablativen. Der Verf. hatte diese Ansicht schon früher de dial. Dor.
p. 374 ausgesprochen, wo auch schon in einer Anmerkung das home-
rische TW 'daher, darum' mit hinzugezogen ist, das Hr. A. reo
schreibt. — S. 141 wird TtQo^axog für eine verlängerte Form von
7tQ6(iog erklärt wie vr^TiLW/^og von vt^TCtog. Die Gründe, welche Hrn.
A. dazu bestimmen, die herschende Ableitung zu verwerfen, gibt er
uns vielleicht anderswo. — S. 144 bei der Comparation wird %qcl6-
6(ov KQcirtdTog zum Positiv KQaveQog gesetzt , warum nicht lieber zu
KQdtvg !
Die Wortbildung wird für ein Schulbuch ziemlich ausführlich
behandelt. Wir begegnen auch hier vielen vortrefllichen Zusammen-
stellungen, welche der hier gegebenen Darstellung vor der bisherigen
den Vorzug gibt, daneben dann aber auch wieder befremdliche: so
wird das Femininum ßaGileia nicht einfach mittelst der Form ßaaikcF-
Lu aus dem Stamme ßadtlev abgeleitet, sondern erst durch die ima-
ginäre Mittelform ßaßikuFu, und ebenso %cik%oßaQHa erst mittelst
yaXKoßaQSLöci aus '/^akKoßaQeöia , ein Verfahren das in ähnlichen Fäl-
len wiederkehrt. — Ueberhaupt scheint Hr. A. in Bezug auf die Laut-
lehre am wenigsten auf sicherem Boden zu stehn. Eine hinreichende
Zahl von Fällen lehrt, dafs di und yi, regelrecht in ^ übergeht. Der
Verf. behandelt das als Ausnahme (S. 155. 158) und den Uebergang in
66 als Regel. — Und dies führt uns zu der eigenthümlichen Darstel-
lung der bei t oder eigentlich bei Jod eintretenden Lautumwandlungen,
welche wir S. 183 ff. finden. Der Verf. bezeichnet das consonanlische
Jod mit i — ein für wifsenschaftliche Zwecke recht passendes , für
die Praxis aber wohl zu künstliches Verfahren. Hier treffen wir aber
neben der wohl begründeten Lehre der vergleichenden Grammatik,
wonach 66 häufig aus kc , yi, yi , Tt, 'ö't, ^ aus öt, yi entsteht, An-
nahmen , für die der Beweis dem Verf. sehr schwer werden dürfte, so
namentlich die, dafs die Verba auf Trrco aus der Verbindung eines
Lippenbuchstaben mit i (rvitrca aus rvnico) hervorgegangen und dafs
jCKfii'a), refjivco aus Ka^ico, r£(iico entstanden wären, was aller Analo-
gie entbehrt. Da schon Lange in seiner oben erwähnten Beurthei-
lung diese Erklärung widerlegt hat, können wir darüber kurz hinweg-
gehn. — Ebenso mislich steht es mit der S. 172 mitgetheilten Theo-
rie des Ablauts. Mit den drei ersten Reihen hat es seine Richtigkeit,
nemlich a t] co^ i. ec ot, v ev ov , aber die vierte — (a) £0, z. B.
'r]yq6^)]v — eys^ico — iyQiqyoQa können wir nicht billigen. Wurzeln
ohne Vocale zu statuieren, ist für das griechische uuzuläfsig und vol-
lends die Behauptung, dafs a von iÖQu%ov gegenüber von diQ%o) ös-
öoQY.a sei eigentlich gleich nichts, oder wie Hr. A. sagt, 'statt des
m an ge Inde n Wurzelvocals hat sich gewöhnlich cc eingedrängt als
der allereinfachste Vocal, welcher bei Oelfnung des Mundes fast von
selbst entsteht', ist nichts als eine Ausllucht, die jedes Grundes ent-
Ahreiis: griccliisclie Fonncnlelire. 21
behrl. — Dagegen ist es eine IrelTcndo ßciiicrkiing (S. 165), dafs alles
(7 in der Comj)osilion dieselbe Kraft wie Digamina übe, daher ä-v7tvog
nicht av-V7ivog, ayp-aXog niclit ayi-alog. — Und was S. 170 und 171
über die bald notbvvendigc, bald wiinschenswerthe Dehnung gewisser
Silben (^r]V£^0ELg^ ovvoi-ia') vorgetragen wird, ist äufserst inslructiv.
— DieLclire über eco und ea (S. 274 t".), welche Hr. A. Halbdiphthonge
nennt, gibt zwar noch zu manchen Zweifeln Anlafs. Aber die Deu-
tung der Formen icofita^ov, icpKiiv durch Umspringen aus t^o^rafoi/,
Tjolxeiu ist unzweifelhaft richtig gefunden.
Doch wir werden hier abbrechen können , da dieser Bericht viel-
leicht schon übermäfsig viel Platz in Anspruch nimmt. Indes bei einer
so bedeutenden Erscheinung wie die Ähren ssche Formenlehre ist,
glaubte Ref. einige Ausführlichkeit sich erlauben zu dürfen. Soll er
schliefslich sein Urtheil zusammenfafsen , so geht es dahin, dafs
diese Formenlehre eine Menge wichtiger Verbefserungen der griechi-
schen Grammatik enthält, dafs sie um ihrer Wifsenschaftlichkeit we-
gen von einem jeden studiert zu werden verdient, der auf eine ge-
nauere Kenntnis des griechischen Sprachbaus Anspruch macht, dafs
aber neben dem vielen guten auch manches entschieden falsche und
anderes noch keineswegs erwiesene darin seine Stelle gefunden hat.
Namentlich misbilligen wir die Terminologie in mehrern Stücken und
müfsen es bedauern, dafs durch eine gewisse Neigung die Spracher-
scheinungen nöthigenfalls auch durch Textesveränderungen einer straf-
fen Regel oder Lieblingstheorie unterzuordnen oder um jeden Preis
zu erklären was noch unerklärlich ist, manche Willkürlichkeilen sich
eingeschlichen haben, die in einem Schulbuch am wenigsten ihre
Stelle haben. Denn in ein solches sollten doch wohl nur die ganz siche-
ren Ergebnisse der Forschung aufgenommen werden. Um so mehr,
hoffen wir, wird sich der geehrte Verf. beeilen, den hier in der Kürze
gegebenen Stoff in einem ausführlichem wifsenschaftlichen Werke
über den homerischen Dialekt darzulegen, das ohne Zweifel von allen
Philologen mit gröfster Freude aufgenommen werden würde.
Prag. Georg Curlius.
Lalelnische Sprachlehre für Schulen und zum Pricafgebrauche.
Bearbeitet von C. F. S. Alschcfiki, Dr. und Professor. Berlin
1832. Gebauer.sche Buchhandlung. 271 S. kl. 8.
Der kürzlich verstorbene Verfafser wollte vor allen Dingen das
Material der lateinischen Sprachlehre wieder auf ein Minimum zurück-
führen, und hat ein recht handliches Büchlein geliefert, das sich auch
durch Druck und Papier empfiehlt. Wirklich wichtiges, was sich in
andern Grammatiken, namenilich bei Zumpt findet, wird man nicht
leicht vermifsen. Doch ist es allerdings unzulänglich, wenn §. 136
22 Aischefski : lateinische Sprachlehre.
gelehrt \vird: der Pluralis von uterque wird gebraucht, wenn ein Plu-
rale tantum damit verbunden oder auf zwei Pluralia iiingewiesen wer-
den soll, und mehr als unzulänglich, wenn es §. 101 heifst: der Flur,
von uniis kann nur in Verbindung mit einem Plurale tantum gebraucht
werden, oder §. 245: Bcnc und male sind die beiden einzigen Adver-
bien mit kurzem e. Sollten ivferne und superne , desgleichen Bei-
spiele wie tres unos passus (eine drei Schritt), nobis imis (=^ solis),
iinis moribus (= iisdem) unberücksichtigt bleiben, so muste wenig-
stens durch eine andere Fafsung die Unrichtigkeit vermieden werden.
Utrique aber von zwei einzelnen ist weder bedenklich, wie es neuer-
dings wieder Hrn. Siebeiis zu Nep. Dat. 11, 2 und Hann. 4, 2 bedenk-
lich erschienen ist, noch selten, wie Siebeiis zu Nep. Timol. 2, 2,
Nippcrdey (2) zu Dat. 11, 2. Timol. 2, 2. Hann. 4, 2 und Doberenz
zu Caes. ß. G. 1, 53 meint. Wenigstens ist dieser Plural nicht selte-
ner als das deutsche 'alle beide', wofür er eben steht, und viele
Ausdrücke kommen weit seltener vor, ohne dafs man sie deshalb je
bedenklich gefunden hätte.
Ist auf solche Weise das angestrebte Minimum mitunter zu einem
Minus geworden, so sind wir doch andererseits auch manchem Zuviel
begegnet. Das Raisonnement z. B. über die Unregelmafsigkeit des
Zeitworts shw, fw«, esse <^. 145 ist sehr überflüfsig (befser wären
dafür die beiden Stammverba eso und fno genannt worden, auf welche
sich die vorhandenen Formen, wie dies bei Blume §. 45 B geschieht,
ohne Ausnahme zurückführen lafsen), und mindestens überllüfsig ist
namentlich ein grofser, ja der gröfste Theil der Beispiele, mit wel-
chen der Verf. nach seiner eignen Erklärung in der Satzlehre so we-
nig als in der Formenlehre karg gewesen ist, ohne deshalb einen Ta-
del zu besorgen. Wir sind durchaus der Ansicht, dafs sich eine
Schulgrammatik auch hier auf ein Minimum, d. h. auf das nothwen-
dige zu beschränken hat, und dafs sie, statt eine Regel an vielen Bei-
spielen, vielmehr darauf ausgehen müste, an demselben Beispiele
möglichst viele Regeln zu zeigen. Aber nicht allein überflüfsig, son-
dern geradezu störend und nur geeignet Verwirrung anzurichten sind
ziemlich zahlreiche Bemerkungen, durch welche der Verf. an die
Stelle des allgemeinen willkürlich aufgegriffene Einzelheilen setzt.
So lesen Avir §. 104, dafs der erste von zweien jyr/or heifst, und dies
wird §. 293 noch einmal ■ — zu einem übersetzten Beispiele ■ — in Be-
ziehung auf den ersten von zwei Consuln bemerkt. So soll nach
§. 209 der Ablativ des Femininums qua sich ausnahmsweise an jedes
Genus und jeden Numerus anschliefsen können: aber das gilt doch
wohl auch von dem adverbialen Abiali v des Neutrums quo ^ und doch
wohl auch von jedem andern Adverbium, welches für das relative
Pronomen gesetzt wird. Das hier besprochene reliquam spalium
qua ^ dune viae qtia kann doch nicht anders angesehen werden, als
das §, 531 angeführte loca superiora unde und dergleichen. So ge-
traue ich mir auch nicht zu sagen, weshalb in einem besondern §.
(555) gelehrt wird, dafs der Indicativ in einem Satze wie si mea
Aischefski: lalciiiisclie Spraclilehrc 23
fama in obscuro est ein I)esclici(ineres Urllunl ausdrücke als (Icr Coii-
juncliv si in obscuro sil; al)er so viel ist gewis, solcher Benierkiiii-
gen und Hegeln lielseii sich lausende machen, ja so viel man ir-
gend will.
Sehr charakteristisch für die \\ eise des Verf. ist, was §. 149
über 71011 gelehrt wird, dafs es nemlich, mit posse verbunden, immer
unmittelbar vor diesem stehn mülse, wie in laudare non possef.
Hier ist zuerst übersehn, dafs 'er würde nicht loben können' durch
non laudare possef oder possef non laudare gegeben werden niufs,
sobald es — ■ was es unleugbar kann — die Mögliclikeit des Nicht-
lobens aussagt. Wie wird man sagen müfsen : primos homines pec-
care non poluisse, oder poluisse non peccare? Sodann ist zweitens
übersehn, dafs die Negation bei posse nicht anders als bei jedem an-
dern Worte zu stehen kommt; richtiger sagt daiier Zumpt §. 799: non
steht immer (unmittelbar) vor dem Worte, zu dem es gehört. Aber
auch so erleidet die Hegel noch viele begründete Ausnahmen, Avie
dies allein aus dem Calo major folgende Stellen beweisen: non cum
sua, sed patriae gloria splendorem assecutuin 3, 8,- 7ion facit ea,
quae iuvenes; at vero nndfo maiora et meliora facit 6, 11; non
nie quidem Hs esse viribus . quibus etc.; sed tarnen non plane me
enervavit nee afflixil senectus 10, 32; non me deser ens, sed re-
spectatis 'i'i, Si. Und hierher gehört denn auch non dici potest,
quam valde gaudeam Epist. ad fam. VII, 15, 2 und selbst das allbekannte
ut non mitescere p ossit bei Horaz.
So viel über das Minimum. Nächst diesem beabsichtigte der
Verf. in der Satzbildungslehre ein System aufzustellen, das sich durch
natürliche und folgerichlige Entwicklung der grammatischen BegrilTe
von selbst empföhle. Doch sei auch in der Formenlehre, versichert
er, kein Abschnitt ohne die eine oder die andere Berichtigung geblie-
ben, selbst wenn sie sich, wie bei der Anführung der im Perfect und
Supinum abweichenden Verba, auf die blofse Anordnung des StoCFes
beschränken sollte.
Auf die Anordnung und Uebersichtlichkeit des Stoffes ist bei
einem Schulbuche ein besonderes Gewicht zu legen, und was der
Verf. in dieser Hinsiciit gelhan hat, verdient Anerkennung. So war
es gewis ein ganz glücklicher Gedanke, dasjenige, was Zumpt zie«n-
iich unpassend unter den ISuineralibns multiplicativis gibt, getrennt
in einem §. Won den Brüchen' zu behandeln. Auch das wird man
billigen, dafs Formen, wie die des Acc. Plur. der 3. Decl. auf is, der
in den Adjectiven und besonders den Parlicipien bis weit über das
Augusteische Zeitalter hinaus die einzige Norm des Ausdrucks war,
endlich gleich mit in die Paradigmen aufgenommen sind, da sich heut
zu Tage ohne diese Kenntnis nicht einmal der Cornelius Nepos von
Nipperdey lesen läfst. Doch ist der Verl. auch wieder hinter seinem
Vorgänger zurückgeblieben, wenn er z. B. zu fe/ix den Abi. ^felice
und felici'' gibt. Wie gleich nachher ^alfiore (altiori)' decVnnevt
wird, so muste es hier umgekehrt ^felici (felice)' heifsen, und An-
24 Aischefski: lateinische Sprachlehre.
gaben wie '^ prae ceteris , vor allen' ^. 2bl sind heut zu Tage un-
verzeihlich.
Dabei sind die erheblichsten Fehler und 3Iängel der gangbarsten
Grammatiken geblieben. Zu diesen rechnen wir es, wenn §. 33 dem
männlichen und weiblichen Geschlecht noch ein drittes, sächliches
coordiniert wird, obgleich es doch nur zwei Geschlechter gibt, und
gerade die Sachen als solche geschlechtlos sind; oder wenn §. 49 und
55 fünf Endungen der 2. Dccl. gelehrt werden, und §. 52 und 87 bei
liber ^ libri oder alacer , alacris von einem ausgestofsenen e, bei juwer,
pueri wwA celer ^ ce/er/s von einem bleibenden e geredet wird, wäh-
rend doch die Nominativausgänge er, ir^ tir nicht Endung sondern
Stamm sind, und nicht in den übrigen Casus von liber das e ausge-
stofsen ist, sondern im Nominativ und Vocativ, um der Sprechbarkeit
willen, eingeschoben; oder wenn §. 97 die Comparative citerior, ul-
terior, exferior, inferior , posterior, SMjaerzor auf Praepositionen und
Adverbien zurückgeführt werden, während man die Adjectiva citer,
ulier, exter , infei-us, posterus, superus in jedem Lexikon liest.
Selbst inferior und propior sind nicht zu intra und prope zu ziehen;
vielmehr haben sie, wie deterior und einige andere, gar keinen nach-
weisbaren Positiv.
Für die Erklärung der grammatischen Terminologie, welche wir
für ebenso erspriefslich als nothwendig erachten, ist, wie gewöhn-
lich, fast nichts gethan , und wo sich etwas findet, ist es verunglückt.
So werden §. 127 die Indefinita als solche Pronomina erklärt,
'welche sich nicht unter einen bestimmten Namen bringen lafsen'
(man bat sie ja doch unter den einen bestimmten Namen Indefinita ge-
bracht), und 'ij. 140 lesen wir gar, 'das Verbum a verbo wifsen' solle
60 viel heifsen, als 'die Grundformen kennen'. ' Das Verbum a verbo,
d. h. vom Verbum wifsen' ist Nonsens; die Bezeichnung a verbo aber
stammt noch aus der Zeit des lateinischen Analysierens. Bei medilaris
z. B. fragte der Lehrer: a verbo? und der Schüler antwortete: a verbo
medilor , meditatus sum , meditari. Dafs in einem solchen Falle die
Grundformen angegeben wurden, verstand sich von selbst, lag aber
eigentlich nicht in der Frage. 'Wie hat das Verbum a verbo?' so
oft man es fragen hört, ist und bleibt eine sinnlose Frage, an welcher
Lehrer und Schüler nur darum keinen Anstofs zu nehmen pflegen,
weil sie von klein auf daran gewöhnt worden sind, nach einem Sinne
der grammatischen Bezeichnungen überhaupt nicht zu fragen. Und
doch denke ich mir, dafs die Erklärung und Würdigung dieser Be-
zeichnungen, bei welcher man freilich auf jeder Unterrichtsstufe die
Fafsungskraft der Schüler in Betracht ziehen mufs , der nächste und
natürlichste Weg wäre, um in das ganze Lehrgebäude der Grammatik
das nöthige Licht zu bringen.
Ueberhaupt wird man für dasjenige, was in andern Grammatiken
unerklärt und unausgemacht bleibt, und dessen ist bckanntlicii nicht
wenig, auch hier die P>klärung vergebens suchen. Der Inf. Fut. Pass.
laudatum iri, welcher den meisten Schülern eine irrationale Gröfse
Aischefski: lateinische Spraclilehre. 25
oder ein unbekanntes x verbleibt, wird §. 157 dem Verständnisse so
wenig vermittelt als es sonst geschieht, und §.227 wird zwar gelehrt,
dafs urbs ohsideri cuepta est oder cuepit gesagt werde, aber von der
Verschiedenheit des Sinnes, durch welche die eine oder die andere
Bezeichnung bedingt ist, kein \A'ort gesagt. Gleichwohl mufs zwischen
pugnnri cuepit und pmjuari coeptum est der ganz beslimmle Unter-
schied liegen, dafs jenes bedcutol, dafs der Kampf begonnen, dieses
dafs man den Kampf begonnen habe; conspici coepit heifst: er fieng an
die Blicke auf sich zu ziehen, conspici coeptits est: man fieng an die
Blicke auf ihn zu richten ; consu/i cuepit läfst vornehmlich an den Ralh-
geber, consuli coeptus est mehr an die befragenden, vasa cuniici
cuepta sunt läfst an die werfenden, coeperunt aber an die fliegenden
Gefäfse denken. So wird auch bei urbs ubsideri coepit das esse in
ubsidiune seitens der Stadt, bei cocpta est die Thätigkeit der obsiden-
tes die Hauptsache sein, und während orationes legi sunt desitae ganz
richtig gesagt ist, niufs es doch nothwcudig heifsen: Catilina moveri
contra rem public am desiit ^ weil die hier gemeinten molus nur von
ihm selbst ausgehend gedacht werden können, mit einem Worte: weil
moveri medial steht.
Die Satzlehre zeigt so ziemlich dieselben Vorzüge und dieselben
Schwächen, welche wir an der Formenlehre namhaft gemacht haben.
Eine geschickte, gefällige und übersichtliche Anordnung ist derselben
nicht abzusprechen, ja diese springt hier noch weit mehr in die Au-
gen; aber auch hier ist der Ausdruck oft so unerwogen (wenn es z, B.
§.273 heifst: ^ das Femininum victrix bildet ein Neutrum: victricia
arma^ die siegreichen Waffen'), die aufgestellten Regeln sind zum
grofsen Theil so unhaltbar und so unzulänglich, dafs auch von dieser
Seite aus das Urtheil über das Buch, welchem man im einzelnen
manche Anregung und Belehrung verdanken wird, im ganzen doch
nur ein abfälliges sein kann.
Das Ganze der Satzlehre wird in drei gröfsere Abschnitte zer-
legt, von denen der erste den einfachen unabhängigen Satz , der zweite
die Tempora und Modi des Zeitwortes, der dritte den durch Con-
junctionen erweiterten Satz behandelt. Die Unlerabtheilungen des er-
sten Abschnittes sind das Subject mit seinem Praedicate, die Appo-
sition, das Activ und Passiv, die Conslruction und die obliquen
Casus, einschliefslich des absoluten Ablativs und der Construction der
Städte- und Ländernamen. Im zweiten Abschnitte wird zuerst vom
Genus gewisser ZeitAvörfer gehandelt, worauf die Bedeutung des In-
dicativs und Conjunctivs, die Tempora des Indicativs, die Tempora
des Conjunctivs, die Tempora des Indicativs mit einem von ihnen ab-
hängigen Conjunctivsatze, der Imperativ, der Infinitiv, das Gerun-
dium, das Supinum und das Particip besprochen werden. Der dritte
Abschnitt bespricht l) den Copulativsatz , 2) den Finalsatz, 3) den
Relativsatz, 4) den Causal- und Temporalsatz, 5) den Condicional-
satz, 6) den Fragesatz und zum Beschlufs die indirecte Darslel-
lungsweise.
26 Aischefski: lateinische Sprachlehre.
Was mm die Ausfühning dieses Planes und insbesondere die auf-
gestellte» Regeln betrilTt, so fällt vornehmlich die Kühnheit des Verf.
iin Ergänzen auf, in welcher er es den stärksten Ergänzern alter und
neuer Zeit noch zuvorthut. Es ist ein alter und alltäglicher Misbrauch,
dafs man dasjenige, was am eignen Verständnis abgeht, durch unbe-
fugte Gedankenmehrung beim Autor auszugleichen sucht, über wel-
chen Misbrauch sich viel sagen Heise; ich werde mich indes auf die
MittheiUuig von ein paar Beispielen besciiränken. In bene est soll das
Adverbium auf einem hinzugedachten factum oder actum beruhen
(§. 265), und der Genetiv bei plenus (§. 361) oder potiri (§. 363)
durch einen zu ergänzenden Ablativus bedingt sein: litora hostium
plena ^ neml. multitudine ', rerum oder totiits Galliae potiri ^ neml.
imperio' ; ja selbst zu mexplorato progredi wird 'etwa itinere' er-
gänzt (§. 370). Es bedarf wohl kaum der Bemerkung (wenigstens ist
es augenfällig genug), dafs est bei bene 'sich verhält' bedeutet, wie
in dem andern Beispiele, frater est intus, 'verweilt, beiindet sich'.
Hier, behauptet Aischefski, sei intus 'in Ermangelung eines passenden
Adjectivs' gesetzt; aber ein Adj. tutus, tulior mangelt nicht, und
doch heilst es Sali. Jug. 14, 11: ut ubivis iutius quam in meo regno
essem. Mit frater est intus ist nun wieder verkehrterweise non fru-
stra dictator ero in Verbindung gebracht; denn dieses frusira gehört
weder zu dictator noch ausschliefslich zu ero, sondern zu dem zu-
sammengesetzten Begriffe dictator ero =: dictaturam geram. Und
von solchen Ungereimtheiten wimmelt das ganze Buch.
Zur Charakteristik desselben dürlten diese Proben schon hinrei-
chen; doch bringe ich noch einige andere Punkte zur Sprache, wäre
es auch nur um sie der erneuten Prüfung und Aufmerksamkeit zu
empfehlen.
Der Dativ beim Part. Perf. Pass. für den Ablativ mit der Praep.
a wird §. 312 für einen Dativ des Besitzes (jnihi cognilum est =
cognitum habeo), in allen andern Fällen aber (nemini intelligor :=:^
a mil/o) ohne weiteres für eine poetische oder poetisierendc Kata-
chrese erklärt. Ich sollte meinen, die Bedeutung des Dalivs beim
Part. Perf., wo dieses nicht geradezu zum Adjectiv geworden ist, er-
gäbe sich am deutlichsten aus der Vergleichung mit dem Part. Fut.
Pass. ; denn mihi susceptum est ist von mihi suscipiendum est doch
hauptsächlich nur der Zeit nach verschieden; sonst wird sich der kei-
neswegs blofs dichterische Dativ stets aus der eigenthümlichen Gel-
tung des Verbums erklären. Intelligi heifst in solchen Verbindungen
verständlich sein, y^ro/^ar« annehmbar sein; habitari zum Wohnsitz,
fingi (Ov. Met. XIII, 67) zum leeren Vorwand dienen; legi (ad Att. I,
16, 8) bekannt werden, negligi (Verr. III, 16) gleichgiltig sein; au-
diri zu Ohren kommen, rideri vor Augen sein.
'Hat memini den Infinitiv nach sich' heifst es §. 342 'so
pflegte [pflegt] es der des Praesens statt des Perf. zu sein : memini me
dicere, ich erinnere mich gesagt zu haben'. Aber memini me dicere
heifst gar nicht: ich erinnere mich gesagt zu haben, sondern: ich er-
Aischefski; lateinische Sprachlehre. 27
innere mich dafs ich sagte, und zwar ans dem Grunde, weil das sog-.
Praesens des Infinitivs, als die Form dor Praesens und Imperfectum
unifafscnden actio imperfecta ^ nicht blois das Praesens, sondern
nolhwendig aucii, und bei //«'///////gewöhnlich, das Iniperfeclum Vcrbi
finiti bezeichnet. Im Infinitiv wird weder Tempus noch Numerus noch
Person unterschieden; darum würde man auch richtiger, als von ei-
nem Inf. Praes. und Perf., von einem Inlinitivus Aclionis imperfectae
und Actionis perfectae sprechen. Nur die zukünftige Zeit ist in die-
sen Formen nicht mit enthalten; soll diese infinite bezeichnet werden,
so kann es nur mittelst der bekannten Umschreibung geschehen.
Der Ablativus comparationis für quam mit dem Nominativ oder
Accusativ wird §. 358 mit dem Ablativ auf die Frage um wie viel?
zusammengeworfen, obgleich die Verschiedenheit dieser beiden Abla-
tive schon durch die Vergleichnng des Griechischen klar wird, wo
dem einen der Genetiv (jxsi'^cou rov TtaxQog), dem andern der Dativ
entspricht (jtoXXa ^ei'^iov). Dieser nemlich bezeichnet das wieviel
wodurch die Verschiedenheit gegeben ist, jener den Gegenstand
von welchem aus angesehen, gemefsen, beurtheilt ein anderer höher
oder niedriger steht.
Dafs die singularischen Städtenamen der 1. und 2. Decl. auf die
Frage wo? im Genetiv stehn, wird auch hier {^. 378) gelehrt, und
doch ist es eine Regel, welche der grammatischen Raison geradezu
Hohn spricht, und überdies von stimmberechtigten Forschern längst
aufgegeben. Abgesehn von vielen andern Bedenken (Reisigs Vorles.
§. 347): wie will man es begreiflich finden, wenn zu einem Genetiv
ein Ablativ als Apposition tritt? Dies ist aber nach jener Regel der
Fall in Beispielen wie Antiochiae, celehri quundam urbe et copiosa.,
wo Aischefski sehr sonderbarerweise den Genetiv Antiochiae von
lü'be abhängig sein läfst {^. 382). Was man so lange für einen Gene-
tiv ausgegeben hat, ist sicher ein Ablativus Graecanicus, und dumi
z. B. und Pkaleri wird zu dem gewöhnlichen Ablativ genau in demsel-
ben Verhältnisse stehn, wie oinoi, und 0c<hjooi zu dem andern Dativ
Der Verf. war also auf einer ganz richtigen Spur, wenn er zu seiner
Regel die Bemerkung hinzufügte: 'es ist die Annahme nicht verwerf-
lich, dafs den Städtenamen aller drei ersten Declinationen im Singula-
ris eine eigene Endung auf /" für jene Frage zum Grunde läge [liege]:
Messanai, Lacedaemoiii, Carlliaijini esse, in Messana, Lacedaenion,
Carlhago sein.' Aber die Form Lacedaemoni lag- nicht nur zum
Grunde, sondern sie war da, wo auch ruri für rure gesetzt wird, die
allein gebräuchliche. Doch ich breche hier ab, um noch einen Blick
auf die Beispiele zu werfen, aufweiche der Verf. mit Recht ein Haupt-
gewicht legt.
Diese sind sämtlich aus den gelesensten Schulautoren entlehnt
und zum Tlieil sehr wohlgewälilt. In dieser Beziehung erwähne ich
namentlich die Stelle p. Rose. Am. 35, 100, welche %. 560 für den hin
und wieder verkannten Unterschied zwischen si und cum angeführt
wird: Quae, si prodierit, atque adeo cum prodier it (scio enim pro-
28 Aischefski: lateinische Sprachlehre.
düurum esse), audiel. Solche Beispiele, welche zur Belehrung wie
gemacht sind und deren es mehr gibt, wenn man sie nur gehörig
wahrnehmen wollte, sollten in keiner Grammatik und in keiner Syno-
nymik und in keinem Lexikon fehlen.
Die Nachweisung der angezogenen Stellen zu geben hat der Verf.
fiir überllüfsig oder, wie er sich ausdrückt, für ein unnützes Prunken
gehalten. Der Lehrer wird nun zwar nicht leicht auf eine unbekannte
Stelle slofsen, wohl aber wird er sich alle Augenblicke zum Nach-
schlagen und Vergleichen veranlafst sehn. Die einzelnen Stellen sind
nemlich höchst ungenau wiedergegeben (Nep. Them. 9, 1: scio ple-
rosque ita scripsisse, Themtsfoclen Xerxe regnante in Asiam trans-
isse (§. 298) ist das ita, Them. 7,4: deosque publicos suosque,
(so ist zu interpungieren) patrios ac penates, rtiuris saepsisse (§.512)
ist nicht nur das längst recipierte erste que sondern auch ac penates,
und Epam. 4, 4: nisi id coiifeslim facis , ego te tradam magistralui
(§. 565) ist das nicht unwesentliche ego ausgelassen); die Inter-
punction ist höchst mangelhaft und inconsequent, und die überall
hinzugefügte ITebersetzung gibt für die Richtigkeit der Erklärung gar
keine Bürgschaft.
Um Misversfändnissen vorzubeugen, wie sie dem Verf. in seiner
Praxis selbst bei der Erklärung des Nepos und des Curtius vorgekom-
men sind von Leuten, von denen man es nicht hätte erwarten sollen,
und um den Schüler allmählich an eine geschmackvollere Auffafsung
der alten Classiker zu gewöhnen, hat er neben die Beispiele seine
Uebersetzung gestellt, und diese Uebersetzung hätte an der ganzen
Arbeit desselben das allerverdiensllichsle werden können; aber sie
ist recht eigentlich die partie honteuse des Buches geworden.
Dafs er sich nicht auf Eigentliche Feinheiten eingelafsen und
z. B. gar nicht daran gedacht hat, §. 319 in malus meliusve die Allit-
teration (' erheblicheres oder erspriel'slicheres ') , §. 448 in ca tem-
pestale den Archaismus ('zu dieser Frist') oder §. 570 in emori das
e rrtieMSiüM/« wiederzugeben ('des Todes zu sterben'): das werden
viele verzeihlich finden , obwohl in einem solchen Buche und zu einem
solchen Zwecke, wie er ihn vor Augen hatte, auch in dieser Hinsicht
das mögliche geleistet werden muste. Was soll man aber dazu sa-
gen, wenn Sali. Cat. 54, 5: quo minus petebat gloriam, eo magis
seqtiehatur , §. 529 übersetzt wird: 'je weniger er den Ruhm suchte,
um so mehr suchte er ihn', oder §. 571 roger anne rogem: 'soll
ich mich bitten lafsen oder ihn noch ferner zu gewinnen suchen?',
während anderwärts, wie §. 542 aut ipsi in eorum f'inibus bellum ge-
riml, ' oder in dem Lande derselben Krieg führen', das Pronomen
des Gegensatzes ganz unbeachtet bleibt? Das heifst denn doch allzu
ungebunden mit fremden Gedanken umspringen, und nicht rücksichts-
voller werden die einzelnen Begriffe und ^^'örter behandelt. Da wird
«ncirfm durch 'Leidenschaften' wiedergegeben §.340, delecti 'eine
Schaar tapfrer Männer ' §. 507; consecfari (praedones) 'verjagen'
§. 450, negligere {rem fam.) 'verschwenden' §. 536, adcquitare
Alscliefski : lateinische Sprachlehre. 29
'sich nähern' '5^. 543, effervescere [Ov. Met. I, 71 emporbrausen,
wie liakelcnj ' aufleuclilen '. Dazu kommen Ungeschicktheilcn wie
miseret te aliornni, tut nee iniseret nee pudet: 'du emplindest Mit-
leid mit andern, aber keins mit dir, noch Scham über dich' §. 338
(für: du hast Mitleid für andere, für dich weder Mitleid noch Scham),
oder vereor , si res expUcure incipiam ^ ne non vitam Velopidae
enarrare^ sed histuriam videar scrihere : 'ich fürchte, dafs, wenn
ich die Verhaltnisse gehörig- auseinandersetzen will, es scheinen wird,
dafs ich nicht das Leben des P. erziihlle, sondern eine vollständige
Geschichte schriebe' §. 501. Durch solche Uebersetzungen vermeint
der Verf. den Schüler allmählich an eine geschmackvollere Auffufsung
der alten Classiker zu gewöhnen. Und um die Erfafsung des Sinnes
ist es wo möglich noch schlimmer bestellt. Nep. Them. 1, 4 quod et
de instanlibiis verissime iudicabat et de futuris callidissime coniicie-
iffMvird §. 401 übersetzt : 'weil theils sein Urtlieil über plötzliche
Ereignisse gleich die Sache traf, trotzdem dafs der Gegensatz die
auch sonst gewöhnliche Bedeutung des instans [ivsörcog, eingetreten,
gegenwärtig] aufser Zweifel stellt, und Lael. 14, 51 opihns maxi-
meque [und namenllichj virtute praeditf\ wo übrigens praediti auf
einer sehr überllüfsigeu Conjectur Beiers beruht, wird §. 495 'reiche
und vorzüglich tugendhafte iMenschen ' gegeben, als hiefse es maxi-
maque virtute praediti. Solche Beispiele ohne Beispiel kann man auf
jeder Seite sehn; ich erwähne daher nur noch in Cat. I, 2, 6 vires., et
vires ila^ ut nunc viris., rnultis meis et firmis praesidiis ohsessus.,
Avofür §. 477 ' du wirst leben, aber so leben' gedollmetscht wird.
Auch Halm hat dieses aber für nothw endig gehalten, und deshalb
nach einer Conjectur von Weiske u. Madvig sed vives ediert. Wie ist
es aber möglich, die Ironie zu verkennen, mit welcher Cicero sagt:
'und zwar will ich dir nicht blofs das Leben, sondern sogar dein
gegenwärtiges Leben lafsen ', und dann die A\'irkung des aTtQoödom]-
Tov: ^rnultis meis et firmis praesidiis obsessus , ne commovere te
contra rem publicam possis ' ?
Die Orthographie weicht mehrfach ab, wenn z. B. Griechisch
undHömisch, dagegen graecus et romaniis geschrieben wird, oder
'der Beste und Gelehrteste von jenen Jünglingen.' Auch allniälig
und noch mehr allmählig für allmählich, und Beredtsamkeit für Bered-
samkeit ist mir bedenklich ; jenes scheint für allgemächlich zu stehn,
Beredsamkeit aber zu dem ungebräuchlichen Redsamkeit sich ebenso
zu verhalten, Avie eloquentia zu dem seltenen (oquentia.
Druckfehler finden sich mehrere: Enterhacken S. 21, misi für
mihi S. 126, Demarathus S. Iö3, ne für nie S. 203, scropuloso für
scopuloso S. 284 u. a. Am störendsfen sind die falschen Quantitäts-
bezeichnungen , w eiche sich vornehmlich in den Paradigmen der Pro-
nomina finden, aber auch sonst erscheinen : vvii/o S. 104, tantvpere,
quantüpere und maynöpere S. 121, itäque für itaque S. 190 und 207,
Syphäci S. 210.
Nach dem allen meinen wir: Aischefski hat eine richtigere Vor-
30 Die Geschiclitschreiber der deutschen Vorzeit.
Stellung von dem Bedürfnis der Schule g-ehaht, als die meisten Ver-
fal'ser alter und neuer Grammaliken, und wer eine Schulgrammatik
schreibt, wird wohl daran tliun, seinen Plan zu berücksichtigen und
zum Tbeil zu befolgen; für den Schüler aber ist das Buch unbrauch-
bar, weil es weder mit der Sachkenntnis noch mit der Sorgfalt gear-
beitet ist, welche wir überhaupt ungern vermifsen und dem Heraus-
geber einer Schulgrammatik unter keinen Umständen erlafsen.
Königsberg in d. N. Carl Nauck.
Die Geschichtschreiher der deutschen Vorzeit in deutscher Bear-
beitung unter dem Schutze Sr. Maj. des Königs Friedrich Wil-
helm IV. von Preussen herausgegeben von G. H. Pertz, J. Grimm,
K. Lachmann, L. Ranke, K. Ritter, Mitgliedern der k. Akademie
der Wifsenschaften. Berlin, Verlag von Wilhelm Besser. 1848 —
1852. 19 Lieferungen bis jetzt.
Die 'Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit' sind bereits zu
einer stattlichen Schaar angewachsen, bevor diese Jahrbücher Zeit
gefunden haben sich mit ihnen zu beschäftigen. Um so mehr fühlt die
Kedaction sich gegenwärtig verpflichtet, die Aufmerksamkeit ihrer
Leser für ein Unternehmen in Anspruch zu nehmen , welches vorzugs-
weise die Bestimmung hat, einem Bedürfnis der Schule entgegen zu
kommen. Die Anzahl der vorliegenden Lieferungen macht es uns frei-
lich unmöglich, auf eine genaue Kritik der einzelnen Leistungen ein-
zugehn, aber sie setzt uns in den Stand die Art der Ausführung im
ganzen beurtheilen zu können, und macht eine Uebersicht der schon
vollendeten Arbeiten wünschenswerlh.
Es dürfte wohl kaum der Fall vorgekommen sein, dafs ein Leh-
rer die römische Geschichte vorträgt, ohne mit den gleichzeitigen
Quellen derselben bekannt zu sein, ohne aus den Schriftstellern des
Volkes selbst ein anschauliches Bild seiner Einrichtungen, seiner Sitten
und Denkweise gewonnen zu haben. Allein dasselbe, was bei der
Geschichte der alten Völker als die natürlichste Anforderung an
den Lehrer derselben betrachtet wird, gehört bei dem Vortrage der
Geschichte unsrer eignen Vorzeit zu den seltenen Ausnahmen. Die
Folgen davon darf man leider nicht weit suchen. Es ist unglaublich
wenig, was die meisten Deutschen von ihrer eignen Geschichte wi-
fsen, und nur zu häufig sind die vorhandenen Vorstellungen durchaus
falsch und unrichtig. Wir sind weit entfernt, davon einen Vorwurf
hernehmen zu wollen; die Schriftsteller des Mittelalters entbehren der
Vorzüge, welchen die alten Classiker ihren Platz in ^der Schule mit
vollem Rechte verdanken, und wenn ja die Liebe zum Vaterlande
jemanden reizte, die Geschichte desselben aus den Quellen selbst zu
Die Gcschichlschrcibcr der deiitsclieii Vorzeit. 31
scliöpfcn , so sliofs er auf Sclnvierigkeileu und Hindernisse aller Arl.
Eben deshalb aber hoffen wir und wifsen es zum Theii schon aus wirk-
licher Erfalirung-, dafs die vorlieg-ende Samniliing einer günsligen Auf-
nahme versichert sein kihiue, da sie gerade aus dem Bewustsein jener
Schwierigkeiten entsprungen ist und denselben abzuhelfen versucht.
Der vernachläfsigte Zustand unserer einheimischen Geschichts-
quellen veranlafste den Freiherrn v. S tein zu der Gründung der Ge-
sellschaft fiir ältere deutsche Geschichtkunde, deren Leistungen erst
den Boden für die quellenmäfsige Erforschung unserer Vorzeit geebnet
haben; die Früchte dieser Bemühungen sind in zahlreichen Schriften
sichtbar und dringen auch schon aus den Werken der gelehrten For-
schung in Lehre und Lehrbücher ein. Die kleinern Ausgaben vieler
der vorzüglichsten Schriftsteller, denen sich bereits manche Arbeiten
von anderer Seite anschliefsen , haben die Beschäftigung- mit den ur-
sprünglichen Quellen unserer Geschichte erleichtert und vielfache
Verbreitung gefunden. Allein es blieb noch immer ein bedeutendes
Hindernis. Das Gew and dieser Quellen ist ein höchst fremdartiges ;
die Sprache ist lateinisch, aber nicht das Latein der classischen Zeil,
dieselben Worte haben oft eine ganz veränderte Bedeutung, andere
sind ganz neu hinzugekommen. Nur eine anhaltende Beschäftigung
mit dieser Litleratur, nicht mit den Schriftstellern allein, sondern auch
mit den Gesetzen und Urkunden, führt zu einem richtigen und sichern
Verständnis dieser Ausdrucksweise, welche denjenigen, der durch
genaue Bekanntschaft mit der classischen Litteratur verwöhnt ist, nicht
allein zurückstölst, sondern auch gerade ihn am meisten zahlreichen
Misverständnissen bei der Leetüre unserer mittelalterlichen Schrift-
steller aussetzt. Diese Wahrnehmung sowohl wie die Rücksicht auf
diejenigen, welche des Lateinischen unkundig sind, erfüllte den Her-
ausgeber der Munmnenta Germaniae mit dem lebhaften Wunsche, eine
Reihe der vorzüglichsten Schriftsteller in allgemein verständlicher
Form dem deutschen Volke darbieten zu können, und nachdem die
nothwendige Vorarbeit der lateinischen Originalausgaben weit genug
vorgerückt war, konnte auch an die Ausführung dieses lange gehegten
Wunsches gedacht werden, welche nunmehr durch die bereitwillig
gewährte Unterstützung des Königs von Preussen nicht nur möglich
geworden, sondern auch in erfreulichem Fortschritt begriffen ist.
Die rasche Förderung des unternommenen Werks konnte nur da-
durch bewirkt werden , dafs für die Arbeit zahlreiche Theiluehmer
gewonnen wurden, und bei dieser Einrichtung war es nicht möglich
zu vermeiden, dafs der Werth der einzelnen Lieferungen ziemlich un-
gleich ausfiel. Die Aufgabe ist eine ungemein schwierige, schon das
Verständnis mancher Stelle oft durch Dunkelheit und Zweideutigkeit
des Ausdrucks erschwert, und der richtige Ton nicht leicht zu treffen.
Denn weder darf durch zu ängstliches Anschliefsen an die Worte des
Textes die Deutlichkeit leiden , die Sprache schwerfällig werden, noch
darf man andererseits durch zu freie Behandlung die Färbung des Ur-
bildes ganz verwischen. Feste Regeln sind da nicht zu geben, son-
32 Die Geschichlschreiber der deutschen Vorzeit.
dern dem richtigen Gefühle des übersetzenden mufs in jedem einzelnen
Falle die Entscheidung überlafsen bleiben. Doch möchten wir im Hin-
blick auf manche der vorliegenden Hefte die Bemerkung uns erlauben,
dafs ja diese Uebersetzungen nicht für die eigentliche wifsenschaft-
liche Forschung über einzelne Punkte bestimmt sind, und daher be-
sonders davor zu warnen ist, dafs nicht durch zu ängstliche Genauig-
keit das Werk den Leser abschrecke und eine Sprache vorweise,
die weder alt noch neu, weder lateinisch noch deutsch ist. Glück-
licherweise haben namentlich Ab el und Gi es ehr echt in sehr ge-
lungener Weise ein treues Anschliefsen an das Original mit Leichtigkeit
und Anmuth der Sprache zu verbinden gewust und dadurch ein rech-
tes Cluster aufgestellt, wie Aufgaben dieser Art zu behandeln sind.
Wenden wir uns nun zu einer kurzen Uebersicht der einzelnen
Stücke, so begegnen wir leider gleich am Eingange einem dicken
Bande, von welchem nicht zu leugnen ist, dafs er zu den weniger ge-
lungenen gehört; auch hat er gleich bei seinem Erscheinen harten Ta-
del erfahren und dem Unternehmen vielen Schaden gethan. Es ist
die Urzeit, bearbeitet von J. Horkel, welcher mit den Berichten
der römischen und griechischen Schriftsteller zu viel gelehrte Unter-
suchungen und andere Zuthaten verbunden, und in dem Streben nach
Vollständigkeit ein etwas unförmliches und wenig übersichtliches Vo-
lumen zu Stande gebracht hat. Es kann nicht die Aufgabe dieser
Sammlung sein, den Stoff vollständig zu geben; nie kann in dieser
Form der gesamte gelehrte Apparat vorgelegt werden. Um das Re-
sultat der geschichtlichen Forschung kennen zu lernen, liest man aus-
geführte neuere Darstellungen der Geschichte, diese Quellen nur, um
den ungefärbten Ausdruck eines Schriftstellers der Zeit durch seine
eignen Worte zu erhalten. Daher dürfen auch die Anmerkungen nicht
mehr als das zum Verständnis nothwendige enthalten, und können
wir, nm das gleich hier zu bemerken, es nicht billigen, wenn Reh-
dantz zu den Fulder Annalen den Bericht des Annalisten mit einem
ergänzenden und kritisierenden Commentar begleitet. Uebrigens fin-
det der Leser in Hör k eis Werk, wenn wir auch dessen Form nicht
billigen können, des nützlichen viel, und manchem wird es will-
kommen sein, hier neben der Uebersetzung der Germania und anderer
ausführlicherer Schriften auch alle gelegentlichen Aussagen römischer
Schriftsteller über die Deutschen gesammelt zu finden.
Nach Tacitus ist noch eine Lücke, welche bald ausgefüllt werden
wird; vollendet aber liegt vor uns, aus W. Giesebrechts gewandter
Feder, die Fränkische Geschichte des G r e g o r i u s von Tours, um so
schätzbarer, weil von diesem viel benutzten und genannten, aber weit
weniger gelesenen Geschichtschreiber des merovingischen Reichs noch
keine leicht zugängliche Ausgabe vorhanden, der Uebersetzung aber
der schon handschriftlich berichtigte Text zu Grunde gelegt ist.
Der Raum verbietet, näher auf diese ausgezeichnete Arbeit einzugehn;
wir bemerken nur kurz, dafs eine vortreffliche Einleitung den Leser
auf den Standpunkt führt, von welchem ein volles Verständnis des
Die Gcschichtschreiber der deiilschen VorzeiL 33
Werkes inöglich wird, dafs die Anmerkungen, oliiie je das Mafs zu
überschreiten , alles zur Erklärung und Benutzung nölliige enllialtcn,
und ein sorgfältiges Hegister die ßrauclibarkeil des Buchs sehr eriiöht.
Beigegeben sind dem Gregor die von ihm weniger beachteten Stamm-
sagen, welche sich im Fredegar und in der Chronik der Frankenkönige
(inden. Hieran schliefst sich unmittelbar 0. Ab eis Frede ga r, nemlich
der Theil der Chronik, welcher über Gregors Werk hinausgeht und
daher als Quelle eignen >\'erth hat; auch hier fehlt noch eine neue
Ausgabe des lateinischen Originals, und ist die Uebersetzung (wie
alle übrigen, bei denen dasselbe Verhältnis slalttindel) nach dem be-
richtigten Texte gearbeitet. F^inigc Auszüge aus den Lebensbeschrei-
bungen deutscher Bischöfe und Achte ergänzen die dürftigen Nach-
richten über diesen dunkeln Theil der Geschichte. Die barbarische
Sprache dieser Zeit bot dem Uebersetzer grofse Schwierigkeiten dar,
Meiche er aber sehr glücklich überwunden hat. Dasselbe gilt von
dem folgenden Bande, welcher den Paulus Diakonus nebst den
übrigen Gescliichtschrcibern der Langobarden enthält. Die schöne Ein-
leitung dieses Bandes ist grofsentheils der Abhandlung Bethmanns
über die Geschichtschreibung der Langobarden entnommen; es folgt dann
das geschichtliche Vorwort zu dem Gesetzbuch König Rotharis , wel-
ches lateinisch noch nicht vollständig gedruckt ist. An das Werk des
Paulus selbst schliefsen sich Auszüge aus dem Leben der Päpste und
andern Schriiten, welche auch die Paulus noch fehlenden letzten Zeiten
des Langobardenreichs und die Sagen, welche sich dem Untergang'
desselben anschloisen, in einem möglichst vollständigen Bilde mit den
Worten einheimischer Schriftsteller dem Leser darstellen.
Aufser der Geschichte seines Volks hat Paulus auch in der Ge-
schichte der Bischöfe von Metz die Herkunft der Aruulllnger beschrie-
ben ; dieses A'N'erk hat Abel mit den letzten Fortsetzern des Fredegar
«nd Einhards Jahrbüchern verbunden; das Leben Kaiser Karls von
Einhard schliefst sich unmittelbar daran, und damit endigen die Bei-
träge von Abel, welche in jeder Hinsicht, sowohl durch die ungemein
anziehend geschriebenen Einleitungen , als durch die gelungene Ueber-
tragung und die sorgfältig ausgewählten Beilagen verwandter Stücke
geringern Umfangs eine wahre Zierde dieser Sammlung ausmachen.
An Einhards Werke schliefsen sich die volksthümlichen Erzäh-
lungen über Karl den Grofsen, welche der Mönch von SanctGallen
uns aufbewahrt hat, vom Ref. bearbeitet und mit einigen kleinern
Stücken verbunden, welche das allmähliche Entstehn der Karlsage
erkennen lafsen.
Die beiden Lebensbeschreibungen Ludwigs des Frommen,
Nilhards Geschichte des Bruderkampfes unter des Kaisers Söhnen,
und das Leben des grofsen Erzbischofs Bruno von Co In, der sei-
nem Bruder Kaiser Otto I würdig zur Seite stand, hat J. v. Jasmund
bearbeitet. In der Uebersetzung des zuletzt genannten Stücks sind
ihm kürzlich von Hrn. Wegele in sehr unfreundlicher Weise meh-
rere Flüchtigkeiten theils der Correctur theils der Uebersetzung nacb-
A". Jahrb. f. IViil. ti. Paed. Bd. LXVII. fift. 1. 3
34 Die Gescliichtsclireiber der ilei»! sehen Vorzeit.
gewiesen worden, doch wird man zugeben niüfsen , dafs solche Stellen
nnr ausnahmsweise vorkommen; im übrigen aber hält sich die Ueber-
tragung nach unserer Ansicht eher zu ängstlich an die Worte des
Textes , wie z. B. in der Ueberselzung von villa Theodonis durch 'Dorf
des Theodo' statt Diettenhoven, wodurch ohne ersichtlichen Nutzen
das Verständnis erschwert wird und der Lesbarkeit, welche doch
erste Bedingung sein sollte, Eintrag geschieht. So erkennt man auch
in den Worten *Dich Gott loben wir' nur mit Mühe den allbekannten
Hymnus 'Herr Gott, dich loben wir' und der deutsche Text gibt des-
hall) zwar die Worte, aber nicht den Eindruck des lateinischen Textes
auf den Leser genau wieder. In weit höherem Grade aber treffen diese
Anssfellungen die Uebersetzung der A n n a 1 e n v o n F u 1 d a und X a n-
ten, von C. R eh da nt z , der es auch an oiTenbaren Fehlern nicht man-
gelt; wie wir vernehmen, wird eine Berichtigung derselben noch nach-
träglich gegeben werden, doch wird auch so diese Lieferung dem
Plane des Unternehmens am wenigsten entsprechen.
In die Zeit der fränkischen Kaiser greift bis jetzt noch vereinzelt
die Uebersetzung der Chronik Hermanns von Heichenau, des
Conlracten, von K. Nobbe, hinüber; dagegen liegt nun schon eine zu-
sammenhängende Reihe von mehr localen Geschichtschreibern der
sächsischen Lande vor. Der erste, Widukind, welcher die Ge-
schichte des Sachsenvolks von der ältesten sagenhaften Zeit an bis
zu dem Tode seines gröfsten Kaisers, Ottos I, mit der warmen Liebe
und Begeisterung eines echten, von dem hohen Ruhme seines Stam-
mes ganz erfüllten Sachsen geschildert hat, erschien soeben, über-
setzt von R. Schottin, mit einer Einleitung vom Ref. versehn. Daran
schliefsen sich die höchst genauen und sorgfältigen Uebertragungen
des T h i e t m a r v. 31 e r s e b u r g , Adam v. Bremen und H e 1 m o I d
(dem bald auch Arnold von Lübeck folgen wird), von J. C. M. Laurent,
mit Einleitungen von J. M. Lappenberg, der seit vielen Jahren
diesen Schriftstellern besondere Aufmerksamkeit zugewandt und die
Ausgaben derselben in den Monum. Germ, theils schon besorgt, theils
vorbereitet hat. Den Werth dieser Folge von ausgezeichneten Ge-
schichtswerken wird niemand verkennen, dem die Kenntnis des alten
Sachsenlandes am Herzen liegt, dem es Freude macht zu erfahren,
wie einst der Einllufs des deutschen Namens über den Norden Euro-
pas sich verbreitet hat, und wie die früher von nachdrängenden Wen-
denstämmen besetzten Lande gegen Morgen durch harten Kampf und
die sicherer und nachhaltiger wirkende friedliche Colonisation für
deutsche Sprache und Sitten wieder gewonnen sind.
So ist es denn jetzt auch demjenigen, welchem die mühsame Be-
schäftigung mit den Geschichtschreibern des deutschen ölittelalters in
ihrem ursprünglichen, oft abschreckenden Gewände fern liegt, durch
diese Uebersetzungen möglich gemacht, sich ein lebendigeres Bild
unserer Vorzeit zu verschaffen, als es aus neuern Bearbeitungen sich
gewinnen läfst: denn der Gewinn, welcher aus dem lebendigen Ver-
kelir mit gleichzeitigen Berichterstattern zu schöpfen ist, läfst sich
Die Gescliichlsclireihor der deiilsclien Vorzeif. 35
durch nichls anderes erselzen. Vor allem al)er g-laiiben wir mit Sicher-
heit liotTeii zu dürlen, dals die l>elirer deutscher Geschichte an un-
sern Schulen die Gele<>enheil nicht versäumen werden an dieser Quelle
zu schöpfen; in der deutschen Spraclie tritt uns die liigenlhümlichkeit
des Schriftstellers und die Gesamlheil seines Werkes reiner entgegen
als in der fremdartigen lateinischen Form, wo unwillkürlich die Auf-
merksamkeit immer an den Einzelheilen haftet.
Ein bedeutender und schöner Tiieil der deutsciieu Geschichte ist
nun schon auf diese Weise dem Volke näher gebracht; wenige Jahre
werden auch die fränkischen und Iiolicnstauüschen Zeiten hinzufün-en
und so den alten Glanz und liulim der IJeutscIien, nicht ohne die deut-
lich hervortretenden Ursachen spätem Verfalls, zu allgemeiner Be-
lehrung und warnendem Beispiel ollen darlegen.
Die Verbreitung und allgemeinere Benutzung der Sammlung wird
wesentlich davon abhangen, wie es den Uebersetzern gelingt, ihre
Schriftsteller in einer Form und Sprache wiederzugeben, welche jeder
mit Wohlgefallen und ohne Anstofs lesen kann, welche ihn vergefsen
läfst, dafs er nicht das Originalwerk selbst vor sich hat. Da früher
nur wenige und wenig bekannte Versuche der Art gemacht sind, war
bei dem Beginn der Sammlung die Gefahr am gröfsten, den richtigen
Ton zu verfehlen ; die jetzt vorliegende Reihe von Schriftstellern läfst
mit Leichtigkeit die befsern Muster auswählen, und so glauben wir
schliefslich die HolTnung aussprechen zu dürfen, dafs die folgenden
Lieferungen nicht nur die Reihe vervollständigen, sondern auch dem
Innern \^ erthe nach den besten Arbeilen sich anschliefsen werden.
Berlin. VV. Waflenbach.
Geist des römischen Rechls auf den verschiedenen Stufen seiner Ent-
wicklung, von Rudolph Iherin^. Erster Theil. Leipzig, Druck
und Verlag von Breitkopf und Härtel. 1852. VIII u. d'dö S. 8.
Dieses Buch zeichnet sich durch die Gröfse und die Bedeutsam-
keit der gestellten Aufgabe sowie durch die Darlegung und Durch-
führung neuer und fruchtbarer, wahrhaft geistreicher Ideen in glei-
cher Weise aus. Der Verf. beabsichtigt nichts geringeres als eine
umfafsende Kritik des römischen Rechts vom special -historischen,
universal -historischen und legislativen Standpunkte. Der erste
Standpunkt führt zu einer Charakteristik des römischen Rechts auf
den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, zu einer römischen
Rechtsgeschichte. Der vorliegende erste Theil des ^ Geists des römi-
schen Rechts' behandelt die erste jener Entwicklungsstufen, die erste
Periode der Rechtsgeschichte. In der Auffafsung der Aufgabe der
Rechtsgeschichte weicht der Verf. von der gewöhnlichen Auffafsung
ab. Bisher war es Ziel der römischen Rechtsgeschichte, die Rechts-
3*
36 lliering: Geist des rüinischen Hechts. Ir Tlieil.
Sätze und Rechtsinslilute dnrzustellen und sie im Sinne der reinen
rümisclien Theorie zu beleuchten. Der Verf. \veisl nach, wie man
weder durch eine Reconstruction der ausgesprochen g-ewesenen Rechts-
Sätze, noch durdi eine Reproduction der reinen römischen Theorie zu
einem Verständnis der organischen Entwicklung des römischen Rechts
gelangt, indem man den Fehler begeht, die wirklich zum Ausdruck
gelangten Rechtssätze mit dem gleichzeitigen Rechtsbewustsein über-
haupt zu verwechseln, und die Ansichten der römischen Juristen, de-
nen der Sinn für die Auffafsung organischer Entwicklung ebenso fern
lag wie den andern w ifsenschaftlichen Bestrebungen des Alterthums,
für die letzte erreichbare Grenze der modernen \Nilsenschaft, der doch
ganz andere Mittel zu Gebote stehen, zu halten. Wenn durch die bis-
herige in Ziel und Mitteln beschränkte Behandlung der römischen
Rechfsgeschichte diese zu einer Hilfswifsenschaft für die dogmalische
Bearbeitung des Rechts, zu einem geschichtlichen Repertorium statt
zu einer Geschichte geworden ist, so will der Verf. nun die Rechts-
geschichte von ihrer Abhängigkeit frei machen; er vindiciert ihr wi-
fsenschaftliche Selbständigkeit, indem er verlangt, dafs sie die psy-
chische Organisation des Rechtsorganismus ■ — den Zusammenhang des
Rechts mit dem Volksgeiste, der mit dem Geiste des Rechts eins ist
— in ihrer geschichtlichen Entwicklung, den Rechlsorganismus nicht
als logisches System, sondern als rechtliche Gestaltung der Wirklich-
keit darstellen soll (S. 59).
Es ist leicht ersichtlich, wie sehr der Verf. durch diese Formu-
lierung der Aufgabe den specilisch philologischen Aufgaben in Betreff
der Erkenntnis des Lebens und Wesens des römischen Volkes sich
nähert. Deshalb auch ist die Anzeige dieses \A'erkes von einem Phi-
lologen und in einer philologischen Zeilschrift gerechtfertigt. Die
Aufgabe der Rechfsgeschichle ist nach des Verfalsers Ansicht weder
zu lösen durch die synchronistische Methode Hugos, der die Rechts-
geschichte nach äufserlichen Zeitabschnitten einlheilt und in jeder Pe-
riode die sämtlichen Institute der Reihe nach betrachtet, um in der
folgenden Periode wieder von vorn anzufangen, noch durch die chro-
nologische Jlethode, die die äufsere Rechtsgeschichte nach Perioden
abhandelt, in der Innern Rechtsgeschichte aber eine Geschichte der
einzelnen Rechtsinstitule an die Stelle der Geschichte des Rechts setzt.
Der Verf. folgert vielmehr aus dem ßegrilTe des Rechts und aus dem
der Geschichte, dafs man die Rechtsgeschichte nach den mittelst in-
nerlicher Kriterien zu erkennenden Verschiedenheiten der Rechts-
systeme, welche Stufen der Rechtsentwicklung repraesentieren, glie-
dern müfse. Dem Moment der Zeit kann dabei eine nur untergeordnete
relative Geltung beigelegt werden; denn wenn auch im ganzen und
grofsen die Stufen der Rechtsentwicklung gewissen zeitlichen Ab-
schnitten entsprechen, so gedeihen doch die Veränderungen und Um-
gestaltungen auf dem Gebiete der Rechlsentwicklung viel zu allmäh-
lich, als dafs man sie mit dem engen Mafsstabe eines Jahres oder
Jahrzehends mefsen könnte , geschweige denn dafs es möglich w äre,
Ilieriiig: Geisl des löiiiischcn Rcchls. Ir Tlicil. ,37
die Grenze der Perioden selbst nur diircli Angabe eines Jalirliiinderls
ricbtijj zu bezeicbnen. \N ir <>laul)en auf den einleitendcin Abschnill
des ßnches, in dem der Verf. die Anlfrabo und Methodik der IJeehls-
gescbichte bespricht, besonders aufmerksam machen zu müfsen. Der
philologische Leser wird daraus manchen nicht etwa blols für die
Darstellung der römischen Antiquitäten beaclitenswerthen Wink ent-
nehmen und insbesondre dem Verf. fiir die geisireiche Zergliederung
des BegrilFes 'Hecht' dankbar sein. Der Verf. betrachtet die Structur
des Rechts sowohl anatomisch, indem er die Verkörperung des Hechts
in Hechtssiilzen und Hechfsinslitulen von dem Geiste des Hechts, der psy-
chischen Organisation desselben unterscheidet, als auch physiologisch,
indem er an die Functionen des Hechts den Mafsstab der materiellen
und formeilen Healisierbarkeit des Hechts legt. Diese Darstellung wird
auch für Juristen neu sein; wir können nur den Wunsch aussprechen,
dafs die Leser sich nicht durch die Manieriertheit des Ausdrucks, die
auf den ersten Blick mitunter barock erscheinende Terminologie, die
Dunkelheit der Sprache in manchen Partien mögen abstofsen lafsen.
Es ist natürlicii, dafs, wer sich in die sinnlicher Fafsungskraft entzo-
genen Tiefen des BegrilFs vertieft, vielfach mit der Sprache ringen
mufs, um ihr den passenden Ausdruck abzugewinnen, dafs er vielfach
zu Bildern und Metaphern greifen mufs, wo ein kyriologischer Aus-
druck fehlt. Diese Fehler, wenn es wirklich Fehler sind, hat das
Buch mit den bedeutendsten und epochemachendsten Werken gemein.
Unwillkürlich fühlte der Ref. sich bei manchen Stellen des Ihering-
schen Buches an W. v. Humboldts grundlegendes Werk 'über die
Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues ' erinnert. Besonders
interessant für philologische Leser sind die mehrfachen Rezugnaluneu
auf das gleichartige in der Entwicklung der Sprache mit der des
Rechts. Es scheint, dafs dem Verf. selbst mancher Gesichtspunkt
aus dieser Quelle gekommen ist. Sichern Takt verräth es, dafs der
Verf. für Parallelen des Rechls und der Sprache sich auf die von
Pott ausgesprochenen Anschauungen vom Wiesen und Werden der
Sprache beruft.
Der Verf. unterscheidet in der Entwicklung des römischen Rechls
drei Systeme: das vorrömische, das specilisch römischnaliouale und
das supranationale. In dem vorliegenden ersten Theile stellt er das
vorrömische System dar, dessen Entstehung in die Urzeit der indo-
germanischen Völker fällt, und aus dem sich während der römischen
Königsherschaft das zweite System entwickelt. Die Vergleichung mit
dem Hechte der Germanen, die acht Jahrhunderte nach Roms Grün-
dung noch in diesem Urzustände des Rechts sich befanden, die Ety-
mologie von Wörtern aus dem Kreise des Rechtslebens, in denen sich
träumerisch unbewust der Geist jenes ursprünglichen Hechtszustandes
ausgeprägt hat, Rückschlüfse aus den spätem Instituten des Rechls,
alles dieses macht der Verf. dem Zwecke dienstbar, jenes ursprüng-
liche Rechlssysfem zu r econstruieren. Ich sage absichtlich reconstruie-
ren; denn es würde falsch sein, das Bemühen des Verfafsers mit den
38 Ihering: Geist des löinischea Kechfs. Ir Tlieil.
sogenannten Construclioncn der Gescliichte zu vergleichen. Das Bild,
welches er von dem Urzustände des Rechts entwirft, ist nicht auf
Grund abstracler Praemissen, sondern auf Grund concicler Thalsachen
— sprachlicher und rechtsgeschichllicher — entworfen. Es ist nicht
der mythische Reflex späterer Zustande, dem die alten ihre Vorstel-
lungen von dem Urzustände des 3Ienschengeschlcchls entnahmen, es
ist nicht der speculative Reflex, den die Theorie der Philosophen ih-
ren selbslgeschliirenen Spiegeln entlockt; es ist vielmehr ein solches
l)ild, zu welchem die hislorisciie Forschung, wenn sie überhaupt im
Stande ist, organische Entwicklung zu begreifen, nicht blofs hier son-
dern überall vordringen kann. Was der Verfafser versucht, damit
verläfst er allerdings die ausgetretenen Wege der Wifsenschaft, er
überschreitet aber nicht die Grenzen der historischen Wifsenschaft
selbst. Die gemeinsamen Bemühungen vieler, dem factischen Zustande
der Sprachen Schlüfse über die vorgeschichtliche Entwicklung der
Sprachen, ja über den Ursprung der Sprache selbst abzugewinnen,
mögen dem Verf. das Bewustseiu geben, dafs er mit seinem wifsen-
schaftlichen Streben nicht ganz vereinzelt steht, wenn er auch inner-
halb der Jurisprudenz gerade wegen dieses Punktes viele AngrilTe zu
bestehen haben wird.
Zur Darstellung der ursprünglichen Elemente des Rechts bahnt
sich der Verf. den Weg durch eine Kritik der Sagen der Römer von
der Entstehung ihres Rechts (S. 90 — 98). Die Sage setzt einen recht-
losen, gewaltthätigen Zustand als ursprünglich. Sie läfst denselben
gebändigt und gesittigt werden durch die königliche Gewalt und die
Macht der Familie. Während die Sage diese beiden 3Iächte in der
Person des Romulus, des ersten Königs, darstellt, läfst sie die Macht
der Religion erst unter dem zweiten Könige, unter Numa Pompilius,
■wirksam werden. Das Völkerrecht betrachtet die Sage als zuletzt
entstanden, indem sie es von Ancus Marcius ableitet. Diese Darstel-
lung der "^ Kosmogonie des Rechts' ist rüeksichtlich des letzten Punk-
tes nicht ganz objectiv richtig. Der Verf. hat die Sage vor Augen,
der Livius I, 32 folgte. Aber das war nicht allgemeingillige Sage.
Livius selbst Widerspricht sich, da er schon I, 24 die Fetialen in
völkerrechtlicher Wirksamkeit unter Tullus Hostilius geschildert hat,
und von diesem Könige leitet denn auch Cicero die Einführung des
Völkerrechts ab, während Dionysius die Begründung auch des Felia-
lencollegiums dem Numa Pompilius zuschreibt. Der Verf. hätte also
nicht sowohl auf die bestimmte Fafsung der Sage bei Livius, als auf
das Fluctuieren derselben den Schlufs bauen sollen, dafs das Völker-
recht in der Entwicklung des römischen Rechtsbewustseins am späte-
sten zur Anerkennung gekommen sei. Die innerlich richtigste Form
der Sage ist ohne Zweifel die, welche Cicero befolgt. 31it Recht hebt
übrigens der Verf. als einen das römische Volk charakterisierenden
Zug der Sage das Erscheinen des Princips der Religion an zweiter
Stelle hervor.
In dieser römischen Sage von der Entstehung des Rechts erkennt
Iliering-: Geist des röiiiisclieii HecIiLs. Ir Tlieil. 39
der Verf. nur das volksfliüniliclu! Ik-slrcben , lioin alles sich selbst
verdanken zu lal'sen, wülircnd in der Tiiiil die I'rincipien, welche die
Sage mythisch ausdrückt und durch Thalen der Könige repraesenlierl.^
iilter als das römische Volk sind. Es sind aber, ihrer mythischen
Hülle entkleidet, das Frincip des subjectiven Willens, das staalsbil-
«lende Princip der Familie und der \\ ehrverfafsung, das Princip der
Keligiosiliil, welche als elementare Factorcn der römischen Hechlsbil-
dung betrachtet werden miifsen. Von diesen Principien ist das erste
der äufserste Ausgangspunkt des römischen Hechts, die Basis, auf
welcher die beiden andern fortbanen. Mit der Aufstellung des ersten
Princips erkennt der Verf. also die Herleilung des jus ans der vis
an, d. h. nicht aus der Gewalt, die den Gegensatz des Hechts bildet,
sondern aus der persönlichen Thatkraft, die ihre moralische Berechti-
gung in sich selbst tragt. In diesem Urquell des Hechts sind die Ge-
gensätze von Jus und tis noch nicht dilTerenziert. Dals dies wirk-
lich die Entstehung des Hechts sei, sucht der Verf. theils aus der
.Sprache tiieils aus der Art der spätem Hechfsinslilute zu beweisen.
\Nir glauben, dafs ihm der Beweis im ganzen gelungen ist, obwohl
wir nicht mit allen spraclilichen Combinationen des Verfafsers einver-
standen sein können. Ein nicht zu verachtender sprachlicher Beweis
ist ihm entgangen. Dafs die vis Quelle des Hechts sei, dafür spricht
entschieden der Gebrauch jenes Wortes von dem rechtskräftigen Volks-
willen, den Cicero in einer bekannten Stelle (de rep. II, 22) mit r/'s
popuU tittirersa bezeichnet. Indem wir die Beurlheilung der
figentlich juristischen üeductionen den Juristen überlafsen, wollen
wir diese der Sprache entnommenen Beweise näher beleuchten, be-
merken jedoch im voraus, dafs unsre Ausstellungen keinen Tadel ge-
gen die Leistungen des Verfafsers enthalten sollen, der mit weiser
Selbstbeschränkung auf diesem Gebiete kein eignes Urlheil bean-
sprucht, dafs sie vielmehr im Interesse der vom Verf. vertheidigten
Sätze selbst gemacht werden, da wir dieselben mit richtigem Etymo-
logien stützen zu können glauben.
Der Verf. meint, dafs die lateinische Sprache die äufsern Glücks-
güter als etwas göttliches bezeichne, indem sie sie bona und di-
ritiae nenne (S. 106), es sei aber nicht die Glücksgöttin, der man
sie verdanke, sondern die fortmia, die dem starken beistehe, und
daher werde auch im Lateinischen Heichthum {opes, copia) als Pro-
duct mühseliger Arbeit bezeichnet (opcra); diesen Worten und anfser-
dem noch optumus, opulentus^ optare, opima (spolid) liege eine und
dieselbe Wurzel zu Grunde. Diese Zusammenstellung ist gänzlich un-
haltbar. Allerdings geht divitiae auf die Wurzel div zurück, von
welcher auch rfec«, deus abgeleitet ist; aber zunächst niufs man doch
bei divitiae an die Grundbedeutung jener ^^'urzel 'glänzen' denken,
nicht an die Bedeutung, die jene Wurzel in einer andern Ableitung
angenommen hat. Die divitiae heifsen vom 'Glänze', und nicht von
den Göltern, die vielmehr ihrerseits auch vom Glänze benannt sind.
Das Adjectivum bonus aber nebst beare auf jene Wurzel div zurück-
40 Ihering: Geist des röinischeii Hechts. Ir Tlieil.
zuführen, ist an und für sicli schon mehr als gewagt. Ehenso wenig
hat nun aber auch trotz des Spruches fortem fortuna adjuval die
forluna irgend etwas mit dem ßegrilfe der Starke zu tluin. Gesetzt
dafs beide Wörter auf der ^^'urzei fer beruhen, so hat jedes seine
specifische Bedeutungsentwicklung für sich durchgemacht, indem dort
die Bedeutung des Kraft erfordernden Tragens, hier die des zufalligen
llerbeibringens (vergl. fori) in den Mittelpunkt trat. Von den mit up
anlautenden Wörtern ist optumus jedesl'alls auszuscheiden, da es
Superlativ des Localadverbs ob ist; und wenn alle übrigen auch in
letzter Instanz auf einer und derselben Wurzel beruhen sollten, so
würde die Bedeutung dieser ^\'urzel doch nicht in der Bezeichnung
der Kraft bestehen, wie Ihering voraussetzt, sondern die Bedeutung
der letzterreichbaren Wurzel (skr. äp^ lat. ap-isci) ist die des Ge-
hens, Kommens.
Aber Hr. Ihering kann diese ganze Combination getrost fallen
lafsen, da sie eigentlich nur zur Einleitung seines Ilauptbeweises
dient, dieser aber unserer Meinung nach unumstöfslich ist. Denn so
gewis manu capere ^mit der Hand greifen' heilst, so gewis wird das
Eigenthum, wenn es die Sprache durch das Wort tnanctpium bezeich-
net, von der Sprache als ein Ausflufs gewaltthatiger Aneignung be-
zeichnet. Zum symbolischen Ausdruck eines Rechtsverhältnisses, fügen
wir hinzu, kann nur das Volk die Hand, manus^ stempeln, dem das
Recht in der physischen Obmacht w urzelt. Je mehr diese sich im Ver-
hältnis von Mann und Frau sichtbar geltend macht, um so stärker
nuiste gerade für dieses Verhältnis der symbolische Ausdruck sich
lixieren, während er in andern Verhältnissen andern Ausdrücken Platz
machte, die aber auch wieder, wie z. B. poteslas, den Begriff der
Macht, des physischen Vermögens in sich schliefsen. Das lateinische
potis^ skr. pati 'Herr', griech. noöig ^Eheherr', sind dieselben Wör-
ter. Und wie im Griechischen die Hand i^^Q heifst, weil das Greifen,
Nehmen das ihr charakteristische ist (vergl. skr. hr ^lehmen'), so
dürfte auch im Lateinischen dieselbe Bedeutung in dem Worte munus
zu suchen sein, das ohne Zweifel von W^urzel man herzuleiten ist,
die zwar in ihren Ableitungen meist verschiedene Arten geistiger
Thätigkeit bezeichnet (^memini, mens), deren körperliche Grundbe-
deutung jedoch in iievca, (lii-iova, müneo noch durchblickt.
Sehr mit Recht legt Hr. Ihering Gewicht darauf, dafs die latei-
nische Sprache das Kaufen als ein Nehmen {emere) bezeichnet. Fast
noch significanter ist es, dafs die lateinische Sprache den Eigenthü-
mer, den Herrn, geradezu den 'Nehmer' nennt. Denn hcrus ist ohne
Zweifel die einfachste Nominalableilung von Wurzel Ar, von der die
griechische Sprache ihr Wort für Hand, xbCq, herleitete. Wie kaufen
gleich nehmen ist, so ist verkaufen gleich geben. Das zeigt sich noch
im spätem venumdare, vendere; aber ursprünglich war dare allein
hinreichend, und davon heifst der (verkaufende) Eigenthümer dö-
tninus, wie der erwerbende Eigenthümer h(^rus heifst. Beide Wörter
zusammen, heriis et dumiiius, bezeichnen das unumschränkte Ver-
Ilioriiig: Gcisl des römischen lieelils. Ir Tlieil. 41
füfi^ungsreelit, das jus emendi et veudendi. Wer an dieser Ableitung'
von dominus zweifeln sollte, den erinnern wir rücksiclillicli des Suf-
lixes an f'e-mina^ ter-minus^ rüclisiclillieii der Verwendung der Wur-
zel an das von derselben Wurzel ahf^eleilele 8ovlog^ d. i. der ver-
kaufte. Mit döiitus^ ()ojtiot,", doni-are ha! duminus direel nichts zu Ihtin,
aber allcrdiM<>s berulien jene Wörter auf einer \> urzel (daiit), die als
weitere Eulw ickluny von da betrachtet ^^er(leM iiiiifs. Abgesehen von
andern (iründen würde dominus schon dcsiiall) nicht von domus abzu-
leiten sein, weil jenes in älterer Form duhcnus hiefs, wie der Excerp-
tor des Festus ani>ibt, eine Form die mit domus schwerlich, mit Wur-
zel da sehr leicht vermittelt werden kann, da diese gerade in den
alterthümlichen Conjunclivformen als du erscheint (du-im). Im Suflix
halte ich b für m verschrieben, da dubenus in der Mitte von ^^'örtern
steht, die mit dum anfangen*, mentis aber steht dem griechischen
Participialsuflix (levog noch um eine Stufe näher als minus. Hr. I be-
ring gründet auf die Form duhcnus die Vermuthung (S. 107 Anm.),
dafs dominus mit honus verwandt, also eigentlich 'der mit Glücks-
giitern gesegnete' sei. Er hätte sich hierfür auf die Auctorität Ben-
feys berufen können, der allerdings dominus und bonus von Wurzel
div ableitet (\\'urzellex. 11,207). So bedenklich ich nun auch die
Vermittlung beider \Nörter auf diese Weise halte, so waiirscheinlich
ist mir ihr Zusammenliang in der Wurzel du. Denn duonus, die ältere
Form für bonus., würde als Participium Passivi das "^gegebene' be-
zeichnen, bonum also eine Schwesterform von donum sein. Die
ethische Bedeutung des 'guten' würde sich aus jener Grundbedeutung
ebenso leicht entwickeln, wie sie sich aus der Grundbedeutung des
'seienden' im griechischen svg (von W. ig., wie Tjövg von Wurzel ijö)
entwickelt hat. Doch um auf dominus nochmals zurückzukommen,
so mag eine Bestätigung unserer Etymologie in dem Worte dJtio ge-
funden werden, das als nomcn actionis der Wurzel da (vergl. super-
sHtio von s<a), gerade wie das nomen ai/enlis jener Wurzel dominus
zu der praegnanten Bedeutung des unbeschränkten Verfügungsrechts,
der Botmäfsigkeit, oder mit andern Worten zur Synonymität mit po-
tesfas, imperium., dominium gelangt ist.
Die Hauptart gewaltsamer Aneignung ist die kriegerische Er-
beulung. Gaius selbst sagt: maxime sua esse credebant, quae ex
hostibus cepissent. Daher ist praedium., der allgemeinste Ausdruck
für Eigenthum an liegendem Grunde, unverkennbar mit praeda ver-
wandt, und die Eintheilung der Sachen in res mancipi und res nee
niancipi bezieht der Verf. nach Puchtas Vorgang auf die ursprüng-
lich kriegsrechtliche Erbeutung jener. Daher ist denn auch der Speer
Symbol des Eigenthums, der Haub und die Scheitelung des Haares der
Braut mit der haslu caelibaris symbolischer Ausdruck für die Ob-
macht und das Recht des Mannes. Den Mann nennt die lateinische
Sprache nicht nach seinem Geschlechte, sondern nach seiner kriege-
rischen Thätigkeit; dafs vir und vis verwandt sei, spricht Hr. I be-
ring nur zu z\>eifelhafl aus (S. 113). Es stehen der Zusammenslcl-
42 Ihering: Geisl des lömisclieii Hechls. Ir Theil.
lung allerdings eiiiij^e Bedenken entgegen; diese lal'sen sich indes
durch die Annahme heseitigen, dals von einer Wurzel vi (die ver-
■\vandt wäre mit g'i^ siegen, g'iv^ lebeii, «v»o, nigeo, griech. /it'og, ßla)
herkäme einerseits durch das Suflix ro: vir (viro , vgl. skr. vi7-a^
lat. puer^ por von ^^'llrzel pu), andererseits ohne thematisches Sufiix
als Wurzelsub.slantiv ris, in dessen pluralische Decliualion das tliema-
lisciie Sufiix is, er-is (vergl. citi-is, pulvis, er-is) eingedrungen sei,
um durch Peritlosyllabie die Declinalionsfähigkcit überhaupt zu er-
halten (daher vires für vi-eres). In dem Namen des Volkes Quiriles
kann ich übrigens nicht eine Bezeichnung der Mannhaftigkeit oder der
kriegerisciien Tüchtigkeit finden. Während man gewöhnlich Quiritcs
direct von quiris, Lanze, herleitet, legt sich Hr. I bering mit Bei-
behaltung dieser Herleilung die Sache so zurecht, dafs die Lanze des-
halb (/M/r/s heifse, Aveil sie Attribut der curia, d. i. (nach Pott) der
com-viria, der Männergemeinschaft sei, wofiir er sich auf das deut-
sche Wort ^Kunkel' beruft, in dem in gleicher A^ eise ein Attribut der
Frauen nach dem Namen der Frau (Jivnliela von quenä oder koiid) be-
nannt sei. Indem wir diese letzte Parallele auf sich beruhen lafsen,
müfsen wir uns entschieden gegen die Erklärung des Wortes curia
aus com-riria erklären, trotz der verführerischen Analogie von de-
curin und centuria. Wir verbinden im Gegentheil cTiria direct mit
griech. kvqicc £.y.Kh]GLCi (trotz Pott II, 493). In der Wurzel y.vq^ kolq
(wovon v.Oi^c(vog), lat. coer (^coerare ~-= curare, vergl. griecli. nv-
poco), d. i. coir oder (juir, lag die Bedeutung der endgiltigen Ent-
scheidung; davon heifst im Lateinischen quiria, coeriu, curia (vergl.
po-moer-itim zu muriis, puina zu poena, I'oeni zu Pmiicus), und wäii-
rend dies Wort selbst in der letzlen Gestalt üblich wurde, sprofsen
aus der altern Form die Ableitungen Quirites, d. i. die Curienmäuner,
die in den Curien stimmberechtigten Bürger, Juno Quiritis, Quirinus
liervor. Der Zusammenhang der Juno (Juirifis mit den Curien, in de-
ren jeder sie einen Altar hatte, ist bekannt. Quirinus repraesenliert die
bürgerliche Thätigkeit des populus liomanus Quiritium, wie Mars die
kriegerische. Im Gebiete der Götter sind Mars und Quirinns diesel-
ben Gegensätze, die in der Prosa des Lebens durch die stereotype
Formel domi militiaeque ausgedrückt werden. Wie sehr aber diese
schon von Becker (Handbuch der röm. Alterth. II, 1, 25) angedeu-
tete Erklärung des Namens Quiriles zum Gebrauche dieses Wortes
stimmt, während sowohl die Herleitung von quiris als die von curia
in Form einer com-viria dem Gebrauche schnurstracks entgegensteht,
liegt auf der Hand. Möglich ist nun, dafs die Lanze von der quiria
</'«<m benannt wäre; aber denkbar ist es auch, dafs römische Etymo-
logen das Wort quiris ersannen, um (Juirites abzuleiten.
Die Gewalt ist nicht blofs die Begründerin des Eigenthums-
rechts, sondern auch die Schützerin desselben gegen etwaige Störun-
gen. Noch in den spätem Instituten zum Schutze des Rechts scheint
das Princip der Selbsthilfe und der Privatrache hindurch. Die Sprache
hat unverkennbare Spuren dieses Zustandes in den Tcrminjlogien des
Ihcriiig:: Geisl des römisclicn Rechts. Ir Tlieil. 43
römisdien Frocesses erlialtcn. Der Verf. erinnert an die Rolle des
mndex\ an die Bedeutung- der vindicta (welches \N'ürt icii niciit wie
K. 0. Müller im Rhein. Museum für Jurispr. V, 190 erkläre, sondern
aus vindex ableite, wie scncvta aus senex)^ der vindtvatio, des
manum conserere ^ der manus ivjecUo. Auch der ßegrill" des römi-
schen Zeugen wurzelt nach der Ansicht des Verf. in der Idee eines
Ihüligen, das Recht mit verwirkliciienden Reislandes. Der Zeuge ist
nicht beslimml, um eine Thatsache als wahr zu conslatieren, sondern
um die Erfüllung eines erworbenen Rechts zu garantieren. Auch diese
Auffafsnng können wir gelten lalsen, obwohl wir weder den sach-
liehen noch den sprachlichen Reweis des Verfafsers als völlig be-
gründet anerkennen. Die Haujtlstütze des sachlichen Reweises beruht
nemlich auf dem tcstavientum in den comitiis ca/atis, bei welchem
nach der Ansicht des Verfafsers eine förmliche 7-Of/alio an das Volk
gebracht wurde, welche dieses diircii seine beisiimmende Abstimmung
zu einer lex curiata erhoben hätte. Aber das ist eben eine pelitio
principii ; zur Annahme einer förmlichen Genehmigung des Testa-
ments durch eine lex können wir uns um so weniger versieben, da
bei allen übrigen Handlungen, die in den comitiis calatis vorgenom-
men wurden, keine Abslimmung stattfand, da die Analogie des testa-
t/ienlum in procinclii eine a u s d r ü ck 1 i c h e Genehmigung abzuweisen
scheint, und da der wirklich mit Abstimmung verbundue Act der
arrogafio nicht in den comitiis calatis^ sondern in den comitiis cu-
riatis staltfand. Nichtsdestoweniger aber läfst sich, wenn aus der
Gesamtentwicklung des römischen Rechts jene Bedeutung der festes
sich als die ursprüngliche erweist, die Stellung des Volks zu dem
Willen des Testators vollkommen analog auffafsen, indem dieses
dann stillschweigend die Garantie für das vom pontifex gebil-
ligte Testament überniniint. Der Ausdruck legare kann uns nicht nö-
Ihigen, eine förmliche lex anzunehmen, da lex im weitern Sinne doch
nur eine bindende Bestimmung überhaupt bezeichnet. Sprachlich bringt
Hr. Ihering (S. 136) lestis mit te<jere zusammen, wofür er sich dar-
auf beruft, dafs die Schildkröte, lestudo, offenbar ihren Namen von
der Bedeckung, die das charakteristische dieses Thieres sei, habe,
und dafs auf diese \^'eise auch für das sonst schwer mit testis rück-
sichtlich der Bedeutung zu vereinigende testiculns eine ansprechende
Analogie sich in dem Gebrauche des deutschen Wortes 'bedecken'
von dem Zeugungsacte der Thiere darbiete. Rein lautlich ist jene
Etymologie so gut wie unmöglich. Unbedenklich, ja nothwendig ist
dagegen die Herleitung aller dreier Wörter von einer reduplicierten
Form der Wurzel sta. Die Schwierigkeit eines doppelconsonanlischen
Anlauts für die Reduplicalion wird in den indogermanischen Sprachen
auf verschiedne Weise beseitigt. Bei der genannten Wurzel schwankt
das Lateinische ohnehin schon, indem es neben der echt lateinischen
Reduplicationsweise s.'o^ ste-ti (vergl. spondco spopondi) die eigent-,
lieh griechische Reduplicationsweise in sisto (vgl. i(5xri[jii für Giörtjfii)
anwendet. Warum sollte sich bei dieser im Gebrauch so ausgedehn-
44 Ihering: Geist des römischen Rechts. Iv Theil.
le» Wurzel nicht auch die dritte, specilisch sanskritische Reduplica-
tionsvveise (^lishfhdim von slhci) erhalten haben, zumal da diese an
und für sich gleichbedeutenden Forniunlerschiede ein passendes
Mittel zu iiufserlicher Unterscheidung- und zur Fixierung bestimmter
GebrauchsAveisen darboten? Mit dieser schon von Bopp gegebenen
Erklärung des Wortes fesfis vereinigt sich testudo, indem die ^^ urzel
sta auch sonst zur Bezeichnung des ^starren, uid)e\veglicheu' ange-
wendet wird, und nicht minder leicht das Deminutivum testiculus.
Ist nun hiernach fesfis eigentlich der (dabei) stehende, so bedarf es
in der That nur der Hinweisung auf die Bedeutungsentwicklung unse-
res deutschen Wortes 'Beistand', das seine concrete Bedeutung in der
Anwendung auf die Zeugen bei der Trauung bewahrt hat, um auch in
dem römischen testis nicht einen müfsigen Zuschauer, sondern den zur
Hilfsleistung bereiten Garanten zu erkennen. Heifsen ja doch auch,
wie Hr. Ihering selbst angibt (S. 135), die beim Scheinkampfe in
der rei vindicatio von beiden Seiten mitgehenden Gefährten siipcr-
stites (von super-sta).
Auf das Princip des subjectiven VN illens führt der Verf zuletzt
auch das römische Richteramt zurück, indem er die Entstehung des-
selben aus dem Schiedsrichteramte nachzuweisen unternimmt, das
natürlich seinerseits seine richterliche Gewalt nicht vom Staate, son-
dern von den Parteien empfangt, die durch einen positiven Vertrag
dem Zustande der Unverträglichkeit entsagen.
Ueber die folgenden Abschnitte des Buches wollen wir kürzer
sein. Zu dem staatsbildenden Princip der Familie und der Wehrver-
fafsung geht der Verf. S. 161 über mit einer unumwundenen Erklärung
gegen die herschende Ansicht der Juristen, der zufolge das palricische
Staatsrecht das Privatrecht ausschlöfse und dieses erst ein Erzeugnis
des erstarkenden Plebejerlhums wäre. Der Verf. will vielmehr zeigen,
dafs der römische Staat von Anfang an die Kraft besefsen habe, das
Princip des Staatsrechts und das des Privatrechts zu vereinigen. Aller-
dings sei Staatsrecht und Privatrecht ursprünglich nicht geschieden,
aber das Staatsrecht werde vielmehr unter den Formen des Privat-
rechts aufgefafst, als dafs jenes dieses in sich absorbierte. Auch
ohne die Gründe des Verf. ausführlich zu entwickeln, glaube ich auf
die principielle Wichtigkeit dieser Ansicht hinweisen zu müfsen, die
nach meiner Meinung die einzig richtige, im Gange der römischen
Staats- und Rechtsgeschichte begründete ist.
Das Familienprincip und das Princip der Wehrverfafsung ver-
halten sich zueinander wie Coordination und Subordination. In der
Durchdringung beider beruht das Wesen der ältesten römischen Staats-
verfafsung, die in ihrer Basis, den Geschlechtern, jenes Princip, in
ihrer Spitze, dem Könige, dieses Princip befolgt. Wir versagen es
uns ungern, in die Ausfuhrung dieser Gedanken (S. 162 — 255) näher
einzugehen, müfsen uns darum aber auch der Ausstellungen im ein-
zelnen enthalten ; nur das sei, weil es mit einem oben berührten Punkte
in Zusammenhang steht, bemerkt, dafs wir die Curieneinllicilung nicht
Iliering': Geist dos römisriien Reclifs. Ir Tlicil. 4.'>
als einen Ausflufs des niililürisolicn Princips belrachlen können, dafs
Avir sie vielmehr geradezu als eine Conseqiienz des Princips der Co-
ordination, das liier anl" die Gleichslelliing und Vereinigung zweier
Nalionaliliilen, der liamncs und Titics^ mit denen dann spiiler die I.u-
ceres in gleicher \^'eise coürdinierl wurden, angewendet erscheint,
betrachten niürscn.
Am kürzesten behandelt der Verfafser das Princip der Religion
(S. 256 — 281). Er geht hier vom Begriire des fas im Gegensalze zum
jus aus, und indem er die Collegien der puntifices und f'etiales als
Träger der Idee des fus darstellt, vindiciert er diesen Behörden ge-
radezu richterlichen Charakter, und sucht namentlich die älteste Pro-
cessform der legis actio savramento als in der gerichtlichen Praxis
des Pontilicalcollegiums entstanden und von da auf die wellliclieii
Gerichte übertragen zu erweisen. AuTserdem wird hier der Eintlufs
des Princips der Religion auf das Slrafrecht gebührend betont und
der Begrilf der Sacertiit ausführlich erörtert.
Nach Beendigung der Besprechung der Urelementc des römischen
Rechts erklärt sich der Verf. gegen den Versuch Göttlings, das
römische Reclit aus ethnisch verschiedenen Urbeslandtheilen entstehen
zu lafsen, und bespricht dann das Verhalten des römischen Geistes zu
den gegebenen Ausgangspunkten, in welchem Abschnitle die Darstel-
lung des römischen Volkscharaklers besonders gelungen genannt wer-
den mufs.
Referent bescheidet sich gern, zur Abgabe eines allseitig be-
gründeten Urtheils über das besprochene Buch nicht berufen zu sein;
es kam ihm nur darauf an, auf dasselbe durch eine Anzeige das Inter-
esse des philologischen Publicums hinzulenken, um dadurch die Ver-
bindung der juristischen und philologischen Wifsenschaft, die sich
für die Kenntnis des römischen Alterlhunis schon so fruchtbar er-
wiesen hat, zu befördern.
Göttingen. Ludwig Lange.
Die Elemente der MalhemaÜh. Ein Leitfaden für den mathemati-
schen Unterricht auf Gymnasien und Realschulen. Von JV. Gallen-
kamp, Lehrer am Gymnasium zu We.sel [jetzt Rector der höhern
Bürgerschule zu Mühlheim an der Ruhr]. Mit zwei Figurentafeln.
Wesel bei Becker. 1H30. IV und 299 S. gr. 8.
Sammbmg trigonomelrischer Aufgaben von dcms. Verfasser. Erste
Abtheilung: rein mathematische Aufgaben. Ebendas. 1852. gr. 8.
Seit ungefähr zwei Jahrzehnten sind die Bemühungen der ma-
thematischen Lehrer auf die Ausbildung der Methodik ihrer Wifsen-
schaft gerichtet und man wird, wenn man billig sein w ill, zugestehen
müfsen, dafs jene Bestrebungen manche schöne Frucht gezeitigt haben.
46 Gallenkamp : Elemente der Mallicmalik.
Eine andere Frage wäre freilich, wie, d. h. durch welche speciellen
Mittel, dies erreicht wurde, und da zeigt sich denn, dafs, wie Sonnen-
schein und Regen in der Natur, so auch auf dem Gebiete der Wifsen-
schaft die geradesten Gegensätze zusammenwirken musten. Schon bei
den ersten Elementen der Buchstabenrechnung seilen wir zwei we-
sentlich verschiedene Ansichten unter den Lehrern verbreitet; wäh-
rend die Einen — man könnte sie die Realisten nennen — uuler
einem Buchstaben schlechterdings nichts Anderes als eine beliebige
Zahl verstehen, betrachten ihn die Andern — die Nominalisten — als
den Träger der Operationen, ohne freilich näher anzugeben, welche
Bewandtnis es mit diesem, allgemeiner als eine Zahl sein sollenden
Wesen eigentlich hat. Einer ähnlichen Divergenz begegnen wir in
der Geometrie: auf der einen Seite stehen die Anhänger Euklids, in
der künstlichen Anordnung und dogmatischen Beweisform des Alten
von Megara das alleinige Heil der Wifsenschaft erblickend, auf der
andern Seite eine neuere Schule mit natürlicherm Gedankengange und
heuristischer Darstellung. Bilden wir aus den zw ei arithmetischen und
den zwei geometrischen Parteien die möglichen Combinationen, so
entstehen vier Classen von Lehrern der Mathematik, die auch wirklich
existiren, M'ie die zahllose Menge von Lehrbüchern der Elementar-
mathematik ausweist. 3Ian sollte freilich meinen, das sei kaum mög-
lich, weil unter jenen vier Combinationen einige vorkommen, die sich
schlecht genug zusammen vertragen; indessen das menschliche Ge-
hirn ist geduldiger als man gewöhnlich glaubt, auch tröstet Mancher
sich wohl mit der Redensart, dafs Strenge in der Arithmetik und
Strenge in der Geometrie zwei sehr verschiedene Dinge sind. Um
jedoch keine unerwiesenen Behauptungen in die Welt hinein zu schrei-
ben, kann es Ref. nicht umgehen, einige Belege zu liefern, wie man sie
in einer 3Ienge von Büchern antrilft und die jeder Leser in seiner
Bibliothek finden wird. Um eine Wurzel der quadratischen Gleichung
x^ -\- ax = b in einen Kettenbruch zu verwandeln, heifst es, man
gebe der Gleichung die Form
b
X =^ — -j-
a -'r X
substituire nacheinander denselben Werth des o", bilde so der Reihe
nach die Gleichungen
b h
X =^ X ^=. ■
b , b etc.
a + — -- — a + —
a -}- ar , b
a + ,
a -T X
und setze dieses Verfahren ins Unendliche fort; dies gibt
b
+
_6
a +
b
a 4" ^^^-
Giilleiikami): Klcincnlc der Mallioinatik. 47
Bei (lieser Moliiodc wird am Ende x wcogelarscn, ohne dafs mau
eigenilich vveifs warum; mit andern Worten : man setzt slilLscIiwei-
g-end das allgemeinere Theorem voraus, dals die heiden Kellonhnirho
/'. , b,
und
«» + ^ (t„
sich für unendlich wachsende n einer und derselben Gren/.e nähern,
was auch die Unbekannte x sein möge. — Ebenso häniig findet man
das Umgekehrte. Den Werth des unendlichen Keltcnbruches
1
X =
2+-^ r-
2 +
2 + etc.
bestimmt man z. B. auf die Weise, dafs man sagt, vom zweiten Gliede
ab ist der Kettenbruch wieder derselbe wie im Ganzen, folglich
X = i und X z= ^2 — 1
2 -h X ^
Dieser Rechnung liegt die Voraussetzung zu Grunde, dafs der Werth
des fraglichen Ketlenbruches eine, wenn aucli unbekannte, doch we-
nigstens endliche und bestimmte Gröfse sei, denn nur mit einer sol-
chen lafsen sich die zur Auflösung einer quadratischen Gleichung
nöthigen Operationen mit Sicherheit ausführen; will man sich aber
a posteriori von dem zweifeliiaften Werthe jenes Verfahrens über-
zeugen, so wende man es z. ß. auf den Kettenbruch
3
2 —
2 — etc.
an und das Ergebnis, dafs ein reeller Kettenbruch einen imaginären
\\'erfh haben soll, wird hoffentlich überzeugend sein. — Derartigen
arithmetischen Leichtsinn lindet man aber sehr häufig gerade bei sol-
chen Schriftstellern, die in der Geometrie sich und Andere mit den
änfsersten Bemühungen um Strenge abquälen, und doch wird Niemand
ableugnen, dafs die in den obigen Rechnungen liegenden Hypothesen
weit gewaltsamer und in ihren Consequenzen viel bedenklicher sind,
als es z. B. die axiomatische Aufstellung des vollkommen anschau-
lichen Satzes von der Gleichheit der correspondirenden Winkel jemals
sein könnte. Doch genug hiervon.
Der vorhin erwähnten Einlheiliing zufolge gehört der Verf. der
genannten Schriften in jeder Bezieiiung der neuern Schule an und
scheint speciell ein Schüler Jacobis zu sein; sollte sich diese Ver-
48 Gallenkamp: Elemente der Mathematik.
muthung bestätigen (vielleiclit durch eine bis jetzt nicht erschienene
Vorrede), so würden die Bücher des Verfafsers an Interesse noch ge-
winnen, denn bis jetzt sind, soviel Ref. weifs, keine Bearbeitungen
der Elementarmathemalik aus Jacobis Schule hervorgegangen. Im
allgemeinen nach den 'Elementen der Mathematik' beurtlieilt, macht
der Verf. den Eindruck eines Mannes, der von Schulstaub frei, hoch
genug über seiner Wifsenschaft steht, um den Blick auf das Ganze
fortwährend zu behalten und sich nicht in einzelne Details und un-
nütze Spielereien zu verlaufen. Ebendeswegen hat er es wohl auch
bei einem M.eitfaden' bewenden lafsen, der nur die Hauptsachen aus-
führlicher durchgeht und sich im übrigen auf Andeutungen beschränkt,
Avie denn überhaupt das ganze Buch dem Lehrer einen grofsen Spiel-
raum überläfst. Betrachten wir nun die einzelnen Abtheilungen des-
selben etwas näher.
Die erste Abtheilung 'die Arithmetik und Algebra' ist
in folgender Weise geordnet: Einleitung, Cap. I: Die Grundrech-
nungsarten in ganzen Zahlen, Cap. II: Die Grundrechnungsarten in
Brüchen, Cap. III : Die Grundoperationen in algebraischen Zahlen,
Cap. IV: Potenzen, Cap. V: Logarithmen, Cap. VI: Reihen, Cap, VII :
Kettenbrüche, Cap. VIII: Combinationen, Cap. IX: Gleichungen, also
in der gewöhnlichen Reihe, gegen die sich nichts einwenden läfst.
Vor Cap. IX bemerkt der Verf., dafs es nicht seine Ansicht sei, erst
in so später Stunde die Schüler mit den Gleichungen bekannt zu ma-
chen, dafs sie im Gegentheile so früh als möglich Gleichungen behan-
deln lernen sollen und dafs es nur eine systematische Rücksicht sei,
welche dem Cap. IX die letzte Stelle angewiesen habe; auch dagegen
ist nichts zu erinnern. — Im Einzelnen hat Ref. folgendes zu be-
merken.
Der BegritT der Zahl wird durch die Worte eingeführt: 'Das
Resultat der Vergleichung gleichartiger Gröfsen ist ein Verhält-
nis, der Ausdruck eines Verhältnisses die Zahl.' Darin liegt etwas
Wahres, aber auch eine unverkennbare Unbestimmtheit. Schon der
Begriff des Verhältnisses hat verschiedentliche Noth gemacht, auch
der Verf. sagt nicht eigentlich, was ein Verhältnis ist, sondern nur,
wo man es herbekommen kann, und so wird der darauf folgende nicht
übliche Ausdruck 'Ausdruck eines Verhältnisses' in der That ein un-
bestimmter Ausdruck. Ref. würde übrigens dieses im Unterrichte leicht
zu beseitigende Schwanken der Definition nicht urgirt haben, wenn
daraus nicht später ein Uebelstand entsprungen wäre; der Verf. rech-
net nämlich, wie billig, die sogenannten imaginären Gröfsen gleich-
falls zu den Zahlen (S. 44) und hätte daher die Definition der Zahl
auch so einrichten sollen, dafs sie bei den complexeu Zahlen nicht
unbrauchbar oder undenkbar geworden wäre; wenigstens begreift
sich schwer, inwiefern der Ausdruck eines Verhältnisses unangcbbar
(imaginär) werden kann. Dieser Schwierigkeit war leicht zu ent-
gehen, wenn die Zahl weder als Quantitäts- noch als Verhältnisbe-
grilT, sondern als Siellenhegriif (Index in einer Reihe gleichartiger
Gallcnkami) : Klcmcnlc der Mallioinalik. 49
Gröfsen) frofafsl wurde, wie es nach Gatifs von Drol)iscIi, Bretschnei-
der, >\ illsleiii und dem Hei", in der 2. Auil. seiner algebraischen Ana-
lysis (Einleiliing- u. §. 50) geschehen ist. — In Beziehung- auf die Mul-
liplicalion und Polenzirung ündet es Hef. lobenswerlh, dai's der Verf.
sich gleich der allgemeinen auf alle Fälle passenden Definitionen he-
dicnf; man erspart sich viel unnütze Quälerei damit. Potenz heifsl
hiernach eine Zahl, welche aus einer gegebenen Grundzahl so durch
Multiplication gebildet worden ist, wie eine andere gleichfalls ge-
gebene Zahl (der Exponent) durch Addition aus der Einheit, üabei
1
H
ergibt sich zugleich die Bezeichnung «" als die primitive, y/^a als
die secundäre. - — In Cap. VI findet sich aufser den arithmetischen
und geometrischen Reihen und den Summenformeln für die zweiten und
dritten Potenzen der natürlichen Zahlen noch ein Excurs über die Con-
vergenz der Reihen, kurz aber gut und für den ersten Unterricht völlig
ausreichend. Im nächsten Capitel gibt der Verf. u. a. die Verwand-
lung der Logarithmen in Kettenbrüche nach einem sehr einfachen Ver-
fahren und ist dadurch in den Stand gesetzt, die directe Berechnung
der Logarithmen beliebiger Systeme ausführen zu lafsen. Dafs die
Methode etwas beschwerliche Rechnungen erfordert, sobald die Zahlen
grofs sind, ist da von keinem Nachtheile, wo es nur darauf ankommt,
die Möglichkeit der Berechnung an einigen Beispielen zu zeigen ; wird
es doch auch Niemandem einfallen, Quadratwurzeln durch Ketten-
brüche auszuziehen — - Mit besonderer Vorliebe scheint der Verf. die
Auflösung von n Gleichungen ersten Grades mit » Unbekannten mit-
telst der Determinante (§. 126) bearbeitet zu haben; in der That kann
man sich nur freuen, dafs der Begriff der Determinante endlich einmal
anfängt in den Lehrbüchern Eingang zu finden.
Die zweite Abtheilung umfafst die Geometrie und zerfällt in zwei
gröfsere Abschnitte: Planimetrie und Stereometrie. Die Anordnung
des ersteren ist folgende: Einleitung, Cap. I: Die Gerade und die La-
gen gerader Linien gegen einander, Cap. II: Vom Dreieck, Cap. III:
Viereck und Vieleck, Cap. IV: Gröfsenvergleichung geradliniger Fi-
guren, Cap. V: Formvergleichung geradliu. Fig., Cap. VI: Der Kreis.
Eines Urlheiles über diese Reihenfolge mufs sich Ref. enthalten und
zwar aus dem Grunde, weil sie völlig mit der Anordnung seines eige-
nen Buches über Geometrie (Grundzüge einer wifsenschaftlichen Darstel-
lung der Geometrie. Eisenach 1849) übereinstimmt; Ref. hat sich in
der Vorrede zu demselben weitläufig genug über die Gründe verbrei-
tet, die ihn zum Abgehen vom gewöhnlichen Wege bestimmten, und
er kann daher an dieser Stelle nur seine Befriedigung aussprechen,
dafs jener, wie er beweisen zu können glaubte, ebenso natürliche als
wifsenschaflliche Gedankengang auch beim Verf. anzutrefTen ist, mag
nun der letztere die 'Grundzüge' des Ref. gekannt oder unabhängig
davon denselben Weg eingeschlagen haben, was sich bei dem Jlangel
einer Vorrede zu den 'Elementen der Mathematik' nicht entscheiden
läfst. Nur einzelne Punkte will Ref. hervorheben. Der Verf. ver-
IS. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Hil. IXVII, Hfl. I. 4
50 Gallenkanip: Elemente der MathcmatiU.
gleicht (übereiiistiinmciul mit dem Ref.) z\A'ei Gerade der Gröfse und
dann der Lage nach und sagt in letzterer Beziehung: ^Zwei neben-
einander liegende Gerade haben immer, unbegrenzt gedacht, einen
Punkt gemein; dieser kann in endlicher oder in unendlicher
Entfernung liegen; im ersten Falle heifsen die Linien geneigt, im
zweilen pa r a I lel ; im ersten Falle haben sie einen D u rch seh n i tts-
pnnkt, im zweiten nicht'. Was den Verf. zur Herbeiziehnng- des
unendlich entfernten Punktes veranlafsl hat, ist dem Ref. völlig klar,
wenn er Hrn. Gallenkamp als Schüler Jacobis , mithin ganz selbstver-
ständlich auch als Schüler Steiners betrachtet, und zu leugnen ist
nicht, dafs sich mit dem unendlich fernen, zwei Geraden gemeinsamen
Punkte viel ausrichten läfst, wovon Steiner und neuerlich Chasles in
seiner Geometrie superieure (Paris 1852) zahlreiche Beispiele gelie-
fert haben. Gleichwohl mufs Ref. sehr bezweifeln, ob es geralhen
sein möchte gleich beim ersten Unterrichte den unendlich entfernten
Punkt einzuführen und um so mehr, als die Ausdrucksweise des Verf.
eine Lücke läfst, deren Ausfüllung eine Seltsamkeit mit sich bringt.
Nach des Verf. Worten haben zwei Gerade immer einen Punkt ge-
mein; im ersten Falle einen Durchschniltspunkt, im zweiten Falle
zwar keinen Durchschnittspunkt, aber, dem Vorigen zufolge,
doch immer einen Punkt, also ganz gewis einen Berührungspunkt,
terlinm non dafür. Das wäre nun zwar, wenn man erst auf Steiners
Höhe stellt, gar nichts so Exorbilanfes ; für den Anfang des Unterrich-
tes aber liegt darin eine Unbegreifliclikeit, die zu vermeiden war,
■»enn die Geschichte vom unendlich fernen Punkte wegblieb und das
Dilemma Schneiden oder Nichtschneiden allein beibehalten wurde." —
Die Parallelentheorie (als Referent kann man leider dieses alte onus
nicht übergehen) macht der Verf. durch parallele Verschiebung ab,
nimmt also eigentlich den Grundsatz zu Hilfe, dafs Gleiches mit einem
und demselben Drillen verglichen, gleiche DilTerenzen gibt, indem er
ihn auf gleiche Richtungen, mit einer dritten Richtung verglichen, an-
wendet. Auch Ref. hält dies für völlig ausreichend. — Für den Satz
von der Winkelsumme des Dreiecks ist der Thibautsche Beweis (durch
Drehung um die Anfsenwinkel) gegeben, der ebenfalls genügt, wenn
man namentlich einige Uebungen in parallelen Verschiebungen u. Dre-
hungen beim Unterrichte vorausgehen läfst. ■ — Die Congruenzlehre
geht von einer Seite und zwei Winkeln aus, da man nach dem Vori-
gen mindestens einer Seite bedarf, und stimmt im allgemeinen mit der
Darstellung des Ref. überein. — In der Lehre von der Ausmefsung,
Theilung und Verwandlung der Figuren ist zu bemerken, dafs dem
Pythagoreischen Satze eine befsere Stelle angewiesen werden konnte,
wenn der Verf. die '^§. 47 und 4-8 in umgekehrter Ordnung genommen
hätte. Jede Figur läfst sich nämlich in ein Rechteck verwandeln, jedes
Rechteck in ein Quadrat, und mithin können beliebig viele getrennt
umherliegende Vielecke jedes für sich in ein Quadrat transformirt
werden; diese Quadrate endlich lafsen sich mittelst des Pythag. Satzes
zu einem einzigen Quadrate vereinigen. Will man diesen Gedanken-
Gallenkamp ; EloiiKüifo clor MaUioiimlik. 31
^ang, (lor nichts aiidorcs als das g-eoniolrisclic Seilcnslück einer ge-
wöhnlichen Flüchcnherechiumg- ist, duixlifiiiircn, so kommt es nur
darauf an, die Verwandlung des Rechtecks in ein Quadrat vor dem
mcfffister inalhcseos , also unabhängig von diesem, zu bringen, was
keine besondere Kunst ist und von jedem mit der Wifscnschaft Ver-
trauten erwartet werden kann'^). — Die folgenden Capitel von der
Aehnlichkeit geradliniger Figuren und die Lehre vom Kreise bieten
keine besonderen Eigenlhümlichkeiten dar, sie sind den gleichnamigen
Capileln in des Ref. 'Grundzügen' ziemlich ähnlich, wie es bei der
gelrolTenen Anordnung nicht anders zu erwarten stand. - — Figuren zur
Planimetrie gibt der Verf. nicht und beschränkt sich auf Andeutungen
derselben.
Die Stereometrie ist in folgender Weise gegliedert: Cap. I: Von
der Lage der Punkte, Geraden und Ebenen im Räume, Cap. II: Von
den körperlichen Ecken und sphaerischen Dreiecken, womit sich der
erste Theil, die unvollständig begrenzten Raumgebilde enthaltend,
schliefst; der zweite Theil der Stereometrie gibt in Cap. I: die all-
gemeinen Eigenschaften der Polyeder, Cap. II: die Prismen und Pyra-
miden, Cap. III: die Kugel, Cap. IV: die regelmäfsigen Körper. Die
BcAveise des Verf. sind in ihren Hauptpunkten gut angedeutet und nur
bei der Congruenz und Symmetrie der körperlichen Ecken und sphae-
rischen Dreiecke werden sie ausführlicher unter Zugabe der in einer
Ebene ausführbaren Constructionen körperlicher Dreiecke aus ihren
Bestimmungsstücken. Nach Crelles Meinung (3. Auil. der Ueber-
selzung von Legendres Geometrie S. 141) gehören zwar derartige
Constructionen in das Gebiet der descriptiven Geometrie und sollen
aus der Stereometrie wegbleiben, Ref. aber stimmt dieser auch sonst
viel verbreiteten Ansicht durchaus nicht bei und würde es im Gegen-
theile sehr passend und für die Anschaulichkeit des Unterrichts we-
sentlich fördernd halten, wenn man auf jene Constructionen bei wei-
tem mehr Rücksicht nähme, als es gegenwärtig der Fall ist; eine
Schwierigkeit liegt in der Sache durchaus nicht, denn die Methoden
der descriptiven Geometrie beruhen auf so einfachen stereomelrischen
Sätzen, dafs sie sich mit völliger Klarheit förmlich popularisiren
lafsen (wie es ja in den Schulen für Bauhandwerker in der That ge-
schieht). — Die allgemeinen Eigenschaften der Polyeder entwickelt
der Verf. mittelst des Eulerschen Satzes, den er nach Steiner durch
Projection des Körpers auf eine Ebene begründet; dabei erhält man
zugleich den strengen Beweis des Satzes, dafs es kein Polyeder gibt,
dessen Begrenzungsfiguren sämmtlich mehr als fünf Ecken haben könn-
*) Die oben angedeutete Betrachtungsweise hat Ref. zuerst in
seinen 'Grundzügen' bekannt gemacht; von da ist sie unter Ver-
einfachung des Beweises für den Hauptsatz in die zweite Auflage von
Prof. Kunzes 'Lehrbuch der Geometrie' (Jena 1851) übergegangen;
nach der Vorrede des letztern zu urtheileu, scheint es Herr Prof.
Kunze zu ignoriren, dafs die richtige Stellung des Pythagoreischen
Satzes von seinem ehemaligen Schüler herrührt.
4
52 Gallenkanip: Elemente der MaHicmatik.
ten, der nachher den Betrachtung-en über die regelniäfsig'en Körper
zur Grundlage dient. Die Ausmefsung: der Prismen, Pyramiden etc.
ist in der gewöhnlichen und strengen Form mitgelheilt, nur hätte
Ref. zu wünschen, dafs hier auf Kopp es vielfach brauchbaren Satz
vom Obelisken Rücksicht genommen worden wäre.
Der Trigonometrie ist die dritte Abtheilung gewidmet; sie zer-
fällt in die drei Capitel: Die trigonometrischen Functionen, die ebene
Trigonometrie, die sphaerische Trigonometrie. Der Verf. geht vom
Begriffe der Projection aus und gelangt damit zuerst zum Cosinus,
nachher zum Sinus u. s. w. ; dies ist völlig in der Ordnung und Ref.
bedauert nur, dafs der Verf. den Gedanken der Projection nicht noch
etwas weiter ausgebeutet hat. Vergleicht man nämlich (den Ilalbmefser
der Einfachheit wegen als Einheit genommen) die Projection des sich
drehenden Radius mit der Projection des von seinem Endpunkte be-
schriebenen Bogens nnd nennt letztere den Sinusversus , so hat man
erstlich die Beziehung cos a = 1 — sin vers «; setzt man zweitens
voraus, dafs diese Relation für alle Bögen dieselbe bleiben soll, so
folgt der Zeichenwechsel des Cosinus mit No th wen digke i t, da
nach jener Definition der Sinusversus im zweiten und dritten Quadran-
ten die fiänheit übersteigt. Dieser Gedankengang scheint dem lief, der
natürlichste zu sein; es steckt für den Schüler immer eine gewisse
Willkür oder gar eine Art Hokuspokus darin, Avenn der Gegensatz
der Lage durch entgegengesetzte Vorzeichen ausgedrückt wird. —
An goniometrischen Formeln ist der Verf. sehr reich, reicher als es
Ref. für nöthig hält. Der trigonometrischen Behandlung des Dreiecks
folgt ein Abschnitt über Polygonometrie, worin die Aufgaben und Fun-
damentalformeln (vonLepell) derselben kurz und bündig dargelegt
werden. Die sphaerische Trigonometrie ist auf die beiden Fundamen-
talformeln sin a: sin b = sin a: sin ß und cos a = cos b cos c —
sin b sin c cos a basirt und in eleganter sorgfältiger Weise be-
handelt.
Von des Verf. 'Sammlung trigonometrischer Aufgaben' liegt zu-
nächst nur das erste Heft (rein mathem. Aufgaben) vor, klein an Umfang
(6 Bogen), sehr reich an Inhalt. Auf den ersten Seiten findet man
eine Reihe Zahlenbeispiele für die Berechnung des Dreiecks und Vier-
ecks; daran schliefst sich circa ein halbes Hundert trigonometrischer
Beziehungen, die zwischen den Seilen, Winkeln, Höhen, Ilöhenab-
schnitten, Berührungskreisen, dem Höhendreieck u. s. w. statt finden,
woraus dann wiederum allerhand verschiedene Bestimmungen des
Dreieckes hervorgehen. Als besonders gelungen mufs Ref. die §§. 9
und 10 bezeichnen, in denen der Verf. seine bisherige Weise, blofsc
Resultate anzugeben, verläfst und vollständige Auflösungen mittheilt.
§. 9 (S. 25 — 62) enthält 25 geometrisch-trigonometrische Aufgaben
(wie z. B. aus zwei Winkeln und der Summe ihrer Gegenseiten ein
Dreieck zu construiren) ; jede Aufgabe ist dreimal behandelt: rein
geometrisch-constructiv, trigonometrisch auf Grund der vorigen Con-
gtruction, endlich rein analytisch-trigonometrisch. In §. 10 geht der
GaUeukamp: Sainiiiluiig' Irigonometrisclier Aufgaben. 53
Verf. den umgekclirten Weg, er löst nüinlich 15 ähnliclie Aufgaben
zuerst rein analytisch und leitet daraus die geometrische Construction
ab. Bei dem Mangel an Saainiliingen in diesem Sinne würde schon
eine schwache Abhülfe desselben Dank verdienen, um so mehr der
Verf., der viel und dies in sehr eleganter Form gibt. Den Beschlufs
machen rein geometrische und sphaerisch- trigonometrische Aufgaben
in gleich gelungener Darstellung. — Hef. scheidet vom Verf. mit dem
^^'unsche, dafs den ^Elementen der Mathematik' die verdiente Aner-
kennung werden und dafs das zweite Heft der ^trigonometrischen Auf-
gaben' baldigst in die Oelfenllichkeit treten möge.
Dresden. Oskar Schlönülch.
Der nagende Wurm der heutigen Gesellschaften oder das Hei-
denlhum in der Erziehung. Von J. Gaumc, Generalvlcar von
Nevers, Doctor der Theologie der Universität zu Prag, Mitglied
der Akademie der kathol. Religion in Korn und der Akademie der
Inschriften und schönen Wifsen.schaften in Besanfon u. s. w. Ein
Gegenbild zur Geschichte der häu.slichen Ge.seilschaft oder Ein-
flufs des Christe'ithuiii.s auf die Familie. Eingeleitet von Goussct,
Cardinal und Erzbischof zu Reims (sie). Motto: Infandorum
cnim idolorum cultura, oinnis mali causa est, et initium et finis.
Sap. XIV, 27. Aus dem Französischen. Regensburg 1851. 8.
Die schönen Tage von Aranjuez sind auch für die Phiiologie
vorüber; sie hat nicht nur aufgehört , Vehikel und Hebel zu höhern
Staatsämtern zu sein, wie zu den Zeilen, wo das Lateinische noch
Hof- und Diplomatensprache war, sondern angegrilfen, verkannt, ge-
schmäht, verdächtigt ist sie zum Ambos geworden, auf den man von
allen Seiten losschlägt, während sie Jahrhunderte lang Iheilweise der
Hammer war, und mit Maria Stuart kann die Alterthumswifsenschaft
sagen: ^ das schlimmste weifs die Welt von mir; doch bin ich befser
als mein Huf.' Von drei Seiten vorzüglich gehen die AngrilFe aus, die
man gegen den flumanismus richtet, von den Radicalen, den Industriel-
len und den Theologen. Die Kadicalen betrachten sie als ein Haupt-
hindernis zur Erreichung ihrer unlaulern Pläne und würden, wejin
sie in dem verworrenen Jahre 1848 den Sieg davongetragen hätten,
die Leetüre der alten Autoren nach kurzem Processe völlig aus den
Schulen verbannt haben. Die feindselige Stimmung von dieser Seite
gegen die Alterthumswifsenschaft, die Gelehrsamkeit und das Profes-
sorenthum klingt wohl jedem noch genugsam in den Ohren , so dafs es
der Zeugnisse nicb.t bedarf; wir wenden uns daher zu den Industriellen,
die sich erst kürzlich wieder aus Dortmund vernehmen liefsen , ein
Actenstück welches die Elberfelder Zeitung ein amtliches nennt und
54 Gaume: der nagende Wurm der heutigen Gesellschaften oder
mit goldener Schrift in den vaterländischen Zeitschriften abgedruckt
wifsen will*). Da uns goldene Schrift nicht zu Gebote steht, so blei-
ben wir bei unsern Farben und lafsen dasselbe schwarz auf weifs fol-
gen: * Welche Schande für uns, dafs ein Auslander, der das märkische
(Grafschaft Mark) Kohlengebirge bereiste, zuerst den Kohleisenstein
entdeckte, während gewisse Bergbeamte sich nun damit entschuldigen,
der Eisenstein hier käme in einem andern Habitus vor, und wäre da-
her nicht erkannt worden. Ja, es müfsen bald Uevolutionen in der
(s2c) Erziehung und den Unterricht kommen, soll es bei uns befser
werden. Wozu die vielen Studien an den todten Sprachen, während
man die lebenden links liegen läfst und die ßrodwifsenschaften: Che-
mie, Physik, Mathematik, 3Iineralogie u. s. w. vernachläfsigt, woran
die Geisteskräfte genug zu üben sind' u. s. w. So wenig der Unter-
richt im Stande sein wird, nach dem gegenwärtigen, den Idealismus
der Gymnasialbildung mit Recht festhaltenden Lehrplane den Wün-
schen dieser Praktiker ganz zu entsprechen, so läfst sich doch nicht
in Abrede stellen, dafs etwas wahres darin liegt und, so weit es mit
dem Zwecke der Erziehung vereinbar ist , dem auf den praktischen
Nutzen gerichteten Bedürfnisse wird Rechnung getragen werden mü-
fsen. Wie oft wird der naturhistorische Unterrieht noch als eine Art
Ballast des Gymnasiums betrachtet, welchen man der ersten besten
Schulter aufladen zu können meint, die ihn gerade zu tragen bereit
ist! Auch verdient der reale BildungsstotT, der in den alten Autoren
liegt, mehr Berücksichtigung. Zwar ist im ganzen anzuerkennen, dafs
die ausschliefslich formalistische Behandlung der Classiker, wie sie
früher üblich war, einer geistigern und mehr auf den Inhalt gerichte-
ten Auffafsung Platz zu machen anfängt. Doch heifst es auch hier:
naturam expellas fiirca, tarnen usque recurret. Dies nur beiläufig,
um unsere Leser von neuem an die Forderungen des Lebens zu erin-
nern, die nur zu leicht vom Schulstaube überweht werden.
Am gefährlichsten aber können dem Studium der classischen
Sprachen uudLitteraturen werden die neuerdings von Seiten einer (wie
man sagt, gallicanisch gesinnten) Fraction des französischen Klerus
gegen die Leetüre der heidnischen Autoren erhobenen Angrilfe. Die
Veranlafsung dazu gab das neue französische Unterrichtsgesetz, wel-
ches darauf abzielte, die humanistischen Studien in den französischen
Gymnasien zu beschränken. Zwar ist dasselbe vorläufig von dem Mi-
nister des öffentlichen Unterriclits wieder zurückgezogen worden, um
einigermafscn modificiert zu werden; das Princip des Gesetzes aber
hat innerhalb der katliolischen Kirche einen Streit hervorgerufen, des-
sen Acten noch nicht geschlofsen sind und dessen Widerhall in den
kirchlichen Organen Deutschlands nur zu vernehmbar ist. Namentlich
hat es der Verf. der obigen Schrift übernommen, alle Vorwürfe, die
nur jemals dem Humanismus gemacht worden sind oder gemacht wer-
den können, zusammenzustellen und in mafsloser Uebertreibung Ge-
0 s. Schle.si.sche Zeitung 1852. Nr. 239.
(las IlcidciUliiiiu in der Erziehung. 55
faiiren aus demselben ahziileileu, dafs, wenn nur der liundcrisfc Tlieil
davon walir wiire , kein mit der .liiyend und der (jesellscliall es gut
meinender l'aedaf>08e die I5eilielial(un<>' der classisclien Studien wün-
schen könnte. Um dieses üillieil zu hegründen, \volleu wir aus der
uns vorliegenden Schrift charakteristische Stellen hervorheben, aus
denen die Ansicht des entweder in einseiliger Befangenheit feslgerann-
len oder von Parlcitendenzen blindlings forlgerifsenen Verf. unzwei-
deutig hervorgellt, um dann ein Hesunie des gefiilirlen Streites anzu-
knüpfen und schliefslicii unsere aus der Gescliichle der Erziehung so-
\>ie ans praktischer Erfahrung geschöpfte Ansicht über den Angel-
punkt der Controverse hinzuzufcigen. Dem Buche voran geht eine
Zuschrift des Cardinais T. Gousset, Erzbischofs zu liheims, an diin
Verf., worin derselbe seine volle Zustimmung zu den vom Verf. dar-
gelegten Ansichteu erklärt und anerkennt, dafs der seit mehreren
Jahrhunderten fast ausschliefsliche Gebrauch der heidnischen Schrift-
steller in den Schulen einen verderblichen Einllufs auf die Erziehung
der Jugend und auf den Geist der heuligen Gesellschaflen ausgeübt
habe. Nachdem der Verf. hierauf in dem Vorwort (S. I — X) die Krank-
heiten geschildert, an denen die Gesellschaft leide und die uns an
einen gähnenden Abgrund geführt, empUehlt er in lebhafter Darstel-
lung als das einzige Midel dagegen die Ciirislianisiernng des Unterrichls
und die Verdrängung des llcidenthums in der Erziehung durch das
Christenthum. ^Man mufs die Kette des katholischen Unterrichls wie-
der anknüpfen, weiche olTenbar, frevelhaft, unglücklicher Weise vor
vierhundert Jahren in ganz Europa zerrilsen worden. ' Hierauf wen-
det er sich zum eigentlichen Gegenstände, den er S. 1 — 275 in drei-
fsig Capiteln behandelt, und sucht den Beweis zu führen, dafs das in
den gelehrten Unterricht seit der Heformalion aufgenommene Studium
der allen Autoren ^ der nagende Wurm der heuligenGesellschaflen' sei.
Zunächst weist er (Cap. l) behufs Feststellung des Problems dar-
auf hin, wie Eluropa während der ganzen Dauer des Mittelalters sich
voll Ehrfurcht und Unterwerfung gegen die Kirche zeige, mit dem
15. Jahriiundert dagegen die Alleinherschaft des Katholicismus ab-
nehme und die kindliche Unterwerfung der Könige und der Völker
sich vermindere. 'Das 16. Jahrhundert hat kaum begonnen, so erhebt
sich aus der Zelle eines deutschen Mönchs eine Stimme, das mächtige
Organ der schuldvollen Gedanken, die in den Seelen gähren ; diese
Stimme sagt: Nationen, trennt euch von der katholischen Kirche, Hiebt
Babylon; Völker, zerreifst die Gängelbänder eurer Kindheit, nunmehr
seid ihr stark genug, aufgeklärt genug, um euch selbst zu lenken.'
Dieser Bruch daurc noch jetzt fort, obwohl die katholische Kirche
unverändert in ihrer Lehre von Bellarmin bis Bossuet bewiesen habe,
dafs sie immer die Quelle des Lichts und der Wifsenschaft sei und
das protestantische Trincip samt den Gründen, welche dem Bruch zum
Vorwaud dienten, in Dunst aufgelöst habe. Da nun (Cap. 2 und ^)
die Meinungen und die Sitten der Menschen von der Hlrziehung aus-
gehn und die unchristliche llichtung der Gegenwart nur davon her-
56 Gaume: der nagende Wurm der heuligen Gesellschaften oder
rühre, dafs man seit dem 15. Jahrhundert die Kinder in einen lieidui-
schen Model giefse , so könne die Gesellschaft nur dadurch gerettet
werden, dafs man an die Stelle des heidnischen Blodels einen christ-
lichen setze. '^ Seit dem Anfange dieser Debatte werfen die Univer-
sität und der Klerus einander Anklagen Avie Kugeln zu. Ihr verderbet
die Jugend mit eurem philosophischen Rationalismus, sagt der Klerus.
Ihr verdummt sie durch euren religiösen Dogmatismus, entgegnet die
Universität. Dann kommen die Vermittler, welche sagen: die Religion
und die Philosophie sind Schwestern. Lafset uns die freie Untersu-
chung und die Autorität vereinigen. Universität, Klerus, abwechselnd
habt ihr das Monopol gehabt; theilt es und macht dem Streit ein
Ende. Wir haben den ehrwürdigen Bischof von Langrcs die Univer-
sität so anreden hören: Du hast uns die socialistische Generation des
Jahres 1848 gegeben. Und Ilr. Cremieux machte dagegen schnell den
Vorwurf: Ihr habt die revolutionäre Generation des Jahres 1793 er-
zogen' (S. 24). Der Einwurf der Vertheidiger der classischen Stu-
dien, die Veränderung des 3Iodels sei nicht so vollständig gewesen,
wie er behaupte, veranlafst den Verf., in Cap. 4. 5. 6 und 7 eine
kurze Geschichte des Unterrichts zu geben. Er theilt diese Geschichte
in drei Epochen: l) von der Predigt der Apostel bis zum Ende des
5. Jahrhunderts, während welcher der Kindheit ausschliefslich christ-
liche Bücher in die Hände gegeben und die Jugend mit dem Lesen der
heiligen Bücher , der Acten der Märtyrer und der Briefe der Ober-
hirten genährt wurde. Der Besuch der heidnischen Schulen, das Lesen
der heidnischen Werke begann erst in einem vorgerücktem Alter
nnd nachdem das Kind mit besten Praeservaliven ausgerüstet war.
(Geschieht dies nicht noch jetzt?) Für die Jünglinge und nur für
sie waren die heidnischen Classiker. (Ist es denn heutzutage anders ?)
Und welches war der Zweck, indem man den jungen Christen ge-
stattete, die Werke der Heiden zu lesen und ihre Schulen zu besu-
phen? 'Es handelte sich nicht um den kindisclien Vortheil, Rhetoren
oder Akademiker zu bilden, sondern darum l) die Geschichte ihres
Landes und der übrigen Völker kennen zu lernen , deren Archive von
heidnischen Händen geschrieben, ausschliefslich in der Gewalt der
Heiden Maren; 2) sich in die Künste, in die physischen, Natur-,
medicinischen Wifsenschaften einzuweihen; 3) dem Christenlhum, dem
Erben aller Dinge, die Wahrheiten zurückzugeben, welche das Hei-
denthum, dieser verwegene Usurpator, sich angeeignet, und die es,
ein ungetreuer Verwahrer der ersten Traditionen, entstellt hatte; 4) sich
nachdem Beispiele des heil. Paulus der Grundsätze, der Beispiele,
der Autorität der heidnischen Dichter, Weisen und Pliilosophen zu
bedienen, um sich entweder zur Ucbung einer Tugend zu ermuntern
oder die Wahrheiten und Vorschriften des Glaubens der Vernunft zu-
gänglicher zu machen; 5) die Irthümer der Heiden, ihre Vorurlheile
gegen das Christenthum, ihre Beweisführungen für die Abgötterei, die
Einwürfe und die Systeme der Philosophen recht kennen zu lernen,
um sie gründlich zu widerlegen nnd oft selbst mit ihren cigiien V.affcn
das Heidenlhum in der Krzieliung. 57
zu schlagen.' (Gelten diese Motive i'dr das Studium der Classiker
heute nicht mehr?) In der zweiten E|)oche vom 6. Jahrh. bis zur
Mitte des 15. Jahrh. habe man bei der Erziehung der Jugend von den
heidnischen Autoren nur auf eine sehr untergeordnete Weise Gebrauch
gemacht. Drei grolse Kiimpfer , derb. Chrysostomus, der h. Iliero-
nymns, der h. Augustin gaben der Nachwelt das Zeichen, die Tempel
der Wifsenschaften Griechenlands zu verlafsen und die Jugend aus-
schliefslich an christlichen Autoren zu bilden. Bei dieser Gelegenheit
preist der Verf. besonders die Latinität Gregors des Grofsen, 'die
sich so sehr durch Deutlichkeit und Klarheit, durch Keichthum, Ein-
falt, Salbung, Eleganz auszeichnet und von der heidnischen lateini-
schen Sprache ebenso verschieden ist wie der Tag von der Nacht.'
Der Verf. sucht nachzuweisen, dafs die gelehrte Gesellschaft im Mit-
telalter die heidnischen Autoren kannte, studierte und schätzte; dafs
aber jene ausgezeichneten Talente, welche während der Periode des
Mittelalters und darüber hinaus das Scepter der Gelehrsamkeit so hoch
und so fest gehalten haben, die Sprache, die Poesie, die Sculptur,
die Architectur der Heiden nicht nachgeahmt hätten, "^weil sie zu viel
guten Geschmack hatten, um eine Form zu erneuern, welche mit
dem Gedanken, den sie bekleidet, sich abgenutzt hatte.' Der Verf.
kommt hierauf zu der dritten Epoche der Erziehung, der sogenannten
Wiedergeburt der Wifsenschaften, 'dieser unerhörten Revolution,
deren unselige Folgen wir noch heutzutage erfahren.' Nach der Dar-
stellung des Verf. erscheint es geradezu als eine seltsame Laune
der damaligen Menschen, denen die 'in den Augen der Vernunft und
des Glaubens so vollkommen logische Ordnung das Unglück hafte zu
misfallen', dafs sie, ' die zu viel guten Geschmack hatten',
um die alte Kunst nachzuahmen, auf einmal mit begeistertem Ent-
zücken den neuen, aus dem eroberten Konstantinopel geflüchteten
griechischen Lehrern lauschen. ' Man sieht nunmehr die Heiden lioms
und Athens; man verschlingt ihre Werke: man erhebt sie bis zu den
Wolken!' (Woher mochte nur so 'schlechter Geschmack', so wun-
derlicher Heifshunger kommen in einem Zeitalter, an dem der 'Wurm'
des Hrn. Gaume noch nicht genagt, das so ganz ohne heidnische Clas-
siker erzogen war?.') Im 8. und 9. Capitel führt der Verf. Stellen von
Kirchenvätern an, worin gegen die Lesung der heidnischen Autoren
mit der Jugend geeifert wird, denen sich eine noch weit gröfsere
Blumenlese von das Studium der alten empfehlenden Aeufserungen
heiliger Väter gegenüberstellen läfsf, und rühmt den im iMittelalter be-
obachteten, von P. Possevin bestätigten Gebrauch, den Kindern nur
die Acten der Märtyrer, die Leben der Heiligen, die Schrift und die
Väter in die Hand zu geben , w onach sie unter der Leitung erleuchte-
ter und christlicher Lehrer nicht blofs ohne Gefahr, sondern auch mit
Nutzen die profanen Autoren studieren könnten. Hierauf beleuchtet
der Verf. (Cap. 10 und 11) den Einflufs des classischen Ileidcntluims
auf die Litferalur und findet, dafs diese nicht nur eine nachlheiligc
Veränderung der Form erlitten , sondern auch ihre Heize und ihre Po-
58 Gaumc : der nagende Wurm der heutigen Gesellschaften oder
pularität eingebiifst habe und tief in ihrem Geiste dadurch verderbt wor-
den sei. ^Zwar Iiatto Boccaccio im 15 Jahrh. die schmutzige Fahne des
Heidenduinis wieder aufgepflanzt. Da er sich selbst mit den alten Au-
toreu , namentlich mit Homer und Meuander genährt, so hatte er in
ihrer Schule heidnisch leben gelernt. Die aus iliren Schriften ge-
schöpfte Verdcrblheit verbreitete er stromweise in seinen Werken.
Doch der allgemeine Einilufs des christlichen Geistes war damals von
der Art, dafs er, von Reue ergriiren , selbst sein Decameron und seine
übrigen schlüpfrigen Werke öffentlich verbrannte.' Der heidnische
Einflufs zeige sich in der ganzen Denk- und Ausdrucksweise der da-
maligen Zeit. Mk'mbo lafst in seinen Briefen Leo X sagen: se deorum
immovlalium decrelis factum esse poiitificem. Anderswo nennt er un-
sern Herrn Jesus Christus einen Heros, heroein^ und die h. Jungfrau
deniii Lduretanam; den Glauben — Ueberredung, persiKisionein; die
Excommunication — iriterdictionem aquae et. ignis. Andere nennen
die hehre Maria spes deorum; den Himmel Olympus ; die Hölle Erebus;
die Seelen der gerechten manes pios ; die Priester flamines ; die Bi-
schöfe arvhiflamines; die grofsen religiösen Feierlichkeiten lectister-
nia ; die Messe sacra deüm ; die Statuen der Heiligen simulacra
sancta deorum. Sannazar und Vida, die zwei ausgezeichnetsten Lit-
teraloren dieser Epoche, vermischen in ihren Gedichten de Partii Vir-
ginis und Chrislias die erhabensten Wahrheiten des Glaubens und die
Albernheiten der Fabel auf eine ebenso unanständige als lächerliche
Weise.' Kurz unter dem Einflufs des classischen Heidenlhums habe
die moderne Litteratur den christlichen und nationalen Charakter ver-
loren; statt originell und unabhängig zu sein, sei sie eine knechti-
sche Nachahmerin; statt ein natürliches Prodnct zu sein, sei sie ein
Machwerk ohne Saft und Kraft, wie jene exotischen Früclite, die man
in Treibhäusern ziehe; statt das Organ des christlichen Spiritualismus
zu sein, sei sie nur zu oft der entartete Apostel des Sensualismus.
Ebenso nachtheilig schildert der Verf. den Einflufs des Wiederaufle-
bens der classisciien Studien auf die Sprache und die Kunst (Cap. 12
— 16). Er zählt unter anderm die Namen der 204 Galeeren auf, die
im Jahre 1571 im Golf von Lepanto vereinigt unter dem Commando
der Seemächte Europas die um sich greifende Macht des Isla-
misnius auf dem Dleere vernichteten, und findet darunter nur zwei
heidnische Namen, Diana und Sirene, während 68 derselben Na-
men von Heiligen führen. Von den 371 SchifTen dagegen, welche
die französische Marine vom Jahre 1846 zähle, führe kein ein-
ziges den Namen eines Heiligen, während 95 eclit heidnisch oetauft
seien. Kurz Spraclie, Kunst und Wifsenschaft hätten zuglcicii mit
der Litteratur eine heidnische Richtung genommen und selbst Rom
habe die heidnischen Götzen angebetet, wovon der Verfafser nach
Winckelmanns Gcschichle der Kunst ein Beispiel anführt, das wir uns
nicht versagen können herauszuheben, weil es so grell mit der g-cgen-
wärligen Schätzung der AKerthuniswifscnschaft contrasliert: Maines
Tages kündigt man an, dafs Arbeiter in der Umgebung der sieben
(las Hcidciilhiim in der Eizieliung. 59
Säle citic Mannorgriippo von lii;rliclior <>riecliischer ßildliaiierarhcit
aiirgel'uiulcu. Bei dieser Kunde eilen die Kiinsller und die Gelolirtcii
in die Gärlen des Tiliis. Sie erkennen den Laoivoon, wie ilin Plinius
besehrieheu: die Begeisternno- lial ihren iiöclisten Grad erreieiit. Am
Abend läuten alle Glocken der Kirchen, um die glückliche Entdeckung
zu verkündigen. Die Dichter schlai'en nicht während der Nacht; sie
verfertigen Sonnettc, Hymnen, Canzoni, um die Wiederkehr des anti-
ken Meisterwerks zum Lichte zu begrüfsen : am andern Tage war ganz
Rom in festlicher Bewegung. Die Statue zielit mit Blumen und Grüii
geschmückt, beim Schall der Musik durch die Stadt; die Damen sind
an den Fenstern, klatschen mit den Händen; die Priester, in Reihen auf-
gestellt, entblöfsen sich beim Anblick des Meisterwerks: das ganze
Volk ist auf den Strafsen , begleitet mit seinen fröhlichen Liedern den
Laokoon, der triumphierend im Capitol einzieht. Die Statue wird auf
ihr Piedestal gesetzt; jetzt zieht sich Julius II in seine Gemächer zu-
rück und nun beginnt ein neues Fest, avo der Cardinal Sadolet, das
Haupt mit Lorbeer gekrönt, das glückliche Ereignis in einer Ode be-
singt, welche alle Humanisten auswendig können. Am Abend fand
Sadolet auf seinem Zimmer ein schönes Manuscript Piatos: es war ein
Geschenk des Papstes.' In der That, "^ die reine Milch, woran das
Mittelalter sich genährt hatte'', muste doch recht sauer geworden
sein, dafs sogar Papst und Cardinäle '^ das schmutzige Heidenthum'
so schön fanden, 'das heidnische Gift' mit solcher Gier einschlürf-
ten. Allerdings erscheint uns jetzt eine solche Begeisterung übertrie-
ben, und wie alle Uebertreibung ist auch die Ueberscbätzung des clas-
sischen Alterthums, besonders weil sie sich gleicligiltig oder gar
feindselig gegen das Christenthum gebährdeto, zu unserer Zeit in ihr
Gegentheil umgeschlagen. Aber was läfst solche Verehrung des clas-
sischen Alterthums bei den obersten Hütern des h. Graals, hinsicht-
lich der voraufgegangenen Bildungszustände nicht alles voraussetzen,
auch wenn die Geschmack- und Formlosigkeit der damaligen Schola-
stik (der wir übrigens ihre religiöse Tiefe unverkümmert lafsen) nicht
schwarz auf weifs vor uns läge?! Man sieht eben, dafs jede Ueber-
treibung, wie alles Unrecht, sich selbst straft, und wenn Hr. Gaumo
einen Fenelon tadelt, weil er in übrigens ganz milden Ausdrücken die
griechische Architektur über die gothische und die griech. Poesie über
die christliche stellt (S. 132), welche Rüge verdient er selbst, der,
ohne irgend ein Mafs zu kennen, in crassester Weise das classische
Alterthum, welches Gott ebenfalls gewollt hat, weil er es zugelafsen,
schmäht und seinen Einthifs dermafsen verderblich darstellt, dafs, wenn
er Recht hätte, jeder wohldenkende Gott einen Dienst zu tbun glauben
müste, jegliche Spur desselben auszurotten? Gewis Hr. Gaume be-
weist eben nur in eigner hochwürdiger Person, wie sehr ihm selbst
etwas von dem vielgeschmähten 'Heidenthum' nolh tliut, ich meine
jenes griechische Mafs, das jedes an seine Stelle setzt und nach
dem Werthe schätzt, den die göttliche Vorsehung in ihrer ^^'eisheit
ihm verliehn und hineingelegt hat! Denn wie kann er es vor dem
60 Gauinc: der nagende Wurm der heutigen Gesellschaften oder
Richterstuhle der Wahrheit verantworten, wenn er sagt: * alles kalt-
blütig und leidenschaftslos (?) geprüft, war die Renaissance nichts
anderes als die ^^ iederbelehung des Heidenthums in der Kunst wie in
der Wifsenschaft und die Zerstörung des Chrisfenlluims in der Kunst
wie in der Wifsenschaft; die Hächung des heidnisclien Sensualismus,
der einst vom christlichen Spiritualismus überwunden worden, ein
unermefslicher Rückschritt und kein unermefslicher Fortschritt; eine
Quelle des Irthums und der Schande für Europa und keine Quelle des
Lichts und Ruhmes.' So weit haben wir es für nölliig gehalten, den
Verf. Schritt für Schritt zu begleiten; derselbe entwirft nun noch
(Cap. 15^ — 25) ein crasses Rild von dem verderblichen Einfiufs, den
das classische llcidcnthum auf die Philosophie, die Religion, die Fa-
milie und die Gesellschaft geübt habe, und trägt kein Redenken, alle
Auswüchse, alle Krankheiten und Uebel, an denen die Gegenwart
leidet, den Socialismus und Communismus nicht ausgenommen, auf
Rechnung der humanistischen Studien zu setzen. Wir wollen unsern
Lesern die schwarzen Schatten dieses grellen Gemaides nicht vorfüh-
ren, da es immer einen widerwärtigen Eindruck macht, wenn man
einem einzigen und noch dazu untergeordneten 3Ioment Dinge zu-
schreibt, die ihre letzten Gründe in sehr vielerlei und sehr verschie-
denen Ursachen haben, zu deren Untersuchung hier nicht der Ort ist.
Wir wollen nur eine christliche Nutzanwendung auch von dieser An-
fechtung machen und uns fragen, ob der Humanismus solche Angriffe
nicht Iheilweise selbst verschuldet hat? Wir müfsen diese Frage mit
ja beantworten. Denn man hat vielfach die Vorliebe für die alten
Classiker zu weit getrieben, sie nicht nur als Muster des Geschmacks
und der schönen Form, sondern auch im ethischen als unübertrefilich
dargestellt, das Mittelalter, dessen religiöser Tiefe nnd Innigkeit un-
ser Zeitalter nicht das Walser reicht, sehr oberflächlich als eine Zeit
der Rarbarei und Finsternis und seine Litteratur und Kunst unver-
dienlerweise in Vergleich mit der Antike herabgesetzt. Und eben
deshalb ist die jetzige Generation des Klerus, welche zum grofsen
Theil unter solchen Lehrern ihre Bildung erhalten und nun zu befserer
Erkenntnis gelangt ist, als die ihrer Lehrer war, überaus übel anf
die Philologen im allgemeinen zu sprechen. Wir wollen über diesen
Punkt uns nicht weiter auslafsen, da er von uns bereits früher in die-
sen Blättern erörtert worden ist*) und da grelle »Verstöfse in dieser
Beziehung, so viel uns bekannt ist, jetzt nicht mehr vorkommen. Neh-
men wir uns die ältere Generation der Philologen vor Fr. A. Wolf
zum Muster, die gründliche Wifsenschaft mit frommem Sinne ver-
banden und heidnische wie christliche Classiker gleichmäfsig bear-
beiteten, z. R. einen Vittorino von Feltre, von dem Karl v. Raumer ♦*)
erzählt: Mlöchst sorgfällig überwachte Vittorino die sittliche Rildiing
und Aufführung seiner Zöglinge; unzüchtige Classiker durften nicht
♦) Archiv Bd. XIII S. 632 fgg.
+♦) Geschichte der Paedagogik. Ir Thl. S. 32.
das Ilcidenllnim in der Erziehung-. 61
gelesen Nverden; einzelne scliliipfrise Siellen übcrj^ieng oder nniscliricl)
er. Ein schlechter Mensch, gUuible er, könne nie ein vollkoniniencr
Gelehrter, noch weniger ein guter Redner sein. Es liege überli;iii|>t
mehr daran, gut zu leben als gut zu schreiben. Den Religionsunter-
richt ertheilte er selbst, ermahnte die Schüler zum Beten und be-
suchte täglich mit ihnen die Messe. Mit ascelischer Strenge scblofs
er sich jeden Morgen in sein Zimmer und betete kniend. Haulig beich-
tete er. Aul" alle Weise hall" er armen und kranken, gleichgiltig ge-
gen den Reichlhum. Kein Wunder wenn Yillorino nicht nur als Er-
zieher, sondern überhaupt in gröfster Achtung stand. Als Papst Eu-
gen IV von einem 3Iöuche gebeten wurde, sich in Vittorinos Anstalt
begeben zu dürfen, entgegnete er: Geh nur, mein Sohn! Gerne über-
lafsen wir dich dem frömmsten, heiligsten unter allen jetzt lebenden.
Bei grofser Miifsigkeit und unausgesetzten Leibesübungen, welche er
in Gesellschaft der Zöglinge anstellte, blieb Vittorino bis ins Alter
stets gesund. Er starb ohne Seufzer und mit heiterer Miene in seinem
68. Lebensjahre , 1446.' Und um auch das Beispiel eines reformierten
Philologen anzuführen : weht nicht überall in Isaak Casaubouiis"' un-
längst durch Hrn. Wiese in Deutschland bekannter gewordenen *)
Tagebuche der Geist wahrer Gottesfurcht und echter Frömmigkeit, mit
welcher es ganz übereinstimmt, dafs er sich in den letzten Jahren
seines Aufenthalls zu Genf vorzugsweise mit den Kirchenvätern und
überhaupt mit der Theologie beschäfligte?
Doch um wieder zu unserm ' nagenden W^irme' zurückzukehren,
so erhitzt sich Hr. Gaume im Fortgange seines Werkes in seinem anti-
humanistischen Eifer immer mehr, sein Ingrimm gegen die alten Clas-
siker sprüht zuletzt Feuer und Flammen, er würde, wenn ihm die
Macht zu Gebote stände, die ganze alte Lilleratur und Kunst mit allem,
was sich nach ihr gebildet, dem fanatischen Omar gleich in den Ofen
stecken und von der nach Gottes ewigem Rathschlufs vor sich gegan-
genen Entwicklung des Menschengeschlechts nur das Mittelalter ap-
probieren, wenn dieses nicht die Classiker durch Abschreiben ver-
vielfältigt hätte. Zuletzt macht er der heutigen Philologie und Pae-
dagogik noch einen Vorwurf, der auch anderweitig schon manchmal
erhoben worden und zu wichtig ist, um übergangen zu werden. Er
sagt S.258f. : 'Wir können nicht mehr lateinisch! das sagt die innerste
Stimme leise einem jeden von uns. Als wir die Schule verliefseu,
konnten kaum die stärksten eine Seite von Cicero oder Tacitus ohne
Lexikon lesen; gewis aber war kein einziger im Stande, auch nur das
kleinste lateinische Gespräch zu führen. Heutzutage isfs noch schlim-
mer. Wir können nicht blofs nicht mehr lateinisch reden und
schreiben, wir können nicht einmal mehr lateinisches beurtheilen.
Folgende Thatsache ist in ganz Frankreich bekannt. Im Jahre 1823
entdeckte der sehr gelehrte Cardinal Mai, Bibliothekar der Propa-
ganda, einen Theil der Republik von Cicero und liefs ihn drucken.
*) s. Zeitschr. für das Gymuasialwesen. V Jahrg. 1851 S. 273 ff.
62 Ganme : der nagende Wurm der lieuligen Gesellschaften oder
Einige Exemplare kamen nach Paris. Unter andern Personen , denen
sie znerst in die Ilande fielen, waren ein überzähliger Lehrer an einer
der grofsen Schnlen der Hauptstadt und ein Familienvater, dessen
Sohn eben diese Schule besuchte. Nun hatte es der Lehrer für gut be-
funden, eine wiedergefundene Seite von Cicero französisch zu über-
setzen und seinen Zöglingen als Aufgabe zu geben': er war vollkom-
men versichert, dafs keiner stehlen konnte. Der Vater untersucht zu-
fällig die Aufgaben seines Sohnes und findet diese Aufgabe, erinnert
sich, woraus sie genommen ist und dictiert selbst seinem Sohne die
lateinische Seite des Cicero. Die Abschrift wird mit den übrigen
Ausarbeitungen eingesammelt. Da der überzählige verhindert ist, so
corrigiert der ordentliche Professor die Aufgabe, ohne zu wifsen
woraus sie genommen ist. Nach einer reifen und gewifsenhaften Prü-
fung erkennt er, dafs fünf Zöglinge ein befseres Latein geschrieben
als der, welcher copiert hatte; so dafs Cicero nur der sechste in seiner
Classe ward!' Man sieht, der Verf. versteht es nicht nur die Classiker
anzuklagen, sondern auch die Lehrer derselben lächerlich zu machen,
eine WalFe die überall sehr wirksam und in Frankreich in der Regel
tödllich ist. Es konnte nicht ausbleiben, dafs eine Agitation gegen
die Leetüre der Classiker, wie die von Hrn. Gaume unternommene,
welche später durch eine zweite Schrift: 'Neue Briefe des Abbe Gaume
an den Bischof von Orleans', in der er alle Autoren die Musterung pas-
sieren lälst, noch weiter fortgesetzt wurde, in ganz Frankreich Auf-
sehn erregte, zumal da der 'Univers' und der 'Ami de la religion'
die Polemik gegen die Classiker wo möglich noch weiter als Hr.
Gaume trieben, und in diesem Streite den Bischof von Orleans Du-
panlup, einen Freund und Beschützer der classischen Studien, an-
grilfen , so dafs dieser den Zöglingen seines kleinen Seminars die
Leetüre des 'Univers' zu verbieten sich bewogen fand und sich für
Beibehaltung des bisherigen Unterrichtssystems aussprach. Die An-
griffe des 'Univers' giengen zum Theil auch in die deutschen Kirchen-
blätler über; wir heben daraus nur folgende Stelle hervor: 'Was ist
die Wifsenschaft unter dem neuen, so gerühmten Einllufse geworden?
Die heutige Philologie begnügt sich damit, griechische und lateini-
sche Silben zu sortieren, der Authenticität der Partikeln den Krieg
zu erklären und die nichtssagendsten Texte mit einer Legion von Va-
rianten zu bereichern. Dies Treiben ist nur lächerlich, wenn man will;
ernst ist dabei nur der Zeitverlust' (Schles. Kirchenblatt XVIII Nr. 28
S. 344). Dem Erlafs des Bischofs von Orleans trat der greise Bischof
von Chartres bei und motivierte seine Zustimmung durch eine sehr
ausführliche Erörterung, worin er den Verdacht ausspricht, dafs die
Agitation gegen die Classiker mit den Lamennaisschen Verirrungen in
geistigem Zusammenhange stehe. Der Bischof von Gap, Irenaeus, er-
klärte sich in einem originellen Schreiben für Einführung der christ-
lichen Autoren in einer billigen Proportion, ohne auf die Meisterwerke
von Athen und Rom zu verzichten, wenn sie von dem sorgfältig ge-
reinigt würden, was sie oft den guten Sitten und dem kalholischeu
das Heidenthiim in der Erziehung;. 63
Gl.iubon znuideiUiufondes cnlliiellen. In älinliclier Weise sprach sich
der Cardiiial-Erzhisciiüf, Hr. de Honald, über den Gebraucii heidni-
scher Classiker aus. Er erlilärt sich für BeihehalUing derselben, so
dafs aus ihnen das unsillliche entfernt, das lieidnische durch die Er-
klärung berichtigt, dafs sie überliaupt in chrisllicheni Sinne benützt
und dafs neben ihnen auch cliristliche Classiker cing'eführt uürden.
Der gefeierte Kanzclrcdner, P. Lacordaire, äufserte sich in einem Briefe
an den Abbe l.andriot folsjendermafsen über diesen Slreilpnnkt: ^^leine
Meinung ist, dafs das Studium der griechischen und lateinischen Clas-
siker unter den gebräuchlichen Vorsichtsmafsregeln zur Bildung des
Geschmacks nothwendig ist und dafs es die Gefahren nicht darbietet,
die man darin erblickt. Wenn eine christliche Erziehung den classi-
schcn Unterricht begleitet, zerstört sie leicht die falschen Ideen,
AA'eiche die jungen Leute aus dem heidnischen Alterthuni aufnehmen
könnten, und ich glaube, dafs unsere Generation ^veit mehr durch das
Lesen neuer Schriftsteller als durch das der alten verdorben worden ist.
Gott hatte, wie es scheint, die Griechen und Römer dazu bestimmt,
gleich den Juden, aber in anderer Beziehung, das Christenlhum vor-
zubereiten, und immer ist mir der Umstand merkwürdig vorgekom-
men, dafs die auf das Kreuz geheftete Inschrift in den drei Sprachen
abgefafst Mar, Avelche die Ueberlieferung der Kirche zum Gebrauche
der Christen beibehalten hat. Die Griechen und Kömer sind die ein-
zigen Völker der profanen Welt, denen die göttliche Vorsehung eine
Einwirkung auf die Kirche gestattet hat, und ich meine, dies sei in
besonderer Absicht geschehn, welche man durch die Ausschliefsung
ihrer Litteralur verkennen würde. Ohne Zweifel können sich dabei
Misbräuche einschleichen und Uebelstände daraus hervorgehn; aber
wenn man alles zerstören müste , was Uebel und Misbräuche erzeu-
gen kann, würde nichts auf Erden bleiben, nicht einmal die Reli-
gion'*). Der Erzbischof von Bordeaux, Cardinal Donnet, richtete
über die Frage in Betreff der heidnischen Classiker an den Bischof
von Orleans ein sehr ausführliches Schreiben, dessen Hauptinhalt fol-
gender ist: 'Nicht auf die \^'ahl der Bücher, nicht einmal auf die Wahl
der Methoden kommt das meiste an. Die wahre Gefahr und das wahre
Heilmittel liegt in der Wahl der Lehrer, welche die Bücher erklären
und die Methoden anwenden. Jeder weifs das und doch vergifst man
es zu sehr. Das beste Buch wird ein gefährliches Werkzeug in den
Händen eines schlechten Lehrers. Die beste Methode bleibt unfruciit-
bar bei einem ungeschickten Professor. Der kluge, unterrichtete und
eifrige Lehrer findet Perlen im Ennius. Von Bossuet, Fenelon , Rollin,
Bourdaloue erklärt, können die heidnischen Schriftsteller dazu mit-
wirken, ein gläubiges und erleuchtetes Geschlecht zu bilden. Von
ungläubigen Lehrern erklärt, würden die Kirchenväter und die heilige
Schrift selbst zu einem Text für Lästerungen und Gottlosigkeiten wer-
den. Hat man Voltaires 'Die Bibel endlich erklärt' und seine ' Ge-
*) Deutsche Volkshalle 1852. Nr. 208.
64 Gaume : der nagende Wurm der liciiMgen Gesellscliaflcn oder
schichte der Gründung des Christcnllunns ' vergefsen? Behalten wir
die heidnischen Schriftsteller für alles, was sich unanstöfsiges und
beredtes bei ihnen findet; bedienen wir uns der christlichen Schrift-
steller in allem, was sie einfaches, grofses und erhabenes enthalten,
aber vor allem wählen und bilden wir Lehrer. — Die Jugend er-
ziehn, heifst die Zukunft des Landes sichern. Die Kinder lehren, Gott
zu dienen und dem Berufe zu genügen, den ihnen die Vorsehung an-
gewiesen hat, das mufs das Ziel unserer Bemühungen sein, und dieses
steht über allem Streit, über allem Zweifel, es ist allein nölhig: in
iiecessartts unitas. Wenden wir, um dieses Ziel zu erreichen, alles
an, was Gott dem Menschen zur Verfügung gestellt hat, benutzen wir
alle guten Methoden, bedienen wir uns des profanen und des heiligen,
des wahren überall, wo es sich findet, des schönen, wo es auch sein
mag; lafsen wir jedem Freiheit in Bezug auf die Mittel, wenn er nur
nach demselben Ziele strebt: in duhiis libertas. Und bei diesen Me-
thoden, bei diesen verschiedenartigen Bemühungen, bei dieser freien
Concurrenz bleiben wir vereinigt durch die Bande der Liebe, durch
aufrichtige und gegenseitige Nachsicht, durch echt christliche Unter-
stützung: in Omnibus Caritas' *). Indem wir von diesen den Werth
und die Unentbehrlichkeit der classischen Studien anerkennenden Er-
klärungen erleuchteter und frommer Kirchenfürsten und Kanzelredner
gern Act nehmen, bemerken wir, dafs auch Hr. Lenormant in Artikeln
des 'Correspondanl' und Hr. Abbe Landriot in seinen Conferences und
in seiner Broschüre Recherches litteraires gegen Hrn. Gaume aufge-
treten sind. Sie bestreiten zwar nicht den Hauptsatz desselben, indem
auch sie mit Recht wünschen, dafs die christlichen Schriftsteller des
Alterthums nicht von der litterarischen Erziehung ausgeschlofsen wer-
den, dafs die heidnischen Schriftsteller nicht die einzigen Paedagogen
der Jugend seien. Der Streit ist nur der: Hr. Gaume verlangt, die
heidnischen Schriftsteller sollen der Jugend erst dann in die Hand
gegeben werden, wenn sie schon im Christenthum erstarkt ist, und
die christlichen Schriftsteller sollen einen überwiegenden Anlheil an
der Erziehung der christlichen Generationen haben. Die beiden
Gegner aber wollen von den niedern Classen bis zu den höhern die
heidnischen und die christlichen Schriftsteller neben einander her-
gehen laisen und der historischen Entwicklung gemäfs den heidnischen
die erste, den christlichen Schriftstellern die zweite Stelle anweisen.
In Deutschland hat der in Frankreich geführte Streit theils in Zei-
tungen theils in den verschiedenen kirchlichen Organen seinen Wider-
hall gefunden; neuerdings hat Hr. Bufs**) nach übersichtlicher Er-
wähnung der verschiedenen über diesen Gegenstand gewechselten
Streitschriften seine Meinung dahi« abgegeben: 'Weil der Unterricht
*) Deutsche Volkshalle 1852. No. 162.
**) Die Reform der katholischen Gelehrten -Bildung in Deutsch-
land an Gymnasien und Universitäten; ihr Hauptmittel die Gründung
einer freien katholischen Universität deutscher Nation. Schaffhausen
1852. S. 72 f.
das Heidenlliuni in der Erzicliiing. 65
nach den Allem des I-ebcns crllieill werden soll, so glaube ich, dafs
von uiileri hiiiaul" die Parallele des clirislliclien und des heidnischen
Elemenls g-eführt >verden muls. Die Hauptsache ist: das heidnische
Elemenl muls von dem chrisllichcn überwunden werden, d. h. die
Schönheit der Form soll aus der heidnischen Lilleralur gewonnen, sie
selbst aber soll mit christlichem Inhalt erfüllt werden. — Das Studium
der herlichen Denkmale des christlichen Alterthums ist daher als
sachliches mit dem Studium des in der Schönheit vollendete Formen
bietenden heidnisciicn Alterthums zu verbinden.' Ein ollenbar aus
gewandter diplomatischer Feder gellofsener Aufsatz in den historisch-
politischen Blättern*), betitelt: ^Classisches Alterthum und Philologie
und ihr Verhältnis zu Christenthum und christlicher Erzieiiung' er-
klärt sich gegen die von den Gegnern des classischen Alterthums zu-
mal in so leidenschaftlicher Art geltend ge/nachte Einseitigkeit, mit
welcher dieselben einen Factor der neuern Geschichte für das allein
bewegende Princip nehmen und ohne die mitwirkenden Factoren und
Umstände zu beachten, mit und unter welchen die ^^'elt der Griechen
und Homer für Leben und Wilsenschaft neue Bedeutung erhielt, das
Alterthum und die Wifsenschaft desselben blindlings verdammen.
Darauf hinweisend, wie der altern Schule der Philologen, einem Erasmus
und Justus Lipsius es nicht eingefallen sei, die antike Welt über die
christliche zu setzen und an jener die Feindschaft gegen diese zu ent-
zünden, dieselben vielmehr das Beispiel geliefert hätten, wie Geist
und classische Bildung mit frommer Gottesverelirung wohl vereint sein
könne, datiert er die Ueberschätzung des classischen Alterthums und
die dem Christenthume feindselige Bichtung der Philologie von Fr. A.
Wolf, dessen Ansichten bis auf den heutigen Tag sich fortgepflanzt
hätten. Denn wenn auch Böckh die Aufgabe der Philologie tiefer er-
fafst und v. Lasaulx die dunkelsten und geheimnisvollsten Begionen
der alten Welt mit der Fackel unvergänglichen Lichtes erleuchtet habe,
so gehe doch die Mehrzahl der Philologen in ihrer Totalanschauung
der antiken Welt nicht über W'oW hinaus oder huldige wenigstens in
Ansehung der Hauptfragen denselben Principien. Als Beleg wird ein
Citat aus Bernhardys Grundrifs der griech. Litteratur (1. Th. S. 126)
angeführt. Dessenungeachtet könnten bei tieferer und wahrhaft histori-
scher Auffafsung und Betreibung des Alterthums Theologie und Philo-
logie aus erbitterten Feinden wieder hilfreiche Freundinnen werden.
'Wie Berg und Thal zu einander gehören und eines Theils die Kennt-
nis der niedern Gegenden erst durch den Ueberblick von der Höhe wie
abgerundet wird, andern Theils aber die Aussicht von oben vollen
Genufs und Belehrung nur demjenigen gibt, der die untern Partien schon
durchstreift hat, so wird auch die antike Welt, von der Höhe des
Christenthums aus betrachtet, erst in allen ihren Beziehungen dem
Auge des Geistes erschlofsen werden, und umgekehrt der christliche
Glaube, der christliche Cullus, die christlichen Lebensordnungen durch
*) 30. Band. 2. Heft. S. 91 — 105.
^. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Hd. LXVII. Hfl. I. 5
66 Ganme: der nagende Wurm der heutigen Gesellscliaften oder
die klar erkannten Analogien und Gegensätze des classisclien Heiden-
Ihums an Verständnis, Achtung uud Bewunderung gewinnen.' Schliefs-
lich weist derselbe entschieden das Vorhaben zurück, die Schriften
der heiligen Vater an die Stelle der heidnischen Autoren zu setzen,
stimmt jedoch gern denen bei, welche jenen neben diesen den
Zugang auf den Gymnasien verschaffen möchten. Wer cinigermafsen
mit den heiligen Vätern bekannt sei, müfse sie als die vom heiligen
Geiste erlenchteten und erfüllten Interpreten der christlichen Religion,
als die sichersten Führer zur Erkenntnis ihrer göttlichen Wahrheilen
anerkennen und es von ganzer Seele bedauern, dal's Jünglinge, welche
der höchsten wifsenschaftlichen Bildung entgegenstreben, mitten in
der Kirche mit den Schätzen der Kirche unbekannt blieben oder wohl
gar gewöhnt w ürden, mit vornehmer Verachtung an ihnen vorüberzu-
gehn. Doch dürfe man sich der 3Ieinung nicht hingeben, die Schriften
der heiligen Väter könnten mit Nutzen gelesen und nach Form und
Inhalt der Jugend vermittelt werden, ehe dieselbe an den griechischen
und römischen Schriftstellern die betreffenden Sprachen erlernt und
eine tüchtige Gymnastik des Geistes erfahren habe.
Es bleibt uns noch übrig, unsere Ansicht über die Frage hin-
sichtlich des Gebrauchs der alten Classiker und der Kirchenväter auf
den gelehrten Schulen hinzuzufügen, wobei wir uns kurz fafsen kön-
nen, da wir bereits früher, ehe dieser Streit in Frankreich entbrannte,
in diesen Blättern*) uns über das Verhältnis der antiken und der
christlichen Bildung ausgesprochen haben und die damals dargelegten
Ansichten sich der Zustimmung achtungswerther Paedagogen erfreu-
ten **). Wir halten dafür, dafs die Leetüre der alten Classiker, wel-
che viele alte und neuere ehrwürdige Väter der Kirche mit beredtem
Munde empfehlen, zu gediegener, auf historischem Grunde ruhender
und wahrhaft christlicher Durchbildung unentbehrlich ist. Heidenihum
und Christenlhum gehören zu einander wie Leib und Seele, wie das
Diesseits und Jenseits, wie Erde und Himmel; wie man den Leib nicht
zerstören kann, ohne der Seele Gewalt anzuthun, so würde christliche
Litteratur, Kunst und Leben ohne die Muster des Alterthums allmählich
zu einem fleisch- und blutlosen Schemen, zu einem ascetischen Ge-
rippe zusammenschrumpfen, gleich jener mittelalterlichen Scholastik,
deren Inhalt tief und erhaben, deren Form aber abslofsend und ge-
schmacklos ist. Das Heidenthum ist gefallen, weil seinem schönen
Leibe die schöne Seele abhanden gekommen war; das Christenlhum
des Millelalters erwies sich als unhaltbar, weil seiner schönen Seele
ein aesthetisches Aeussere , dem tiefen Gedanken die entsprechende
Form fehlte ; w ollen wir denn wieder eins ohne das andere pflegen,
da doch nur beide vereint, christlicher Inhalt in classischer Form,
*) Archiv Bd. XIII S. 53-2. 581.
*♦) Vergl. Amei.s in Magers paedagog. Revue 1848. Augnstheft S. 125
und Aug. Gladisch: die Religion und die Philo.sopliie in ihrer weltge-
schichtlichen PJntvNicklung. Rreslau I8j2. S. 104.
(las Heidcnllium in der Erzicliiing. 67
oosuiulor Geist in gesundem Körper, Beten nnd Arbeiten zusammen
(l<)s rielilige <>el)eii und der von Gott <>eselzlen nalurg-emälsen Ord
nuug entsprechen? Man wird nicht vollkommener, indem man den
Gegensatz vernichtet, sondern indem man ihn, gereinigt und geläutert,
in sich aufnimmt. So hat das Christenthum, indem es dem classischen
Alterlhum Eingang gestattete, sich regeneriert und ist dermalen zu
neuer Frische und Lebendigkeit gelangt, wie sie uns nur in den ersten
Jahrhunderten desselben begegnet. Und wir wollten" die griechischen
und römischen Autoren, denen das Christenthum diesen neuen Auf-
schwung verdankt, indem es sich das ihm verloren gegangene Mafs
aus jenen Meislern in der Kunst des Ebenmafses aneignete, wieder
fortwerfen? Das Christenthum, ein edles dem Himmel entstammendes
Reis, wurde einst auf den nur noch wilde Früchte tragenden, sonsC
kräftigen Stamm der griechischen und römischen Welt gepfropft und
trieb aus seinen Aesten und Zweigen, in denen die moderne Cultur
nistet, die herlichsten Früchte gotterfüllten Sinnes und Strebens: und
wir wollten den Stamm, in den Gott selbst das edle Reis eingesenkt,
umhauen und so die ununterbrochene Kette der geschichtlichen und
kirchlichen Ueberlieferung zerreifsen, welche stets, durch alle Jahr-
hunderte hindurch, die drei an das Kreuz des Erlösers gehefteten
Sprachen als nothwendige Unterlage für christliche Bildung betrachtet
hat? Nimmermehr! Wir können der heidnischen Classiker zu christ-
licher Durchbildung niemals entrathen, wohl aber können wir verlan-
gen, dafs die Classiker in christlichem Geiste gelesen und erklärt,
mit dem Lichte der christlichen Offenbarung beleuchtet und als Vor-
stufe des Christenthums, nicht aber als non plus ultra der Bildung,
am wenigsten der sittlichen, behandelt werden. Wird dann noch bei
der Auswahl der mit der Jugend zu lesenden Werke und Abschnitte
der alten Autoren mit der gehörigen Umsicht verfahren, so tragen
dieselben nur dazu bei, die christliche Weltanschauung zu befestigen
und den Glauben zu unerschütterlicher klarer Ueberzeugung zu er-
heben. Weil jedoch die neuere Litteratur theilweise einen unchrist-
lichen, ja dem Christenthume und den von ihm geschaffenen Lebens-
formen sogar feindseligen Geist bekundet und der antike Sensua-
lismus bei der materiellen Richtung der Gegenwart eines stärkern
spiritualistischen Gegengewichts bedarf, so halten wir die Aufnahme
der heiligen Väter in den Kreis der Leetüre der obern Gymnasiäl-
classen für nothwendig, um durch die heranwachsende Generation
wieder eine von durchaus christlichem Geiste durchdrungene, die
Autorität und staatliche Ordnung in jeder Weise stützende Litteratur
vorzubereiten. Wir haben unsererseits diese Ansicht nicht erst jetzt
in Folge des Angriffs auf den Gebrauch der heidnischen Classiker ge-
wonnen, sondern bereits seit Jahren dem 3Iitgebrauch der christlichen
Classiker unausgesetzt das Wort geredet *), und erleben nun die Ge-
♦) Vergl. Archiv Bd. XIII S. 547 ff. Leipzig 1847. Christen-
thum oder Heidenthum, ein Votum in Sachen des Religionsunterrichts
au Gymnasien und höhern Bürgerschulen. Neifse 1H48. S. 10 ff.
5*
68 Gaumc: der nageiulo Wurm der heutigen Gcsellscliaftcn.
migthuiing-. dals von verscliiedenen Seilen die gewicliliwslen Stimmen
sich für dieses von dem unterzeichneten schon lanj^st* empfohlene
Prineip vernehmen lafsen. üer Versuch, welchen der unterzeichnete
bereits in der Praxis damit gemacht, hat ihn in seiner Ansicht nur be-
stärkt; er las im verllofsenen Jahre in der Prima neben Cicero de of-
ficiis die gleichnamige Schrift des heiligen Amhrusius und die zwei
ersten Bücher von Z.crf/ö«/2MS Institutioiies divinae und hatte dieFreude,
dafs nicht nur die Arbeiten durch und durch echt christlichen Geist
athmeten, sondern auch in formeller Hinsicht Aveniger als jemals zu
verbcfsern war, weil sie daran gelernt halten, auch christliche Be-
griffe mit Leichtigkeit lateinisch auszudrücken. Kurz das allein rich-
tige Ziel des Gymnasialunlerrichts : ^christlicher Inhalt in classischer
Form"* war nach dem Mafse jugendlicher Kraft auf eine erfreuliche
Weise erreicht. Doch wolle man nicht glauben, durch ausschliefs-
lichen Gebrauch der heiligen Väter oder durch Leetüre derselben auf
einer zu frühen Stufe, noch auch durch das Lesen der christlichen
Classiker vor den heidnischen, der christlichen Jugend und der christ-
lichen Sache einen Dienst zu thun. Zu früh gelesen, würden sie der
Jugend unverständlich bleiben und durch ihre Schwierigkeit dieselbe
abschrecken statt anziehen. Sie vor den heidnischen Autoren lesen,
heifst der Jugend die Sauce vor dem Braten, die Kritik vor der Sache
geben. Neben einander und zwar mit den bereits gereiften Schülern
der beiden obern Classen gelesen, geben sie eine gesunde, heilsame
Kost, bei der die Jugend geistig und sittlich gedeiht und für dieses
und jenes Leben gleichmäfsig gebildet wird. Glück auf denn, Philo-
logen! Sträubet euch nicht länger, einzufahren in den reichhaltigen
Schacht des christlichen Alterthums und die von euren Vorfahren be-
fser gewürdigten Schätze, die darin verborgen liegen, zu liehen; ein
neues Feld vielseitiger Arbeit öffnet sich, nemlich die heidnischen
Classiker, die Grammatiken, die Lehr- und Uebungsbücher zu reini-
gen von allem unpassenden und unchristlichen, die christlichen Classi-
ker mit demselben Fleifse zu bearbeiten und zu erklären, mit welchem
die heidnische Litteratur poliert und blank gescheuert vor uns liegt;
glaubet mir, es wird euch nicht gereuen, in diesen gold- und silber-
haltigen Schacht eingelaufen zu sein, und ihr werdet mit dem Christen-
thume und der Gegenwart versöhnt und verjüngt wieder zu Tage
steigen I
Neifse. Dr. Hoffmann.
Fr. Jacobs: Hellas. 69
Kürzere Anzeigen.
Hellas. Vorträge über Heimath, Ge-schichte, Literatur und Kuu.st
der Hellenen von Frudrirh Jacobs. Aus dem liand.scliriftliclien
Nachiaf.s des Verfal'sers berausgegeben von E. F. Jfüstcmann.
Berlin, R. Friedländer u. Sohn. J8J2. XXXTI u. 438 S. 8.
Aus Jacobs' Personalien ist bekannt, wie derselbe in den Jahren
1808 und 9 dem damaligen Kronprinzen I^udwig von Bayern Vorträge
über griechische Litteratur und Geschichte zu halten berufen wurde.
Diese Vorträge haben eine geschichtliche Bedeutung erlangt, indem
sie die Alterthumsliebe des Fürsten, welche sich in so aufserordent-
licher Weise bethätigt hat, und seinen Philhellenismus, der zur Rege-
neration Griechenlands so wesentlich mitgewirkt hat, wenn auch nicht
erweckt, doch ohne Zweifel gehoben und geläutert haben. Aber solcher
Beziehungen bedarf es nicht, um einem nachgelafsenen Werke von
Friedrich Jacobs, welches durch die Pietät eines seiner treusten
Lebensgenofsen zum Druck gefördert ist, in Deutschland eine freudige
und dankbare Aufnahme zu verschaffen. Jacobs war in hohem Grade
befähigt, das menschlich liebenswürdige und sittlich grofse im helle-
nischen Leben aufzufafsen und es in mild eindringender Weise darzu-
stellen ; deshalb war es eine seiner Eigenthümlichkeit durchaus ent-
sprechende Aufgabe, für das empfängliche Publicum der Nichtgelehr-
ten einen Ueberblick über die Cultur und Geschichte der Griechen
zu geben , welcher weder mit der Trockenheit eines encyclopaedischen
Auszugs, noch mit der Schwerfälligkeit einer durch kritische und
chronologische Untersuchung gehemmten Erzählung behaftet sein sollte.
Sein Standpunkt ist mit Recht vorwiegend der cnlturgeschichtliche.
Denn wenn auch jemand mit scheinbarem Rechte den wechselvollen
Schicksalen und Parteikämpfen der kleinen Freistaaten von Hellas
ein unmittelbares Interesse für die Gegenwart absprechen könnte —
in Beziehung auf Wifsenschaft und Kunst und die gesammte höhere
Cultur des Geistes gibt es keine Kluft mehr, die das antike und mo-
derne, wie zwei einander fremde Welten, aus einander zu halten ver-
möchte; sie sind beide so in einander verwachsen, dafs wir das
eigenste und nächste ohne Kenntnis des antiken nicht zu verstehen
im Stande sind. Von dic-^er absoluten Wichtigkeit der hellenischen
Cultur geht Jacobs aus, um den nicht philologischen, sondei'n uni-
versalhistorischen Standpunkt seiner Vorträge zu rechtfertigen.
Ein solches Lebensbild von Hellas muste mit einer Darstellung
des Landes beginnen ; denn so wenig auch Luft und Bodenbeschaffen-
heit die Geschichte machen, die vielmehr erst dann beginnt, wenn die
bestimmten Stämme und Völker in die für sie organisierten Wohnsitze
einrücken — so ist doch das Zusammen- und Ineinanderwirken von
Natur und Menschenleben, die Verbindung von Geographie und Ge-
schichte etwas für Griechenland durchaus bezeichnendes. Nach einer
übersichtlichen Periegese des Festlandes, der Inseln und der Colonien
70 Fr. Jacobs: Hellas.
folgt die politische Geschichte, welche den lulttlern Theil des Buchs
einnimmt. Sie macht auf keine vollständige und gleichniäfsige Behand-
lung der Thatsachen Anspruch, sondern verweilt vorzugsweise bei
solchen Momenten, welche ein allgemeines Interesse zu erwecken im
Stande sind. Mit besonderer Liebe ist der dritte Abschnitt behandelt,
die Geschichte der Wifsenschaften, welcher die Poesie In allen ihren
Zweigen mit umfafst. Den Schlafs bildet die Geschichte der Künste,
welche eine Uebersicht der Hauptepochen und Schulen, der von der
bildenden Kunst aufgestellten Götterideale und endlich die Reihe der
bedeutendsten Künstler in der Plastik wie in der Malerei enthält.
Ein Werk wie das vorliegende ist nicht dazu geeignet, eine
strenge und in das einzelne gehende Kritik hervorzurufen. Es ist
der Nachlafs eines im ganzen Vaterlande mit Recht hochgeehrten
Mannes; es ist ein Gelegenheitswerk zum Zwecke mündlicher Vor-
träge, die keinen wifsenschaftlichen Charakter haben sollten; es ist —
wenn auch in seinen Anfängen vom Verfafser selbst für den Druck
abgeschrieben — doch durchaus nicht zu diesem Zwecke vollendet und
durchgearbeitet; an manchen Stellen ist die Darstellung so skizzen-
haft, dafs der wörtliche Vortrag des aufgezeichneten nicht denkbar,
vielmehr eine mündliche Ausführung des angedeuteten beabsichtigt
gewesen zu sein scheint. In dieser Gestalt überliefert, kann das aus
dem Anfange des Jahrhunderts stammende Werk jetzt allerdings in
keinem Theile den Ansprüchen der Alterthumswlfsenschaft entsprechen.
Das Humanitätsprincip, das Jacobs in seiner Zeit so schön vertrat,
die sittlich -aesthetische Freude an den Bildern der Griechenwelt, die
man an sich vorübergleiten läfst, wie ein Seefahrer die Ufergegenden,
welche er nicht selbst betritt, diese beschaulich -geniefsende Stel-
lung dem Alterthume gegenüber hat einer strengern, ernstern Wifsen-
schaft Platz gemacht, wie sie durch Niebuhr und Böckh und deren
Schule gestaltet worden ist. Man mufs bedenken, was in diesem hal-
ben Jahrhundert gearbeitet worden ist , um nicht ungerecht zu sein
gegen die Vorlesungen, welche 1808 gehalten worden sind. Freilich
kommen allerlei Dinge vor, die man vor 1808 genauer wifsen konnte;
ich meine solche Flüchtigkeiten wie S. 30 'Westlich von Phocis lag
Boeotien', S. 33: Parnass für Parnes, S. 37 die 4i Parthenonsäulen,
denen später S. 379 noch 4 abgezogen werden, die Pallas in Lemnos
S. 392 u. dgl. m. Trotz dieser Mängel , welche theils aus der Zeit,
theils aus der Entstehungsart des Buchs erklärt und beurtheilt wer-
den müfsen, sind diese Vorträge auch heute in hohem Grade geeignet,
zur ersten Bekanntschaft mit dem griechischen Alterthume benutzt zu
werden. Ist auch die AufTafsung im ganzen durchaus idealisierend
und darum einseitig, so wird sie darum nicht nachtheilig einwirken;
von jener milden Wärme durchdrungen, die Jacobs' Worten eigen
ist, wird sie dort, wo Em|)fängHchkeit vorhanden ist, Liebe und Be-
geisterung entzünden und die Gemüther der Jugend für die Schönheit
des Alterthums erwärmen.
B. E. C.
Neigcbaiir : Dacicii. 71
Dacien. Aus den Ueberresten des klassische» Altertlitnns mit be-
sondrer Rücksicht auf Siebenbiir{;en. To[)o{;raj)hisch zusaninieii-
gestellt von Dr. J. F. IScl^cbnur. Nebst einer Uebersichtskarte
des Trajanischen Daciens. Kronstadt, Druck und Verlag von
Job. Gott. IH5I. Xrr u. 311 S. 8.
IVliirtin Opitz benutzte seinen Aufenthalt in VVeifsenburg, wo er
in den Jahren 1621 und 1622 als Gymnasiallehrer angestellt war,
Nachrichten über die Alterthümer Siebenbürgens zu sammeln. In sei-
nem Gedichte Zlatna (Breslauer Ausg. s. Ged. 1625 S. 19) ver-
helfst er:
die Namen so anitzt
auf blofsen Steinen stehn und sich fast abgenützt
durch Rost der stillen Zeit, die will ich dahin schreiben,
da sie kein Schnee, kein Blitz, kein Regen wird vertreiben,
da auch der Gothen Schaar, wie sie vorweilen pflag,
mit ihrer Grimmigkeit zu schaden nicht vermag,
und Colerus in der Laudatio Honori et Memoriae Martini Opitii paulo
post obitum eins a. 1639 in acta apud Vratislavienscs solcnnitcr dicta
(Ausg. von Weise. Lips. 1665. 4. p. 33 f.) berichtet: — latum ita
campum habuit cogitandi de origine Gentis Dacicac, de DeccbuU for-
midubilis illic Ilegis cladc et victoria Trajani et coloniis illuc niissis :
cui historiae illustrandae multas inscriptiones Romanas ex ruderibus
corrosis et scmesis lapidum fragmentis descriptas congcssit, postca ex
ingenio et ratione defectus in iis quosdam supplevit, falsa et dubia
correxit et ad Grotium, Gruterum , lierneggerum horum cimelioruni
aestiniantissinios transmisit. Wiederholt gedenkt Opitz in Briefen sei-
ner Dacia aiitiqua, fortdauernd arbeitete er an ihr, und kurz vor sei-
nem Ableben theilte er Freunden mit, dafs dieses Werk nun zu Ende
geführt sei (Coler. p. 34). Seine Freunde rühmten den grofsen Fleifs, den
Opitz darauf verwendet, und erwarteten nach dem, was ihnen daraus
bekannt wurde, eine aufserordentliche Leistung. Inprimis , sagt Co-
lerus und bestätigen andere, Dacia antiqua ipsuin totum habuit, in
quo opere omneni famae suae, ut ipsc scribit, speni et ßduciam repo-
suerat, in quo exstruendo nullis vigiliis , nullis lucubrationibus pe-
percit. Allein durch seinen frühzeitigen Tod 1639 gieng die ganze
Frucht seiner langen Arbeiten verloren, denn sein Nachlafs wurde
durch die Dummheit seiner Verwandten verschleudert. Viele Gelehrte
gaben sich ohne Erfolg Mühe, die Handschrift wieder aufzufinden.
Ob Preutten in Danzig sie wirklich angekauft hatte und das Werk
verheimlichte, um es in eignem Interesse auszubeuten, ohne hierzu
selbst zu gelangen, ob seine 1642 gemachte Angabe, dafs er sich
blüfs im Besitz einer unbrauchbaren Nachrichtensammlung befinde, in
Richtigkeit beruhte, steht dahin und ist jetzt gleichgiltig. Der ge-
lehrte Nüfsler schrieb damals: indiccm inveni, qui fidem euivis facerc
poterit, quantum thesaurum pcrdiderimus. 'Es ist vermuthlich (sagt
Lindner in der umständlichen Nachricht von des weltberühmten Schle-
72 IScigebaur: Dacien.
siers Martin Opitz von Boberfeld Leben, Tode und Schriften. Hirsch-
berg 1741. 8. II, 73), dafs es ein Raub der Schaben worden oder
dafs es der Unverstand zerrifsen hat oder dafs es die Misgunst ver-
modern lafsen, welches alles gar höchst zu beklagen ist, weil man in
der gelehrten Welt weiter auf kein so seltnes Werk zu hoffen hat, da
die alten siebenbürgischen Inscriptionen nun vollends zu Grunde ge
gangen sind, die schon damals halb unkäntbar worden waren.'
Die Aufmerksamkeit war indes in Folge des Ruhmes , zu dem
Opitz gelangt war, auf die Ueberreste Ungarns und Siebenbürgens
aus römischer Zeit hingelenkt, und mit rühmenswerthem Fleifse wen-
deten sich viele Gelehrte zu ihrer Erforschung, wie u. a. das Ver-
zeichnis von 173 bezüglichen Schriften bezeugt, mit welchem Hr.
Neigebaur sein Werk schliefst. Ein paar zu kurze Angaben desselben
ersetzen wir hier durch genauere : M. Ackner : die antiken Münzen,
eine Quelle der altern Geschichte Siebenbürgens von 101 — 275 n. Chr.,
in Schullers Archiv für die Kenntnis von Siebenbürgen. Hermannstadt
1840. I S. 69 — 96, 295—331, und im Archiv des Vereins für sleben-
bürgische Landeskunde. Hermannstadt 18i4. I. 2. Heft. S. 58 — 77,
ferner: 'Zwei unedirte seltene römisch -dacische Münzen' ebend. I
S. 130 — 134, 'Abhandlungen über Monumente, Steinschriften, Münzen
und Itinerarien aus der Römerzeit mit besonderer Hinsicht auf Da-
cien', im Archiv I. 3 (1845) S. 1 — 44, endlich 'Ackner: Auszug aus dem
Tagebuch über neuentdeckte vaterländische Alterthümer, archäolo-
gische Gegenstände des vertiofseneu Decenniums 1836 — 1845' im Archiv
IV. 1. S. 18 — 35. — Indes schien ein Unstern über diesen Studien
zu schweben. Johann Seivert gab zwar in Wien im Jahre 1772
in Quart eine Sammlung der hacriptiones monumentorum Roma-
norum in Dada mcditerranea heraus ; allein dieses Werk war erst
kurze Zeit gedruckt, als sämtliche vorräthige Abdrücke durch einen
Brand zu Grunde giengen, so dafs nur wenige Exemplare desselben
erhalten sind. Eine spätere Sammlung von Katanchich : Istri adco-
larum Geograjihia vetus , Ofen 1826, ist nach Neigebaurs Urtheil un-
zuverläfsig. Auch die Alterthümer selbst waren einer fortgehenden
Zerstörung ausgesetzt. Als Ariosti 1723 siebenbürgische Alterthümer
nach Wien bringen sollte, zerschlugen die Bauern viele Monumente
und ein mit Alterthümern beladenes Schiff versank. Alte Altäre wur-
den zu Thürstufen verwendet (S. 147) und mit Legionsziegeln Säle
gepflastert (S. 194). S. 17 erfahren wir, dafs Neigebaur den 1823
entdeckten Mosaikfufsboden in Varhely im Jahre 1845 noch einiger-
mafsen kenntlich, obwohl schon sehr beschädigt fand, und dafs er
denselben in der Mitte des J. 1847 dergestalt zerstört wiedersah, dafs
nur noch einzelne Stücke von dem Rande sichtbar waren; dafs die
steinernen Bänke des Amphitheaters daselbst verschwunden sind u. dgl.
Doch war viel in öffentlichen Museen und Privatcabinetten geborgen,
die Greuel des Magyarenkrieges von 1848 und die blinde Zerstö-
rungswuth der Walachen (vgl. S. 229) betrafen diese aber in ent-
setzlicher Weise. 'Vandalische Verwüstungen' berichtet Ackner
Neigebaur: Dacien. 73
'haben die archaeologlsclieii Saiiiiulmigen Siebenbürgens, die meisten
bis zu ihrer gänzlichen Verniclitiing erlitten.' Da geschah es grade
zur rechten Zeit, beinahe im letztiuögllchen Moment, dafs Neigebaur
das oben angezeigte Werk begann und mit der ihm eignen Rülirig-
keit und jener Raschheit, die gradeswegs das Ziel verfolgt, ohne sich
je durch Seitenwege irre führen zu lafsen, es glücklich zu Stande
brachte. Von vielen Alterthümern, die heute nicht mehr bestehn,
lesen wir nur noch in diesem Buche. Seine Abschriften und Beschrei-
bungen erretteten die Kunde. Ackner verbürgt deren Treue. 'Ein
Verdienst, das Ritter Neigebaur durch die gewifsenhafteste Genauig-
keit bei der Aufnahme in höherm Grade beansprucht, als Graf Ariosti
bei seinen weniger kritischen Abschriften der Monumente, \> eiche hier
auf Ort und Stelle durch die Feuerfiammen und die Wuth der Ver-
wüster vernichtet, dort bei Lippa und Szegedin in den Marosch- und
Theissfluthen mit den Schiffen versanken und unersetzlich zu Grunde
giengen.' Dieses Sachverhältnis steigert den Werth des Buches und
die Verdlenstiichkeit des Verfafsers. Aber auch Neigebaurs Werk
schien von dem Misgeschick, welches auf den siebenbürgischen Alter-
thümern ruht, betroffen werden zu sollen, wenigstens wurde es von
ihm bedroht. Neigebaur hatte das fertige !Manuscript behufs weiterer
Durchsicht und der Leitung des Druckes dem siebenbürgischen Ge-
lehrten Kurz übergeben; es gelangte Ende 1847 in die Presse und
sollte im Mai 1(S48 erscheinen. Statt dessen verscholl es um eben
diese Zelt und Neigebaur befürchtete seinen Verlust. 'Kaum war das
Geschäft durch mühsame thätigste Verwendung des Herrn Anton Kurz
in vollem Zuge, so gerieth es durch die Drangsale des heillosesten
Bürgerkrieges ins Stocken, und wenig fehlte, dafs mit dem unglück-
lichen Herausgeber nicht zugleich das schöne Werk von der Sturm-
fluth des greulichsten und entsetzlichsten Aufruhrs mitgerifsen und zu
grofsem Schaden der Wifsenschaft verloren gegangen wäre ; nur Zu-
fall rettete das Manuscript.' Nach Kurz' Tode übernahm Pfarrer
Ackner in Hammersdorf die Fürsorge und Ende 1851 erschien wirklich
das Werk.
In der Abfafsung ist ein Grundsatz befolgt, den wir sehr loben
müfsen. Es kommt vor allen Dingen auf die vollständige und reine
Vorlage des thatsächlichen an. Dieses wird in aller Schlichtheit aus-
gebreitet, ohne Deutungen, ohne Ergänzungen, ohne Vermuthungen.
Tief eingehende Erklärungen und Untersuchungen, wie sie ül)er
Mainzer Alterthümer, über das Schwert des Tiberius, den Grabstein des
Blussus Prof. Klein und Dr. Becker gegeben haben, erwarte man hier nicht
zu finden. Untersuchungen würden das Buch unmäfsig angeschwellt und
ihm sogar vielleicht einen Theil seines Werthes geraubt haben, indem
sie leicht das wirklich vorgefundene durch willkürliche Annahmen ver-
dunkeln; sie können sich erst an diese Vorlagen anknüpfen. Die An-
ordnung ist nach den Fundorten, von denen 122 bestimmt werden
konnten. Nachrichten über die Oertlichkeit , Benennungen und Lage
des Dorfes oder der Stadt, ihre Entfernung von andern u. dgl. gehen
74 Neigebaur: Dacien.
voran. Für Siebeubürger mögen dieselben geringen Werth haben, für
uns sind sie höchst nöthig, wiewohl manchmal eher zu viel als zu
wenig bezügliches aufgenommen wurde. Darauf folgt die genaue An-
gabe aller Funde. Seivert hatte 274 römische Inschriften gesammelt,
Neigebaurs Euch enthält S. 7—296, aufser 1235 anderweiten Beweisen
des Römerthums in Dacien (Statuetten, Säulenschäfte, Mauerwerk u. a.),
756 Inschriften, also fast die dreifache Zahl ! Darunter sind Inschrif-
ten von 21 Zeilen (S. 286), von 23 Z. (S. 120), 35 Z. (durch die
Walachen bei der Zerstörung des Collegii zu Enyed vernichtet S. 229),
38 Z. (S. 117 f.), 40 Zeilen auf 2 Tafeln (S. 239), eine Grabschrift
von 24 Versen (S. 109) u. a. Ueber die im lettyer Bergwerk zu
Verespatak 1788 aufgefundenen, seit 1835 im ungarischen National-
museum aufbewahrten Wachstafeln, die für echt zu halten sind, wird
nach des Prof. Wenzel Abhandlung S. 188 — 191 berichtet, über die
angeblich 1807 zu Thorotzko gefundenen Wachstafeln S. 198 und über
ein paar um 1820 in einem alten Schachte des Bergwerkes Grofs-
Kirnik gefundene, gleichfalls beschriebene Täfelchen von Lindenholz
S. 191 ; allein von beiden sind die Schriftzüge leider nicht mitgetheilt,
was wir als einen Mangel bemerken. Sehr vermifst haben wir ferner
ein Verzeichnis der Personennamen und der Sachen, welches geord-
net etwa wie das Register in Steiners Codex inscriptionum Romana-
rum Rheni von besonderer Brauchbarkeit wäre und den Nutzen des
Buches erhöhen würde. Der Verf. achtet mit dem Blick eines alten
Kriegsmannes, soweit sich Gelegenheit bot, auf die lange Römerniauer
(vgl. S. 8. 16 u. oft), die Befestigungen der Römer (S. 84 f., 99 f. u. a.)
und die Trajansstrafse u. a. Die Nachgrabungen haben gezeigt, dafs
die Römer in Siebenbürgen Bergwerke bebauten (S. 9 u. 198), Theater
hatten (S. 17 u. 100), in Mehadia Bäder gebrauchten (S. 10). Beson-
ders interessant war uns die Bemerkung (S. 83), dafs in den Gebirgen
Walachen noch bis auf den heutigen Tag römische Tracht erhalten
haben. 'Die Männer gehen im Sommer aufser ihren langen Hosen in
einer weifsen Tunica, welche bis an die Knie reicht und mit einem
Gürtel zusammengehalten wird, mit Sandalen, die über dem Fufse ge-
schnürt sind. Nehmen sie ihre weifsen Mäntel um, so hängt derselbe
dergestalt über die linke Schulter, dafs er sich wie eine Toga drapiert.'
Ueberblickt man diese zahlreichen Alterthümer aus römischer Zeit und
erwägt man, dafs Dacia diejenige Provinz des Römerreichs war, die
am spätesten erobert und am frühesten aufgegeben wurde, sowie dafs
diese Gegenden ein fast beständiger Schauplatz von Kriegen gewesen
sind, so erstaunt man billig, dafs die Römer in so kurzer Zeit, in
etwa fünf Menschenaltern, dem Lande so viel Spuren ihrer Herschaft
und ihres Lebens eindrücken konnten, die Zeit und Verwüstungen
überdauerten.
Das Verdienst des angezeigten Werkes beruht sonach darauf, dafs
Hr. Neigebaur die dacischen Alterthümer vollständiger, als irgend
vor ihm geschehn , sammelte, dafs er viele zum erstenmale beschrieb,
die nicht mehr beschrieben werden können, und dafs er nicht Vermu-
Zaclier: die deutschen Spricliwörtersammlungen. 75
thungen mit Unterlagen vermengte, sondern lediglich StolV und nicht
subjectives mittheilte. Wir schliefsen mit den Aeufserungen Ackners
über Neigebaurs Ausgrabungen: 'Bei weicher Gelegenheit ich in ihm
ebensowohl den liebenswürdigsten Gelehrten hochachten lernte als
dessen unermüdliches Streben in Erforschung, kritische Genauigkeit
in der Aufnahme der Alterthümer und Inschriften, welche unübertreff-
bar, und die unglaubliche Gewandtheit der bis zur Herausgabe gereif-
ten Ausfertigung seines Werkes als Augenzeuge bewundern muste.'
Woran Opitz die Kraft seines Lebens fruchtlos setzte , das ist nun,
nach einer Seite hin , vollbracht.
Leipzig. Dr. IL JVuttke.
Die deutschen Sprichwörtersammlungen nebst Beiträgen zur Cha-
rakteristik der Meusebachschen Bibliothek von Julius Zacher.
Leipzig, T. O. Weigel. 1852. 55 S. 8.
Diese kleine Schrift ist ein höchst werthvoUer Beitrag zu der
Geschichte des deutschen Schriftthums. Sie bietet in 138 Nummern
die Titel von 234 Büchern, deren ältestes die Monastica in piovcrbia
sive paroemias Germanorum von Ant. Tunichius 1515 sind, aus denen
S. 25 — 30 Proben mitgetheilt werden. Mit wie umfafsender Gelehr-
samkeit und mit welcher sichern Methode Hr. Zacher gearbeitet hat,
zeigt die mustergiltige Untersuchung S. 45 — 51, in welcher er den
Assessor des Reichskammergerichts Peter Denais (geb. 1559, gest. 1610)
als den Verfafser der anonymen Streitschrift 'Drey Jesuwiter Latein
so die zu Speyr den Evangelischen Praedicanten daselbst auffgegeben.
Auffgesagt durch ein Alt Dorff Pfarrerlein 1007 ' nachweist. Ref. hat
es zweckmäfsig befunden, diese Abhandlung für seine Vorlesungen so
zu benutzen, dafs er an ihr den Studenten anschaulich machte, in
welclier Weise bibliographische Forschungen anzustellen sind. Sie
erregt den lebhaften Wunsch, dafs Hr. Zacher zu einer Neubearbei-
tung des Kochschen Compendiums, die so sehr mangelt und zu der er
vor allen der geeignete Mann wäre, in den Stand gesetzt werden
möge. Die deutsche Litteraturgeschichte würde davon einen aufser-
ordentlichen Gewinn ziehen. Möchte beherzigt werden, was er ganz
wahr und treffend sagt: 'Für die Schriftsteller der Griechen und Rö-
mer, für Medicin, für Botanik und für manche sonstige Gebiete des
Wifsens haben die Deutschen höchst vollständige und gründliche Ver-
zeichnisse geliefert, für ihre eigene Geschichte aber haben sie nur
wenig, und für ihre Litteratur fast noch weniger gethan. Wie man-
gelhaft mufs die Litteraturgeschichte bleiben, welche über die Werke
handelt, welche ihren Zusammenhang und ihre Wechselwirkung nach-
weisen soll, so lange noch sogar das Dasein zahlreicher Werke und
Ausgaben, ja ganzer Reihen von Schriften, die besondere Gattungen
bilden und zur Charakteristik ganzer Zeiträume dienen, so gut als
vollkommen unbekannt ist.'
Leipzig. Dr. //. Wuttkc.
76 Lolliholz: Uebungen z. Uebersetzen a. d. Deutschen ins Lateinische.
Uebnngen z,ufn Ueberseheti aus dem Deutscheit ins Lateinische
mit beständiger Beziehung auf Putsches kleinere lateinische Gram-
matik. Zusammengestellt von Dr. Cr. Lothholz, Professor am
Gymnasium in Weimar. Jena 1852. VI u. 146 S. 8.
Das Bedürfnis, zu Putsches kleinerer lateinischer Grammatik Ueber-
Setzungsbeispiele zu haben, und der Wunsch, das zeitraubende Dictie-
ren solcher Sätze zu vermeiden, sind die Veraulal'sung zur Ausarbei-
tung dieses Schulbuchs geworden. Seine Einrichtung ist die, dafs
erst Beispiele über eine Reihe zusammenhängender Paragraphen, als
z. B. über einen Casus, gegeben sind, und dann über einige Beson-
derheiten im Gebrauche desselben wieder besondere. Daran schliefsen
sich, in der Casuslehre wenigstens, gemischte Beispiele in zusammen-
hängenden Stücken, welche jedoch späterhin wegbleiben. Der Ver-
fafser erklärt in der Vorrede, dafs ihn an der Ausführung des Plans,
dies nach jeder Lehre zu thun, das geschriebne Recht des Herrn
Verlegers gehindert habe. Uns erscheint dies bedauerlich, und hätten
wir lieber dafüi-, namentlich zu den Regeln, wo das Lateinische wenig
oder gar nicht vom deutschen Gebrauche abweicht, die Zahl der Bei-
spiele verringert gesehen, falls die Bogenzahl nicht zu sehr anwachsen
sollte. Was aber diese Beispiele selbst betrifft, so ist zwar der
Uebelstand, dafs sie in einzelnen Fällen die Kenntnis späterer Regeln
voraussetzen, nicht ganz vermieden, auch sind manche im Inhalt ziem-
lich leer, indessen läfst sich beides im Anfang nur schwer vermeiden.
Das Buch wird sich demnach allen Schulen , in welchen Putsches
kleinere lateinische Grammatik eingeführt ist, als ein brauchbares
Hilfsmittel zur Einübung der Regeln derselben von selbst empfehlen.
Freiberg. Bcnscler.
Uebungsbuch zum Uebersetzen ans dem Deutschen in das Latei-
nische für die mittlem und obern Classen in drei Cursen, mit
Anmerkungen und Hinweisung auf die Sprachlehren von Bröder,
Madvig und Zumpt von J. F. Hang, Professor in Heilbronn.
Heilbronn 1852. XIV u. 285 S. 8.
Das unterscheidende dieses Uebungsbuches von ähnlichen andern
besteht besonders in der Wahl des Stoffs: denn während er bei den
meisten andern mehr dem Alterthum oder auch dem Gebiete der Ge-
scliichte der Wifsenschaften entlehnt ist, finden wir hier vorzüglich
die Geschichte der neuern, ja selbst hie und da der neusten Zeit in
ihren hervorragendsten Thatsachen und Männern berücksichtigt und
so einen in der That höchst ansprechenden Stoff zu den Ueber-
setzungsstücken aus dem Deutschen ins Lateinische zusammengehäuft.
Freilich gab es dabei eine Klippe zu umschiffen, die doch an einigen,
wenn auch wenigen Stellen nicht überall umgangen worden ist, ich
meine die religiöse oder politische Parteiansicht des Verfafsers. Ich
rechne unter anderm hierher z. B. den letzten 317. Aufsatz, wo vom
Hang: Uebungsbuch z. Ucberscfzen a. d. Deulschcn ins Lateinisclie. 77
Teufel und seinen KunstgrifFen die Rede ist. Auch die politischen
Ansichten Luthers, z. B. S. 121, würde ich, weii sie leicht zu einer
übermiithigen Verachtung des Volkes führen und so den l)erüchtigten
Gelehrtenstolz nähren können, weggelafsen haben. Was die unter
den Text gesetzte Phraseologie betrifft, so fürchtet der Verfafser
selbst, dafs sie vielleicht mancher mehr beschränkt sehen möchte.
Der unterzeichnete gehört zu diesen und findet hier überhaupt den
Schüler nicht selten auf Bücher verwiesen, die ihm gewöhnlich nicht
zur Hand zu sein pflegen. So werden aus Horaz Oden, Virgils Georg,
und Aeneis, Cicero pro Caelio im ersten Cursus Stellen citiert, aus
welchen sich der Schüler, also der Quartaner, das nöthlge für die
Uebersetzung der Stelle holen soll. Im zweiten Cursus kommen hierzu
CItate wie Cic. de nat. deor.. Sali. Jug. Eben so wenig können Nä-
gelsbachs lat. Stilistik oder Ruhnken zu Veliejus leicht von ihnen
nachgeschlagen werden. Bedenklich hingegen erscheint es, wenn aus
Plinius, Cicero u. s. w. ganze Stücke aufgenommen sind, da es leicht
hilfreiche Freunde unter den altern Schülern gibt, die sie dem Jün-
gern in die Hände spielen, wo dann gleich eine ganze Aufgabe da-
mit absolviert werden kann. Darum würde ich das Buch auch mehr
den Lehrern empfehlen, um daraus passende Stücke zu entlehnen (und
er findet, wie gesagt, hier einen reichen Vorrath davon), als es dem
Schüler in die Hände geben. Sehr angesprochen haben uns die Stücke
nach Nepos oder Caesar, weil durch diese feinere Art von Imitationen
mehr für den lateinischen Stil und auch selbst für Weckung der Lust
an dergleichen Arbeit bei den Schülern gewonnen wird, als durch die
untergesetzten Phrasen. Je öfter aber der Lehrer sich genÖthlgt
sieht, mit seinen Aufgaben zu wechseln, desto Avillkommner wird ihm
auch die Bereicherung dieser Litteratur durch vorliegendes Werk sein.
Freiberg. Benscler.
Uebimgen im lateinischen Stil für obere Gymnasialclassen von
Friedrich Adolph Heinichen, Dr. d. Phil., Lic. d. Theol. u. Pro-
rector des Gymnasiums zu Zwickau. Zweite, durchaus verbes
serte und vermehrte Auflage. Leipzig 1852. XII u. 163 S. 8.
In diesem Werke treffen wir einen alten Bekannten, nur dafs wir
in dieser neuen Auflage die Zahl der Aufgaben um 55 vermehrt finden.
Hr. Heinichen ist seinen Grundsätzen darin treu geblieben, dafs er
nur ganz wenige sogenannte Uebersetzungswinke und noch weniger
grammatische, lexicalische oder synonymische Excurse beigegeben hat.
Statt dessen verweist er lieber zu Anfang der Aufgaben auf Zumpts
Grammatik und jetzt auch auf sein Lehrbuch der Theorie des lat.
Stils. Da das Buch in den Händen der Schüler sein soll, um das
lästige Dictieren zu vermeiden, so können wir uns mit diesem Verfah-
ren nicht anders als vollkommen einverstanden erklären. Was aber
das Deutsche betrifft, welches in diesen Aufgaben herscht, so nähert
es sich allerdings im ganzen mit Recht dem Lateinischen so weit als
78 Heinichen: llehnngen im lafeinischen S\\\.
möglich. Doch hat es uns bediinken wollen, als wenn namentlich in
den letzten Aufgaben, wo doch schon grofse Uebung vorausgesetzt
wird , das ganze hie und da ein deutscheres Colorit hätte vertragen
können. Vielleicht beachtet der Hr. Verfafser hei einer zu erwar-
tenden neuen Auflage in den letztern Stücken diese Ansicht, zu deren
Begründung uns hier der Platz mangelt, aus eigner Ueberzeugung.
Sein Wunsch aber, dafs das Buch in seiner jetzigen verbefserten Ge-
stalt die alten PVeunde sich erhalten und manche neue sich erwerben
möge, ist auch der unsrige.
Preiberg. lienseler.
P r 0 g r a m m e n s c h a u.
[Fortsetzung.]
In den Coniecturae in dialogum de oratoribus. Scr. Dr. A. Th.
Dryander (Programm des Paedagogiuins zu Halle 1851. 30 S. 4)
begegnet Ref. dem unermüdlichen, sorgfältig alles ausforschenden und
stets gründlich bis zur Tiefe dringenden Fleil'se eines lieben Univer-
sitäts- und Studiengenofsen. Jeder wird in den hier gegebenen Ab-
handlungen über Stellen des bezeichneten Dialogs die musterhafte
Gründlichkeit anerkennen und den gemachten Verbefserungsvor-
schlägen das Lob , dafs man durch sie der Wahrheit bedeutend
näher geführt werde, nicht versagen, ja einige derselben geradezu
evident finden. Wir müfsen uns mit Anführung der Stellen begnügen.
C. 1 am Ende verbefsert der Hr. Verfafser cum singuli diversas vcl
casdcm sibi probabUcs causas adferret, wobei er über vel = vcl
potius Beispiele beibringt. C. 7 wird vorgeschlagen: si non in
proelio oritur und gründlich verbreitet sich der Hr. Verfafser über
die vom Kampfe hergenommenen Bezeichnungen der Beredtsamkeit.
C. 21 erkennt derselbe in dem erwähnten Attius den aus dem Pro-
cesse des A. Cluentius bekannten Zeitgenofsen des Cicero T. Attius
Pisaurensis, wie in Canutius mit anderen den in derselben Zeit
lebenden P. Canutius. Nachdem er gründlich die Nachrichten über
deren Beredtsamkeit zusammengestellt und gezeigt hat, weshalb sie
hier erwähnt werden, kommt er durch Prüfung des grammatischen
Werthes der handschriftlichen Lesarten zu der Emendation nee in
unius de populo — Canuti aut Atti — deformi ieiunio aut ornamcnto
quique alius in eodem valetudinario haec ossa et hanc maciem probat.
Als Beweis, wie eingehend die Ansichten anderer widerlegt werden,
verweisen wir auf die p. 10 wegen Silligs Conjectur gegebene Erör-
terung über loquor mit dem Accus. Die Vertheidigung des doppelten
nisi in demselben Capitel wird jedem, obgleich schon Halm dieselbe
Ansicht aufgestellt hat, nur willkommen sein. Die Verbefserung C. 25:
?ic Uli f/uidem parti sermonis cius repugno quominus favcatur , stellt
Programmenschau. 79
einen guten Sinn her. l?ei Besprechunf; der Stelle C. 26: praepostera
scd tarnen frcqucns quibusdum cxcliitnntio bereitet einigen Zweifel,
ob das in der Lesart des cod. Perizonianus von Trofs und früher
von Orelll selbst erwähnte sicut, in des letztern spätem Angaben
(Ind. lectt. Turic. hib. 1846 und Gesammtausgabe der Werke des
Tacitus) nur durch ein Versehen weggeblieben sei oder nicht. Die
für den erstem Fall vorgeschlagne scharfsinnige Emendation scd
tarnen frequens nimis clausula et exclamatio wird von einer er-
schöpfenden Erörterung des Gebrauchs von clausula begleitet, aber
auch für den zweiten Fall hat der Hr. Verfafser eine nicht minder
ansprechende frcqucns Siculis clausula, in Bereitschaft. Endlich wird
noch C. 37 Ende mit andern die Lücke anerkannt und vorher verbes-
sert: quoque maior advcisarius et acrior, cui (oder quicum) pugnas,
sibi ipse desumpscrit. — Je bedeutender die Ansichten über des Ta-
citus religiöse Anschauung von einander abweichen, um so willkomm-
ner mufs eine neue Erörterung der Frage sein, zumal wenn dieselbe
mit so scharfem und unbefangenem Urtheile und in so übersichtlicher,
klarer und lebendiger [leider nur durch viele Druckfehler entstellter]
Darstellung unternommen wird, wie von Hrn. Dir. M. T. Fabian
(Programm des Gymnasiums zu Lyck 1852: Quid Tacitus de numine
divino iudicaverit. 32 S. 4). Nachdem derselbe in §. 1 die Stellen,
welche unmenschliche und abschreckende Aeufserungen enthalten
(Germ. 33. Agric. 35. Ann. II, 85. XV, 44. Hist. V, 3. 5. 8. 13),
bezeichnet und die hauptsächlichsten Erscheinungen der neuem Lit-
teratur aufgezählt hat, wendet er sich in §. 2 zur Prüfung der An-
sicht Schlossers (Alte Gesch. III, 1. S. 412), dafs sich Tac. des
Seneca Philosophie und Schreibweise angeeignet habe. Zwar mufs er
Hoffmeister: die Weltanschauung des Tacitus S. 214, in der Behaup-
tung, Tac. habe sich um Senecas Schriften gar nicht bekümmert, den
entschiedensten Widerspruch entgegensetzen, aber er kann weder in
Bezug auf den Stil noch auf die Philosophie Schlosser beistimmen und
zwar 1) weil Tacitus über die Providentia divina mit Seneca, dessen
Ansichten unter Bezugnahme auf Baarts Sen. de deo ausführlich erör-
tert werden, nicht übereinstimmt; denn a) Providentia steht bei ihm
nur von den Menschen (Ann. XIII, 3. Hist. H, 18. IV, 29), nie von
den Göttern, und so viele Gelegenheit er hatte, davon zu sprechen,
erwähnt er sie nirgends, während er allerdings über den Begriff von
fatum mit S. übereinstimmt. Dem kann nur Zweifel an der Existenz
der Providentia zu Grunde liegen, b) in Bezug auf Ann. VI, 22 ist
mit Pabst eclog. Tacit. p. 114, Süvern über den Kunstcharakter des
Tacitus S. 132, Kil. Wolf de divina mundi moderatione ex mente
Taciti, gegen Hoffmeister p. 114 zu behaupten, dafs T. nicht die
Meinungen der Stoiker und Epikureer nur referiert, sondern selbst ein
Urtheil ausspricht und dies ein zwar zum Glauben an die Providentia
sich neigendes, wie Bötticher Prophet. Stimmen aus Rom oder das
Christi, im Tacit. II S. 88. 92 u. 100 richtig herausgefühlt hat, aber
auch entschieden zweifelndes ist. c) über Ann. IV , 18 stimmt der
80 Programmenschau.
Hr. Verf. gegen Bötticher TI S. 115 u. 122 Zell Tacit. als Staats
mann, Ferienschr. III. Samml. S. 123, bei, dafs T. hier nur Spiel
des Zufalls und Täuschung, nicht eine göttliche Vorsehung sehe,
ebensowohl wegen der unter b) besprochenen Stelle und II, 71, als
wegen des Gebrauchs von ludibrium. 2) in §. 3 zählt der Hr. Verf.
die schon von Kahlert Tac. sent. de nat. , ind. et regimine deor.
Bresl. 1844 angeführten von der ira dcorum sprechenden Stellen auf,
vermehrt diese und widmet besonders Ann. XVI, 33, in welcher Pabst
S. 202 u. 139 mit Kil. Wolf S. 22 epicureische Ansicht, Süvern zwar
dasselbe, aber Verstimmung über die Schändlichkeit des Nero, lloff-
meister S. 101 eine ableugnende Ironie, Bötticher dagegen II S. 94,
während er im Lex. Tacit. aequitas richtig als Gleichgiltigkeit gefafst
hat. Christliches sieht, ausführliche Behandlung. Das Resultat ist,
dafs auch hier Tac. im Gegensatz gegen Seneca die göttliche Gerech-
tigkeit vermifse. 3) wird in §. 4 das Verhältnis des Tac. zu den
Stoikern überhaupt erörtert und nachgewiesen a) dafs dieser von der
Beschäftigung mit der Philosophie nicht viel halte (Agric. 4 u. 42)
und wo er Stoiker lobe, sie nicht als Philosophen, sondern als gute
und brave Männer rühme ; b) dafs er zwar mit den Stoikern in mora-
lischen Ansichten übereinstimme, namentlich in der Verachtung der
irdischen Dinge, dagegen aber auch in sehr wesentlichem abweiche,
wie z. B. darin, dafs er Bescheidenheit und Gehorsam für Tugen-
den halte (ausführlicher wird Hist. IV, 5 in Vergleichung mit der
unter 1, b aufgeführten Stelle erörtert und gegen Bötticher II S. 38
gezeigt, dafs Agric. c. 44 sich Tac. durch die Hinzufügung von vera
eben mit den Stoikern in Widerspruch setze) ; c) dafs in Bezug auf
die divinatio Tac. nicht nur mit Seneca übereinstimme, sondern so-
gar in Bezug auf die Astrologie noch weiter gehe , und sich ganz als
einen echten Römer zeige, wobei Bötticher II S. 149 als willkomme-
ner Vorarbeiter anerkannt wird. Nachdem nun so neben Ueberein-
stimmungen die Differenz über das wichtigste und wesentlichste in
der religiösen Anschauung nachgewiesen ist, wendet sich in §. 5 die
Untersuchung zu der von Hoffmeister und Nissen: Tacitus Agricola,
herausgeg. von Lübker S. 9 u. 10 aufgestellten Behauptung, der grofse
Geschichtschreiber sei ein Epicureer, und weist auch hier mit Böt-
ticher Hand in Hand gehend nach, wie derselbe an der Thätigkeit der
Götter gar nicht zweifle, wie denn Hoffmeister selbst S. 110 der
Wahrheit nahe gewesen sei; wenn er den Göttern i'n/esf um quid zu-
schreibe, dies aus der gerechten Entrüstung über die Sittenlosigkeit
der Römer hervorgehe, und wenn er zuweilen dem Zufall zu viel
Raum gebe, dies eben Zweifel seien, mit denen er, wie besonders aus
Ann. XV, 61 hervorgehe, ringe, kurz wie ganz unleugbar er ein echter
Römer im Glauben sei. In §. 6 spricht endlich der Hr. Verf. sich
dahin aus , dafs er in Tacitus ein Schwanken der religiösen Ansicht,
auf der einen Seite ein Hinneigen und Sehnen, auf der andern Seite,
wiewohl seltner, ein Zweifeln nicht ableugnen könne, und erörtert
dann noch das Verhältnis seiner Ansicht zu denen anderer Gelehrten.
Programmenschau. 81
Zuerst kann er Kahlert S. 4 nicht zugestehen, dafs Tac. den Glauben
an einen Gott achte, da er Germ. 9 und Hist. V, 5 kein eignes Ur-
theil ausspreche. Bei K. Wolf findet er manches richtig erkannt,
mufs ihm aber über den Glauben an die Unsterblichkeit wider-
sprechen, indem er durch Vergleichung von Agric. 44 mit 46 zeigt,
dafs Tac. keine persönliche Fortdauer nach dem Tode kenne, sondern
nur in der Nachwirkung der Thaten und im Andenken die Unsterb-
lichkeit sehe. Fast ganz findet er sich mit Süvern in Uebereinstim-
mung. Von Bötticher, dem er übrigens das höchste Lob ertheilt,
weicht er in folgenden drei Punkten ab: 1) leugnet er die allgemeine
Menschenliebe, welche jener II S. 148 — 150 behauptet, unter Beru-
fung auf die an die Spitze der Abhandlung gestellten Stellen, und
während er (II S. 147) die Ansicht, dafs das Römerreich durch die
Germanen zu Grunde gehen werde, zugesteht, stellt er mit Süvern
S. 135 die, dafs dadurch eine Erneuerung und Befserung des Men-
schengeschlechts erfolgen werde, entschieden in Abrede. 2) der Be-
hauptung, dafs Tacitus die Ahnung nur eines Gottes gehabt (II S. 112
— 115), scheinen ihm aufser den früher angeführten die Stellen Hist.
II, 78. V, 4. 5. 9. Germ. 9. 34. 40 zu widersprechen. 3) tadelt er
den Versuch Böttichers, die Zweifel über die Providentia divina hin-
wegzuräumen, unter Hinweisung auf Böttichers eigne Resultate 11
S. 217. 219. 228. Entschieden Recht hat der Hr. Verf., dafs Tacitus
nach dem, was er über ihn habe sagen müfsen, noch grofs genug bleibe.
Sein Ringen nach Wahrheit erhebt ihn hoch über die Heidenwelt,
sein Zweifel beweist, wo allein dessen Lösung zu finden. —
Plinius. Excerptorum ex C. Plinii Secundi naturalis historiae
libro XXXV part. I commentario critico et exegetico instruxit, Ger-
manica sermone interpretatus est Dr. J. Chr. Elster (Programm des
Helmstedter Gymnasiums. Ostern 1851. 31 S. 4). Der Hr. Verf. hat
seit dem J. 1811 auf Heynes Anregung sich fortwährend mit dem
XXXV. B. des Plinius beschäftigt und alles zu einer Bearbeitung des-
selben gesammelt. In dem vorliegenden Programme, das dem Director
Schulrath Koken zu Holzminden zu seinem 50jährigen Amtsjubilaeum
gewidmet ist , gibt er davon als Probe die 30 ersten §.?. desselben.
Seinem unermüdlichen sorgfältigen Sammlerfleifse verdanken wir in
dem Commentare eine Menge sehr nützlicher Notizen, auch verdient
die deutsche Uebersetzung, die sich sogar bestrebt, die Eigenthüm-
lichkeiten des Stils möglichst wiederzugeben, als fast durchaus wohl
gelungen und das Verständnis fördernd, volles Lob; aber weniger
können wir die kritische Behandlung billigen. Zwar konnte er nicht
einmal die Separatausgabe des XXXV. B. von Sillig (Dresden 1848),
zu welcher die Gesammtausgabe nur einige Nachträge bringt, genau
benützen, allein es will uns doch scheinen, als hätte, da bereits der
Werth der Bamberger Handschrift feststand, mit den vorhandenen
Hilfsmitteln mehr geleistet werden können. Weniger wundern wir
uns, dafs §. 2 die Praeposition a vor regibus nicht getilgt ist, ob-
gleich die Nachweisungen Sllligs zu XXXII, 49. S. 19 jeden Zweifel gegen
IS. Jahrb. f. Phil. u. Paed. ««/. LXVfI. Hft. 1. 6
82 Programmenschau.
die Lesart der besten Handschrift beseitigen, aber dilatantia §. 3 ist
so durch die Handschriften und den von Sillig nachgewiesenen
Sprachgebrauch des Plinius geschützt, dafs die Richtigkeit kaum an-
gefochten werden kann. Bei der Beibehaltung von lapide pingere hat
der Hr. Verf. den Bamb. für sich. Wir müfsen freilich die ver-
heifsene Auseinandersetzung zu §. 133 abwarten, vorläufig sind wir
auch durch die Stelle Senec. Ep. 86, 5 nicht davon abgebracht wor-
den, lapidcm für das richtige zu halten. Mit Sillig §. 4 die Worte
aurdo figurarum discrimine mit argenteae facics zu verbinden, wer-
den wir dadurch bewogen, dafs zu siatuarum capita permutantur ein
solcher Zusatz ganz überflüfsig ist, während die Aufstellung silberner
Gesichtsbildnisse an und für sich nicht zu tadeln ist, sondern erst
dann, wenn auf Aehnlichkeit der Umrifse keine Rücksicht genommen
wird. Bei der Vertheidigung der Lesart furisque detrahat laqueus
hat allerdings der Hr. Verf. den Einwand Silligs : es sei unpassend,
das Zerbrechen durch den Erben mit dem Raub durch den Dieb zu-
sammenzustellen, nicht widerlegt. Ironisch wird das, was nach sei-
nem Tode geschieht, als Absicht des Sammlers dargestellt. Mufs nun
dieser das Stehlen nicht schon bei Lebzeiten fürchten ? Und wäre es
nicht ganz merkwürdig, dafs in den besten Handschriften laqueus in
laqucum verwandelt wäre? Freilich die Erklärung, welche Sillig da-
von gibt, vermögen wir nicht zu billigen, einmal weil wir Beispiele
von detrahere mit Acc. für 'in Schatten stellen' vermifsen, sodann
aber, wenn es auch solche gibt, immer die Stelle dunkel und ge-
schraubt bleibt. Wir verlangen etwas, was mit dem frangere in Zu-
sammenhang steht, ein Motiv dafür bildet. Was kann aber den Erben
antreiben, den Nachlafs zu zerstückeln, wenn nicht die Furcht vor
Dieben? Es ist bekannt, dafs durch que oft angereiht wird, was zu
dem vorhergehenden in Participialverbindung hätte treten können
(vgl. d. Ref. Bem. zu Sal. lug. 9, 3 p. 72), und demnach glauben
wir, dafs für detrahat ein Wort zu suchen ist wie etwa exhorreat.
§. 5 ist et zu streichen und Epicurios voltus aufzunehmen. §. 7 be-
gegnen wir einer Emendation des Hrn. Verf.: triumphahantque etiam
dominis mutatis et ipsae domus et erat haec stimulatio ingens [inbel-
lem scheint vor dominum nur durch ein Versehen ausgefallen, da es
die deutsche Uebersetzung wiedergibt]. Allein es steht dann das erste
et an falschem Platze und das zweite et ist dadurch, dafs es der
Cod. B. nicht, ein anderer dafür eratque hat, als verdächtig, ja un-
echt erwiesen. Auch hier mufs man sich bei dem Suchen nach dem
richtigen an das, was die besten Handschriften bieten, etme, halten.
Von den bisher gemachten Vorschlägen genügt Silligs tarnen noch am
besten. Sollte aber vielleicht celse oder eximic darin versteckt liegen?
Die Stelle §. 8, wo von der Adoption eines Scipio die Rede ist, kann
schwerlich für hinlänglich aufgeklärt gehalten werden. §. 9 möchten
wir uns mit dem Hrn. Verf. für v. Jans Conjectur nunc statt non
entscheiden. Nehmen wir den Satz als Frage, so hat er immer etwas
verwickeltes, wollen wir non für non dico (Hand Turs. IV, 282) er-
Programmenschau. 83
klären, so vermifsen wir einen Gegensatz. Die Bezeichnung der Ge-
genwart aber im Gegensatz gegen die Vergangenheit erscheint uns
fast als nothwendig. JJ. 1 1 entscheidet sich Hr. E. für ut pracscntes
esse ubique credi possent und gibt als Uebersetzung davon: 'so dafs
an ihre Allgegenwart geglaubt werden konnte.' Wir gestehen, dal's
dieser Gedanke für uns A\enig ansprechendes hat, da doch nichts auf
den Glauben , sondern auf das Fortleben in allen Ländern ankommt.
Die Lesart der besten Handschriften cludi macht ohnehin credi ver-
dächtig. Wir machen auf die schöne Eniendation Hertz bergs (Denk-
mäler und Forschungen 1850, Nr. 13, S. 144) ceu di aufmerksam.
§. 16 verdiente die Emendation Haupts (Berichte der Leipziger Gesell-
schaft der Wifs. 1850, S. 136) inlevit gewis von Sillig aufgenommen
zu werden, wie wir denn auch kein Bedenken tragen würden, §. 17
des letztern durantibus und recentibus in den Text zu setzen. Auch
empfehlen wir wie Polionis §. 10 (Lachmann ad Lucr. I, 313. p. 33),
so §. 19 Pacui (S. Ribbeck Fragm. trag. Lat. p. 278). In Bezug auf §. 27
verweisen wir auf L. Stephan is Parerga archaeologica in den Ab-
handlungen der Petersburger Akademie von 1851, der erstens das Bild-
werk selbst erläutert, sodann sehr wahrscheinlich emendiert tabella
higa (oder biiuga) dependente Nicias scripsit se inussisse (vgl. NJahrb.
Bd.LXIII S. 90f,). Weil wir der Ueberzeugung waren, dafs der geehrte
Hr. Verf. zur Erlputerung des Plinius bedeutendes zu leisten im
Stande sei, glaubten wir ihn um so mehr auf eine freiere und tiefer
eingehende Kritik hinweisen zu müfsen, und wir hoffen, derselbe
werde darin nur die Absicht, die Wifsenschaft zu fördern, sehen.
Schon früher hat Hr. Prof. Dr. Frdr. Leonh. Enderlein zu
Schweinfurt die Lesarten des Bamberger Cod. zu dem X. und dem
gröfsten Theil des XI. Buches des Quintiliail mitgetheilt (s. die
2. Abthlg. NJahrb. Bd. XL S. 353). Das beistimmende Urtheil, wel-
ches Hr. Prof. O s a n n darüber gefällt (Annotatt. ad Quintil. part. III),
hat ihn veranlafst , seine Arbeit in dem Programm seines Gymnasiums
Mich. 1852 (Commentationis de Bambergensi codice institutionum
Quintiliani manuscripto sect. IV, undecimi libri cap. tertium continens.
17 S. 4) fortzusetzen. Er theilt hier die Lesarten jener Handschrift mit,
zieht zuweilen den Sarmaticus Sicardi, den Gibson oberflächlich ver-
glichen , mit hinzu , weil er denselben seiner Handschrift am nächsten
stehend gefunden, so wie den Pollingianus, bezeichnet die Lesarten,
welche von Spalding und Zumpt auf die blofse Auctorität andrer
Handschriften geändert oder beibehalten sind, mit einem Sternchen
und fügt aufserdem in Anmerkungen kritische Erörterungen bei. Um
über den Werth des Codex ein sicheres Urtheil abgeben zu können,
müste Ref. erst umfängliche Studien machen ; nach dem in dem vorlie-
genden Programm gegebenen kann er indes wohl aussprechen, dafs
er ihm, wie Hrn. Bonnell (Vorr. zur Ausg. des X. B. in der Haupt-
Sauppeschen Sammlung), manches gute Korn zu enthalten scheint. Um
die Leser dieser Blätter in den Stand zu setzen, sich selbst ein Ur-
theil zu bilden, theilen wir hier diejenigen Lesarten mit, denen der
6*
84 Programmenschau.
Hr. Herausgeber einen besondern Werth beilegt. §. 1 gibt der Cod.
sed prius nomen a voce, scquens a gestu videatur accipcrc. Ref.
kann sich hier von der Richtigkeit des Coniunctivus potentialis nicht
überzeugen, da doch Q. gewis sein Urtheil bestimmt der bestimmten
Gewohnheit der meisten entgegensetzen mufs. Was die Berufung auf
Burmann zu IX, 4 p. 579 und auf IV, 2, 57 solle, gesteht er nicht
recht einzusehen. Dagegen empfiehlt sich quae sunt eadem pronun-
tiationis für eacdcm durch den öfter bei Quintilian vorkommenden
Gebrauch des Neutrums in Beziehung auf Substantiva andern und
verschiednen Geschlechts. Ebenso erscheint §. 2: Affectus omnes
[denn so mufs dann gelesen werden] languescant necesse est, nisi —
inardescunt durch die Gleichheit mit dem vorausgehenden Satz ge-
stützt. Beiläufig fordert der Hr. Verf. auch III, 6, 17 mit den
besten Handschriften nisi — respondet und verweist auf Meyer zu
I, 4, 5. §. 8 bestätigt der Codex die Conjectur des Regius qui diu
princeps. §. 13 bietet derselbe mit andern Handschriften für inter-
mittere: summittere und Ref. stimmt dem Hi-n. Verf. gern bei, dafs
dies einen befsern Gegensatz gegen insurgere et exclamare bildet, als
jenes. Beachtung verdient jedesfalls §. 17 non exprobrantis sonus,
dagegen können wir §. 18 daraus, dafs der Cod. die Worte habet dif-
fcrentiam wegläfst , nicht auf ein Glossem schliefsen ; denn dann
würde er infinita haben (was in einigen Codd. sich neben jenen bei-
den Worten findet), sodann finden sich in ihm viele gröfsere und kür-
zere Lücken, wie sogleich im folgenden die Worte quae nominari
fehlen , endlich kann facies infinita est (est müste nicht für ausgelas-
sen, sondern aus dem folgenden heraufzunehmen gehalten werden)
wohl kaum bedeuten: 'die Verschiedenheit der Gesichtsbildungen ist
unendlich manigfaltig. ' Ob §. 19 neglegentia vel scitia berechtigt,
vel inscitia als echte Worte Quintilians anzusehn, bezweifelt Ref., da
der cura eigentlich nur neglegentia entgegengestellt werden kann,
mag sie nun aus dem Willen oder aus Unwifsenheit hervorgehen, und
mindestens ist das vorausgestellte et weniger kräftig und dem Sprach-
gebrauche des Quint. angemefsen als das Asyndeton. Sehr wahr-
scheinlich ist die Verbefserung, welche der Hr. Verf. §. 21 aus der
Lesart der meisten Codd. spiritus, was auch der Bamb. bietet, heraus-
bringt: quarum strepitus. Beachtung verdient: ut nimius impedit,
ita consumtus destituit. Auch §. 26 halten wir deficient für richtig,
aber müfsen doch dann als den Werth des Cod. bestimmend bezeich-
nen, dafs derselbe nicht auch quaercnt, sondern quaerant bietet.
Auch subsurda j). 32 beweist dem Ref., dafs der Cod. die Corruptelen
der meisten theilt. Es kommt darauf an , ob surdus eine solche Mo-
dification der Bedeutung, wie sie sub hinzubringt, zuläfst oder nicht,
— darnach hätte der Hr. Herausgeber fragen sollen — und dann,
ob eine 'etwas undeutliche Stimme' mit rudis, immanis zusammenge-
stellt werden kann, was wir nicht für möglich halten. Ohne Beden-
ken nehmen wir das auch dem Hrn. Herausgeber gefallende absurda
Zumpts an. §. 34 ist dissimulantur gewis das richtige. §. 36 hal-
Pro^rammenschau. 85
ten wir in illud virum (Poll,) , worauf des Cod. illum virum führt,
virum für einen erklärenden Zusatz und wenn im folgenden vcniat die
richtige Lesart ist, nun dann bietet die prima manus das falsche und
der Cod. theilt auch hier die Corruptelen. §. 37 ist finiat zuverläfsig
schlechter als finiant, da ja distinciionibus vorausgeht. §. 40 stimmt
der Cod. in toto ut aiunt organo instructa mit den übrigen Hand-
schriften überein. Die von dem Hrn. Herausg. §. 45 u. 46 vorgenom-
mene Transposition: non solum ne dicamus — sed etiam ut in iisdem
stellt einen recht guten Sinn her, aber der Cod. fördert sie, so viel
Ref. sieht, eben so wenig, wie die übrigen Handschriften. Bei den
aus der Miloniana §. 47 ff. angeführten Stellen stimmt derselbe aller-
dings mit den besten Handschriften des Cicero überein. §. 52 er-
klärt der Hr. Herausg. richtig temporibus praefinitis als Ablativi ab-
solut!. Untersuchungen über solche Formen, wie mehercule , was der
Cod. §. 59 bietet, können am besten dienen, seinen Werth zu bestim-
men. §. 60 ist et sunt quidam, wie auch Poll. und Sarm. bieten, das
richtige, dagegen §. 63 Itnior schwerlich, da man an dem folgenden
lenis Anstofs nehmen mufs. Während wir §. 65 die Weglafsung von
rei billigen, können wir, dafs der Hr. Verf. sich §. 66 für saltatio er-
klärt, obgleich er salutatio selbst gegen Burmanns Verdächtigung ver-
theidigt, nur seiner Vorliebe für den Cod. zuschreiben. Wenn der-
selbe §. 70 aut non concedere, wie Gryphius conjicierte, allein bietet,
so kann man darin die Hand eines denkenden Correctors sehen , die
sich freilich auch nicht gescheut hat, das hexametrische Mafs durch
haud ego quidem zu verderben. Wenn §. 72 hinc, §. 84 ut ipsa,
das gewünschte Wort, geboten wird, so gebührt das Verdienst der
zweiten Hand. Ist nun nicht zu zweifeln, dafs dieselbe aus einem
andern Codex die Aenderungen gemacht hat, so mufs das Verhältnis
desselben zu der Quelle der ersten Hand einer genauen Erörterung
unterzogen werden. Ob aut stupentes ^. 76 ohne weiteres zu strei-
chen oder der Ausfall eines durch et hinzugefügten Wortes, wie die
Concinnität fordert, anzunehmen sei, lafsen wir dahin gestellt sein,
aber so ohne weiteres sie allein festhalten können wir nicht. Beach-
tenswerthe Lesarten sind ferner §. 79: renuendi uo ratione, was den
Hrn. Herausg. mit Recht auf renuendive hinzuführen scheint, §. 89
sensus, §. 96 fertur, §. 99 obliquus rcponitur , §. 104 aliquid, §. 106
poni, wie Spalding aus Conjectur geschrieben, §. 112 ancillulae,
§. 113 ad sinistram, §. 116 breves, §. 124 adloquemur (dafs aber
§. 125 die Lesart der prima manus dextera tlollitur die der Ausgaben
dextera aut tollitur bestätige, ist nicht anzunehmen; der Hr. Herausg.
kann nur von der zweiten Hand sprechen) , §. 126 die Form Vergi-
nius, §. 154 das etiam bestätigende et tarnen, §. 177 caput artis.
§. 132 erregt in dem von dem Hrn. Herausgeber wegen der Lesart
des Cod. gemachten Vorschlage: nisi plane iusta fatigatio , est deli-
catum allerdings auch uns das Fehlen der Copula im Bedingungssatze
Bedenken, das richtige ist wohl: nisi plane iusta fatigatione , est de-
licatum. Grofse Bedenken hat das §. 183 auch von dem Bamb. bestä-
86 Programmenschau.
tigte morosam erregt, Ref. kann weder inotiosam, noch morosam
(v. Jan), noch motoriam, was der Hr. Herausg. vorschlägt, billigen, da
offenbar von einem den Griechen entweder nachgebildeten, oder von
ihnen geradezu entlehnten Worte die Rede ist, was auf keins der ge-
nannten zu passen scheint. Mcohos bezeichnet zwar Verhöhnung, aber
wie Passow im Lexicon hinzusetzt, besonders durch nachäffende Gri-
massen. Wäre mm wirklich die Bezeichnung einer pronuntiatio vol-
tuosa, et gesticulationibus molesta, et vocis mutationibus resultans
als einer grimassenhaften ungereimt? Und wäre es nicht ganz merk-
würdig, wenn blofse Corruptel zu einem solchen Worte geführt hätte ?
Wenn Ref. noch nicht überzeugt ist, dafs der Cod. Bamberg, die
Grundlage jeder Textesrecension des Quintilian bilden müfse, so will
er nicht damit das Gegentheil behaupten, noch weniger aber die so
höchst dankenswerthe Arbeit des Hrn. Verf. herabsetzen, vielmehr
fordert er denselben aufs dringendste auf, die vollständige Ver-
gleichung der Handschrift durch das ganze Werk sobald als möglich
zu veröffentlichen.
In dem Programm der lat. Hauptschule im Waisenhause zu Halle
Mich. 1852 hat der Rector Dr. P^r. A. Eckstein zwei rhetorische
Schriften Schemata dianocas und Fragmentum de barbarismo (^Anec-
dota Parisina rhetorica. 29 S. 4) aus dem Cod. Paris. Nr. 7530
veröffentlicht. Die erstere war von Mommsen 1845 bereits abgeschrie-
ben, dann an Bergk geschickt und von diesem in H. Keils Hände
gekommen. Interessant sind beide , weil sie über die rhetorischen
Studien, deren Quellen und die hauptsächlich dabei benutzten Schrift-
steller Aufschlüfse bieten, abgesehen davon, dafs sie auch einiges
neue enthalten. Der Hr. Herausgeber hat sich ein besondres Ver-
dienst dadurch erworben, dafs er die Abschrift dem durch Mommsen,
Bergk, Keil und ihn berichtigten Texte gegenüber gestellt hat, indem
dadurch die Möglichkeit geboten wird, sich in der Behandlung hand-
schriftlicher Ueberlieferungen zu orientieren und zu üben. Es sind
auch noch einige corrupte Stellen vorhanden, freilich von der Art,
dafs ohne besondere Hilfsmittel schwerlich das richtige , das sonst
jene Männer von so bedeutendem kritischen Scharfblick gewis ent-
deckt hätten, gefunden werden durfte.
Das Programm des Gymnasiums zu Luckau Ostern 1831 enthält eine
Abhandlung: N. Bergmanni de inscriptone latina ad P. Sulpicium
Quirinum cos. a. 742 u. c. ut videtur referenda comm. (X S. 4). Es
ist die Inschrift, welche 1764 zu Tibur in der Mitte zwischen der
villa Hadriani und der via Tiburtina gefunden und in das Museum
Vaticanum gebracht wurde. Der Hr. Verf. erhielt eine Abschrift von
Theod. Mommsen, wodurch er veranlafst wurde, die früher von ihm
in der archaeologischen Gesellschaft zu Berlin vorgetragenen Ansich-
ten fallen zu lafsen. Dieselbe, mit den schönsten Buchstaben, wie sie
in Augusts Zeiten in Gebrauch waren, geschrieben, lautet:
Programmenschau. 87
^GEM . QUA . REDACTA . IN POT
AUGUSTI . POPVLIQVK . ROMANI . SENATV
SVPPLICATIONES . BINAS . OB . RES . PROSP
IPSI . ORNAMENTA . TRIVMPP
PRO . CONSVL ASIAM . PROVINCIAMOP
DIVI . AVGVSTI . ITERVM . SYRIAM . ET . Pt
Da deutlich ist, dafs wir hier die Grabschrift eines Feldherrn des
Kaisers Augustus haben, der 1) denselben überlebte (wegen DIVI),
2) als Proconsul Asien verwaltete , und zu zwei verschiedenen Zeiten
Syrien mit Phoenicien, einmal nach jenem Proconsulat, 3) da vor
GEM der Strich eines E sichtbar, also REGEM gewis ist, ein Volk,
unter einem Könige besiegte und deshalb die Ehre des Triumphs zu-
gestanden erhielt, so hat schon San demente (de vulgaris aerae
emendatione. Rom 1793) an den P. Sulpicius Quirinus gedacht, der
nach Tacitus Ann. III, 48 nach dem im J. 12 v. Chr. bekleideten Con-
sulat die im westlichen Cilicien wohnenden, unter Königen stehenden
räuberischen Homonadenser (Strabo XII p. 569 Cas.) gänzlich besiegte,
10 Jahre später nach seinem Consulate, also im J. 2, eine der dem
Senate gelafsenen Consularprovinzen Asien oder Africa als Proconsul
verwaltet haben mufs, ferner nach Joseph. Ant. XVIII init. 6 n. Chr.
als Praefect Syriens, aber zum zweiten Male nach der Inschrift, nach
des Königs Archelaus Tode den römischen Census in Judaea hielt
[dadurch würde die Nachricht des Evangelisten Lukas, dafs Christ
Geburt in die Zeit des Landpflegers Quirinus in Syrien falle, gestützt,
wenn schon wegen des Census sich die Schwierigkeiten nicht heben.
Auch ist es wahrscheinlich, dafs er bei der ersten Verwaltung Syriens
mit über einen Theil Ciliciens gesetzt war und so die Homonadenser
besiegte], endlich im J. 21 n. Chr. starb. Darnach nun hat Mommsen
die Inschrift ergänzt:
[P. Sulpicius — F. — Quirinus — cos. leg. divi
Augusü Syriam et Phoenicem rexit vicit Homonadensium gentem et
(fugavit oder cepit oder interfecit) re]gem qua redacta in potlestatem
divi] Augusti populique Romani senatu[s dccrevit] supplicationes binas
ob res prosp[ere gestas] ipsi ornamenta triumph[alia] proconsul Asiam
provinciam op[tinuit leg.] divi Augusti iterum Syriam et Ph[oenicem
administravit].
Dagegen erhebt Hr. Dr. Bergmann folgende Bedenken : 1) das
Wort iterum in der sechsten Zeile zwingt nicht , an eine schon voraus-
gegangene Verwaltung von Syrien zu denken, sondern kann auch von
verlängerter Amtsführung stehen (Böckh Corp. inscr. II n. 2870, 10.
3517, 4 p. 560b und p. 844a und b und einige andere Inschriften);
2) da die Homonadenser nicht in dem östlichen Theile Ciliciens wohn-
ten, sondern im westlichen, so ist nicht wahrscheinlich, dafs Quirinus
als Proconsul Syriens dieselben besiegt habe, sondern zwischen 11 u.
1 V, Chr. als Propraetor Galatiens in aufserordentlicher Weise — denn
25 V. Chr. war der König der Galater Amyntas im Kampfe gegen die
Homonadenser gefallen, und Augustus hatte zwar 20 das rauhe Cili-
88 Programmenschau.
cien dem König Archelaus von Cappadüclen zugetheilt, aber die nörd-
lichen Abhänge des Taurus bei der Provinz Galatien gelafsen. 3) Von
dem Gesetze , dafs der gewesene Consul nach 10 Jahren eine Provinz
begleiten muste, finden sich viele Ausnahmen (Dio Cass. LIV, 30.
Tac. Ann. I, 12. Ross Inscript. gr. III n. 312 u. a.) und es ist des-
halb anzunehmen, dafs Quirinus erst 2 n. Chr. Syriens Verwaltung
antrat. [Aber des Evangelisten Lukas Zeugnis spricht ja für die
Bedeutung des iterum und für die regelmäfsige Zeit. Ueber den Cen-
sus ist übrigens Huschkes Arbeit nicht genannt.] Schliefslich äufsert
derselbe die Vermuthung, es sei zu ergänzen: domuit Homonadensium
gentem quae occiderat Amyntam regem. Allein es ist sehr unwahr-
scheinlich, dafs in der Inschrift eine schon längst vergangene Kriegs-
that und ein bei der Nachwelt gewis nur den Gelehrten bekannter
König hätte erwähnt sein sollen, und die Beziehung des Relativ qua auf
entfernter stehendes Substantiv ist ja sogar bei den classischen
Schriftstellern nicht ungewöhnlich (vgl. des Ref. Anm. zu Sal. Cat.
48, 1 p. 187), geschweige denn in einer Inschrift unerträglich, zumal
wo das Genus jede Zweideutigkeit beseitigt.
(Fortsetzung folgt.) D.
Ein Nachtrag zur Biographie Karl Lachmanns von M. Hertz.
In meiner Biographie Lachmanns S. 13 habe ich nach einer gü-
tigen Mittheilung des Hrn. Director Dr. Krüger zu Braunschweig
von einem lateinischen Gedichte gesprochen , mit dem Lachmann den
Einzug des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig in seine
Vaterstadt im Jahre 1813 begrüfst habe. Es war aber weder Hrn.
Krüger noch mir gelungen dasselbe zu erhalten, und da ich nicht
einmal sicher wüste, ob es nicht nur handschriftlich existiert habe,
konnte ich in der Uebersicht der litterarischen Thätigkeit Lach-
manns (Beilage C S. XXVII) nur die Bemerkung machen, dafs dieses
Gedicht am Anfange des Verzeichnisses fehle, wenn es gedruckt wor-
den sei. Dieser Zweifel ist durch die zuvorkommende Gefälligkeit des
Hrn. Oberlehrer Dr. Lange zu Blankenburg gehoben, der mir ein
im Besitze eines Coliegen , des Hrn. Prediger Dr. Hoffmeister, be-
findliches Exemplar dieses Gedichts , einer Elegie in einundvierzig
Distichen, ein Heftchen von einem halben Bogen in Octav bildend,
mitgetheilt hat. Den Dank, den ich ihm schulde, glaube ich mir bei
vielen zu verdienen, wenn ich dies so gut wie unbekannte Gedicht
des zwanzigjährigen Jünglings durch einen erneuten Abdruck veröffent-
liche.
Nachtrag zu K. Lachmanns Biographie von M. Herlz. 89
DE ADVENTU
SERENISSIMI DUCIS
FRIDERICI GULIE LMI
E L E G I A
BRUNOVICI
CIOIOCCCXIII.
TYPIS JOANNl HENRICI MEYERI.
(p. III) Haec erat illa dies; laeto, Brunsuiga, tumultu
Exsulta; precibus saepe petita tiiis.
Hanc celebrare sacris, qua Dux has redditiis oras
Adspiceret, magno non minor ille Patre,
Hac dare tura focis, arisque accendere odores
Vovimus , hanc festis annumerare diem.
Vota cadunt. Precibus faciles adverterat aures,
Quisquis is est, nostri cui data cura, deus.
Quid dubito? Phoebus fuerat; nam praesidet urbi;
Hie pariter vobis Mercuriusque favet.
(p. IUI) At Phoebus celeri petit Anglica Htora passu,
Principis et praesens adstitit ante torum.
Adstitit, et morbo fessum medicantibus herbis
Excitat ; hinc placidos edidit ore sonos :
Surge, ait, 6 Juvenis, studio dignissime nostro,
0, patriae merito maxima cura tuae!
Surge, age; te dudum revocant, pia pectora , cives;
Te multa poscunt cum prece saepe deos.
I, tua quo te vota vocant, quo vota tuorum,
Cui scio nil patrio dulcius esse solo.
Cernis? amica manus sedes iam pandit avitas,
Et sua furtorum praemia raptor habet.
Si quaedam et validis restant peragenda lacertis,
Jam tibi prompta cohors arma parata subit.
Non sine te patriae rediit decus; ipse ego testis.
Gratatur meritis Teutonis ora tuis.
Haec memori justas animo laetissima grates
(Accipe sed placida debita fronte) feret.
Quin ego, ne timeas, certo te tramite ducam,
Avertam et strictas in tua fata manus.
Sed quid ego haec? Nullum scimus tua corde *) timorem
Nosse, neque ad magnas intremuisse minas.
(p. V) Ergo age, vel mecum medios incede per enses.
1, via te populis iam feret illa tuis.
His deus accendit dictis, dextraque volentem
Prendit; nee comitem se negat ille deo.
*) Sic; 1. corda.
90 Nachtrag zu K. Lachmanns Biographie von M, Hertz.
En adsiint. Ducente deo deus ipse videris,
Sic intras caram carus et ipse domuin.
Et, Salve! populi, Salve! clamante corona,
Accipimus patriam patria turba Ducem.
Solvite Vota deum. Non hac felicior ulla est,
Aut precibus sacris aptior ulla dies.
Hanc lucem, 6 cives, festis celebrare choreis,
Hanc decet et pateris et celebrare mero.
Orbati fuimus: rediit Pater ille suorum ;
Jam tu, libertas pristina nostra, redis.
Jam redit et Virgo, redeunt et regna Parentis,
Cujus quis potuit dignior esse loco?
En, avus hie puerum, quid quaerant gaudia vulgi,
Edocet, augusti monstrat et ora Ducis.
lila dies , inquit , sedeat tibi raente reposta.
Hie, mihi crede, urbi, te sene Numen erit.
Vocibus hinc laeti juvenes armisque salutant,
Quis animos patriae, quis tuus addit amor,
(p. VI) Nos parte ex alia, bellis minus apta Juventus,
Pacis opus superi quos coluisse volunt.
Nos quoque fida tibi, Dux, pectora dedimus omnes.
Dulce est pro patria vivere, dulce mori.
At vos, nascentes hilari quos lumine Musae
Viderunt, docti praeses et ipsi chori,
Principis in nomen nova dicite carmina, vates;
Nunc graviore sono percutienda lyra est.
Hie fera bella canat, quos Lipsia docta triumphos
Vidisti, exiguus culta vel Emma loquor.
Hie, antiqua sui repetenti ut tecta Parentis
Exseruit virides Occarus amne comas :
Hac ito ; excipient laeto te pectore cives;
Venalem hac turbam, perfida corda, doma.
Ille canat Gallos, indigna caede feroces,
Jam nullos celeri terga dedisse fugae.
Ille suis ut se tandem , Brunsuiga, ferentem
Sedibus accipias ore favente Ducem.
Hie Ventura ferat Saturnia saecula mundo,
Inque aurum populos iam rediisse vetus.
Hie doceat pueros, hie instruat arte puellas,
Concepisse pia Candida vota prece:
(p. VII) Justa date, ö divi, quae poscimus. O, sit in aevum
Hoc Caput, haec Caroli pignora cara Patris!
Aut tu cede, sacris, Elegeia, cede poetis:
Materia ista tuo non satis apta pedi.
Te decet aut dominae juvenes ad limen amantes,
Liberave a multo vina referre mero.
Nachtrag zn K. Lachmanns Biographie von M. Hertz. 91
Zugleich benutze ich die Gelegenheit einige Versehen zu berichti-
gen, die trotz alles Strebens nach Genauigkeit sich in meine Dar-
stellung eingeschlichen haben.
Schon in der Vorrede bedarf die Bemerkung, dafs Hr. Professor
Schmidt in Stettin, Lachmanns Kriegskamerad, dem ich schätzbare
Mittheilungen über seine Betheiligung am Feldzuge verdanke, mit ihm
in derselben Section gedient habe, einer Berichtigung: Schmidt ge-
hörte zur ersten. Lachmann zur zweiten oder dritten Section.
S. 38. 45. 46 ist Nicolovius, der Vorsitzende der Geistlichen-
und Schuldeputation der Ostpreussischen Regierung, der als Praesi-
dent in Danzig gestorben ist, mit dem gleichnamigen Mitgliede des
Unterrichtsministeriums in Berlin fälschlich identificiert worden. S. 48
ist der letztere gemeint.
S. 59. Lachmann war nicht auf der Hinreise, sondern bei der
Rückkehr von St. Gallen in Cassel und wohnte einige Wochen bei den
Brüdern Grimm, um die Casseler Handschrift von Ulrich von Tür-
heims Wilhelm zu vergleichen.
S. 115. Die Darstellung des Verhältnisses von Bergmanns Ar-
beit über Ulrich von Lichtenstein zu Lachmanns Ausgabe ist im Aus-
druck nicht genau : ersterer hat nur das Frauenbuch vorher abdrucken
lafsen.
S. 211. Von den Mitgliedern der griechischen Gesellschaft bei
Lachmanns Eintritt in dieselbe ist nicht nur Immanuel Bekker
noch am Leben. Auch Böckh und Johannes Schulze gehörten
ihr damals an. Hossbach dagegen, und muthmafsHch auch Kle nze,
fand Lachmann nicht schon in der Gesellschaft vor, sondern sie tra-
ten erst später hinzu. Auch Hofrath H. Ritter in Göttingen hat
derselben angehört: Süvern und Ideler aber waren schon vor Lach-
manns Eintritt aus der Gesellschaft geschieden.
In der Uebersicht von Lachmanns litterarischer Thätigkeit fehlt
seine Recension von Wilhelm Grimms erster Ausgabe der goldenen
Schmiede Konrads von Würzburg in der Jen. Litteraturztg. 1818 Nr.
57. Auch dafs in R. Köpkes Otto I eine Recension des Leichs von
den beiden Heinrichen von Lachmann steht, ist nachzutragen. Bei
der zweiten Vorlesung über die Ilias ist S. XXIX das Datum (11 Merz
1841) fortgelafsen worden*).
Aufserdem sind folgende Fehler im Druck zu berichtigen: S. 16
letzte Zeile lies sagacem — S. 17 Z. 13 1. Manilius — S. 23 Z. 11
'') Nach der Absendung des vorstehenden sind auch die S. 135 f.
(Beilage S. XXVII) besprochenen nachgelafsenen Abhandlungen über
die römischen Feldmefser in die Oeffentlichkeit getreten. 'Die Schrif-
ten der römischen B'eldmefser herausgegeben und erläutert von F.
Blume, K. Lachmann und A. Rudorff. Zweiter Band. Erläu-
terungen und Indices.' (Berlin 1852. 8.) S. 79-96 (über die dem Boe-
thius zugeschriebenen agrimensorischen Stücke) und S. 97—142 (über
Frontinus, Baibus, Hyginus und Aggenus Urbicus). M. H,
92 Nachtrag zu K. Lachmanns Biographie von M. Hertz.
2. Februar — S. 29 Z. 6 1. verstorbenen — S. 111 Z. 15 I. vierhun-
dertjährigen — S. 114 Z. 6 V. u. 1, Karajan — S. 127 Anm, Z. 1 1.
edere — S. 185 Z. 9 1. Matthissons — S. 216 Z. 14 1. den — S. 228
Anm. I. S. 104 statt S. 99.
Die Bekanntmachung der Elegie wird diese kleinen Nachträge wohl
auch bei denen entschuldigen , die sie sonst pedantisch finden würden.
Berlin. M. Hertz.
Bericht über die vom 29. September bis zum 2. October 1852
in Gott in gen abgehaltene dreizehnte Versammking
deutscher Philologen und Schulmänner.
Die dreizehnte Versammlung der deutschen Philologen, Schul-
männer und Orientalisten wurde am 29. September 1852 in Göttingen
durch den auf der vorjährigen Versammlung in Ei'langen erwählten
Praesidenten Professor Dr. K. Fr. Hermann in der Aula der Univer-
sität eröffnet. Die Mitglieder, deren Zahl sich nach dem Schlufs der
Liste auf 186 belief, hatten bei dem Empfange ein Programm des
Praesidenten: Defensio disputationis de Graeciae post captam Corin-
thum conditione (22 S. 4) und eine Schrift des Assessors Dr. Lud-
wig Lange: 'Das System der Syntax des Apollonios Dyskolos'
(44 S. 8) zum Geschenk erhalten. Der Praesident wies im Anfange
seiner Eröffnungsrede darauf hin, dafs Göttingen, der diesmalige Ver-
sammlungsort, zugleich die Geburtsstätte des vor fünfzehn Jahren da-
selbst gegründeten Vereins sei. Er wolle hier gegenüber der Kurz-
sichtigkeit, welche der jetzigen Philologie die rechte Lebendigkeit ab-
spreche und sie beschuldige, nur das auszuführen, was die Meister
begonnen und angegeben hätten, die Fortschritte schildern, welche
die Wifsenschaft in den letzten fünfzehn Jahren, der Zeit des
Bestehens dieses Vereins, auf den vier Hauptgebieten der Antiqui-
täten, Archaeologie, Grammatik und Exegese gemacht habe.
In der Geschichtsforschung seien jetzt manche Gebiete zum erstenmale
gründlich dargestellt worden, so die Geschichte Alexanders des Grofsen
und die römische Kaiserzeit, Werke, wie sie getrost ausländischen
Bearbeitungen an die Seite gestellt werden könnten. Die Wifsenschaft
der griechischen und römischen Antiquitäten sei intensiv uud extensiv
weiter geführt (der Name W. A. Becker verdiene ganz besonders
erwähnt zu werden), so wie auch die auf Gewichte, Münzfufse und
Mafse bezüglichen Forschungen. Die Mythologie sei auf dem von
K. O. Müller eingeschlagenen Wege fortgegangen, und wie in der
vorigen Periode dieses Zweiges über die überlieferte Mythengeschichte
die Symbolik der Naturreligion und ihres mythischen Ausdrucks im
ganzen und einzelnen gesetzt sei, so habe in der jetzigen auch das
ethische Moment des alten Volksglaubens und seine Modificationen
durch Phantasie und Reflexion der Dichter und Künstler die rechte
Ber. ü. d. XIII. Versammlung deutscher Pliilol. u. Schulmänner. 93
Würdigung zu ßnden begonnen. Bedeutend seien auch die Fortschritte
der monumentalen Alterthumsforschung, wie schon auch äufserlich die
archaeologischen Zeitschriften und Gesellschaften beurkunden. Epigra-
phik und Numismatik Griechenlands und Italiens habe vorzugsweise
unter den Deutschen Forscher gefunden, so wie auch ganz besonders
die Topographie des griechischen Bodens, wenn auch Kleinasien und
die entfernteren Länder mehr von Ausländern erforscht seien. In der
Architektur habe auch der ionische Stil sein Recht auf selbständige
Betrachtung gewonnen, so namentlich durch die neuen Entdeckungen
über das Erechtheion in Athen und auf Veranlafsung der in Lykien und
Phrygien gefundenen Denkmäler. Nicht geringer sei die Bereicherung
hinsichtlich der bildenden Kunst durch die Ausgrabungen in Lykien
und die Ausbeute an Gefäfsen auf etruskisohem Boden; selbst diesseit
der Alpen sei mancher schöne Fund gemacht worden. — Auf dem Ge-
biete der Sprachforschung bestehe der Fortschritt mehr in der Inten-
sität als in der Ausdehnung ihrer Resultate. Die Lexikographie habe
durch Betrachtung der Eigennamen an Zuwachs gewonnen , über die
griechischen Dialekte und die mittel- und unteritalischen Sprachen
sei mancher neue Aufschlufs gefunden. Namentlich aber gelange die
Sprachvergleichung zu immer gröfserer Anerkennung. Auch der logi-
sche Theil der Sprachlehre sei durch Beobachtungen des Sprachge-
brauchs bereichert und in seinen Principien und deren Anwendung
noch über die Höhe der vorigen Periode hinausgeführt worden. Zwi-
schen Form- und Satzlehre sei noch die Semasiologie gestellt, reiche
Monographien über Casus, Modi, Partikeln u. dgl. verdanke die Wifsen-
schaft dieser Periode. Die lateinische Stilistik sei zu einem Lehrge-
bäude entwickelt, das in der Erscheinung das innere Gesetz und das
Walten des Sprachgenius verfolge. — Auf dem Gebiete der Exegese sei
der Fortschritt der, dafs man im ganzen und einzelnen Wort und
Sinn der Schriftsteller in möglichst organischer und zusammenhängen-
der Ursprünglichkeit darzustellen gestrebt habe, so dafs Text und
Sinnesverständnis gefördert sei. Eine wifsenschaftliche Geschichte
der griechischen und römischen Litteratur werde auch dem letzten
Zeiträume verdankt, nachdem K. O. Müller mit seinem leider unvoll-
endeten Werke den Anfang gemacht habe. Die Kritik habe durch
Lachmanns Methode eine ganz neue Gestalt gewonnen, die Exegese
sei theils an ganz neu entdeckten Schriftstellern wie Hyperides, Ba-
brios, Hippolytos, theils an wichtigen Schriftstellern, wie Aristoteles,
jetzt zum erstenmale recht geübt worden. Mehrfache Sammlungen von
Fragmenten seien veranstaltet. Die Philologie sei in dem Bestreben,
ihre Ergebnisse praktisch und zum Gemeingute der Nation zu machen,
hinter keiner andern Wifsenschaft zurückgeblieben; die deutsche Sprache
gewinne für Uebersetzung und Erklärung immer gröfsere Bedeutung,
und für das heranwachsende Geschlecht würden von den besten Kräf-
ten in diesem Gewände die Schätze ihres Wifsens ausgegeben. — Und
in diesem Punkte verschmelze gerade die classische Philologie aufs
innigste mit dem dritten Factor der Versammlung, dem paedagogischen^
94 Ber. i\. d XIII. Versammlung deutscher Philol. u. Schulmänner.
und bilde so die mittlere Proportionale zwischen Paedagogon und
Orientalisten. Aufser dem historischen und sprachlichen Elemente
habe die Philologie noch ein höheres sittliches und geistiges Element,
das exemplarische und in diesem das paedagogische. Die beiden ersten
Factoren theile sie mit den Orientalisten, aber die Aufgabe der Phi-
lologie bestehe nicht blofs in der historischen oder sprachwifsenschaft-
lichen Forschung. In den Werken des classischen Alterthums seien
absolute Bildungselemente enthalten, die als dauernde Errungenschaft
der Menschheit zu betrachten seien und ihren Kennern und Hütern
die Verpflichtung auferlegen, sie nicht blofs um ihrer selbst willen zu
erhalten und zu pflegen, sondern auch zum gemeinen Besten nutzbar
und fruchtbringend zu machen. So müfse der Philolog entweder
selbst Jugendbildner sein oder solche bilden, und das höchste Ziel des
philologischen Studiums könne darin allein liegen, sich oder andere
zu Jugendbildnern zu befähigen. Wenn auch der ganze Inbegriff des
philologischen Wifsens jetzt nicht mehr ausreiche, dem heutigen Men-
schen die Kenntnisse mitzutheilen, die Vaterland und Welt von ihm
fordern, so solle doch gerade das, was im Alterthum naiSsia war, jetzt
Vorbildung, Propaedeutik, sein und dadurch werde der Philolog zum
Vorbildner der heutigen Menschheit, wie die Kenntnis des Jugend-
alters der Menschheit die beste Vorschule des Paedagogen sei. Jedes-
falls sei die in einer frühern Versammlung ausgesprochne Ansicht zu
verwerfen, dafs ein Philolog, der zugleich ein guter Lehrer sei, dies
ungeachtet seiner Philologie sei, vielmehr müfse jeder, der sich mit
Bewustsein und innerem Berufe der Philologie zugewendet habe , bis
zum Beweise des Gegentheils als geborner Paedagog gelten. Denn
dazu befähige ihn die Harmonie der Stimmung, die aus dem künst-
lerischen Geiste des Alterthums auf seine Pfleger übergehe.
Nach dieser Eröffnungsrede und nachdem der Praesident noch drei
an das Praesidium eingegangene Schreiben, nemlich Bewillkommnungen
des Vereins von Seiten der Universitätsbehörde und des Stadtmagi-
strats , und ein huldvolles Schreiben des K. Hannoverschen Cultus-
ministers von Reiche Exe. , worin dieser sein Bedauern der Ver-
sammlung nicht persönlich beiwohnen zu können und sein Interesse
für die Zwecke des Vereins aussprach, verlesen hatte, wurde das
Bureau gebildet, wozu auf Vorschlag des Praesidiums der Conrector
Schöning, Assessor Dr. Lange und Schulamtscandidat Schmidt,
sämmtlich von Göttingen, sodann Professor Dr. Caesar aus Marburg
und Gymnasiallehrer Fleck eisen aus Dresden berufen wurden.
Der Praesident kündigte noch einige der Versammlung zur Vertheilung
übersandte Schriftchen an und brachte ZAvei Adressen zur Sprache,
die an Geh. Justizrath Mi ts c h e rlic h in Göttingen, der leider durch
Unwohlsein verhindert wurde, an den Sitzungen der Versammlung
persönlich Theil zu nehmen, und an Geh. Regierungsrath Lob eck in
Königsberg mit Beziehung auf dessen im Lauf des vorhergehenden
Sommers begangenes fünfzigjähriges Doctorjubilaeum erlafsen werden
mochten. Die Versammlung erklärte sich mit beiden Anträgen ein-
Ber. ü. d. XIII. Versammlung; deutscher Philol. u. Schulmänner. 95
verstanden und ermächtigte den Professor Dr. Wüstemann aus Gotha
zur Abfafsung des an Mitscherllch in lateinischer, den Praesidenten
zur Abfafsung des an Lobeck in deutscher Sprache zu richtenden
Sendschreibens.
Die Reihe der wifsenschaftlichen Vorträge begann am zweiten
Tage der Versammlung unter dem Vorsitze des Vicepraesidenten Pro-
fessors Dr. Schneidewin mit dem Vortrage des Professors Dr.
Gerlach aus Basel 'über die älteste Bevölkerung Italiens.'
Hrn. Gerlachs Auffafsung vorhistorischer Zeiten ist bekannt genug;
auch dieser Vortrag war eine Probe davon. Nach einer allgemeinen
Betrachtung geographischer EinHüfse auf die Entwicklung der Natio-
nen, auf die der Schlufs gebaut wurde, dafs die Bewohner beider
Halbinseln, Griechenlands und Italiens, im ganzen zu einer gleichar-
tigen Entwicklung praedestiniert gewesen seien, nur dafs dieselbe in
Italien durch äufsere Umstände länger zurückgehalten sei, gieng der
Redner auf eine Kritik der Sagen ein. Die griechischen Einwande-
rungen vor dem trojanischen Kriege stehen ihm als historische Facta
fest; die Identificierung der Aboriginer und Oenotrer weist er zurück,
es seien beides verschiedene, aber griechische Stämme. Diese griechi-
sche Einwanderung fand vor Sikeler, Osker, Umbrer; namentlich die
letztern beiden haben der Graecisierung Italiens einen gröfsern Wider-
stand geleistet als die vorderasiatischen Völker den dortigen griechi-
schen Colonien. Aufserdem kam nach Italien , vielleicht von Tyros
über Lydien ein wesentlich hellenisches Mischvolk, die Tyrrhener,
welche sich in Etrurien niederliefsen, die Umbrer dort verdrängten,
und von denen die Werke der Kunst abstammen, in denen sich die
Mischung hellenischer und asiatischer Kunst zeigt. Diese wurden
unterjocht von den Rasenas, die der Redner für germanisch hält,
und von denen er die auf nordischen Ursprung hinweisenden Elemente
der etruskischen Religion ableitete. Da Gerlach die Sikeler für Kelten
erklärte, so hatte er allerdings in das älteste Italien alle Nationalitäten
hineingebracht, durch deren Unterjochung innerhalb und aufserhalb
Italiens Rom später seine Weltherschaft gründete.
An diesen Vortrag knüpfte Geh. Reg. Rath Böckh aus Berlin
einige Bemerkungen über den rein mythischen Gehalt des Namens der
Oenotrer und Peuketier, und Professor Dr. Petersen aus Hamburg
suchte darauf einen festen Punkt für die Bestimmung des Verkehrs
zwischen Griechenland und Italien zu gewinnen durch den Nachweis
der Identität des griechischen und italischen Zwölfgöttersystems und
durch die chronologische Bestimmung der Entstehung dieses Systems,
wobei der Umstand, dafs Hestia oder Vesta, eine verhältnismäfsig
junge Gottheit, im Zwölfgöttersysteme enthalten sei, besondere Be-
achtung verdiene.
Hierauf betrat Professor Dr. Ernst Curtius aus Berlin die
Rednerbühne, um einige 'Bemerkungen über die Topographie
der Umgegend Athens' der Versammlung vorzutragen. Er zollte
in einem eben so geschmackvoll entworfenen als ernst und würdig ge-
96 Ber. ü. d. XIII. Versammlung deutscher Philol. u. Schulmänner.
haltenen Vortrage dem Andenken seines Lehres Karl Otfried Mül-
ler, in dem auch noch viele andere der anwesenden ihren Lehrer ver-
ehrten, den schuldigen Tribut der Pietät, indem er die Versammlung an
des dahingeschiedenen Grabstätte bei Athen führte und über die Lage
derselben so wie über die auf die dortige Gegend bezüglichen Worte des
Sophokleischen Oedipus auf Kolonos sprach. Es ergab sich aus diesem
Vortrage zunächst, dafs die gewöhnliche Angabe , wonach Müller in
der Akademie ruhe, irrig sei. Denn der Name der Akademie, den jetzt
die ganze Niederung des Kephisos führt, ist auf einen Theil derselben
einzuschränken; Müllers Grab befindet sich aber nicht einmal inner-
halb des Bereiches jener Niederung, sondern auf einer dieselbe im
Norden begrenzenden Höhe, dem Kgytjg KoXmvöq. Nach einer genauen
Beschreibung des in Frage kommenden Terrains gab der Redner einige
abweichende Interpretationen zu dem Chorgesang Soph. Oed. Col. 668 ff.,
w^o in dichterischer Form eine Schilderung desselben Terrains gegeben
ist. Es waren besonders die Worte V. 685 ff. :
ou5' avnvoi KQrjvcii (iivv&ovaiv
Ki^cpiGov vouädsg QSs&Qcav, uXl' cctiv tn ijfiaTi
(OKVZOKOg TCSdlCOV STllvCodiXUL
GTBQVOVXOV j;'9^ovos ■
welche einer nähern Beleuchtung unterzogen wurden. Der Redner
verwarf die Erklärung von i^ofiäStg 'umherirrend,' und übersetzte vo-
[idSsg Qsi&Qcov als Apposition zu x^^vott: 'die Vertheilerinnen des
Wafsers,' wodui-ch offenbar die Construction viel einfacher wird. Die
Gebirgsquellen vertheilen ihr Wafser in die vielen Canäle, welche die
F'elder bewäfsern. Der KrjcpLodg heifse cJhvtoios wegen seiner steten
Frische im Gegensatz zu stagnierenden Gewäfsern, So sei der jugend-
lich stürmische Orontes, welcher in der bildenden Kunst mit der
Stadtgöttin Antiochia verbunden erscheint, als ein cö^vroKog dargestellt.
Die niSia axs^vovxov x^ovög will der Redner weder einfach als Ebene
erklärt wifsen, noch die Erinnerung an Fruchtbarkeit darin finden.
Vielmehr sei durch das Epitheton avBQVOvxog Bezug genommen auf die
beiden flachen Felshöhen, den cl^y/iS Kolcovög und den nQOGÖxpiog na-
yog der JrnijjzrjQ svxXoog (Vs. 1600), dessen Lage im Norden des
KoKcovög festgestellt wird. Der Kephisos besucht also die Niederung,
aus welcher sich jene Felshöhen hervorheben. — Zum Schlufs wies
der Redner noch auf die Vortheile hin, welche die Kenntnis des clas-
sischen Bodens für die richtige Erklärung einzelner Stellen der alten
Schriftsteller darbiete.
Auf diesen Vortrag folgte der von Professor Dr. Schömann aus
Greifswald: 'über einige Stellen in Aeschylos Agamemnon.'
Auf der voijälirigen Erlanger Philologenversammlung hatte bekannt-
lich Nägelsbach (s. diese NJahrb. Bd. LXV S. 100 f.) die Frage
nach dem Ausgangspunkte der Fabel in der Aeschyleischen Orestie
aufgeworfen und die von Schömann früher gegebene Beantwortung
dieser Frage als ungenügend und inconsequent abzuweisen versucht,
Ber. ü. d. XIII. Versammlung deutscher Pliilol. u. Schulmänner. 97
ohne inzwischen selbst zu einem ihn befriedigenden Resultate zu ge-
langen. Der Redner nahm hiervon Veranlafsung, seine früher aufge-
stellte Ansicht gegen Nägelsbachs Bedenken und Einreden zu ver-
theidigen; es sprach sich in seinen Krörterungen die ganze logische
Schärfe und besonnene Klarheit des Urtheils aus, die von Schömann
zu erwarten war. Zuvörderst stellte er die Frage anders, als Na-
ge 1 s b a c h gethan hatte. Dieser hatte gefragt nach der Ursache,
weswegen Artemis so furchtbar zürne, dafs sie den Agamemnon zur
Sühne dieses Zornes die eigne Tochter zu opfern zwinge. Schömann
dagegen fragte: was ist der Grund, weswegen Artemis den unter An-
führung der Atriden unternommenen Kriegszug gegen Troja so sehr
misbilligt, dafs sie die Abfahrt des Heeres durch widrige Winde ver-
hindert und sie nur unter der Bedingung zuläfst, wenn der Anführer
sich entschliefse die eigne Tochter zu opfern? Nur zu dieser Frage
sei man nach den von Aeschylos selbst (Vs. 69 ff. 122 if.) gegebenen
Andeutungen berechtigt. Die erste Andeutung sei so allgemeiner Art,
dafs sie weder Artemis als zürnende noch Agamemnon als das Object
des Zorns bezeichne, sondern nur übeihaupt von dem Zorn der Götter
wegen unfrommer Gesinnung uud versäumter Opfer, der durch nichts
besänftigt werden könne, spreche. Insofern sei sie also für die Ent-
scheidung der Frage gleichgiltig. Denn es sei Willkür in den Worten
KTivQcov iSQCiiv OQydg ein Verbrechen des Agamemnon angedeutet zu
finden, da der Dichter ganz allgemein sage: ovQ'' vTio-Klaiiov ovd''
vnoXsLßcov — naQuO^sl^SL , mit Anwendung des Participiums von unbe-
stimmter Person; und eben so willkürlich sei die Annahme, dafs heili-
ger Opfer Versäumnis nicht verbrecherisch genug sei , um als eine
unsühnbare Schuld aufgefafst zu werden. Somit falle auch die von
Nägelsbach behauptete Nothwendigkeit, hier an das Opfer der Iphi-
genia zu denken, fort; es sei dieser Gedanke nicht einmal möglich,
weil in der ganzen anapaestischen Partie die Aeufserungen allgemein
gehalten seien und keine auf Agamemnon speciell bezügliche Andeutung
vorkomme. Entscheidend für die Beantwortung der Frage sei dem-
nach nur die zweite Stelle Vs. 122 ff., in welcher die Deutung ent-
halten sei , welche der Seher dem Zeichen der Zerfleischung einer
trächtigen Häsin durch zwei Adler gegeben habe. Der Redner findet
in dieser Deutung nur die Vergleichung jenes Zeichens mit der Zer-
störung Trojas durch die beiden Atriden; diese bevorstehende Zer-
störung Trojas sei der Grund des Zornes der Artemis. Nägelsbach
dagegen hatte zwar die Beziehung der beiden Adler auf die beiden
Atriden zugegeben, wollte aber zugleich eine Andeutung auf das
Thyesteische Mahl finden, um des willen Artemis dem Hause der
Atriden zürne. Berechtigt zu dieser Annahme hielt er sich wegen
der doppelseitigen Natur des Zeichens, das zugleich ein siegver-
heifsendes und ein unheildrohendes sei, jenes für die beiden Atriden,
dieses für das Haus der Pelopiden überhaupt. Diese doppelseitige
Natur des Zeichens leugnete Schömann nun allerdings nicht, son-
dern bezog darauf mit Recht auch die Worte Ss^ia (isvy ■HKzdiioficpce di
IS, Jahrfj. f. Phil. u. Paed. Rd LXVII. Hft. 1. 7
98 Ber. ü. d. XIII. Veirsammlung deutscher Philo!, u. Schulmänner.
cpccGfiaTa. Aber er entnimmt aus den Worten , durch die Aeschylos
den Seher das Zeichen deuten läfst, die Deutung, dafs Artemis über
die bevorstehende Zerstörung Trojas eben so zürne, wie sie als Be-
schützerin des Wildes über die Zerfleischung der trächtigen Häsin
zürne. Dagegen sei kein Grund mit N. den Zorn der Artemis nicht
gegen die beiden Atriden, sondern gegen das Haus (wegen des Thye-
steischen Mahles) gerichtet zu glauben. Denn entweder müfse oi'ii(p
mit Scaliger und Schütz in oinzo) verwandelt werden, so dafs das
Mitleid mit dem Wilde der Grund des Zornes der Artemis gegen die
Adler sei (vergl- Suppl. 370 H.), oder, wenn man otJtM festhalten
wolle , so würde dieses doch immer nur auf die zeitigen Häupter des
Hauses, nicht auf frühere Generationen zu deuten sein. Ohnehin wifse
N. selbst keinen Grund dafür anzugeben, weswegen gerade Artemis
wegen des Thyesteischen Mahles zürnen solle. Das Factum dieses
Zorns der Artemis werde nur aus der fraglichen Stelle geschlofsen,
während die Annahme des Zorns der Artemis über die Zerstörung Tro-
jas ihre Rechtfertigung nicht blofs in der fraglichen Stelle nach
Schümanns Auffafsung, sondern auch in der Sage finde, die Ar-
temis allgemein als Beschützerin Trojas hinstelle. Wenn nun freilich
die Worte rocaov nsQ ivcpQfov a kccIcc mit N. so verstanden werden
müsten, dafs Artemis den Zeus trotz ihres Zornes über die Zerflei-
schung der Häsin bitte, das Zeichen zu vollenden, so würde das aller-
dings gegen die von Schümann gegebene Auffafsung des Zeichens
sein, da Artemis nicht um die Ausführung der Zerstörung Trojas bit-
ten könne, wegen deren sie ja eben zürne. Aber diese Stelle enthalte
in den Worten xsQnvcc rovrcav alzst ^vfißoXa KQavat. eine Corruptel ;
denn Zeus könne nicht als Object von ccCrst und Subject von ngävai,
angenommen werden; vielmehr müfse man, die Richtigkeit der über-
lieferten Lesart vorausgesetzt, Artemis selbst, wie sie Subject von
txlrsi ist, so auch als Subject von y.Qccvca auffafsen. Dem widerspre-
che aber der Gebrauch von ccIxhv, das ein an einen andern gerich-
tetes Verlangen bezeichne , welcher nothwendig genannt sein müfse.
Daher schreibt Schümann xpaWt mit dem Mediceus, als Optativ, wie
auch schon Schneidewin (Philologus HI S. 531) gethan hatte, und
verändert alxsi, wie schon sonst emendiert worden ist, in alza (während
Schneidewin ({!%■£ vorgeschlagen hatte). Das so sich ergebende xs^-
■Kvu xovtav , alxä, ^viißoloc KQavai heifst: 'möge sie (die Artemis)
auf günstige Weise, das bitte ich, das Zeichen vollenden!' d. h. möge
sie es in Erfüllung gehn lafsen ohne die von ihrem Willen abhängige
unerwünschte Zuthat des Zorns. Hiernach befinden sich also die Worte
röaaov svq)Q(ov etc. nicht mit der Schömannschen Auffafsung des Zei-
chens in Widerspruch, sondern vielmehr im besten Einklänge, wäh-
rend Schümann mit Recht bemerkte, dafs nicht einzusehn sei, was
für ein Gedankenzusammenhang im ganzen heraus komme, wenn man
mit N. an das Thyesteische Mahl denke und zugleich die späteren
Worte so wie er erkläre. Zum Schlufs besprach der Redner noch
die Constituierung des Textes, die G. Hermann den letzten Worten
Ber. ü. d. XIII. Versammlung deulscher Philol. ii. Schulmänner. 99
gegeben hat. Er hat hinter oßQiyidlois die Praeposition k'ni aus Con-
jectiir eingeschohen , verbindet Tf qtzvk mit oßQLHciloig ini: 'die sich an
den Jungen erfreut', und schreibt mit Beibehaltung von ccIxbl y,Qivcci,
was auf die Deutung durch den Seher gehe, eine Textesconstitution, die
in der That der Schömannschen gegenüber gewaltsam genug ist und
keinen passenden Gedankenzusammenhang hervorbringt. In dem letzten
Verse, wo Hermann cpccaficcTL tä GtQOV&uiv schx'eibt (statt (pcccfiatcc
GTQOvd'wv), nimmt auch SchÖmann eine Corruptel an; aber er bil-
ligt weder die Hermannsche Aenderung , weil, wenn überhaupt hier
an das Sperlingszeichen der Ilias gedacht werden und dieses als ein
ungünstiges dem günstigen gegenübergestellt werden könne, doch nur
dieses Sperlingszeichen, nicht aber das günstige y.cczdiiofi(fov genannt
werden dürfe; noch die dem Sinne nach erträgliche von Franz, der
cpccGnaz' dijtcöv schreibt, sondern erklärt sich geneigt, eine ihm mit-
getheilte Conjectur cpccaiicct' 'jxQSi'Saiv für das richtige zu halten, so
dafs also das Zeichen zugleich günstig und ungünstig für die Atriden
genannt werde.
In der dritten Sitzung, am 1. October, wurden die bereits
oben erwähnten Adressen an Mit s eher 1 ic h und Lob eck von ihren
Verfafsern vorgelegt und von der Versammlung in unveränderter Pa-
fsung angenommen. Wir glauben uns den Dank unserer Leser zu ver-
dienen, wenn wir dieselben nach authentischen Abschriften hier in
unsern Bericht einschalten. Die erstere lautet:
Philologi Gottingam congregati
Chrisiophoro Guilelmo ITIitschei'Iich
S.
Quae verba grande olim Georgiae Augustae decus, Christianus
Gottl. Heyne Tibi cecinit, Vir summe venerabilis, quum Tu, qui
ipse Ausoniae Musae penetralia servas
antistes
recens esses ab editis eclogis recentiorum poetarum,
at Tibi docta cohors pracmia digna feret,
haec verba quam verum habuerint vatem , quum omni tempore satis
est declaratum, tum hodiernus dies luculenter Tibi coraprobat. Nam
qui frequentes his diebus ex tota Germania Gottingam convenerunt phi-
lologi, in qua ipsa urbe ante hos XV annos felicissimis auspiciis pri-
mum consilia, quibus exoptatissimus respondit eventus, agitata sunt
de conventibus a nostri ordinis hominibus quotannis habendis, simul-
atque inter se consalutaverunt, neque prius neque antiquius quic-
quam habend um esse ad unum omnes censuerunt, quam ut Tibi, Vir
maxime venerabilis, quem animo vegetum a suis rebus non aiienum
esse gaudent, aetate gravem a conventibus suis abesse dolent, sum-
mum cultum suum atque venerationem his ad T e datis litteris testi-
ficarentur.
Ac plurimi quidem, quibus contigit olim in hac litterarum univer-
sitate optimis studiis operam dare, Tua institutione atque disciplina
7*
100 Ber. ü. d. XIII. Versammlung deutscher Pliilol. ii. Schulmänner.
nos usos esse prae nobis ferimus ; omnes autem ex plurimis, quos doc-
trinae Tuae testes apud posteros extare voluisti, plurimum nos pro-
fecisse grati profitemur. Umis praeter ceteros omnes loquitur vates
Venusinus, qiii quid Tui ingenii acumini, quid doctrinae abundantiae
atque elegantiae debeat, nemo est bis litteris vel leviter tinctus , qui
ignoret. Sed quod verendum nobis est, ne Tibi, qui per omnem "vi-
tam ingenuam simplicitatem secutus quodvis tributum Tibi praeco-
uium aspernatus es, molesti simus in ea veneratione nostra declaranda,
quae aut ex egregiis Tuis in litteras meritis aut ex aliis virtutibus
Tuis proficiscitur , in eo cultu Tibi testando acquiescere volumus,
quae e solo pietatis fönte manat. Quae quidem res et Tibi et nobis
gratissima esse debet, quod cum ipsius numinis, a quo tot ac tanta
in Te conlata sunt beneficia, veneratione coniuncta est. Quodsi ho-
niines iis qui aetate sunt provectiores reverentiam praestandam esse
arbitrantur, quanta debetur Tibi, qui Nestorios annos egressus om-
nes, quotquot in Germania huinanitatis studia profiteri novimus, ae-
tate longe superas? Tu unus superstes es ex doctoribus, qui iidem
utraque huius Academiae sollemnia et seniisaecularia et saecularia vi-
derunt; Tu quod unuin doctoris, de quo eiusdem Academiae annales
referunt, es exemplum , qui per LXVl annos professorio niunere func-
tus es, et ita functus es, ut Tuae laudes ab ipsius Academiae lau-
dibus separari non possint. Haec tam longa vitae continuatio ut ra-
rum in homine est Dei beneficium , ita singulare est habendum, ubi
quüd Tibi concessum fuit temporis diuturnitati rerum prosperitas re-
spondet. Tua autem iucidit aetas in auream huius Academiae aeta-
tem ; Tu Christianum Hey nium, Tu Ludolphum Dissenium, Tu
Odofredum Muellerum optimos in munere obeundo habuisti collegas,
fidos in omni vitae conditione amicos, exoptatos virtutum Tuarum
testes. T u quam fortunata huius Musarum sedis sub regibus Britan-
niarum fuerit conditio et expertus es ipse et per sex et viginti an-
nos orator Academiae constitutus facundo ore praedicavisti; Tu, post-
quam tota Germania aliquamdiu Gallorum dominatione oppressa fuit,
bis tempestatibus superstes patriam in libertatem vindicatam vidisti;
Tibi iam novum sidus , quod nova stirpe regia Hannoveranis divinitus
concessa iniucescere coepit, affuLsit. Denique quod summae felicitatis
est documentum, Tu infirmitati quam ingravescens aetas plurimis af-
ferre solet non succubuisti, sed crudam et viridem adeptus seuectutem
animi vigore etiam corporis vires sustines. Hanc valetudinis prospe-
ritatem ut Dens Tibi conservet et ut vitam usque ad extremos hu-
manae conditionis terminos Tibi continuet, pia quae ex intimo animo
proficiscuntur facimus vota.
Dabamus Gottingae d. XXX Sept. MDCCCLII.
(Folgen die Unterschriften sämtlicher Theilnehmer der
Versammlung.)
Das vom Praesidenten Professor Dr. Hermann abgefafste Sendschrei-
ben an Lob eck lautet so:
Ber. ü. d. XIII. Versammlung deulschcr Philol. ii. Schulmänner. 101
Hochgeehrter Herr Geheimerrath,
Der Verein deutscher Philologen und Schulmänner, der .sich die
Vertretung und Vermittlung der manigfachen Interessen classischer
Wifsenschaft im Geiste der Wahrheit und Eintracht zum Ideale ge
setzt hat, glaubt in dieser doppelten Beziehung alle Mitarbeiter an
der grofsen Aufgabe höherer Menschenbildung geistig mit sich ver-
bunden denken zu dürfen und dehnt den Gesichtskreis seiner Zusam-
menkünfte gern auch auf die fernen Bannerträger und Vorkämpfer sei-
ner grofsen Zwecke aus. Viel lieber freilich hätten wir, sei es im-
mer, sei es wenigstens in diesem Jahre, uns auch Ihrer leiblichen Nähe,
Hochverehrter Mann , zu erfreuen und den gefeierten Namen Lob eck in
das Album unsers Vereins einzeichnen zu können gewünscht; zu eini-
gem Ersätze dafür erlauben Sie uns jedoch Ihnen unsern Hnldigungs-
grufs aus der Ferne darzubringen, und diesen gerade an denselben
Umstand anzuknüpfen, der uns vielleicht des Glückes Sie persönlich
zu begrüfsen beraubt. Mit inniger Theilnahme haben wir erfahren,
was die unermüdliche Jugendfrische Ihrer Thätigkeit Ihre Verehrer
sonst so leicht hätte vergefsen lafsen, dafs Sie in gegenwärtigem
Jahre bereits das fünfzigjährige Gedächtnis der ersten Schritte ge-
feiert haben, mit welchen Sie an der Schwelle des Jahrhunderts, ein
neuer Priester den Tempel Apolls betraten; und je unbescheidener es
deshalb gewesen sein würde, dem Jubelgreise die Beschwerden dieser
weiten Reise anzumuthen , desto freudiger gewahren wir in Ihnen die
stets wiederholte Bestätigung der alten Lehre, dafs das Auge des Gei-
stes um so heller zu blicken anfängt, je mehr sich die Schärfe des
leiblichen ihrem Ende zuneigt. Was die Gewifsenhaftigkeit Ihrer For-
schung, der Umfang Ihrer Studien, die Strenge Ihrer Methode dem
frühern Geschlechte nur in seltenen , wenn gleich vollendeten Meister-
werken hat zukommen lafsen, das strömt uns jetzt aus Ihrer reichen
Fülle in einem Schatze von Aufschlüfsen und Beobachtungen zu , der
der Zukunft der Forschung ganz neue Fernsichten öffnet, und wenn bei
irgend einem der Meister unserer Wifsenschaft, bei Ihnen den Wunsch
rechtfertigt, dafs der Himmel Ihre Tage verdoppeln möge, um auch
von dieser Aussaat noch recht reiche Früchte zu erblicken. Wohl
umgibt Sie schon jetzt ein blühender Kreis treuer Schüler , der in
das Geheimnis Ihrer Forscherkunst eingeweiht für das Bestehn und
Wachsthum Ihrer Forschungen Gewähr leistet; aber gerade in deren
Sinne hoffen wir zu sprechen, wenn wir auch Ihr persönliches Vorbild
so lange als möglich vor unsern Augen leuchten zu sehn wünschen.
Wohin Ihr Blick fällt, wird es licht; und doch sind der dunkeln Stel-
len im Alterthum noch so viele ; genehmigen Sie deshalb neben diesem
Ausdruck unserer aufrichtigsten Huldigung zugleich die Bitte um Ihre
fernere Belehrung, und empfangen dafür im voraus den ehrfurchts-
vollen Dank, den Ihre hohen Verdienste bereits zu sehr rechtfertigen,
als dafs wir ihn erst den spätem Geschlechtern überlafsen könnten.
Göttingen den 1. October 1852.
Die dreizehnte Versammlung etc.
102 Ber. ü. d. XIII. Versammlung deutscher Philol. u, Schulmänner.
Ersteres Begrüfsungsschreiben wurde nun durch eine Deputation,
bestehend aus dem Praesidenten, dem Verfafser Prof. Dr. Wüste-
mann und noch zwei andern ehemaligen Schülern des gefeierten, Prof.
Dr. Ger lach aus Basel und Gymnasialdirector Dr. Schwecken-
dieck aus Emden, demselben im Namen der Versammlung in seine
Wohnung überbracht. Der letzte der genannten erstattete darauf an
die Versammlung Bericht über die Aufnahme, die die Deputation bei
dem ehrwürdigen Greise gefunden hatte.
Hierauf befürwortete Privatdocent Dr. Hertz aus Berlin den Plan
eines dort zu errichtenden Denkmals zu Ehren des verewigten unver-
gefslichen Karl Lach mann und forderte zu Beiträgen für dasselbe
auf. Sodann erstattete der Praesident Bericht im Namen der zur Be-
stimmung des nächsten Versammlungsortes niedergesetzten Commission.
Man hatte sich für Altenburg entschieden und die Versammlung ge-
nehmigte den Vorschlag , wie auch die Wahl der Gymnasialdirectoren
Dr. Fofs daselbst und Dr. Eckstein in Halle zu Praesidenten und
Vicepraesidenten und die des Geheimenraths Dr. Cononvon der Ga-
be lentz in Altenbxirg zum Praesidenten der orientalistischen Section.
Die wifsenschaftlichen Vorträge eröffnete an diesem Tage Gym-
nasialdirector Dr. Ahrens aus Hannover mit einem Vortrage 'über
die gemischten Dialekte der griechischen Lyriker.' Diese
der griech. Litteratur einzig und allein eigenthümliche Erscheinung sei
nicht etwa aus dem subjectiven aesthetischen Ermefsen des Dichters
hervorgegangen, auch nicht der Art, dafs die geographische Berüh-
rung der Dialekte von Einflufs erscheine. Die Art der Dialektmischung
sei überall von dem Entwicklungsgange der griech. Litteratur in ihren
Verhältnissen zu den verschiedenen Stämmen abhängig. Li der lyri-
schen Poesie, die hier im weitern Sinne zu nehmen sei, schliefse sich
die Elegie nach Inhalt und Form des Rhythmus eng an die episch-
didaktische Poesie an, ebenso auch in Hinsicht auf den Dialekt, und
zwar in derjenigen Gestalt, wie sie in lonien die übliche gewesen.
Die Elegiker hätten sich jedoch der veraltet und fremdartig erschei-
nenden Formen der epischen Sprache enthalten , andererseits den epi-
schen Dialekt auch mit Formen ihrer Zeit und ihres heimatlichen
Dialekts vermischt. Bei dem Epigramme, ursprünglich eine Spie-
lerei der Elegie, habe auch das Object der Inschrift auf den Dialekt
Einflufs geübt, namentlich nehme z. B. Simonides darauf Rücksicht,
für wen das Epigramm bestimmt sei, und lafse in den für Dorier be-
stimmten Epigrammen eine Einmischung des dorischen Dialektes statt-
finden, wie auch schon Schneidewin nachgewiesen habe. Doch
bilde der epische Dialekt überall die Grundlage, die durch den Dia-
lekt des Objects oder der Auftraggeber nur mäfsige Färbung ange-
nommen habe. Ganz anders stehe die i ambische Poesie, die in
viel stärkerem Mafse die persönlichen Gesinnungen darlege und in der
Sprache zunächst den Dialekt des ionischen Stammes wiedergebe, unter
welchem sie aufblühte. Zu einer Beimischung aus einem andern Stamm-
dialekte oder auch aus der epischen Sprache sei keine Veranlafsung
Ber. ii. d. XIII. Versammlung deutscher Philol. u. Schulmänner. 103
gewesen, wie dies die iambischen und choliambischen Ueberreste
der ionischen Dichter zeigten. Bei dein Attilcer Solon "finde sich
der ionische Dialekt mit dem attischen des Dichters gemischt. In den
trochaei sehen Gedichten des Solon und Archilochos kämen noch zu
dem in den iambischen Gedichten gebrauchten Dialekte einige Zu-
thaten aus dem epischen Dialekte hinzu. Das komme daher, dafs, wie
schon O. Müller bemerkt, die Trochaeen in der Mitte zwischen Ele-
gie und lamben stehn. In der melisehen Poesie seien zuerst die
aeolischen Dichter zu betrachten, Terpander zeige in den lyri-
schen Hexametern epischen Dialekt mit geringen Abweichungen, die dem
aeolischen Dialekte angehören. Alkaeos und Sappho haben den reinen
aeolischen Dialekt, der Grnnd davon liege in der entschiedenen Sub-
jectivität der lesbischen Melik, welche für den Ausdruck der eigen-
sten Gefühle auch die eigenste Mundart verlange. Anakreon habe sei-
nem ionischen Dialekte manches aus dem aeolischen beigemischt, weil
seine Kunst auf der lesbischen Melik fufse, aber nichts aus der epi-
schen Sprache, aus der auch Alkaeos und Sappho nichts genommen
haben. In den Werken der andern melisehen Dichter finde sich letz-
teres wohl und das zeige, dafs ihre Melik objectiver und dem Epos
verwandter sei; so bei der Boeoterin Korinna, so auch bei den
dorischen Dichtern. In Tyrtaeos erscheine der epische Dialekt
durch Dorismus temperiert, ebenso bei Stesichoros, dessen innige Bezie-
hung zum Epos bekannt sei. Auch bei den Dithyrambikern hersche
eine Mischung der Sprache aus epischem und dorischem Dialekte, doch
das erstgenannte Element sei viel stärker. Diese Temperierung finde sich
nicht nur bei den dorischen Dichtern dieser Gattung, sondern auch
bei den andern, und weil dieselbe schon früh ihren Hauptsitz in Athen
gefunden, so habe sich an ihren Dialekt die Sprache der lyrischen
Theile des Drama angeschlofsen. Das stärkere Hervortreten der dori-
schen Sprache bei Philoxenos erkläre sich daraus, dafs in dem
ästnvov , als einer Schilderung aus dem täglichen Leben, der Volks-
dialekt mehr berücksichtigt sei. Alkman habe viel aeolische Formen,
trotz seiner dorischen Heimat; sie seien auf den grofsen Einflufs des
Terpander von Lesbos in Sparta, seiner zweiten Heimat, zurückzu-
führen; das habe noch länger fortgedauert. Dorische Lyriker aus an-
dern Landschaften haben aeoHsches Element nur in sehr zweifelhaften
Fällen. Den vier Dichtern Ibykos, Simonides, Bakchylides und Pindar
habe man bisher dorischen Dialekt zugeschrieben, doch könne er nicht
einmal im modificierten Sinne dorisch genannt werden, sondern sei eine
Mischung aus epischem, dorischem und aeolischem. Bei Ibykos liege
die dorisch-epische Sprache des Stesichoros zu Grunde, von der durch
Einmischung einiger Aeolismen und freiere Benutzung des Gemein-
schatzes der epischen Sprache abgewichen sei. Bei Simonides sei
das epische Element höchst überwiegend, sehr wenig Dorisches und
AeoHsches; selbst auffallendere Formen des homerischen Dialektes
seien vermieden. Ganz ähnlich sei es bei seinem Landsmann Bak-
chylides. Bei beiden möge man nicht nach Spuren ihres Mutter-
104 Ber. ü, d. XIII. Versammlung deutscher Philol. u. Schulmänner,
dialektes suchen, der Dialekt des Stesichoros (episch-dorisch) sei auch
von ihnen benutzt, mit Vermeidung der auffallenden Formen ; die Ein-
mischung von Aeolischem lafse auf Einflüfse von Seiten der lesbischen
Melik schliefsen. Pin dar zeige vermischt epischen, aeolischen und
dorischen Dialekt, einzelnes finde sich nur bei wenigen Zweigen des
dorischen Dialektes, namentlich im delphischen, und daher sei, bei
dem Verhältnis des Dichters zum Tempel, diese Erscheinung auch
abzuleiten. Dafs Pindar epischen und dorischen Dialekt gemischt
habe, sei nicht zu verwundern, da er in Athen von den dithyrambi-
schen Dichtern Unterricht erhielt. Alles andere finde sich im delphi-
schen Dialekte und zwar allein in diesem vereinigt (dafs solche For-
men Hesiodos ebenfalls daher bekommen habe, hatte der Redner vor-
her ausführlich nachgewiesen). Gerade Pindar habe in jeder Beziehung
dem delphischen Tempel und Cultus sehr nahe gestanden. Die Aeo-
lismen lafsen sich erklären, wenn mau den Einflufs des Terpander
auch hier bei den musischen Agonen betrachte. — So beruhe die
Mischung der Dialekte in der lyrischen Poesie der Griechen also kei-
neswegs auf einer subjectiven Willkür der Dichter, sondern auf den
litterarhistorischen Verhältnissen theils des alten epischen , theils der
verschiedenen Stammdialekte. Am musterhaftesten — denn man müfse
nach dem Takt und der künstlerischen Einsicht der Dichter einen
Unterschied machen — stehen Archilochos, Simonides und Pindar da.
Es beruhe diese Dialektmischung der griechischen Dichter darauf, dafs
dem griechischen Volke häufig die Gelegenheit geboten worden sei,
fremde Dialekte in Dichtungen eines bestimmten Charakters zu hören.
Anfangs seien dadurch unwillkürliche Mischungen veranlafst, allmäh-
lich aber ein bewustes Kunstmittel daraus entstanden, ohne dafs in
der altern Zeit jemals der histoi'ische Boden, auf dem der Gebrauch
erwachsen, mit subjectiver Willkür verlafsen worden sei.
Auf diesen Redner folgte Oberbibliothekar Hofrath Dr. Prell er
aus Weimar, um auf besondern Wunsch der Versammlung einige
'Mittheilungen über seine Reise nach Griechenland'
vorzutragen. Er sei in Begleitung des Geh. Hofrath Dr. GÖttling und
Prof. Dr. Hettner aus Jena über Triest nach Athen gereist. Einen
schmerzlichen Eindruck machen die überall sichtbaren Spuren der
Zerstörung, so dafs man fast mit Recht gesagt habe, in Griechenland
habe die Geschichte einen Sprung von Epaminondas auf Kolokotroni
gemacht. Die deutschen Gelehrten seien durch die letzte Revolution
beseitigt; zwischen den beiden Hauptgelehrten Athens, Ran gäbe und
Pittakis, hersche eine sehr störende Eifersucht, die namentlich
auch das Wirken der archaeologischen Societät hemme. Die Samm-
lungen seien natürlich sehr reich, aber die Orte dafür alle proviso-
risch, namentlich sehr viel im Theseion, in der Burg, dem Museum,
der Stoa Hadriani, oder ganz unter freiem Himmel. Die Ausgrabun-
gen haben manche hübsche Resultate geliefert, doch mehr gelegentlich
beim Häuserbau, so das ßov?.£vtriQi.ov , das zwar noch nicht ganz er-
wiesenermafsen , aber doch höchst wahrscheinlich aufgefunden sei.
Ber. ü. d. XIII. Versammlung deutscher Philol. u. Schulmänner. 105
Sehr fruchtbar sei auch die Gegend beim königlichen Schlofs , wo der
Park liege. In den langen Zügen alter Grundmauern habe man das
Lykeion, Göttling das Kynosarges finden wollen; der Redner liefs
die Bestimmung unentschieden und gab zu bedenken , dafs Hadrian
viel da gebaut habe. Befser sei es, systematisch zu graben: die
archaeologlsche französische Gesellschaft habe Stufen zur Burg ge-
funden, doch seien es fast lauter türkische Reste, tiefer unter der
jetzigen Treppe seien ausgehauene Stufen. Interessant sei das Amphia-
reion bei Oropos, das noch nicht lange ausgegraben sei; Athen habe
jedoch das Hauptinteresse dargeboten. Otfried Müllers Grab,
mit einer blendend weifsen Stele geschmückt, habe eine beneidens-
werthe Stelle und schimmere überall aus dem Grün hervor, die Bauern
nennten es das Denkmal des ÖLSdaiialog. Es stehe auf einem Unter-
satz von 4 Stufen die Stele , auf welcher sich ein Aufsatz mit Pal-
mettenverzierung befinde ; an der Stele sei die Inschrift in griechi-
scher Sprache. — Ihre Reise sei dann von Athen nach Eleusis, Megara,
Argos, Tirynth, Nauplia, dem Lernaeischen Sumpfe und Arkadien ge-
gangen. Sie haben Tripolizza, Megalopolis besucht; die Nächte seien
sehr kalt, die Locale und Nachtquartiere reich an Ungeziefer und
Unsauberkeit gewesen, was man indessen bei dem Ritt durch die
herlichen Gegenden vergefsen habe. Von Arkadien seien sie nach
Messenien und Elis gereist, von da wieder durch Arkadien, über
Kloster Megaspilion in Achaja, Sikyon und Korinth nach Athen zu-
rück. Dann sei der Redner mit Hettner nach Rhamnus, Oropos,
durch die Ebene des Asopos nach Theben, dem Kopaischen See und
endlich nach Delphi gereist, wo er in derselben Wohnung wie Mül-
ler gewesen sei. Die Leute haben sich noch seiner erinnert, auch
noch Spuren seiner Arbeiten seien, vorhanden; verschiednes sei seit
der Zeit gefunden worden , namentlich in den letzten 10 Jahren.
Etwas bestimmtes über die Spuren der Ringmauer, verschiedne Seu-
lenstücke u. dgl. anzugeben, sei sehr schwierig. Nach der Rückkehr
seien sie noch acht Tage in Athen geblieben, dann nach traurigem Ab-
schiede über Constantinopel zurückgefahren ; vor der Bergfahrt auf
der Donau sei jedoch wegen der ungemeinen Langweiligkeit zu
warnen.
Den Beschlufs der heutigen Vorträge machte der des Professor
Dr. Weil aus Besanyon: 'ein Wort über den antiken Wort-
accent in Bezug auf Metrik'. Der Accent sei in den modernen
Sprachen viel bedeutender als in den antiken, er behersche und ver-
dunkle sogar die Quantität. Diese Veränderung liege in einer Verän-
derung der Natur des Accents selbst begründet. Der Accent könne
doppelt aufgefafst werden, entweder so dafs die betonte Silbe mit gröfse-
rerEnergie gesprochen werde, oder auch so dafs die Tonsilbe eine höhere
musikalische Note erhalte. Das könne natürlich auch verbunden sein,
aber es sei nicht nothwendig, wie die Musik zeige, wo der gute
Takttheil recht wohl eine tiefere Note bekommen kann. In den mo-
ernen Sprachen hersche die erste Auffafsung des Accentes vor, er
106 Ber. ü. d. XIII. Versammlung deutscher Philol. u. Schulmänner.
habe die gröfste Aehnlichkeit mit dem, was die Musiker den guten
Takttheii, die neuern Metriker die Arsis nennen. — Die Betonung
in den alten Sprachen sei wesentlich musikalisch gewesen , worauf
TtgocaSia, o^sia, ßccQSiU hinweise. Auch Dionys. Hai. de comp, verb»
c. 11 beweise das, wenn er auf die Frage, ob die Musiker genöthigt
seien, auf oxytonierte Silben höhere Noten zu legen als auf barytonierte,
antworte, dafs diese Beschränkung, welche alle Musik unmöglich
mache, nicht stattfinde. Das sei für die Verschiedenheit des antiken
und modernen Wortaccents sehr bedeutend und es handle sich nur
darum, diesen Unterschied entschieden festzuhalten. Verwische man
den Unterschied, so gehe beim Lesen des griechischen Hexameters der
Rhythmus verloren. Wesentlich musikalische Wortaccente, die nach-
zuahmen wir freilich nicht mehr im Stande seien, brauchten mit den
metrischen Hebungen nicht zusammenzufallen, hätten dem antiken
Verse einen besondern Reiz, eine vom Rhythmus unabhängige Harmonie
gegeben. — Der Accent der Römer scheine etwas steiferes gehabt zu
haben, doch sei es bei der grofsen Entfernung der Zeiten mifslich,
auf feinere Nuancen einzugehen, man müfse sich mit den Hauptzügen
zufrieden geben. Da sei klar, dafs die lateinische Verskunst, wenig-
stens seit dem Zeitalter des Augustus, Accent und Ictus wohl getrennt
habe. Dagegen könne höchstens ein Bedenken erhoben werden, nem-
lich, dafs Virgil und seine Nachfolger vermeiden, einen Hexameter
mit einem Worte zu schliefsen, das ein lonicus a minori sei. Die Er-
klärung G. Hermanns, dafs dies aus dem Streben hervorgegangen sei,
in den beiden letzten Versfüfsen Wortaccente und metrische Hebun-
gen zusammenfallen zu lafsen, befriedige ihn nicht. Denn die altern
Dichter, bei denen ein bedeutender Einflufs des Wortaccents ange-
nommen werde, beachten diese Regel nicht, ferner vermeiden Virgil
und die andern Dichter selbst Ausgänge, wo Wortaccent und Ictus
zusammentreffe. Endlich komme da auch der iambische Trimeter in
der Kaiserzeit in Betracht. Bei Seneca schliefsen die allermeisten
lamben mit einem oder auch zwei zweisilbigen Worten, in der Weise
des Ovidischen Verses: servare potui, perdere an possim rogas. Diese
Erscheinungen im Trimeter und Hexameter seien offenbar analog und
doch scheinen sie vom Gesichtspunkte des Wortaccentes wider-
sprechend , denn beim Schlufs des Hexameters stimme Accent und
Ictus, bei dem lambus nicht. Bei beiden habe der Dichter eine grö-
fsere Uebereinstimmung der Worte mit den Versfüfsen gesucht und
eine gewaltsame Caesur am Ende des Verses vermieden. Die Ver-
schränkung der Worte mit den metrischen Füfsen am Anfange der
Verse habe beim Trimeter Accent und Ictus häufig auf dieselben, im
Hexameter auf verschiedene Silben gebracht. Die gröfsere Ueberein-
stimmung der Worte mit den metrischen Füfsen am Schlufse habe im
Hexameter die Uebereinstimmung des Accents und Ictus, im Trimeter
das Auseinanderfallen derselben bewirkt. — Für die altrömischen Dra-
matiker wolle der Redner seine Ansicht nicht so bestimmt aussprechen,
gegenüber den bedeutendsten Autoritäten seit Ben tley, doch lafse sich
Ber. ü. d. XIII. Versammlung deutscher Philol. u. Schulmänner. 107
die überraschende Erscheinung nicht leugnen, dafs, wenn man belie-
bige griechische lamben nach den Gesetzen der Jatein. Aussprache
betone, die Vershebungen mit diesen angenommenen Wortaccenten eben
so häufig zusammenfallen wie bei Plautus und Terentius. Es frage
sich deshalb, ob nicht die Thatsachen, nach welchen man den latein.
Dramatikern einen accentierenden Versbau zuschreibe, eine zufällige
Folge der Caesuren sei und ob nicht die bisherige Erklärung dersel-
ben auf einer unserm modernen Ohre natürlichen Täuschung beruhe.
Die Vorträge des vierten Tages eröffnete der Vicepraesident
Prof. Dr. Schneidewin, indem er 'über einige Stellen in
Sophokles Elektra' sprach. Die besprochenen Stellen Avaren
V. 359 ff. 185 ff. 495 ff. In der ersten Stelle schlug er Vs. 363 vor zu lesen
inoi yocQ f'azco tov(18 [i^ iTJysiv yocov statt Xvnsiv (lovov und
rechtfertigte diese dem Sinne gewis allein entsprechende Verbefserung
durch eine ausführliche Zurückweisung der bisherigen Erklärungsver-
suche. In der zweiten Stelle schlug er Vs. 192 statt KSvaig S'dfi-
cpiOTixfiai TQccTii^aLg vor zu schreiben ^Bvaig. In der dritten Stelle
endlich emendierte er mit evidenter Richtigkeit Vs. 495 jtqo tävd'
STOifi' f'x^i, statt TtQO rciöv ds roi fi' f'x^t und etwas gewagter Vs. 497
HcctptTtsg statt dipEysg. Nach Beendigung dieses frei gesprochenen
und äufserst klar disponierten Vortrags erhob sich Director Dr. Lüb-
ker aus Parchim, um einige Einwendungen gegen die erste, zweite
und vierte Conjectur vorzubringen, während er die Richtigkeit der
dritten anerkannte. Schneidewin replicierte darauf, und namentlich
waren Schneidewins Argumente für die erste Conjectur von dem Op-
ponenten wohl nicht ganz richtig aufgefafst.
Hierauf hielt Dr. L. Lange, Privatdocent und Assessor der phi-
losophischen Facultät in Göttingen, einen Vortrag, den er als 'An-
deutungen über Ziel und Methode der syntaktischen
Forschung' angekündigt hatte. Derselbe bezeichnete die histo-
rische Auffafsung der Syntax als ein nothwendiges Ergebnis der
Entwicklung der Sprachwifsenschaft in den letzten Decennien und
suchte nachzuweisen, nachdem er sich mit Haase für die Scheidung
des syntaktischen Stoffes in eigentliche Satzlehre und in Wortbedeu-
tungslehre (Semasiologie) entschieden hatte, dafs sowohl jene als diese
eine historische Betrachtung erfordere. Zu dem Ende zeigte er das
Factum der historischen Entwicklung der Satzformen an den Ver-
hältnissen des einfachen Satzes, während er sich für das Factum der
historischen Entwicklung der Formen des zusammengesetzten Satzes
auf Thiersch und G. Curtius berufen konnte. Die Nothwendig-
keit historisch -comparativer Methode für die Wortbedeutungslehre
wies er in der Weise nach, dafs er sowohl die Ansicht, welche eine
Uebereinstimmung der Bedeutungskategorien der Sprache mit den Be-
deutungskategorien des logischen Denkens annimmt, als auch die An-
sicht, welche die Entwicklung der Bedeutungskategorien als ein
durchaus national eigenthümliches auffafst, widerlegte, und dann po-
sitiv die Analyse der Sprachformen und die genauste statistische
108 Ber. ü. d. XIII. Versammlung deutscher Philol. u. Schulmänner.
Beobachtung des Usus derselben in den verschiedenen Zeiten und in
den unter sich verwandten Sprachen als das Mittel zur Erkenntnis
der historischen Entwicklung der Bedeutung empfahl.
Nachdem Professor Dr. G. Curtius aus Prag die von Lange
ausgesprochenen Grundsätze für sehr beachtenswerth erklärt hatte,
hielt Dr. E Hissen, Bibliothekssecretär in Göttingen, einen Vortrag
'zur Befürwortung der nationalgriechischen Aussprache
in ihrer Anwendung auf das Altgriechische.' Das we-
sentliche dieses Vortrags bestand in dem Nachweis , dafs die von
beiden Seiten angeführten Argumente eigentlich keine beweisende
Kraft weder für das eine noch für das andere hätten , und dafs man
deshalb sich an die jetzige nationalgriechische Aussprache halten
müfse, zumal da die Tradition vom Alterthum her bis auf die jetzige
Zeit keineswegs so gestört sei durch fremde (slavische) Elemente, als
Fallmerayer annehme. Eine Opposition gegen diesen Vortrag er-
folgte nicht, weil die Zeit schon abgelaufen war; sonst würde sicher
als Hauptargument gegen die jetzige griechische Aussprache das Ver-
hältnis der altgriechischen Aussprache einerseits und der neugriechi-
schen Aussprache andrerseits zu dem geschichtlichen Ausgangspunkte
der griechischen Sprache überhaupt geltend gemacht worden sein, da hier-
nach ohne Frage die etacistische Aussprache die einer älteren Entwick-
lungsstufe ist und nur darüber Zweifel bleiben kann, von welchem
Zeitpunkte des classischen Alterthums an die Degeneration des Itacis-
mus begonnen habe.
Die Schlufsrede hielt der Vicepraesident Prof. Dr. Schneide-
win. Er hob den Nutzen des persönlichen Verkehrs für die Kräfti-
gung des wifsenschaftlichen Sinnes und Strebens hervor. Er mahnte
mit ernsten und eindringlichen Worten, festzustehn und den Gefahren,
welche den classischen Studien drohten, zu begegnen. Ein Blick auf
die trüben Verhältnisse Schleswig-Holsteins führte den Redner zu
einer allgemeinen Betrachtung Deutschlands, die mit einem Hoch auf
das gemeinsame Vaterland schlofs, in das die Versammlung begeistert
einstimmte.
[Der Bericht über die Verhandlungen der paedagogischen Section
folgt in einem der nächsten Hefte.]
Auszüge aus Zeitschriften.
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete
des Deutschen, Griechischen und Lateinischen herausgegeben von
Theodor Auf re cht und Ad albert Kuhn. Erster Band.
Berlin, Dümmlers Verlagsbuchhandlung 1852. Erstes Heft. I. Ab-
handlungen. Ueber deutsche Volksetymologie, von E. Förstemann
(S. 1 — 25: an einer Reihe von Beispielen wird gezeigt, wie das Volk
ihm unverständlich gewordene Ableitungen und aus fremden Sprachen
Auszüge aus Zeitschriften. 109
aufgenommene Wöi'ter sich auf seine Art durch Aufstellung näher lie-
gender Ableitungen praktisch zu erklären gesucht habe). — Ver-
mischte Etymologien, von G. Curtius (S. 25 — 36: I. Verbalformen.
1) Der erste Aorist des Passivs. Dessen Endung d'rjv, von gleicher
Wurzel wie das 9 in nlrj&ca , iSico^ud'ov , sei = 9s + tjv = aor. I
pass. von W. &s: 'ich gieng ins Thun, wurde gethan', da rjv Prae-
teritum der W. £ = skr. ja, so dafs iyQccfprjv =r 'ich gieng ins Schrei-
ben'; die activen Endungen rechtfertigen sich dadurch, dafs das
passivische schon in den Lauten r] und ^rj Hege; ähnliches gelte
von fio. 2) Die iterativen Praeterita auf ayiov. Diese seien die Prae-
terita der praesentischen Bildungen auf gkco = skr. sjdmi, der En-
dung des Futurum 'ich gehe sein', danach ffxov :=r sjam, der Endung
des Conditionalis ; die Bedeutung der Praesentia auf cmco als Deside-
rativa vorausgesetzt sei der Uebergang vom Wollen zum Geneigtsein
nur eine Stufe. II. Wortdeutungen. 1) lavco : reduplicierte Praesens-
form der W, äf, uv , als deren Aorist dsaat :=: äfiaai gelten könne;
W. af sei 'wehen', davon auch arj^i, uvqcc , ä{f)rjQ und in der Be-
deutung des Schwebens a(f)oQ, d{f)st6s, avis. 2) rjliog und sol :
dßsliog , d. i. dj^sXiog, dor. dtXiog verhalte sich zu sabin. ausel (Au-
rel-ius , etr. Usil) wie lakon. dßcoQ (a.FcJs) zu ausosa (aujora) , von
der W. skr. ush oder vas 'brennen, leuchten', durch Zulaut und das
Suffix lo y Xio gebildet. Sol aber sei damit nicht verwandt, sondern
mit goth. savil zusammenzuhalten, von, der W. skr. svar 'glänzen',
woher griech. ZsiQiog = ZfSQwg (svarjas), das ursprünglich auch
die Sonne bedeute. 3) Kdaig , yf.aoiyvrizog: von der W. skr. kam 'He-
ben', identisch mit kan ^ splcndere , amare\ woher cdrus für camrus,
cömis, KOfisiv , HOfii'^siv 'Hebend hegen', v.dcig von kan wie tdaig von
tan. KecaadvdQu aber r=; KccolccvSqu sei entweder 'mit dem Bruder
vermählt' oder 'mannliebend.' 4) y.ai.v6g: von W. y.cc8 'zieren, putzen',
skr. cand, lat. candere; wie in Kccivv^ai. sei der Ausfall des d durch
Dehnung des a in ort ersetzt, also Kccivog = 'geputzt, blank', lat.
cänus = casnus 'hell, lichtgrau'. 5) mare : von W. skr. mri 'ster-
ben', woher fiagceivco , marceo , bedeute das Meer als das unfrucht-
bare, den Tod der Vegetation, während dXg es als die Salzfllut, 9d-
laaaa (rccQdaaco) als das erregte, nilayog als das Gewoge, növzog
(vergl. Tzdrog, pons) als Weg (vygcc ^iksv^cc) bezeichne. 6) oig , Oi-
Xsvg. "Oig, ofig von W. skr. av 'helfen, schützen', griech. 6f , heifse
'der Schützling', 'O'CXevg 'der Volkshüter.' 7) inrjsravög: aus in-r^fg-
ravög 'für immer da, immerwährend', von dfi, cclst einer Dativbil-
dung von ciiog, alfog, aevum, dessen naktes Thema a^f's sei, und dem
Suffix ravog z= lat. tinus in pristinus. 8) Troische Namen. Diese
werden bei Homer theils als einheimische theils als griechische Ueber-
setzungen jener betrachtet, wie IJdQig 'Kämpfer' von dem in den
Veden vorkommenden prit , pritanä 'Schlacht' ~ 'AU^av$Qog 'Wehr-
mann'; EiircüQ 'Halter' aber sei die Uebertragung eines ähnlich wie
daq-qg lautenden troischen Namens , von dem altpers. Stamm dar, skr.
dhri, zend dare 'halten'). — Vocaleinfügung im Oskischen, von A.
110 Auszüge aus Zeitschriften.
Kirch ho ff (S. 36 — 46: es wird gezeigt, dafs in manchen oskischen
Wörtern zwischen gewissen Consonanten regelmäfsig sich ein Vocalein-
satz und zwar allemal des Vocals der vorhergehenden Stammsilbe finde
{Alafaternum röm. Mfaternorum, tcremniss röm. terniinus u. ä.) und
dafs zwischen Stamm und Suffix oder im Suffix ein solcher stattfinden
könne, während das Lateinische in einigen Fällen consequent synco-
piere: patrem, in andern auch die nicht syncopierte Form habe: pe-
ricluni neben periculum). — Ueber Consonantenverbindung im An-
laut in den indogermanischen Sprachen mit besonderer Berücksichti-
gung des Römischen, -von Ag. Benary (S. 46—79: stellt als Haupt-
gesetze folgende drei auf, die aber im einzelnen kleine Modificationen
erleiden: 1) Consonantengemiuation im Anlaut ist unstatthaft; 2) die
vorlautende Verbindung einer Semivocalis aufser s mit jeder Muta ist
unstatthaft; 3) alle Mutae können sich mit allen Semivocalen anlau-
tend verbinden). — SCADO, von Jacob Grimm (S. 79-83: Zu-
sammenstellung aller von diesem ursprünglich etwas persönliches be-
zeichnenden Namen abgeleiteten Wörter in den indogermanischen Spra-
chen). — II. Anzeigen. I) Ritschi: Plautinische Excurse IV (Rhein.
Mus. f. Phil. VII S. 472 ff.), von Th. Aufrecht (S. 83— 86: die En-
dung der Adverbia auf im wie illim, istim, alterim, exim sei aus einem
frühern i-fim (illifim, istifim) entstanden, also mit dem griech. qpiv
und umbr. fem identisch und gebe den Ausgangsort an ; von den fei-
nere Raum- und Modalverhältnisse bezeichnenden Casusendungen der
altitalischen Sprachen habe das Umbrische und Oskische die meisten
getreu bewahrt, das Lateinische andere Wendungen gewählt und nur
einige in Resten ei'halten ; jenes ausgefallene / in ifim (das auch im
Dat. und Abi. Plur. der A- und O-Declination — is aus ifis — ge-
schwunden sei) sollen dagegen die ursprünglich gleichen , nachher viel-
leicht in Folge des Bestrebens nach Unterscheidung entfremdeten Ge-
schwister jener Formen mihi (für mifi) , tibi, sibi, ubi, ibi erhalten,
aber das auslautende m verloren haben; die Schwächung des thema-
tischen o in illim etc. von den Themen illo etc. wird auf gleiche Stufe
mit den Compositen laniger u. ä. gestellt). — 2) Die oskische In-
schrift von Agnone, von demselben (S. 86 — 91: Zusammenstellung
der durch die Bemühungen von Henzen , Mommsen und Knötel gewon-
nenen Ergebnisse zur Deutung dieser Inschrift mit eignen Bemerkun-
gen). — III. Miscellen. Die Wurzel KAD, von A. Kuhn (S. 91—
96: dem skr. ^ä^ad als Causativ der W. ^ad 'fallen, schwinden' ent-
spreche das latein. caedo , das mit Holtzmann als aus cäcado (cdcdo)
entstanden erklärt wird. Aus der griech. Sprache gehöre als Spröfs-
ling zur W. ^ad das Homerische KtHcca^iai , dor. yisKadfiaL , aus der
Bedeutung des Ueberwältigens in die des Uebertreffens übergehend,
indem die Reduplication der Wurzel die transitive Bedeutung gegeben
habe; neben dieser transitiven laufe die intensive Bedeutung in dem
Homer. ^SKCcSovro 'weichen, sich zurückziehn', womit zu verbinden
lat. cedo , entstanden aus cecado oder cecido wie feci aus fefaci. Eben-
so wird erklärt, aber einer weitern Bedeutungsentwicklung zugewiesen
Auszüge aus Zeitschriften. 111
KtjSco; KSKceScov habe aus der causalen Bedeutung des Ueberwältigeiis
die des Beschädigeus, Beraubens, Kummerhervorbringens erhalten).
— Ueber eine ahd. Abkürzungsweise, von Jacob Grimm (S. 96: wo
nicht der Anlaut, sondern der Auslaut des abgekürzten Wortes ge-
setzt sei, z. B. ta statt weinöta).
Zweites Heft. I. Abhandlungen. Die Zusammensetzung alt-
deutscher Personennamen, von E. Förstern an n (S. 97 — 1J6). — ■
Der Dat. plur. nuf saai, von Aufrecht (S. 117 f.: als älteste Form
des gi'iechischen Dativaffixes sei ggi aus cfi anzunehmen; dieses sei
in der A- und O-Declination dergestalt angetreten, dafs in der Regel
« und 0 durch Einflufs des schliefsenden t in ai und ot, umgelautet
wurden, worauf wegen der Länge des Vocals das eine ff wegfiel. Bei
consonantischen Themen sei als Bindevocal gewöhnlich s, in dem Do-
rischen der Tafeln von Heraklea o; zwischengetreten. Allmählich habe
sich aai, s-aai zu ai, s-oi geschwächt und dadurch sei der Bindevocal
selbst bei consonantischen Stämmen in Abnahme gekommen). — Zwei
corcyraeische Inschriften, von demselben (S. 118—121: die von
Franz in der archaeolog. Zeitung 1846 Nr. 48 hergestellten; bespro-
chen wird das in ihnen im Inlaut sich vorfindende Digamma : TXaai'a-
fo, itQO^svfog, QOJ^aCai , otovofeaaav). — Die lateinischen Zahladver-
bien auf iens, von demselben (S. 121 — 123: die Endung lens scheine
das neutrale Comparativaffix zu sein, welches an Adjectiven in der
Form ius, ios auftrete; dasselbe sei aus ions , skr. iyans hervorge-
gangen und zwar so , dafs das Griech. das v (ioj/) , das Latein, das s
gerettet habe; in iens = ions sei beides, n und s, bewahrt worden.
Durch diese Endung werde das allmähliche Durchlaufen, das Ueber-
schreiten der eins, zwei u, s. w. bis zum Endpunkt einer gewissen
Zahlenreihe bezeichnet. Auch für bis (dvis), ter (tris) , quater (qua-
tors) seien als ursprüngliche Formen dviens, triens , quadriens vor-
auszusetzen; semel dagegen sei wahrscheinlich Neutrum eines unus
bedeutenden Adjectivs). — Die Wurzel GAP, GAMF , von A. Kuhn
(S. 123—141: als Bildungen der griechischen Sprache von der skr.
ursprünglich gambh lautenden Wurzel mit der intransitiven Bedeutung
'gähnen' und der transitiven 'fafsen, packen' ergeben sich folgende : yafi-
tpriXai 'Kinnbacken, Rachen'; yoficpi'og, der im Rachen befindliche
'Zahn', nach Suidas der Vorderzahn, nach andern der Backenzahn •
yöiicpog 'Zahn', dann 'Nagel'; yäfiqiai 'Rachen' (in yoficpog sei das a
der Wurzel durch Erweichung des y zu yf in o übergegangen, wie
skr. svapnas lat. somnus). Durch die Entwicklung der Bedeutung im
Deutschen zu kampo 'gezahntes Werkzeug, Kamm, gezackte Erhebung
Bergrücken' ergibt sich als zu derselben Wurzel gehörig yitpvgai
'Damm' und yicpvqai TtzoXiiioio 'Wahlstatt' bei Homer, erst später
'Brücke', mit dem Ableitungssuffix vQog; die yi(f)VQai moXffioio wer-
den als die beiden wie zwei Dämme den Kampf auf beiden Seiten ein-
schliefsenden Schlachtreihen erklärt; zugleich zeige sich in yswvga
der Begriif des Ueberwölbens wie in einigen Wörtern englischer Dia-
lekte, zu erklären aus der Grundbedeutung des Gähnens. Im weitern
112 Auszüge aus Zeitschriften.
Verlauf wird die Vergleichung von goth. haubith mit lat. caput,
yifcpaXi} , skr. kapdla abgewiesen, haubith zu dem vedischen kakubha
'Kopf gehalten, n^cpalrj aber zu dem Homerischen KSKUcprjcog , zusam-
menhängend mit KCCTcca, %anv(o , xasTtco , KUTtt] , Kanävt} , K^nog). —
Germanisch und slawisch, von Schleicher (S. 141 — 144). — Ue-
ber eine Construction des Imperativs, von Jacob Grimm (S. 144
— 148: behandelt eine syntaktische Aehnlichkeit zwischen dem Grie
chischen und Althochdeutschen: der attischen Beugung ola&' cag noi'r}-
aov , olad' o Sqccgov entspreche die mhd. wizze waz du tuo , ich sage
dir wie du tuo u. ä., eine später als das dreizehnte Jahrhundert aus-
gestorbene Redeweise. Sie leitet einen zu ertheilenden Rath ein , der
in einem gewöhnlich nachher folgenden weitern Imperativ bestimmt
ausgespi'ochen wird. Die Bentleysche Deutung durch ein umgekehrtes
ÖQccGov , oia&' 0 scheine nicht die richtige; die Sprache gehe aus der
indirecten , abhängigen Rede höchst rührsam in den unmittelbaren
Imperativ über. Bemerkenswei'th sei die Feinheit der griech. Sprache,
dal's sie für solchen Imperativ nach ola&cc den ersten Aorist for-
dere)*). — Gothische Etymologien, von H. Schweizer (S. 148 — 159:
über die Wurzelformen DAD, STATH und ID; agls ; ahma; aihan,
aigan; vulthus; fagrs und faheds ; fairguni; guth). — Das Affix tijt,
tat, von Aufrecht (S. 159 — 163: dasselbe sei ein Doppelaffix, tä und ti,
die beide schon für sich allein Abstracta bilden ; das schliefsende i in dem
ursprünglichen täti sei sehr frühzeitig abgeschliffen worden). — Nu-
merische Lautverhältnisse im Griechischen, Lateinischen und Deut-
schen, von E. Forste mann (S. 163 — 179: einige der Resultate sind:
in Hinsicht auf das Mischungsverhältnis der Laute stehn sich das
Griechische und Lateinische am nächsten, das Lateinische und Go-
thische ferner, am fernsten das Griechische und Gothische; für die
Vocale: die lat. Sprache gebraucht die Diphthonge nur ^ so viel als
die griech., nur Jg so viel als die gothische; am gleichmäfsigsten sind
die fünf Vocale vertheilt im Lateinischen; das i ist in dieser Sprache
der häufigste Vocal, das Griechische bevorzugt den e- und o-Laut auf
Kosten der drei andern, im Gothischen bildet das a mehr als ein
Drittel sämtlicher vocalischen Laute; in allen drei Sprachen überwie-
gen die beiden hellen Vocale an Umfang die beiden dunkeln ; für die
Consonanten: in allen drei Sprachen sind die Liquidae weit häufiger
als die Mutae; diese liebt am meisten das Griechische, am wenigsten
das Gothische; am häufigsten sind in allen die Zungenlaute u. s. w.).
— ar^sxij'ff, ^slyco, Ttl^iv , von A. Kuhn (S. 179 — 187: dzQS-ni^q wird
abgeleitet von W. rqsx, skr. druh, ahd. triugan, sonach seine Bedeu-
tung 'untrüglich, unfehlbar'; zu derselben Wurzel stelle sich &ily€a
'bezaubern' und zwar sowohl (ursprünglich) in bösem Sinne 'trügen,
*) Die von dem verehrten Verfafser gelegentlich herangezogene
Plautinische Stelle Rud. IJI, 5,18: tange, scd sein quomodo? entbehrt
in dieser Fafsung der handschriftlichen Beglaubigung; die Ueberlie-
ferung führt vielmehr auf tanges, at sein quomodo? wie ich in mei-
ner Ausgabe (Vs. 797) in den Text gesetzt habe. ^. F.
Auszüge aus Zeitschriften. ÜJL9
betrügen' als auch in gutem 'besänftigen, mulcerc'), — II. Anzeigen.
Einige oskische Verbaiformen (Momuisen unterital. Dial. S. 234 ff.),
von Aufrecht (S. 188 — 190: eituns = cunto ; censamur tr:^ ccnsetor;
eebnust :=: iuraverit). — III. Miscellen. Lateinische Ktymologien, von
demselben (S. 190 f.: viscre: Desiderativform mit Abfall der Re-
duplication, vis = skr. vivits. — boarc, boere : bovare sei ein Deno-
minativum, boere, urspr. bovere enthalte die reine Wurzel, nemlich
skr. g-u, auf vs'elche auch ßovg, bos 'Brüller' zurückzuführen und die
in ihrer ursprünglichen Gestalt in yoo aus yoJfOy yociv erhalten sei). —
oh OS, vinum, venas, wein, von A. Kuhn (S. 191 f.: von der Wurzel
skr. ven 'lieben, begehren, günstig sein', also ein liebliches, berau-
schendes Getriänk; überraschende Berührung zwischen dem indischen
Soma- und griechischen Dionysosmythos).
Drittes Heft. I. Abhandlungen. Telxi'v, 9^lya), von A. Kuhn
(S. 193—205: der Verf. weist den Zusammenhang griechischer, indi-
scher und nordischer Mythologie, welchen derselbe auch für andere
Kreise mythologischer Vorstellungen schon dargethan hat, hier in Be-
zug auf die Teichinen nach. Den griechischen Teichinen (Lobeck
Agiaoph. p. 1182 ff.), welche verderbenbereitende Bosheit mit über-
menschlichem Zauber und Kunstfertigkeit vereinen (W. &sly , skr.
druh 'Bosheit, zauberischer Trug', wozu auch goth. liugan, nhd.
lügen gehöre mit nicht ungewöhnlichem Lautwechsel , und Suffix tv
•-=: skr. vin 'begabt mit', also Tfi;utV, das auch als Adjectiv in Ge-
brauch war, t=z mit Bosheit, Trug, Zauber begabt) entsprechen die
indischen schwarzen Raxasas, den Göttern feindliche Wesen, die
durch Lüge und Trug den Menschen von der Wahrheit abwenden,
die zauberischen weiblichen Druhs , die den Devas auch feindlichen
Rudras und Maruts, die aber auch kunstfertig und in Anwendung von
Heilmitteln erfahren sind, nach dem Epos in der Unterwelt wohnen
und von rother Farbe sind, ferner die nordischen braunen Elfen, die
schadenden, aber in Schmiedearbeit und Heilkunde wohlerfahrnen
Zwerge. Der Name des indischen Stammes Druhyu mache wahrschein-
lich, dafs wirklich in der Urzeit ein derartiger Volksstamm existiert
habe, der auch noch nach der Vernichtung seine Verfolgungen fort-
setzend und vorzugsweise das Volk der bösen Geister bildend gedacht
wurde). — Sägara. Kolähala, von Jacob Grimm (S. 206 — 211:
durch Zusammenstellung mit dem ags. gärsccg 'Ocean', ahd. saccari
'Scheiterhaufen' (aus Rohr und Binsen geflochten), griech. gukxocq
u. a. wird als ursprüngliche Bedeutung des skr. sägara 'Ocean' die
von 'Schilfrohr' vermuthet. Kolähala sei vielleicht 'Eberpflug'). —
Die Veränderung lateinischer Eigennamen im Griechischen, von Pr.
Strehlke (S. 211—224: dieselbe sei nach folgenden Gesetzen einge-
treten: 1) die lateinischen Laute, welche im Griechischen fehlen,
wurden durch die ihnen am nächsten verwandten des Griech. ersetzt ;
2) jeder latein. Name erhielt, um in den einzelnen Casus mit Be-
quemlichkeit gebraucht werden zu können, eine griech. Endung;
3) manche Veränderungen waren Folge der allgemeinen Lautgesetze
iV. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVH. I/ft. 1, 8
114 Auszüge aus Zeilschriften.
der griech. Sprache (Synkope, Vocalwechsel, Verdoppelung oder Ver-
einfachung der Liquidae und einiger Mutae); 4) noch andere giengen
aus dem Streben hervor, den zu graecisierenden Worten einen griechi-
schen Sinn oder wenigstens einen Anklang an ein griech. Wort zu
geben). — Das lateinische j im Inlaut, von Aufrecht (S. 224 — 234:
Bekämpfung der in Uebereinstimmung mit den alten Grammatikern
heutzutage geltenden Meinung, dafs das im Inlaut zwischen zwei Vo-
calen stehende j die Kraft habe , gleich einem Doppelconsonanten Po-
sition zu bewirken, und Nachweis, dafs der dem j voraufgehende
Vocal in jedem Falle von Natur lang sei. Das Affix e/o, hauptsäch-
lich zur Bildung von Eigennamen verwandt, aufserdem in plebejus,
sei eigentlich aijo , was durch das Oskische und Sanskrit erwiesen
wird, das c also wegen seiner ursprünglich diphthongischen Natur
lang; in ajo, major, mejo, j>ulcjum, Seja, Vcji sei in Folge des Aus-
falls eines Consonanten der vorhergehende Vocal gedehnt (eigentlich
agio, magior, migio, pulegium, Segia, Vehii) ; Gajus hervorgegangen
aus Gävius von der in gävisus hervortretenden Form der Wurzel von
gauderc ; über ejus, cujus, hujus s. unten*); die noch übrigbleiben-
den lat. Wörter, deren Ursprung noch nicht aufgeklärt sei, stellt der
Verf. zum Behuf weiterer Untersuchung zusammen: bajulus , caja,
cajare, jejunus , majalis, pejor, Bajae, Trajanus). — Der ahd.
Diphthong OA, von E. Förstemann (S. 234—244). — Deutsches
und Slavisches aus der deutschen Mundart Schlesiens, von K. Wein-
hold (S. 245—257). — Vermischtes, von G. Curtius (S. 258—270:
1) der griechische Accusativus pluralis : mehrere bisher räthselhaft da-
stehende Formen dieses Casus werden klar, sobald man von der durch
*) Ich gebe des Verf. Ansicht über diese Genetive etwas aus-
führlicher, um eine Bemerkung daran zu knüpfen. Nach Abweisung
der Erklärungsversuche von Härtung, Bopp und Benfey vermutet Auf-
recht, die Genetivendung tus, ursprünglich ijus, sei identisch mit dem
Possessiva bildenden skr. Affix lya (ija), so dafs ist-ijus, altus 'die-
sem, einem andern gehöi'ig' heifse (vgl. das latein. Pronominaladjectiv
cujus- a-um 'wem gehörig'; das auslautende s sei das masculine No-
minativzeichen, welches die übrigen Geschlechter mit vertrete, wie es
auch bei den Passivformen auf mini =^ fiivoi und sonst der Fall sei).
'Dieses ijus'' fährt A. fort 'trat dann an den Wortstamm unmittelbar
an: isto -ijus , ipso -ijus , i-ijus, quo -ijus, ho -ijus, woraus, da
o + i im Lateinischen sowohl t als ü und ö (olvog — vinum, com-
moinis — communis, bonoi — bono) geben kann, istijus, ipsijus, ijus
(später ejus), quojus — cujus, hujus entstanden. Die zweisilbigen
Formen scheinen nur deshalb das j nicht verloren zu haben, weil
sonst in der Aussprache die beiden Vocale zusammengeflofsen wären.'
Nun ist es aber eine schon durch Bentley erwiesene und von niemand
angezweifelte Thatsache, dafs eben die drei zweisilbigen Genetive
dieser Gruppe ejus quojus hujus von den alten dramatischen Dichtern
ebenso oft einsilbig wie zweisilbig gebraucht worden sind, und Lach-
mann zu Lucr. p. 26 f. weist wenigstens für cujus und ejus die ein-
silbige Mcfsung noch bei den daktylischen Dichtern Lucilius, Lucre-
tius und sogar Cicero (in seiner Uebersetzung des Aratus) nach. Ist
daher Aufrechts Erklärungsversuch (der übrigens nach seiner eignen
Auszüffo aus Zeitschriften. 115
Bopp erwiesenen ursprünglichen Endung desselben vg ausgehe.
2) Die Verstärkungen im Praesensstamme : dieselben beruhen sowohl
auf dem Streben nach lautlicher Fülle als auch auf dem Triebe nach
Unterscheidung der Bedeutungen, der dann die verschiednen Formen
der Verba, die Classenunterschiede , hervorbringen half, was an meh-
rern Beispielen nachgewiesen wird. 3) Die historische Grammatik und
die Syntax: es wird auf den Gewinn hingewiesen, der aus einer auf
historischer Betrachtung der Sprache beruhenden Anordnung der Syn-
tax für das tiefere Verständnis hervorgehn würde, insbesondere die
Unzulänglichkeit der bisherigen abstracten Satztheorie nachgewiesen;
Relativsätze seien z. B. ursprünglich nur lose angereihte Demonstra-
tivsätze gewesen ; überhaupt scheine die Unterordnung eines Satzes
unter den andern etwas in allen Sprachen späteres zu sein, erst
allmählich aus der Nebenordnung hervorgegangen; der Weg zu einer
richtigen Einsicht werde von der ältesten Sprachperiode beginnen
müfsen. 4) absurdus: zurückzuführen auf W. sur, die in susurrus
deutlicher erkennbar und mit skr. svr 'tönen' und griech. a^')Q-ly^ zu-
sammenzustellen sei ; das Suftix dus ohne Bindevocal angefügt wie in
tar-dus, for-da; die ursprüngliche Bedeutung also 'abtönend, mistönend'.
5) post, pone: das von Ritschi auf dem Wege diplomatischer Kritik ge-
fundene pos (umbrisch pus) als ursprüngliche Form von post werde
durch skr. pas , litth pas-kuy ' postea'' bestätigt; daraus entstehe zu-
nächst posti mit dem in postidea erhaltnen Ablativ postid und hieraus
poste (ebenso sei anti älter als ante) ; pone sei entstanden aus posne).
— Ueber das alte S und einige damit verbundene Lautentwicklungen, von
A. Kuhn (S. 270 — 277: das indische s sei bereits in älterer Zeit mehr-
fältig aus t hervorgegangen , sowohl in einzelnen Wörtern wie dem Prono-
men skr. sa, sä, goth. sa, so, griech. o, rj, dessen Neutrum und Casus
obliqui das t bewahren , als auch in ganzen Wortclassen , wie den Voca-
tiven der mit den Suffixen mat und vat zusammengesetzten Wörter auf
mos und vas , womit gleichgestellt wird das Suffix der Participia perf.
uows, deren schwächere Form vat, schwächste ush lautete, ursprüng-
lich vant, das auch im Griech. neben dem ursprünglichen z in den Ca-
sibus obl. masc. und neutr. die schwächere Form in den durch Ausfall
des c entstandenen Formen des Femin. (vtcc aus vaia) zeige). — II. An-
zeigen. Panzerbieter quaestiones Umbricae (Meiningen 1851) ang. von
Aufrecht (S. 277—284: der Verf. habe sich zu streng an die Analo-
Aussage keinen Anspruch auf Evidenz machen, sondern nur als Ver-
such betrachtet werden soll) wirklich richtig, so braucht man, um die
einsilbige Aussprache jener drei Genetive zu erklären, nicht, wie
Lachmann gethan hat, italienische Dichter und deren Licenzen herbei-
zuziehen, sondern sie ist die naturgemäfse Consequenz von der Anwen-
dung der mit ipsijus und istijus vorgenommenen Aenderung auf ejus
quojus hujus, also eus quous huus {hous). Zu dieser Ausstofsung
des j passt denn auch sehr gut die von Lachmann an einer andern
Stelle seines Commentars zu Lucretius (p. 160 f.) nachgewiesene pyr-
richische Mefsung von ejus und hujus bei Terentius und Turpilius,
wo er selbst eus und ho-us gesprochen wifsen will. A. F.
8*
116 Auszüge aus Zeilschriften.
gie des Lateinischen gehalten; weil er die neuere vergleichende For-
schung unberücksicht gelafsen habe, leiden seine Erklärungen der Mehr-
zahl nach an grolser Willkürlichkeit und Verkennung längst gefundner
Sprachgesetze, was an vielen Einzelheiten nachgewiesen wird). — CA.
Holmboe om pronomen relativum (Christiania 1850) ang. von dem-
selben (S. 284 — 288: nachdem gezeigt worden ist, wie die indoeuro-
paeischen Völker durch das Demonstrativpronomen hindurch zum Relati-
vum gelangten, daneben aber auch eine zweite Weise bestand, wonach
das Fragpronomen zum Relat. führte, folgt eine eingehende Inhaltsan-
gabe des genannten Universitätsprogramms). — III. Miscelle. nsog, von
demselben (S. 288: statt nieog wie jtenis aus pes-nis , bestätigt durch
skr. piisaSf was eine Wurzel skr. pas , gr. nia , lat. peserc voraussetze,
zusammenhängend mit mhd. viseliin(pe7iis), nhd. faseln (prolificum esse)).
Viertes Heft. I. Abhandlungen. Starke und schwache Formen
griechischer und lateinischer Nomina, von H. Ebel (S. 289—300: es
werden die Reste doppelter Formen der Wortbildungssuffixe in den
clussischen Sprachen nachgewiesen. Entweder war die starke Form
dem Nomin. sing, allein zugewiesen, in welchem Falle sie im Griechi-
schen als einfache Verlängerung der Suffixe (fg — r;s, ^q — rjQ u. s. w.)
erscheint, im Lateinischen fast gar nicht vorhanden ist; oder es trat
eine Scheidung der Casus in starke und schwache ein , die im Sanskrit
consequent durchgeführt, im Griechischen und Lateinischen nur in Re-
sten, bisweilen nur in Ableitungen erkennbar erhalten worden ist; die
einzelnen Fälle werden durchgegangen unter den Rubriken : Vocalverän-
derung, Nasalierung, Vocalveränderung und Nasalierung vereint). —
Griechische Wortdeutungen, von demselben (S. 300 — 304: 1) asva
gehöre zur W. skr. cyu 'fallen', im Vedischen auch 'erregen', zu der-
selben Wurzel vielleicht auch kj'üj, cio , cieo. 2) sniaacci und (ihccGaai
seien Adjectivfeminina von dem im Skr. aus Praepositionen und Adver-
bien Adjectiva bildenden Suffix tya, wozu auch gehören propitius, vitriog,
TifQiaaog. 3) nozijg und Tiivvtrjq seien entstanden aus itotözrig und nivv-
xötrig. 4) TccTtrig und xansivog von W. skr. tvac mit Veränderung des
Palatals in den Labial wie in nenwv zu skr. pac). — Lateinische Wort-
deutungen, von demselben (S. 304 — 308: 1) Nomina auf -es-etis;
Zurückführung der zwölf Wörter dieser Endung auf ihre Wurzeln. 2)
Nero und nerio seien Ableitungen von skr. nar =; griech. ävrjg, nerio
r= virtus ; in Betreff der Declination wird nerio zusammengestellt mit
Anio: man habe wegen des vorhergehenden i nicht sagen können Anit-
nis , neritnis , sondern Anienis, nerienis , später aber aus Unkunde über
den Entstehungsgrund dieser ungewöhnlichen Formen //«j(Jn/s , nerienis
gemefsen'''). 3) denique und demum : deniquc sei = dene + que und
dcne verhalte sich zu de wie pone (posne) zu pos(t), superne zu super,
de bezeichne die F^olge, que den Schlufs; demum sei Superlativform von
de wie primum von prae, das letzte zunächst als unterstes bezeichnend).
^) Eine schlagende Analogie hierzu liefert das Subst. licn (Gen.
eigentlich lUnis wie carmen carminis), dessen Casus obliqui wie auch
Auszüge aus Zeitschriften. 117
— Plattlateinisch und Romanisch, von Pott (S. 309—350. 385—412:
eine Menge mittelalterlichen und romanischen Sprachstoffs, Formen und
Wendungen ergebe sich nicht als blofse neologische Fortbildung des al-
ten classischen Latein , sondern auch als archaistische Fortführung bald
alter speciell lateinischer, aber aus dem Dunkel des gewöhnlichen Le-
bensverkehrs nie oder selten ans Licht der Schrift hervorgetretener, bald
nur von Zeit zu Zeit in dasselbe eingedrungener, zunächst italischer
Provincialausdrücke , Formen oder auch hie und da Wendungen von
gleichfalls älterm Datum. Besprechung des salischen Gesetzes rück"
sichtlich der Sprache), — Deutsche Wortdeutungen, von Aufrecht
(S. 360-367. 470—474: 1) altn. vär 'Frühling' = lat. vcr, griech.
}'aQ für saccQ (wie ver aus vcrer) haben zur W. skr. vas ' leuchten, bren-
nen'; der Frühling sei als ein Erglänzen der Natur, gleichsam ein Auf-
brehen der Morgenröthe nach langer Winternacht gefafst worden; von
der gleichen zu us zusammengezogenen Wurzel komme lat. uro, griech.
avco und aus den deutschen Sprachen Osten (austan). 2) goth. saihvan
'sehen' komme von W. skr. sac (sequi, snsad'ai.) ; das Sehen sei als ein
Nachgehen, Nachfolgen gefafst; noch kühner habe das Lateinische die-
sen Begriff auf die Thätigkeit der Sprache übertragen: inseccre = di-
ccre (Gell. XVIII, 9)*); scio hänge damit nicht zusammen, sondern
komme mit der W. skr. ki ^noscere^ überein, die sich dazu verhalte wie
pa^ zu specio , plihan zu GnXrjv. 3) goth. thagkjan 'denken' ent-
spreche genau dem lat. tongere bei F'est. p. 356; auch sei damit zusam-
menzustellen das oskische Fem. tangino = iussus , decretum. 4) agna:
goth. ahana, ahd. agana 'Spreu, Aehrenabfall' stimme zu lat. acus von
W. acu-ere; agana bedeute aber auch zugleich 'Aehre' und entspreche
so dem lat. agna (für aknd) bei Paul. Festi p. 211. 5) goth. sigis
'Sieg' sei = skr, sahas *vigor'' von W, sah (= fjjm) 'stark sein, be-
siegen', 6) goth. rimis ricvxCa von W. skr. rata 'ruhen', woher auch
goth. rasta und ahd. resii. 7) skildus ; wie lat. scutum , gr. cxtJros
von W. sku 'tegere^ herkomme und wie clipeus (clupeus) durch das alt-
nordische hlifa 'tueri" Licht erhalte, so sei auch skildus durch eine
Wurzel, welche 'decken' heifst, zu deuten, möge es dem skr. chandus
von W. chad, chand (protegens) oder einem skr. chardu von W, chrid
lienosus bei Plautus (Cure. 220. 240. Cas. II, 6, 62) ganz richtig mit kur-
zem e gebraucht werden, während Serenus Samonicus Vs. 418. 429 den-
selben Vocal lang mifst, eine Erscheinung die bereits G. Hermann
in seiner Epist. ad Fr. Ritschelium vor der Ausgabe der Bacchides p.
VI durchaus richtig beurtheilt hat. A. F.
*) Der Verf. hätte für diese Bedeutung des Stammes sec oder seq
sich auch auf die Glosse des Paulus Festi p. 111 insexit, dixerit beru-
fen können; ja auch das Simplex, für welches der Verf. auf das umbri-
sche prusicurent = declaraverint hinweist, findet sich, und zwar in
der Deponentialform , noch bei Plautus Mil. glor. 1220, wo das von allen
Büchern überlieferte cum ipso pol sum secuta nicht hätte gegen lo-
cuta vertauscht werden sollen. Sollte nicht auch das nur bei Ovidius
(Met. VI, 36. VIII, 865. XIII, 749) und nur in dieser Form vorkom-
mende resecuta dazu gehören? A. F.
HS Auszüge aus Zeitschriften,
(chardis 'Haus, Schutz') entsprechen. 8) nord. hvat-r und hvass \on
der W. hva, skr. ^a 'schärfen', entsprechend dem lat. *c«rf, dessen
Part, cätus ursprünglich = acutus (Varro L. L. VII , 46) , dann über-
tragen auf alles die Sinne scharf berührende , schneidende , und auf die
eindringende Schärfe des Verstandes; eine Substantivableitung dersel-
ben Wurzel sei cös , wie dös von däre). — Ueber das alte S und einige
damit verbundene Lautentwicklungen. Zweiter Artikel. Die Neutra
auf as, von A. Kuhn (S. 368—381: auch hier wird ein Uebergang
von t in s nachgewiesen; ursprüngliche Theniaform sei ant, dessen
Schwächung at (im Sanskrit auch an) den Neutris auf as und ar, ccg
und «9, (OQ zu Grunde liege; die griech. Neutra zeigen noch meist
dieses az in der Declination; es haben indes manche eine schwächere
Form auf og entwickelt, andere dagegen das q in die Declination und
Ableitung eindringen lafsen ; überhaupt werde ein Absterben der Flexion
an ihnen sichtbar, was auch im Latein, durch Uebergang in andere
Declinationen sich zeige. Die Verschiedenheit der dem skr. « entspre-
chenden Vocale a, cc, w, o, s wird als Folge der Wandlung dieser gan-
zen Wortclasse erklärt. Nach einer Hinweisung auf die betreffenden
Ableitungen deutscher Worte vermittelst t wird der besprochene Ueber-
gang von t in s als Folge einer starken Aspiration , die sich dem t bei-
gesellte, aufgefafst). — II. Miscellen, von demselben (S. 381 — 384:
ßccQßocQog, barbara; die Inder bezeichnen mit dem Worte barbara ein
ganz bestimmtes Volk , wie die Griechen wohl zunächst von der Sprache;
daher werde ßuQßccQog am passendsten zu balbus gestellt, indem sich
aus dem Begriffe des Stammeins und Stotterns leicht der der rauhen
und harten Aussprache entwickeln konnte. — ahd. anko 'Butter' stamme
von W. anj 'salben', lat. unguo; anko stimme vollkommen zu
unguen).
Gelehrte Anzeigen, herausgeg. von Mitgliedern der kön. bayeri-
schen Akademie der Wissenschaf ten. 1852. Erster Band. Januar bis
Juni. Vortrag des Prof. Dr. Seh melier über die Vorarbeiten und
Herstellung eines cimbrischen Wörterbuchs, d.h. von der deut-
schen Sprache der VII und XIII Communi auf den Alpen von Vicenza
und Verona (Nr. 4 — 6: das der philosophisch -philologischen Classe
der Akademie vollständig vorgelegte Wörterbuch wird durch die kaiserl.
Akademie zu Wien herausgegeben werden und auch die früher schon
in den Denkschriften der Münchner Akademie im J. 1838 erschienene
cimbrische Grammatik Schmellers in neuem Abdruck enthalten). —
Rec. von J. B. Friedreichs Realien in der Iliade und Odyssee (Er-
langen 1851), von Fr. Thiersch (Nr. 8. 9: im ganzen empfehlend;
gerügt wird, dafs die griechisch angefühi-ten Worte ohne Accent und
selbst ohne Spiritus geschrieben seien, und wo die Erklärung des sach-
lichen von der Erklärung dunkler Worte und Redensarten abhänge,
der Verfafser auf diese nicht eingehe , sondern sich in der Regel be-
gnüge die Meinungen anderer darüber anzugeben. Als besonders ge-
■^'v.
Auszöge aus Zeitschriften. 119
lungeii wird der Absclinitt über Mineralien, Pflanzen und Tliiere (der
Verfafser ist Professor der Medicin) hervorgehoben). — Reo. v. Jos.
Hillebrand: die deutsche Nationallitteratur seit dem Anfange des
18. Jahrhunderts. 2. Aufl. Bd. 1 und 2 (Hainb. und Gotha 1850 — 51)
(Nr. 33 — 35: der ungenannte Rec. bezeichnet den kritischen Stand-
punkt des Verf. gegenüber von Vllmar mit den Worten: 'Bei Vilmar
stört die Absichtlichkeit der conservativen Tendenzen , bei Hillebrand
die Ueberschätzung des formellen Freiheitsbegriffes ; wenn V. beklagt
dafs Klopstock die Anfänge der Revolution mit Jubel begrüfst, be-
dauert H, dafs er ihren Fortgang nicht verstanden; wenn jener von
Friedrich II besonders hervorhebt, was im Urtheil der Deutschen zu
seinem Nachtheil gereicht, sieht dieser in dem philosophischen Könige
den eigentlichen Reformator des deutschen Geistes; wenn jener unge-
achtet aller Lobpreisungen mit Lessing zu sympathisieren unfähig ist,
will es ungeachtet des reinsten Willens diesem nicht gelingen Jacobis
Eigenthümlichkeit zu begreifen. Indessen bei aller dieser Verschie- .
denheit haben beide Schriftsteller denselben schriftstellerischen Cha-
rakter; beide sind, wie Gervinus, kritische, nicht darstellende Ge-'
Schichtschreiber, nur dafs H. dieses Verfahrens sich bewust ist und
es von der Geschichte fordert, V. aber eben dasselbe befolgt, ohne es»
sich zu gestehen.' Als störend auf die Darstellung des Verf. wird
seine Vorliebe zu theoretischen Ii''ormulierungen und Abstractionen be-
zeichnet, die besonders im ersten Theile hervortrete, während im
zweiten Goethe, Schiller und die verwandten Geister umfafsenden
Theile der kritische Frost von dem warmen Hauche einer'Hiinigern
Liebe hinweggethaut sei. Näher eingehend bespricht der Rec. die
Charakteristiken von Klopstock, Wieland, Hamann, Lessing und Her-
der. — Rec. von: Legis Rubriae pars superstes. Ed. Fr. Ritsche-
lius (Bonnae 1851), von Fr. T hier seh. Erster Artikel. (Nr. 52—
54 : der Rec. die kritischen Verdienste des Herausgebers anerkennend,
durch welche bis auf wenige untergeordnete Punkte alle kritischen
Zweifel beseitigt seien, untersucht eingehend die B^rage., mit welchem
Rechte man das Gesetz lex Ruhria genannt habe, wobei er die An-
nahme zu begründen sucht, dafs die ältere lex Ruhria aus der Zeit'
des C. Gracchus in ihren Vorkehrungen über den Wechsel des Grund-
besitzes und die dabei der Natur der Sache nach sich häufenden Fälle
des damnum infectum, ferner nuntiatio, reinomissio , satisdatio auch
auf Gallia cisalpina ausgedehnt worden sei. Das nähere über die Er-
mittelung der Zeit und Bestimmung des Gesetzes wird für einen zwei-
ten Artikel verheifsen). — Rec. von : Aristotelis Eudemia. Ed. A d.
Theod. Herm. F'ritzschius (Ratisbonae 1851), von L. Spen-
gei (Nr. 54—56: anerkennende Beurtheilung; das schwierige Problem,
welchem der beiden ethischen Werke die Bücher IV V VI, die mit
den Nikomachien V VI VII identisch sind, angehören, wird einer
neuen von den Resultaten des Herausgebers abweichenden Untersu-
chung unterworfen: 'Es hindert nichts das vorhandene als von der
Hand des Aristoteles und das Original dessen anzuerkennen, was Eu-
120 Auszüge aus Zeitschriften.
demus benutzt hat, uns aber nicht erhalten ist.' 'Sind die 'H&iita Ev-
dr](isia die Aristotelische Ethik, die sein Schüler, der Rhodier Eude-
mus, umgearbeitet hatte, wer steht dafür dafs die 'H^i-nä NiKOiiäx^Lcc
nicht eben so gut die von einem Nikomachus umgearbeitete Form seien,
zwar näher stehend dem ursprünglichen Werke als jenes , aber doch
nicht dieses selbst?' Sodann wird an einer Reihe von Stellen gezeigt,
wie viel noch für die kritische Verbefsening der drei Bücher, welche
der Endemischen und Nikomachischen Ethik gemeinsam sind, zu lei-
sten sei). — Rec. von Fr. Wolfg. Ullrich: Beiträge zur Kritik
des Thukydides. le und 2e Abtheilung (Hamburg 1850. 1851), von G.
M. Thomas (Nr. 56. 57: sehr lobend; der Rec. weicht nur an weni-
gen Stellen von den Resultaten des Verf. ab: I, 70 wird ini^slSsiv
für i^sl^siv vermuthet; IV, 72 tsXsvrrjoavtsg vor dns-HQi&rjaav als Glosse
bezeichnet). — Rec. von : Coniectaneorum Byzantinorum libri duo.
Scr. F. G. A. Mullachius. (Berol. 1852) (Nr. 57 — 59: da sich die
kritische Schrift des Herausg. aufser mit verschiedenen neugriechi-
schen Gedichten mit dem Historiker Dukas und dem Chronicon breve
hinter der Geschichte des Dukas beschäftigt, so verbreitet sich der unge-
nannte Rec, in dem jedoch die Hand des kundigen Byzantinologen
Tafel leicht zu erkennen ist, zuerst über die Leistungen I. Bekkers
als Herausgeber des Dukas, Georgius Phrantza und Laonikos Chal-
kokondylas, über die er ein scharfes Urtheil fällt; kürzer ist die Be-
sprechung der Mullachschen Schrift, deren Verdienstlickeit nicht in
Abrede gestellt wird, wenngleich über eine ziemliche Zahl der behan-
delten sUllen abweichende Ansichten und Berichtigungen mitgetheilt
werden), — Rec. von: Ciceronis scripta quae manserunt omnia. Recogn.
Reinh. Klotz. Vol. I. (Lips. 1851), von C. L. Kays er (Nr, 59—
62 : das Verdienst der Texteskritik bestehe vorzüglich im strengern
Festhalten der überlieferten Lesarten ; auch fehle es nicht an anspre-
chenden Emendationen; aber nicht zu rechtfertigen sei, dafs der Her-
ausgeber die Schrift auf dem Titel und in der Vorrede wieder der
handschriftlichen Tradition folgend dem Cicero zu vindicieren ver-
sucht habe. Dieser Umstand veranlafst den Rec, die vielbestrittene
Frage über den Verfafser der Schrift einer ausführlichen Erörterung
zu unterwerfen, in der er nach Widerlegung der aufgestellten ver-
schiedenen Hypothesen die Ansicht zu begründen sucht , dafs die
Schrift einem Cornificius, aber nicht dem bekannten Jugendfreunde
Ciceros, sondern dessen Vater zuzuschreiben sei). — Rec. von: De-
mosthenes ausgewählte Reden vouxilb. DoberenzII. HI (Halle 1851),
Fr. Franke ed. H (Lips. 1850) und Ant. We sterra ann I. II (Leipz.
1850, 51), Demosthenes Werke griechisch und deutsch mit Anm. 2r Th.
(Leipz. bei W. Engelmann 1851), von L. v. Jan (Nr. 62. 63. 75. 76:
der Ref. charakterisiert zuerst das gegenseitige Verhältnis der drei
Schulausgaben, und hebt sodann eine Anzahl von Stellen hervor, in
denen er mit den Herausgebern oder dem einen von ihnen nicht ein-
verstanden ist. An der Ausgabe von Doberenz wird die oft ungeeig-
nete Anwendung von Fragen und die Ueberflüfsigkeit mancher seich-
Auszüge aus Zeitschriften. 121
ten Bemerkungen gerügt. Die Uebersctzung wird als ihrer Bestimmung
für Nichtphilologen, die noch nach der Schulzeit Demosthenische Re-
den lesen wollen, entsprechend bezeichnet und das Unternehmen zu
diesv'm Behufe empfohlen). — Zur Kritik des zweiten Buches der Na-
turalis Historia des Plinius, vorgelegt der philosophisch-philologischen
Classe der kön. Akademie von Prof. L. v, Jan (Nr. 70-73: eingehende
Behandlung ron 27 kritisch schwierigen Stellen des genannten Buches).
Schul- und Persoimlnachrichteii, statistische und andere
Mitlheiknigen.
Amberg. Die Lehrstelle der 2. Classe der latein. Schule erhielt ihr
bisheriger Verweser Priester Sebastian Schrembs.
Ansbach. Der bisherige Lehrer der 4. Classe der latein. Schule
Jacob F^riedr. Maurer wurde zum Professor der 2. Gymnaslalclasse
ernannt.
Aschaffenburg. Die Lehrstelle der untersten Classe der latein.
Schule wurde dem Candidaten Georg Englert übertragen.
Berlin. An der Universität hat Prof. Geizer, wie schon früher
Prof. Hub er, seine Stelle niedergelegt und sich nach Basel zurückge-
zogen.
Bernburg. Nachdem derDirector des Karls-Gymnasiums Dr. Herbst
gestorben, ist in seine Stelle der Conrector Dr. L. Franke befördert
worden.
Bozen. Im Lehrkörper des k. k. Obergymnasiums (s. Bd. LXV
S, 335) finden wir während des Schuljahres 1861 — 52 den ordentlichen
Lehrer A. M. Schmuck ausgeschieden, dagegen P. Max. Holaus als
Lehrer des Griechischen in IV und VII und des Latein in IV neu ein-
getreten. Als ordentliche Lehrer wurden die Supplenten P. W, Kiechl,
P. Flav. Orgler und P. J. P. Ehrenberger, der letztere unter
Erlafsung der Lehramtsprüfung anerkannt. Den zwei geprüften Lehrern
Schöpf und Holaus ward das laufende Schuljahr als vorschriftsmäfsi-
ges Probejahr angerechnet. Schülerzahl:
I II III IV V VI VII VIII 8».
Anf. d. Schulj. 1850/51 . . 34 44 39 40 29 28 21 — 235
Ende desselben .... 36 30 28 34 40 32 20 19 239
Ende d. Schulj. 1851/52 . 45 26 28 26 30 36 26 17 234
Im Monat Juli 1851 hatten 19 öffentliche und 4 Privatschüler (Franzis-
kanerkleriker) die Maturitätsprüfung bestanden und das Zeugnis der
Reife erworben.
122 Schul - und Personalnachrichten,
Breslau. Am Marien - Magdalenengymnasiuni ward der Schulamts-
candidat Dr. The od. Beinling als College angestellt.
Brieg. Der Oberlehrer am Gymnasium H, E. H. Hinze hat das
Praedicat Professor, die ordentlichen Lehrer Dr. Tittler und Dr. Dö-
ring das Praedicat Oberlehrer erhalten.
Bromberg. Am Gymnasium haben der Oberlehrer C. P. S. Breda
das Praedicat Professor, der ordentliche Lehrer Krüger des Praedicat
Oberlehrer erhalten.
DiLiNGEN. Die erledigte Professur der Mathematik am Gymnasium
wurde dem bisherigen Assistenten am Wilhelmsgymnasium zu München,
Martin Viller, übertragen.
Erlangen. Der aufserordentliche Prof. in der philosophischen Fa-
cultät Dr. P. Spiegel ist zum ordentliciien Prof. der orientalischen
Sprachen in derselben Pacultät ernannt worden, desgl. der aufserordentl.
Prof. Dr. K. L. W. Heyder zum ordentlichen Prof. der Philosophie.
Friedland. Nach Michaelis 1851 wurde eine engere Verbindung
des Gymnasial- und Real - Unterrichtes ermöglicht, berechnet einerseits
darauf, den höhere Ausbildung suchenden künftigen Gewerbtreibenden
Gelegenheit dazu zu geben, andererseits aber die blofse Abrichtung und
ein blofses Anhäufen von Material zu verhüten, weshalb denn auch das
Lateinische als nothwendiger Bestandtheil in den Realunterricht aufge-
nommen wurde. Zwar wurden die lateinischen Stunden für die drei un-
tern Classen verringert (V: 7, IV: 7, III: W. 9, S. 8), aber die Quarta
für die lateinischen und griechischen Lectionen in zwei Coetus zerlegt.
Der französische Unterricht beginnt seitdem schon in V (2 St ) und ist
für die am Griechischen nicht theilnehmenden Realisten in IV und HI ein
doppelter englischer Cursus (2 und 3 St.) eingerichtet worden. Die Com
bination der beiden letzten Classen für die Religionsstunden hat aufge-
hört und ist nun auch der geschichtliche, mathematische und naturwifsen-
schaftliche Unterricht durch alle Classen hindurch geführt, während in
den beiden untern der Zeichenunterricht Aufnahme gefunden hat. Diese
Einrichtung wurde dadurch ermöglicht, dafs am 21. April 1852 Dr. G.
Michaelis (bis 1849 Lehrer an der Handelsschule in Magdeburg, dann
auf Reisen in Prankreich und Italien) in die neu gegründete 6. Lehrer-
stelle eingeführt ward, der Cantor Pfitzner an der Bürgerschule einige
Lectionen, der 1. Lehrer der Bürgerschule dagegen Hegebarth den
lateinischen Unterricht in Quinta übernahm. Die Schülerzahl betrug 83
(I*: 1, 1": 8, 11": 5, H'': 7, IIP: 8, IIP: 9 [in HI 6 Realschüler], IV»: 8,
IVh; 15 [in IV 11 Realschüler], V»: 12, V»: 9). Zu Michaelis 1851 und
Ostern 1852 wurde je ein Schüler zur Universität entlafsen.
Halle. Von der lateinischen Hauptschule im Waisenhause zu Halle
haben wir aufser dem schon Bd. LXV S. 337 berichteten Aufrücken des
Collab. Dr. O eh 1er, den Mich. 1851 erfolgten Austritt des Schulamts-
candidaten Dr. Ackermann, welcher eine Hilfslehrerstelle am Gymna-
sium zu Duisburg übernahm, zu melden. Der als Adjunct Mich. 1851
eingetretene Candidat Dr. Chr. H. F. W. Wolterstorff rückte im
p Ib
II«
Mich. 1861 31 22
40
Ostern 1852 27 24
43
Via
VI'
S'.
41
26
414
51
26
438
(s.
Bd.
LXV
an
das
Gym-
statistisclio und andere Mittheiiungen. 123
August 1852 in die Stelle des pensionierten Coilaborator Tannenberger
ein. Der Coilaborator Dr. M. Jahn folgte Mich. 1852 einem Rufe zu
einer ordentlichen Lehrerstellc an der höhern Bürgerschule zu Cüstrin.
An der Stelle des an die Realschule in Stolp berufenen Turnlehrers B'ah-
land übernahm der CoUab. Dantz den Unterricht im Turnen. Schü-
lerzahl :
m IIP III'' IV^ IV" V« V"
31 38 44 39 30 42 29
36 39 35 33 48 35 41
Abiturienten Ostern 1852 16, Mich. 1852 16.
KÖLN. Vom königl. Friedrich- Wilhelms -Gymnasium
S, 223) schied noch im Herbst der Hilfslehrer Sauerland,
nasium zu Emmerich berufen. Der an seine Stelle von der Realschule
zu Siegen berufene Dr. Meigen erhielt bald eine andere Anstellung
(s. Bd. LXV S. 438 unter Cöln). Auch der zu Uebernahme seiner
Stelle bestimmte, schon früher an der Anstalt thätige Schulamtscan-
didat Kruse ward an das Gymnasium seiner Vaterstadt Stralsund be
rufen. Nachdem die Pensionierung des Gymnasiallehrer Schumacher
erfolgt war, rückten der Oberlehrer Haentjes und Gymnasiallehrer
Propst in die höhern Stellen ein, die 3. und 4. ward den Hilfsleh-
rern Dr. Eckertz und Feld übertragen. Einen neuen Verlust erlitt
das Lehrercollegium, indem mit Ende des Schuljahres 1852 der Ober-
lehrer Dr. Backes zum Director der Provincial - Gewerbschule de-
signiert wurde. Der Schulamtscandidat Schulte war übrigens zu Ab-
haltung seines Probejahrs eingetreten. Die Schülerzahi betrug
im Winter P P IP 11'^ III^ III'> IV^ IV' V^ V' VP VI" S«.
51-52 . 23 33 37 47 40 40 33 32 43 42 49 49 468
imSommer52 20 33 37 45 35 37 29 31 41 40 55 51 454
Unter der letzten Zahl waren 339 Katholiken, 106 Evangelische, 9 Israe-
liten. Abiturienten wurden am Schlufse des Schuljahrs 15 als reif ent-
iafsen, aufserdem erwarben sich 3 auswärtige das Zeugnis der Reife.
KÖNIGGRÄTZ. Die provisorische Anstellung des Directors des k. k.
Gymnasiums, Jos. Padi'ra, wurde in definitive verwandelt.
Kurhessen. Protokoll des kurfürstl. Ministerium des Innern: 'Die
§§. 1, 3 und 8 der Dienstanweisung für die Gymnasiallehrer vom 22.
Nov. 1849 werden aufgehoben und durch folgende ersetzt : §. 1. Die
Amtsführung der Gymnasiallehrer soll im allgemeinen geregelt werden
durch die Vorschriften und Ordnungen der christlichen Kirche des Be-
kenntnisses, welchem der betreffende Lehrer angehört. §. 3. Der Gym-
nasiallehrer ist vermöge seines Berufes nicht allein zu einer steten wi-
fsenschaftlichen und paedagogischen Vervollkommnung, sowie zu einem
vorsichtigen Benehmen im äufsern Leben, sondern auch vor allem zur
Achtung und Ehrerbietung gegen die Ordnungen der Kirche, welcher
er angehört, verpflichtet. §. 8. Die Schuldisciplin ist lediglich als eine
christliche Zucht aufzufafsen, für deren gewifsenhafte Handhabung die
Gymnasiallehrer ebenso Gott, wie der Kirche und der Obrigkeit
124 Schul- und Personalnachrichlen,
verantwortlich sind. Die Herre» Gymiiasialdirectoren haben den sämt-
lichen Lehrern der Gymnasien von diesen Bestimmungen Kenntnis zu
geben und sie demnächst auf dieselben handpflichtig zu machen. Denn
es mufs verlangt und soll darauf gesehen werden, nicht allein dafs die
betrefTenden Gymnasiallehrer nichts gegen die evangelische Kirche un-
ternehmen, sondern dafs sie sich auf das bestimmteste verpflichten, ihre
Schüler für die Bekenntnisse und Ordnungen der evangelischen Kirche
zu erziehen. Die Gymnasiallehrer sind vor der Vollziehung des von
ihnen zu leistenden Handschlags hiervon genau zu unterrichten und wird,
falls in der Zukunft von irgend einem im Amte stehenden evangelischen
Gymnasiallehrer nach diesen Bestimmungen nicht sollte gehandelt wer-
den, Seitens der Gymnasialdirectoren untor persönlicher Verantwortlich-
keit alsbald Anzeige erwartet.'
Laibach. Am k. k. Gymnasium ist der bisherige prov. Director
des Gymnasium zu Eger, Joh. Necasek, zum wirklichen Director er-
nannt worden.
Leutschau. Zum wirklichen Gymnasiallehrer am dasigen Gymna-
sium ist der Supplent am Gymnasium zu Pisek, Joh, Lukas, ernannt
worden.
LuCKAU (s. Bd. LXVI S. 102). Zum Director des Gymnasiums wurde
der vorherige Oberlehrer am Gymnasium zum grauen Kloster in Berlin,
Dr. Below, ernannt, der Conrector Dr. Vetter erhielt das Praedicat
Professor und die Anstellung des Candid. Dr. Schlesicke als Mathe-
maticus und des Candid. Bauermeister als Subrector wurde höchsten
Orts genehmigt.
MÜNCHEN. In die kön. Akademie der Wifsenschaften sind gewählt
worden: L als Ehrenmitglieder: Se. k. Höh. Prinz Johann von Sach-
sen und Staatsrath Frhr. von Straufs; TL als ordentliche Mitglieder
der historischen Classe : Prof. Dr. Kunstmann und Bibliothekscustos
Dr. Föringer in München; UL als a. o. Mitglied derselben Classe:
der Reichsarchivkanzlist K. A. Muffat; IV. als auswärtige Mitglieder:
a) der philos. - philolog. Classe: Prof. Dr. Göttling in Jena, Wil-
helm Grimm in Berlin, Dr. Günther in Wien, Prof. Dr. Theo-
dor Mommsen in Zürich, Prof. Dr. Movers in Breslau, Prof. Dr.
Rud. Roth in Tübingen, Hofrath Dr. Hermann Sauppe in Wei-
mar; b) der mathem.-physik. Classe: Director J. F. Enke in Berlin,
Landgerichtsarzt Dr. Franz Hefsler in Wemding, Prof. J. D. For-
bes in Edinburgh; c) der histor. Classe: Prof. J. E. Kopp in Lu-
zern und Graf J. N. Mailäth in Pesth; V. als correspondierende Mit-
glieder : a) der mathem.-physik. Classe: Leibarzt Dr. Seb. Fischer
in Petersburg, Dr. J. D. Hook er in London, Prof. Franc. Zante-
deschi in Parma; b) der histor. Classe: Archivdirector Mone in
Carlsruhe, Prof. der Rechte Dr. Roth in Marburg, Dr. W. B. Wenk
in Leipzig, Oberlieutenant J. Heilmann in Ingolstadt.
MÜNCHEN. Am Maximiliansgyranasium wurde der Professor
der 2. Gyranasialclasse Ignaz Müllbauer in Ruhestand versetzt. In
slatistischo und andere Miltheilungen. 125
seine Stelle rückte vor der Prof. der 1. Gymnasialciasse F'ranz Stei-
ninger, dessen bisherige Stelle dem Prof. am Ludwigsgymnasiiim zu
München Michael Dausen d übertragen wurde. In dessen Stelle
wurde der Studienlelirer an der 4. ("lasse der lat. Schule des Maxi-
miliansgymnasiums Dr. Barth. Gofsmann befördert, die Stu<lienlehrer
Dr. Alex. Schöppner, Jos. Rott und Jos. Wolf rückten auf nnd
die so erledigte unterste Lehrstelle des genannten Gymn erhielt der
Assistent am Gymnasium zu Bamberg Anton Linsmayer. Der Personal-
stand der ordentlichen Lehrer am Maximiliansgymn. ist demnach gegen-
wärtig folgender: Rector Halm, Conrector Dr. Beil hack, die Profes-
soren Stein inger, Dause nd, Dr. Minsinger (Mathem.), Dr. Fi-
scher (kath. Religion u. Gesch. am Gymn.), Preger (protest. Relig.
u. Gesch.), die Studienlehrer Dr. Schöppner, Rott Wolf, Lins-
mayer, Praefect Mall (kath. Relig. u. Gesch. an der latein. Schule),
Schreiblehrer U h 1 m a n n. Dazu kommen als Lehrer des Hebräischen:
Prof. Worlitscheck, als Lehrer des Französischen: Prof. Häring
und D. J. Bedat, als Lehrer des Englischen: L. Richelle, des Ita-
lienischen L. Carrara, Musikdirector Kahl, Musiklehrer Schön-
chen, Gesanglehrer P acher und Zeichenlehrer Weishaupt. — Die
Schülerzahl betrug am Schlufs des Schuljahres 1851 — 52 im Gymna-
sium 126 (IV: 36, IH: 28, II: 20, I: 42), in der latein. Schule 217
(IV: 49, III: 45, II; 60, 1: 73), Gesamtsumme 343.
MÜNSTER. Der Director des Gymnasiums Dr. Stieve wurde zum
katholischen Provincialschulrath in Breslau ernannt.
OsTROWO. Im Anfang des Schuljahres 1850—51 trat an die Stelle
des an das Mariengymn. in Posen berufenen Oberlehrers Dr. Milewski
als Lehrer der Mathematik und Physik Dr. Sikorski und wurden neu
angestellt Dr. Görlitz und Schulamtscandidat Regentke; mit dem
Beginn des Sommersemesters 1851 wurde dem Gymnasium als Lehrer
überwiesen Dr. von Bronikowski und der Schulamtscandidat Dr.
Zwolski trat sein Probejahr an; am 19. April 1852 wurde der Schul-
amtscand. Kotlinski als Hilfslehrer eingeführt. Am 1. Mai 1852 starb
der Oberlehrer Joseph Peterek (geb. 1805). Das Lehrercollegium
besteht demnach gegenwärtig aus dem Director Dr. Enger, den Ober-
lehrern Dr. Szostakowski und Dr. Jerzykowski, dem Religions-
lehrer Polcyn, den Gymnasiallehrern Polster, Stephan, Dr. Si-
korski, Martens, Dr. Görlitz, Regentke, Dr. von Broni-
kowski, Dr. Zwolski, dem Hilfslehrer Roil, Rector Schubert
und Schulamtscand. Kotlinski. Die Schülerzahi des Gymnasiums be-
trug am Schlafs des Schuljahres 18*9—50: 204, 1850—51: 246, 1851—
52: 260, unter welcher letzter Gesamtsumme sich 182 Katholiken, 48Evan-
gelische und 30 Juden befanden, nach den Classen folgendermafsen ver-
theilt: I: 21, II: 37, IIP: 22, IIP: 18, IV': 24, IV^: 17, V»: 35, V:
19, VI": 49, VI'': 18. Abiturienten Mich. 1851: 9, 1852: 10.
Paris. Durch Decret vom 23. Nov. 1852 ist der Lehrstuhl für Ge-
schichte der alten Philosophie an der dortigen Litteraturfacultät, wel-
chen Hr. Cousin eingenommen hatte, aufgehoben und mit dem Lehr-
126 Schul- und Personalnachrichten,
stuhl der neuen Philosophie unter dem Titel 'Curs der Geschichte der
Philosophie' vereinigt. An die Stelle des Lehrstuhls für Geschichte der
alten Philosophie tritt ein Lehrstuhl für vergleichende Grammatik der
drei classischen Sprachen und ist an Hrn. C. B. Hase, Mitglied der
Akademie der Inschriften, übertragen.
PiiAG. Der k. k. Schulrath u. Director des Gymnasiums in der Klein-
seite Weltpriester Frz. Effenberger ist provisorisch an des ver-
storbenen Dr. Joh. Silhavy Stelle zum Gyranasialinspector für Böh-
men ernannt worden.
Presseurg. Am k. k. katholischen Gymnasium wurden zu wirklichen
Gymnasiallehrern ernannt Dr. Frz. Hochegger, Supplent am Gym-
nasium in der Josephstadt und Privatdocent an der Universität in Wien,
Ig n. Honig, Supplent am k. k. Gymnasium zu Olmütz, Frz. Stanek,
Supplent am k. k. theresianischen Gymnasium in Wien und der Lehr-
amtscandidat Dr. Ant. Schmid.
l'UTBU.s. Zum Director des Paedagogiums wurde der Director des
Gymnasiums zu Anclam Gottschick berufen,
Schweinfurt. Am Gymnasium Ludovicianum ward an die Stelle
des quiescierten (f 27. März 1852) Prof. der Mathematik K. Frdr. Hen-
nig dessen Verweser, der Lehramtscandidat B^rdr. Hartmann, am 8.
Sept. 1851 berufen. Den Unterricht des zum Landtage einberufenen Leh-
rers Christoph besorgten die Schullehrer Schubert und Koch. An
der Stelle des verstorbenen Stadtpfarrers D ü r i n g übernahm der in
dessen Stelle beförderte Stadtcaplan Helm sauer den Geschichts-, an
der Stelle des zu einem andern Amte abberufenen Caplan Mey der Ca-
plan Debon den Religionsunterricht. Schülerzahl: Gymn. IV; 7 (1 Ho-
spitant), III: 9, II: 8, I: 11, S^ 35, latein. Schule: IV: 15, III: 18,
II: 17, 1:20, S». 70, Gesamtsumme 105.
TiiORN. Das hiesige Gymnasium hatte im Schuljahr Mich. 1851 —
Mich. 1852 im LehrercoUegium keine Veränderung erlitten. Die Fre-
quenz betrug vorher 247, im 3. Semester 252 (I: 20, II: 39, III; 64,
IV: 64, V: 44, VI: 21). Mit dem Zeugnisse der Reife wurden 7 zur
Universität entlafsen. Den Schulnachrichten sind drei Reden des
Director Dr. L. M. Laub er beigegeben, eine Entlafsungsrede 9. April
1851: Die Erkenntnis gebiete der Natur und Geschichte und ihre Be-
ziehung zur Gotteserkenntnis, eine desgl. vom 29. Sept, 1851: Der
Wcrth der Wissenschaften vom sittlichen Standpunkte aus gewürdigt,
und zur Geburtstagsfeier des Königs 15. Oct. 1851. Frommer Sinn,
Fafslichkeit bei aller Tiefe der Gedanken und herzliche Sprache zeich-
nen dieselben vortheilhaft aus.
Straubing. Auf die Lehrstelle der 2. Gymnasialclasse wurde der
bisherige Studienlehrer zu Aschaffenburg Franz Xav. Enzenberger
befördert.
Stuttgart. Dem Professor Gustav Rümelin ist die Stelle eines
Ministerialassessors bei dem Ministerium des Kirchen- und Schulwesens
mit dem Titel und Rang eines Oberstudienraths verliehen.
stalislisclie und andere Mittheilungen. 127
Ulm. Die erledigte Lehrstelle der Mathematik und Physik an dem
dortigen Obergymiiasiuin ist dein Professor Dr. Oft erdinger in Tü-
bingen übertragen.
Weutheim. Der Director des Lyceums Hofrath Föh lisch ist unter
dem 27. Juli 1852 zum Geheimen Hofrath 3. Classe ernannt worden.
Wien. Dr. Eitelberger ist zum aufserordentlichen Professor
der Kunstgeschichte und Kunstarchaeologic an der dortigen Hochschule,
Dr. A. V. P^t 1 i n gs hausen zum ordentlichen Professor der Physik an der
Hochschule und zum Director des physikal. Cabinets an die Stelle des
aus Gesundheitsrücksichten entlafsenen Dr. Chr. Doppler ernannt.
WiTTENBEiiG. Am dasigen Gymnasium sind der Hilfslehrer Heff-
ter und der Schulamtscandidat Gottl. Stier als Adjuncte angestellt
worden.
Todesfälle.
Am 18. Mai 1852 starb zu Elbing der seit 1843 pensionierte Director
Mund, geb. 1773.
Am 4. Aug. ebenda der seit 1845 pensionierte erste Oberlehrer des Gym-
nasiums Prof, Christ. Theod. Kelch.
Am 14. Oct. zu Gleiwitz der Oberlehrer am Gymnasium Dr. Böbel
Ritter des R. A. O. 4. Classe.
Am 17. Nov. zu Kirchheim an der Lech der als philosophischer Schrift-
steller wohlbekannte Prof. v. Eschenmayer, 84 J. alt.
In unserm Verlage ist so eben erschienen:
JULI FLORI
epitomae
de Tito IilTio
belloruni omnium annornni DCC.
libri II.
Recensiiit et emendavit
OTTO JAHN.
gr. 8. broch. Preis 1 Thlr.
Leipzig. IVeidmann'sche Buchhandlung.
3in ^Bevlage i?on (5. *?(. Schwetfc^fc «. <2>ol)u (9)1. ©vufin) in Söiaun^
fAwcig fiiib fü eben erf^iencn nnJ> burrf; alte 33urf;f)ant'{un9cn jn beiiel^cn:
für tm
9?cbft
9lufgaben ju münblidjeii unb fcl)rlftli(^cn Hebungen unb einem
beutfdjen SBortregiftev.
a3on
Dr. Corl fcttmer,
(Sofiaborator am Satfjarlncum ju Sübecf.
8. fteif bvofdjtrt. 10 e^r.
SittüButtö bet rateiuifd)ett ^otmcnlt^tt.
3m ^infc^lup an ben getüof^nlidjeu @nng bev ©rammattf.
a3on
1. ßurfuö. gv. 8. fteif brofd)irt. 6 egr.
2. 6urfuö. gv. 8. fteif brofd)iri. 18 @gr.
3Bir eni^jfet)len biefe tüdjtigen €cl;nlbüd)cr bcr geneigten Scarijtnng afier
^cl;ulvorftet»cr unb ^Jt>itoIogen anflcleiientlidjft. ©at? Sud^lein von !l)ettmer,
nad; einer neuen aJ?etf)obe, äi^nlid) beni rül)uilid)(l befannten lateinifd;cn 33ü;
cubularium bcö >&errn *|)rofe)'for I)cberlein bearbeitet, Unrb ftdj in ber ^rari«
n)ic bicfeö bcnial;ren.
NEUE
JAHRBÜCHER
FÜR
PHILOLOGIE UND PAEDAGOGIK.
Begründet
von
M. Johann Christian Jahn.
Gegenwärtig herausgegeben
von
Reinhold Klotz Rudolph Dletsch
Professor in Leipzig Professor in Grimm i
und
Alfred Fleckeisen
Gymnasiallehrer in Dresden.
Siebenundsechziffster Band. Erstes Hefl.
Ausgegeben am 4. Januar 1853.
Inhalt
'con des siebenundsechzigsten Bandes erstem Hefte.
Seite
Kritische Beurtheilungen 3—69
Ahrens: Griechische Formenlehre des Homerischen und
Attischen Dialektes. — Von Professor Dr. G. Curtius
zu Prag 3—21
Aischef ski. Lateinische Sprachlehre für Schulen und zum
Privatgebrauche. — Von Director Dr. C. Nauck zu
Königsberg in der Neumark 21 — 30
Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit in deutscher
Bearbeitung. — Von Dr. W. Wattenbach zu Berlin. 30 — 35
Ihering: Geist des römischen Rechts. — Von Assessor
Dr. L. Lange zu Göttingen 35 — 45
Gallenkamp : Elemente der Mathematik. — Von Professor
Dr. 0. Schlömilch zu Dresden. . . . . . . . 45 — 53
Gaume : Der nagende Wurm der heutigen Gesellschaften
oder das Heidenthum in der Erziehung. — Von Ober-
lehrer Dr. Hoffmann zu Neisse 53 — 68
Kürzere Anzeigen 69 — 78
Jacobs: Hellas. — Von Prof. Dr. E. Curtius zu Berlin. 69 — 70
Neigebaur : Dacien. — Von Professor Dr. H. Wuttke zu
Leipzig 71 — 75
Zacher: Die deutschen Sprichwörtersammlungen. — Von
Demselben 75
Lothholz : Uebungen zum Uebersetzen aus dem Deutschen
ins Lateinische. — Von Dr. Benseier zu Freiberg. . . 76
Hang: Uebungsbuch zum Uebersetzen aus dem Deutschen
in das Lateinische. — Von JDemselben 76 — 77
Heinichen: Uebungen im lateinischen Stil. — Von Dem-
selben 77 — 78
Programmenschau. — Von Prof. Dr. R. Dietsch zu Grimma. 78—88
Dryander: Coniecturae in dialogum de oratoribus. . . 78 — 79
Fabian: Quid Tacitus de numine divino iudicaverit. . 79 — 81
Elster: Excerptorum ex C. Plinii Secundi naturalis histo-
riae libro XXXV. part. 1 81—83
%.
Seite
Enderlein: Commentationis de Bambergensi codice insti-
tutionum Quintiliani manu scripto sect. IV. . . . 83 — 86
Eckstein : Anecdota Parisina rhetorica 86
Bergmann : De inscriptione Latina ad P. Sulpicium Quiri-
num COS. a. 742., ut videtur, referenda comment, . . 86—88
Ein Nachtrag zur Biographie K. Lachmanns von M. Hertz. 88—92
Bericht über die vom 29. September bis zum 2. October 1852
in Göttingen abgehaltene dreizehnte Versammlung
deutscher Philologen und Schulmänner 92 — 108
Auszüge aus Zeitschriften.
Aufrecht and Kuhn: Zeitschrift für vergleichende Sprach-
forschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen
und Lateinischen. Erster Band. L— IV. Heft. . . . 108—118
Gelehrte Anzeigen, herausgegeben von Mitgliedern der
königl. bayerischen Akademie zu München 118 — 121
Schul- und Personalnachrichten , statistische und andere Mit-
theilungen 121 — 127
Amberg S. 121. Ansbach 121. Aschaffenburg 121. Ber-
lin 121. Bernburg 121. Bozen 121. Breslau 122. Brieg
122. Bromberg 122. Dilingen 122. Erlangen 122.
Friedland 122. Halle 122 u. 123. Köln 123. König-
grätz 123. Kurhessen 123 u. 124. Laibach 124. Leutschau
124. Luckau 124. München 124 u. 125. Münster 123.
Ostrowo 125. Paris 125 u. 126. Prag 126. Press-
burg 126. Putbus 126. Schweinfurt 126. Thorn, Lau-
fte»-: Drei Reden. S. 126. Straubing 126. Stuttgart
126. Ubn 127. Wertheim 127. Wien 127. Witten-
berg 127.
Todesfälle 127
Leipzig,
Druck und Verlag von B. G. Teubner.
1S53.
Kritische Beurtheilnngen.
Aeschjlos'' Prometheus. Grieclusch mit metrischer Uebersetzting und
prüfenden und erklärenden Anmerkungen von J. A. Härtung.
Leipzig, Verlag von W. Engelinann. 1ÖJ2. 176 S. 8.
Hr. Hartling, dessen Betriebsamkeit uns in dem kurzen Zeit-
raum von fünf Jahren Ausgaben von siebzehn Stücken des Euripides,
und daneben von sänimtlichen Stücken des Sophokles saninit den Frag-
menten, alle mit metrischer Ueberselzung und kritischen und erklä-
renden Anmerkungen geliefert hat, beginnt mit dem gegenwärtigen
Bande auch den Aeschylus in gleicher Ausstallung ans Licht zu stellen,
und wir dürfen, wenn nach der bisherigen Rüstigkeit des Herausge-
bers zu schliefsen erlaubt ist, uns der HolTiiung erfreuen, auch jenes
Dichters sämmtliche Ueberreste von Hrn. H. emendiert, übersetzt und
nach seiner Weise illustriert in kürzester Frist zu erhalten. Bei der
Raschheit, mit der Hr. H. seine Sachen zu Tage fördert, — • mögen
der Herausgabc immerhin auch mehrjährige Vorarbeiten vorausgegan-
gen sein ^ — darf es uns nicht allzusehr wundern, wenn sie manche
Spuren von Flüchtigkeit und Uebcreilung an sich tragen, die der
gelehrte und scharfsinnige Mann selbst bei etwas langsamerer Arbeit
und bedachtsamerer Ueberlegung ohne Zweifel wahrgenommen und
getilgt haben würde; indessen billige Beurtheiler liefsen sich dadurch
nicht abhalten, auch das gute, was er darbot, gern anzuerkennen, und
mancher glücklichen Verbefserung, mancher IrelTendon Bemerkung den
verdienten Beifall zu zollen. Wenn Hr. H. mit etwas stark ausgespro-
chenem Selbstgefühl auftrat, und diejenigen, denen er sich zu wider-
sprechen veranlafst fand, nicht immer mit gebührendem Glimpf, son-
dern oft mit etwas schulmeisterlichem Uebermuth behandelte, — eine
Behandlung die er namentlich bei Bestreitung von G. Hermanns An-
sichten in Anwendung zu bringen liebte, — so konnte man das nur
um seiner selbst willen bedauern, und die wohlwollende Mahnung, die
sein früherer Lehrer Tili er seh ihm bei Beurtheilung einer seiner
Arbeiten ertheilte, ihn an das Pindarische yivoL olog ißöl fia&cov er-
innernd, war gewis allen, die es mit Hrn. H. gut meinten, aus der
Seele gesprochen. Dagegen hat dieser selbst in der Vorrede zum
achten Bande seines Sophokles jene 3Iahnung zurückgewiesen, seinen
Ton für eine Folge des Unwillens über die Befangenheit der vielen
Nachtretcr Hermanns und ihre Unduldsamkeit gegen anders den-
kende erklärt, den mahnenden Freund aber daran erinnert, dafs er ja
A. JaMi. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVII. Ilft. 2, 9
130 llarlung": y\cscliylos Prometheus.
dessen Schule längst entwachsen und läng-st schon in das reife Man-
nesalter vorgerückt sei. Ich denke aber, eben um so mehr hätte er
jene Mahnung- beherzigen und dergleichen VcavLev^ata^ von denen
seine Bücher voll sind, als des gereiften .Mannes unwürdig vermeiden
sollen. Leider jedoch beweist die neuste Arbeit des Hrn. H.,wie
schwer es sei, üble Sitten, an die man sich einmal gewöhnt hat, ab-
zulegen. Die Ueberschälzung seiner selbst, das übermäfsige Ver-
trauen zu seiner allein richtigen Einsicht, die hochfahrende und schul-
meislcrnde Abfertigung anderer treten in ihr ebenso grell wie in den
frühern hervor und fallen um so widerwärtiger auf, je weniger uns
gerade hier Hr. H. durch befseres entschädigt. Vielmehr des guten,
welches er bietet, ist so gar wenig, die Blöfsen, die er gibt, sind so
zahlreich und so auffallend, dafs man in der Tliat bewundern niufs,
wie derselbe Mann, der gegen fremde Fehler, oder was er für Fehler
hält, so unduldsam ist, und der die Gelegenheit, avo er glaubt einen
zurechtweisen zu können, so gern benutzt und bisweilen gleichsam
mit den Haaren herbeizieht, g^egen seine eignen Mängel und Verslöfse
so blind sein könne. — lieber die von Hermann uns hinterlafsene
Ausgabe des Aeschylus s}iricht Hr. H. sein Urtheil dahin aus, dafs
von den brennenden Schäden die wenigsten geheilt, einige neue aber
hinzugekommen, und so manche treffliche Bcfserungen anderer theils
übergangen theils nacligestellt seien. Und gewis auch Hermanns
eifrigste Verehrer werden nicht in Abrede stellen, dafs seine Ausgabe
nicht in allen Theilen von gleichem Werihe sei. Hat doch der ver-
ewigte selbst an keines der Stücke, mit Ausnahme der Schutzflehen-
den, die letzte Hand g-elegt; zu den andern aber seine Conjecturen
und Bemerkungen sciion vorlängst entworfen, dann aber nicht weiter
als nur theilweise und vorübergehend wieder vorgenommen. Aber
dennoch ist es gewis, dafs noch kein einzelner jemals für den Ae-
schylus, im Verhältnis zu der Schwierigkeit der Aufgabe und zu den
Leistungen der Vorgänger, mehr und gröfseres geleistet habe als
Hermann, und wer von den auch seiner Leistung anklebenden Män-
geln und Fehlern redet, der sollte doch auch die grofsen Vorzüge
nicht verkennen, die Hermanns Ausgabe des Aeschylus zu einem
für alle künftigen Zeiten hoch zu schätzenden Vermächtnis des dahin-
geschiedenen Kleisters machen. Auch Hr. H., davon sind wir über-
zeugt, verkennt diese Vorzüge nicht; es schien ihm nur hier nicht am
Orte, auch davon zu reden. — Was übrigens das Verhältnis seiner
Arbeit zu Hermanns Ausgabe betrilFt, so erklärt Hr. H., dafs jene
schon fertig gewesen sei, bevor diese erschienen; was indessen nur
dahin zu verstehen ist, dafs Hr. H. seine Handschrift schon vorher
fertig, doch aber noch in Händen gehabt habe, so dafs es ihm mög-
lich war, vordem Abdrucke noch Hermanns Ausgabe zu berück-
sichligen und zu benutzen, wovon denn auch mehrere Stellen der An-
merkungen, theils unter dem Text theils hinter demselben, Zeugnis
geben.
Unsere Bcurtheilung der Leistung des Hrn. H. glauben wir am
Hartling: Acscliylos Proiiiellioiis. 131
schickliclisten mit ßcsprocliiing- soldior SloHen zu hcginiieii , wo beido
Herausgeber überciiistininicii , aus deren Zalil zunächst solelie, über
die wir für jetzt nichts zu bemerken linden, Alois angedeutet werden
mögen, üahin gehört gleich Vs. 2 äßfjorov für äßarov. Vs. 28 imjv-
Qco für a7C}]VQCü. Vs. 49 inaxd-fj für iTtQajjd-)]. Vs. 155 Q' Alöov für
r Atdov. Vs. 158 jiiijTf für i^yTiorE. Vs. 159 iyeyrj^^si, für iTtsyij&ei.
Vs. 175 ovtE für üvxoi oder üvtc. Vs. 186 diöia d für öiötu yaQ.
Vs. 202 avaaaoi für avaGG'rj. Vs. 252 Tta-udorg für mavGa. Vs. 359
Jtaöt cl civxeOT)] für ndaiv og uvricxi]. Vs. 385 ögJvdicoi'Ta für GcpQC-
ycovra. Vs. 424 TTuAwg für nekag. Vs. 437 ß^-'vo^yTwy für ayvoQQV-
Tcov. Vs. 44t) ag aq)cig für cog 6q)äg. Vs. 468 yivuivd- fiir ^eVojkO' ,
und i^go a^^uo; t für vq) ag^av . Vs. 533 SlKeavoi für Äxcßi'ofo. Vs.
588 ysyvnvccaaßLv für ysyv^väzaö . Vs. 600 Tt ^ij'/ßQ für rt jitt^ ;(^t/.
Vs. 675 aicpvldia für cdcpvlÖLog. Vs. 756 Tt^og o:i;ro^ aiirot) für ßvrog
7r()og avxov. Vs. 770 öavxijg y für 6avxi]g. Vs. 823 yccneda für (Ja-
TTfd«. Vs. 976 toffre 7rKic)a jU,£ für co,- rcaid' övxa ^s — und vielleicht
noch anderes, was anzuführen niciit der Mühe werth ist. Auch von
dem angeführten dürfen wir nicht unbemerkt lafsen, dafs nicht wenige
der von beiden Herausgebern aufgenommenen Lesarten schon längst
von andern empfohlen, zum Theil auch in eine oder die andere Aus-
gabe aufgenommen waren. — Von den Stellen, wo wir gegen die
von beiden in den Text gesetzten Lesarten Bedenken hegen, mögen
folgende herausgehoben werden. Vs. 216 f. haben die Handschriften:
cog ov Kax lO'/jvv ovoe TtQog xo aagxeQOV
XQSti] (5oAcO ÖE XOVg V7tEQ£%0VXCCg KQCiXciV,
zwei Pariser vTtEQEOyovxag. JNichfs lag näher, als mit Porson vtieq-
6%6vxag 7A\ schreiben; Hermann aber hat v%EQXiQOvg gesetzt, aus
keinem andern Grunde, als weil ihm die in einigen Handschriften bei-
geschriebenen Erklärungen ^EyaXovg oder xovg fieydlovg, xovg ^el-
t,ovag vielmehr auf dieses Adjectiv als auf das Particip vnEQöyovxag
zu deuten schienen, indem auch sonst von den Glossatoren vni^xEQog
durch (itf'yßg oder vnEQE%(ov erklärt sei. Ueberzeugend scheint uns dieser
Grund nicht; indessen wenn wir uns auch vnsqxEQOvg gefallen lafsen,
so ist doch Hr. H. entschieden im Irthum, Menn er zwar die Lesart
von Hermann annimmt, gegen die von diesem angegebene Con-
struction aber Einwendungen macht, weil, wie er meint, der Sinn
ganz einfach dieser sei: wer die überhand gewinnen will,
mufs durch List, nicht durch Gewalt den S i e g er r i ngen.
Dagegen ist ganz einfach zu bemerken, dafs VTTSQXEQog nur denjenigen
bedeutet, der schon die überhand hat, nicht aber den, der sie nur erst
gewinnen will. — Vs. 227 schreibt Hr. H. nach Hermanns Vor-
gange KCCKalöi XLfA,atg xuloÖe ft' avxi]^£Cipccxo , für das handschrifliiche
Ttoivalg^ weil jenes eine bittere Ironie enthalte, während bei noivuig
auch YM'jiaiöt nichtssagend stehn würde. Bekanntlich ist aber txolvyi
keineswegs blol's Strafe, wie Hr. H. zu glauben scheint, sondern
Vergeltung, Belohnung überhaupt, und Aeschylus selbst sagt
Eum. 621 ayuQ-cig ayaO-^v noLväg. Ual's ein Scholiast rifKüQiag als
9*
132 Harhing: Aeschylos Proinollieiis.
Erklärung gibt, kann nichts beweisen; denn aus Hesycliius u. tl,
W. TtOLvr'} ist zu ersehn, wie die Glossatoren auch dies durch rifiaQUi
zu erklären pflegten. — Vs. 250 schreiben beide Herausgeber %ccl
fi-tju q)iXoi6t,v OLKTQog sIgoqku iyo)^ für das herkömmliche cpCloig ikeivog,
weil in einigen Handschriften cpiXoiGiv^ in allen aber iXsuvog steht,
und dies das gewöhnliche Glosseni für oinxQÖg ist. Aber umgekehrt
ist auch otKTQog ein gewöhnliches Glossem für iXsstvog, wie Hesychius
u. d. W. zeigt; und dafs iXeeivog von den Abschreibern für ilstvog
gesetzt worden, ist ja ein oft genug vorkommender Fehler. — Vs. 383
ipvxfjg voöovötjg eiölv iazQol Xöyoi, für das handschriftliche OQyrjg.
Dafs einige Schriftsteller bei Anführung dieser Sentenz in der Tliat
il^v%rjg für ogyyjg gesetzt haben, kann natürlich nichts beweisen, da
sie entweder den Vers nur aus dem Gedächtnis citierten oder auch
absichtlich ihrem Zweck gemäfs variierten. Bei Stobaeas XX, 13 steht
mit anderer Variation OQy^g naraiag siölv al'noi köyoi^ und OQyfjg
wird auch durch die Uebersetzung dieses Verses bei Cicero Tuscul.
in, 31 bestätigt: mederi posse rationem iracundiae. *Aber' sagt Hr,
H. ^ OQyrj voöovßa ist nicht allein ein eisernes Eisen, sondern auch in
anderer Hinsicht unmöglich: denn die o^yi^ ist nie gesund, und kann
somit auch gar nie geheilt werden. Es müste OQyf] voGovvrcov hei-
fsen.' Dafs die OQyt] nie gesund sei, kann wohl ein stoischer Philo-
soph behaupten, dem alle Leidenschaften Krankheiten sind; aber an-
dere Leute reden doch auch von gerechtem, selbst von heiligem Zorn,
um gar nichts davon zu sagen, dafs doch ogyi^ und Zorn keine ganz
congruenten Ausdrücke sind, sondern ogyr] ^ wie OQyäu, in etwas all-
gemeinerer Bedeutung vielmehr unserm Ei fe r entspricht, was ja auch
häufig in die Bedeutung von Zorn übergeht. Und behaupten, dafs
ein Praedicat wie voöEti/, was freilich eigentlich dem zürnenden oder
leidenschaftlich eifernden zukommt, nicht auch dem Zorn oder Eifer
selbst beigelegt werden könne, hiefse doch wohl dem Dichter die
Freiheit des Ausdrucks etwas allzu peinlich beschränken. Ich gestehe
deswegen mich von der Unzuläfsigkeit der handschriftlichen Lesart
nicht überzeugen zu können, und ich sehe, dafs auch Meineke in
seiner so eben erschienenen, sich meist an Hermann anschliefsen-
den Ausgabe OQyrjg beibehalten hat. — Ob Vs. 421 die Lesart des
Guelf. ixccxatg axqzöroi wirklich der des Med. ^layccg vorgezogen zu
werden verdiente, scheint uns sehr zweifelhaft. Den Genetiv
schützen doch Beispiele wie 8Cy,ag acpcßtjtog wohl hinlänglich; auch
Aesch. Pers. 51 ^oy^)]; aKfxoveg , d. h. anixijvsg , gehört hieher; denn
aK^oveg als Substantiv zu nehmen und für Ambofse zu erklären ist
doch gar thöricht. Der Singular aber ist nicht auffallender als z. B.
bei Soph. "E^cog avinaxE ^ayjuv. — Vs. 567 war ebenfalls kein trif-
tiger Grund, Kvvayel ^egan alle Handschriften für nvvriyexal oAev kv~
vayexet zu schreiben, da lamben unter Dochmien gemischt nichts sel-
tenes sind. — Ebenso wenig verdiente Vs. 955 die Conjectur xaxov-
Qiöng der Lesart einiger Handschriften , wie des Guelf., Ka&coQi^ißag
vorgezogen zu werden. Was andere Ilandschr. haben Kcc&cooqaas^
Ilarlung: Aescliylos Promelheus. 183
Kad'coQOvöag , xad-coQißag, ist wenigslens diesem nicht unahiiliclier als
jenem, und was Hermann sagt: vix credi polest si hoc (^Ka'&coiJi-u-
6ag) scr/psisset poela ^ tatdam esse fluctuationem excitatam., lielse
sich mit gleichem Hechte auch uniffckehrt von KaxovQiGccq sagen. —
Vs. 1003 haben sich beide Herausgeber in den Sinn der von allen
Handschr. festgehaltenen Lesart ovdsvog fiei^ov od-ivet nicht finden
können, und deswegen nach Stanleys Conjectur ^istov geschrieben.
Da Halms Vertheidigung der handschriftlichen Lesart Hrn. H. nicht
überzeugt hat, so mag ihn vielleicht überzeugen, was Teuffei im
Hhein. Mus. 111 (1845) S. 621 f. darüber sagt, wo auch eine ganz ähn-
liche Parallelstelle aus Demosthenes Olynth. 11 §. 17 angeführt ist:
ovöivav eial ßeXrlovg.
Bisherhaben wir Hrn. H. mit Hermann einstimmig gefunden;
jetzt wollen wir einige Stellen betrachten , wo er seinen eignen Weg
einschlägt, der uns denn leider meisfentheils nicht der richtige zu sein
scheint. Vs. 13 haben die Handsciiriften alle Tiovdev eiA.7tod(ou J'r/, nur
Guelf. setzt vor an noch (.larijv hinzu, und ein Paris, hat eben die-
ses mit übergeschriebenem eri. Dadurch hat sich auch Hermann zu
einer Conjectur verleiten lafscn , die wir gegen Hrn. H. zu verlheidigen
keineswegs geneigt sind; aber was Hr. H. schreibt, xovöev i[.i7Toöcoi',
fiatäv, scheint uns noch weit weniger annehmlich. Wir sollen, sagt
er in der Anm., vor ^'aräv ein üßre hinzudenken, dafs der Sinn sei:
es steht dir nichts mehr im Wege, das dich säumen
und zögern machte. Allein die Worte könnten schwerlich etwas
anders bedeuten als; es hindert dich nichts zu säumen. Denn
dafs nach i^TCoöiov der Infinitiv, welcher die gehinderte Handlung be-
zeichnet, nicht nolhwcndig mit jitr/ verbunden, sondern auch ohne
dies stehe, darf doch wohl als bekannt vorausgesetzt werden. Zum
Ueberflufs verweisen wir auf Xenoph. Cyneg. c. 13, 16 und Plat.
Euthyd. p. 305 D. Woher das ^atnjv in den beiden angeführten Hand-
schriften gekommen sein möge, darüber sich den Kopf zu zerbrechen
lohnt nicht die Mühe. Die Vulgata aber gibt den angemefsensten Sinn ;
nur niufs man ifiTCodtov nicht als itnpedimentum oder obslaculum
fafsen, sondern in der allgemeinem Bedeutung eines vorliegenden,
wo es denn also auch ein vorliegendes Geschäft sein kann. — Vs, 41
schreibt Hr. H. :
avYiK0v6xHv 8e xav JtaxQog loycov
noiov ri; nag ov xovro dEifiaCi'eig nkiov;
statt des handschriftlichen olovxe neig; oder olovxe; nüg — . * Denn'
sagt er * dafs Ungehorsam gegen Zeusens Gebot möglich sei , das be-
weist Prometheus.' Allerdings; aber dafs man nicht auch bei solchen
Dingen, die man wirklich vor Augen sieht, dennoch sollte fragen
können: wie ist das möglich? wird doch Hr. H. wohl nicht im Ernste
leugnen wollen. Und gesetzt er thäle es wirklich , so würde auch
jeder fragen können: so allbekannte Dinge zu leugnen, wie ist das
möglich? Wenn er aber hinzusetzt, auch die Stellung des oIovxe vor
Ttwj hätte Bedenken gegen die überlieferte Lesart erregen sollen, so
134 Härtung: Aeschylos Prometheus.
wäre dem ganz leicht durch geänderte Interpunction abzuhelfen ge-
wesen. Aber das Bedenken selbst ist ganz nichtig, und die gleiche
Stellung Vs. 263 d6E,eL 6e nag; hat aucli Hru. H. kein Bedenken er-
regt. — ^ Vs. 42 haben die Herausgeber seit Kobortcllus für das aeC
re öl] in]f^')^g Gv des Med. und mehrerer anderer Handschr. ati yB öi] —
geschrieben. Hr. H. verwirft dies und schreibt ael av ör] vtjh'jg rs — ,
weil er, wie er sagt, nicht woifs, was yi hier bedeuten könne. Als
Verfafser eines zweibändigen Buches über die griechischen Partikeln
wird er nun freilich von uns keine Belehrung darüber annehmen wol-
len. Wir andern aber wifsen, dafs ye örj^ etwa wie im Deutschen ja
fr e i li ch , in Erwiederungen auch dann gebraucht wird, wenn man
andeuten will, dafs einem die Uede des andern natürlich und begreif-
lich vorkomme, und zugleich den Grund angibt, warum dies der Fall
sei. Also sagt auch hier Hephaestos, dafs ihm die harte Bede des
Kratos , der nur den Befehl des Zeus vollführt und jede Regung des
Mitleids verbannt wifsen will, ganz mit seiner bekannten harten Ge-
sinnung übereinstimmend und daher nicht befremdend sei. — ■ Vs. 46
ttÖvcou yaQ ^ ojg anlco loyco, tcov vvv TtaQOvzcau ovöev alxia ti%v)].
Dies ag ccTtloi loya will Hr. H. nicht dulden. So habe kein Mensch je
gesagt, noch könne es für richtig gehallen werden: denn man müfse
noch ein Verbum dabei haben. Was für ein Verbum, sagt er uns
nicht, ohne Zweifel aber meint er einen Inlinitiv, wie (pQciaca: denn
er corrigiert ag aitlag cpQaGcd ^ würde also auch wohl an (ag anX(p
loya cpQaScii keinen Anstofs nehmen. Wie mag er sich denn nun aber
diesen Iniiniliv erklären? Etwa als abhängig von ag'I Diese schüler-
hafte Ansicht dürfen wir ihm doch nicht zutrauen. Wenn nun aber
nicht wg die Ursache ist, weswegen der Infinitiv gesetzt wird, und
wenn anlco loyv) auch ohne oig gesagt wird, warum sollte denn der
Infinitiv bei log U7tX(p loyco uncrläfslich sein? Wie erklärt sich ferner
Hr. H. Ausdrücke wie o5g £fif/ doiij oder ag ifxf, yi'couj/ und dergl.?
worüber Heindorf zu Plat Soph. p. 336 zu vergleichen. Der Dativ
freilich hat in diesen Formeln eine andere Bedeutung als in jener;
aber die Auslafsung eines Infinitivs ist in beiden gleich unerklärlich
oder gleich erklärlich. — Vs. ül verschmäht Hr. H. sehr mit Unrecht
die einzig richtige Schreibung k'yvco^ia rotöds, kovösv avxeiitEiv l'jjo),
und setzt dafür lyvana roLßöi y ovdsv a. e. Jenes andere, meint er,
gebe keinen passenden Sinn. Warum aber Hephaestos auf die vorher-
gehende Bede des Kratos nicht schicklich sollte antworten können:
das i s t w a h r ; i c h b i n e s a n dem, was hier vorgeht, i n n e
geworden — , das verschweigt uns Hr. H. — Vs. 55 laßcov viv
a}i(pl xsQßlv lyKqcael Gd'ivEi gaiörrjot &£lvs. So leicht auch die von
Stanley, wiewohl zweifelnd, vorgeschlagene Aenderung ßalcov für
Xaßcov ist, so unnöthig ist sie doch. Denn Hrn. H.s Behauptung, dafs
Hephaestos die Handschellen nehmen solle, könne nicht gesagt wer-
den, nachdem derselbe soeben Vs. 54 gesagt, dafs er sie in der Hand
halte, beruht lediglich auf der falschen Meinung, dafs TtQOXEL^a nur
golche Dinge seien, die man in der Hund halle. Jedes gute Wörter-
Ilarlitng-: Aescliylüs Proinellieiis. 13.')
buch Iiäüe lehren können, dafs es Dinffe bedenle, die man zur Hand
hat, und deswegen nelinien kann sobald man will. Mal nun llepliae-
stos die F'efseln schon zur Hand neben sich liegen, so kann ihn Kra-
los sehr wohl auriordern, sie nun auch wirklich zu nehmen und dem
Prometheus anzulegen. Dal's aber a^q)i xsQßl &uvs deswegen nicht
halte sollen gesagt werden können, weil &SLuei,u nicht eigentlich
schlagen, sondern vielmehr stol'sen oder hauen bedeute, ist eine
Behauptung, zu deren Widerlegung wir kein Wort verlieren mögen.
— Vs. Ö6 schreibt Hr. H. avxov yüq os öal TtQOfDj&tag für das in allen
Handschr. stehende und auch anderweitig- bezeugte 7r^oftj;9^£'co^, nach
einem von Elmsley gelegentlich (zu Eur. Baccli. 50H) vorgebrachten
Einlall. Ich denke, jeder muls erkennen, wie der Hohn viel bitterer
ist, wenn der redende den Namen des verhöhnten selbst in appella-
tiver Bedeutung- anwendet. • — Vs. 112 erklärt Hr. H. die Lesart aller
Handschriften TOiaaöe noivag afxnXuTiijfiavoov xivoa für ein Verselin ge-
dankenloser Abschreiber, und setzt dafür roiavÖE^ wie auch schon
andere vor ihm gewollt hatten, non satis perspcctu Graecorum vsii,
um Hermanns ^^'orte z. d. St. zu wiederholen. Dafs Hrn. H. diese
Ausdrucksweise immer noch nicht einleuchten will, ist nicht unsere
oder des Dichters Schuld; der 3Iühe aber, ihn darüber befser zu ver-
ständigen, glauben wir uns überheben zu dürfen. — Vs. 116 schreibt
Hr. H. riq^iov für xeqiiÖvlov: etwa weil ihm das seltnere Wort an-
slöfsig war, oder weil ihm das Metrum nicht g-eliel? Er belehrt uns
nicht darüber. Ebenso wenig erfahren wir die Gründe, die ihn ver-
mocht haben Vs. 121 £iGOi%vcvGt, mit der gewöhnlichen Form staat'/^-
vovGi, und Vs. 6iO Ttcokevixepca mit nokovti£vuL zu vertauschen. —
\'s. 145 gibt uns Hr. H. ein Beispiel , welcher Gewinn sich auch aus
den schlechtesten Scholiasten für die Kritik ziehn lafse. Der her-
kömmliche Text lautet so: levGGco^ IlQo^ij'd'ev' (poßcqa d' i^utaiv oa-
aoLg ofiixla TtQOGy^e 7ilt]Q)]g öukqvcov. Ein Scholia&t schreibt dazu :
ßXinco, ü) IIqoj.i}i&cV ^ a naQ^ug goojSc^a, tp/ovv q)6ßov a^ca , elöi'jX&s
öe roig i^olg oq)&cd[ioi:g vcopih] Tch]Q)]g da-/,QV()iv. Daraus schliefst
Hr. H. , dafs dieser Scholiasl nach cpoßsQa interpungiert, und dann
natürlich auch ij^iOLoi, d oaaoLg, nicht ö' eiiulGlv ooaoig gelesen habe.
Diesem ganz zu folgen, dazu besitzt Hr. H. doch zuviel Kenntnis des
metrischen; aber i^oißi, d oGöoig hält er für richtig, und schreibt nun
q)oßcQOLg i^otoc d ööGoig , und zwar um so zuversichtlicher, weil er
überzeugt ist, dafs g^oßtQa o^d'/Xu von den durch Furcht erregten
Thränen nicht gesagt werden könne, sondern, wie man (poßsQu (pQrjv
sage, so auch cpoßcQotg 'ößöoig gesagt werden müfse. Gegen der-
gleichen Raisonnement läfst sich denn freilich nichts sagen. — Weiter-
hin Vs. 160 wird ein bisher von den Kritikern verachtetes Wort durch
Hrn. H. wieder zu Ehren gebracht. Die Handschriften lafsen hier den
Prometheus sagen: vvv Ö ai&£Qi,ov %ivvy^ o xcclag i'i&QOLg ini^uQxa
TteTtow&a: da jedoch Hesychius das ^^'ort '/Juvy^a gar nicht aufführt,
dagegen aber y.^juvyfxa hat, mit der Erklärung: xo kevov xov ßcojxaxog
(d. h. xo ciö(0(iazov) ^ oloi^ qy,iu ymI d'öo)lQV, (pduxc(0(i.c< c<G&£V£g '/.cd
136 Hartling: Aescliylus Prometheus.
u^Qstov^ so hält Hr. H. dies für das richtige, zumal da es auch kein
Verbnm Kivvaoco gebe, wovon HLvvy^a herkommen könne, und da
ein so fest angeschmiedeter Leib, wie der des Promethens, kein xi-
vvy(ia oder oiivrj^a genannt werden könne. Dafs es auch kein xij~
vvöaco gibt, macht ihn nicht irre: er schafft auch dies herbei: in den
Choephoren Vs. 196 ist fiir OTtcog äicpoovvtg ov6a (ii] xivvaöofirjv viel-
mehr das von den Handschr. dargebotene yir)vvß66jA.r}v zu lesen, was
kurzsichtige Kritiker bisher ebenso wie jenes Krjvvy^cc fiir einen leicht
erklärlichen Irthum gehalten haben. Das Wort, meint Hr. H., möge
mit ö/vta, awp't] und obscurus verwandt sein. Dürfen wir uns gegen
diese Belehrung einen bescheidenen Zweifel erlauben, so möchten wir
daran erinnern, dafs von alten Grammalikern mvvyf.ia mit ccl'd-vynoi und
aixccQvyiA.a zusammengestellt, und allen dreien die Bedeutung eines
körperlosen flatternden Schemens zugesprochen werde, dem letzten na-
mentlich die eines hellen und glänzenden. Ist nun 'Avvvy^a ein solches
nichtiges körperloses Wesen, wie ein flatternder Schemen, ein aaO'evlg
vmI a%QcLOv (fävTciö^ici ^ öalaö^a^ ndakov^ so konnte es auch wohl,
ohne Rücksicht auf die der Abstammung nach allerdings ihm ursprüng-
lich beiwohnende Bedeutung der Bewegung, allgemeiner angewandt
werden, um eben nur die Schwäche und das Unvermögen, gleich der ei-
nes körperlosen Schattens, zu bezeichnen. — Zu Vs. 272 f. lehrt Hr. H.,
was weder H e r m a n n noch andere untergeordnete Grammatiker erkannt
haben, die herkömmliche Lesart ov jLtTji/ tt TtoLvalg y^ uo^rjv rolaiGt
fis KanöxvapeLa'&at sei ungr ieohi seh: das Pronomen müfse gestri-
chen und dafür das jetzt hinter TtOLvatg stehende yi gesetzt werden,
wobei dann zugleich auch Vs. 274 tvicov für rv'j(^oux zu schreiben sei,
Unserm Danke für die Belehrung erlauben wir uns nur die Bitte hin-
zuzufügen, uns nun auch z. B. 11. XX, 360 ov i^i zt cpri^L ^E&tjGiiiEv,
Eur. Ale. 641 kul jh' ov vo/Ltt^w TtatÖa 6ov TtEcpvKSPai,^ und ähnliche in
linsern Texten noch vorkommende ungricchische Stellen gelegentlich
zu corrigieren. — Dafs Hr. H. an dem Ausdruck Vs. 318 tov vvv %6lov
TtaQovia ^öy^d'üiv Anstofs genommen, wundert uns nicht, da auch an-
dere als er Anstofs daran genommen haben; wohl aber darf es wun-
dern, dafs er auch die Erklärung des Ausdrucks, nemlich der Grimm
der Qualen bedeute soviel als der Grimm, der sich in den dem Pro-
metheus auferlegten Qualen otTenbare, nicht verstehn kann oder will,
und deswegen jene Ueberselzung schilt, obgleich er selbst den we-
sentlich ähnlichen Ausdruck Vs. 449 all'' av ÖiöcoK evvoi.au i'^rjyov-
ju.fl/og, Avo das Wohlwollen meiner Gaben soviel ist als das
Wohlwollen das sich in meinen Gaben offenbart, unbe-
anstandet läfst, und übersetzt die Wohl t hat meiner Gaben. Was
würde er sagen, wenn jemand ihn deswegen schelten wollte, als habe
er fälschlich der evvoi^a den Begrifl" der evsQyeöia untergeschoben?
— Was aber das von Dö derlei n vorgeschlagene und von Hrn. H,
in den Text gesetzte o^lov für %6lov betrilft, so scheint uns diese
Aendernng nicht allein unnöthig, sondern auch abgesehen davon an
sich ganz unzuläfsig, weil 'öxlog zwar Belästigung, Unbequemlichkeit,
Härtung: Aeschylos Prometheus. 137
verdriefsliche Störung bedeutet, für die Martern aber, die dem Pro-
metheus auferlegt sind, ein solcher Ausdruck olfenbar nicht passend
ist. — Auch an TiQog iöniQOvg zoTiovg Vs. 354 nimmt Hr. H. Anstofs,
und schreibt dafür nQog eoneQoig xonoig, in der 3Ieinung, dafs ngog
TOTtoig soviel sei als iv ronoig , eine Meinung die freilich auch andere
wohl gehegt haben, worüber ich auf 31ätzner zu Antiphon p. 269
verweisen, übrigens aber mich begnügen will, diese Probe von Hrn.
H.s genauerer Sprachkenntnis hier einfach angezeigt zu haben. — Mit
dem Zijvog ixyQvnvov ßiXog Vs. 363, was Hr. H. nach dem Guelf.
und einer andern Handschr. in ayqiov ß. verändert, versöhnt er sich
doch vielleicht, wenn wir ihm ein nvQ axoli.irjtov (Plut. Camill. c. 20),
ein TtvQ eyQ}]yoQ6g (Arisloph. Lysislr. 306), einen viyil ignis (Verg.
Aen. IV, 200), und umgekehrt ein tcvq evöov (Lycophr. Vs. 1363) und
sop/tos Hjnes (Verg. Aen. V, 743) nachweisen. — Auch Vs. 376 , wo
er mit ßlomfield anXaxov für otttAi/ötoi; schreibt, wäre es befser
gewesen, auf Hermanns Abmahnung zu hören. Oder sollte es wirk-
lich so schwer zu fafsen sein, wenn ein alles verzehrendes Feuer ein
unersättliches genannt wird? — Vs. 400 verwirft Hr. H. die von Her-
mann und andern aufgenommene Lesart äöiievog 6e tau özad^ixoig
iv oi%cLoi6i Kauijjeisv yovv, und schreibt mit 3Ied. und andern Hand-
schriften ö ex äv — , weil er, wie er versichert, nicht einzusehn
vermag , was roi hici bedeuten könne. Es ist kaum zu glauben, dafs
es ihm mit dieser Versicherung wirklich Ernst sei : gewis wenigstens
M'ird er bei besonnener Ueberlegung wohl zu der richtigen Einsicht
gelangen, und dann auch vielleicht einiges Bedenken in ihm aufstei-
gen, ob ein so allein stehendes l'ri wirklich bedeuten könne, was er
meint, noch vor Einbruch der N a cht , wofür man etwa 7),afpag
txi (seil. ov6ijg) erwarten sollte. Aber Hr. H. scheint das \^ Örtchen,
dem er Vs. 13 die gebührende Stelle nicht gönnte, dadurch entschä-
digen gewollt zu haben, dafs er es anderswo an Stellen hinsetzte, auf
die es mindestens ein zweifelhaftes Recht hat, wie hier und Vs. 921,
924 und 1011. — In dem Stasimon Vs. 403 If. schreibt Hr. H. §adt-
vau — TtciQiLav^ weil weder QCiÖivmv^ wie die meisten Handschr. ha-
ben, ein passendes Epitheton zu offffcov sei, noch auch qc(6i,vov, wie
einige andere lesen, mit oiog verbunden werden könne, in ähnlichem
Sinne wie xigev dciy.ovov gesagt wird, was Hermann meinte. Dies
letztere möchten wir nun nicht so zuversichtlich verneinen, wie Hr. H.
es thut; indessen da wir die Sache doch nicht zur Evidenz erweisen
können, lafsen wir sie lieber auf sich beruhen. Davon aber sind wir
überzeugt, dafs Hr. H. Unrecht gethan hat, lußo^iva, was alle Hand-
schriften haben, mit Heath zu streichen, und hsy'ga Vs. 406 in
'dxEy'E,B zu verwandeln. Dafs das Participium von Abschreibern oder
Correctoren herrühren sollte, ist ganz unglaublich, da sich gar kein
Grund erdenken läfst, der sie zu solchem Zusatz hätte veranlafsen
können. Viel glaublicher ist es, dafs in der Gegenstrophe ein Wort
ausgefallen sei, z. B. öuy.QV'iUL^ was Hermann vor GxivovGa Vs.414
eingerückt hat. Was ferner Hr. H. Vs. 407 geschrieben hat, Zivg d\
138 Härtung: Aeschylos Proniclheus.
ist nur Conjectur von Rob or tel 1 u s : die Handschr. haben das ö
nicht, und dals sich die Worte a^iya^xa yaQ rdöe Zevg n^arwet, un-
bedenklich zusammen construieren hWsen, wird iioircntlich Ilr. II. selbst
nicht in Abrede stellen. Einen andern Grund für die handscliriflliche
Lesart, nenilich dafs dann nicht am Ende der Reihe und mitten im
VersCurse ein neuer Satz beginne, will er freilich nicht gelten lafsen,
und beruft sich auf viele Beispiele, wo dergleichen doch vorkomme.
Das hat aber auch niemand geleugnet; die Frage ist nur die, was
befser sei. — Vs. 410 wird das übel lautende ivöecKiwei ali^av eini-
ger Handschriften dem von andern dargebotenen evÖHY.vvGiv vorgezo-
gen, blofs um aus den ionischen Versen den Epitrit zu culferneu, der
Hrn. H. hier unerhäglich vorkommt, und den er auch Vs. 419 durch
die kecke Aenderung kcI^vovG cI^lu ■Q-uatoi für ßvyKCiiA.vovöi &i>caoL
beseitigt, obgleich er Vs. 552 den gleichen Versausgang nicht nur
duldet, sondern selbst durch seine Conjectur Xe^iiov acav v^evalovv
für %al Xi%og 6ov v^ievalow herstellt. — Vs. 416 wird für das von
allen Handschr. gebotene onoöOL x enotKov (dafs einige eitoiKOL ha-
ben, thut nichts zur Sache) ayvag ÄGuig eöog vifiovxai geschvicbeii
onoGOi naxoi'Kov ayv. A. EÖ. vi^i. ^ augeblich deswegen, weil nicht
von Anwohnern, sondern von Einwohnern Asiens die Rede sein
niuste. Wäre dies wirklich der einzige Grund, so würde es ja viel
näher gelegen haben, evoiKOv zu schreiben; aber dies konnte Ilr. H.
nicht gebrauchen, weil er dann auch die Copula nach bnoGoi hätte
stehu lafsen müfsen, die sich mit seiner übrigen willkürlichen Con-
slituierung dieser ganzen Stelle nicht vertrug. Anstatt nemlich mit
Hermann anzuerkennen, dafs Vs. 414 ein Verbum, wie öaKQviisi,
ausgefallen sei, worauf, wie wir gesehn haben, die Vergleichung mit
dem strophischen Verse führt, und dafs das GxävovGt in mehreren
Handschriften nur eine durch den Ausfall jenes Verbi veranlafste Cor-
rectur, die richlige Lesart aber GxivovGu sei, hält er vielmehr Gxe-
vovGl fest, und ist deswegen genölhigt, nicht nur die Co|)ula nach
OTtoGoi zu beseitigen, sondern Vs. 418 allen Handschr. zum Trotz (.is-
yakoGrovoi re für ^sycdoGxovoi.Gt. zu schreiben. Was übrigens das
k'noiKov ayvag ^ÄGiag söog betrifft, so ist dies um so weniger anstöfsig,
wenn man bei der ayva Aglu nicht sowohl an das Land als an die
Göttin denkt, von welcher das Land den Namen hat, und welche be-
kannllich eine Schwester der Ükeaniden ist. Diese hat dort ihren
Sitz, und die Menschen um sie her sind ihre fVroixot oder haben neben
ihr ein iTiotKOv söog. — Plausibler ist Vs. 424 A^Cag für Afjußlag
geschrieben; weiiigslens gewis befser als Hermanns ZaQ^axäv: und
Vs. 432 kann ich wohl damit zufrieden sein, dafs Hr. H. nach einer
Conjectur, in der er mit mir zusammengetroffen ist, das Particip
cpEQOiv hinzugesetzt hat. Nur dies möchte ich mir bei dieser Gele-
genheit zu bemerken erlauben, dafs doch das von Hermann vermu-
thete vnoGxeyd^et (für vTCoGxei'ä'^et.} nicht so geradezu für unmöglich
hätte erklärt w erden dürfen, ^^'enu Aeschylus andersw o den llimmels-
trägcr Atlas ov<jai'oGxeyi'ig genannt hat, woran doch wohl aucli Hr. H.
Ilarlung: Acschylos Prometheus. 139
nicht zweifeln wird, so konnte er »nch das Verbum v7T0ßr£yc4^Ecv von
ihm g-cbranchen. Es wäre das allerding-s eine freiere und ungenaue
Anwendung- des Ausdrucks ; aber dergleiciien ist denn doch nicht so
unerhört: und etwas ähnliches haben wir oben bei nCvvy^a bemerkt.
— Vs. 441 bereichert Hr. II. die Sprache mit einem neugemachlen
Worte, TtQovKskBii' , was von te^o und oxfAfii^ (aus oxekkciv) herkom-
men , und we g s c h me i fs e n , zerschellen 1 a fsen bedeuten soll.
Gesetzt es könnte dies sein: würde denn ein solcher Ausdruck hier
passen? Ist Prometheus blol's als unnütz 'weggescbmifsen' : ist er nicht
vielmehr als Rebell mit den härtesten Strafen belegt, und gefefselt
fortwährend der Gewalt seines Peinigers preisgegeben? Freilich ist
über das räfhselbafte, in den Ilandschr. und bei Grammatikern ver-
schieden geschriebene Wort schwer aufs reine zukommen, und es
gilt hier das akademische, dafs es leichter sei zu sagen, was nicht
wahr, als was wahr sei. Wahrscheinliciier aber als Hrn. II. s ttqov-
nsXetv ist ohne Zweifel Hermanns in der Anmerkung zu dieser
Stelle sehr ausführlich begründetes TCQoaGalelu. — Dafs Vs. 461 oöovg
dem handschriftlichen ^DCift? und dem von Hermann gesetzten q)v-
oeig vorgezogen ist, können wir nur billigen. Hermann selbst hatte
dies früher empfohlen, und schon vor ihm der Rec. der Schützischen
Ausgabe in der Bibliotb. d. a. L. u. K. I S. 112. Ebenso billigen wir
Vs. 466 das von Pau>i' vorgeschlagene und auch von Schütz aufge-
nommene Gay^iaöLv für (Jco^uaffn^. Ob aber Vs. 464 (iviii-Ltju & anavTcou
^ovGoi.f)'jro2 ioycivrjv (^od. foyartt") wegen des vorhergegangenen yQajx-
fiKTCov T£ övv'd-eaLV uoünx endig in (iv)']ix)]g andvxiov zu ändern, oder
wenigstens [ii'ri^i]^ ohne Copula zu schreiben gewesen sei , so dafs
diese Worte als Apposition zu yQa^ficawv GvvQ-tOiv ständen, möch-
ten wir bezweifeln. Auch wenn die Sciirift zu nichts anderem diente,
als die Erinnerung des geschehenen aufzubewahren, — was doch nicht
der Fall ist — konnte dies immerhin neben yQajxfiaTojv avv&EGiv,
und mit der Copula, hinzugesetzt werden. Es würde das in das weit-
schichtige Gebiet der Figur fi/ Ölu övolv gehören, deren die Allen
sich so oft bedienen. — Ganz verfehlt aber ist Vs. 475 die Conjectur
TxiiiovQ'aq £i%og 7t))^ia für cii%ig. Denn nicht das kann der Chor sa-
gen wollen, dafs dem Prometheus ganz recht gescbehn sei, weil er
sich nicht zu helfen gewust, und dafs er also sein Schicksal wohl
verdient habe, sondern nur, es sei ein schlimmes und einem so klugen
Geiste nicht anständiges Uebel , dafs er , wie er so eben selbst erklärt
hat, kein Mittel zu finden wifse , sich aus seiner gegenwärtigen Qual
zu befreien. Damit deutet der Chor schon an, dafs es doch wohl ein
solches Mittel geben dürfte, nemlich eben dasselbe, das auch Okea-
nos Vs. 312 ff. jenem andeutete, als er ihm Sinnesänderung empfahl,
und was auch späterhin Vs. 1027 der Chor ebenfalls anräth, mit dem
Zusätze: itid'ov' GocpM yag aLG'/QOv it,a^iaQTavELv. Ganz ebenso wie
hier aiGyoov, ist an unserer Stelle das cd-Keg nrjfia zu verstehen. Den
nächsten Tlieil der Rede des Chors hat Hr. H. richtig gefafst, ohne
sich durch Hermann irre machen zu lafscn; was wir mit gebühren-
140 Härtung: Aescliylos Prometheus.
dem Lobe anerkennen. Aber wenn er Vs. 478 die Construction ßeav-
Tou ovK e'%£ig evQiiu onoloig (paQjxccKoig laßLfiog für ungriechisch er-
klart, weil noch ein Verbuni, also £^, nolhwendig sei, und denen, die
das nicht eingesehn haben, d. h. allen bisherigen Herausgebern ohne
Ausnahme, den Uath ertheilt, noch ein bischen mehr griechisch zu
lernen, so fürchten wir sehr, dal's man vielmehr ihm diesen lialh zu-
rückgeben werde. — Dafs Vs. 483 ovt£ naOTou concinner wäre
als ovT£ niörov , ist richtig, und auch schon von andern, z. B. von
Meineke Fragm. com. IV p. 380 bemerkt. Wenn aber Hr. H. meint,
es könne überhaupt kein niGrog (in diesem Sinne) geben, weil sich
kein niiriß^ai finde, so geht er olfenbar zu weit. Wir erinnern ihn
an Lobecks Worte: Graeci in derivandis vocabulis non semper ad
id quud dictum est, sed ad id quod dici potuit animum dirigunl
(Proleg. pathol. p. 8ö). Und überdies kann es ja wohl ein reiner Zu-
fall sein, dafs sich TceTiiö^iai. in den erhaltenen Sprachdenkmalen nicht
findet. Gleich übereilt verdammt Hr. H. Vs. 884 das Wort i^aorsv-
6ai, weil es sich anderswo nicht linde, obgleich es ein ganz analog
gebildetes ist: derselbe Hr. H., der uns unbedenklich Worte wie
TCQOvxeletv und K'}]vvy(ia in den Text gesetzt hat. — Vs. 499 schreibt
er övv X ctKQCcv oGcpvv für y.ai fiaxQav oßcpvv. Den Circumilex neh-
men Avir gern an; aber gegen die ci-nqu oGcpvg^ das blofse Steifsbein,
können wir unser Bedenken nicht unterdrücken. Hr. H. verlangt, dafs
ihm gezeigt werde, was denn die ft«K^a oöcpvg zum Unterschiede von
io%ia, i'E,vg u. s. w. sein könne. Damit hoffe ich ihm dienen zu kön-
nen. 'H Q^xig, sagt Elym. M. p. 636, 23, tgetg mavvjXLag t%£i, uv-
Xt]V, i^vij, 6(j(pvg. Was avxrjv sei, weifs Hr. H. wohl: wegen der
andern beiden verweise ich ihn auf Schol. Od. V, 231: l'^vg ro avco^
oöcpvg zo zarco, oder, wenn noch genauere Angabe verlangt wird, auf
Eustath. p. 1531, 1: Qci'/^ig y.alelxai. t] auf-intf^ig rcijv kd otpovövlcov,
ü)v OL TtQcaroi mxa ovinil)]oovGi,v ccvio rou XQapjkoi', ot de xeXivxaloi
ÖEX« Kdl 7C ivXE X)]V OGCpVV^ OL ÖS ^EGOt ÖioÖcKCC XOV VttXOV ^ OV
it,vv 0 TtODjxfjg liyeL. Die oGcpvg ä'KQa oder das Sleifsbein opferten
wohl nur die gemeinsten Knauser; anständige und frommgesinnte Leute
opferten ein lang ausgeschnittenes Stück, eine (.lanQu oGcpvg, d. h.
ein gutes Theil des unteren Rückgrates. Hermann hat noch den
Schwanz zugelegt; natürlich nur für Hrn. H. zum Spafs. — Vs. 507
ovöeig, Gacp^ oida , [.d] f.idxtji' cplvGca '&ekcov , ändert unser Kritiker in
Ccüp^ old\ £1 ^7] fidxijv q)kvGciL & eloL, aus Besorgnis nemlich, dafs
die Zuhörer das Participium nicht auf ovöelg, sondern auf den reden-
den selbst, d. h. den Prometheus, bezogen haben würden. Was für
Zuhörer er sich doch wohl gedacht haben mag! — V. 512 schreibt er
für EVEkTtLg ElfXL XCOvÖi (T' £% ÖSG[A.äv e'xL kv&EVXK IXrjÖhv IIELOV lG^vGelv
Jiog, mit geänderter Wortstellung und Interpunction: EVEkmg el(i in
XMi'ÖE, x(av öcGiKöv ö' EXL Kxk. , was entschieden verkehrt ist, wenn
auch vielleicht ein Scholiast so gelesen haben mag. Denn abgesehn
von der durch diese Interpunction gebotenen unnatürlichen Trennung
des xwvÖE von dem gleich daneben stehenden Genetiv, ist es auch
Ilarliing: Aescliylos Proincllicns. 141
schwer zu glauben, dafs der Chor ix rüvös, d. Ii. aus den Woliltlia-
ten, die Prometheus den Mcnsclicn wider den Willen des Zeus erwie-
sen, und durch die er eben, als Hebell, den Zorn de«selben auf sich
geladen hat, die Hoffnung schöpfen könne, jener werde von seinen
Fefseln erlöst werden. — Was Hr. H. Vs. 542 für das handschriftliche
iöia yvco^cc schreibt l&icc yvcojitß, ermangelt sowohl was die Form
als was die Bedeutung betrilTt, der erforderlichen Begründung. Da
löici an sich ganz unanstöfsig ist, und nur wegen der Nichtüberein-
stimmung des Verses mit dem strophischen Bedenken entstehen, so
lag es sehr nahe, den Fehler in der Strophe zu suchen, was Her-
mann erkannt, und hier aXkcc für fiaXa geschrieben hat, worin übri-
gens schon Bergk vorangegangen war in der Rec. von Dindorfs
Foetae scenici, Zeistchr. f. d. Alterthumswifs. 1836 S. 46. — Auch
Vs. 547 und 554 ist in den Handschr. die Responsion zwischen Strophe
und Gegenstrophe gestört. Um sie herzustellen setzt Hr. H. in der
Strophe yaQ nach ovTtore hinzu, und verwandelt in der Gegenstrophe
den Aorist ccyaysg in ein der Sprache der Tragiker fremdes augment-
loses Imperfect (iysg. Jenes yaQ hat auch Bergk a. a. 0. vorgeschla-
gen , aber dazu noch rot, w obei denn ciyaysg zu andern nicht nöthig
war. Wenn aber Hr. H. sich einbildet, dafs auch der Sinn d«>s Im-
perfect fordere, so wird es genügen ihn einfach auf irgend ein Hand-
buch der griechischen Antiquitäten, Capitel von den Hochzeilgebräu-
chen, und speciell von den Epithalamien , zu verweisen. — Dafs
Vs. 557 für rtvog cc^TiXaKiag noivag okixsi mit Stephanus notvci
6 oAe'xei geschrieben ist, wollen wir nicht tadeln ; aber Hermanns
Bemerkung: gravius verbum oXeKSi coniprehendit in se riveig , durfte
doch nicht so verächtlich mit einem: was soll man dazu sagen?
abgefertigt werden; denn sie ist vollkommen wahr für jeden, der sie
richtig versteht. — Vs. 563 schreibt Hr. H. aXvco, cpsv 6ä^ für das
handschriftlich am besten begründete aXev^ d da. und streicht cpoßov-
^ai, was alle Handschriften mit Ausnahme zweier unbedeutender
W^iener festhalten. Das hat freilich auch Hermann gestrichen; aber
schwerlich mit Recht. Nicht übel ist im nächsten Verse die Conjectur
&oXcQOv OjUftor für doXiov Ojti/xo;, und auch Vs. 570 kann sich, wem
Schützens Vertheidigung der Vulgata vTtvoöorav vojxov nicht ge-
nügt, Hrn. H.s vnvoXerav wohl gefallen lafsen. Dafs aber Vs. 583
der Chor sein Mitgefühl für die gepeinigte lo nicht habe im lyrischen
Rhythmus aussprechen können, wenn er nicht ebenfalls von der Bremse
gestochen oder von der Tollheit der lo angesteckt war, ist einer von
den Kraftsprüchen unseres Kritikers, durch die er seine Meinungen
in Ermangelung von Gründen geltend zu machen liebt. Ich denke,
in Fragen dieser Art mnfs zunächst die urkundliche Ueberlieferung
beachtet und von dieser nur wenn zwingende Gründe, nicht vorgefafste
Meinungen, entgegenstehn, abgewichen werden. Hier nun schreiben
alle Handschriften soviel ich weifs ohne Ausnahme diesen Vers dem
Chor zu; und wenn dieselben weiter unten vor dem entsprechen-
den Verse 602 die Parepigraphe weglafsen, so ist dies viel wahr-
142 Härtung: Aeschylos Prometheus.
scheinlicher für ein Versehen zu nehmen, als das Gegentheil, lieber-
dies spricht aucli noch ein grammatischer Grund dafür, dafs die Im-
perative öei'^ov und nachher &QoeL^ f^Qc^le nicht von derselben Person
gesprochen seien. Auf diesen Grund ein/.ugelia hat Hrn. H. nicht be-
liebt: er kann aber, was im Commentar zum Isaeus p. 233, 6 nur kurz
angedeutet ist, weitlauftiger begründet linden in einem Aufsalz von
Mo II er in Schneidewins Philologus VI S. 115 ff. — Zu Vs. 597 sieht
sich Hr. H. wieder veranlafst, allen frühern Herausgebern einen Ver-
weis zu geben, dafs sie nicht gewust haben, eine Verbindung wie
TLveg, 0? — sei ungriechisch. Ich meines Theils gestehe trotz dieses
Verweises auch jetzt noch es nicht zu wifsen, und fürchte, dafs nicht
Avenige sich in gleicher Unwifsenheit belinden. — Ebenso lehrt uns
Hr. H., Prometheus dürfe Vs. 616 nicht sagen toaovtov ciQKco öot Gu-
(p}]vi6cii (.lövop , wie alle ihn bisher haben sagen lafsen, sondern es
niüfse ciQ'/.H geschrieben werden. Mit a^jcco, meint er, würde Pro-
metheus sich selbst widersprechen, da er ja das Gegentheil so eben
durch die That bewiesen habe. Ich gestehe diesen Grund nicht zu
verstehn. Prometheus vermag der lo nicht mehr zu sagen, weil er
es nicht über sich gewinnen kann, ihr zu wiederholen, was er schon
A'orher dem Chor ausführlich vorgetragen hat, wie er ja auch Vs. 609
diesen Grund andeutet. — Ob Vs. 62-t f.ia6(jov co; ifiol yXv/.v wirklich
so ganz unerträglich sei, wie Hr. H., und freilich auch sehr ehren-
werthe jMänner aufser ihm, gemeint haben, ist eine Frage, die sich in
der Kürze nicht beantworten läfst ; ich gedenke aber diesen ganzen
Gegenstand nächstens im Zusammenhange zu besprechen in meines
CoUegen Hoefer Zeitschrift für die AVifsenschaft der Sprache. —
Vs. 633 schreibt Hr. H. evrcw& OTtov (.lelhj xig ol'ßeß&ai öay.QV für
OTT)] (.liXXsi, — . Die erste dieser Aendcrungen , die auch schon El-
len dt Lex. Soph. II p. 328 empfohlen hat, ist nicht zu tadeln, die
zweite aber ganz unnöthig. Ebenso unnölhig, oder vielmehr ganz
thöricht wird Vs. 764 für ov 6)Jtc( nh]v ayoiy' av ek Ssö^atv Xv&clg
geschrieben iya avrog , indem Hr. H. sich einbildet, dafs wegen der
Bestimmtheit, mit welcher Prometheus vorher von seiner künftigen
Befreiung gesprochen, hier äv nicht statthaft sei. Auch Vs. 766 ist
Tcov öcov xiv avTTJg iy.yovav elvca %Qcäv^ für uvxov^ eine Aen-
derung, die uns, wenn wir in Hrn. H.s Ton zu reden geneigt wären,
zu dem Rathe an ihn veranlafsen könnte, erst noch etwas befser grie-
chisch zu lernen und sich genauer zu unterrichten, unter welchen Be-
dingungen die Griechen den Genetiv von uvxog mit dem Possessivpro-
nomen zu verbinden pllegen. ■ — Weswegen Vs. 777 das von Elms-
ley zu Soph. Oed. Col. 50 vorgeschlagene {.iiiö axL^iaa^jg Xoyov
dem handschriftlichen Xöyovg vorgezogen sei, ist uns nicht klar; und
wegen des Vs. 785 unbedenklich in den Tezt gesetzten Imperativs
Oxcßsc möchten wir Hrn. H. rathen, sich über das Verbum crri/iea) etwa
bei Lob eck Technol. p. 148 zu erkundigen. Unserm Kritiker aber
hilft nun dieser Imperativ glücklich aucli über die Lücke hinweg, die
wir andern hinter diesem Verse angenommen haben, und lo wird von
Harliitig: Acscliyl().s Pronicllieiis. 14.J
dem tlirakisdicn Bosporus, wofür llr. II. selbst das ()etd-Qoi' iinsiQuv
Öqov erkannt hat, mit einem gewalligen Sprunge zu den Graeen und
Gorgonen versetzt, die am persischen Meerbusen hausen. Denn hier
sind die iteöia KLG6lvi]c, wie Hr. H. auf meine Veranlafsung für Ki-
a&ijvrjg gesclirieben hat. — Vs. 801 schreibt er rrjXnvQuv de yrjg für
y'ijv nacli Elmsleys Vorschlag; in den Anmerkungen aber verwirft
er auch dies, und will weder yijv noch yrjg. Was er aber denn wolle,
erfahren wir nicht. — Vs. 829 wird geschrieben : 7TQoG)jyoQev&i]g 1]
^Log oiXsLin] daf^iaQ — 7} dij jxax ai q , ei rüvde n^oGGcdvEL Gere,
für ^iXXovG sGeG& , ei tüvds — , weil die Worte ^iklovG eGe-
G&ai, jedesfalls unerträglich seien. Unerträglich aber sind sie Hrn.
H. wahrscheinlich deswegen vorgekommen, weil er die lo nicht als
erst künftige Gattin des Zeus gedacht wilsen will, sondern schon jetzt
in ihrer verwandelten Gestalt von ihm geschwängert, wie es aller-
dings in den Schutzflehenden dargestellt wird, wäiirend in unserer
Tragoedie AeschyUis davon nichts sagt oder andeutet, sondern sie erst
in Aegypten durch die Berührung des Zeus schwanger werden läfst,
Vs. 843, welchen Vers freilich Hr. H. für unecht erklärt, nicht ohne
dabei einige Streiche zu führen, theils gegen Hermann, der vor die-
sem Verse eine Lücke annahm, theils gegen mich, weil ich mich nicht
von der Nothwendigkeit der von Wieseler vorgeschlagenen, übri-
gens allerdings sehr einschmeichelnden Aenderung yivvi]^ acpMv für
yEvv^llicafov überzeugen konnte. — Vs. 853 ist freilich das hand-
schriftliche TleXctGyia 81 öi'^erac schwerlich richtig; aber was Hr.
H. dafür setzt, nXdy'^erat, gewis ebensowenig. Denn abgesehn von
dieser sonst gar nicht nachweisbaren Form für xXdy'E,ci, ist es doch
nicht wohl denkbar, dafs das Land, in welches die Aegyptossöhne
feindselig und gewaltsam eingedrungen waren, nachher über ihren
Tod grofse Klage erhoben haben sollte. — Sehr unbedacht ist Vs. 865
die Lesart des Med. und Roh. ro'^oiGi nXeivoig, für KXeivog, aufge-
nommen worden. Denn mit seinem Bogen erschofs Herakles nur den
Adler, der an der Leber des Prometheus frafs. Das konnte aber Pro-
metheus hier nicht meinen, wenn er ttovcov i% xmvö if.iE Xvgsl sugle,
da zu den gegenwärtigen Qualen der Adler nicht gehörte, sondern
erst lange nachher ihn peinigte, als er nach langer Haft im Tartarus
wieder an die Überwelt herauf gekommen war. — In dem folgenden
Chorgesange streicht Hr. H. Vs. 879 die Worte ?} Goq)og rjv , und in
der Gegenstrophe Vs. 885 das zweite fn^Ttors, füllt aber die hier vor-
handene Lücke des folgenden Verses durch ein zugesetztes nowica
vor MoiQca aus. Weit einfacher war es, mit Hermann die Lücke
nach MoiQCiL anzuerkennen, und durch ein passendes Epitheton, wie
etwa öiavraiai, (vgl. Eum. 320) auszufüllen, wo es denn keines Aus-
streichens weder in der Strophe noch in der Gegenstrophe bedurfte.
— Vs. 891 hat Hr. H. richtig eingesehn , dafs ov öiäui nicht vom
Aeschylus geschrieben sein könne ; aber er hätte auch einsehn sollen,
dafs eine Aenderung wie aXXa didia nicht die mindeste Wahrschein-
lichkeit habe, und dafs das einzig richtige sei, 01; deöia als vom
144 Hartling: Aescliylos Promelheiis.
Rande in den Text gerathene Erklärung von ucpoßog ganz zu beseiti-
gen. Ebenso ist richtig eingesebn, dafs zu Anfang dieses Verses ort
fiiv falsch sei; aber es hätte auch eingesebn werden inüfsen, dafs
diese Worte schwerlich durch irgend einen Corrector in den Text ge-
setzt, sondern nur statt anderer verschrieben seien. Dafs Hr. H.
weiterhin sich in die Worte ■d^säv EQCog äcpvKTOv ö^^a nQocSqÜKOL (iE
nicht zu finden weifs, und deswegen l'Qcog herauswirft, darin hat er
Schütz zum Vorgänger, und mag also entschuldigt werden. Aber
dafs er auch ontoqa TioQtfiog nicht vertragen kann, und deswegen 6
TtoQog anoQifiog schreibt, ist kaum noch zu entschuldigen. Wenn er
aber gar auch in den Worten ovk l'xco xig dv yevoL^av sowohl an dem
Indicativ als an dem rig Anstofs nimmt, und deswegen schreibt ovk
k'xoi^ av oTi yevoiiiav, so ist er wegen des rtg auf Schäfers Me-
let. crit. p. 98, wegen des Indicativs aber an seine eigne reiflichere
Ueberlegung zu verweisen, die ihn hoffentlich das richtige Verhält-
nis dieses Satzes erkennen lafsen wird.
Ich denke diese Proben werden vollkommen genügen, um die
Beschaffenheit der Kritik, die Hr. H. an dem Texte des Aeschylus ge-
übt hat, zu charakterisieren, und ich will deswegen, mit Ueber-
gehiing vieler ähnlicher, nur noch einer Stelle gedenken, wo er sich
sowohl in dem, was er selbst wählt, als in der Art, wie er andere
beurtheilt, gleich glänzend darstellt. Vs, 1003 geben die Handschrif-
ten ri yaq iklemei ^i] na^anaieLV i^rovö £vxv%fi oder ei xad
£vxv%i\ oA&v si xad £vxv%Ei o*ie.v elta 8 evxviij^ und es hat
nicht an manchen mehr oder weniger verfehlten Verbefserungsvor-
schlägen gefehlt. Ob der meinige, el xaö eTtav^st; probabel sei,
mögen andere beurtheilen; Hr. H. aber wählt den schlechtesten von
allen, 7] xovöe xvm^ von dem Hermann mit Reclit sagt: hac senfen-
tia nihil alienius est. Denn das Benehmen des Prometheus ist keine
xv%r)^ sondern eine aiinkaKia ^ zumal in den Augen des redenden, des
Hermes. Die folgenden Worte, xL %ala (xavtcau; übersetzt Hr. H.:
w^ a s gebricht ihm an M u t h ? und straft in der Anm. sowohl D r o y-
s ens Uebersetzung: wie vergäfs er der Wutb? als die des Rec. :
wie zähmt er die Wuth? 'Ein Beispiel von hunderten' ruft er
aus 'wie hübsch von erleuchteten Philologen die Sprache der Tragi-
ker verstanden werde.' Offenbar aber beruht seine Strafrede ledig-
lich darauf, dafs er selbst nicht verstanden hat, Mas y^aXäv xtvog be-
deute. Seine Uebersetzung verräth, dafs er xi für den Nominativ
genommen hat. Den Vers also lüla xi xovös xov iiaxijv (pQOvq^a-
xog würde er zu verstehen und zu beherzigen ganz aufser Stande sein.
Da einmal der Uebersetzung des Hrn. H. gedacht worden ist, so
mögen bei dieser Gelegenheit auch darüber noch ein paar Worte ge-
sagt werden, obgleich es anfangs meine Absicht war, sie ganz mit
Stillschweigen zu übergehen. Dafs ein strenges Mafs an diese Art
von Leistungen unseres rüstigen Schreibers nicht gelegt werden dürfe,
ist ja wohl jedem bekannt. Wer aber auf künstlerische , dem Ton
und Charakter des Originals etwanig entsprechende Nachbildung keinen
Härtung': Aeschylos Prometheus. 145
Anspruch macht, sondern sich begnügt, den Sinn im ganzen gram-
malisch und lexilogisch richtig auf der gegenüberstehenden Seite an-
gegeben zu finden, dem mögen auch solche Ueberselzungen nicht un-
willkommen sein. Indessen dürfte das Publicum, dem dergleichen
genügt, zum grofsen Tlieil wohl nur aus denen bestehn, die überhaupt
nach Ausgaben der Classiker mit gegenüberstehender Ueberselzung,
wie sie von speculi-erenden Sosiern der liehen Jugend zur Erleich-
terung ihrer Studien in die Ilünde gespielt werden, zu greifen pfle-
gen. Und es gibt argwöhnische Leute, welche nicht abgeneigt sind,
auch Hrn. H.s Ausgaben zu dieser Classe zu zahlen, und das Beiwerk
von prüfenden und erklärenden Anmerkungen eben auch nur als Bei-
werk anzusehen, um den eigentlichen Hauptzweck zu verdecken, zu-
gleich aber auch den Herausgeber in den Augen seines Publicums zu
heben, als einen gewaltigen, zum Praeceptor, nicht blofs seines Gym-
nasii , sondern sämmtlicher Philologen berufenen Meister. Ich jedoch
bin fest überzeugt, dafs mit solchem Argwohn dem Hin. H. das gröfste
Unrecht gelhan werde; ich zweifle durchaus nicht daran, dafs er der
Meinung sei, durch seine Arbeiten unsere Litteralur wesentlich be-
reichert und andern ein Vorbild gegeben zu haben, dem sie nach-
eifern sollen. So werden denn auch die Uebersetzer der alten Dich-
ter sich manche theils ausdrücklieh theils stillschweigend gegebeneu
Belehrungen und Winke zu Nutze zu machen haben. So z. B. kön-
nen sie von ihm lernen, wie man neue Wörter oder Wortformen zu
bilden, wie man ungebräuchliche Verbindungen zu gebrauchen oder
gemeine Ausdrücke zu adeln habe. Ich gebe einige Proben per sn-
turom, wie sie mir beim Durchblättern in die Augen fallen. Stählne
Bande für stählerne Vs. 6; wetterstur me Kluft Vs. 15; Bar-
m e n für Erbarmen Vs. 36 ; den schwebigen Sitz Vs. 283 ; w e i t-
streckige Bahn Vs. 289; selbschaffne Grotten Vs. 306; gen
den Stachel löken (weil ja doch gen Osten, gen Westen ge-
sagt wird) Vs. 328; angstzittrige Wangen Vs. 406; ei gen rich-
tiger Sinn Vs. 542; s tache 1 w ü th i ge Aengsten Vs. 575 und das
stach elwüthge Mädchen Vs. 584, welches biesend fortrennt Vs.
830; ein ungeladner Fleischerknecht Vs. 1014, der dem Prome-
theus die Leber zerfleischt, und dergleichen vieles. Auch auf dem
Gebiete der formellen oder syntaktischen Figuren stellt Hr. H. nach-
ahmungswürdige Muster auf, z. B. Apokopen wie das endentschei-
dend Schicksal Vs. 514 (worin sich zugleich ein feines Ohr für
den Wohlklang offenbart , Avie in Vs. 851 erscheinen einen mei-
denswerthen Ehgenufs); das übrig Leiden Vs. 737; Auslafsung
des Artikels, wie Vs. 85: mit falschem Namen wirst du Vorbedacht
genannt von Geistern (d. h. von den Göttern, wie auch Vs. 203
die Geister-Mächte in Groll gerathen, 233 Zeus den Geistern
Rechte austheilt), und Vs. 357: auch sah ich mit Bedauern dort K i-
likjens Hö hl enwohner, hundertköpfigen. Der Artikel macht
allerdings den Uebersetzern nicht selten grofse Unbequemlichkeit, und
sie werden es Hrn. H. Dank wifsen, dafs er sie lehrt, wie sie sich
.-V. J(i/irh. f. Phil. u. I'ueil. Bil. LXVII. Hft. 1. 10
146 Härtung: Aeschylos Prometheus.
dessen entledigen können. Auch das können sie von ihm lernen, wie
man in Fällen, wo die Worte den Vers nicht füllen wollen, diesem
Mangel dadurch abhelfen kann, dafs man, was im Original einmal ge-
sagt ist, in der Uebersetzung zweimal sagt, wie Vs.35 iür xQu^vg ge-
streng und hart, Vs. 93 für 6iaKvai.6(ievog gequält und gemar-
tert, Vs. 112 i\\r a^TtXaxij^arav die Schuld, der Frevel, Vs.
204 für ördöig Zwietracht und Hader, Vs. 310 f. GvyKaraörrj-
öavra gründen und aufrichten half, Vs. 463 f. yQafiiidxcov <3vi>-
'd'iöstg Laut- und S ylb ens ehr i ft, wobei freilich die Frage, was
es denn im Alterthum für eine Sylbenschrift neben der Lautschrift ge-
geben haDen möge, nicht wird aufgeworfen werden dürfen. Auch
sonstige Muster von geistreich treuer Uebersetzung fehlen nicht, unter
welchen namentlich eins bemerkt zu werden verdient, Vs. 501, wo
Prometheus die Flammenzeichen, die vom Staar behaftet
waren, sehend erst gemacht; da man sonst wohl dergleichen
treue Uebersetzung als eigentlich ungetreu zu tadeln pflegt. Dafs es
auch im prosodischen und metrischen nicht an belehrenden Beispielen
fehle, versteht sich wohl von selbst; ganz besonders aber machen wir
auf die geschickte Nachbildung des dochmischen Rhythmus aufmerk-
sam , wie Vs. 570 : schwirret schlaftödtende Weisen, laut-
schallend, o weh, 0 Gott! Vs. 588: Rede, wie ward dir mein
Vater, der Name kund? Vs. 589: Sag es mir Dulderin!
Wer, 0 Unseliger, bist du der — Vs. 597 : Die mich ver-
folgt mit ra chs ü eh t igem Her zen, wo leidet je solcher-
lei Qual ein Unglückseiger, solche Martern? in welchen
Versen man, um den Rhythmus herauszuhören, blofs in einigen Wör-
tern die gewöhnliche Betonung ein Menig zu ändern, und tödtende,
schallend, rede, Vater, süchtigem, und für solcherlei
wahrscheinlich mit einer unschuldigen Synkope solchlei zu lesen
braucht. Auch noch eine andere interessante Belehrung ist aus eben
dieser Partie zu entnehmen. Vs. 583 nkveig (pd^iy^a rag ßovnsQco
7tciQ&£vov; lautet in der Uebersetzung: Du hörst doch den Ruf
hier der rind förmigen Jungfrau? wo, wie man sieht, die
Jungfrau, mag sie nun als Jungfer trochaeisch, oder mag sie iam-
bisch oder spondeisch zu mefsen sein, jedesfalls das Mafs überschrei-
tet; dagegen die Uebersetzung des entsprechenden Verses, 602, ^Qoei,
(pQtt^s ra övaTtXova na^d-ha, lautet so: Sag' an, sprich zur irr-
sePgen Jungfrau, wo die Jungfrau zwar spondeisches Mafs hat,
aber daneben auch noch einen ganzen fehlenden lambus mit vertreten
mufs. Wahrscheinlich hat uns der Uebersetzer nur an diesem Bei-
spiel zeigen wollen, wie man bei respondierenden Versen, was man
dem einen zulegt, dafür dem andern abziehn müfse.
Hr. H. würde sich mit Recht beschweren können, wenn wir nun
nicht auch noch auf seine erklärenden Anmerkungen einen Blick wür-
fen. Einzelnes daraus ist allerdings schon oben gelegentlich erwähnt
worden ; aber es gibt des erwähnenswerthen so vieles , dafs wir,
wenn auch das meiste des Raumes wegen übergangen werden mufs.
Harlimg: Aeschylos Prometheus. 147
(loch einiges wenigstens herauszuheben uns verpfliclilel fühlen. Also
7.U Vs. 12 bemerkt Hr. IL, dafs man Unrecht lljue, Kqcxrog und Bia
für zwei Personen zu halten. Es sei nur eine Person unter beiden
Namen zu verstehn, und das ßcpau, was die Handschr. in jenem Verse
haben, entweder in aoi la verwandeln, oder auch anzunehmen , dafs
Ehrenhalber die eine Person im Dualis, als einem nianerus maieslati-
cus^ angeredet werde. — ■ Zu Vs. 74 und 79 stimmt Ilr. H. denjenigen
bei, welche den die Rolle des Prometheus spielenden Schauspieler
in einem Bilde — einem Futteral, sagt Hr. H. — verborgen sein
lafsen, und wir verkennen nicht, wie schwer das Gewicht seiner Zu-
stimmung in die Wagschale falle. Nur darüber können wir unser Be-
denken nicht verhehlen, wie er, der dem im Futteral steckenden Pro-
metheus allerhöchstens eine Bewegung des Kopfes zugesteht, ihn
doch Vs. J60 sagen lafst, dafs er als Gespenst in der Luft schwe-
be, und Vs. 95 dafs er sich winde in Qual, — in diesem Fut-
teral? denkt man unwillkürlich dazu. Und ferner wenn in den Worten
des Kratos an Hephaestos, %cÖqei, kccvco, die Riesengröfse des angena-
gelten Gottes angedeutet sein soll, so mufs, deucht mir, auch ange-
nommen werden , dafs der annagelnde Gott beträchtlich kleiner gewe-
sen sei. Ob diese Annahme wahrscheinlich sei , mögen andere ent-
scheiden. — • Zu Vs. 21i erklärt sich Hr. H. mit Recht gegen die Mei-
nung derer, die in diesem Verse Fcda nur als einen andern Namen der
im vorhergehenden Verse genannten Themis angesehn haben; aber er
selbst weifs nun nichts anders mit jenem Verse anzufangen, als ihn
für unecht zu erklären, worin ihm schon Schütz vorangegangen ist.
Dies ist nun zwar eine leichte Art, sich mit einem unbequemen Verse
abzufinden, aber schwerlich kritisch, insofern einerseits sich nicht
recht absehn läfst, Avas einen Interpolator bewogen haben sollte, den
unechten Vers einzuschwärzen, andererseits aber auch die Gründe,
weswegen die Worte des Prometheus nicht den Sinn haben könnten,
den andere darin gefunden haben , nemlich dafs sowohl seine 3Iulter
Themis als auch Gaea, die Mutter der Themis, ihm den Ausgang ge-
weissagt habe, wenig stichhaltig sind. Hrn. H. freilich scheint "^ die
Betrachtung des Verbi Tt^ovred-eöTtiKei , im Singular, allein schon zu
genügen, um diese Deutung zu widerlegen.' Diesen Grund hat schon
Schneider als nichtig erwiesen, und ich könnte dem von diesem
angeführten noch einiges hinzufügen, wenn es mir hier der ölühe werth
schiene. Hr. H. behauptet ferner, Gaea für sich allein habe nie die
Gabe der Weissagung besefsen, sondern wenn sie weissagen sollte,
müste sie mit der Themis ein Wesen sein, und wenn es heifse, dafs
Themis das (delphische) Orakel von der Gaea überkommen (Eumen.
zu Anf.), so beziehe sich das theils auf derartige Orakel, wie das
des Trophonios war, — wie dies möglich sei, gestehe ich nicht zu
begreifen — ■ theils auch auf die Erdkluft zu Delphi, aus welcher der
begeisternde Hauch hervorquoll. Zur Widerlegung solcher Einbildung
genügt es auf die Hesiodische Theogonie zu verweisen, wo Vs. 463.475
Gaea mit Uranos dem Kronos ganz ebenso das bevorstehende vorher-
10*
148 Härtung : Aeschylos Prometheus.
sagt wie jetzt dem Prometheus, und Vs. 494, wo sie der Rhea die Art
und Weise angibt, wie Zeus zu erhalten sei, oder Vs. 625, wo sie
dem Zeus den Sieg weissagt, wenn er die Heltatoncheiren zu Mitstrei-
tern habe. Hrn. H.s dritter Grund endlich, die Erde sei ja so eben
in Verbindung mit den Titanen genannt worden (er meint Vs. 209
TLXcii'sg Ovquvov te Kctl X&ovog xiKva)^ und wenn sie also Ralh er-
theilen wollte, so hätte sie befscr gethan , sich an diese ihre Sühne
unmittelbar zu wenden : dieser Grund bedarf ja wohl kaum einer
ernsthaften Widerlegung. Mag Gaea immerhin sich auch unmittelbar
an ihre Söhne gewandt haben; dies zu berichten, war für den Prome-
theus ganz unnöthig, da es ihm nur darauf ankam, die ihm ertheilte
Weissagung zu erwähnen, durch die er zu seiner Handlungsweise be-
stimmt war. — Zu Vs. 514 bemerkt Hr. H., die Construction sei diese:
ovitoo MoiQcc reXeßcpOQog nenQanat ^ coGrs ravra rccvri] ugavcci. Sehr
oft finde sich so ein activer Infinitiv gebraucht, wo man einen passi-
ven erwartete. Dabei wird der Rec. getadelt, dafs er dies übersehend
auf den Einfall gerathen sei , 7T£7tQ(orat sei hier als Medium (will sa-
gen Activum , berichtigt Hr. H.) zu fafsen. Ich gestehe, dal's es mir
nicht möglich ist , aus diesen Worten die eigentliche 3Ieinung des Er-
klärers zu erkennen. Seine Ucbersetzung ^ Noch hat das endentschei-
dend Schicksal dieses nicht der Art beschlofsen' scheint zu verrathen,
dafs auch er, als er so übersetzte, ninqaxai als Medium, oder, wenn
er dies lieher will , als Activum genommen habe. Nachher hat er sich
denn freilich eines andern besonnen ; und allerdings niitQcoTat, als
Activum zu nehmen war ebenso unnöthig als unzuläfsig. Als Medium
aber haben doch wenigstens das Participium Trengco^ivi] wohl diejeni-
gen genommen, welche die Moira , als Person und Göttin der Schick-
salsfügung, auch UenQCOfiei'r} nannten, wie z. B. Pausan. VHI, 21, 2.
Denn passiv, durch irgend eine höhere Macht zur Fügung des Schick-
sals bestimmt, dachten sie doch diese Gottheit wohl schwerlich, son-
dern als sich selbst so oder so bestimmend. Was nun aber Hrn. H.s
Erklärung betrifft, so ist mir darin nur soviel klar, dafs er niTTQcorac,
da er es weder als Medium noeh als Activum gelten lafsen will, für
das Passivum genommen habe: und daran hat er denn, wie ich jetzt
glaube, auch nicht Unrecht gethan. Aber dann durfte er auch Moiqu
nicht als Person betrachten ; denn eine passive Moira ist nicht denk-
bar. Was er aber nun über KQuvai hinzufügt, sehr oft werde so
ein activer Infinitiv gebraucht, wo wir einen passiven erwarteten,
das würde, wenn er das so weggelafsen hätte, eine bekannte und
unleugbare Wahrheit enthalten, die aber gar nicht hicher gehört; mit
dem s 0 ist es eine Unwahrheit. Hr. H. hätte mit den meisten andern
Auslegern iioiQa als Loos oder Schicksalsfügung, nicht als Person,
nehmen müfsen, ohne sich durch das xE\Ea(p6Qog irre machen zu la-
fsen; von der die Sache zum Ziel führenden Schicksalsfügung aber, der
^olqa xsXeöcpoQog , konnte der Dichter sehr wohl sagen, dafs sie die-
selbe so oder so vollende, gleichsam die KQavxeiQCi sei. — Was Hr.
n. über die Irren der lo vorträgt, dürfen wir uns um so mehr mit
Härtung : Aescliylos Protnelheus. 149
SUIlschvveigen zu iiber^^elin cilaiihcn, da er selbst keinen Werth dar-
aiil' legi. Nur eins wollen wir im Vorbeigelin bemerken: daTs nemlich
nnler ZaX^vdriala yvaO'og Vs. 720 die Symplegaden verstanden wer-
<len sollen, deutlich bezeichnet, meint Hr. H., als zusanimcnsciilagcnde
Kinnbacken. Wir erlauben uns dagegen, ihn an die Eselskinnbacken
an der lakonischen Küste zu erinnern und zugleich auf Lobecks
Proleg. palhol. p. 149 zu verweisen. Auch hinsichtlich der vom Dich-
ter als uKQayilq Kvvsg bezeichneten (ireifen Vs. 797 dürfte es rälhli-
cher gewesen sein, den früheren Erkliirern , zu denen noch Dindorf
Tom. II! der Oxforder Ausg. praef. p. XVIII und Lob eck Pathol. elem. I
p. 36 genannt werden mögen, Geliör zu geben, als sich zu der wun-
derlichen Vernuilhung verlocken zu lafsen, dafs das Wort von Kqri-
yvov herkomme oder doch mit ihm einerlei Stammes sei. Weit wun-
derlicher aber als diese Vermuthung ist die Entdeckung, die uns zu
Vs. lOlö mitgelheilt wird, dafs rinaq das Herz sei und nicht die Le-
ber. Anfangs schmeichelten wir uns mit der Hoffnung, Hr. H. wolle
uns nur darüber belehren, dafs die Alten oftmals die Leber als den
Sitz der Leidenschaften und Begierden nennen, wo wir das Herz zu
nennen pflegen, und dafs daher an solchen Stellen ein Uebersetzer
wohl thue, diesen Ausdruck für jenen zu setzen, wie denn er selbst
auch in seiner Uebersetzung das dunkelblutge Herz statt des
v,£hxiv6ßQ(orov yinuQ zerfleischt w erden läfst. Indessen da uns Hr. H.
auf seine Note zu Soph. Trach. 899 verwies, so durften wir nicht un-
terlafsen, uns hier nach näherer Belehrung nmzusehn: und da fanden
wir denn zu unserer Beschämung, wie sehr wir uns geirrt hatten.
'H-jxciQ ist das Herz, heifst es hier, Kagöia dagegen (ist nicht das
Herz sondern) der Magen. Für dies letztere citiert Hr. H. als Be-
weisstelle Thucyd. II, 49; es hätte aber eines so gelehrten Citates
wohl kaum bedurft; denn dafs Kardia bisweilen auch die Magengegend
(die Herzgrube), auch den Magenmuud, auch sogar den Magen über-
haupt bedeute, lehrt ja wohl jedes beliebige Lexikon; dafs aber naQ-
diK nur der Magen, nicht das Herz sei, diese Entdeckung war Hrn. H.
vorbehalten. Demgemäfs werden also seine Schüler, wenn sie etwa
bei einem Tragiker to taXatva xaQÖLa lesen, dies als eine Klage über
Magenweh aufzufafsen haben , und wenn sie bei Homer Ausdrücke fin-
den wie a&evog (OQßev SKccGto) ■KaqSii]^ daraus entnehmen können, dafs
den Homerischen Helden Muth und Kraft im Magen gesefsen habe.
Ihr Herz dagegen müfsen diese Helden nicht dort gehabt haben, wo
es den heutigen Menschen sitzt, sondern mehr im Unterleibe, unter-
halb des Zwerchfells; denn es heifst ja oft genug rptaq vtio TCQani-'
dcov. Vor solcher Anatomie möchte denn doch dem Lehrer selbst
bange werden. Zu seiner Beruhigung wollen wir ihm mittheilen, wo
er sich über diesen ihm noch so dunklen Gegenstand Aufklärung ver-
schaffen kann, nemlich bei Plato im Timaeus, wo p. 70 B von der kc<q-
dici und p. 71 B von dem rptaQ gehandelt und auch angegeben wird,
weswegen man die Leber als den Sitz der Leidenschaften und Begier-
den angesehn habe.
150 Härtung: Aeschylos Prometheus.
Fast hätte ich vergefsen, auch die Anmerkung zu Vs. 661 noch
zu berücksichligcn , wo Hr. H. die Uebersetzung von acpexog durch
gott geweiht nicht gelten lafsen will. Sein Grund ist leicht zu er-
kennen. Er hat bei Blomfield gelesen, acperog werde gesagt de
iis animalibus, quae in templorum usum a ceteris segrcf/ata li-
bere vacjari paliehontur ^ was ihn an Schlachtung und Opfermahlzeiten
zu denken verleitet; und da nun lo doch nicht geschlachtet werden
sollte, so kann, schliefst er, acpsrog auch hier nicht gottgeweiht
bedeuten. Einem Griechen indessen muste es gewis sehr nahe liegen,
in diesem Zusammenhange, wo von einem göttlichen Befehl die Rede
ist, auch das acparog in Beziehung zu der Gottheit zu denken, von
welcher der Befehl ausgegangen war. Uebrigens ergeht es der armen
lo durch Hrn. H.s scharfsinnige Erklärungsweise sehr schlimm; schlim-
mer noch, als in der alten Fabel durch den Groll der Hera. Denn
hier verliert sie doch nur ihre Gestalt und mufs von der Bremse ver-
folgt irr und unstet umherschweifen; bei jenem verliert sie Zucht und
Scham, und mufs, wenn anders mit ihrer Gestalt nicht auch ihre Sitte
umgewandelt ist, als Kuh nicht blofs b lesen, wie es Vs. 830 heilst,
sondern auch rindern. Sie ist neinlich, wie die Anm. zu Vs. 898
besagt, Svegen ihrer Verliebtheit vom Vater aus dem
Hause gestofsen worden', und die Einleitung gibt S. 17 darüber
folgende nähere Erklärung. Iowarein 'vollsaftiges Mädchen,
die ohne zu wifsen wie ihr geschah verliebte Träume
hatte'; aber sie wollte zugleich mit ihrer Verliebtheit gar hoch hin-
aus, ihre Begierden waren nicht auf irgend einen sterblichen, sondern
auf keinen geringern als den Zeus selbst gerichtet. Hir Vater fand
sich deswegen bewogen, bei dem Gott, 'von dem die Dirne
träumte, die Bestätigung solcher Traumgebilde einzu-
holen, und nicht eher das Mädchen hinauszulafsen, um
in Wald und Feld umherzuschweifen und dem geträum-
ten, in irgend eine Gestalt verwandelten Sponscn zu
begegnen.' So schmutzig wird unter Hrn. H.s Händen das Bild,
das uns der alte Dichter mit grofser, freilich für Ausleger dieses
Schlages allzu grofser Zartheit hingestellt hat. Bei jenem ist lo so
weit von verliebten Gelüsten entfernt, dafs sie vielmehr der ^^ erbung,
die der Gott im Traum an sie ergehn läfst. Sträuben und AViderstre-
ben entgegensetzt; bei diesem, der zu aufgeklärt ist, um nicht zu
wifsen, dafs Träume nicht von einem Gotte gesandt werden, sondern
aus dem Blute kommen, sind natürlich auch los Träume nichts anders als
eine Folge ihrer verliebten Complexion. Bei Aeschylus wird sie durch
ihre Traumgesichte geängstet, und diese Angst treibt sie an, dem
Vater davon zu sagen; nach Hrn. H. ist ihre Verliebtheit so mafs- und
schamlos, dafs sie sich deswegen nicht entblödet, ihren Vater anzu-
gehn, um von ihm die Freiheit zu erhalten, der Befriedigung ihres
Gelüstes nachzulaufen. Bei Aeschylus gebietet der Gott unter Dro-
hungen, die lo als ein ihm geweihtes Eigenthum aus dem Hause zu
entlafsen, und ungern nur gehorcht nicht blofs der Vater, sondern
Härtung; Aeschylos Prometheus. 1.51
auch sie selber dem Gebote; nach Hrn. H. mufs wenigstens sie selber
gern gehorcht haben, »eil sie ja so die Erfüllung ihrer Liebesträume
erwarten und holTen konnte 'dem geträumten, in irgend eine Gestalt
verwandelten Sponscn baldigst zu begegnen.' Und so ist denn auch
die aars(}'yc(i'coQ TTaQd-si'La ^ von welcher der Chor Vs. 888 singt, nach
Hrn. H. in der That nichts anderes, als eine nur besonders modifi-
cierte Art von Mannstollheit. Der richtigen Deutung dieses Ausdrucks,
die auch Hermann, wie sich erwarten liefs , vertheidigt hat, sucht
er durch die Ausilucht zu entgehn, dafs damit nur Abneigung gegen
sterbliche Jlänner , nicht gegen Männer überhaupt gemeint sei, weil ja
bekanntlich oft genug die ävÖQeg den 'd'soig entgegengesetzt werden.
^Hermann' sagt er S. 170 * übersetzt das Wort durch non
amans alic uius viri; wir aber durch non amans viro-
r um mor ta iium. Wie w i 1 1 e r uns das w ehren?' — Wir
wahrlich wollen es ihm nicht wehren, wenn es ihm denn doch einmal
so beliebt. Wir würden ihm auch das nicht wehren , wenn er Vs. 666
ciKovöav in ixovoav verwandelte. Oder ist dies äzovßav vielleicht
noch ein Rest von Scham, der die verliebte Dirne abhielt, ihre wahre
Herzensneigung zu gestehn , womit sie aber doch einen Kenner wie
Hrn. H. nicht täuschen kann?
Nach dieser Probe von Hrn. H.s Auffafsung werden unsere Leser
schon von selbst erratiien, wie er sich in den Sinn und die Bedeutung der
ganzen Tragoedie hineingefunden haben möge, worüber er sich in der
Einleitung vernehmen läfst. Von einer zusammenhängenden Irilogi-
schen Behandlung der Prometheischen Fabel darf natürlich keine Rede
sein, und damit ist denn auch jede Möglichkeit abgeschnitten, unsere
Tragoedie in Uebereinstimmung mit derjenigen Weltanschauung und
Behandlungsart der Götterfabel aufzufafsen , die uns in allen übri-
gen Stücken des Aeschylus ohne Ausnahme entgegentritt. Hr. H. weifs
hiervon so wenig, dafs er ganz naiv den Standpunkt des Aeschylus
mit dem des Homer identificiert und diejenigen, die dem Tragiker
einen höhern Standpunkt anweisen, beschuldigt, dafs sie ihn zum hal-
ben Christen machen wollen. Es war zu erwarten, dafs wir die alte
Leier wieder zu hören bekommen würden. Wenn aber Hr. H. hinzu-
setzt 'zum halben Christen, will sagen Deisten', so möchte
ich doch wifsen,was er sich eigentlich unter einem Christen, was
unter einem Deisten denke, und in wiefern er den polytheistischen
Glauben des Aeschylus durch mich gefährdet achte. Aeschylus ist und
bleibt auch bei mir ein Polytheist und ein Heide; aber das macht ihn
mir so vor allen andern griechischen Dichtern bewundernswürdig, dafs
bei keinem, ohne Ausnahme bei keinem, sich ein so reiner und inni-
ger religiöser Sinn und solche Weisheit in der Behandlung der mythi-
then Dinge diesem Sinne gemäfs findet, wobei denn freilich zugestan-
den werden mufs, dafs er sich unmöglich ganz von dem Standpunkte
seiner Nation und seiner Zeit zu erheben vermochte. — Ich habe mir
erlaubt, diese schon vor mehreren Jahren geschriebenen Worte hier
zu wiederholen , weil ich von ihrer Wahrheit je länger desto mehr
152 Zell: Handbuch der römischen Epigraphik. Ir Theil,
überzeugt bin. Auch Hrn. H. davon zu überzeugen, darf ich freilicli
nicht hoffen, ebenso wenig als ich hoffen darf, durch diese Recension
ihn davon überzeugt zu haben, dafs er zum Herausgeber und Ausleger
des Aeschylus nicht berufen sei. Und so wird er denn wohl auf sei-
nem Wege weiter gehn und fortfahren, den Dichter, zu dem er sich
nun einmal nicht erheben kann, zu sich herunter zu ziehn.
Greifswald. Schümann.
Handbuch der rötnischen Epigraphik von Carl Zell, Prof. an der
Universität zu Heidelberg, grofsh. bad. Geh. Hofrath, Ritter des
Zähringer Löwenordens. Erster Theil: Auswahl römischer In-
schriften. Heidelberg, Universitätsbuchhandlung von Karl Winter.
1850. XIV und 480 S. 8. mit dem besondern Titel: Delectus
inscriptionum Romanarum cum momimentis legalibus fere
Omnibus.) edidit Car. Zell, Prof. univ. Heidelberg.
Wenn es nöthig wäre, würde die geehrte Redaction dem Ver-
fafser dieser Anzeige bezeugen können, dafs derselbe erst auf wie-
derholtes Ansinnen von diesem Werke Bericht zu erstatten übernom-
men hat, und zwar glaubte derselbe von einer solchen Arbeit aus
manchen Gründen, vornehmlich aber aus Berücksichtigung des Ura-
standes abstehen zu müfsen, dafs es mifslich sei, über ein Werk ein
Urtheil auszusprechen, von welchem erst der erste Theil erschienen,
und gerade der Inhalt des versprochenen zweiten erst den richtigen
Mafsstab zur Würdigung des ganzen und überhaupt geleisteten ab-
zugeben vermag. Jedoch überwog alle Bedenken am Ende das wi-
fsenschaftliche Interesse, welches für ein Werk wie das vorliegende
in einem um so höhern Grade vorausgesetzt werden muste, als jeder
Versuch überhaupt, die Epigraphik den in der Regel enger begrenz-
ten philologischen Studien näher zu bringen, als eine willkommene
Erscheinung auf dem Gebiete der alten Litteratur angesehen werden
mufs. In diesem Sinne begrüfsen auch wir diese Frucht mühseligen
Fleifses als ein Förderungsmittel zur Belebung und Verbreitung latei-
nischer Epigraphik, welche nur mit Mühe sich die Bahn zu der recht-
mäfsigen Stellung in dem Kreis der philologischen Disciplinen brechen
zu können scheint. Wenn man die Früchte erwägt, welche den ge-
sammten Theilen der Alterthumswifsenschaft durch das neu belebte, zu-
nächst durch die Herausgabe des Corpus inscriptionum Graecarum getra-
gene Studium der griechischen Epigraphik zu gute gekommen sind, so
wird dasselbe in nicht geringem! Grade von einer sorgfältigem Beschäf-
tigung mit lateinischen Inschriften erwartet werden dürfen, zumal
wenn das unglückselige Fatum , welches alle die verschiedenen Ver-
suche und Anläufe zur Herausgabe einer vollständigen Sammlung der
lateinischen Inschriften bisher vereitelt hat, endlich versöhnt werden
sollte. Wenn nun bei der jetzt noch so erschwerten Ueber»icht des
ßo reichlich vorhandenen Materials und bei der vielen unmöglich ge-
Zell: Handbuch der römisclieii Eitigraphik. Iv Tlieil. 153
machten Benutzung der gröfseren Saninilung^cn lateinischer Inschriften
(von Unbequemlichkeit des Gebrauchs rede ich absichtlich nicht, in-
dem wifsenschaftlicher Ernst vor dergleichen Hindernissen nicht zu-
rückschreckt) die OrcUische Cüllcclio ihre beabsichtigte grofse Wir-
kung nicht verfehlen konnte , so wird auch dem vorliegenden Werke
in dieser Hinsicht ein gutes Augurium gestellt werden müfsen, trotz-
dem dafs gerade das Bemühen des Herausg. demselben durch ßeque-
mung an ein durch leichtere Studien verwöhntes Publicum einen
wesentlichen Nutzen entzogen haben sollte. Auch wird es dem vor-
liegenden Werke in seinem Verhältnis zu dem Orellischen keinen
Eintrag Ihun, dafs dieses 5076 Inschriften enthält, jenes nur 1974
(man hat in Bausch und Bogen die Zahl sämmtlicher vorhandenen In-
schriften in neuerer Zeit auf 60000 berechnet), da die Aufnahme in
der Zellschen Sammlung durch bestimmte Grundsätze bedingt ist,
durch deren Befolgung die Aufstellung eines epigraphischen Systems
bezweckt wird, was in derselben Weise bei jenem Werke nicht beab-
sichtigt war. Aufserdem sind nach Hrn. Zells Plan die christlichen In-
schriften ausgeschlofsen, was bei Orelli nicht der Fall ist. Uebrigens,
abgesehen von der Wichtigkeit der Unternehmung an sich, gerade
weil der Gegenstand auf einen wifsenschaftlichen Standpunkt von
vorn herein gestellt wird, wird man zu um so gröfseren Ansprüchen
an Gediegenheit der Leistung sich berechtigt erachten dürfen, welche
sich durch den Umstand noch um so höher steigern, dafs der Hr.
Herausg., wie er uns in der Vorr. S. VI selbst erzählt, sich mit dem
Gedanken an die Herausgabe eines solchen Werkes schon vor vielen
Jahren, als er noch eine Professur in Freiburg bekleidete, beschäf-
tigt*) und diese Studien auch unter veränderten Verhältnissen nie aus
den Augen verloren hat. In wie weit nun ein unter solchen Umstän-
den entstandenes und eine bestimmte Stellung in der Wifsenschaft an-
sprechendes Werk gerechten Erwartungen entspreche, wird die fol-
gende Beurtheilung darzuthun sich bemühn, welche um so unbefange-
ner sein kann, als ihr Verfafser nie den Gedanken an die Herausgabe
eines ähnlichen Werkes gehabt hat.
Das ganze auf zwei Bände berechnete Werk, von welchem jetzt
der erste vorliegt , der andere aber in kürzester Zeit nachfolgen soll,
beabsichtigt nach dem in der Vorrede ausgesprochenen Zweck nicht
sowohl in der Mittheilung auserwähller Inschriften Proben von den ver-
schiedenen Formen, in welchen sich die lateinische Epigraphik be-
wegt, zu liefern, als vielmehr durch Mittheilung dieser eine Ueber-
sicht der Epigraphik selbst zu geben, wornach dieser erste Theil zu
dem zweiten eigentlich nur in das Verhältnis einer Materialiensamm-
lung zu stehen kommt. Neque cero ^ heifsl es S. V, solum emsmodi
*) Vergl. auch die von ihm jetzt nicht angeführte Comin. de
Claud'd imp. oratione super civitate Gallis danda (Freiburger Lec-
tionsverz. Sommerhalbj. 1833), welche jetzt jedoch nicht eingesehen
werden kann.
154 Zell : Handbuch der römischen Epigraphik. Ir Theil.
inscriptiotmm delectiis apud 710S desiderabatur, sed etiam opus nli-
quod^ qtio litterarum sludiusis via ad duclrinam epkiraphicae , quae
dicitiir, Romanae percipiendam patefteret et munirelur, quäle in
Graecis litteris Franzio nunc debemns, womit zu verbinden S. VI:
Continet igitur hoc enchiridium bina voIumina^ qnorum priiis Vo-
lumen Romanarum inscriptionum delectum includit, altemm volumen
brevi subsecuturum succinctam earundem intelliijeudurum et expli-
canduvum doctrinam continet^ qtiam abhinc aliquot annis alio loco
deliueatam proposui^ nemlich in einem längeren Artikel in Paulys
Realencyclopaedie d. class. Alterlliumsw. 1845 unter ^ hiscripliones
Laliuae' S. 184, wo im Eingange der hier in Hede stehende Gegen-
stand näher dahin bezeichnet wird: 'Die römische Epigraphik be-
greift denjenigen Theil der classischen Alterthumskunde, welcher das
Verständnis, die Beurtheilung und die Anwendung der aus dem römi-
schen Alterlhum übrigen Aufschriften und epigraphischen Urkunden
lehrt.' Unmittelbar vorher wird ebendaselbst bemerkt, die Inschrif-
ten seien theils Aiifschriften , und somit nur untergeordnete, erklä-
rende Zugaben zu den Gegensländen , auf und an welchen sie ange-
bracht seien, oder sie seien für sich bestehende, selbständige epi-
graphische Urkunden (Inschriften im engern Sinne des ^^'ortes); fer-
ner theils für die Dauer und zu bleibendem Gebrauch bestimmt, Iheils
nur zu vorübergehenden Zwecken (^inscr. temporariae^; das AVesen
der Inschriften werde demnach durch das Material des schriftlichen
Denkmales bestimmt und zugleich durch ihren Zweck und Inhalt.
\N'enn nun der Hr. Herausg. diese Auffafsung der römischen Epi-
graphik selbst als diejenige bezeichnet, nach welcher er seine Auf-
gabe bearbeitet habe, so dürfen wir auf den Inhalt des jetzt noch
fehlenden zweiten Bandes im voraus einen sichern Sclilufs ziehen,
gewinnen aber auch, >> as zunächst gewünscht werden mufs, jetzt
schon einen Mafsstab zur Beurtheilung des vorliegenden ersten, in
sofern dieser jenen zu Grunde gelegten Principien nach Inhalt, Anord-
nung und Bearbeitung entsprechen mufs. Was nun der Hr. Herausg.
in diesem Bande zu leisten beabsichtigt habe, spricht er S. VII in
den Worten aus: primum ut totum inscriptionum ambituni com-
plecteretur ; deinde ut aptissima quaeque exempla ex tarn inijenti
copia promeret, porro ut aptissimo ordine disponeret ; postremum ut
usuni harum inscriptionum accessariis subsidiis instrueret et externa
tibri conformatione iuvaret. Zu zeigen, in wie weit diesen Punk-
ten, deren Triftigkeit anerkannt werden mufs, vom Hrn. Verf. genügt
worden sei, darin besteht die Aufgabe gegenwärtiger Beurtheilung,
und wir wenden uns ohne weiteres sogleich zur Betrachtung des
ersten.
Bei dem ungeheuren Vorrath des epigraphischen Materials scheint
bei Herausgabe einer Inschriftensammlung die Aufgabe, einer relati-
ven Vollständigkeit nachzustreben , fast leichter zu sein , als aus die-
sem Material die geeigneten Exemplare auszuwählen. Wenn hierbei
Hr. Zell mit Recht den Grundsatz als leitend in Anwendung zu brin-
Zell: Haiidbuch der rüinisclicri EpigTiiphik. Ir Tlieil. 15.')
^en sucht, von allen besonderen Arien der inschrifdiclicn Ueberlie-
lerung- Beispiele zu geben, so dals keine Classe derselben unvertreten
bleibe (vgl. Vorr. S. VII), so \viirde es sich zunächst um die Frage
handeln, in wie weit die in jedem einzelnen Falle getrolfeMe Wahl
eine angeniefsene zu nennen sei. Allein dies ist ein P'eld der Con-
troverse, auf welches wir dem Hrn. Heransg. um so weniger folgen
mögen, als bei dem demselben im allgemeinen nicht zu verweigern-
den Zugeständnis, dafs unter Benutzung der früheren Zusammenstel-
lungen des zusammengehörigen Materials, namentlich der ürellischen
Sammlung, im allgemeinen billigen Forderungen genügt worden sei,
die Erhebung einer Conlroverse über einzelne aufgenommene oder ab-
gewiesene Urkunden theils zu kleinlicli , theils auch bei der Ver-
schiedenheit der Ansicht über das mehr oder weniger bezügliche meh-
renlheils erfolglos bleiben würde. Eine andere Frage aber ist, ob
der ganze Schatz der Ueberlieferung so ausgebeutet worden, dafs
keine Proben der einzelnen Arten vermifst werden. Dafs Ilauptclas-
sen vom Hrn. Herausg. übergangen sein könnten, war weder zu er-
warten, noch kann es als ein Verdienst angerechnet werden. Es mufs
aber in einem Werke, welches bestimmt ist, eine Beispielsammlung
zur systematischen Aufstellung einer ganzen Doctrin zu bilden, auch
solchen Gattungen Uechnung getragen werden, w eichen dem Anschein,
ja selbst ihren epigraphischen Bezügen nach nur eine geringere Be-
deutung zugestanden werden kann. In dieser Beziehung vermifsen
wir bei der in neuerer Zeit so reichlich angewachsenen Classe der
Tesserae theatrales und gladiatoriae, welche S. 60 ff. berücksichtigt
werden, Beispiele von Inschriften, welche Pferden, die bei Wett-
rennen den Sieg davon getragen hatten, gesetzt worden. Vgl. Le
Bas Monuments de l'antiquite liguree. II p. 237 IT. Eine daselbst an-
geführte Inschrift erscheint an einer andern Stelle unter Nr. 879.
Wenn ferner den ^Tilulis honorariis in stiiluis aliisque monumentis
honorariis' auch eine ausführliche Behandlung in einem besondern
Abschnitt eingeräumt worden ist, so vermifsen wir eine besondere
Classe derjenigen Inschriften, welche verdienten und berühmten Män-
nern in später Zeit, oft lange nach ihrem Ableben, errichtet wurden,
und schon im Alterthum unter dem Namen Elof/ia bekannt, unter dem-
selben auch von neuern Epigraphikern, wie Morcelli (dessen Werke
ich leider bei dieser Arbeit nicht zur Hand habe) selbst von Hrn.
Zell in einer besondern, mir jetzt nicht zugänglichen Abhandlung
(vgl. auch denselben in Pauiys Realencycl. a. a. 0, S. 196) berück-
sichtigt worden sind. Vgl. Sylloge iuscr. p. 520. Diese ganze Gat-
tung ist aber von um so gröfserem Interesse, als manche dieser In-
schriften in die Classe der unechten, untergeschobenen verwiesen
worden sind, mit welchem Rechte, wird seine Erledigung in einer be-
sondern Schrift finden, welche eine Untersuchung über die ältesten
epigraphischen Denkmäler der lateinischen Litteratur in sprachlicher
Beziehung enthält, und bald dem Druck übergeben werden wird.
War der Ausschlufs jener Gattung von Inschriften ein absichtlicher.
156 Zell: Handbuch der römischen Epigraphik. Ir Theil.
in sofern der Hr. Heraus^, sich von der absoluten Unechtheit dieser
Urkunden überzeugt hielt, so dürfte er sich eines wesentlichen Mate-
rials entäufsert haben, das zur geeigneten Behandlung eines der wich-
tigsten, aber auch schwierigsten Theile der Epigraphik dienen konnte,
iienilich der Kritik der echten und unechten Inschriften. Ueberhaupt
ist zu bedauern, dafs der Hr. Herausg. diesen Punkt in der jetzt vor-
liegenden Beispielsammlung entweder wenig, oder doch nicht auf
diejenige Weise berücksichtigt hat, durch welche theils seiner Theorie
bereits vorgearbeitet werden konnte, theils auch dem richtigen Ge-
brauche des Delectus für sich genügt werden muste. So erfahren
wir weder bei der Col. Duillia (Nr. 1560) noch bei den Grabschrif-
ten der Scipionen irgend ein ^^'ort über die gegen die relative Echt-
heit einiger dieser Monumente erhobenen Zweifel , welche dem Hrn.
Herausg. nicht unbekannt geblieben sein können , und der unkundige
erhält als haare Münze, was sich beim Ausgeben vielleicht als falsch
erweist. Steht die Ansicht über die eigentliche Beschaffenheit der ge-
nannten und anderer verwandten Monumente auch noch nicht fest, so
muste jedesfalls von dem Herausgeber eines die Epigraphik in ihrem
ganzen Wesen umfafsenden ^^'erks eine auf genauste Untersuchung
gegründete Ueberzeugung vorausgesetzt werden, welche den Hrn.
Zell jetzt schon in den Stand setzte, die erforderliche Auskunft jeder
einzelnen Inschrift beizufügen.
Zu den erhobenen Desiderien füge ich, immer von dem Stand-
punkt, welchen der Hr. Herausg. selbst gewählt hat, ausgehend noch
hinzu, dafs ich auch eine namhafte Berücksichtigung der sog. hiscr.
hiUngues^ auch solcher vermifse, in welchen der lateinische Text mit
griechischen Buchstaben geschrieben ist. Endlich gehört hierher auch
der ^^'unsch, es möchte dem Hrn. Herausg. gefallen haben, die er-
weislich ältesten )Ionumente der lateinischen Epigraphik zu geeigneter
Uebersicht in getreuen Facsimiles zusammen, und am besten an die
Spitze des ganzen Werks in der Weise zu stellen, in welcher das-
selbe mit so auffälligem Nutzen in dem Corpus inscr. Graec. geschehn
ist. Diese Methode gab den besten Ausgangspunkt für eine Epigra-
phik, welche, wenn sie sich nicht auf das chronologische Jloment
stützt, ihr Wesen verkennt und nur Stoff für andere Disciplinen lie-
fert. Der Ausführung des angedeuteten Planes, wodurch allein die
Eigenthümlichkeit der ältesten und überhaupt der lateinischen Epi-
graphik in ihrer unmilfelbaren Beschatfenheit, nach Sprache, Schrift,
Orthographie und Ai)fafsung, zur klaren Anschauung gebracht worden
wäre, trat der vom Hrn. Herausg. in unglücklicher Stunde gefafste
Gedanke entgegen, den Text der Inschriften in moderner Schrift, ohne
Berücksichtigung ihrer äufserlichen Beschaffenheit und Form, ab-
drucken zulafsen, ein Grundsatz, aufweichen ich weiter unten zu-
rückkommen mufs.
Hier, wo es sich im allgemeinen darum handelt, in wieweit die
Aufnahme des Stoffs dem Plane des Delectus entspreche, mufs noch
zweier Punkte gedacht werden. Der erste betrifft den grofsen \^'erth,
Zell : Handbuch der römischen Epigraphik. Ir Tlicil. 157
welchen der Hr. Herauso^. auf die relativ vollständige Aufnahme der
Legaiinscliriften, wie er sie nennt, legt, woniher es p. VII heilst:
lam in hoc nosiro delectu quidquid Hauholdus et Spangenhergius
praeb»nt legum ^ senaliisconsultorum ^ denique tnonumen forum 07nne
genus eodem pertinentiuvi coniungi mvenies^ eaque omnia non uno
loco castigala et pluribus monumentis aucta. Tantum de iis monu-
mentorum legalium generibus, in quibus nihil fere nisi eaedetn for-
mulae soUemnes mutatis nominibus propriis repetuntur ^ non omnia
recepi nee integra ^ sed specimina selegi, ut in tabulis honestae mis-
sionis ., in tobulis hospitalibus , in tabula alimentaria Traiana. Sed
reliquorum generum monumenta legalia, ut leges, senatusconsulta^
acta publica magistratuum urbanorum et municipalium, etiam colle-
qiorum dedi omnia, undique conquisita et optimorum subsidiorum
ope recognita. Die besondere Berücksichtigung, welche diese Ciasso
von Monumenten erfahren hat, rechtfertigt sich durch ihre Wichtig-
keit selbst, obwohl vom epigraphischen Standpunkte aus keiner ein
Vorzug vor der andern zugestanden werden kann, und es wird diese
Zusammenstellung namentlich den Juristen willkommen sein. Aber
wenn einmal diese Classe, man kann wohl sagen bis zur Beeinträch-
tigung anderer, mit solcher Ausführlichkeit behandelt werden sollte,
dann müste der Schritt bis zur Vollständigkeit gethan werden, und
kein bezügliches Monument ausgeschlofsen werden, was nun aller-
dings der Fall ist. Wurde der Begriff der ^ Acta collegiorum non
sacrormn' soweit ausgedehnt, dafs Schenkungen von Privaten an
Collegien darunter aufgenommen wurden, wie dies der Fall mit Nr.
1772 und 1773 ist, so wird der Hr. Herausg. selbst zugestehn, dafs
manche Monumente dieser Art übergangen worden sind. Ja selbst
was die Legalinschriften im engern Sinne des Worts angeht, niufs es
eine Inconsequenz genannt werden, dafs, da hier und da Monumente
aufgenommen worden, welche nicht mehr im Original vorhanden, son-
dern uns nur durch gelegentliche Aufbewahrung bei alten Schriftstel-
lern bekannt geworden sind , diejenigen Fragmente der XII Tafeln,
deren Text wörtlich citiert wird, ausgeschlofsen worden sind.
Die letztere Bemerkung führt von selbst auf die Erörterung des
andern Punktes, bei welchem ich mich in entschiedener Meinungsver-
schiedenheit mit dem Hrn. Herausg. befinde. Wenn nemlich hier und
da, wohl zur Vervollständigung solcher Gattungen, für welche der
Vorrath von Steinschriften zufällig nicht ergiebig ist, Urkunden auf-
genommen werden , welche nicht unmittelbar von Steinen herrühren,
sei es dafs diese jetzt nicht mehr vorhanden, oder auf uns nur durch
die Nachrichten bei alten Schriftstellern gekommen sind (vergl. vor-
nehmlich S. 298 ff.), so mufs ich gegen die Aufnahme letzterer in einem
der Epigraphik gewidmeten Werke protestieren , weil diesen gerade
dasjenige Kennzeichen, welches sie zu epigraphischen Monumenten
macht und zu epigraphischem Gebrauche befähigt , abgeht. Ur-
kunden dieser Art mögen und können als Auf- und Inschriften exi-
stiert haben, obwohl dies nicht einmal in allen Fällen nachweisbar ist;
158 Zell: Handbucli der römischen Epigraphik. Ir Tlieil.
allein die Art der Ueberlieferung- entzieht ihnen das epigraphische JIo-
ment, indem man sich mittelst derselben wohl über den Inhalt einer sol-
chen Urkunde, auch über die Form des gewähllen Ausdrucks, falls im
glücklichen Falle derselbe durch die Handschriften fehlerlos und rein
wiedergegeben wird, niemals aber über die äufserliche BeschalTen-
heit, in welcher das 3Ionuinent existierte, nach Schriftweise, Anord-
nung des ganzen und Gestaltung, unterrichten kann. Der Inhalt einer
Inschrift steht zur Epigraphik in keiner Beziehung: der Ausdruck ist
Sache der Sprache und des Stils. Die Epigraphik als solche ist aber
nicht im Besitz eines besondern Ausdrucks , sondern sie bedient sich
der Sprachmittel, welche überhaupt zur Bezeichnung des Ausdrucks
für die Mittheilung dieses oder jenes Gedankens gefunden und über-
all vorkommenden Falls, glcichgiltig ob etwas epigraphisch zu be-
handeln war oder nicht, in Anwendung gebracht wurden. Gerade alles
dasjenige, was zu den Eigenthümlichkeiten der Epigraphik gehört und
oft durch die Mitlei der Darstellung, deren sie sich bedient, bedingt
ist, wie z. B. Abkürzungen der Wörter, Verzierungen und anderes,
geht in solchen Abschriften verloren, und es ist eine Unmöglichkeit
sich die Originalgestalt einer solchen Urkunde wieder zu vergegen-
wärtigen. Im Gegentbeil da im Verlauf der Ueberlieferung die Texte
nicht nur vielfach verdorben worden, sondern die Schriftsteller bei
ihrer Anführung in der Kegel ganz andere Zwecke hatten, als uns ein
epigraphisches Instrument zu überliefern, so sind diese Urkunden ge-
wöhnlich in einer incorrecten , überarbeiteten, selbst absichtlich oder
unabsichtlich verslümmelten Gestalt auf uns gekommen, von welcher
die Epigraphik in der Regel keinen oder nur einen sehr bedingten
Nutzen zichn kann. Wollte man dieser Art der Ueberlieferung Auclo-
rität beimefsen, so würde man sich rücksicbllich der ursprünglichen
Form jedes einzelnen Monuments grofser Täuschung aussetzen, wie
wenn man z. B. annehmen wollte, dafs das Senatusconsultum de phi-
lusuphis et de rhetori/nts bei Sueton dar. rhet. 1 und Gellius XV, 11,
welches unter Nr. 1698 mitgetheilt wird, uns vollständig überliefert
wäre; vielmehr theillen jene Schriftsteller aus dem SC. den zur Sache
gehörigen Theil auszugsweise mit, um den vollständigen AV'ortlaut
der Urkunde unbekümmert. Wozu soll, fragt man billig, die Millbei-
lung eines Stücks der Praefatio von dem Tifulus triumpbalis des Cn.
Pompejus bei Plin. N. H. VII, 27 dienen , da wenigstens Morcelli durch
den vorgeschlagenen Wiederherslcllungsversuch andeutet, dafs der
\\'orllaut der Urkunde von Flinius umgeslallet worden sei? Und wenn
nun diesem Stücke noch die Worte C». Pompems Cn. F. Macinus reip.
als Ergänzung hinzugefügt werden , so Aveifs man mit diesem Zusatz
gar nichts weiter anzufangen, ganz abgesehn davon, dafs das Monu-
ment einen solchen Anfang nicht liaben konnte. Ein anderer, densel-
ben Pompejus betreffender Titulus, welchen unmiltelbar vorher Plinius
aufführt, wird unter Nr. 70 mitgeliieill, wobei wir aber nicht erfahren,
dafs es die Aufschrift eines der Minerva ^ ex manuhiis^ errichteten
delubrnm war, was zur Rechtfertigung der Stellung dieser Inschrift
Zell : Handbuch der römischen EpigraphiU. Ir Theil. 159
an diesem Orte erforderlich g-ewesen wäre. So erhalten wir unter
Nr. 1836 das aus Suelon hekannle Veni Vidi Vici, das nicht in der
geringsten Beziehung zur Epigraphik steht und nur Interesse für Cae-
sar und die Kenntnis der Triumphalgebräuche hat. Endlich warum
wurde übergangen, wenn einmal Urkunden dieser Art nicht ausge-
schlofsen wurden, die in geographischer Beziehung so wichtige ^in-
scriptio e tropaeo Alpium' bei Plin. 111, 20, deren Echtheit nicht be-
zweifelt wird?
Gehn wir jetzt zu dem zweiten Hauptpunkt über, welcher die
Disposition der einzelnen Inschriften und Anordnung des ganzen Ma-
terials betriirt, so äufsert sich der Hr. Verf., nachdem er das unge-
nügende in den frühern Sammlungen berührt hat, über die von ihm
selbst eingehaltene neue Methode p. VIII also: Primum quod ad
oraliuiüs f/enus attmet, omnes inscripliones aut prosa oratione aut
versihus conscriptae sunt, ut continuo in has binos partes segregen-
tur. Utriusque autetn partis inscr/pttoncs^ si sunimum argnmenli et
propositum cuiusque spectamus , aut ad sacras res perttnerif , aut ad
prufauas: profanae inscriptiones aut publicae sunt ^ id est, ad rem
puhlicam pertinentes et publica auctoritate conscriptae, aut privatae,
id est, ad vitam privatam pertinentes, et a privatis profectae. In-
scriptiones publicae r^irsus aut ad civilia rei publicae instituta aut
ad mililaria spectant; ideoque civiles sunt aut miiitares. Unum quod-
que horum generum suas sibi species stibiectas continet, pro rerum
varietate diversas. Singula autem et genera et species has binas
sectiones complectuntur , titulorum et tabtilarum, quum omnes in-
scriptiones rel aliis rebus tanquam accessiones et appendices addan-
tur , ut aedificiis, sfatuis, vasis; vel per se conslent et sola scriptura
duriori materiae insculpta contineantur ; quarum priores titulos, po-
steriores tabulas vocamus. Dieser lichtvollen Auseinandersetzung,
welche ganz auszuschreiben Mir nicht umgehn konnten, wird niemand
im allgemeinen seine Anerkennung versagen können, und wenn der
Hr. Herausg. bemüht gewesen ist, nach jener natürlichen Beschaffen-
heit des Stoffs die Anordnung des Ganzen nach seinen Theilen zu
treffen, so Avird dieses Streben nur Lob verdienen. Nur möchte der
streng beobachtete Unterschied zwischen tabula und tilulus, der nicht
einmal nach dem Sprachgebrauch ganz fest steht, in jenes Ordnungs-
princip nicht überall passen, wie er nun auch durch Zerreifsung sonst
zusammengehöriger und verwandter Monumente manigfache Störung,
wie sich zeigen wird, hervorgebracht hat. Betrachten wir aber nun,
wie jene Anordnung, welche nur die allgemeinsten Lineamente des
Ganzen enthält, in der Wirklichkeit zur Ausführung gebracht worden
ist. Es wird sich hierbei zeigen, dafs ein a priori construiertes Sy-
stem, wie das des Hrn. Verf. ist, wenn es zur Anwendung auf das
einzelne kommt, weder consequent durchgeführt werden kann, noch
der Aufgabe, in gesichteter Ordnung den gesammten Stoff zu vertheilen,
entsprechend ist.
160 Zell: Handbuch der römischen Epigraphik. Ir Theil.
Ehe wir zur Sache selbst übergehn, wird die Bemerkung zur
Charakterisierung der Sorgfalt, mit welcher überall die Vertheilung
der einzelnen Inschriften geschehn, nicht überllüfsig sein, dafs, wenn
mit Recht die poetischen von den prosaischen ausgeschieden und jene
in einem zweiten besondern Theile ihre Stelle gefunden haben, dies
Verfahren doch nicht streng eingehalten worden ist, indem Nr. 706
Nardu poeta Pudens hoc tegitur tumulo , welche dem prosaischen
Theile zugewiesen ist, aus einem Pentameter besteht, welcher als
solcher schon aus dem abgekürzten Nardu sammt der ganzen Wort-
stellung erkannt werden konnte, und auch als solcher längst aner-
kannt worden ist. Es würde dieses Versehn vermieden worden sein,
wenn es der Hr. Herausg. der Mühe werth erachtet hätte, sich über
den genannten Dichter Pudens Nardus näher zu unterrichten und na-
mentlich zu berücksichtigen , was der Verf. dieser Anzeige schon im
J. 1828 in diesen Jahrb. Bd. VUI S. 65 f. über diese Inschrift commen-
tiert hat. Es würde derselbe darauf keinen Werth legen und die Sache
unberührt gelafsen haben, wenn nicht die damals ausführlichst ent-
wickelte Ansicht bei andern, namentlich bei Weichert volle Anerken-
nung gefunden , welcher es für angemefsen erachtet hat, dieselbe in
vollständigem Auszuge in seine Schrift De Domitio Marso poeta
(Poet. Latinor. reliq. p. 254) aufzunehmen. Vergl. Gervasio Osservaz.
sulp iscrizione di Mavorzio Lolliano p. 33.
Dafs die Inscripliones sacrae die erste Abtheilung bilden, wird
niemand misbilligen. Das erste Capitel enthält: ^ Tituli in aedihus
locisque sacris , aj'is , siynis donariis'', das zweite Tabulae ^ im Ge-
gensatz der Tituli. Diese Capitel zerfallen nun wieder in Unterab-
theiliuigen, von welchen §. 1 des zweiten üedicationes ^ namentlich
von nrae enthalten, ganz wie dergleichen §. 4 des ersten Capitels
vorkommen. Zu dieser Unterscheidung mag den Hrn. Herausg. der an-
genommene Unterschied von (abulae und tiluli bewogen haben , und es
scheint derselbe die Inschriften 361 und 362 für tabulae gehalten zu
haben, während diese Inschriften recht gut als Aufschriften der ge-
weihten arae angesehn werden können, und Nr. 361 zugleich der arae
und der tituli Erwähnung geschieht. So wird also was zusammenge-
hört auseinandergerifsen. Das dritte Capitel, welches in 13 §§. zer-
fällt, enthält die ^Tituli sepulcrales', und §. 12 sogar ^Animalium
epifaphia.' Aus welchem Grunde diese ganze Classe den hiscr. sacris
zugetheilt worden, vermag ich um so weniger einzusehn , als ein
grofser Theil dieser Inschriften aufser aller Beziehung auf göttliche
Dinge steht. Das Begraben, wenn es nicht ein funus publicum war,
war in der Hegel Sache eines Privaten und gehörte lediglich zu den
rebus domesticis^ wobei die Empfehlung an den Schutz einer Gottheit,
wenn eine solche stattfand, nur ein secundäres Moment abgab. —
Zu dieser Classe noch die Bemerkung. Den Heigen des §. 4 ' Profes-
sionuui liberalium et opißcum' der Sepulcralinschriften eröffnet der
Hr. Herausg. mit der pisaurischen Inschrift 684: S. Accii Pisaur.
einer es^ in operculo civerario. Fragt man nach dem leitenden
Zell: naiuUnich der römisclieii Epigraphik. Ir Tlieil. 101
Grundsatz, welchem dielnsohrift diese Stelle verdankt, so wird man dar-
über aus einer von Ür(dli enllehnlen Anmerkung belehrt: Oliverius halte
nemlich den erwähnten Aceius für den gleichnamigen Hedner gehalten,
^ sed hoc incerlissimum^ ivaxime prupler (jenitivurn in duplex i exe-
imtem', wie hinzugefügt wird. Wenn nicht andere Gründe vorhanden
wären, würde letztere Bemerkung Mcnig austragen; wenn es aber
nun wirklich so ungewis ist, hier den Hedner anzuerkennen, wie soll
die Aufnahme dieser Inschrift gerechtfertigt werden, in welcher nicht
einmal eine Andeutung enthalten ist, dafs sie zur Classe der professio-
tiiim liberalem gehören könne? \^ enn es sicii um Aufführung sol-
cher 3Ionumente handelte , konnte Ilr. Zell um augcmefseuere Beispiele
nicht in Verlegenheit sein.
Die Inscr. profanae , welche auf die sacrae folgen, zerfallen in
die Hauptabtheilungen publicae civil.es, publicae viilitares und priva-
tae , deren jede wieder aus verschiedenen Unterabtheilungen besteht.
Diese Abtheilung, welche den Hauptbestaudtheil der ganzen Sammlung
ausmacht, wird wiederum nach dem mit demselben Erfolge in Anwen-
dung gebrachten Unterschiede der tabulae und tituU angeordnet, was
nicht genug beklagt werden kann. Um das Material eines Gegenstan-
des übersehn zu können, wird man genölhigt, dasselbe von verschie-
denen Stellen herbeizuschaffen. Ferner wird innerhalb der einzelnen
Sectionen wieder ungehöriges zusammengemengt und einzelnes ohne
Ordnung durcheinander geworfen. Zum Beleg dieser Behauptung mag
nur des ersten Capitels {^ Tituli operum publicortim nun sacioru?n')
§ 1 (m urbe) verglichen werden, wo in die Mitte von Inschriften,
welche sich auf die Wiederherstellung von Wafserleitungen beziehn,
fremdartiges eingeschoben wird, wie Nr. 1187 (Aufschrift eines Obe-
lisken), und ebenso gleich in der Folge. Ueberhaupt in Betreff der
Wafserbauten, über welchen Gegenstand unsere Quellen gerade sehr
reichlich fliefsen, mufs das zusammengehörige von allen Enden zusam-
mengesucht werden: eine Uebersicht derselben wird dadurch sehr er-
schwert, dafs nach der vom Hrn. Herausg. beliebten Anordnung die
aedificia Sacra von den non sacris unterschieden werden. Betrachten
wir ferner desselben Capitels §. 2, wo schon die Ueberschrift dessel-
ben: '/w aedificiis publicis Italiae et provinciauim ; tituli respectu
getieris aedificiorum non habilo ; filuli sectindum aedific/orum publi-
corum genera dispositi' eine leichte Uebersicht des Stoffes nicht er-
warten läfst. Abgesehn davon, dafs die durch ^respectu non habitd'
angedeutete Unterscheidung nicht recht angemefsen erscheint, b'eginut
der §. mit 2 Inschriften 1237 und 1238, aus deren Inhalt nicht zu er-
sehn ist, ob sie sich überhaupt aui' aedificia bezogen haben: sie kön-
nen ebenso gut blofs den Erwerb von Localitäten , Grundstücken be-
treffen, wie namentlich das in der erstem befindliche emerunt zu
deuten erlaubt ist nach Nr. 1327. Die darauf folgenden Inschriften be-
ziehn sich nun allerdings auf Baulichkeilen: wer wird aber nun von
Nr. 1249 an Ziegeln aus Sumlocene mit der Aufschrift SVMLOC oder
C, SVMLOCENE erwarten, inmitten der Aufführung grofser und eigeat-
iV. Jahrb. f. Phil. u. Pued. Brf. LXVU. Uft. 2. 11
162 Zell: Ilandhucli der römischen Epigrapliik. Ir Tlieil.
lieber Bauwerke? Sollte der Ziegeln liier Erwäliiuing g-eschelin, so
hätten sie doch wohl am Schlufs des §. eine geeignetere Stelle ge-
funden.
Das zweite Capitel , welches unter der allgemeinen Rnhrik * 7*«-
bnlae'' in verschiedenen Ablheilungen die sog. Legalinschriften um-
fafst, gestaltete eine leichtere Anordnung, indem Leges im engern
Sinne, von welchen ausgegangen wird, tienafus consuHa ., Edicta^ Re-
scripla, Decreta, Senlentiae etc. geschieden werden. Nur möchte es
die Uebersicht erschweren, dafs zu den ^'sij. l und 2, in welchen die
Leges und Senatus cotisnlta enthalten sind, im §. 3 eine ''Appendix
legum et senatus consultorttm in codicihns Ms. separalim vel opud
veter es scriptores servalorvm'^ falls solche Monumente nun einmal
aufgenommen werden sollten, nachgeschoben wird, was auch wieder
zu dem "J^. 4, welcher die ^Edicta imperatornm et Eescriptn' enthält,
in 'i^. 6 geschieht. Sollte aber durch Aufnahme solcher Urkunden,
welche, weil sie nur in unsichern Texten vorliegen, epigraphischen
Zwecken wenig dienen, den Ansprüchen auf Vollständigkeit für anti-
quarische und juristische Zwecke genügt werden, dann würde meines
Erachtens eine Anordnung aller einschlägigen Monumente nach der
Zeit innerhalb jeder Classe angemefsener gewesen sein. Mit welchen»
Rechte übrigens mitten unter den Senatusconsulten p. 294 des Kaiser
Claudius oratio de cicitate Gallis davda eine Stelle gefunden hat,
vermag ich nicht einzusehn. Ferner Avenn schon oben beklagt wurde,
dafs nach der zu fein zugespitzten Anordnung so manches dem Gegen-
stand nach zusammengehörige voneinander gerifsen worden, so fühlt
man diesen Uebelstand in dieser Classe am meisten. So werden die
beiden von Sneton dar. rhet. 1 und Gelliiis XV, 11 mitgelheilten Vor-
bote gegen die Philosophen und Khetoreu, weil das eine ein senatus
consulfum, das andere ein edietum censorium ist, an zwei weit aus-
einander liegenden Stellen mitgelheilt, Nr. 1698 und 1725. Ebenso,
ans gleichem Grunde, die lex Quinctia Nr. 1697 und die senatus con-
sulta ad aquarum curam pertinentia 1702, beide aus Frontin entlehnt.
Und will man dazu das denselben Gegenstand betrelfcnde Gesetz aus
Venafrum, eigentlich die einzige Urkunde, welche im Original aus
dieser Classe vorliegt, vergleichen, so mul's man es unter den ^ Actis
pub/icis municipioruni' unter Nr. 1756 aufsuchen. Zu dieser Inschrift ist
beiläufig zu bemerken, dafs sie bei Hrn. Zell nur unvollständig so weit
mitgetheilt worden, als sie im Jahre 1846 bekannt war, da, um sie zu
vervollständigen, der Jahrgang 1850 des Bull. delP inst, arch., wo sie
p. 44 ganz, so weit es die Beschalfenheit des Steines erlaubt, ver-
ölfenllicht wird, wohl beim Druck des Werks noch nicht in die Hände
des Heransg. gekommen war. Endlich da der Hr. Herausg. grofsen
Werth auf eine möglichst vollständige Uebersicht und Zusammenstel-
lung aller Legalinschriften legt, so wäre der unter den Inscr, sacris
aufgeführten lex collegii Dianae et Antinoi Nr. 382 eher hier ihre
Stelle zu gönnen gewesen.
Es würde zu weit führen den übrigen Theil des ersten (prosai-
Zell: Handbuch der romiscluMi Epigrapliik. Ir Tlicil. 168
sehen) Hauptabschnittes nach allen seinen Unlerablheilungen zu verfol-
gen, und wir gönnen lieber dem zweiten, poetischen Theile noch einige
Worte. Bei der gar nicht in Zweifel zu stellenden, vorwiegenden
Wichtigkeit vornehmlich der ötrentlichen Slaalsurkunden, welche in
dem ersten Theile behandelt worden, wird doch schon die jedem
gleich in die Augen fallende Thatsaciie, dafs, während dieser ganzen
Classe 429 Seiten gewidmet sind, jene mit 13, sage dreizehn abgefer-
tigt wird, auffallend erscheinen. Müfsen auch in den gegenwärtigen
Zeitläuften die Musen sich an eine stiefmütterliche Zurücksetzung ge-
wöhnen und sich noch bedanken, dafs man sie nicht ganz im Staate
zur Thür hinausweist, so sollte ihnen doch ihr Recht in einem Werke
nicht verkümmert werden , das ja zunächst für solche geschrieben ist,
welche die Beschäftigung mit der Psyche des Menschen höher als die
mit der Materie stellen. So arm und unergiebig ist die epigraphische
Poetik der Lateiner doch nicht, dafs man glauben könnte der Sache
zu genügen, wenn man 53 Inschriften auffüiirt, gegenüber 1921 der
andern Abtheilung. Sollten buchhändlerische Rücksichten diese Be-
schränkung veranlafst haben , so können wir diese Entschuldigung um
so weniger annehmen, als, wenn es an Raum gebrach, dieser recht gut
durch Weglafsung mancher prosaischen Inschrift hälfe gewonnen wer-
den können. Der Hr. Herausg. wird gewis dieses MisverhäUnis selbst
fühlen und bei seiner Kenntnis von dem Umfange der epigraphischen
Litteratur am wenigsten um eine Vermehrung des Materials verlegen
sein. Das Princip, wonach das nun jetzt gegebene geordnet wird,
ist dasselbe wie in der ersten Abtheilung, und namenilich begegnen
wir hier unter den Inscr. sacris wieder den sepulcralilms , w eiche
nach den Anfangsbuchstaben alphabetisch geordnet sind , jedoch so,
dafs die Grabinschriften der Scipionen für sich zusammengefafst wer-
den. Letztere konnten in einer Sammlung, wie die vorliegende ist,
allerdings nicht übergangen werden, obwohl sie in vielen Abdrücken
zugänglich sind und selbst ihren Platz in Grammatiken gefunden haben :
es wäre aber diesen Monumenten bei ihrer aus vielen Gründen ganz
besondern Wichtigkeit eine eingreifendere Behandlung zu wünschen
gewesen, worüber ich hier mich zu erklären unterlafse, da sich dazu
bald anderswo Gelegenheit finden wird. Angemefsen ist die gleich-
zeitige Aufnahme mehrerer der ältesten Inschriften dieser Classe,
einiger in saturnischem Versmafs (1922. 1923), nur dafs auch hier
wieder eine selbständige und genauere Bearbeitung derselben ver-
mifst wird. Auch diese Inschriften lafsen wir, wie die der Scipionen,
aus demselben Grunde unberührt, und bedauern vielmehr, dafs es der
Hr. Herausg. verschmäht hat, der ausgearteten Poetik in späterer Zeit
ihr Recht wiederfahren zu lafsen, wovon einige Proben die Uebersicht
dieser epigraphischen Gattung in ihrem allmählichen Verlauf zum Ab-
schlufs gebracht haben würden. Audi linde icii unberührt, wenigstens
nicht ausdrücklich vertreten, eine Form des poetischen Sepulcralaus-
drucks, welche wegen ihrer Eigenthümlichkeit besondere Aufmerksam-
keit verdient und als eigne Classe behandelt werden konnte, insofern
11^
164 Zell: Handbuch der römischen Epigraphik. Ir Theil.
sie den epigraphischen Ausdruck auf eine neue Weise charakterisiert,
nemlich solche Inschriften, welche ebenso sehr der poetischen als der
prosaischen Form angehören, indem beide Ausdrucksweisen miteinander
vermischt sind, und während sie eigentlich vielleicht als Werke der
Prosa gelten sollten, dennoch metrische Elemente in sich aufgenom-
men haben, welche als zum Theil übliche Formeln des poetischen Se-
pulcralausdrucks sich wie von selbst darboten. Als Beispiel gelte
Nr. 700, wo sich die Schlufsworte von selbst in einen ianibischeu Se-
nar zusammenfügen :
Bene valeat is qui hoc titulum perlegü meum,
eine Phrase , welche ich in derselben Fafsung mich auch anderswo
entsinne gelesen zu haben. Es ist auch wohl nicht Zufall, dafs sich
der vorhergehende Text der Inschrift, wenn man nur keine strenge
Metrik verlangt, sich auch dabei einen Siebenfüfsler gefallen läfst
(nicht ungewöhnlich zwischen iambischen Senaren) in Verse derselben
Gattung auflöst:
sine Ute sine rixa sine conlroversia
sine aere alieno , amicis fidem bonam praestiti^
peculio pauper, animo divitissimus.
Jedesfalls nuiste der metrische Anklang dieser Inschrift an seiner
Stelle nicht unangemerkt bleiben. Freilich ist diese Composilion der
Inschrift auch Orelli entgangen, aus welchem der Hr. Herausg. wohl
die Inschrift ohne weiteres Bedenken entnommen haben mag. Ein ob-
wohl viel geringerer metrischer Anklang ist, beiläufig gesagt, in
der im Bull. delP inst. arch. 1850 p. 153 veröffentlichten (wenn nur
echten) Inschrift nicht zu verkennen.
Wir kommen zu dem letzten , bei gegenwärtiger Anzeige in Be-
tracht zu ziehenden Punkt, nemlich zu der BehandUnigsweise, welche
bei der Mittheilung des Textes jeder einzelnen Inschrift zu Grunde ge-
legt worden ist, und wenden uns zuerst zu der äufsern Form, in wel-
cher die Inschriften vorgelegt worden sind. Kaum traut man, wenn
man das Buch aufschlägt, seinen Augen, wenn man den Text der In-
schriften in 3Iinuskelschrift, in fortlaufender Schrift, ohne Absetzung
nach den Zeilen, ja selbst ohne Andeutung eines Zeilenabsatzes, was
doch selbst Orelli für nöthig erachtet hatte, ohne Angabe aller son-
stigen Beschalfenheit und Eigenthünilichkeit jedes einzelnen Monuments
wiedergegeben sieht, und zwar in einem Werke, welches sich die
Aufgabe gestellt hat, eine lateinische Epigraphik nach Art des Franzi-
schen Werks über griechische Epigraphik zu sein. Noch unbegreif-
licher aber ist es , wenn mau dieses schon oben gerügte Verfahren als
die richtige Methode, welche bei dem Wiederabdruck von Inschriften
einzuhalten sei, gerechtfertigt sieht. Sed haec ipsa res, sagt Hr.
Zell p. IX , mihi qnidem et. ad rectam rationein et ad usum accom-
niodata esse nidehatur. Nempe ornnino duplex est exemplorum Co-
dices et monumenta iitterata reddentium genus , prent vel accurutae
critices subsidia et rationes vel commnneni legentium cotnnioditatem
et populärem iisum respexeris ; quorum all er um oriyinariam scrip-
Zell: Handbuch der römischen Ej)ig:raphrk. Ir Theil. lö.')
hirnm exacta imitafione expr/mat nccesse est ^ nllerum verhornni et
lillerarum substantium fide/iler reädere satis habet etsi cumiuunibus
et consuelis lyporum formis. Tertium genus medium quod exacta
scripturarum imitatione careat idemque a communi formarum con~
suetudt'ne recedat , ueufri parti satisfacil: nam iieque criticae sub-
tiiitati inservit et a populari legentium usu et commoditale alienmn
est. lam hoc ipsnm tertium genus neulri parti accommudatum ple-
rumque in antiquis inscriptionibus edendis usurpatur^ dum litterarum
maiuscularum sive capitulium furmas typographicas adhibent, quae
neque ipsnm mounmentoriim svripturam plane exprimant et legentium
ocu/os murentur. Deswegen verwirft der Hr. Herausg-. die Anwen-
dung dieses drillen Genus, ^ alter i huius o, eris vo/umini tabulas li-
thographicas additurus , quibus antiquae diversorum generum et ae-
tatum inscriptiones accuiatissime ad archetijpum expressae reprae-
sentarentur.* Diese Zugabe, welche jenem Uebelstande abzuhelfen
bestimmt ist, wollen wir mit Dank annehmen, glauben aber, es wäre
für die Bequemlichkeit der Leser, welche dem Hrn. Herausg. so mafs-
gebend gewesen ist, befser gesorgt gewesen, wenn diese Tafeln
gleich dem ersten Bande beigegeben worden wären. Auch fürchten
wir, wenn dieselben ein genaues Facsimile der einzelnen Inschriften
enthalten sollen, wie ja verheifsen wird, es dürfte die Zahl bei der
Schwierigkeit, die Originale selbst benutzen zu können, so gering
ausfallen, dafs der gröfste Theil der ganzen Sammlung leer ausgehn
werde. Wenn aber auch dem Hrn. Herausg. in dieser Beziehung be-
deutendere Mittel, als wir annehmen zu dürfen glauben, zu Gebote
stehn , so wird man sicii dennoch bei der grofsen Mehrzahl der in die
Sammlung aufgenommenen Inschriften mit dem Texte begnügen müfsen,
welcher in dem ersten Bande geliefert worden ist, was für einen gro-
fsen Uebelstaud gehalten werden mufs. Jede Copie soll ja nur ein
Mittel abgeben, das Original so treu als möglich vor unsere Anschau-
ung zu bringen; durch Hrn. Zells Methode wird aber dem Monumente
gerade dasjenige charakteristische entzogen, was dasselbe zum Ge-
genstand der Epigraphik macht. Es bleibt unserer Kenntnis entzogen,
in welcher Form die Inschrift abgefafst, in welche Zeilen der Text
verthcilt, ob die Schrift einer Zeile gröfser als die andere, ob und
wie die einzelnen \^'orfe voneinander getrennt, ob durch Interpunc-
tion , und durch w eiche , wovon sehr oft die Annahme oder Abwei-
sung von Lücken abhängt, ob einzelne Buchstaben zu einem Zug ver-
schlungen sind, und was sonst alles für verschiedene Eigenheiten der
äufserlichen Beschalfenheit die Inschrift charakterisieren, alles Punkte,
welche wesentliche Theile der Epigraphik ausmachen, und ohne deren
Kenntnis das Urtheil über einzelne Monumente sehr erschwert, unter
Umständen ganz unmöglich gemacht wird. Allerdings wäre zu wün-
schen, dafs von jeder Urkunde ein Facsimile gegeben werden könnte,
damit dem ersten Genus, das der Hr. Herausg. aufstellt, genügt wer-
den könne. Dies verbietet sich aber schon aus dem Grunde von selbst,
dafs von unendlich vielen Inschriften, und selbst solchen, welche den
160 Zell: Handbuch der römischen Epigrapliik. Ir Theil.
bedeutendem zugezählt werden niiifsen, die Originale gar nicht mehr
vorhanden sind. \> eun man also einmal sich früher gemachter Copien,
welche die Inschriften nur nach ihrer allgemeinen BeschalTenheit wie-
dergeben, bedienen nuil's , so wird es auch bei unbedeutendem, wenn
auch die Steine noch vorliegen, nicht überall auf eine absolut genaue
Nachbildung des Originals ankommen, und der etwas mit der Epigra-
pliik vertraute wird im Stande sein, aus einer leidlich getreuen Co-
pie in Lapidarschrift in den meisten Fällen sich ein Bild von dem
Original insoweit entwerfen zu können, als es zur Beurtheilung des
Monuments erforderlich ist. Kann man nun auch nicht das höchste er-
reichen, so wird sich doch hier der Wahlspruch erweisen, die Hälfte
sei befser als das Ganze, und es kommt nur auf eine geschickte Be-
handlung an, um dem Auge vieles zu vergegenwärtigen, was derje-
nige, welcher Inschriften gebrauchen will, kennen mufs. Zur mög-
lichst genauen Wiedergabe der Schriftzüge, Siglen und mancher ver-
wandter Eigenheiten w ürde der gesammte Vorrath der Monumente nach
gewissen Classen zu ordnen sein, und was längst für die griechische
Epigraphik geschehn und namentlich im weitesten Umfange im Corpus
inscr. Gr., auch in dem Franzischen Werke zur Anwendung gebracht
worden, für diese Classe verschiedene Schriftarten zu beschaffen sein,
w ovon manche charakteristische sich selbst schon in den Officinen be-
finden. ^^ ird freilich hierdurch die Ausführung einer solchen Unter-
nehmung schwieriger, w eilschichliger , kostspieliger, so liegt dies
eben in der Natur eines Werks dieser Art, und wer sicli der Heraus-
gabe eines solchen unterzieht, hat zu berathen, ob die zur Ausführung
unumgänglich erforderlichen Mittel vorhanden sind. Wenn übrigens
Hr. Zell zur Rechlfertiguug der von ihm eingeschlagenen Methode sich
auf das ältere Werk von Fleetvvood (1661) bezieht, welclies als Vor-
bild für eine ähnliche zu veranstaltende Sammlung ja ^^'olf empfohlen
habe (p. X), so hat dabei Wolf, welcher die tabula alimentaria und
das marmor Ancyranum und andere epigraphische Monumente wohl-
weislich in Majuskelschrift herausgegeben hat, gew is nicht die von
dem genannten Engländer in Anwendung gebrachte Minuskelschrift im
Sinne gehabt, was auch aus den p. V angeführten Worten Wolfs gar
nicht hervorgeht. Mit scheinbarerem Erfolg hätte sich der Hr. Ilerausg.
auf dasselbe Verfahren berufen können, welches 3Iai bei Veröffent-
lichung der christlichen, von Marini gesammelten Inschriften einge-
schlagen hat Coli. Vatic. T. V, wenn nicht der Herausgeber selbst
p. XVI ff. dasselbe mehr als eine Sache der Noth, Aveil es an einer
liinlänglichen Menge der erforderlichen Typen gefehlt habe, darstellte
und gewissermafsen zu entschuldigen suchte. Wenn endlich Hr. Zell
sich auf die Bequemlichkeit der Leser und auf den usus popularis be-
ruft, so ist meiner Ansicht nach die Sache bei einer Disciplin, wel-
che für Dilettanten gar nicht vorhanden ist, vielmehr umzudrehn, in-
dem gerade ein solches Werk, wenn es so treu als möglich die Mo-
numente wiedergibt, im Stande ist, nicht nur auf den Ernst solcher
Studien schon durch den äuFseru Eindruck aufmerksam zu machen,
Zell : Handbuch der rümisclieti EpigrapJiik. Iv Tlieil. 167
sondern zugleich das Auge des Antangers an die Art und Meise zu
gewöhnen, in \velciier röniisciie Sclirit'twerke iiberliau))l , und in den
verschiedenen Zeiten römischer Sprache und Liltoratur abgefalst wor-
den sind. Die Kränze, welche bei Studien dieser Art dem verdienten
ausgesetzt werden, sind nicht ohne Dornen; aber gerade diese er-
höhen den Werlh eines erworbenen Kranzes.
In Bezieliuiig auf die äiifserliche Einrichtung der Sammlung werde
noch bemerkt, dal's natürlich, wo es möglich, der Fundort oder doch
der gegenwartige Aufbewahrungsort jeder einzelnen Inschrift angege-
ben wird, ersteres jedocii nicht immer (s. Nr. 1706. J7J3. 1714. 1906,
über welche wichtige Inschrift jetzt Otto Jahn: über die Ficoronisclie
Cista S. 41 ff. zu vergleichen ist *)), wobei jedoch zu bedauern, dafs
nicht immer durch den Ausdruck zwischen jenen beiden unterschieden
und einer Verwechslung beider vorgebeugt w orden ist. Auch w äre
zu wünschen gewesen, es habe dem Hrn, Herausg. gefallen, bei ein-
zelnen 3lonumenten von Bedeutung das 3Iaterial, in welches die
Schrift eingegraben, so weit solches bekannt ist, anzugeben, was in
der Hegel nur dann geschehn, wenn der Stolf nicht Stein, sondern
Erz ist. Wie wichtig aber selbst die Kenntnis der gewählten Steinart
ist, werden diejenigen wifscn, welche sich mit den Grabschriften der
Scipionen, bei welchen eine Angabe dieser Art bei Hrn. Zell ver-
mifst wird, beschäftigt haben.
Rücksichtlich der eigentlichen Bearbeitung der einzelnen In-
schriften sah der Hr. Herausgeber als seine Aufgabe an, die Worte
^ quam emeiidafissima et ex vptimis fontihus petita dare' (p. VIII).
Ferner sagt derselbe p. IX; Cummentarios addere ivscriptionihus
non erat ex inslltuti operis consilio, sed tantumtnodo nutarum st're
siglorum explicatiunes ^ variaruin lectioiium delectum et praettiissa
maioribus inscriptionihtis arcjumenta. 3Ian sieht, die Thätigkeit des
Hrn. Herausg. concentrierte sich auf zwei Punkte, den Text der In-
schriften so rein und richtig als möglich zu geben, unter Benutzung
der besten Abschriften und, wie das Werk bezeugt, selbst mittelst
Conjecturalkritik, und zweitens unter Ausschlufs eines Commentars,
welcher auch hier nicht an seiner Stelle gewesen sein würde, das
*) Wenn ich ans dieser Inschrift früher einen Dlautius herausge-
lesen habe, so würde Jahn a. a. O. sich des Urtheils enthalten haben,
dafs ich mich über diese Inschrift 'seltsam' geäufsert hätte (denn dar-
auf bezieht sich doch wohl dieses Urtheil), wenn er nemlich das allein
von mir gehrauchte nnd angeführte Facsimile der Inschrift nachge-
schlagen hätte, welches ein D zeigt, kein P, wie die jetzt genauer
mitgetheilte Abschrift allerdings darbietet. Dieser Fall eines unver-
schuldeten Irthuins kann von neuem zeigen, wie der Epigraph ohne
genauste Berücksichtigung alles, was zur äufsern Erscheinung eines
Monuments gehört, nur zu leicht auf Irrungen verfällt. Um sich von
dein wirklich hohen Alterthum der in Rede stehenden Inschrift voll-
ständig zu üherzeugen, bedarf es einer Ansicht der Schriftzüge selbst,
welche nun erst möglich geworden ist. Aus der ZeUschen Mittheilung
kann man sich kein sicheres Unheil bilden.
1Ö8 Zell: Handbuch der römischen Epigraphik. Ir Theil.
Geschäft des Erklärers auf die Deutung der Siglen, die Angabe der
wesentlichen Varianten und die Zugabe einiger Argumente zu be-
schränken. In wie weit der Hr. Herausg. nun dieser seiner Aufgabe
genügt iiabe, wird sich am besten aus der Betrachtung einiger In-
schriften ergeben, welche ich mehr aufs Gerathewohl als aus besondern
Absichten herausgreife, und zwar zunächst um das Urlheil über den
ersten Punkt festzustellen.
1948 ist auf eine Weise wiedergegeben, durch welche sich der
Epigraph nicht befriedigt fühlen wird. Wir setzen sie nach Zell her,
da sie kurz ist:
Protogenes Clul. suavei heicei situst mitmis,
Plouruma qiie fecil populo soveis gaudia nuges.
D a fs s«//s — tiugis zu verstehn sei, hatte schon Muratori, welcher
diese Inschrift den ältesten (?) lateinischen Schriftdenkmälern zurech-
net, eingesehn, wohl auch, dafs que als qui zu fafsen sei, wie auch
ürelli angibt, nicht erst 3Ieyer Anlhol. Lat., der, wie Hr. Zell angibt,
qui geschrieben wifsen will, während e hier statt ei steht wie in
nuges. Schwierigkeit macht Clul, wozu Hr. Zell bemerkt: ^uunt
C luentii mit Cluvii Hb er tu s? Murat. Corruplum videtur
Oreliio.' Aber auf dem Steine, wie ihn Muratori gibt und Ürelli rich-
tig wiederholt, steht vielmehr CLOVL. Ferner sind auf dem Stein,
was Muratori als Anzeichen von hohem Alterthum hervorhebt, einzelne
Wortgruppen durch horizontale Striche, gleich einer Inlerpunction,
voneinander geschieden, wie bei Orelli eingesehn werden kann, wo-
von aber in dem Zellschen Abdruck keine Spur zu linden ist. Ferner
soll nach Muratoris Angabe der Buciistab P die Gestalt des griechi-
schen 77 (wohl 7^) haben, was natürlich in dem neusten (auch im
Orellischen) Abdrucke fehlt. Wenn endlich die in ihrer Art ganz ein-
zige Form heicei vom Hrn. Herausg. durch kicce nach Muratoris Vor-
gange erklärt wird, so ist dies im allgemeinen richtig, nur dafs es
hätte liice (^heice) heifsen müfsen, zu vergleichen mit HINGE und ähn-
lichen Formen, worüber gehandelt worden Comm. de pron. tert. per-
sonae is p. ö8 ff. Hierdurch wird aber heicei grammatisch noch nicht
vollständig gerechtfertigt, da der Auslaut desselben im Dunkel bleibt.
In der Voraussetzung, dafs sich hier kein Fehler eingeschlichen, fafse
ich das lange i am Ende als ein demonstratives, wodurch die Kraft
dieses demonstrativen Pronomens erhöht wird, wenn ich auch jetzt
aufser Stande bin, diesen Gebrauch durch andere Beispiele genauer
nachzuweisen. Man sieht, Hr. Zell hat uns weder einen diplomatisch
genauen Text geliefert, noch diesem eine angemefsene Behandlung zu
Theil werden lafsen, zugleich auch wie sich die Anwendung der Mi-
nuskel rächt, die einmal beliebt, über manches hinaussehn läfst, was
der Epigraph nicht entbehren kann.
16S8. SC. de Bacc/ionrilihus , nach dem übereinstimmenden Ur-
theil aller kundigen unstreitig eins der allerwichtigsten Monumente
der Epigraphik, nicht allein wegen seiner fast unversehrten Erhaltung
und Bcdeulung dos Arguments, sondern vornehmlich dadurch, dafs die
Zell: Handbuch der römischen Epigraphik. Ir Thcil. 169
Zeit seiner Enistehiuig (56H), wodurch es für die Kciinlnis der Spra-
che, ürlhographie für die f^enannle Zeit und andere epigrapiiischen
Beziehungen gewisserniarsen zu einem Itegulativ wird, genau bekannt
ist. üie Zeitangabe Fehlt in der Zellschen Bearbeitung der Inschrift,
und wir werden gleicli selin, in wie weit wir durcli dieselbe ein zu-
verliifsiges und brauclibares Document erhalten haben. Gleich der
erste Buchstab des Zellschen Abdrucks ist zweifelhaft, nemlich die
nach dem Vorgang anderer aufgenommene Ergänzung des Vornamens
|0J, welchen Göttling ausgefallen behauptet, 'weil gerade an dieser
Stelle ein überdies ausgerifsenes Loch für einen Nagel angebracht
war, um die Tafel festzuhalten.' Dieser Behauptung widerspricht
aber das mit der gröfsten Sorgfalt augefertigte Facsimile Endlichers,
indem auf der Tafel vor MAHCIVS jetzt noch ein leerer Baum vorher-
geht, welcher für das Q zum Theil hinreichend gewesen sein würde,
ferner auch die beiden für die Nägel bestimmten Löcher, wie jetzt
aus dem Bruch noch deutlich erkannt wird, weiter oben über der er-
sten Zeile auf beiden Seiten angebracht waren. — Zeile 3 läfst es
der Hr. Herausg. in Uebereinslimmung mit Götlling ungewis , ob SA-
CANAL, wie auf der Tafel steht, für einen Fehler des Graveur oder
für S. (sacra) BACANALIA zu halten sei. Ich halte letzlere Meinung
für unzuläfsig, weil wenn eine förmlichere und vollständigere Be-
zeichnung dieser Feste durch den Zusatz Sacra beliebt worden wäre,
dies wohl da geschelin sein würde, wo der Name des Festes zuerst
erwähnt wird. Aus demselben Grunde ist auch die vom Hrn. Herausg.
nachgeschriebene Vermulhung Göltlings, Z. 7 BACAS könne vielleicht
eine Abkürzung von BACANALIA SACBA sein, abzulehnen. Dafs BA-
CAS für BACCIIAS zu fafsen sei, ist gar nicht zu bezweifeln. Un-
leugbar hat sich aber der Graveur dergleichen Versehn an andern
Stellen schuldig gemacht. Dahin kann gleich Z. 5 der angebliche Feh-
ler VTBA statt VEHBA gerechnet werden. Wie dieser aber entstan-
den, erfährt man durch Hrn. Zell nicht nur nicht, sondern wird auch
durch die Bemerkung zu dieser Stelle: ^tabula metidose: utra' irre-
geleitet. Auf der Tafel steht nemlich VTH A, und zwar das A durch
einen leeren Zwischenraum getrennt, welcher gerade für ein B hin-
reichte. Es ist leicht einzusehn, dafs der Graveur im Original das
Wort nicht deutlich, den vierten Buchstaben gar nicht lesen konnte
und daher einen Haum für denselben« offen liefs. — Z. 6 steht auf
der Tafel NDSTEß, wiederum ein offenbarer Fehler, der aber, wie
einige andere die wir übergehn , namhaft gemacht werden muste, um
eine Handhabe zur Beurlheilung anderer zweifelhafter Fälle zu haben,
wie ja auch vom Hrn. Herausg. Z. ll NEOVE statt NEQVE besonders
angemerkt wird. Uebrigens die eben erwähnte, auch sonst vorkom-
mende Verwechslung des D und 0 (s. Boissonade Comm. epigr. post
Holslenii Epistolas p. 436) halte mir nach Ansicht der Endlicherschen
Copie Z. 6 COSDLEBETVR längst die Augen über die richtige Lesart
dieses Worts geöffnet, welche nun durch Götlling bestätigt ist, ob-
wohl derselbe darin irrt, wenn er CüSüLEBETVR als wirklich auf
170 Zell: Handbuch der römischen Epigraphik. Ir Tlieil.
der Talel vorhanden, was Ilr. Zell nachschreibt, besonders angibt.
— Z. ö merkt Gottling ausdrücklich die Auslafsung des I in SENA-
TORBVS an, wie auch bei Endlicher steht, wovon aber bei Hrn. Zell
keine Erwähnung- geschieht. — Z. 15 ^ oquoltod (pro: uccullo)
Güttliny e tabula; Hauhold: DQVÜLTÜD.' Aus der obigen Bemer-
kung über die Verwechslung von 0 und D wird man vermulhen mü-
fsen, dafs Haubold Hecht habe: und so ist es auch nach Endlichers
Copie. Für wen werden denn aber so kostbare und mühevolle Ar-
beiten, wie dieses Facsimile ist, veranstaltet, wenn sie nicht von den
Männern von Fach benutzt werden? — Z. J6 bei Hrn. Zell preeivatod,
wohl nur ein Druckfehler, da PKEIVATOD sowohl bei Göttling als
Endlicher steht. Bei einem Monumente von so besondern Spracheigen-
Ihümlichkeiten nuisle jedem Fehler dieser Art mit der gröl'slen Sorg-
falt vorgebeugt werden. — ■ In der letzten Zeile werden die Sclilufs-
worte IIN AGRÜ TEVKANO bei Hrn. Zell unmittelber mit dem vorher-
gehenden zusammengenommen und syntaktisch verbunden, während
die Stellung jener Worle auf der Tafel, abgesehn von den gröfseren
Schriftzügen derselben, welche Hr. Zell selbst anmerkt, ihn hätten
überzeugen müfsen, dafs diese Worte als eine Notiz für sich aufge-
fafst werden müfsen, die auch in dem Conlext des SC. gar nicht Platz
haben konnte.
Wollte man in derselben Weise noch einige andere Inschriften
von ähnlicher Bedeutung, wie z. B. die der Scipionen, das Edicium
Dioclellani de pretiis, das TestJimentumüasumii etc. durohmusfern, so
würde es an ähnlichen Ausstellungen und Nachträgen nicht fehlen. Im
Weitergehn werde nur in dieser Beziehung die Duillische Inschrift
Nr. 1360 kurz erwähnt, wo die Kellermannsche neuste Copie bei ürelli
Anal, epigr. p. 35 unberücksichtigt geblieben ist. 3Ian wird sich aus
vorstehenden Bemerkungen überzeugt haben , dafs weder die vorhan-
denen Hilfsmittel genau benutzt und der Text darnach richtig bear-
beitet worden, noch dafs überhaupt diejenige Sorgfalt und Genauigkeit
zur Anwendung gekommen sei, welche die Behandlung di|)lumalischer
Urkunden verlangt: endlich auch, dafs Selbständigkeit des Urlheils
und eigne Thätigkeit nur zu sehr vermifst wird. An den schwierigem
Stellen läfst uns der Hr. Herausg. nur zu oft im Stiche, oder begnügt
sich, die abweichenden Meinungen anderer anzuführen, ohne selbst
sein Urtheil hinzuzufügen, wodurch jedoch das verdienstliche einiger
wahrscheinlichen Conjecturen, wie p. 277 si quid is und Nr. 176:3 p.
■ib'iiiiliistrium nicht geschmälert werden soll. Zum weitern Beleg die-
ses nur mit Widerstreben ausgesprochenen Urtheils im einzelnen mö-
gen noch einige nachträgliche Bemerkungen über einige einzelne In-
schriften folgen.
1683 p. 28i (Lex Rubria de Gallia cisalpinä) war die richtige,
auch von Hrn. Zell anerkannte Lesart famüiae herciscunda schon
von Carli vorgeschlagen und ist zum Pompon. de orig. iur. p. 123
aufser Zweifel gesetzt worden.
Zu den Grabschriflen der Plaulii 893 und 898, welche ohne Noth
Zell: Handbuch der römisclicii Epigraphik. Ir Tlieil. 171
Vüiieiiiiuuler getreiiiil ersclieineii, koiiiileii die Variaiileii vergliclieii
werden, welche nach Melelliis , welcher das Momiinenl im sechzehn-
ten Jahrhundert sah, zu ronipon. p. 121 niilgelheill worden sind.
1(390. Senutus coiisti fluni de Ascicpiude L'luzomeiiio suciisque.
Zu welchem Zwecke wird hier , fragt man, die Ergänzung der sehr
verstümmelt auf uns gekonimeneu Urkunde von Sigonius, welche kein
epigraphisches Interesse haben kann, milgelheilt, da sie nach der
dem lateinischen Texte hinzugefiiglen noch vorhandenen griechischen
Uebersetzung abgcfalst ist? Dafür wäre letztere gewis um so will-
kommener gewesen, als man dadurch zugleich ein sehr alles Beispiel
einer inscriptio bilinguis erhallen haben würde.
1971 ist ^ ex schedis Salniasian.', d. h. doch wohl aus der be-
kannten Pariser Handschrift in die Anthologie übergegangen und lau-
tet nach Zell :
Faiista novum domini condens Fortuna lavacrum
Inväat fessos huc properare viros.
Laude operis fruilur capif et siia (/audia pracsul,
Hospes duhiflua dum recreatur aqua.
Condentis monsirant versus primordia nomen
Auctoremque facit littera prima lec/i.
Lnstrent pontivagi Cumani Htoris antra;
Indigeiiae placeant plus mihi deliciae.
Da der Stein nicht mehr vorliegt, so ist der kritischen Behandlung
dieser nur handschrifllich überlieferten Inschrift ein gröfserer Spiel-
raum gestattet, der aber von uns zu nichts anderm als zur Tilgung
eines einzigen Buchslaben, von dem freilich ein Hauptlbeil des Ver-
ständnisses des 3Ionumenls abhängt, benutzt werden soll. Die Ver-
suche Burmanns und Wernsdorfs, den Namen des Verfafsers dieses
Epigramms zu ermitteln, führt der Hr. Herausgeber an, ohne selbst
darüber eine Meinung abzugeben , und so ist die Untersuchung olfen
geblieben, da die aufgestellten Vermuthungen, welche nicht einmal
dem Sinn der bezüglichen Worte in dem Epigramm entsprechen, von
Hrn. Zell selbst schwerlich gebilligt worden sind. Man bat hierbei
zu wenig den Inhalt des sechsten Verses berücksichtigt: sonst würde
man eingesehn haben , dafs der Name des Verfafsers akrostichisch in
den ersten Buchslaben jedes Verses enthalten sein müfse, nach einer
Art poetischer Spielerei, welche wir aus vielen und selbst schon sehr
alten Beispielen kennen. Vergl. Zeilschrift für die Alterthumsw. 1849
S. 198. Dachte man wohl auch bieran, so gab man aber diese Me-
thode auf, weil man aus FlLHCALl keinen Eigennamen herausfand,
ihn aber gefunden haben würde, wenn man sich hospes ohne Aspi-
ration geschrieben gedacbt hätte, woraus nun der Nanie des Verfafsers
Filocali, angemefsen im Genitiv, hervorgeht. Also stand auf dem Steine
OSPES, was in den Handschriften umgestaltet wurde. Vermag ich
auch nicht diese" Form durch ein anderes Beispiel nachzuweisen, so
ist doch das Schwanken in der Orthographie dieses Wortes durch
Apulcjus de adspir. 23 p. 109 bezeugt und es lindet die Weglafsung der
172 Zell: Handbuch der römischen Epigraphik. li- Theil.
Aspiration ihre Rechtfertigung durch viele verwandte Fälle, vergl.
zu Cic. de rep. p. 432. Die Frage, wer dieser Filocalus oder Philo-
calus gewesen, inufs ganz auf sich beruhn bleiben, obwohl die In-
schriften öfters diesen Namen bringen, ohne dafs jedoch eine Bezie-
hung mit unserm Dichter zu ermitteln ist: nur zeigen diese Beispiele,
dafs, was sich schon aus dem Namen vernuithen liefs , diese Philocali
dem Stande der Sklaven oder Freigelafsenen angehört haben, was
auch für den unsrigen sich aus dem Text der Inschrift selbst ergibt.
Uebrigens der Gebrauch des f statt ph weist dem Monument eine
späte Zeit der Entstehung an, s. zu Cic. de rep. p. 454.
362. Eine längere, wichtige dedicatio arae , zu deren Text be-
merkt wird: partim novo in mar more^ partim veteri. De recentio-
ribus tarnen^ auctore MorceUio^ non dubita?idum, quam Cyriacus
Anc. aliique integram inscriplionem ante descripserint quam ad
Ramnusios , eiusdem domitios, perferrelur , wörtlich nach Orelli,
nur dafs daselbst vor perferretiir das für den Sinn unentbehrliche
mutila eingeschoben ist. Aufserdem unterscheidet Orelli den neuen
Theil der unstreitig erst nach Abschriften in neuer Zeit wieder er-
gänzten Inschrift durch verschiedenen Druck. Das hat der Hr. Her-
ausgeber für unnöthig erachtet, hat dadurch aber auch seiner Copie
allen kritischen Gebrauch entzogen. Ob übrigens dieser neue Theil
überhaupt aufser allem Zweifel sei, vermag ich, da MorcelH mir nicht
zur Hand ist, leider nicht zu beurlheilen.
1238. Nicht dederond, wie Hr. Zell drucken läfst, sondern de-
deront steht bei Maffei, eine bei einem so interessanten und so alten
Monument wichtige Variante. Ob Hr. Zell seine Lesart aus dem von
ihm angeführten 3iorceIli entnommen hat, kann ich nicht ermitteln.
Gibt dieser seine Lesart nach nochmaliger Vergleichung der Inschrift,
so wäre diese Berichligung als solche namhaft zu machen gewesen,
indem für den Leser, wie die Sache jetzt steht, der Zellsche Text für
sich allein unbrauchbar ist.
1720 schwankt die Lesart in dem Namen des Praefecfus urbis
zwischen Ecfesius und Ecdesitis, und wird vor der Hand auch schwan-
kend bleiben. Wenn der Hr. Herausg. jenen gebilligt hat, so hätte
er denselben aus dem Regionarium aus Einsiedeln (Archiv f. Philol.
u. Paed. Bd. V S. 12j), wo dieselbe Inschrift wiederholt wird, unter-
stützen können. Aufserdem werde bemerkt, dafs dieselbe Inschrift
nach Fabretti auch von Mai Coli. Vatic. T. V p. 320 wiederholt wird.
1968 aus Plin. N. II. XXXI, 2, wo der dritte Vers geschrieben
wird:
atqüe academicae celebratum nomine villam,
wo alle mir zugänglichen Ausgaben academiae haben, worüber das
nölhige schon zu Cic. de rep. p. 478 bemerkt worden ist. Wenn aca-
demicae nicht ein Druckfehler ist, so mufs dasselbe schon aus proso-
di sehen Gründen abgewiesen werden.
Dafs der Hr. Herausg. die von mir nach den Originalen wieder-
Zell: Ilandbucli der römisclion Epigrapliik. Ir Tlieil. 173
gegebenen Texlo in so vielen Fällen zu berücksicliligen iinferlafsen
hat, kann ich ihm nicht übel deuten, da dasselbe auch in Bezieliiing-
auf die Mitlheilung- anderer gilt. Ob dies aber dem Werke zum Vor--
tbeile gereicht habe, muls bezweifelt werden, wie die eine Nr. 1G20
lehren kann, ^^'enn er die von mir veröirenliiclile Copie Syll. inscr.
p. 542 verglichen hätte, so würde er gefunden haben, dafs über der
Inschrift auf der Basis noch CÜNCESSIANI stellt, was aucii in den
früheren mir bekannten Texten fehlt, übrigens durch einen epi-
grapbischen Gebrauch erklärt wird, welcher gerade in einem Werk,
wie das vorliegende, nicht übergangen werden durfte. Vergl. über
diesen Genetiv, welcher aufserhalb der Inschrift auf einer Plinthe über
derselben und zwar zur Bezeichnung der darüber belindlichen Por-
traitslatue angebracht ist, Syll. p. 546, und noch dazu zwei andere
Beispiele desselben Gebrauchs bei Mai Coli. Vat. T. V p. 208 Nr. 3 und
p. 281 Nr. 2. Auch würde, um auf die obige Inschrift zurückzukom-
men, eine Vergleichung meiner Bemerkung über OB OVE den Hrn.
Herausg. vor seiner w underlichen Erklärung ob vetera geschützt ha-
ben. Ein anderes Beispiel derselben Vernachläfsigung ist Nr. 1943
wahrnehmbar,, wo Syll. inscr. p. 529 (Add. p. 592) beachlungs-
werthe Varianten dargeboten haben würde; namentlich findet sich da-
selbst am Scblufse das hier fehlende »o/e, was ich auch bei Gruter
und Orelli (die andern von Hrn. Zell angeführten Gewährsmänner kann
ich nicht vergleichen) vermifse. Auch steht bei mir noch als Ueber-
schrift D M, worauf jedoch kein Gewicht zu legen ist. Aber das nuifs
ein schlimmer Zufall genannt werden, dafs bei Hrn. Zell hinter locat
eine ganze Verszeile ausgefallen ist. Von den vielen, nicht unerheb-
lichen Varianten der ganzen Inschrift nach den verschiedenen reich-
lichen Abschriften erfährt man gar nichts und nuifs also annehmen,
dafs z. B. Z. 4 sovotn richtig stehe, während bei Orelli sich SVOM
findet (vergl. auch zu Cic. de rep. p. 441); bei welcher Stelle wir
doch auch begierig wären den Grund zu erfahren , warum in dem an-
geführten Worte das u eckig v geschrieben wird, während diese Me-
thode bei dem Diphthong au in Claudiam unangewendet bleibt. Hier
und da begegnen wir derselben Schreibweise, und zwar bei Inschrif-
ten gröfseren Umfangs ohne Consequenz, wie Nr. 1692. 3Ian könnte
veranlafst werden, dahinter ohne allen Grund irgend eine epigraphi-
sche Singularität zu vermuthen, wozu aber die Originale keine Ver-
lafsung geben. Endlich, um auch das noch nachzutragen, ist dem Hrn.
Herausg. entgangen, dafs statt suo Axt zu Vestrit. Spur. p. 57 pio zu
lesen vorschlug, dessen wir uns freilich, wie ich glaube, entrathen
können.
Was endlich noch einer Betrachtung verbliebe, die Art und
Weise näher zu bezeichnen, wie der Hr. Herausg. ohne einen Com-
nientar zu liefern sich dem Geschäft des Erklärers unterzogen, kann
mit wenigen Worten abgethan werden, zumal da aus den vorstehen-
den Bemerkungen man sich entnommen haben haben wird, dafs auch
hier das Werk vieles zu wünschen übrig lafse. Es ist anzuerkennen,
i74 Zell: Handbuch der römischen Epigrapliik. Ir Theil.
dafs sich der Hr. Heransg. durch kurze Anmerkungen und Erklärung
derSiglen um das Verständnis des Textes vielfach verdient gemacht hat;
zugleich ist es aber auch zu bedauern, dafs er vielleicht aus zu gro-
fsem Streben nach Kürze da , wo man gern Aufschlufs gewünscht hätte,
den Leser im Stich läfst , oder zu leicht über die Schwierigkeiten hin-
wegeilt. Denn z. B. was soll man bei der alten, so interessanten In-
schrift 48 mit der einfachen Erklärung der so schwierigen Form APO-
LO>'ES durch Apollini macheu? Eine Rechtfertigung dieser Erklä-
rung konnte hier, wie an manchen andern Stellen nicht umgangen
werden, im Interesse des Werkes selbst, wenn dieses dadurch auch
an Umfang zunehmen muste, und man würde gewis auf die Mittheilung
mancher in mehrern ähnlichen Beispielen aufgenommenen Inschrift lie-
ber Verzicht geleistet haben. Wie aus übel angebrachter Kürze in
der Beschreibung, zumal bei solchen Monumenten, wo die Inschrift
von bildlicher Darstellung begleitet ist, die Inschrift selbst dunkel
und fast unverständlich wird, davon gibt Nr. 879 Zeugnis, wenn man
die Beschreibung des Monuments bei Le Bas Mon. de l'antiquite figu-
ree II p. 239 vergleicht. Ebenso wird schon bei mehrern obigen Be-
merkungen eine zu grofse Sparsamkeit in der Vorlage des kritischen
Materials fühlbar geworden sein, und wenn es darauf ankäme 'mit
Stillschweigen übergangene Varianten anzuführen, über welche die
Entscheidung noch olTen steht oder schwankend ist (von einer voll-
ständigen Mittheilung des ganzen kritischen Apparats ist natürlich
ganz abzusehn) , so würde vieles nachzutragen sein. Auf die Erklä-
rung der Siglen hat der Hr. Herausg. grofse Sorgfalt verwendet, so
dafs selbst die Erklärung der trivialsten häufig wiederholt wird. Bei
den schwierigem aber (z. B. p. 219 bei m . n) vermifsen wir oft die-
selbe Sorgfalt, wo es wohl, zumal wenn die Lesart zweifelhaft ist,
einer Bemerkung bedurft hätte, wie es z. B. Nr. 879 der Fall ist, wO
über die Erklärung von N . K hinter Aquilo, dem Namen eines Pfer-
des , auf Le Bas a. a. 0. p. 239, welcher niger kaesius (von der Farbe,
wie ähnliches in Nr. 878) deutet, verwiesen werden konnte. — End-
lich ist bei einem Werke dieser Art auch nach der Correctheit des
Drucks zu fragen. Ich habe darauf nur wenig Aufmerksamkeit ge-
richtet, mufs aber bekennen, dafs mir, wo ich genauer zusah, man-
che Druckfehler begegnet sind, zu deren Beseitigung die Corrigenda
et Addenda p. XI und XII nicht ausreichen. Wenn ich einige, selbst
der trivialsten Art anführe, so geschieht dies, weil dergleichen von
dem Hrn. Herausg. selbst namhaft gemacht worden sind, und man dar-
aus Schlüfse zu ziehn berechtigt ist. In den Anmerkungen findet sich
p. 148 Cruf statt Grut; p. 162 lovonim statt locoruin; p. 86 Agrelis
statt Agnetis; p. 103 fecinndo statt feriundo. Auf derselben Seite ist
bei Nr. 892 die Ziffer 690 falsch, da sich die Inschrift an der ange-
führten Stelle nicht findet. P. 194 mufs bei Nr. 1620 die Grutersche
Seitenzahl vielmehr 439 heifsen. Dergleichen Versehu finden sich nun
leider auch im Text der Inschriften selbst. Nr. 19i6 steht exempla st.
exem/>/o; Nr. 1947 ist 7' statt F wohl auch ein Druckfehler, da Orelli
Fabri tiiKniccrwagon : Tili I,i\ii a. ii. c. lihri XXI et XXII. IT.")
nacli Lanzi riclilis' [F] ffibt. Wenn Orelli daselbst 4839 citiert wird,
so mul's es beifsen 4830. Ferner Nr. 1925 und 1941 invenis^ derselbe
Felder stall iuvenis. Den Scbluls des g-anzen ^^■erkes machen reichli-
che Indices: I. notaruni. II. {feo(/rap/i/c?is. III. hisloricus. IV. de-
orntn. V. mvnernm sacrorum. VI. vicujislrotiuim etc. VII. alainm,
cohortium, legiomim etc. VIII. eornm quae ad orthoijrnphiam et om-
uino ad rem f/rammaticam specfant. IX. rerum et latinitatis.
Am Scbluls dieser Anzeige, deren Ausfiibriiclikeit durcli dio
Wichtigkeit des Gegenstandes gerechtfertigt erscheinen mag, wird es
überllüfsig sein, ein allgemeines Unheil über den Werth des Werks
auszusprechen, zumal ich weit entfernt bin durch ein solches dem ge-
ehrten Hrn. Verf. webe thun zu wollen. Es galt hier nur zu zeigen,
in welchem Verhältnis dasselbe zu den Anforderungen stehn möchte,
die nach meiner Ansicht an eine solche Unternehmung von Seiten
der Wifsenschaft gestellt werden nuifsen. Wäre dasselbe so sehr hin-
ter allen Erwartungen zurückgeblieben , dafs es als ein unbrauchbares
hätte bezeichnet werden niüfsen, dann würde eine kurze Abweisung
oder gänzliches Schweigen genügt haben. Allein weil wegen man-
chen Nutzens, welchen das Werk unzweifelhaft stiften wird, zu er-
warten steht, dafs eine zweite Auflage desselben werde begehrt
werden, so habe ich m'ch über die einzelnen Gesichtspunkte, von wel-
chen bei Bearbeitung eines solchen Werks meiner Meinung nach aus-
gegangen werden mufs, ausführlich auszusprechen veranlafst gefun-
den, und werde für das schmerzliche Gefühl der Selbstverleugnung,
welches ich über mich gewinnen muste, um der Walirheit durch otTene
Darlegung meiner Ansicht gerecht zu werden, mich belohnt erachten,
wenn meine Bemerkungen von dem Hrn. Herausg. auch in diesem Sinne
aufgefafst und bei einer neuen, wie wir hoffen, gänzlichen Ueberar-
beitung benutzt werden sollten.
Giefsen. F. Osann.
Tili Limi ab nrbe condita Ubri XXI et XXII. Mit Anmerkungen
von Dr. Ernst Wilhelm Fabri. Neu bearbeitet von Dr. Heinrich
Wilhelm Heerwagen , Prof. am königl. bayr. Gymnasium zu Bay-
reuth. Nürnberg bei J. L. Schräg. 1852. XVI u. 428 S. XXXVI
S, Register, gr. 8.
Da die Bearbeitung mehrerer Bücher des Livius von Fabri so-
wohl durch Sachkenntnis, Geschmack und richtigen Takt vor den mei-
sten Ausgaben dieses Scbriflslellers sich auszeichnet als auch geeignet
ist in ein gründliches Studium desselben einzuführen, so kann das
Bedürfnis einer neuen Aullage des ersten Bandes nur als eine erfreu-
liche Erscheinung betrachtet werden: nicht minder aber, dafs gerade
Hrn. II e erw age n, der schon durch seine frühern Leistungen eine
176 Fabri u. Ileerwagen: Tili Livü a. n. c. libri XXI et XXII.
genaue Bekanntschaft mit der Sprache und Darstellung des Livius und
dem was besonders in neuerer Zeit für denselben g-eschehn ist, be-
urkundet und sich als besonnenen und scharfsinnigen Kritiker bewährt
bat die Besorgung der neuen Ausgabe übertragen und von ihm mit
eben so grofser Sorgfalt als Umsicht und Gründlichkeit ausgeführt
worden ist. Die Aufgabe des Herausgebers war, ungeachtet der Ver-
dienste Fabris, da dem von diesem geleisteten die gebührende Ach-
tung erhalten, der ursprünglicbe Plan des Werkes nicht aufgegeben
und doch der bedeutende Fortschritt, welchen die Texteskritik des
Livius seit dem Erscheinen der ersten Ausgabe besonders durch Al-
schefskis Forschungen gemacht hat, Berücksichtigung finden sollte,
keine leichte: aber er hat dieselbe so geschickt und umsichtig gelöst,
dafs beide Zwecke gleichmäfsig erreicht Morden sind und die neue
Ausgabe die Vorzüge der ersten und zugleich die Resultate der neue-
ren Forschungen vereinigt enthält.
Da es sich Fabri zur Aufgabe gemacht hatte, den Sprachge-
brauch des Livius und die Eigenthümlichkeit seiner Diction darzu-
legen, und hierin das bedeutendste seiner Leistung besteht, so durfte
der neue Herausgeber, ohne das besondere und auszeichnende des
"Werkes zu verwischen, von den in dieser Beziehung befolgten Grund-
sätzen nicht abgehn. Er hat daher die reichen Sammlungen desselben,
die für den , welcher Livius genauer kennen lernen will, in hohem
Grade belehrend sind, zum Theil unverändert beibehalten, zumTheil ent-
weder nach Bemerkungen, welche Fabri in ein Exemplar seiner Ausgabe
eingetragen hatte, oder auch, und dieses noch häufiger, aus eignen
Mitteln ergänzt und erweitert, vieles ganz umgearbeitet und tiefer be-
gründet oder neu hinzugefügt. In beiden Beziehungen erscheint der
Herausgeber als selbständig und gibt eine Beihe von Bemerkungen,
welche entweder geeignet sind das Verständnis der einzelnen Stellen
zu fördern, oder überhaupt belehren und den Sprachgebrauch erläu-
tern. So wird, um nur einiges zu erwähnen, XXI, 1, 2 vincere; 16, 4
tumultuari cum aliquo ; 18, 2 de f ender e factum; 25, 9 emergere;
XXII, 6, 3 noscitare; 12, 10 der persönliche Gebrauch von paenitere;
13, 4 circumspicere; 22, 7 spectare mit und ohne ad; 27, 8 commu-
nicare; 29, 2 ej^^or^were ,• ^.brestare; ^O^^prosequi genauer als früher
oder erst jetzt erklärt; ferner XXI, 3, 3 der häufige Gebrauch des In-
dicativs in orat. obl. bei Livius; XXII, 18, 8 der häufige Wechsel der
Tempora in derselben ; XXI, 2, 6 die Bedeutung des Perfects in Folge-
sätzen; XXII, 33, 10 der Dativ bei Passiven; 49, 10 die Nebeneinander-
stellung zweier Imperative; XXI, 45, 9 die Verbindung von substanti-
vischen Participien mit eigentlichen; XXII, 28, 1 die des Ablat. abs.
mit Participien. Zu XXI, 4, 9 ist auf die Umschreibung negativer Ei-
genschaften durch non oAernullus; 62, 5 auf den substantivischen Ge-
brauch des Abi. von ullus; 18, 13 auf »/er als Relativum; XXII, 8, 7
auf den Unterschied von alter und alteruter ; XXI, 62, 6 auf den pro-
leptischen Gebrauch von ceteri; XXI, 50, 9 auf die Formen von conatus
und conata hingewiesen. Nicht minder sind zu beachten die Bemcr-
Fabri u. Heerwagcn: Tili Livii a. u. c. libri XXF et XXII. 177
kungen über proinde XXI, 30, 11; über die "N^'ortstellung zuniicbst
XXI, II, 1 bei Eigennamen; XXII, 2, 1 bei dat operam ; ib. §. 4 ut
est; XXI, 13, 4 vestra vos ; ib. 21, 3 credo ego ; XXII, 23, 4 fcrrum
ignemqne ; XXI, 13, 6 ex magna parte ; der Adverbia XXII, 6, 9; 28,
3; den Cbiasmus XXII, 18, 14 ii. a. Nur an wenigen Stellen wird man
eine Erklärung vcrniilsen oder durcb die vom Herausgeber gegei)ene
sieb nicbt befriedigt sebn. So konnte XXI, 21, 6 bemerkt werden,
warum prinio i^ere ^ bald darauf wie c. 5, 5 vei-e prinio stebe. Ib. 10,
1 war wobl darauf hinzuweisen, dal's in den Worlen: itaque praeter-
quam quod admissi auditique sunt ea qtioque vana — legatio fuit die
Partikel quoque sich nicht, wie es sonst nach praetcrquain der Fall
ist, auf den durch dieses eingeleiteten Gedanken, sondern auf c. 9, 3
bezieht. An derselben Stelle ist id de quo richtig nach der Analogie
von id quod erklärt; allein c. 57, 4 dürfte id quod am Anfange des Salzes
durch die beigebrachten Stellen schwerlich gerechtl'erligt und des-
halb das Punkt vor id in ein Komma zu ändern sein; XXII, 10,3 wäre
nicht allein facere zu erklären sondern auch genauer anzugeben ge-
wesen, wie lovi fieri sich Hfl dotum duit anschliefsen könne; XXil,
22, 7 konnte neben corpus^ welchem, da vile utque infame hinzuge-
fügt ist, ein ^herabwürdigender NebenbegrüT' nicht beigelegt zu wer-
den braucht, auch auf die Bedeutung des voranstehenden unum hin-
gewiesen werden, s. Hand Lehrbuch des latein. Stils §. 82, die Er-
klärer zu Hör. A. P, 32. XXI, 5, 3 wird mit Hecht niagis von polius
geschieden, aber die beiden Gebrauchsweisen des ersleren wären nach
Hand Tursell. III, 554 und Haase zu Reisigs Vorlesungen S. 398 ge-
nauer zu sondern gewesen. Ib. 9,3 konnte bemerkt werden, dafs Livius
überhaupt zu Städtenamen im Abi. regelmäfsig « oder ah setze, s.
Ellendt: de praepositionis a cum nominibus urbium iunctae apud Liviuni
usu. 1843; diese NJahrb. Bd. XLIIIS. 207. Die XXI, 30, 10; 2,4; XXIX,
19, 12 angenommenen Bedeutungen von haud sane hätten sich bei ge-
nauerer Beachtung von sa7ie wohl auf eine zurückführen lafsen, s.
Hand Tursell. III, 24. Der XXII, 59, 12 angegebene Unterschied von
emere und redimere^ dafs jenes abkaufen, dieses loskaufen be-
deute, wird wenigstens nicht überall festgehalten, s. XXVI, 27,4:
servorum opera ^ qui in publicum redempti ac manumissi sunt. In
Bezug auf die nach c. 57 gekauften Sklaven konnte übrigens bemerkt
werden , dafs dieselben nach Appian de hello Hannib. 27 und Florus
II, 6, 23 ehe sie den Kriegsdienst antraten freigelafsen sein sollen.
XXI, 33, 9 scheint es bedenklich in den Worten: vidit periciilum esse^
ne exutum impedimenlis exercitum nequiquam incolumem traduxis-
set das Plusquamperfectum traduxisset für ein Fut. exact. zu hallen,
welches der Ausdruck sei für ein künftiges Resultat des vergangenen,
da so der Charakter des Fut. exact. wesentlich alteriert würde und an
unserer Stelle mehr ein hypothetisches Verhältnis stattzufinden
scheint. In exnlum liegt nemlich die Bedingung , unter der erst das
nequiquam incolumem fraduxisse eintreten würde; auch wenn ne-
nicht vorausgienge, würde es heifsen können : si exutum impedimenlis
iS.Juhrb.f. Phil. u. Paed. Rd LXVII. Hft.2 12
178 Fabri u. Heerwag-en: Titi Livii a. u. c. libri XXI et XXII.
exercifum haberem, nequiquam incolumem traduxissem: es wäre
dann so gut als ob er das Heer vergeblicli wohlbehalten hinüber ge-
führt hätte. Auch XXVI, 47, 7: magnopere vereri., ne perdilis rebus
serum ipse auxilium venisset ist wohl kein künftiger Erfolg zu den-
ken, sondern Hasdrubal fürchtet jetzt schon zu spät gekommen zu
sein , da bereits alles verloren wäre.
In den ersten beiden Büchern, welche Fabri bearbeitet halle,
war er vorzüglich bemüht einzelne Worte und Constructionen zu er-
klären; erst in dem zweiten Bande hat er mehr auf die stilistischen
Eigenthüm.lichkeiten im Satz- und Periodenbau Rücksicht genommen,
auf die bei Livius gewis eine besondere Autmerksamkeit zu richten
ist, da er gewöhnlich in einer Zeit gelesen wird, wo dem Schüler die
Form und Manigfalligkeit der historischen Periode am zweckmäfsig-
sten gezeigt wird, s. Seylfert in der Einleitung zu seinem Uebungs-
buche zum Uebersetzen für Secunda. Wenn Hr. H. selten Gelegenheit
genommen hat dieses Gebiet zu betreten, so ist es wohl nur geschehn,
um den von seinem Vorgänger, wie es scheint, beabsichtigten Fort-
schritt in der Behandlung and das Verhältnis der beiden Bände zuein-
ander nicht zu stören. Dagegen läfst es sich wohl mit dem Zwecke
des ersten Bandes vereinigen, dafs der Herausgeber auf die Erklärung
des Sinnes und Zusammenhanges einzelner Stellen und verschiedener
Sätze mehr eingegangen ist, als dieses von Fabri geschehn war.
Zwar knüpfen sich diese Erklärungen häufiger an die kritischen Be-
merkungen, finden sich aber auch sonst zuweilen, wo es nöthig ist,
z. B. XXI, 5, 10 equilibus praecepit ; ib. 8, 4 et non sufßciebant; 9,
3 effrenalarum; 10, 2 senatum obtestans etc.; 11, 12 ad piaciihim; 12,
^ sub condicionibiis^ wo jedoch die Erklärung nicht sicher ist, dafs
der blofse Ablativ gebraucht werde bei dem freien Uebereinkommen,
sub bei der Unterwerfung unter gewisse Bedingungen , da das einfache
condicionibus ebenfalls die letzte Bedeutung hat, s. XXIX, 12, 1 : qui-
bus iioluit condicionibus ad petendam — subegit pacem; XXX, 16,
13 : his condicionibus^ inquit , placeulne pax Iriduum ad consullan-
dum dabitur u. s. w. ; 14, 3 imperium crudele; 25, 5 id qnoque dubiuin
es<; 26, 8 inchoantes cavabant; 32, 2 progressos ; 41, 5 incidisse ;
43, 4 ist habentibus mit Recht als Dativ gefafst; nur dürfte wohl nicht
an ein allgemeines Subject zu denken sein, wie sonst bei diesem Abi.
des Part, praes., da gerade die gegenwärtige Lage der Punier ge-
schildert werden soll, und sogleich folgt: vix integris vobis. Eine
Umstellung der Worte nullam — habentibus nach circumdederif, wie
sie Kleine: Noiae criticae in Livii Annal. p. 22 vorgeschlagen hat, ist
theils zu kühn, Iheils würde es so den Schein gewinnen, als ob die
Gefangenen zu Schiff enlfliehn könnten. 62, 5: mnltis locis hominum
specie procul Candida veste visos wird mit Recht auf den kühnen Ge-
brauch von specie hingewiesen; doch möchte es leicht zu einem 31is-
verständnis führen, wenn dieser Abi., da sogleich Candida veste folgt,
für einen Eigenschaftsablaliv erklärt wird, und leichter der Begriff zu
gewinnen sein, wenn man, wie es von Nägelsbach geschieht, övzag
Fabri u. Heenvagen: Tili Livii a. u. c. libri XXI et XXII. 179
ergänzt und specie als dessen Bestimmung betrachtet. Dann hätte aucli
XXII, 4, 4 bei ab tcrgo etc. auf diese Bemerkung verwiesen werden
können. Dagegen wird passend erklärt XXII, 12, 6 et prudeniinm qui-
dem ; 15, 1 pariter intcr snos hand minus quam in hosles mtentus ; 24, 4
quod minime ; 25, 19 inslilorem; 38, 2 miiites tum; 49, 4 quam mal-
lem. Nicht ganz sicher scheint XXII, 26, 3 quacstura quaque., da nach
dem vorangehenden honores der Zusatz mit qnoque immer auffallend
bleibt, und es den Anschein gewinnt, als ob die Quaestur zu den ho-
nores noch hinzukomme, nicht zu denselben gehöre. So wird auch
die Erklärung der schwierigen Stelle XXII, 39, 10: Nee eventus modo
hoe dueet — sed eadem ratio , quae fuit futuraque , donec res eae
dem manebunt, immutabilis est nicht ganz klar, da Hr. II.' ratio für
Berechnung hält, 'deren Resultat jetzt und so lange die Umstände
sich nicht ändern, dasselbe bleiben wird.'' Denn so wird nicht deutlich,
wie dem eventus nicht die rat/o überhaupt entgegengestellt ist, und
wie zu dieser eadem hinzugefügt wird, obgleich die Beziehung dieses
BegrilTs auf eine andere Zeit, nach Hrn. H. die Gegenwart, so dafs
eadem ratio .siß^^ für ratio quae nunc eadem est quae fuit stände,
nicht angedeutet ist. Ob Livius eadem ratio in dieser Weise gebraucht
habe oder eadem aus der folgenden Zeile, wo der Put. res eadem\\9.{.,
in die vorhergehende gekommen sei, bedarf wohl noch genauerer
Untersuchung. Auch die Bemerkungen von Fischer: Commentafionum
Livianarum part. I p. 8 reichen nicht aus die Schwierigkeiten zu
beseitigen.
Wie in dieser Beziehung ist Hr. H. auch in der Sacherklärung
zuweilen weiter gegangen als sein Vorgänger, und hat an manchen
Stellen beachtungswerthe Erläuterungen gegeben, theils geschichtliche
theils antiquarische, während die geographischen wie früher in einem
besondern Index zusammengestellt sind. So wird namentlich an meh-
reren Stellen, s. XXI, 21, 2; ib. 31, 9; 32, 6 auf die Abweichung des
Livius von Polybius hingewiesen , was vielleicht auch XXI , 4, 9, wo
von dem Charakter Hannibals die Rede ist, hätte geschehn können,
s. Polyb. IX, 22. 26; XXI, 6, 3 über das Jahr in welchem der Krieg
begonnen wurde, über das erst c. 15, 6 eine kurze Bemerkung folgt;
über die Einnahme Sagunts; das Bündnis Hasdruhals ; 22, 6 über das
von Maharbal angeblich gemachte Versprechen u. a. a. 0. Dafs Livius
in der Schilderung des Alpenübergangs der Punier sehr unklar sei,
wird mit Recht XXI, 35, 8. 38, 6 bemerkt und dafs dieses seinen Grund
in der ungenauen Benutzung oder der Zurücksetzung der Nachrichten
des Polybius gegen andere Berichte habe, nachgewiesen. Vielleicht
hätte auch angedeutet werden können, dafs Liv. XXI, 38 schwerlich den
Cincius genau und richtig verstanden habe, s. Lachmann de fontibus
Livii II, 16. 80. Auch die Auffafsung dieser ganzen Stelle, in welcher
Hr. H. Fabri folgt, dürfte immer noch denselben Bedenken unterliegen,
welche Ref. schon in der Anzeige der ersten Ausgabe, s. Zeitschrift
für die Alferthumswifsenschaft 1837 S. 1205 f., geltend gemacht hat.
XXI, 40,6. 41, 15 wäre auf den scheinbaren Widerspruch mit dem, was
12*
180 Fabri u. tieerwagen : Tili Livii a. u. c. lihri XXI et XXIi-
c. 1, 5 über die Wegnabme Sardiniens gesagt ist, hinzuweisen ge-
wesen, vergl. XXII, 54. XXX, 22. Auch die schwierige Stelle XXII, 3, 6
laeva relictu hoste Faesulas pctens medio Elrnriae ogro praedatuvi
profectus etc., an welcher schon Chi v er mit Recht Anstofs nahm,
liätte wohl eine Bemerkung verdient, da es kaum zu glauben ist, dafs
Livius in dieser ihm wahrscheinlich bekannten Gegend, und bei dem
klaren Berichte des Polybius 111,82 in den Irfhum, welchen jene
Worte enthalten, habe verfallen können, s. Lachmann a. a. 0. II, 89.
Ganz angemefsen sind die Bemerkungen über die praerogativa XXI,
3, 1; über die Zeit der Comilien ib. 53, 6; über die Dictatur XXII, 23,
7; den Soldateneid XXII, 38, 2; die Verhältnisse der Kitter XXI, 59,
9 und XXII, 14, 15 u. a. An andern Stellen könnte man ähnliche Er-
läuterungen verniilsen , z. B. XXII, J, 5: qiiod enim Uli mstum impe-
rium quod auspicium esse über das Verhältnis des Imperium und der
Auspicien zu den an der Stelle berührten Opfern und Feierlichkeilen,
s. Huschke : die Verfafsung des Servius Tullius S. 408; Rubino: Unter-
suchungen über die römische Verfafsung S. 54. 69; Becker: Handbuch
der röm. Alterthümer II, 2, 60, 64; ein Wort über die Wichtigkeit der
Wahl des Flaminius und Terentius Varro für die Beurtheilung der Ver-
hältnisse der beiden Stände in Rom zur Zeit des zweiten pnnischen
Krieges; XXII, 9, 8 und 57, 6 über die libri fatales, deren Identität
mit den sibyllinischen an der zweiten Stelle wenigstens zweifelhaft
ist, vergl. Müller: Etrusker II, 34; Niebuhr: röm. Geschichte I, 564;
Klausen: Aeneas und die Penaten S. 269. Auch hätte wohl kurz etwas
über die hier erwähnten Menschenopfer bemerkt werden können, s.
Rein: Criminalrecht der Römer S. 34. 41. Mit Recht wird XXII, 42, 8
nMiitiari m Schutz genommen, doch konnte statt auf X, 40 auf Cic.
Phil. II, 32, 81: non enim nuntiafiunem solum habemus: constiles et
reliqni magisiratus etiavi spectionem verwiesen werden. Für diese
und ähnliche Bemerkungen hätte vielleicht Raum gewonnen Merden
können, Avenn die Zahl der wörtlich angeführten Parallelslellen hier
und da etwas beschränkt worden wäre , da für den Schüler oft auch
einige schon ausreichen, der aber, welcher sich genauer mit dem
Sprachgebrauche des Livius bekannt machen will , doch in der Regel
die Stellen nachschlagen wird.
Indes ist die Interpretation, welche durch Fabri bereits bedeu-
tend gefördert war , das untergeordnete Moment der neuen Ausgabe.
Mit Recht betrachtete es Hr. H. als seine Aufgabe die reichen Schätze,
welche durch Aischefski für die Kritik des Livius eröffnet sind, sorg-
fältig für seine Bearbeitung zu benutzen, und nicht selten die Quellen,
denen er folgt, anzuführen, so dafs der kritischen Seite ein bedeu-
tenderes Gewicht und gröfsere Ausdehnung gegeben werden nuiste,
als ihr Fabri wenigstens im ersten Bande (denn in dem zweiten ist
auch er schon häufiger auf kritische Fragen eingegangen) einräumen
wollte. Der Text hat dadurch natürlich eine wesentlich verschiedene
Gestalt erhalten, und man kann es nicht tadeln, dafs Hr. H. oft die
Gründe , welche ihn bestimmten von Fabri abzuweichen , angegeben
I
Fahri' u. Hcorwagen: Tili Livii a. ii. c. libri XXI et XXII. 181
lial , wen» auch darüber vielleiclit die Ansichten verschieden sein
kiMinen, ob an allen Siellen, \> o es geschehn ist, diese Angabe er-
fordert werde, und nichl an manchen andern es wünschenswerlh ge-
wesen wäre die handscliriflliche Lesart angeführt zu sehn. Da Hr. II.
selbst darüber schwankt, ob er hier überall das rechte Mafs gehalten
iiabe, so scheint es zweckniiilsig einige Capitel durchzugehn, um das
Verfahren desselben prüfen und beurtheilen zu können. Wir wählen
dazu den Anfang des XXII. Buches, wo c. 1,2 bemerkt ist, dafs statt des
mit Uecht aufgenommenen niderent gewöhnlich triderunt gelesen wor-
den sei, aber dafs der Anfang des Capitels nur auf einer Verbefse-
rung Vallas beruhe, dafs §. 2 und 3, eine Stelle die durch Schwer-
liilligkeit und Härte der Structuren auffällt, nicht ganz so in den
IJandschr. gelesen werden, wie sie im Texte stehn, dafs statt des hier
schwachen autem in den Handschriften aifdes sich linde, und manche
sinnehmen , dafs darin der Name eines Ortes verdorben sei, nicht
angegeben wird. Im folgenden ist §. 9 bemerkt, dafs Drakenborch
statt lapides vermuthet habe hiwpades. §. 10 im Put. nicht Antii
sondern in Antii^ was die Conjectur Gronovs m Anllati als nicht un-
wahrscheinlich erscheinen läfst, dann ac simahicra nicht ad simulacra ;
statt divis aber divinis, was bis jetzt noch nicht genügend verbefscrt
ist (Haupt in den Berichten der k. sächsischen Gesellschaft der Wi-
fsenschaften 1850 S. 104 vermuthet esse d/ris carniina)^ sich finde, §. 20
bei Salurnalia — •clamalum auf das handschriftliche S. — clamalam
aufmerksam gemacht, aber §. 18 unde Feronine statt inde F. still-
schweigend gebilligt, ebenso c. 2, 1 pervenisse statt des von Al-
?chcfski aufgenommenen praevenisse. Schwerlich mit Recht ist §. 3
et onine veterani robur exercitus beibehalten und das handschriftliche
erat entfernt, da die Veränderung von et in id oder nach Hrn. H.s
Conjeciur et id gewis weit leichter ist als die Annahme, dafs erat
nur eine Verschreibung sei. Ebenso ist §. 6 unsicher , ob durch die
angeführten Beispiele neque — puterant aul corpora etc. hinreichend
geschützt werde, da keine dieser Stellen ein in sich abgeschlofsenes ne-
que — neque ^ wie die vorliegende es darbietet, enthält. §. 9 ist
stillschweigend cubile statt des von Aischefski künstlich vertheidigten
CMÖi/i hergestellt; dann aber tarnen statt tandem als Lesart des Put.
bezeichnet. C. 3, 2 wird mit Recht in rem erat der Vorzug vor dem
handschriftlichen m rew« erff»< gegeben , die Unsicherheit des Lesart
§. 9: sicjnumque — cum dedisset bemerkt, §. 13 vetant vertheidigt
und obtorpuerit als Lesart des Put. bezeichnet, aber nicht, dafs §. 7
fast alle Handschr. nee qnieto quidem haben. C. 4, 2 ist die Unsicher-
heit der gewöhnlichen Lesart: montes Corfonenses Trasumennus subif
angezeigt, nicht aber, dafs die besten Handschr. colles adinsurgnnt
haben , was bei der Vorliebe des Livius für Decomposita entweder
beizubehalten scheint, oder, wenn Livius sich anders genau an die
Schilderung des Polybius III, 83 gehalten hat, als eine Andeutung zu
betrachten ist, dafs etwas ausgefallen sei. §. 4 ist angegeben, dafs
statt cepere in den besten Handschr. deceptae stehe , nicht aber dafs
182 Fabii u. Heerwagen : Tili Livii a. u. c. libri XXI et XXII.
qua cuiqiie sich auf die Autorität Priscians gründe. C. 5, 1 ist uc
Stare et piKjnare statt ac pucjnare ^ §, 4 mixtas statt mixto still-
schweigend mit Recht beibehalten ; dagegen sieht man keinen Grund,
warum Hr. H. §. 8 ardor animorum, das er statt ardur arniorum
durch passende Parallelstellen in Schutz genommen, nicht auch in den
Text aufgenommen hat. Kurz vorher hiitten in Rücksicht aufdieVor-
anstelliing der principes die Bemerkungen von Iluschke a. a.O. S. 450
berücksichtigt, und zu der ganzen Schilderung als Parallele Tac.
Hist. II, 41 exlr. angeführt werden können. Cap. 6, '6 ist facie quo-
que noscitans^ Consulen, inquit etc. beibehalten, obgleich der Put.
consulem hat, und die angeführten Stellen neben noscilare oder co-
gnoscere in ganz ähnlichen Fällen ein Object zeigen, auf das sich dann
ein Pronomen bezieht ; endlich der Ehrenname coiisul in dem Munde
des erbitterten Feindes weniger passend erscheint. §. 7 ist nicht be-
merkt, dafs fessi tada retro aer/errime repetebant von Gronov so ver-
befsert ist, §. 6 dafs in den Ilandschr. capUtbus umeribns (Put.) oder
capäibus nmei'is sich findet, während capitibiis humerisque beibehal-
ten ist, obgleich Hr. H. sonst ziemlich harte Asyndeta zuläfst, z. B.
XXI, 28, 2: naiiftrinn militum; ib. 46, 4: tot hominnm equurum ;
XXII, 13, 1: tot indignitatibus cladibus; ib. 9, 4: Praelutiamtm Ha-
drianum agrum ; 22, 19 graves superbos; 61, 3 cum mugtiis ßetibus
questibus. Sollte an unserer Stelle das Asyndeton zu hart sein , so
liegt umerisve wohl näher als humerisque , s. Hrn. H. zu XXII, 11, 1.
C. 7,2 wird diversis, duo milia^ utrimque in Schutz genommen;
§. 12 complexu mit Recht gebilligt, aber nicht bemerkt, dafs caesa
sunt unsicher sei, dafs c. 8, 6 die Handschr. dictatorem populns crea-
vif haben sinll prod/ctatore?n ., wo zugleich auch die Bedeutung dieser
A^'ahl kurz angedeutet werden konnte, s. Rubine a. a. 0. S. 101. Ib.
§. 7 ist mit Recht pro vrbe ac penalibus gebilligt; c. 9, 1 Spoletium
als Lesart des Put. bezeichnet; dagegen das unpassende Vcri sacrum
stillschweigend beseitigt. C. 10, 1 wird die handschriftliche Lesart
consuletite coUegio praetorum beibehalten, obgleich es auffallen mufs,
dafs ein Praetor beauftragt wird etwas zu thun, was nicht zu sei-
nem Geschäftskreise gehört, das ganze CoUegium der Praetoren ohne
einen solchen Auftrag handelt; dafs der beauftragte für den schleuni-
gen Vollzug der Anordnungen sorgen soll, das Collegium aber erst
anfragt, welche Anordnungen getroffen werden sollen; dafs nicht, wie
der Senat bestimmt hat, das PriestercoUegium, sondern nur der Pon-
tifex maximus die Feierlichkeiten festsetzt. Da nun überdies in
der Schreibung der Magislratsbezeichnungen so oft gefehlt wird,
und auch an unserer Stelle im Med. praetor is sich findet, so dürfte
die Vermuthung von Lipsius immer noch eine neue Prüfung verdienen,
zumal der Praetor Aemilius auch später, s. c. 33, in religiösen Ange-
legenheiten thäfig ist. Bei dieser Gelegenheit hätte wohl bcmeikt
werden können, dafsLivius erstXXXIlI,44 den Praetor Cornelius 3Iam-
mula als den nenne, welcher das rer sacrum gelobt habe. Im folgen-
den wird die Versetzung der Worte quod ducllum — sunt mit Recht
Fabri u. Heerwageu: Titi Livii a. u. c. libri XXI et XXll. 183
i^ebilligt (es halle bemerkt werden können, dafs auch sonst im l'iil.
sulche Umstellungen sich linden, s. Aischefski zu XXII, 32 p. 463);
lerner die Worte sicut velim eam etc. als unsicher bezeichnet, und
oegen die Vermuthung des Ref., dafs stet ut velim zu lesen sei, gel-
tend gemacht, dafs neben stet nicht wie an ähnlichen Stellen eodem
statu sich linde. Indes konnte hier wohl kaum der Wunsch ausge-
sprochen werden, dafs sich nach 5 Jahren noch der Staat in dersel-
ben traurigen Lage helinden möge, in der er damals war, und an jenen
Stellen steht nicht uf velim neben stare, wie hier. §. 2 ist das un
passende (/uive eis A/pes, dann c/epset stillschweigend beseitigt; aber
>;j. 5 bemerkt, dafs suppUcatinn iere cum eine Verbefserung Gronovs ;
tditum nicht durch die Handschr. bestätigt sei. C. 11, 4 ist ut ii als
Verbefserung Gronovs statt w/e, progredientem als statt des hand-
schriftlichen prodientem gesetzt angegeben. §. 8 hätte in Rücksicht
auf die Aushebung der Hbertini wohl Huschke a. a. 0. S. 219 beachtet
werden können. C. 12, 1 ist mit Recht quo diem beibehalten ; §. 4
die Unsicherheit der Worte victos tandem Martios animos bemerk-
lich gemacht, und Ilr. H. ist nicht abgeneigt Jenickes Vermuthung p.
tandem antiquos Martios animos zu billigen, während Haupt tandem
illos Martios vorschlägt. §. 5 wird das schon von Fabri in Schutz
genommene cura animum incessit beibehalten, §. 7 obsistebat ver-
worfen, was allerdings nur durch die Annahme, dafs obsistere be-
deute * sich zum Kampfe bereit aufstellen' vertheidigt werden kann.
§. 8 ist necessario beibehalten, da aber der Put. usus necessari co-
ijeret bietet, so ist vielleicht usus necessarii cogerent zu lesen, s.
Cic. OIT. I, 8, 25: expelantur diritiae ad usus vilae necessarios.
|Ilaupt conjicierte: usus neccssarius cogeret, unter Vergleichung von
Caes. B. C. III, 96: cui semper omnia ad necessarium usum defuis-
sent.] Bald darauf scheint die Schreibung des Pul. receptu quae dar-
auf hinzudeuten, dafs ein ähnliches Substantiv ausgefallen sei.
Aus dem bemerkten geht hervor, dafs Hr. H. im ganzen mit
Umsicht die Punkte gewählt hat, deren Erörterung zweckmäfsig war,
und nur hier und da etwas erwähnt oder nicht berührt hat, wo man
es erwarten könnte, dafs er mit Besonnenheit und richtigem Takte die
Resultate der Alschefskischen Forschungen benutzt und verarbeitet,
dem Puteanus und den diesem am nächsten stehenden Handschr. die
ihnen gebührende Autorität eingeräumt, zugleich aber dem Sprachge-
brauche wie dem Sinne und Zusammenhange sein Recht hat widerfah-
ren lafsen, so dafs seine Bearbeitung der beiden Bücher schon von
dieser Seite betrachtet als ein Fortschritt in der Kritik des Livius zu
betrachten ist. Namentlich ist es nur zu loben, dafs er Lesarten wie
das eben erwähnte praevenisse; Veri sacrum; XXI, 19, 9 rociius ho-
slis prodidil ; ib. 35, 3 praecedehatit u. ä. wieder entfernt und die frü-
here Lesart hergestellt hat. In der Natur der Sache selbst aber liegt
es, dafs man dennoch an manchen Stellen eine andere Ansicht hegen
kann als die vom Herausgeber vertretene. So scheint, um im XXII.
Buche fortzufahren, c. 12, 12 statt prcmevdoque leichter et premendo
1S4 Fabri ii. Heerwag-en : Tili Livii a. u. c. libii XXI et XXII.
hergestellt werden zu können ; c. 13, 6 ist wohl Caiatinumque statt
Calatinutiujne zu lesen, s. Stier in d. Zeitschrift für die Alterthnms-
wifsenschaft 1852 S. 207 [diese ISJahrb. LXVI S. 202]; 14, 1 steht se-
ditione accensi der handschriftlichen Lesart vielleicht näher als se-
ditio accensa ; ib. §. 7 ist laeti^ wie es scheint, nicht stärker als im
Anfange der Rede ad rem fruendam ocuUs und deshalb nicht gerade-
zu zu verwerfen. 15, 7 ist ad caslra prope ipsum cum fatigatione
equornm afqiie hominnm pertraJtere ohne Bemerkung beibehalten, ob-
gleich der Gegensatz von ipsum nicht deutlich ist , weshalb Ref. ad
castra prope ipsa eum etc. vorschlug. 16, 4 würde für die Vermu-
ihang perhorridas siU-as sprechen, dafs in jener Gegend die berüch-
tigte üiha Gallinaria war, s. Forbigers Handbuch der alten Geogra-
phie III, 739. Bald darauf ist es immer hart, wenn zu collecfae, um
praeliganturque zü veüen , sunt ergänzt werden soll, und Ref. hält
es daher immer noch für wahrscheinlich, dafs ein zu fasces gehöriges
Praedicat ausgefallen, etwa praeparantur alliganiurque zw lesen sei.
Aehnlich wird dcligari für dieselbe Sache von Ouinlilian Inst. orat. II,
17, 19 gebraucht. Dieser sagt nemlich: Hannibal, cum /iiclusus a Fa-
hio sarmentis circa cornua boum deligatis incensisque per noctem in
adversos muufes agens armeiita, speciem host/ abeuntis exercitus de-
dit, was vielleicht zu einer Bestätigung der Annahme des Ref. dient,
dafs §.8, da der Put. ut primis tenebris noclem hat, auch bei Livius
per noctem zu lesen und primis tenebris als aus dem folgenden Ca-
pitel hierher versetzt zu betrachten sei. Hr. H. glaubt zwar, die Wie-
derholung der \^'orte lafse sich dadurch rechtfertigen, dafs so der Ue-
bergang von dem Befehle zur Ausführung angedeutet werde: allein
eine Differenz zwischen beiden Momenten läfst sich doch nicht in Ab-
rede stellen, da es einmal heifst , dafs schon primis tenebris die Och-
sen gegen die Berge getrieben werden sollen; dann aber hinzugefügt
wird, dafs um dieselbe Zeit das Heer aufbrechen und erst nachdem
dieses vielleicht längere Zeit marschiert ist, das Manoeuvre ausgeführt
werden soll. Zudem war zu fürchten , dafs, wenn die Ochsen schon
primis tenebris vorrückten, die List leicht entdeckt werden konnte;
und nicht zu übersehn dürfte sein , dafs nach Polyb. III, 93, 7 der Auf-
bruch des Heeres erst gegen das Ende der dritten Nachtwache erfolgt
ist. Für die Beurlheilung der Darstellung des Livius konnte auf die
Abhandlung von Schneider: über Haunibals Entkommen aus der Ein-
schliefsung bei Casilinum, Rücksicht genommen werden. C. 20, 5 ist
iniuncla beibehalten; aber die handschriffl. Lesart incompta ist viel-
leicht einfacher aus einer Umstellung der Buchstaben von coniuncta
zu erklären, s. I, 44, 4. Auch das folgende: nee continentis modo
proiectas oras praefervecta ist, Avie Hr. H. selbst einräumt, sehr un-
sicher, da die Handschr. nur nee continentis modo periectas oras ha-
ben, und es nicht wahrscheinlich ist, dafs die Flotte nur an den vor-
ragenden Küstenpunkten vorbcigesegelt sei. Dadurch dafs sie an der
ganzen Küste hinfuhr ohne Widerstand zu finden, war schon bewie-
sen , dafs sie jetzt das Meer in jener Gegend behersche. An einer
Fabri ii. Heei'Mag-eii : Tili Livii a, u. c. libri XXI et XXII. 185
dem Inhalle nach ähnlichen Stelle XXI, 49, 2 viginti quinqueremes —
missae, novem Lipnras^ octo ad insulam Vulcani tenuerunt hat Hr.
H. die handschriftliche Lesart dadurch zn erklären versucht, dafs er
annimmt, teuere focum bedeute * einen Ort erreichen^, tenere ad lo-
cum 'irgendwo anlegen, weil etwas die weitere Verfolgung- des ei-
gentlichen Reiseziels unterbreche.' Indes sclieint es bedenklich, diesen
feinen Unterschied hier gellen zu lafscn, da auf der einen Seite auch
die nach Liparae verschlagenen Schilfe durch den Sturm verhindert
wurden das Ziel ihrer Fahrt zu verfolgen ; auf der andern die Ent-
fernung der insula Vulcani von Lipara nicht so grofs ist, dafs man
sagen könnte, die dorthin, nicht aber die hierhin auf einer Fahrt nach
Italien gelangenden wären von ihrem Curs verschlagen, und dieses
durch einen besondern Ausdruck zu bezeichnen nötliig hätte. End-
lich scheint tenere ad locuni, wenn man anders aus den wenigen Stel-
len etwas folgern darf, mehr als tenere focum einen freien I^utschlufs
an einen Ort gelangen zu wollen anzuzeigen, und würde auch deshalb
an unserer Stelle nicht ganz angemefsen sein. Daher bleibt es immer
noch wahrscheinlich, dafs hier ein Fehler obwalte. XXII, 20, 10 hat
Hr. H. qui Hiberum incolunt nach den Handschr. aufgenommen} doch
scheinen die Stellen, welche angeführt sind, diesen Gebrauch nicht
ganz zu beweisen, da neben dem Flufse auch ein Ort genannt ist. Bei
Polyb. III, 42 hat Bekker naqoi'novvxcig statt xaroLKOuvra'^ in den Text
genommen. C. 23, 9 wo im Pul. in usuin horreorum caitcalegi qua
erat ratecta in stitiiiseserant gelesen wird, dürfte die Verbefserung
Gronovs pauca reliquerat tecta nicht ganz sicher sein, da nach Po-
lybius III, 106 ein grofser Theil der Stadt erhalten wurde, so dafs
man eher haud pauca tecta erwarten sollte.
Dagegen ist es nur zu billigen, dafs Hr. H. an manchen Stellen
die handschriftliche Lesart, selbst wo sie von Aischefski aufgegeben
war, wieder hergestellt hat, z. B. XXII, 22, 6 soUertia; ib. 25, 13
magister equitum; XXI, 3, 13 vetant; ib. 32, 15 exercitus u. a., an
anderen zum grofsen Theil sehr zweckmäfsige Verbefserungsvor-
schläge macht, von denen mehrere bereits in der Recension der Al-
schefskischen Ausgabe, s. Münchner Gelehrte Anzeigen 1847 Nr. 97 IF.,
mitgetheilt sind. Einige derselben sind so evident, dafs sie Hr. H.
mit Recht in den Text aufgenommen hat, z. B. XXI, 5, 10 impedilum
agmen statt peditum agmen , eine Verwechslung die wahrscheinlich
auch XLII, 59, 8 stattfindet; XXII, 30, 5: /«, quaeso ^ placatus me
magistrn77i equitum, hos ordinihus suis qnemque t ender e iuheas,
wodurch alle Schwierigkeiten, welche das handschriflliche tenere
veranlafst, am leichtesten beseitigt werden und ein ganz angemefsener
Sinn geworden wird; XXII, 50, 12 wo quod in qnus verändert ist; ih.
38, 12 sind die Worte tJii/ites iussu consulum convenfuros neque in-
iussu abitvros durch neue Gründe als unecht erwiesen und eingeklam-
mert worden. Andere Conjecluren, obgleich sie zum Theil sehr tref-
fend sind, hat Hr. H. nicht aufgenommen, z. B. XXI, 30, 7 wo pervias
i'aucis esse exercitibus statt pervias paucis vermuthet wird; ib. 36, 7
186 Fabri ii. Heerwagen: Tili Livii a. u. c. libri XXI el XXII.
taetra ibi luctatio erat ita hibrica glacie non revipiente etc. statt iil
u hibrica^ was sich jedoch vielleicht durch die von Hand Turs. I, 54
gegebene Erklärung schützen läfst. Bedenklich dagegen kann XXI,
5, 16: fi tanto pavore reciperent aniinos die Zusetzung der Praeposi-
lion erscheinen, da nicht allein an dieser Stelle a in den Hss. fehlt,
sondern auch XLIV, 10, 1; ib. 13, 3 im cod. Vindob. sich nicht findet.
XXI, 36, 8 ist interdum etiam infimam ingredietitia nivem geschrie-
ben und das störende tarn oder tarnen entfernt, vy^iewohl es noch zwei-
felhaft sein kann, ob nicht ein anderes Wort darin verdorben ist.
Sehr wahrscheinlich ist, dafs XXI, 41, 4 bei neque ref/ressus ad naves
erat ein anderes Glied übersprungen sei ; ib. 56, 8 nach reliquum etwa
sauciorum; XXII, 27, 4 vor secuttirumque ein anderes Participium
fehle. XXI, 40, 7 schlägt Hr. H. vor: quo plures paene perierint,
wo allerdings quo dem handschriftlichen qui näher steht als die ge-
wöhnliche Lesart cum; paene aber immer störend bleibt, da es Sci-
pio nicht darauf ankommen kann seine Behauptung zu mildern, viel-
mehr dieser ganze Theil der Rede nur darauf berechnet ist die Schwä-
che der Feinde in das grellste Licht zu setzen. Der scliwierigen Stelle
XXI, 49, 7: ante omnia Lilijbaeum teneri, ad apparatnm belli ediclo
proposifo — perqtie oninem oram qui — classem si?nul glaubt Hr. H.
dadurch zu Hilfe zu kommen, dafs er zu lesen vorsclilägt: Li/ybaeum
teneri para/um hello ^ dann nach oram oder statt si7nul ein Verbum
dimissi oder disposili zu setzen. Die erste Veränderung ist, da im
Put. teneri apparatum belli sich findet, nicht bedeutend, und der Sinn
der Worte an sich ganz angemefsen , doch erscheint es störend, dafs
unter die Anordnungen des Praetors ein historisches Factum (teneri
wird nemlich als Iniin. histor. betrachtet) eingeschoben wird, wäh-
rend man auch in diesem Satze eine Aufforderung oder einen Grund
erwartet, wie XXVII, 28, 4. Die erstere hat Kleine, aber durch eine
zu kühne Conjectur, zu gewinnen gesucht, indem er tcnerent adpa-
ralu belli (dieses nach Med. 2) liest. Ref. möchte deshalb, da teneri
sich in den besten Ilandschr. findet, und Ausdrücke wie legati mittun-
tur auch sonst nicht selten so gebraucht werden, dafs dabei der Be-
fehl, den sie überbringen, gedacht wird, /^«er/ beibehalten , und es
von legati tnissi abhängig denken (eine Ergänzung wie necesse esse^
die Aischefski annimmt, dürfte sich schwerlich rechtfertigen lafsen);
dann aber, da allerdings das nakte teneri^ wenn man es nicht etwa im
Sinne von peli, nemlich ab hostibus, s. XXX, 25, 11, nehmen will, auf-
fallen mufs , mit Hrn. II. paratum bello oder appara tu belli hinzufü-
gen^ um so mehr als die Erklärung von adparatum, wenn es mit dem
folgenden verbunden Avird, wie Hr. H. zeigt, nicht gelingen kann. In
Bezug auf die zweite Conjectur mufs man Hrn. II. beistimmen, wenn
er die Ergänzung von niissi zu per umneiu oram sehr hart llndet, und
Avird um so mehr geneigt sein ihm beizustimmen, da der Put. nicht
smul sondern simili hat, und durch die Entfernung von simnl der
folgende Satz mehr abgerundet wird. C. 57, 1 wird statt y««, was
im Put. sich findet, nicht qtio sondern befser quo a vorgeschlagen;
Fahri u. HccrNvagcn : Tili Livii a. ii. c. libri XXI et XXII. 1S7
XXII, 14, 14 et descendas ^ was sich jedoch zu weit von dem Iiaiid-
schriftlichen et deditcetidas entfernen dürfte; ib. 18, 10 wo im Put.
ac 7-espirasse steht, cladihtis accep/is reapirasse statt der Vulgata cla-
dihiis res])irasse ; Hcf. vormuthele hier cladilnts acqvievisse ac respi-
rasse, s. Sali. Cat. 4, 1. Selir wahrscheinlich ist XXII, 21, 8 ad quin-
decim milia ^ wo im Put. ac vor qnindecim steht, was gewöhnlich
nicht beachtet wird; XXI, 20, 9 exspectatione ereclam, \s'0 der Put.
m exspectatione hat und bisher gelesen wurde in exspeclationem.
XXII, 19, 10 vermuthet Hr. H. statt des unpassenden eveherentur,
welches Alsch. aufgenommen hat: erccti haerent^ was sich allerdings
mehrfach findet, vgl. aufscr den vomHerausg. angeführten Stellen Tac.
Ann. II, 23: non adhaerere ancoris; allein an unserer Stelle scheint
die Endung tir darauf hinzudeuten, dafs ursprünglich ein anderes
Verbum, etwa erecti oder eve/ientes tencnfur {niGrantur^ hier ge-
standen habe. Auch kurz vorher ist die Lesart keineswegs sicher , da
im Put. nicht das schwache e terra sich findet, sondern fugientium
marjis elerrarum, so dafs man vermuthen könnte, in eterrarum liege
ein anderes mit fugietUiuin durch et verbundenes Particip. Statt der
auffallenden Verbindung XXII, 30, 4: quod exercifihnsqiie kis ttiis
wird exercitibus tilrisque bis tiiis vorgeschlagen; doch ist vielleicht
nach exercitu ein zweites Substantiv ausgefallen. Ib. 45, 6 vermuthet
Hr. H., sich genau an die Lesart des Put. anschliefsend: atque ita in-
strtrmit cunctam aciem. ■ — An anderen Stellen ist, wenn auch keine
Verbefserungsvorschläge gemacht werden, wenigstens auf die Fehler
des Textes hingewiesen, z. B. XXI, 22, 1 wo hatid vor minus wohl
befser als unecht eingeklammert worden wäre. ib. 28, 8 wo im Colb.
und Med. sich findet: ut cum elephanfi per stabilem ralem — acti
vhi in minorem adpUcatain transgressi siirit, was Alsch. in den Text
aufgenommen, nur ut in et verändert hat, vermuthet Hr. H. , dafs ent-
weder ut cum verdorben oder nach diesen Worten etwas ausgefallen
sei, was der Bemerkung des Polyb. III, 46, 4 entsprochen habe. Auch
die Stelle 3, 1: in Hasdruhafis locum etc. wird mit Recht als unsicher
bezeichnet, da sowohl die abgerifsene Construction als die hand-
schriftlichen Lesarten nicht zweifeln lafsen, dafs hier ein tieferes
Verderbnis zu Grunde liege. Doch möchte dieses weniger in ein-
zelnen Worten als in einer Lücke nach qtiin praerogativa militaris
zu suchen sein, indem vielleicht hinzugefügt war, dafs die Soldaten
für sich, ohne die Beschlüfse von Karthago abzuwarten, einen An-
führer zu wählen entschlofsen gewesen seien; oder dafs man von ih-
nen die Wahl erwartet habe, wie es Polyb. III, 13 bericlitet. An
nicht wenigen Stellen bringt Hr. H. für bereits aufgenommene Les-
arten oder Conjecturen neue Gründe bei, z. B. XX\. 9, ^ effcrafarum ;
ib. 10, 12 ad piaculvm (kurz vorher konnte vielleicht auch die Con-
jectur Madvigs: vicerunf ergo dii homines erwähnt werden, die je-
doch nur dann zuläfsig erscheinen könnte, wenn L. gegen seine An-
sicht in ähnlichen Fällen den Römern selbst alles Verdienst hätte ab-
sprechen wollen); XXT, 12, 2 aliquatifum; 14, 6 corpora resirc; ;
188 SelTcr: Elementarblich der hebräischen Sprache.
17 9 eodem tiersa, obgleich das Neutrum hier immer anstöl'sig blei-
ben wird; 21, 11 Afri in Hispanin; '27, 6 svperpositis n. a.
Besondere Sorgfalt hat der Herausg. auch auf die Interpuncliou
verwendet, die allzugrofse Sparsamkeit Aischefskis vermieden, und
mehrere Stellen, die vorher verdächtig oder unverständlich waren, pas-
send hergestellt. So ist XXII, 23, 6 in permutandis captivis zu dem
folgenden Satze gezogen worden, während es sonst zu dem vorher-
«'^ehenden genommen wurde , hier aber eine unpassende Stelle ein-
nahm; ib. 29, 3 ist das Komma vor ad auxilium entfernt, da diese
Worte zu demissa gehören; 47, 2 ist geschrieben: in directum iitrim-
que nitentes stantibus ac cunfeilis postremo turba equis etc. , wo-
durch die Worte in — nitentes erst einen guten Sinn und ihre Be-
ziehung zu postremo erhalten, während sie zum vorhergehenden ge-
zogen die Schilderung nur verdunkeln. Noch erwähnen wir, dafs Hr.
H. die zahlreichen Citate nachgeschlagen und mehrfach nach neueren
Texten berichtigt, an wichtigen Stellen zu den früher citierten Gram-
matiken die von Krüger und Madvig hinzugefügt, endlich das geo-
graphische Register geprüft und vervollständigt hat. Aus allem die-
sem geht hervor, dafs sich Hr. H. nicht allein um die Ausgabe Fabris
sondern auch um den Text und die Erklärung des Livius entschiedene
Verdienste erworben, dem Werke die Gestalt, welche der jetzige
Standpunkt der Texteskritik wünschen liefs , gegeben, und so die
Brauchbarkeit desselben für Schüler und alle, die den Sprachgebrauch
und die Darstellung des Livius genauer kennen lernen wollen, noch
erhöht und erweitert hat. Die äufscre Ausstattung ist sehr empfeh-
lenswerth.
Eisenach. W. Weissenborn.
Elementarbuch der hebräischen Sprache, von Dr. Seffcr. Leipzig,
1845. Steinacker.
Den genauem Titel und eine vorläufige allgemeine Anzeige die-
ses Schulbuchs, das sich mehr und mehr Bahn zu brechen scheint,
geben diese NJahrb. Bd. LXIV S. 310. Hier soll nun zum Frommen des
Buchs selbst, für den Fall, dafs es in zweiter Auflage erscheint, so
wie im Interesse des fraglichen Spracliunterrichis überhaupt mehr in
einzelnes eingegangen, zuvor aber über einige allgemeine Gesichts-
punkte gesprochen werden, um die es sich hierbei handelt.
NVer heutzutage den hebräischen Gymnasialunterricht zu behan-
deln hat, wird es leichter finden, hinsichtlich des Ziels, zu dem er
die Schüler bringen möchte, mit sich ins reine zu kommen, als über
die Wege zu diesem Ziel, näher bezeichnet über die Lehrbücher, an
deren Hand er den lernenden führen solle. Das Ziel nemlich kann
kein anderes sein, als eine solche Ausstattung des Schülers mit gram-
Scll'cr: Elemcntarhuch der hehräischcri Sprache. 189
malischen Keiiiilnisseii , ilals er beim Al)gaiig- zur Universität im
Stande sei, seine iici)raiscUe Bibel, auch die sciivverern ßüclier der-
selben, ohne sonderliche Mühe zu vcrsteiui, und zwar nach dem der-
maligen Standpunkte der hebräischen Spraclnvilsenschaft zu vcrsteiin,
» ie solcher durch das ausführliche Lehrbucii der hebräischen Sprache
von II. Ewald repraosentierl ist.
lliermil erscheint vielleicht manchem das Ziel hinsichtlich des zu
bewältigenden Stoires zu hoch gestellt, indem sich nach dem Mafs
der dem hebräischen Unterricht im Gymnasium zugetheilten Zeit nicht
mehr verlangen lal'sc, als dafs der Schüler die historischen Stücke
des A. T. und leichtere Psalmen und Sprüche gründlich verstehn lerne,
das übrige müfsc der Universität vorbehalten bleiben. Wir können
dies, so wie die Dinge dermalen stehn, unter gewissen Umständen
zugehen, wenn andererseits eingeräumt und darauf hingestrebt
wird, dafs es befser kommen sollte, dafs als Aufgabe des Gymna-
siums betrachtet werde, die Schüler auch im Hebräischen auf die
Stufe zu bringen, welche mit ihrer Kenntnis der classischen Sprachen
auf gleicher Höhe steht. Warum dies eine ebenso nothwendige als
billige Forderung ist, habe ich in einer kleinen Abhandlung im ersten
Jahrgang der Gyninasial-Zeitung von Blützell nachzuweisen gesucht.
Aber auch zugegeben, das Ziel müfse hinsichtlich des Stoffes
für den Gymnasialunterricht um der Herzenshärtigkcit willen vor der
Hand niedriger gestellt werden, indem man sich meistentheils statt ei-
nes vierjährigen Cursus mit einem zw eijährigen , statt vier wöchent-
licher Lehrstunden mit zweien genügen läfst; so ändert sich damit der
Hauptsatz, um den es uns vornehmlich zu thun ist, nicht, dafs nem-
lich der Schüler schon bei dem ersten Unterricht im Gymnasium so
geleitet werden müfse, dafs er jedesfalls in seinen weiteren alttesta-
mentlichen Studien ohne Schwierigkeit und mit Lust und Liebe in das
genannte Ewaldsche Lehrbuch sich einarbeiten kann. Denn es darf
als Thatsache angenommen werden, dafs, so wenig auch leider Einig-
keit in den Geistern herscht hinsichtlich des geschichtlichen oder lehr-
haften Inhalts des A. T. , doch Bibelforscher der verschiedensten Par-
teien in ihren Commentaren zu den biblischen Büchern und wohl auch
die Universitätslehrer auf dem Katheder fast durchweg eben das ge-
nannte Lehrbuch als letzte Instanz in grammatischen Dingen betrach-
ten und sich auf dessen Ausspruch als endgiltigen Bescheid berufen.
Ebenso gewis ist, dafs, um solche Citate gehörig verstehn und be-
nützen zu können, ein oberflächliches Nachschlagen nicht genügt, son-
dern ein gründliches Studium der Ewaldschen Sprachwerke nothwen-
dig ist, dafs es aber in dem Mafse, als es bei dem durch und durch
eigenthümlichen Gange und Ausdrucke dieses Sprachforschers erfor-
derlich ist, bei den wenigsten dazu kommt, wenn sie die ersten
Grundlagen hebräischer Sprachkenntnis an der Hand von Lehrbüchern
gelegt haben, die nicht oder nur nothdürftig auf dem Standpunkt der
neueren hebräischen Sprachwifsenschaft stehen. Die natürliche und
am Tage liegende Folge ist ein gleichgiltiges und unsolides Studium
190 Seffer: Elementarbuch der hebräischen Sprache.
des A. Testaments, welches mit daran schuld ist, dafs es selbst über
die klarsten biblischen Fragen unter den Theologen unserer Zeit so
schAver zu der erwünschten Verständigung kommt ; um davon nicht zu
reden welcher Schade der kirchlichen Geireinschaft dadurch er-
wächst, dafs die Diener des göttlichen Worts ihr A. T. so selten mit
selbständigem Urtheil und gehöriger freudiger Vertiefung in seinen
herlichen Inhalt zn handhaben wifsen.
Um nun aber das selbst für die Wifsenschaft und Kirche, wie
man sieht, wünschenswerthe Ergebnis herbeizuführen und das oben be-
zeichnete Ziel zu erreichen , bedarf der Lehrer für den hehr. Elemen-
tarunterricht ein Buch, das sich schon vom ersten Anfang an zur Auf-
gabe macht, den Schüler auf den gegenwärtigen Standpunkt der he-
bräischen Sprachforschung zu erheben und es ihm möglich zu machen,
dafs er, ohne in Conllicte zu gerathen, unmittelbar zum Studium der
Originalwerke, wir meinen das genannte ausführliche Lehrbuch von
Ewald, übergehn könne. Die Miebräische Sprachlehre für Anfänger
von Ewald' läfst*) bei allem trefflichen, was sie enthält, vieles zu
wünschen übrig und mufs , um Schulbuch werden zu können , in vielen
Stücken umgearbeitet, mufs vor allem correcter und leserlicher ge-
druckt werden , erfordert aber jedesfalls ein ihr zur Seite gehendes
Lesebuch; die fleifsige Arbeit des leider nun verewigten Schwarz:
* Hebräisches Lesebuch mit Beziehung auf Ewalds hehr. Sprachlehre
für Anfänger' nebst drei sehr schätzenswerthen Anhängen bietet ge-
rade für die allerersten Anfänge des Unterrichts im Hebräischen nichts
und läfst eine Lücke, die durch ein weiteres Uebungsbuch ausgefüllt
werden mufs, an dessen Hand das Lesen und die Formenlehre zu ler-
nen ist. Eine umsichtige und gediegene Arbeit für diesen Zweck ist
das 'hebräische Lesebuch von Klaiber', müste aber, da es ganz nur
auf die Grammatik von Gesenius basiert ist, wesentlich umgeändert
werden, um den dermaligen Ansprüchen völlig zu genügen. Der prak-
tische Cursus über die hehr. Formenlehre von Maurer ist gleichfalls
fleifsig gearbeitet und enthält sehr viel brauchbaren Stoff, und zwar
nach Ew aidschen Grundsätzen geordnet, eignet sich aber mehr für
die Hand des Lehrers als für die des Schülers und bietet keine Uebun-
gen für die Lautlehre. Wir bedürfen ein Buch das alles enthält, was
der Schüler auf der ersten Lernstufe bedarf, und worin Grammatik,
Lese- und Elementarbuch vereinigt und von dem aus sofort der Weg
zu dem gröfsern Ewaldschen Sprachwerk geebnet ist.
Ein solches Werk verspricht nun der Hr. Verf. des vorliegenden
Buchs zu geben, 'eine für den Schulunterricht berechnete Bearbeitung
der hebräischen Grammatik auf ihrem gegenwärtigen Standpunkt, wie
er durch die neueren Forschungen ausgezeichneter Orientalisten unse-
rer Zeit gewonnen und so vornehmlich den unschätzbaren Leistungen
Ewalds auf diesem Gebiet zu verdanken ist.' Und dieser Zusage ist
*) Man vgl. die Beurtheilung dieser Schuigrammatik in diesen
NJahrb. Bd. LVII S. 4.
.■;Seffer: Elcmeiilarbiicli der liobräisclien Sprache. 191
in der Tliat die lleifsige Arbeit in vielen Bezieiiiingen naclig-ckommcn ;
wir haben daran eine popularisierte Ewaldsche Grammatik, welche im
allgemeinen dem Plan und der Anlage nach dem angedeuteten Be-
dürfnis in erfreulicher Weise entspricht. An der Hand dieses Bnchs
kann der Anfanger lesen und übersetzen lernen, bat gehörigen Uebungs-
stolT, selbst, wenn der Leiirer ihn zu benutzen weifs, für die nach un-
serem Dafürhalten auf der ersten Lernstufe meist uncrläfsliche Com-
posiliun *) , bekommt alle wichtigen Grammatiealien in gehöriger Voll-
ständigkeil, in einer im ganzen richtigen Aufeinanderfolge, und, was
besonders zu beachten ist, in einer Fafsung, dafs er sich damit nach-
gehends ohne Anstand in den vollständigeren neueren Sprachwerken
zurechtfindet. AVir glauben daher versichern zu können, dafs , wenn
überall im hebr. Elementarunterricht dieses Buch zu Grunde gelegt
würde, wenigstens einmal in dieses Gebiet deutscher Wifsenschaft
ein einheitlicher Gang käme, während leider auch der Schulunterricht
unserer Tage in deutschen Landen so vielfach darunter zu leiden hat,
dafs das elg y.oiQapog l'örco je länger je mehr und in mancherlei Be-
ziehung, besonders aber auch hinsichtlich der Lehrbücher der Schüler,
unbeachtet bleibt.
Im Interesse dieses letztgenannten Wunsches geschieht es aber
auch, dafs wir nicht blofs auf die dankenswerthe Arbeit des Hrn. Seffer
nachdrücklich aufmerksam machen, sondern auch im nachfolgenden
dazu beitragen möchten, diesem Buche für den Fall einer neuen Auf-
lage die möglichste Vervollkommnung zu geben, damit es des Platzes
immer würdiger werden möge, den wir ihm anzuweisen uns gedrun-
gen fühlten. Da nicht blofs Kritiken sondern auch Studien gegeben
werden, so möge man eine umfangreichere Besprechung zunächst der
ersten 36 Paragraphen zuguthalten. Wenn wir es an Wünschen und
Ausstellungen nicht fehlen lafsen, so geschieht es wahrlich nicht aus
*) Es möge erlaubt .sein, einige Proben einer solchen Benutzung
des vorliegenden Buchs zu Compositionsübungen beizufügen, wie ich
sie meinen Schülern nach 6-8 wöchentlichem Unterricht gegeben habe.
Streng sich anschliefsend an die Uebungsstücke 5 — 17 wurden zu Be-
festigung des über Artikel, Numerus, Genus unveränderlicher Nomina,
der Verbalformen und der Suffixen am Nomen und Verhum sowie über
das Vav copulativum erlernten folgende Beispiele zum Uebersetzen ge-
geben : 'Die grofse Weisheit. Der arme Mensch. Der rechte Weg. Der
weise König. Diese guten Gebote. Jenes Thal. — Der Herr macht
grofs sein Volk und macht es stark im Krieg. Herr, deine Stimme
zerschmettert die Cedern des Libanon und wer sie hört, fürchtet sich.
Mein Herz sucht dich, Herr, und du richtest mich in Gerechtigkeit.
Herr, deine Satzungen .sind gut und ich bewahre sie mit Freude.
Mein Vater, sprach Rehabeam, hat euch mit Peitschen gezüchtiget,
aber ich will euch mit Skorpionen züchtigen. ' Es versteht sich von
selbst, dafs aufser diesen schriftlichen Uebungen die fraglichen Gram-
maticalien fort und fort durch ähnliche Beispiele im mündlichen Un-
terricht eingeübt werden müfsen. Auch mag zugegeben werden, dafs
bei einer kleineren Anzahl von Schülern, welche den erforderlichen
Eifer und Sprachsinn haben, schriftliche Compositionen ganz ent-
behrt werden können.
192 Seffer : Elementarbucli der hebräisclien Sprache.
Kleiiimei&tcrei und Tadclsuclit, sondern um damit dem Buche selbst
und dem hebräischen Sprachunterricht nützlich zu werden; dem Hrn.
Verf. aber, dessen strenger Untersuchung und Beurtheilung- mit aller
Offenheit die nachfolgenden Bemerkungen hiermit unterstellt sein mö-
gen, rufen wir zu:
— si quid nociSti reclius istis,
Candidus imperli; si non , his utere mecuni.
Um mit einer Ausstellung, die das Ganze betrifft, zu beginnen,
so sind wohl alle sachkundigen darüber einig, dafs es sich bei einem
Buche, wie das vorliegende ist, wie bei jeder Schulgrammatik um
zweierlei handelt, einmal, dafs die sprachlichen Thatsachen, soweit
sie allgemeine Giltigkeit und Anwendbarkeit haben, in der erforder-
lichen Vollständigkeit mitgetheilt, sodann, dafs dieselben zugleich
auch auf feste allgemeine Grundsätze, Regeln zurückgeführt werden,
als das Ergebnis der Einzelbeobachtungen , als Canones der ^Analo-
gia linguae', wie Caesar so treffend seine grammalischen Studien be-
zeichnet hat. ^^'ährend ein tiefgründigeres Sprachwerk noch einen
Schritt weiter gehn, überall wo möglich die letzten Gründe einer
Spracherscheiunng aufzeigen und daher mitunter in subtile Höhen,
selbst in die Region der Hypothesen sich erheben mufs, hat ein gram-
matisches Buch für den Schulgebrauch eine gewisse Mittelstellung
einzunehmen, es hat jene Hölien zu meiden, darf aber andererseits
nicht versäumen, die allgemeinen Gesichtspunkte, unter die die vie-
len Einzelheiten jedesmal sich begreifen lafsen, in dem gesetzgebe-
rischen Tone des sie volo sie jubeo ^ mit anderen Worten, bündig ge-
fafste Regeln zu geben. Eine wifsenschaftliche Sprachlehre mufs die
Gesetze, eine Schulgrammalik die Regeln der Sprache verzeichnen,
immerhin mit Hinweisung auf das gesclzmäfsige derselben, so weit
dasselbe ganz unzweifelhaft und verständlich ist. Dieser allgemeine
Satz findet im vorliegenden Falle seine volle Anwendung. Ewalds
Ireflliche Arbeiten über grammatische Dinge erheben sich alle zu der
genannten oft sogar schwindelnden Höhe und selbst seine Grammatik für
Anfänger hat namentlich in der Lautlehre diesen Charakter; die Sprach-
erscheinungen werden bis auf die tiefsten Wurzeln hinab verfolgt und
die schaffende Sprachkraft in ihrer geheimnisvollen Arbeit belauscht.
Für den, der die Sprache schon kennt oder wenigstens mit derartigen
Forschungen in andern Sprachen vertraut ist, mufs es ebenso genufs-
reich als belehrend sein, an der Hand eines solchen Führers die Spra-
che gleichsam aufs neue vor seinen Augen entstehn zu sehn; für Schü-
ler und Anfänger aber, wie sie weitaus der Mehrzahl nach zur Er-
lernung einer Sprache herankommen, wäre dieser rein genetische
Weg ein ermüdender Umweg. Wollte ein Lehrer den Sprachunterricht
damit be""innen, ganz an der Hand dieser Grammatik seine Schüler zu
führen, so würde in den meisten Fällen seine Mühe so wenig sich
lohnen, als wenn einem Kinde, das die ersten Sprach versuche macht,
die Beschanenheit der Sprachwerkzeuge und die Gesetze der Lautlehre
beigebracht werden sollten. Eine Schulgranimatik mufs derberes,
Seffer: Elementarbuch der hebräischen Sprache. 193
handgreiflicheres bieten, niiifs das reine Mclall in Scheidemünze ge-
prägt verwerthen; aber >vie gesagt, an Icslen liegein, so zusagen an
eingeschlagenen festen Nägeln, woran das einzelne mit sicherem Halt
anhaften kann, darf sie es nie und nirgends feiilen lafsen.
Die altern hebräischen Graniiiiatilvcr z. B. Schröder, aber auch
Gesenius haben dieses Schulbediirfnis gar woiil erkannt und be-
friedigt. Dasselbe nun aber auf dem nunmehrigen Standpunkt der he-
bräischen Sprachwifsenschaft zu thuu, mit Vermeidung der früheren
MisgritTe hinsichtlich der Sachen selbst und mit Benutzung der neu
gewonnenen Schätze das für die Schule brauchbare Material in der
dem Schüler mundgerechten Form mitzuliieilen, das ist die Aufgabe
einer noch fehlenden hebräischen Schulgrammatik für die jetzige Ge-
hei*atiön. Unser Elemenlarbuch ist ein guter Anfang dazu, aber auch
nur ein Anfang; die Aufgabe ist schwierig und gelingt kaum auf den
ersten Wurf. Zwar hat unser Verf. allerdings in einzelnen Thcilen
und zwar gerade bei schwierigeren Punkten z. B. in der Elementar-
lehre wünschenswerlhes geleistet; manches andere aber läfst, so gern
wir die tleifsige Zusammenstellung des einzelnen und den guten Takt
in Ausscheidung des unwesentlichen anerkennen, die nöthige Schärfe
und zusammenfafsende Kraft, das Organ bündige Kegeln zu bilden,
empfindlich vermifsen. Die Einzelheiten, die Masse zu beherschen,
das wesentliche in festen und klaren Umrifsen zusammenzustellen, fei-
nere Unterscheidungen in Anmerkungen zu verweisen ist gar nicht
immer so gelungen , wie man nach dem guten Anfang zu erwarten be-
rechtigt war. In der nun folgenden Erörterung soll neben Bezeich-
nung dessen, was da und dort im einzelnen zu ändern und zu befsern
sein dürfte, namentlich darauf hingewiesen werden, nicht blofs wo es
an dieser Schärfe in Fafsung grammatischer Cardinalpunkte zu man-
geln scheint, sondern auch, wie etwa eine solche zu gewinnen und
für eine neue Umarbeitung des Buchs nutzbringend zu verwenden
wäre.
Im ersten Capitel der Elementarlehre, das vom Alphabet handelt,
erregt mir die Bezeichnung des Buchstaben '^ als = th Bedenken. In
den LXX ist dieser Buchstab fast immer durch t wiedergegeben, und
dadurch, dafs er kein Dagesch lene annimmt, ist deutlich angezeigt,
dafs es nicht aspiriert gesprochen wurde ,awie denn auch Ewald im
Lehrb. §. 30 d ausdrücklich sagt, i: und P lauten straffer und härter
als n und 3, nemlich so, dafs das Organ wie krampfhaft zusammen-
gezogen wird, um den Laut dann rasch desto gedrückter und dunkler
auszustofsen. Ewald will den Buchstaben durch t bezeichnet wilsen ;
sagen wir lieber, um auch für das Sprechen einen Anhaltpuukt zu
geben, ^ ist ein härteres t, n aber kann eine Aspiration annehmen
und nähert sich dem th, aber, wie es ja auch die jetzigen Juden spre-
chen, mit Annäherung an s, ähnlich dem englischen th, so dafs wir
im Verzeichnis der Buchstaben es am ehesten so aufnehmen würden:
nistanch = t (a bereiner lispelndenAspiration fähig).
Es als = th ohne weiteres nach der älteren Weise gelten zu lafsen,
A. Jalirb. f. I'hii. u. Paed. Bd. LXVII. Hß. 2. 13
194 Seffer : Elementarbuch der licbräisclicn Sprache.
hindert der Umstand, dafs die Griechen es ja deutlich auch als t aHf-
fafslen, s. Ewald a. a. 0.
S als Spiritus lenis zu bezeichnen, ist gleichfalls gewagt; eher
sage man, es sei ein schwacher Spiritus asper mit Annäherung an g
(man vgl. die Schreibart der betreffenden Eigennamen in den LXX),
von uns jedoch gewöhnlich gar nicht gehört.
§. 2 sagt der Verf.; '3Ian theilt die Consonanten ein l) nach der
Beschaffenheit ihres Lautes, 2) nach den Organen der Aussprache.'
Ich getraue mir nicht, über die auch durch Ewald noch nicht ganz
sicher festgeslellte Eintheilung der hebräischen Consonanten etwas
völlig genügendes zu geben, und möchte nur auf wiederholte Erwä-
gung, wie die Sache am besten zu fafsen wäre, so wie auf die, wie
mir scheint, von Krüger: Griechische Sprachlehre §. 2 treffend ge-
wählte Bezeichnung hinweisen, dafs die Consonanten sich unterschei-
den nach ihrer Sprech barkeit. Denn offenbar ist der mehr oder
weniger von den Selbstlautern sich entfernende Charaiiter der Mitlau-
ter wie überall so besonders imHebräischen ein vornehmlich zu beach-
tender Eintheilungsgrund, der besonders auch in der Lehre vom schwa-
chen Verbum von Bedeutung ist. — Mit dem Uebungsstück 1 zu §. 2
werden die wenigsten Lehrer etwas anzufangen wifsen , es kann füg-
lich entbehrt werden.
§. 4 ist alles wesentliche über die Vocalzeichen recht gut zu-
sammengestellt, nur wäre in der S, 5 gegebenen Regel etwa beizu-
fügen: in allen übrigen Fällen, also namentlich im Anfang ei-
nes Wortes, sind diese Buchstaben wirkliche Consonanten, somit
ii:2 = Jesch. — Ob l""-; ohne weiteres aw (und nicht vielmehr ajw,
Avie "«DiiO r;= sHsaj) laute, möchte zu bezweifeln sein. Wenigstens ist
in "^-r das Jod offenbar Consonant, sonst würde nicht nach demselben
Dag. lene folgen.
Nach §. 5 S. 6 unten könnte man vermuihen , das zweite Schwa
in Piü;^ sei als Schwa mobile zu betrachten, was wohl nicht wird be-
hauptet werden können.
S. 7 sollte die Aufgabe zum Uebersetzen litt, a erst nach der
Leseübung stehen. Dafs übrigens gleich zum Anfang Uebersetzungs-
stücke vorkommen, ist ein glücklicher Takt des Verf.; man merkt
daran den praktischen Scliiilmann , der aus Erfahrung weifs, wie auch
im Unterricht der Satz: suininum ins summa iiiiuria seine Anwendung
findet, sobald man nemlich mit pedantischer Aengstlichkeit streng nur
nach der Schnur der Grammatik gehn und dem Schüler nichts mitthei-
len will, was nicht genau aus dem gegebenen folgt. Ein anderes ist
Mathematik lehren, ein anderes Sprachen lehren.
S. 8 in der Mitte wird der Name Mappik durch producens sc. lil-
teram erklärt, befser ist wohl statt dessen zu sagen proferens, pro-
metis Uli.; denn das chaldäische pE3 heifst ja promuhjare, promere.,
und producere, das sonst, als Gegensatz von corrtpere, in der Be-
deutung von Verlängern' gebraucht wird, erweckt eine schiefe Vor-
stellung.
Seiter: Elemeiitarbucli der lichr;iischen Sprache. 19.')
S. 8 unleli ist der Zusatz zu maclien: das Dag. conjunct. steht
gewöhnlich nur nach einem A oder E-Laul. — ■ §. 7, a ist im AnFang
»ohl statt 'oft' zu sagen '^auch'.
Gegen die S. 9 nach dem Vorgang Kwalds und anderer ange-
nommene Neuerung, nur im S olinc Dag. die Aspiration hören zu ia-
fsen, nicht aber in 2 und 3, die lel/Jeren also durchaus als b und k
auszusprechen, möchte ich im Interesse der Consequenz wie um der
Erleichterung des Unterrichts willen Verwahrung einlegen. Wenn
doch die Sprache 3"] und c-^an durch ein bestimmtes Zeichen unter-
scheidet und wenn hinwiederum die Hegel so entschieden sagt, durch
das Dag. wird die Aspiration aufgehoben, warum sollen wir nicht das
einemal rabbim, das anderemal ral' sprechen? dals wir bh, wenn gleich
dem w annähernd, kaum anders denn als schwaches f hörbar ma-
chen können, ist ein Uebelstand, der bei jeder Uebertragung frem-
der Laute in die Muttersprache wiederholt eintritt. Ultra passe nemo
obligatnr gilt auch hier, und die deutlichste Fafsung, wenn sie nur
nichts falsches enthält, ist offenbar derjenigen vorzuziehen, die zu
ängstlich jedes Misverständnis vermeiden will, zuletzt aber dann neue
erzeugt.
Die Regel vom Eintreten des Dag. lene S. 9 würde wohl passender
und dem Verständnis zugänglicher erst nach Erörterung der Bemerkun-
gen über die zwei Arten von Silben 4^. 10 zur Sprache gebracht werden.
Es wird nölhig sein, in der Bemerkung zu Uebungsst. 4, S. 10
kurz zu sagen, in welchen Fällen statt "i die Formen i und =1 gesetzt
Verden müfsen, da die Sache gleich im folgenden Uebungsstück in
Anwendung kommt. — Ibid. in der Mitte ist statt ^'i'n zu lesen l^i,
und in der Leseübung nach iynnn der doppelte Horizontalstrich mit
einem einfachen zu vertauschen. Auch ist in den Worten S. 10: *Die
hier — vorkommenden Verba' u. s. w. doch etwas deutlicher anzu-
deuten, wie die Sache gemeint ist.
S. 12 mufs gesagt werden, dafs die Accenle mit Ausnahme
einiger wenigen (postpositivi , praeposilivi) immer bei der Ton-
silbe stehn. — Die Regel S. 12 unten ist vielleicht schärfer — wohl
befser aber erst nach §. 10, da dort erst die Lehre ganz verständ-
lich gemacht werden kann — so zu fafsen: ' 3Ieteg (iTO = Zaum)
ist wohl zu unterscheiden vom Silluk, der immer nur bei der letz-
ten Tonsilbe steht, während Meteg im Anfang oder der Mitte der
Wörter ein Verweilen der Stimme bei dem betreffenden — kurzen
oder langen — Vokal anzeigt und bedeutet, dafs die so bezeichnete
Silbe eine einfache ist, s. §. 10. Derselbe steht besonders bei einfa-
chen Silben, welche die drittletzten vor dem Tone sind, z. B. ^.^I^,
und bei solchen, auf welche ein Schwa (mobile) folgt, z. B. inrs"'
Ganz nothwendig ist auch, im Lesebuch selbst gerade diese letzte Re-
gel streng einzuhalten, was zu grofsem Nachtheil in unserem Buche
so oft unterlalsen ist*). Am besten wird aber wohl die Lehre vom
*) Ich habe mir von S, 1 — 58 folgende Auslafsungen des Metegs
13*
196 Seffer: Elcmeiilarbiich der Iicbrüischcii ^fpraclie.
Meteg vollständig erst §. 12 gegeben, wie es aucb, aber nicht in ge-
nügender Falsung im Zusatz des Paragraphen versucht ist.
Die Anmerkung über die Acc. conjunct. S. 12 muls entweder voll-
sländiger sein oder ganz weggeiafsen werden, je nachdem man vor-
liegende Grammatik als ausreichend auch bei dem Lesen der Bibel im
ganzen Gymnasialunterriclit betrachtet und anwendet, oder aber für
nothwendig erachtet, etwa nach zweijährigem Unterricht den Schülern
das Ewaldsche Lehrbuch in die Hände zu geben, worüber später ge-
sprochen werden soll. Für das unserm Buche angehängte Lesebuch
ist das über die Conjunctivi gesagte ein Luxus, da sie in demselben
nicht vorkommen.
üie Hegel von den vier Arten der Puncfation des Artikels sollte
S. 13 oder 25 in einer Anm. scharf gefafst und vollständig zusammen-
gestellt sein, etwa in folgender Weise: 1) das regelmäl'sige ist ii mit
Pafach und folgendem Dag. forte; 2) folgt eine Gutturalis oder ^, so
wird zum Ersatz der Verdoppelung gewöhnlich das Patach in Kamez
verwandelt, z. B. DTNfi ; 3) vor n und n, hie und da auch vor 5, un-
terbleibt aber diese Verlängerung, z. B. ^InH aber immer D''!i"bxn,
NB. Xijnn aber Dn?i; 4) folgt jedoch eine Gutturalis kamezata, d. h.
mit Kamez oder auch Chatef Kamez, so wird Segol gesetzt, und zwar
a) vorn immer c:nn , snn, b) vor ü und S meistens C"''^?jn (aber
Inn und 3-i?'"7), cj vor X und "i aber nie: V^^vJ, D'^^'^n-
Die Erörterung der BcschalTenheit der Silben, §. 10, stünde
vielleicht heiser vor den Begeln über das Dagesch §. 7. In •i:j. 10, 2
sollte bei %Man theilt die Silben' u. s. w. Nr. 3 stehn und eine neue
Zeile beginnen.
S. 15 ist statt jair(r)de wohl jar(^)dc zu sagen.
Sehr wünschenswertb wäre in dem Abschnitt über die lose zu-
sammengesetzten Silben ein Verzeichnis der einzelnen Haupt-
fälle, wo diese Art von Silben eintritt, um so mehr, da die Sache zu-
letzt mehr auf dem Usus als auf einer ganz klar zu fufsenden Regel be-
ruht und dem Schüler viel zu schaffen macht. Im weitern Verlaufe
der Grammatik könnte dann immer auf diesen Abschnitt verwiesen
werden, während die bisherigen Lehrbücher und auch das vorlie-
gende den Leser nöthigen, die verschiedenen Fälle da und dort sich
zusammen zu lesen. Ich würde die Hegel etwa so fafsen: lose zusam-
mengesetzte Silben entstehn l) selten bei Stammbildungen, z. B. Xl-i<
WDP^ ^l'nS. 2) häufig aber bei Umbildungsformcn a) wo ein Vocal
sich aufgelöst hat ■•2^^ (aber is^^) Ons ^-(^y^ b) bei lose hinzu<!v
fügten Vor- oder Nachsilben, namentlich den Sulf. ?] und C3 ^S, z. li.
^^,1^. (selbst ^3n3) oder Praeflxen, z. B. inra. Derlei Einzelfälle
sollten aber hier und anderwärts so gefafst und gedruckt werden, dafs
der Anfänger zunächst im Paragraphen selbst nur die allgemeine He-
notiert, wo dasselbe nicht fehlen darf: S. 17 m. bei 12n3 und ibtS;
Uebungsst, 17 Vs. 2. 4. 5 bei i:£3ps '^S'^^ DSa"!'' ; Uebungsst. 18 Vs.
4 und 5. 20 Vs. 2 und 4. 21 Vs. 5.
SelTer: Elemctilarl)iicli der liobraisclicn Sprache. 197
jyel mit einem o(1(M- zwei Beispielen eriiiiilerl als dasjenige vor sieli
liätle, was gleich zu lernen ist, dagegen die beslimmt(!re Aiiüahe der
einzelnen sublilereu Falle in einer Anmerkung heigefiigt würde. Jede
Schulgrammalik soUle den dü|)pel(en Zweck, dals sie ein Bucii zum
Lernen und ein Buch zum Nachschlagen ist, nicht nur immer im Auge
haben, sondern auch im Druck bemerklich machen, und daher sollte
immer zunächst in gröfserem Druck alles wesentliche, was unumgäng-
lich zu lernen ist, sobald man an die betrelFende Sache kommt, kurz
und scharf angegeben, dann aber in Anmerkungen feiner gedruckt mit
erforderlicher Vollständigkeit beigefügt werden, theils die einzetneit
Fälle, wo die Kegel in der Sprache zur Erscheinung kommt, theils die
Ausnahmen von der Hegel, theils mitunter auch die tiefere Begrün-
dung derselben. Gesenius hat in dieser Hinsicht im Durchschnitt
viel praktischen Sinn gezeigt, während Ewalds Bücher deshalb für
den Anfänger so schwer zu handhaben sind, weil darin das gewöhn-
liche und seltnere, Spracherscheinung und Begründung in einem Flufse
wie aus einem Schmelzofen kommt. Es ist gerade wie in den histo-
rischen Arbeiten desselben Verfafsers, wo gleichfalls das Ineinander-
llielsen von thafsächlichem und sieherm mit dem blofs erschlofseneii
oder problematischen, kurz von objectivem und subjectivem, nicht
allen Lesern erwünscht ist.
Das eben bemerkte gilt insbesondere von §. 11, der meines Er-
achtens einer Umarbeitung bedürftig ist in der Art, dafs nur das we-
sentliche über die Betonung der Silben, wozu vor allem der
ganz weggelafsene Cordinalsatz gehört: zusammengesetzte und
zugleich tonlose Silben müfsen immer kurze Vocale
haben, in grofsem Druck vorangestellt, das feinere in Anmerkungen
gegeben werde. Dahin rechne ich namentlich die Kegel über die Be-
tonung der vorletzten Silbe, wo sich nicht etwas durchweg giltiges
aufstellen läfst, sondern nur etwa folgende Fafsung möglich ist: 'die
vorletzte Silbe kann (nicht mufs, man vergl. ^ns) den Ton nur
haben: l) wenn die letzte einfach ist, 2) oder, wenn dieselbe eine
zusammengesetzte ist, a) einen kurzen Vocal (nameallich Hilfsvocal,
S. §. 10, 2) hat und zugleich b) einer einfachen folgt. "^
In Betreff des Vor tons sind vielleicht auch folgende Bemerkun-
gen einer Prüfung werlh und theilweise in die Grammatik aufzuneh-
men: l) Der Vorton, vielleicht auch das aus zwei Schwa entstehende
Chirek ist gleichfalls eine Art Hilfslaut, wie das Segol in den soge-
nannten Segolatformen; 2) auch csb und ähnliche Formen sind durch
Annahme eines Vortonkamez zu erklären; 3) es gibt Fälle, wo der
Vorton unterbleibt, z. B. b^23.
Es ist immer gut, wenn eine Regel durch Analogien erläutert
wird, so dafs z. B. das Vortonkamez nicht als blofse Einzelerschei-
nung dasteht. Gleichermafsen liefse sich bei dem , was über Verände-
rung des Tones, Pausa ■ — wobei dieses Wort auch noch genauer
durch * Ruhe des Satzes' zu verdeutlichen ist — gesagt wird §. 11,3,
auf die dem Schüler schon bekannte Veränderung des Tones im Laufe
198 ScITer: Elementarbucli der hcl)rüisclien Sprache.
des Satzes durch das Vinculum Makkef, §. 9, hinweisen. Das Ler-
nen wird um ein gutes erleichtert, wenn eine Grammatik solclie Ver-
kniipfung'en verwandter Erscheinungen, die nicht jedem Lehrer immer
gegenwärtig- sind, wenigstens andeutet. Auch kurze llinweisungen
auf älinliclies im Deutschen, Lateinischen, Griechischen sind hie und
da am Platze. Die Fafsung der Regel vom Zurückziehn des
Tons auf die vorletzte Silbe in Folge der Pausa, S. 17, 2, ist nicht
scharf genug gefafst. Liefse sich nicht etwa so sagen: 'Diese Zurück-
ziehung tritt ein a) wenn ein Schwa mob. vor der letzten Tonsilbe
steht, das bei der Flexion durch Ausfallen des ursprünglichen Vocals
entstanden ist, dieser tritt dann wieder ein, sans";! wird 1303';' häutig
in verlängerter Gestalt, 12"3 wird ''^^s. =i3>-3;a, pl. von ymi wird rJXitq.
h) sonst wird ein solches Schwa mob. gern in das dem lautbaren
Schwa am nächsten stehende Segol verwandelt, ^lüxHwird ^^i<i, '''m
wird ■'■1^ (■'^n »atürlich "'^n). Anmerkung; selten sind Fälle wiennx
aus '"inx.'
Die Regel von den unwandelbaren Vocalen würde ich so
fafsen: ' l) Unwandelbar sind a) die Vocale, auf welche ein Halb-
vocal folgt (plene — ) oder folgen sollte (defectiv geschriebene);
b) auf welche ein Dag. forte folgt oder folgen sollte; c) die Vocale
in eng zusammengesetzten Anfangssilben mehrsilbiger Wörter.' Das
in §. i-2, 2 gesagte mufs zum gröfsern Theil als blofse Anmerkung
gefafst werden, während die allgemeine Regel bündiger zu geben ist.
Das gleiche gilt von §. 12, 5. Dagegen fehlt §. 12, 3 die Cardinalre-
gel : in der drittletzten Silbe vor dem Ton darf nie ein
wandelbarer langer Vocal stehn; bei §. 12, 4 wäre etwa
deutlicher zu sagen: wenn im Anfang des Worts zwei Schwa in einer
Silbe zusammenkämen, so wird das erste derselben in €hirek ver-
wandelt. Der Zusatz zu §. 12 gibt zu wenig und zu viel. Ich möclile
vorschlagen die Sache so zu fafsen: M(amez ist nicht A- sondern kur-
zer 0-Laut (Kamez chatuf): 1) in zusammengesetzten und zugleich
tonlosen Silben nach §. 11. Somit a) besonders vor Schwa quiescens
rT2:n und wenn der Ton von der letzten auf die vorletzte gezogen ist
na^l; b) vor Makkef "Ss, s. ^. 9; c) vor Dagesch forte nTia. 2) In
unbetonter Silbe, wenn ein anderes Kamez chatuf nachfolgt ^S^S,
poolcha aber 3123^' wajjaschof. Desgleichen 3) wenn ein Chatef Kamez
nachfolgt >^y^p^.' Was der Verf. über Meteg beifügt, gehört, und
zwar in kürzerer und schärferer Fafsung, in eine Anmerkung etwa des
Inhalts: MVenn die Silbe als einfache bezeichnet werden soll, steht
nach §. 9 bei einem Kamez ein Meteg, und dann ist es meist (aber
nicht immer) nicht 0- sondern A- Laut, z. B. ^3^3 aber i^'Q pÖöli
nach Nr. 3.' NB. Meteg wird nemlich in genauem Druck immer vor
einem Chatefvocal, der auf einen kurzen folgt, gesetzt — was viel-
leicht i^. 9 schon bemerkt sein sollte. Bei "J^. 12 sollten eine oder
zwei Leseübungsstücke über die im ^ erörterten Fälle nicht fehlen.
Die Regeln über die Halbvocale, §. 13, sollten nach Ewald
§. 3i IT. vollständiger und klarer gefafst sein; §. 13, 2 erweckt zudem
SelTcr; Eloiiienlmhucli der iicbrüiäclicii Sprache, 199
in dem Schüler die Meirum«? , als ob Schwa eine Silbe bildete, f^eg^eii
§. 10. • — In der Note l S. 21 ist wohl slalt Substantiv genauer zu
sagen: das gezählte Nomen.
Zu §. 14, 2, a wäre etwa aul" das lateinische illustris, cessi, fas-
SMS, passus stall infustris, cedsi etc. zu verweisen. In der Anm. zu
§. 14: würden Beispiele wie S23 noa die Sache deutlich machen.
Auch die Lehre von den Gutturalen §. 15 erfordert eine Umar-
beitung, um kürzer und zugleich vollständiger zu werden. Ich möchte
folgende Fafsung zur Prüfung vorlegen: M)ie Gutturale erfordern
1) einen Vocal in ihrer unmittelbarsten Nähe, daher wird a) Schwa
mobile immer, b) Schwa quiescens aber (aufser bei dem n) nur wenn
es V 0 r dem Ton steht (dagegen wenn es i n oder nach dem Ton steht,
60 bleibt es unverändert), man vergl. tWi'' und ?]i3yn';'; und zwar
lieben sie 2) vorzugsweise den A-Laut, nemlich a) immer, wenn
die Gutturalis nachfolgt, mag der Ton auf der Silbe mit der Guttura-
lis selbst oder auf der vorangehenden Silbe ruhn, z. ß. n^tt?" statt
nbc'] , ra^'y statt ns^v
Anm. 1. Diese Wirkung hat bisweilen auch "1, z. B. X":;^! st. X'^'^V
Anm. 2. Läfst der Vocal der Silbe sich nicht verdrängen, weil er
unwandelbar oder gedehnt ist, so setzt man wenigstens Patach furtiv.
z. B. i^TOiä, Stjir: (dagegen n^ty neben rkä im Perf. Picl).
Anm. 3. \>'enn ein Schwa simplex vor einem Schwa conipos. in
einer und derselben Silbe zu stehn käme, so wird das erstere in den
kurzen Vocal verwandelt, der in dem zusammengesetzten enthalten
ist, z. B. ntS';! statn^-?";.
Anm. 4. Umgekehrt: wenn ein Schwa simplex auf ein composit.
folgt, so wird aus dem letzteren der einfache Vocal, der darin ent-
halten ist, z. B. f\iV'J1 statt ^i^?,\
b) In allen andern Fällen, also namentlich wenn die Gutt. vor-
ausgeht, tritt bald die Verwandlung eines veränderlichen Vocals in
den A-Laut ein bald nicht, z. B. h'"'0'', und ^y^.?.
Anm. 1. Ebenso ist es bei 1, z. B. T\'2^ und Tpa.
Anm. 2. Bei 5<, auch bei fi und n findet sich in diesem Falle ge-
wöhnlich Segol, z. B. ~n=x i'syx.
3) Die Gutt. und ebenso "i sind einer starken Verdoppelung nicht
fähig, haben nie ein Dagesch forte; a) gewöhnlich findet deshalb dann
eine Verlängerung des vorangehenden Vocals statt, z. B. 7"!5<rj (man
vergl. das schwäbische 'ßahl, Wahl' statt Ball, Wall); b) häufig und
zwar bei M und n gewöhnlich, bei X hie und da, unterbleibt jedoch
diese Verlängerung, man nennt diese eine schwache Verdoppelung
oder sagt, es stehe hier ein Dag. forte iniplicitum.
4) X und n verlieren nicht selten völlig ihre Bedeutung als Con-
sonanten und werden als ruhende Buchstaben behandelt (z. B. "i^X^
nicht i^n;:;).'
Die verschiedene Vocalisation des fi^, je nachdem das folgende
Wort mit einem starken Consonanten oder einer Gutt. anfängt, §. Ib, l
i200 Seffer: Eleineufarbuch der hebräischen Sprache.
liefse sich etwa so fafsen: '^!T2 wird im Durchschnitt ganz wie der
Artikel hehaiidelt, z. B. 5<-i-irn?D üDX n^ can n^.'
Ueber Tnx wäre in einer Anm. zu S. 28 zu sagen, dafs diese
Form nur einmal im A. T. (in einer andern Lesart derselben Stelle
lautet es lt\i5<), dagegen njnx viermal vorkomme.
Zur Verdeutlichung wäre §. 19, 1 auf ähnliche Erscheinungen im
Lateinischen: fucjere , fuffctre^ dicere^ dictare, dictitare, canere, can-
tare, canlillare zu verweisen.
Der Satz §. 21, dafs der Nominalstamm den betonten Stamm-
vocal in der ersten Silbe habe, darf nicht so unbedingt ausgesprochen
werden; die Bemerkung ist an dieser Stelle aufserdem verfrüht und
kann füglich entbehrt werden.
Bei dem Hitpael §. 23, l wäre ein Beispiel wie SSJ* traurig sein,
S3X — machen, S^xnn r^r sich — bezeigen, auch =: sich — stellen
am Platz.
Dafs bei dem Imperfect die Personenzeichen nicht blofs vorge-
setzt, sondern zum Theil auch zugleich nachgesetzt werden, sollte
•5^. 27 nicht vergefsen sein.
Zu dem Uebungsstiick 16, das übrigens erst nach Uebungsst. 17
stehn sollte, ist eine tabellarische Zusammenstellung der Formen des
Suff, am Sing, und am Flur, an einem Beispiel eines unwandelbaren
Nomens, z. B. ö^o noihwendig.
Die Formenbeispicle S. 41, litt, b würde ich dem Uebersetzungs-
stücke voranstellen, auch statt ^.lussiv' aus zwei Gründen lieber ^Vo-
luntativ' sagen, weil diese Form besonders oft in der Anrede an Gott
vorkommt und weil der Terminus '" Jussiv' zu sehr mit Imperativ zu-
sammenfällt. Auch Ewald hat diese Benennung aufgegeben, Cohor-
tativ hat er gleichfalls nicht mehr, was ich aber mit unserm Verf.
beibehalten zu müfsen glaube. Es liefse sich vielleicht die Frage auf-
Averfen, ob nicht statt Volunlativ der dem Schüler sonst bekannte Na-
me Opialiv passend wäre. Dafs der Cohortativ eine Verstärkung des
Volunt und Imperat. sei, dürfte füglich gesagt sein. Die Behauptung
S. 42, 2, dafs der Imperat. vom Imperf. herkomme, unterliegt gerech-
ten Zweifeln.
§. 31 Anm. 2 fehlt die Verweisung auf §. 14 Anm.
§. 32, A, l) ist nach §. 49, b zu modificieren. Ebendaselbst ist
unten zu sagen: "^ vom Grundstamm des Imperfects, s. S. 37.'
Im Uebungsstück 21, 5 ist Avohl, wie auch sonst, bei dem Perf,
consecutivum ein Tonzeichen bei der letzten Silbe zu setzen, um diese,
wenn ich mich nicht täusche, vor Ewald ganz übersehene Spracher-
scheinung recht einzuprägen.
Auf die Verschiedenheit der Suffixe am Nomen (s. S. 32. 38) ist
§. 33 ausdrücklich hinzuweisen.
Im Uebungsstück 22 Vs. 4 ist zu schreiben ^^"I^ ; denn M^'?^ ist
Pausaform.
An Schwerfälligkeit und Undeullichkeit scheint mir besonders der
Abschnilt über das Verbum mit Suflixen zu leiden. Es ist, als ob def
SelTcr: Elcmciilarhucli der licbräisclicn Sprache. 201
Verfafser liier iiiclit so wie sonst aus dem griinen geschniUcii, d. Ii.
aus der Schulpraxis fieraus, sondern mehr nur nacii der steilen Theo-
rie gearbeitet hätte. Ich erlaube mir zum Schlul's die Frage, ob nicht
§. 33 — 37 die Hegeln über dieses allerdings schwierige Stück der
hehr. Grammatik in folgender Fal'sung mehr befriedigen w ürden.
§. 33. Bei dem Verbum mit Suff, hat man zu achten
I. Auf die Form der Suffixe selbst, welche etwas ver-
schieden ist, je nachdem
1) die V^erbalformen, denen sie sich anhängt, entweder mit
einem Vocal schliefsen,
Hierzu die Tabelle S. 51 mit ausdrücklicher Bezeichnung Nr. 1 mit
Anm. 1. AufserOD, "jd sind in diesem Falle alle diese Suir.
tonlos u. s. w.
Anm. 2. Abweichende Formen einzelner SufF. sind a)
b) — ■ — (wie im Buch) und c) das Suff, der 2 sing. fem.
lautet statt '^ selten auch "'S.
NB. Man übe diese Suflixformen an ^i^tns ein.
2) Oder wenn sie mit einem Consonanten schliefsen, in
welchem Falle ein Bindevocal nölhig wird, und zwar
a) ein A-Laut bei dem Perf.
b) ein E-Laut bei Imperf. (Imperat. Infin.)
Hierzu die Tabelle S. 52 als Nr. 2 bezeichnet; und die
im Buche angeführlen Einzelbemerkungen.
NB. Die Suff, werden an 303 und 3~a^ eingeübt.
§. 34. II. Man hat zu achten auf die Vocalveränderungen, welche
die Formen des Verbalstamms vor SulT. erleiden.
l) In der ersten Silbe mufs natürlich jeder Vortonvocal
wegfallen, gerade wie bei DtD^n^, und die Form des
Perf. Kai ist also vor Suff, fast durchweg 3n3 somit:
^nnns und auch iruirns.
2) In der zweiten Silbe erhält sich
a) ein A-Laut, wo ein solcher vorliegt, und zwar, da
er meist in einfache Silbe zu stehn kommt, als Kamez,
z. B. nicht blofs *'33"3 ,^^~3. im Perf., sondern auch
z. B. bei Gutturalverben im Imperfect on^ü'^ und Im-
perat. "'??'^ö.
Anm. 1. Vor den schweren SulT. C3 und "(S (nicht aber vor ^)
steht nicht Kamez , sondern Patach.
Anm. 2. Es versteht sich, dafs unwandelbare Vocale , z. B.
das i des Hiffil, sich erhalten.
b) Dagegen wird, wenn die letzte Silbe einen E- oder
0-Laut hat, dieser gewöhnlich weggeworfen,
Z. B. D3ri3 •>23n3'i.
Ausnahme 1. Vor den Suff. ?], 03, "P geht nach §. 11 Zere
in Segol, Cholem in Kamez chatuf über, da sie den Ton haben; also
e:)3r)3 D33F;3';i.
202 Seffer; Elcmentarbiicli der hebräischen Sprache.
Anm. Der 0-Laut erhält sich sonst hie und da, wenigstens als
Chatef Kamez iS3?=i<.
Ausn. 2. Auch der E-Laut erhält sich hie und da, wenn die letzte
Radicalis eine Gutturalis ist ^Tül'ZJ''.
NB. Es hat ein Uebungsstück mit Formen zum Analysieren über §. 33
und 34, I und II zu folgen.
§.35. III. Man hat endlich zu achten auf einzelne Personalen-
dungen des Verbums, welche vor den SulT. ihre Form
verändern, damit eine bequemere Aussprache entstehe.
1) 3 fem. sg. Perf. ."i- etc., s. §. 34, 1 im Buch.
2) 2 sg. m. Perf. n —
3) 2 sg. fem. Perf.'n— •••, ^ «
A .^ T p T> • »« ^»« ^ ibid. Nr. 2.
4) 2 pl. m. u. f. Perl, nn — )'F\ — j
5) 3 pl. fem. u. 2 pl. f. Imperf. fi3 —
NB. Diese fünf Fälle Nr. 1 — 5 sind einzuüben an i^'txs , inatns, l^^PiS,
Anm. 1 und 2. SulT. am Imperat., Infinit, und Particip wie im
Buch S. 56.
Anm. 3. lieber die Pausa wie im Buch, mit dem Beispiel ^rjans.
Die Tabelle S. 53 scheint überflüfsig zu sein.
Es folge wieder ein Uebungsstück, s. im Buch Nr. 24, mit For-
men zum Analysieren über Nr. III, I — 5 , sowie über die Anmerkun-
gen; dann das Uebungsstück im Buch Nr. 23 mit Weglafsung der Bei-
spiele, welche ein Nun epenlhet. haben.
§. 36. Aufser der gewöhnlichen Form der Suff, am Verbum
§. 33 ff. gibt es noch eine verstärkte Form derselben, s. §. 35 im
Buch nebst Anm. und Uebungsstück 22 daselbst.
§. 37. Paradigma wie im Buch, nur mit dem Zusatz einzelner
Formen des Infin. mit Sulf. besonders von Gutturalverben, z. B. ?l2fJ3
und ^l-rs — c=-i^x , ^rrc-"^.^ — C^?^ — crpx'a — C253X — D?"i3:3
— auch das wiederholt vorkommende d^k^.
Die Ausstattung des Buchs ist wegen der grofsen Leitern des He-
bräischen besonders zu loben, mit Ausnahme der ziemlich vielen
Druckfehler, welche voraussichtlich in einer zweiten Ausgabe sorg-
fältiger beseitigt werden. Aufser den am Ende des Buchs namhaft ge-
machten Verstöfsen habe ich in dem hier besprochenen kleinen Theil
desselben folgende Fehler bemerkt. S. 8 m. fehlt das Dagesch lene
bei HD^D, ebenso S. 12 m. bei D^S^. S. 10 Z. 11 v. o. ist zu sagen:
3 pers. praet. oder perf. sing. S. 24 §. 15, 2, b fehlt in der Anmer-
kung die Verweisung auf 'iij. 10, 2, c. S. 32 Uebungsstück 12, 1 fehlt
der Accent bei ^sV Fehler sind ferner zu verbefsern S. 13 Uebungsst.
5 Vs. 2, wo — wie sonst auch z. B. Uebgst. 12 Vs. 1 — nach fi'iri'^
das Dag. lene fehlt; ibid. Vs. 4 bei n^xn, S. 15 im Uebungsst. 6, 3.
S. 2',^ im Uebgst. 9 Vs. 2 sind zwei Fehler; ibid. Z. 6 v. o. ist 4) statt
3) zu lesen. S. 25 Uebgst. 10 Vs. 5 1.; Note 2 n statt n; Note 7 n st.
n; S. 33 Z. 3 v. u. fehlt V ; S. 34, 3 v. o. ist N statt X ; S. 36 Z. 1 v.
o. ly, statt TU; S. 43 Uebgst. 18 Vs. 1 1; ibid. §. 30 heifst statt heifs;
Criisius II. Mülilmanii: Tili Livii Iiisl. lil). V — X. 8s lieft. 2i)3
S. 45 Uobgst. 19, 6 •; slalt v, S. 46 m. 3 stall 3; in der Anm. Won';
S. 47, 11 V. 0. a; s! bO IJcbgsl. 21, 5 r; S. 51, Z. 8 v. u. *dcs' slalt
das; S. 54 Uebgsl. 22 Vs. 3 n stall H; S. 56 Ucbg-sl. 24 Z. 5 v. o. 3
stall ^ 7A\ lesen.
Ein Register wird einer zweiten Auflage aueh gut anstelin.
Scliönllial. Me:jger.
Kürzere Anzeigen.
Tili Lwil Patavini Historiarum libri V — X. Mit erklärenden An-
merkungen von G. Chr. Crusius; fortgesetzt von Gustav Mühl-
mann. Achtes Heft: üb. IX cap. 20 — 46. Hannover 1852. Hahn-
sche Hofbuchhandiung. Vi und 74 S. 8.
Die mit der genannten Schrift begonnene Fortsetzung der von
dem sei. Rector Crusius angefangenen Bearbeitung des Livius erregt
schon deshalb die Aufmerksamkeit, weil für die Erklärung des Livius
bis jetzt verhältnismäl'sig sehr wenig geschehn ist. Dazu kommt aber
als besonderes Moment, dafs die vorliegende Fortsetzung der Ausgabe
durch Hrn. Mühlmann sich gegen die früheren Lieferungen vortheilhaft
auszeichnet durch ein selbständigeres Verfahren hinsichtlich der Tex-
teskritik und der Erklärung, so wie durch eine den Zwecken der
Schule mehr entsprechende methodische Anlage der Anmerkungen. In
beiderlei Beziehungen liefsen bekanntlich die früheren Hefte mancher-
lei zu wünschen übrig.
Der neue Hr. Herausgeber hat in den meisten Fällen mit sicherm
Takte die Schwierigkeiten, die dem Schüler durch die Sprache im
allgemeinen, durch den besondern Livianischen Sprachgebrauch, durch
historische, politische Verhältnisse u. s. w. entgegentreten, gefühlt
und beseitigt und so das Eindringen des Schülers in das Verständnis
des Schriftstellers vermittelt. Als ein wesentliches Merkmal für die
äufsere und innere Beschaffenheit der Anmerkungen ist zu betrachten,
dafs Hr. M. nicht, wie es früher der Fall war, die Bemerkungen der
altern Herausgeber in deutscher oder lateinischer Sprache nebenein-
der stellt, sondern dafs er dieselben, wo er sie benutzt, verarbeitet
und durchgängig in deutscher Sprache gibt. Hinsichtlich der Kritik
spricht Hr. M. in der Vorrede p. IV seinen Grundsatz dahin aus: 'die
Kritik aufser Acht zu lafsen, ist bei einem Schriftsteller, wie Livius,
unmöglich, die Schwierigkeit bei einer Schulausgabe ist nur die, in
jedem einzelnen Falle zu wil'sen, in wie weit man von ihr Gebrauch
machen darf.' Kritik wird demnach von dem Hrn. Herausg. nicht blofs
als eine Forderung für den Herausgeber, sondern auch als eine For-
derung für eine Schulausgabe des Livius angesehn. Ref. kann diese
Behauptung und Forderung im allgemeinen nicht als richtig und be-
rechtigt anerkennen. Die. kritische Behandlungsweise setzt so vielfache
204 Crusius u. Mulilinann: Tili l.ivii liisl. liltri V — X 8s lltift.
Kenntnisse voraus, nimmt so viel Zeit in Anspruch, dals der Schü-
ler dadurch nicht verhältnismäfsig gefördert wird. Der Scliüler soll
und will aus und an dem Texte lernen , denselben ausbeuten für seine
Jjildung; es frommt ihm aber wenig, wenn ihm derselbe auf mühsame
Weise und weiten Umwegen vorconstruiert wird. Wer also dem Schü-
ler in dem Verständnisse eines Schriftstellers zu Hilfe kommen will,
der gebe ihm einen guten Text, d. h. einen solchen Text, wie er dem
Herausgeber, der natürlich Kritik nicht aufser Acht lafsen kann, als
der beste erscheint, ohne den Schüler den Weg, auf welchem eben
dieser Text gewonnen ist, mitmachen zu lafsen. Man frage sich doch,
was der Schüler mit den Bezeichnungen der Codices, mit den Namen
mancher Kritiker aus früherer Zeit , mit angeführten Conjecturen u. s.
w. anfangen soll ; das sind für ihn lauter inhaltsleere Dinge, da ihm
eine richtige Werthbestimmung der einzelnen Momente abgehn mufs.
Man bedenke doch, dafs die Jugend von 16 und 18 Jahren bei der
Leetüre eines historischen Schriftstellers, wie Livius, für Wortkritik
wenig Sinn hat, und dafs es sehr wünschenswerth ist, wenn der Sinn
derselben so lange als möglich unbefangen erhalten wird und nur für
die Sprache und den Inhalt offen und frisch bleibt; die leidige Lust
zu kritisieren stellt sich schon bald genug ein, noch ehe Kenntnisse
und Grundsätze genugsam erstarkt sind. Die Kenntnis der Sprache
aber und des Sprachgebrauchs kann durch eine kritische Behandlung
für den Schüler nicht sonderlich gefördert werden, und sicherlich
wird sie eher gefördert durch eine positive Bezeichnung des richtigen.
Auf die wenigen, die etwa später Philologie studieren, braucht auch
keine Rücksicht genommen zu werden; denn einmal hat es bei der
Leetüre des Livius, also in Secunda, mit der Kritik noch keine Eile,
und später werden diese nach andern Hilfsmitteln greifen. Wird es
nun aber durchaus für nöthig erachtet, durch Abwägung und Prüfung
verschiedener Lesarten hinsichtlich ihrer gröfsern oder geringern An-
gemefsenheit, Bedeutsamkeit und Richtigkeit den Scharfblick und den
aesthetischen Sinn zu üben (wofür übrigens das Gymnasium noch Mit-
tel genug hat), so kann man das bis Prima für die philosophische,
oratorische oder auch poetische Leetüre aufsparen, oder man wähle in
jedem gröfsern Abschnitte oder Buche zwei oder drei wichtigere Stel-
len aus, stelle alle vorhandenen Verschiedenheiten mit Angabe aller
zur Entscheidung nothwendigen Momente zusammen nnd lafse dann
den Schüler prüfen und wählen. Noch befser vielleicht ist es, wenn
man ein einzelnes Capitel ausschliefslich nur für den kritischen Zweck
behandeln kann. — Diese unsere Ansichten beziehn sich auf den vom
Verf. in der Vorrede allgemein ausgesprochenen Grundsatz; auf den
vorliegenden Theil des Commentars sollen sie nicht durchgehends be-
zogen werden, weil allerdings ein bescheideneres Mafs angewendet
worden ist, als man erwarten durfte, obwohl wir immer noch eine
gröfsere Beschränkung wünschten. Auch die Kritik über abweichende
Erklärungen früherer Herausgeber läfst Hr. M. manchmal zu sehr her-
vortreten, obwohl er Namen und Bücher nicht nennt; dadurch ent-
Cnisiiis II. Miililiiianii: Tili Livii liisf. Uhvi V — X. 8s Hcfl. 205
«(elin aber wohl für den .S<Iiiiler, der die widerlegte Ansicht nicht
kennt oder nicht verylei<-hen kann, nianclierlei Dnnkellieiten ii. Schwie-
rigkeiten.
Ref. erlaubt sich an die ersten zehn Capitel eine Anzahl Bemer-
kungen anzuknüpfen und dadurch auf einige Unvollständigkeiten hin-
zudeuten; von dem Hrn. Herausgeber glaubt er um so mehr eine freund-
liche Aufnahme derselben erwarten zu dürfen, als dersell)e am Schlufse
der Vorrede eine einläfsliciie Beurtheiiung zn wünschen scheint.
Cap. 20 §. 2. Die Bemerkung über die Verbindung Icfrati ab frc~
qiientibus S. populis ist nicht vollständig ; vergi. Held Caes, bell. clv.
1, 1, I, auch Fabri Liv. XXf, 11, J3; Seyüert Palaestra Cic. p. 27
§. 19 (1. Ausg.). In Verbindung mit unserer Stelle konnte das dar-
auf folgende jjraefccti Capuam (so verbindet auch Hr. M.) erklärt
werden. — Die Bemerkung zu efficaces habcbant preccs : 'hnbebant ist
nicht so viel als iis erant^ sondern habere bedeutet in den Händen
haben, um einen bestimmten Zweck zu erreichen', dürfte nicht viel
helfen ; denn beide Bedeutungen laufen am Ende auf dasselbe hinaus
und sind nur dem Grade nach verschieden; vielmehr geiiört hierher
P'abris Bemerkung zu XXH, 23, 2; vgl. IX, 21, 4 tutain habuit 'er-
hielt', d. i. effccit ut tuta esset. — §. 3 indutiae: auf die Auslafsung
eines Adverbs, hier 'nur', auch ohne Vorausgehenden Demonstrativ-
begriff war aufmerksam zu machen; der Grund liegt in der gegen-
sätzlichen Verbindung: de foedere negatum — indutiae impctratae.
— §. 8. Id war dem Schüler zu erklären, nemlich omnes Apulos pa-
cem praestaturos esse; ebenso das folgende ut 'so dafs, unter der
Bedingung dafs.' §• 10. Bei fama per socios vulg. res konnte an die
näher liegenden Beispiele ^■. 7 und 26, 22 per clara nomina (anders
ist per dort nicht zu erklären) erinnert werden. — Durch nee arma
modo sed iura etiam Ii. late patebant wird in aller Kürze das Resume
des Capitels gegeben.
Cap. 21 §. 4 war auf die höchst bezeichnende Wortstellung zu An-
fang des Satzes aufmerksam zu machen. §. 6. Die Bemerkung zu Pli-
sticam , socios R. 'wie häufig die Bewohner einer Stadt den Namen
derselben darstellen u. s. w.' ist nicht gut ausgedrückt.
C. 22, 1. Die Bemerkung zu bellum deinceps gest. ist richtig;
denn deinceps heifst : von einem bezeichneten Punkte weiter; der Zu
satz 'denn es ist kein Grund vorhanden deinceps zu erklären: ohne
Unterbrechung' (bei Aischefski) ist übertiüfsig und nicht am Platze. —
Zu ad Saticulam konnte bei dem Unterschiede zwischen ad bei Städte-
namen und dem blofsen Accus, ('hinein') auch auf Verbindungen wie
in Achradinam XXIV, 21, 7, vergl. Fabri, XL, 4 med. inThcssaloni-
cam aufmerksam gemacht werden. §. 3. Statt der gewöhnlichen Les-
art eo intentius — oppugnabat schlägt Hr. M. vor zu lesen: eo in-
tentius dictator in mocniu hostium versus, quod id bellum tunti du-
ceret, urbem oppugnabat; securior etc. Man kann allerdings der
Stelle gröfsere Klarheit und Leichtigkeit wünschen ; aber da sie noch
verständlich ist und die Gründe des Hrn. Verf. nicht durchgängig
206 CrusiiiS n. Müblmaim : Tili Llvii hisl. libi V — X. 8s Heft.
stichhaltig erscheinen, so miifs wohl von einer Conjectur Umgang ge-
nommen werden. Derselbe sagt: ducerc und agcrc bilden Iceinen Ge-
gensatz; Wühl; aber intcntius versus — ducete und sccurior agere
bilden denselben; die Verbindung intcjitius mit dem Particip läist
sich wohl rechtfertigen, z. B. enise adiuti. Wir erklären die Stelle:
t er hielt mit um so gröfserer Aufmerksamkeit gegen die Mauer die F'einde
gerichtet diesen Theil des Kriegs, nemlich die Einschliel'sung der Stadt
{^quod — opptt gnubat) für so wichtig (als den Krieg im Felde, oder
als er wirklich war); vor den Samniten selber fülilte er sich sicherer'
(vergl. Fabri XXII, 49, 15, wo tantus für tantusdem erklärt ist). §. 5
Der Sinn der Worte clara ipsorum ducitm ederet fortuna ist: das
Schicksal machte den Fall des einen Feldherrn durch den des andern
berühmt. §. 6. Die Phraseologie zu proclium itcravit läfst sich noch
vermehren: renovare proelium II, 31; redintegratus est luctus gemi-
natusque XL, 55; novam integrant pugtiam VH, 7. §. 9. Ob die Ver-
bindung ex equo ad pcdcs desc. häufiger ist als ad pedcs desc. bei
Livius, dürfte noch zu erweisen sein; ähnliche Verbindungen bei Fa-
bri zu XXI, 46, 6.
C. 23 §. 8. Die Regel über cclare steht ja in jeder von einem Se-
cundaner gebrauchten Grammatik, und wohl noch vollständiger. §. 13
billigt Hr. M incendent, hat aber incendant im Texte; die Lesart
selber wollen wir unentschieden lafsen, die Differenz ist wenigstens
nicht bedeutend. Der Befehl kann allerdings durch incendant be-
stimmt noch einmal ausgesprochen werden, aber damna — sarcientur
mufs es heifsen, denn das läfst sich nicht gut befehlen. Wir hätten
lieber gesehn, wenn statt dieser Bemerkung auf den Gebrauch von
circa aufmerksam gemacht worden wäre, vergl. Schneiders Recens.
von Zumpts Grammatik in diesen NJahrb. Bd. LXI S. 251 ff.
C. 24, 4. Was heifst prope adiuncta mocnibus ? vergl. damit
gleich darauf prope invia. §. 6. Was temere iacentia? vgl. II, 28 for-
tuito oc temere ; forte temere XXV, 38. — Neben ad hoc sagt Liv. auch
nrf hncc. — Zu ut fit sagt Hr. M. : der Begriff des Geschehens, der
eine Thätigkeit voraussetzt, ist allmählich in dieser Verbindung ver-
loren gegangen, so dafs sie blofs bedeutet 'wie gewöhnlich.' Aber
da man auch sagte ut solet , d. i. ut fieri solet , so dürfte der Begriff
des Geschehens nicht ganz verwischt sein, also ist ut fit zunächst
=: ut accidit 'wie sich's trifft, wie es nun einmal ist.' §. 9. Wozu
wird i)ei den Worten dcfcndite, ite der Handschriften gedacht? §. 10.
Zu haec increpat bemerken wir, dafs der Nebenbegriff des Tadels in
increpare auch an unserer Stelle vorliegt. Ueber die Lesart der Stelle
erlauben wir uns unsere Ansicht in folgendem darzulegen. Es wäre
doch höchst eigenthümlich und wohl ohne Beispiel zu verbinden fori-
bus principum increpare ; es mufs deshalb in cidens foribus gelesen
werden 'heranstürzend — stürmend', Beispiele im Glossarium und bei
Aischefski. Es liegt eine höchst angemefsene Steigerung darin, dafs
zum ersten haec kein Dativ einer Person, der zugeschrieen wird, ge-
setzt ist: denn beim ersten Schreien war noch niemand wach oder auf der
Crusius II. Miililmann; Tili Livii Iiisl. libri V — X. 8s Hoff. 207
Stnifse; er mufs also erst au die Tluireii anrennen, dann kann er den
obviis nnd excurrenilbus zurufen. Audi \Veifsenl)orn billi«;! iiicidcns,
nur ist der von ihm anoefülirte Grund uns nicht recht deutlich.
C. 25, 5. Zu der Ueinerkung über den Gebrauch des indic, wo
der Zwischensatz als nothwendiges Glied des fremden Gedankens auf-
zufalsen ist, gehören vor allen Dingen Beispiele. Zu dem Asyndeton
iuventute , armis passt das Beispiel armis, equis, viris nicht, denn bei
der Verbindung von drei Gliedern gelten bestimmte Normen, vergl.
Seyffert Palaestra S. 24 nach Madvigs Regel ; die asyndetische Verbin-
dung ist rhetorischer Natur.
C. 26, 7. Die Worte sive titnor seu conscicntiae — sitbtrnxit wür-
den nach des Verf. Auffafsung dem Schüler verständlicher werden,
wenn einfach gesagt wäre: zu sive timor seu consc. vis erwartet man
ein specielles Praedicat, das übrigens in su5<raa-Jt angedeutet ist. Ref.
möchte vorziehn , die Worte mors haud dubie co7iscita in Parenthese
zu stellen als Apposition zu sive timor sive consc. vis. §. 8 würden
wir intcrpretando Heber übersetzen ^ durch eine Deutelei' statt: durch
Erklärung des Auftrags. §. 11. Die beiden grammatischen Bemerkun-
gen über den Infin. bist, und esse mit dem Gen. sind überflüfsig, zu-
mal da die zweite schon in §. 1 enthalten ist. Zum impersonellen
obstare konnte resistere IV, 43 citiert werden. §. 14. Ueber die Aus-
lafsung von fit, factum est (quod saepe alias) vergl. Nägelsbach
Stil. S. 514. §. 15 expugnare = niederschlagen, unterdrücken.
C. 27, 1. In quam bezieht sich dem Sinne nach nicht allein auf
spes , sondern auf sp^s und dcfectio zugleich, also :=: in cuius spcm,
in speratam dcfectionem; coniuraverant sperantes fore ut deficcrcnt.
§. 3. Die Bemerkung über primo — dcinde — deinde ist unrichtig
oder unvollständig; denn das zweite deinde führt nicht ein neues
(drittes), dem primum und deinde entsprechendes Glied ein, setzt
also nicht fort, sondern knüpft an das ibique primum castra in con-
spectu hostibus data an und heifst und nun = mde, et, vergl. Fa-
bri zu XXIII, 33, 9. Zwischen in conspectum und in conspectu
dare glauben wir einen Unterschied machen zu müfsen, nemlich in
conspectum d. = eo consilio ut conspici jjossint ; in conspectu = ita
nt conspici possint. §. 6. Zu carpcre hätten, da die Bemerkung nach
Fabri XXII, 16, 2 gegeben zu sein scheint, auch einige dort citierte
Beispiele beigebracht werden können; ebenso bei senescere ; zu ge-
denken ist, dal's Livius auch sagt lex consenuerat, laus, pugna,
hiems senescens, vgl. Nägelsbach Stil. S. 375 ff. §. 9. Sinistris erklärt
Hr. M. als Neutr. plur. = sinistrae parti. Ist diese Erklärung die
richtige, so war der Fall als ein seltner zu bezeichnen (ein Dat. plur.
im Neutr. substantivisch, der als Neutrum nicht erkennbar ist) und
mit Beispielen zu belegen ; aus dem 9. Buche läfst sich 38, 5 ulterio-
rum anführen. Viele bei Fabri XXI, 11, 12 angeführte Beispiele sind
anderer Art. Ref. ergänzt zu sinistris: ordinibus, welches Livius
vorher von den Samniten gebraucht hat und nun auf die römische
Schlachtreihe überträgt; dazu passt dann auch confertiorcs stctvrant
208 Crusiiis u. Mühlmann: Tili Livii liist. libri V — X. 8s Heft.
bequemer. — Zu impiilit bemerken wir: impellere = einen Stofs ge-
ben, vom Platze treiben, verdränjren = tarbare, rumpcre ordines ;
die Folge davon ist cummoveri §. 10, auch moveri VI, 13, -i rupti inde
multis locis ordines motaque omnia. — Zu avertit war der Erklärung
wegen eine Stelle beizufügen, wo avertere in fugam steht. §. 11. Zu
hortator adf. vergl. IX, 13 p. init. Zu ad clamorem: Hr. M. er-
klärt 'auf das Kriegsgeschrei hin.' Zwar ist diese Bedeutung bei ad
gewöhnlich, doch hier nicht zuläfslg^ weil ortum dabei steht, wel-
ches uns bei der Erklärung des Hrn. Verf. überfliifsig erscheint. Uns
ist wenigstens kein Fall bekannt, dafs z. B. bei ad nuntium ' auf die
Nachricht hin' noch ein allatum stünde; daher deuten wir ad clamorem
örtlich und verbinden es mit avectus a suis 'nach dem Geschrei
hin'; nicht passt dazu das folgende unde — cernens cum ad suum
cornu tenderet. §. 12. Die Bemerkung zu invenit: ' invenit zunächst
mit einem Object und dann mit dem Accus, und Infin. als erklärendem
Object' ist doch wohl ganz unrichtig; pulsos ist natürlich ebenso gut
Participium wie inferentem.
C. 28j 5. Frequenter hnbitabatur 'waren zahlreiche Wohnungen'
vgl. II, 62. §. 6. Der Gebrauch von trahere war zu bemerken und zu
erklären, g^ 7. Den Nominativ in Suessa et Pontiae coloniac dcduc-
tae sunt erklären wir uns so, dafs der Ort als ein durch die Colonie
neu begründeter erscheint. Warum ist statt auf Vellej. I, 14, 4 nicht
lieber auf Liv. XXXIX, 55 und XL, 34 verwiesen?
C. 29, 1. Zu priusquam ea cura deced. pat. Wir würden er-
warten patres decedunt de cura wie Vllf, 25 extr. de officio decedere,
III, 33 extr., ähnlich ist succcdil fraudi und inceptum succedit. §. 3.
Bei der Uebersetzung auctore scnatu pflegt der Schüler anzustofsen.
Der Druck ist correct und angemefsen; der Preis, % Thlr. für
4V2 Bogen, ist bei einem Schulbuche zu hoch. Zu den Anmerkungen
ist ein Register beigegeben.
Sondershausen. Gustav Queck.
Grundriss der Geschichte der deutschen Lilteralur von Dr. Joh.
Wilh. Schaefer , ordentl. Lehrer an der Hauptschule zu Bremen.
Sechste , verbefserte Auflage. Bremen , Verlag von B. D. Geisler.
1852. XIV u. 181 S. 8.
In der sechsten Auflage dieses Grundrifses, dessen vorige Auflage
wir in diesen Neuen Jahrbüchern Bd. LIX S. 315 f. besprochen haben,
hat der Verf. zwar keine tiefer greifenden Aenderungen vorgenommen,
aber es an sorgfältiger Revision nicht fehlen lafsen. Abgesehn von
der Berücksichtigung der in den letzten Jahren neu erschienenen oder
neu herausgegebenen Werke haben namentlich die biographischen Zahl-
angaben manche Berichtigung erfahren; zu den in der Vorrede zusam-
mengestellten Fällen, wo unrichtige Angaben in Umlauf sind, fügen
wir hinzu: Paulus Gerhardt ist geboren den 12. März 1607 (nicht
1606j, s. Lorenz Grimmenseralbum S. 116. Im übrigen begegnen wir
Scliaefev: Auswahl deutscher Gedichte des 18. und 10. Jahili. 209
an manchen Orten einer .seliiirfern Fal'.siing und andern Aendeningen,
Avelche die Ueber.siclit erleichtern. So ist, um nur einiges anzuliiliren,
§. 27 der Pflege des deut.schen Volksepos in Oesterreich, der wir das
Buch von den Nibelungen verdanken, ausdrücklich gedacht worden;
so in §. 43 der allmählichen Verbreitung der obersächsischen Mundart
schon vor der Festsetzung der neuhochdeutschen Schriftsprache, §. 129
sind bei dem Göttinger Hainbunde die Beziehungen zu Herder hervor-
gehoben, §. 151 ist das Urtheil über Jean Paul schärfer gefafst. Von
dem Verfafyer dieses Grundrifses ist ferner erschienen:
Auswahl deutscher Gedichte des 18. und 19. Jahrhunderts. Nach
der Zeitfolge der Dichter geordnet und mit einer litterarhistorl-
schen Uebersicht eingeleitet. Zweite vei'befserte Auflage. Bre-
men, Buchhandlung von J. G. Heyse. 1852. XII u. 563 S. 8.
Wir können es nur billigen, dafs für die Anordnung eines Lese-
buchs, das den obern Schulclassen dienen soll, die chronologische
Folge der Dichter festgehalten wird , denn kein anderes Verfahren ge-
währt ein so sicheres Mittel sich in einem solchen Buche leicht zu
oi'ientieren, kein anderes erweist sich auch so fruchtbar für den fort-
schreitenden Unterricht. Jedes andere Princip führt in der Anwen-
dung zur Willkür und läfst, um sich zurecht zu finden, als einzige
Aushilfe das Register. Was die Wahl der Stücke betrift't, so wird
wohl ein jeder dies oder jenes Gedicht ungern vermifsen und andere
dafür hingeben wollen : im allgemeinen ist ein reiches Material gebo-
ten, wenn auch, wie uns scheint, mit Recht, die neusten Dichter we-
niger mit Proben bedacht worden sind, als die älteren und mustergil-
tigen. Die litterarhistorische Einleitung wird den Lehi'ern manchen
brauchbaren Wink geben; für die Schüler ist sie zu hoch gehalten.
G. . r.
Jahrbücher der römischen Geschichte, mit erläuternden histori-
schen, chronologischen, mythologischen, archaeologischen Anmer-
kungen von J. Scheiffele, Professor. 8 Hefte. Nördlingen. 663 S. 4.
Ueber den Zweck des vorliegenden Werkes , dessen erstes Heft
in zweiter Auflage 1843, das achte 1853 erschien , äufsert sich der
Hr. Verf. in der Vorrede: 'Die Geschichte des römischen Volks, in
chronologischer Folge zusammengestellt, ist besonders für den studie-
renden Jüngling ein unentbehrliches Hilfsmittel beim Lesen der Clas-
siker. Da aber derselben keiner, für sich betrachtet, einen vollstän-
digen Zusammenhang der Geschichte bietet, sondern der eine aus dem
andern ergänzt und erklärt werden mufs , so sollte der Leser in vor-
liegender Arbeit ein Werk erhalten, aus dem er jeden Autor so zu
lesen im Stande sein könnte , dafs er das Fehlende und Unverständ-
liche besonders aus den erklärenden und erweiternden Noten sich selbst
ergänzte und einen voUkoramnen Uebei-blick erhielte. Die annalisti-
sche Form selbst sollte diesen Ueberblick des grofsen Gebiets mög-
N. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Hd. LXVII. Hft. 2. 14
210 Scheiffele: .Tahrbücher der römischen Geschichte.
liehst erleichtern. Da mir aber dieselbe, wenn sie auf blofse Anf-
zählung der Thatsachen sich beschränkte, durch den immer gleichför-
mig laufenden Gang der Begebenheiten ermüdend und unerfreulich
dünkte, so suchte ich diese Trockenheit durch fortlaufende, den besten
Quellen entnommene Bemerkungen zu mildern. Ich glaube dadurch
zwei Zwecke zugleich erreicht zu haben, nemlich den chronologischen
Ueberblick und eine fortlaufende Erzählung , welche sich freilich der
Leser aus den Noten selbst gleichsam bilden mufs, was, wenn es
etwas unbequem sein sollte, dagegen dem Jüngling zu eigner For-
schung Anleitung geben dürfte.' Dafs auch mythologische und archaeo-
logische Notizen aufgenommen wurden , wird vor den Lesern dieser
Anzeige wohl kaum einer Rechtfertigung bedürfen , wohl aber müfsen
wir erwähnen, dafs sich den Jahrbüchern ein Fest- und Ge-
schieht skalender anschliefsen und zu deren Erzänzung dienen
soll. Von demselben kennen wir bis jetzt nur den im Programm von
Ellwangen 1851 veröffentlichten Entwurf, nach dem er enthalten wird:
Allgemeine Einleitung über die Zeitrechnung der Römer (samt dem
Schaltwesen) mit vergleichenden Tabellen der altrömischen und ju-
lianischen Rechnung; Astronomisches; dann besondei's die Einthei-
lung des Jahres (Monate, Nundinen, Calendae, Nonae, Idus) , den
römischen Tag, die einzelnen Tage (feriae, festi, profesti u. dgl.);
endlich Excurse über die bedeutenderen Gottheiten, Spiele, Feier;
den Fest- und Geschichtskalender selbst*). Bedenken wir, dafs es
bei den Jahrbüchern darauf ankam , alles , was bei der Lectnre der
alten Schriftsteller wifsenswerth und nützlich erschiene, zunächst aus
den Quellen, sodann aber auch in den Resultaten der Forschung zu
bieten, so wird jeder, welcher mit der Natur der Sache nur einiger-
mafsen bekannt ist, die Schwierigkeit des Werkes, wie viele Aus-
dauer, Scharfblick und Umsicht die sorgfältige Leetüre fast aller
Schriftsteller, die Prüfung der umfänglicheren und weit auseinander
♦) Zur Erläuterung dient d. 1. Mai:
]. Cal. Maiae. N. Fest. Bonae Deae. Laribus Praestitibus ara po-
sita. Capella oritur.
475 v. Chr. Cos. Valer. Poplicola tr. über die Vejenter und Sabiner.
326 ,, ,, Procos. Publil. Philo tr. über die Samniter und Palaeo-
politaner.
212 ,, ,, M. Postumius, Staatspächter, wird verbannt.
91 „ „ Silvano porticus pos.
181 n. Chr. Signum Genio pos.
317 „ ,, Diocietian und (bald darauf) Maximian danken ab u. s.w.
350 „ ,, Vetranio wirft sich zum Kaiser auf.
' 408 ,, „ Kaiser Arcadius f. Ihm folgt Theodos II.
418 „ „ Die afrikanischen Bischöfe erklären die Pelagianer als
Haeretiker.
Diese Angaben werden in Anmerkungen unter dem Texte erläutert wer-
den. Die Lares werden mit den Penates in einem Excurse behandelt,
auf welchen hier verwiesen werden wird. Von dem im genannten Pro-
gramme mitgetheilten Excurs werden wir in der Programmenschau
handeln.
SclieiHole: Jalirbüchcr der rüinisclien Gescliiclitc. 211
gehenden Forscliungen , die Auswahl des StolVes und der möglichst
kurze und praecise Ausdruck erfordern, ermolsen und dem Hrn. Verf.
das Lob, dafs er in dieser Hinsicht sehr viel geleistet, nicht versa-
gen, üafs manche sehr bedeutende Fors<-luingcn der neuesten Zeit
noch keine IJeriicksichtigiing gefunden, wird man mit der langen Zeit,
welche die Vollendung in Anspruch nahm, entschuldigen, zumal man
den Hrn. Verf. bemüht sieht in Nachträgen und Berichtigungen, was
ihm seit Erscheinen der einzelnen Hefte bekannt geworden, zu brin-
gen. Wenn derselbe selbst eingesteht, dafs er die Urgeschichte nach
Bekanntschaft mit Grotefend^s Untersuchungen gänzlich umzugestalten
wünschen müsste, so wünscht man gewifs, dafs ihm bald dazu CJele-
genheit geboten werden möchte, besonders aber auch zur Benutzung
defsen, was seit Grotefend auf diesem Gebiete geleistet worden. Für
die Erwähnung mancher weniger bedeutender Werke, wie z. B. der
Uebungsschule von Weber , welche doch selbst keinen Anspruch dar-
auf macht für ein Geschichtswerk zu gelten, oder der römischen Ge-
schichte von Fiedler, welche auch weiter nichts sein will, als eine
zusammengedrängte Darstellung aus den Werken der Alten und den
Forschungen, wird man als Grund wohl voraussetzen dürfen, dafs
der Hr. Verf. sie gerade den Jünglingen , für welche er zunächst ge-
arbeitet, am leichtesten zugänglich gewust. Wollte man aber an das
Werk den streng wifsenschaftlichen Mafsstab legen, so würde man
zwar manche Forderungen unerfüllt finden, zugleich aber auch den
Standpunkt verlalsen, welchen der erklärte Zweck anweist. Halten
wir den der Schule fest , denn unter dem studierenden Jüngling glau-
ben wir doch zunächst an den Schüler der oberen Gymnasialklafsen
denken zu dürfen — so finden wir allerdings die schon öfter gemachte
Erfahrung bestätigt, dafs, wo mehrere Zwecke auf einmal erreicht
werden sollen, gewöhnlich keiner vollkommen erreicht wird. Zuerst
tritt uns der Mangel an Uebersichtlichkeit entgegen. Zwar können
wir nicht verkennen, dafs bei der Anordnung des Stoffes Principien
streng durchgeführt sind, allein es sind auch nicht die geringsten
Hilfsmittel in Anwendung gebracht, um das verschiedenartige als sol-
ches dem Auge kenntlich zu machen. Politisches, Religiöses, Litte-
rarisches steht ohne Trennung durch Linien oder Verschiedenheit der
Lettern neben einander in einem Absätze. Will ein Schüler z. B. das
Geburtsjahr des Horatius suchen, wie viele Seiten wird er durchlesen
müfsen , während, wenn besondere Rubriken angenommen wären, er
gewifs sehr schnell zum Ziele kommen würde. Will man uns einhal-
ten , dafs man dadurch die Kosten bedeutend erhöht haben würde, so
können wir erwiedern , dafs man im gleichen Mafse die Nutzbarkeit
vermindert. Allein auch abgesehen davon, will es uns bedünken, als
hätte die Uebersichtlichkeit gewinnen können, wenn der Hr. Verf.
was in enger Verbindung unter einander steht nicht des chronologi-
schen Princips wegen getrennt hätte. Zu welchen Inconvenienzen
dies führt, sehen wir z. B. S. 47. Nachdem hier unter 600 von der
Einnahme Fidenae's durch die Etrusker die Rede gewesen, wird an-
14*
212 Sclieiffelc : Jahrbücher der römischen Geschichte.
gefügt: 'Massilia von Phokaeern gegründet', dann oline dafs dincU
irgend etwas die Beziehung deutlich gemacht würde, mit der Jahr-
zahl ö99 am Rande fortgefahren: 'Tarcjuiniiis Priscus zieht mit dop-
peltem Heere gegen sie.' Würde es ferner z. B. nicht zweckmäfsiger
gewesen sein, wenn im Texte einfach stände: '58 — 50 Caesars Kriege
in Gallien' oder eine die Resultate und den Verlauf der Kämpfe um-
fassende kurze Andeutung, dann aber in einer Anmerkung alles darauf
bezügliche im Zusammenhang gegeben wäre, während man jetzt oft
mit einiger Mühe von Seite zu Seite die Fortsetzung suchen mufs?
Auch für solche bedeutende Ereignifse, wie z. B. die punischen Kriege
sind, hat der Hr. Verf. verschmäht durch Ueberschriften die ganze
Dauer zu bezeichnen. Wie viel praktischer sind in dieser Hinsicht
die Zeittafeln von Peter! Allein auch in der Ueberfülle von Stoff
scheint uns ein wesentlicher Mangel zu liegen. Da das Werk als
Hilfsmittel bei der Leetüre der Schriftsteller dienen sollte, so kann
man schon von vornherein den Kreis als für die Schule zu weit ge-
steckt erkennen, da ja die Zahl derer, welche in den Gymnasien ge-
lesen werden und gelesen werden können, nicht so grofs ist. Wozu
Notizen aufnehmen, welche nicht gebraucht werden? Für Schüler wä-
ren z. B. nur die Consuln noth wendig, welche öfter genannt werden
oder durch irgend etwas bedeutend geworden sind. Für Schüler
scheint die in der Note 1948 S. 444 versteckte Notiz, dafs die wie-
deraufgebaute Curie den Namen Cornelia geführt habe, überflüfsig,
weil sie diese Bezeichnung in den Schriftstellern, welche sie lesen,
kaum einmal finden dürften. Für Schüler dürfte die bei einzelnen Jah-
i-en sich wiederhohlende Notiz 'Schreckzeichen' auch für überflüfsig
erachtet werden, da sie nur ein Buch des Livius gelesen haben dür-
fen , um von der dsißiSaiiiovia der Römer und dem was sich dahinter
versteckte eine deutliche Anschauung gewonnen zu haben. Um auch dies
offen auszusprechen, wir sind der Meinung, dafs für den Schüler eine
zusammenhangende Darstellung des gesamten Religions- und Cultus-
wesens viel nothwendiger und, wenn die nöthigen Materialien gegeben,
bei der Leetüre der Schriftsteller nützlicher sein wird, als das, was
in dieser Hinsicht die vorliegenden Jahrbücher bieten. Kurz Avir wür-
den zur Förderung der Leetüre in den Händen der Schüler ein alpha-
betisches Reallexicon, dergleichen wir eins von Kraft und Müller be-
reits besitzen, ein zweites unter Redaction eines ausgezeichneten
Schulmanns erscheinendes baldigst erwarten, viel lieber sehen, als
ihnen das vorliegende Buch dazu in die Hand geben. Doch wir glau-
ben uns zu der Annahme berechtigt, dafs jener Zweck gar nicht der
eigentliche des Hrn. Verf. gewesen sei. Sein Buch scheint uns viel-
mehr für solche bestimmt, welche die ganze römische Geschichte oder
einzelne Partieen derselben aus den Quellen und den Forschungen
darüber studieren wollen, und zu diesem Zwecke es zu empfehlen
sind wir vollkommen berechtigt. Es wird von dem Lehrer, wie von
dem Studenten mit entschiedenem Nutzen gebraucht werden und, dafs
es zum Behufe der Bearbeitung oder Durcharbeitung einzelner Par-
Vihnar: Sclmlrcdoii über Fragen der Zeit. 213
ticeii auch dem gercifteioii Schüler mit gutem Erfolge wird in die
Hände gegeben werden, brauchen wir demnach wohl kaum zu erwäh-
nen. Was den zu erwartenden Kalender betrifft, su sehn wir dem-
selben mit Verlangen entgegen, da wir voraussehn, dafs er nicht al-
lein zur Uebersicht der Culte und Feste, sondern auch zur Erkennt-
nis des Wesens derselben und zur Erklärung vieler dunkler Stellen in
den Klafsikern treffliche ])ienste leisten wird, ob aber der Geschichts-
kalender nicht vielmehr interefsant sein, als ein wirkliches Bedürfnis
befriedigen werde, darüber erlauben wir uns zu zweifeln und möchten
fast, wenn wir es anders bei unserer beschränkten Kenntnis dürfen,
dem Hrn. Verf. rathen, sich auf die Ercignifse zu beschränken, wel-
che entweder von dem gewöhnlichen abweichen oder zu bleibenden
Einrichtungen Veranlafsung gegeben haben.
Grimma. It. D.
Schvlredcn über Fragen der Zeit. Von Dr. A. F. C. Vilmar, Con-
sistorialrath zu Cassel. Zweite vermehrte Auflage. Marburg, 1852.
357 S. 8.
Mit grofser Freude hat Ref. die zweite Auflage der vorliegenden
Schulreden begrüfst, einmal weil sie um acht vermehrt sind (XVII.
Ueber die Natur und die Bedeutung des christlichen Zeugnifses, 1846.
XVIII. Die allgemeine geistige Erschlaffung unserer Zeit, 1846. XIX.
Die Hauptzüge der verschiedenen christlichen Berufsarten, 1847. XX.
Von der Zukunft dei- Kirche, 1847. XXI. Wie die Gegenwart auf
Christum und seine Kirche hinweist, 1848. XXII. Vom Frieden Got-
tes, 1848. XXIII. Von der Ueberschätzung der Wifsenschaft, 1849.
XXIV. Die göttliche und dämonische Seite der Wifsenschaft, 1849),
sodann und noch weit mehr, weil dadurch die Ueberzeugung begrün-
det wird, dafs sie in weiten Kreisen Verbreitung gefunden, woran
die Gewifsheit einer gesegneten Wirksamkeit sich knüpft. In der
That verdienen wenige Bücher so sehr allgemeine Beachtung und Be-
herzigung, wie dieses. Es spricht hier ein Mann, der in Christo den
Frieden Gottes gefunden hat und aus defsen Munde wir das Wehn
des heiigen Geistes vernehmen. Festgewurzelt im göttlichen Worte
erkennt er die Zeichen der Zeit und richtet die widerchristlichen
Erscheinungen in derselben ohne Menschenfurcht, aber mit der Liebe,
welche der eignen Sündhaftigkeit eingedenk ist, und aus überströmen-
dem Herzen gibt er Zeugnis von der Seligkeit im Glauben an den Er-
löser, den menschgewordenen wahrhaftigen Gott. Seiner Theilnahme
steht nichts fern, was in Wifsenschaft, Kunst und Leben bedeutsam
ist, gründliche Foi-schungen in weiten und verborgenen Gebieten hat
er gemacht, er weifs das höchste und tiefste zu verfolgen und doch
sich auch zu dem Gefühle und der Anschauung des Kindes herabzulafsen,
aber alles beleuchtet er mit dem Lichte des Glaubens, alles bezieht
und richtet er auf die Ehre Gottes, den Aufbau seines Reiches, sei-
ner Kirche. Dabei steht ihm die Fülle erhabener poetischer Anschau-
214 Vilmar : Schulreden über Fragen der Zeit.
ung und der kräftig eindringenden, klar hinfliefsenden nud wohllau-
tenden Rede Gabe zu Geböte. Die Reden sind zum allergröften Theile
an zu eiitlafsende Abiturienten gerichtet und ihre Bestimmung ist zu-
nächst die für Jünglinge, welche mit solchen auf gleicher oder naher
Stufe stehen. Gilt es solchen das höchste Ziel vorzuhalten, auf das
sie alle ihre Kräfte und Bestrebungen hinzurichten haben, die Ge-
fahren und Verlockungen aufzuzeigen, welche ihnen entgegentreten,
zugleich aber auch die Mittel zu deren Ueberwindung an die Hand
zu geben und sie für das zu erwärmen, worin sie allein Frieden und
Seligkeit finden können, so erfüllen dieselben ihre Bestimmung auf
die Yortrefflichste Weise; sie geben dabei, obgleich das höchste und
letzte immer die Hauptsache bleibt, ja gerade deshalb, für das Wir-
ken in Kirche, Staat, Beruf und Leben, für das individuelle und
practische die nützlichsten und anregendsten Winke und Belehrungen.
Aber sie sind auch Reden für Schüler im weitern Sinne. Was kann
für diese wirksamer sein, als sie zu erbauen auf dem höchsten und
festesten Grunde, ihnen das Ziel der Berufung vorzuhalten , die Quelle
zu eröffnen, aus der sie Kraft, Freudigkeit, Treue, Zucht, Gehor-
sam, Liebe schöpfen können und mül'sen, die kräftigen Irthümer zu
zeigen, die schon während ihres Schullebens an sie herantreten und
die ihnen einst noch mächtiger zusetzen werden ? Das eben ist ein
Vorzug dieser Reden , dafs sie sich nicht in dem engern Kreise des
Schülerlebens ergehen, sondern über denselben hinaus den Blick und
das Herz erheben, dafs sie die Beschäftigungen, Sorgen, Mühen, An-
strengungen des Jugendlebens in ihrem Werthe, ihrer Bedeutung, ih-
rem Zusammenhange nicht blofs mit dem irdischen, sondern mit dem
ewigen Leben darlegen und so ein erwärmendes und wohlthuendes
Licht über dieselben ausgiefsen. Aber für die Jüngern und jüngsten
Schüler sind sie wohl nicht geeignet? Allerdings nicht unmittelbar,
und zum Lesen würden wir sie denselben nicht geben. Aber wer da
weifs, was in dem Herzen des Kindes ein ahnungsvolles Bild für eine
Wirkung hinterläfst , wer nicht der verkehrten Meinung huldigt, nach
der nur das begriffene, durch Reflexion zergliederte und zersetzte für
das junge Geschlecht von Werth sei, wer nicht verkennt, dafs die
Seele das unverstandene doch behält, bewahrt, bewegt, bis es zu
klarer Ueberzeugung geworden , der wird auch in dieser Hinsicht den
Reden das Lob vortrefflicher Schulreden nicht versagen, in jeder Rede
finden, was auch der Jüngsten Geist und Gemüth ergreifen mufs , und
wo der Redner auch nicht ausdrücklich jenen zeigt, was sie sich aus
dem gesagten entnehmen können und müfsen, das Hinterlafsen eines
tiefen Eindrurks als nothwendig anerkennen. Schon darin müfsen wir
eine Bedeutung derselben für die Lehrer — als Muster und Beispiele
— finden, aber sie haben noch eine ganz andere. Indem sie der Ju-
gend zeigen, was sie aus der Schule mitnehmen, was und wie sie in
der Welt wirken sollen, halten sie dem Lehrer ein Spiegelbid seiner
Wirksamkeit vor, das Ziel, worauf er sie richten, den Mafsstab, mit
dem er sie mefsen soll. Hier tritt ihm deutlich vor die Seele das
Vilmar: Schulreden über Fragen der Zeit. 215
Verhältnis, in welchem die Schule zum Leben und zu ihrer Zeit steht,
hier erscheinen ihm die Zeitrichtungen , welche er gründlich in sich
überwunden haben mufs, wenn er nicht sie unbewufst fördern will,
hier erkennt er, wie und unter welchen Bedingungen Wifsenschaft
und Kunst dem Reiche Gottes dienen. Es würde zu weit führen,
wollten wir die vielen einzelnen üelehrungen, welche über das Ver-
hältnis der einzelnen Unterrichtsmittel zu einander, über deren rechte
Behandlung, über die Zucht und über die Art und Weise den Schülern
zu begegnen in den Reden enthalten sind, auU'ühren, wir glauben
nicht zu irren, wenn wir denselben einen bedeutenden Kinflufs auf
die gesunderen und richtigem Ansichten , die sich auf dem Felde der
Gymnasialpaedagogik geltend gemacht haben und machen, zuschrei-
ben. Endlich werden aber auch solche, die zunächst nicht in einem
unmittelbaren Verhältnifse zur Schule stehen, die Reden nur mit gro-
fsem Nutzen lesen. Um nicht von Vätern zu sprechen, welche ja an
dem, was Erziehung und Bildung ihrer Söhne angeht, ein lebendiges
Interefse nehmen und sich dafselbe gern aneignen sollten, wem wäre
eine Belehrung über die Zustände seiner Zeit, über die Ursachen ihrer
Schäden, über die verderblichen und verkehrten Meinungen und Be-
strebungen und über die aus denselben uothwendig zu fürchtenden
Folgen nicht wünschenswerth? Solche wird ihm aber hier in über-
zeugender , ergreifender, mächtig mahnender , aber auch trostreich
aufrichtender und kräftiger Weise geboten. Die Wirksamkeit des
Redners besteht vorzugsweise in seiner Individualität. Nur das, was
als innerstes Wesen, als erlebtes und errungenes, als wahres Leben
des Redners sich kund gibt, wird die tiefste und bleibendste Wir
haben. Alles, was Vilmar sagt, tritt uns in solcher Weise entgegen.
Mag er von dem Christenthum und der Kirche, von Volksthum und
Staat, von dem Zauber der Poesie und der F'reude am Forschen und
Wifsen reden, immer tritt uns dieselbe Tiefe und Innigkeit, dafselbe
Verwachsensein mit dem ganzen Wesen entgegen, und dies hat schon
bei manchem, der von völlig verschiedenem Standpunkte, als Feind
und Gegner, an die Reden herantrat, wie er ölfentlich selbst ausge-
sprochen, seine Wirkung nicht verfehlt. Ref. kann den Eindruck,
welchen die Reden auf ihn gemacht, nur mit dem Namen völliger und
inniger Erbauung bezeichnen, und diesen Eindruck hat er nicht nur
hei solchen, welche, wie XVII und XIX — XXII unmittelbar religiöse
Gegenstände zur Aufgabe haben, sondern auch bei denen, welche der
Schule und dem Leben gewidmet sind, empfunden. Mögen dieselben
das vielen, recht vielen werden, was sie ihm geworden sind, Weck-
rufe, Lehrstimmen, Zeugnifse für Geist und Herz.
Grimma. R. D.
Einfache und leichte Methode, die unbestimmten Gleichungen des
ersten Grades mit zwei unbekannten Grössen aufzulösen.
Nebst einigen unbestimmten Aufgaben, die den ersten Grad über-
216 Kunze: Methode die unbestimmten Gleichungen
steigen. Von Dr. C. L. A. Kunze, Professor der jMathematik und
Physik am Gymnasium zu Weimar. (Aus einem Programm im Octo-
ber 1851 besonders abgedruckt.) Eisenach 1851. In Commission
bei T. F. A. Kühn. 16 S. 4.
Der Verf. gibt als Einleitung eine kurze geschichtliche Darstel-
lung der verschiedenen Methoden, welche Bachet de Meziriac , Euler
und Legrange zur Auflösung unbestimuiter Gleichungen von der Form :
Mx + Ny = P
(M, N und P als ganze Zahlen vorausgesetzt) entwickelt haben; der
Vollständigkeit wegen wäre zu wünschen gewesen, dafs der Verf. auch
die iMethode von Cauchy wenigstens erwähnt hätte, die noch überdies
die einzige directe, jedesfalls aber die eleganteste ist*). Unter jenen
Methoden ist es nun die von Euler, welche der Verf. etwas weiter
cultiviert und auf einen Rechnungsmechanismus gebracht hat. Handelt
es sich z. B. um die Auflösung der Gleichung :
28 a; — iö y t=: 53
so erhält man nach Euler zunächst
_ 45 y + 53 _ . 17 y + 53
^ 28 ^ 28
oder vortheilhafter, weil der Restbruch kleinere Zahlen bekommt,
4, 11 y — 53.
X y -^
man setzt nun den Restbruch einer neuen ganzen Zahl a gleich, also
.. ' / X = 2 y — «
*) Heifst nemlich die aufzulösende Gleichung
Mx + Ny = P
wobei M, N und P positive ganze Zahlen sind, M und N aber kei-
nen gemeinschaftlichen Theiler besitzen, so lautet die Auflösung
X = SM + Ns; y = ^ -i^
A'
und es bedeutet darin z eine beliebige positive ganze Zahl und cp (N)
die Anzahl der relativen Primzahlen zu N, welche kleiner als N sind.
Für die Gleichung
Mx — Ny z=: R
hat man die analogen Formeln
X ^ R m"^ + Nz;y ^ ^^^ ~ "
Zur directen Berechnung von qp (IV) bedarf es der Zerlegung von N
in seine Primfactoren nach dem Schema
2V=a " b'^ c y
dann ist
.(^) = ^(:-i)(,-^)(i-i)....
Diese Cauchyschen Formeln geben zwar nicht immer die kleinstmög-
lichen Werthe von x und y ; die anderen Methoden sind aber in die-
sem Punkte eben so wenig vollkommen.
des ersten Grades mit zwei iinhck. Gröfsen aufzulösen. 217
und findet weiter
28 a + 53
y
11
in —
5 ß — 53
II
= 3 a^ — b
und in derselben Weise weiter gehend
endlich
oder wenn
^ 11 f> + 53 ^26 + ^ + ^^. = 2 6 -f c
6 = 53 — 5 c
c = 10 + n gesetzt wird
6 =^ 5 n + 3
daraus finden sich rückwärts a, y und x, nenilich
2/ = 28 n + 15 , ar =: 45 n + 26
Genau dieselbe Rechnung macht auch der Verf. und zwar in folgen-
dem Schema, das nach dem vorigen leicht verständlich sein wird:
28 a; — 45 y = 53
X — 1 y =^ a
d a + y = b
2 6 — a = c
28 a + 11 2/ = 53
116 — 5a = 53
5 c + 6 = 53
6 = 53 — 5 c
a = 26 — c
= 10 6 — 11 c
2/ = 6 — 3 a
== 28 c — 265
X tzrz a + '2 y
= 45 c — 424
In einer vierten Colonne ist noch die Substitution c = n + 10 vor-
genommen. Man wird aus dieser Darstellung ersehn, dafs der Sache
nach durchaus kein Unterschied zwischen den Methoden Eulers und
des Verfafsers besteht, und dafs es sich bei letzterem nur um eine
andere Anordnung des Calculs handelt, die allerdings dann von
Vortheil sein würde, wenn man viele unbestimmte Aufgaben obiger
Art lösen müste.
Der Verf. theilt 18 vollständig ausgerechnete Beispiele für seine
Rechnungsweise mit; diese Gabe ist dankenswerth, denn an Beispie-
len kann man nicht genug haben.
Der zweite Abschnitt des Schriftchens beschäftigt sich mit eini-
gen unbestimmten Aufgaben zweiten und höhern Grades ; wie z. B.
eine beliebige Anzahl Quadratzahlen zu finden , deren Summe wieder
eine Quadratzahl ist, oder: drei Zahlen zu finden, so dafs das Qua-
drat einer jeden, um die folgende vermehrt, wieder eine Quadratzahl
gibt und dergl. mehr. Der Verfafser kommt dabei auch auf die schon
in der 2n Aufl. seiner Geometrie erwähnte Zahlenreihe :
1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55,
in welcher jedes Glied die Summe seiner beiden Vorgänger ist, und
welche die merkwürdige Eigenschaft besitzt, dafs je drei aufeinander-
folgende Zahlen näherungsweise die Verhältnisglieder einer nach ste-
tiger Proportion getheilten Linie darstellen. Die independente For-
mel der obigen Zahlen gibt der Verf. nirgends an. Ref. theilt sie da-
her mit, wie er sie von seinem Freunde Prof. Schlömilch erhalten
hat. Bezeichnet man nemlich die obigen Zahlen mit
21^ Programmenschau.
ty , *j , «2 etc., so ist
K = (")o + (« - 1), + C" - 2), + (n - 3)3 4- • • • •
wobei die gewöhnliche Bezeichnung der Binomialcoefficienten benutzt
wurde; auch hat man durch Summierung der Torstehenden Reihe:
t ^a + /5)"-^^-(i-/5)" + ^
woraus alle Eigenschaften der genannten Zahlen leicht folgen.
Schliefslich glaubt sich Ref. zu dem Urtheile berechtigt, dafs das
obige Schriftchen, wenn auch von keiner tiefern wifsenschaftlichen
Bedeutung, doch für Schulmänner ein zur Bereicherung ihrer Bei-
spielsammhing schätzenswerther Beitrag sein werde.
Dresden. Dr. J. Drechsler.
P r 0 g r a m m e n s c h a u.
[Fortsetzung.]
In dem Programm des evangelischen Seminars zu Maulbronn fin-
den wir eine mit grofsem Fleifse und sorgfältiger Genauigkeit gear-
beitete Abhandlung des Prof. Chr. F. Hirzel: Comparatlo coriim,
quac de impcratoribus Galba et Othonc rclata legimus apud Tacitum,
Plutarchum, Suctonium, Dioncm Cassium, instituta cum ad illorum
scriptorum indolcm, tum ad fontium, ex quibus hauscrint , rationem
pernosccndam (43 S. 4). Durch Zusammenstellung, am häufigsten
wörtliche Gegenüberstellung der betreifendeu Stellen gelangt der Hr.
Verf. zu folgenden Resultaten : Suetonius hat sich mehr um das Pri-
vatleben der genannten Kaiser gekümmert und geht über das öffent-
liche flüchtiger hin, Tacitus verfolgt den Zweck, die Geschichte des
Römerreichs so darzustellen, dafs nicht allein Ereignifse und Zu-
stände, sondern auch deren Gründe und Veranlafsungen deutlich er-
kennbar sind, einem ähnlichen geht Dio Cassius nach, so weit dies
aus den Excerpten des Xiphilinus erkennbar ist , Plutarch endlich hat
offenbar mehr eine Geschichte der Regierungen, als Biographien jener
Kaiser im Auge, wie denn die Vitae des Galba, Otho und Vitellius
offenbar ein Ganzes gebildet haben (Orban, lit. histor. Skizze über
Plutarch. Programm. Schleusingen, 1849, S. 8). Im Urtheile sind Ta •
citus und Plutarch milder und gerechter, als Sueton. Rücksichtlich
der erzählten Thatsachen, findet zwischen den beiden erstem eine
sehr häufige fast wörtliche Üebereinstimmung statt (Heeren's Urtheil,
de fönt, et auct. vit. Plut. p. 189, wird berichtigt), obgleich man
überall die gedankenreiche und praecise Kürze des Tacitus und die
geschmückte Fülle und Breite des Plutarch wiederfindet. Da eine Be-
nützung des einen durch den andern nicht glaublich ist (der Hr. Verf.
nimmt an, Tacit. habe nach 102, Plut. vor 115 geschrieben, und, da
der letztere damals fern von Rom gelebt , so sei eine Bekanntschaft
Prograinmenschaii. 219
mit den kurz vorlier erscliieneii Werken des erstem unwahrscheinlich),
und auTserdein doch auch manche nicht unerhebliche Verschiedenhei-
ten sich finden, so ist die Benützung einer und derselben Quelle durch
beide anzunehmen und zwar waren dieselbe — denn von C. Plinius,
Vipstanius "Messalla und Cluvius Rufus ist uns zu wenig bekannt —
wahrscheinlich die acta. Sueton hat zwar gewils nach Tacitus und
Plutarch geschrieben, aber beide nicht viel benutzt (gegen Krause
de Sueton. fönt, et auct. p. 4), vielmehr mufs er aus Quellen, welche
andern verschlofsen waren, geschöpft haben, aus den ihm zu Gebote
stehenden commentarii principales. Auch Dio hat manches eigenthüm-
liche und benützte demnach noch andere Quellen aul'ser den vorher
genannten drei Schriftstellern. Obgleich mehrere der angeführten
Stellen kritisch nicht sicher sind, so geht doch der Hr. Verf. auf die
Textesconstituirung nicht ein und behandelt nur eine Stelle p. 23
Tac. Hist. I, 71 , wo er die Walther'sche Erkläi-ung von quasi igno-
sceret verwirft und ne hostes (darunter sollen Vitellius und seine An-
hänger verstanden werden) metuerent coniiciert, eine Verbefserung,
welche schwerlich die Bedenken beseitigt. Ursprünglich hatte der
Hr. Verf. die Absicht Untersuchungen über den acc. c. inf. zu geben,
indefs gab er dieselbe auf, nachdem er bei Blume, Beiträge zur
lateinischen Grammatik. 2. Heft. Wesel, 1850, in der Haupt-
sache völlige Uebereinstimmung mit den von ihm gewonnenen Resul-
taten gefunden hatte. Doch sendet er der eben besprochenen Ab-
handlung 12 Thescs de natura ac vi accusativi cum infinitivo voraus,
deren Hauptinhalt folgender ist: Die Construction haben die lateini-
sche und griechische mit der altdeutschen, nordischen, litthauischen
und französischen Sprache gemein und sie ist demnach als dem We-
sen des allgemeinen Menschengeistes entsprofsen anzusehen [zunächst
wohl nur des indocaucasischen Stammes]. Sie dient zum Ausdrucke
dessen , was wahrgenommen wird und kann sowohl die Stelle des Sub-
jects als des Objects einnehmen, obgleich das letztere das ursprüng-
liche ist, da Acc. und Inf. neben einander gestellt werden. Acc. und
Inf. bilden immer mit dem regierenden ein ganzes, oft hat der Inf.,
oft der Acc. mehr Gewicht, oft auch beide ein gleiches. Bei den La-
teinern tritt die Construction am leichtesten ein, wo der Begriff : Auf-
fafsung einer Wahrnehmung, zu Grunde liegt, daher bei den vcrbis
sentiendi et dcclarandi , seltner bei den cupicndi, liostulandi, orandi,
movcndi, sehr selten bei den imperandi et decernendi, nie bei den
verbis cfficietidi. Damit gehn wir zur Besprechung mehrerer auf la-
teinische Sprache bezüglicher Programme über. Wie die Latinität
des sogenannten silbernen Zeitalters noch einer allseitigen Untersu-
chung bedürfe und welche Puncte dabei hauptsächlich ins Auge zu
fafsen seien, hat Bernhardy (Litgesch. p. 278) bezeichnet. Einen
Versuch der Art, nicht um die Sache zu erschöpfen, sondern anzure-
gen und den Weg zu zeigen, hat vorgelegt Dr. K. E. Opitz in dem
Programm, Naumburg, 1852: Specivicn lexicologiae argcntcac latini-
tatis (18 S. 4). Mit Uebergehung der aus den ältesten Zeiten hervor-
220 Prograiiimcnschaii.
gesuchten Worte zeigt er an den 10 ersten Briefen des Seneca an
Lucilius, lind den 5 ersten Capitein von Plin. Hist. N. I. II (auch I.
XXXIII und einigen andern Stellen), und dem Dial. de orat., wie viele
Worte aus den Dichtern des goldnen Zeitalters aufgenommen worden
sind. Wir bemerken dabei, dafs sedet bei Verg. Aen. II, 6G0 nicht
gleich placct zu fafsen ist, vielmehr das aus dem placcre hervor-
gehende Festhalten des Beschlufses bedeutet. Sodann werden aus Se-
neca die neuerfundenen Worte aufgezählt, gegen Böhmer de L. A.
Senecae latinitate (Oels, 1840) die Bemerkung gemacht, dafs Seneca
noch vielmehr in Phrasen geneuert und sich gerade dadurch den Tadel
des Quinctiiian zugezogen habe, und aus den oben genannten Briefen
die betreffenden zusammengestellt. Daran schliefsen sich Woi-te und
Redensarten, die er mit den meisten Schriftstellern seines Zeitalters
gemein hat. Zu den syntactischen Eigenthümlichkeiten übergehend,
legt der Hr. Verf. die Urtheile des Quinctiiian über die Sprache sei-
ner Zeitgenofsen zu Grunde und zählt als Beweise der absichtlichen
Dunkelheit die Menge der Ellipsen, den Mangel an Verbindung, die
Vernachläfsigung des Periodenbaus , den freiem Gebrauch der ablativi
absoluti, des partic. fut. act. für den griechischen conj. aor. mit av,
des in mit dem acc. eines Subst. für einen Satz mit ut u. ähnl. auf.
Für das Haschen nach ungewöhnlichem bilden Belege die Nachstel-
lung von Partikeln, welche die Frühern nur an den Anfang des Satzes
stellten, die häufige Anastrophe, die Veränderung in der Bedeutung
der Partikeln. Zwischen sive — sivc und sive — an bei Tac. wird
der Unterschied aufgestellt, dafs das letztere stehe, wo der Schrift-
steller selbst das zweite Glied für das richtigere halte. Die Nachah-
mung der Dichter wird an dem Gebrauch vermöge dessen abstracta und
Namen lebloser Gegenstände als belebte Gegenstände betrachtet und
demnach mit Adjectiven und Verben, die nur solchen zukommen, ver-
bunden werden, und an dem freiem und kühnern Gebrauch des Infinitiv
gezeigt. Zum Schlufse geht der Hr. Verf. die Stelle des Tac. Ann. III,
25 und 26 in der Absicht durch, den Unterschied des Stils von der
frühern Latinität nachzuweisen. Da er dabei auf die Verwandtschaft
mit Salust zu sprechen kommt, so bemerken wir, dafs bei diesem der
Gebrauch von quam für magis quam nicht so feststeht und nament-
lich Cat. 8, 1 magis festzuhalten scheint , ferner dafs zwischen ra-
perc trahere bei Sal. Cat. 11, 4 und trahcre graves praedas bei
Tac. Ann. III, 20 doch eine wesentliche Verschiedenheit stattfindet,
endlich dafs mortales für homincs schlechthin schon Salust ziemlich
häufig hat. Wir wünschen von Herzen, dafs der Hr. Verf. seine Arbeit
fortsetzen und dafs es ihm dazu an Kraft und Mitarbeitern nicht feh-
len möge. — Einen sehr wichtigen Gegenstand hat zu behandeln be-
gonnen Dr. Fr. Berger in der Abhandlung: de nominum quantitatc
(26 S. 4) , deren erster Theil im Programm des Gymnasiums zu Go-
tha 1852 mitgetheilt ist. Wir vermögen den die Resultate umfängli-
cher Forschungen in gröfster Kürze zusammengedrängt bietenden In-
halt nur in allgemeinen Umrifsen wiederzugeben. Voran steht der
Programmcnschaii. 221
Satz, dafs alle lateinische Wurzeln, in denen sich kein DI|)hthon{i
oder aus einem solchen entstandener Vocal findet, ursprünglich kurz
gewesen. Zur Verlängeruno gibt es 3 CJriinde: 1) Die Anfügung eines
mit einem Consonanten beginnenden oder mittelst eines epenthetischeii
Consonanten angeschlofsenen Vocals. Die Ausnahmen erklären sich
theils aus Veränderung der Bedeutung, fateri — fnri, rigare, theils
aus Veränderung des Accents, molcstus — möles (ähnlich ciinalis von
canna, curulis ron ciirrus, fari7ia, miimilla, öfella), perfidus — pdo,
peiero — iüro. 2) Die Ausstofsung des consonantischen Stammaus-
lauts — der Hr. Verf. stimmt denen, welche allen Wurzeln ursprüng-
lich vocalischen Auslaut vindicieren, nicht bei — durch das mit einem
Consonanten beginnende Snffix. 3^ Die Absicht eine Verschie<lenheit
der Bedeutung äulserlich zu bezeichnen. Wie die kurzen Vocale des
Präsens im Perfecto lang werden, weil nun eine fortdauernde Vollen-
dung ausgedrückt wird, so auch bei den nominibus : collega (qiii una
lectus. Varro LL. VI, 7, 66) — t^go, rex — i-i'go (cui regendi nego-
tium est datum, verschieden von rector). Die Verlängerung von der
Reduplication abzuleiten verwirft der Hr. Verf. Von den aus der
Wurzel selbst abgeleiteten Worten verlängern die auf liqnida aus-
gehenden im Nom. den Vocal, ml, pnr ; ebenso die einen Consonan-
ten abwerfenden, /«r, Inc, aber coi^ ist miccps. Os ist kurz nach
Priscian 710, Beda 2360 und exös Lucr. HI, 721. Dafs as kurz sei,
beweist die Analogie von os und die Kürze von semis. Von denen,
welche ein s annehmen, sind die auf einen Vocal ausgehenden lang,
res, sjies , vJs , grüs , süs , ebenso bös, pes aber vas , vadis ist unge-
wifs. Für päx, lex, vox gilt derselbe Grund, wie für rex, Es fol-
gen die Bildungen durch sufßxa und zwar zuerst durch Vocale: a) «,
wodurch, wie durch die übrigen suffixa der Art, die Quantität des
Wurzelvocals zunächst nicht verändert wird, fuga, aber scriha. Ver-
längerungen treten ein in collega nach 3), desgleichen in pläga von
plango, Ttlrjrrco. Dafselbe gilt von den Erweiterungen des suffix ea,
ia (grämia?), oder nach Vocalen via, und ua. b) us, um. Verkür-
zung bewirkt die Veränderung des Accents in den von nübo und dtco
abgeleiteten Adiectiven. Erweiterungen des suffix sind eus, ius {re-
pudium und tripudium leitet der Hr. Verf. mit Aufrecht und KirchhofF,
umbr. Denkm. II, 202, von pes ab und findet im letztern mit Her-
mann das Zahlwort tres wieder. Contägium und suffrägium wird nach
3) erklärt), eius, vius, bius {diibius von duo), uus (mütuus ist von
müto, viduus \o\\ divido herzuleiten), c) is , es, e. Verlängerungen
treten ein nach 3) in sedes, ambäges, compäges , propäges, contnges,
iügis (non quod iungitur, sed quod iunctum, est). Der aufgestellten
Erklärung widersprechen freilich die auch vom Hrn. Verf. angeführten
fämes , inddles , suböles. d) üs in der 4. und ü, defsen Länge gegen
die widersprechenden Nachrichten der Grammatiker gesichert wird.
Die Länge in Jdus {iduo , divido) erklärt der Hr. Verf. nach 3. e) es
in der 5. Decl. erweitert in ies und vies, das den vorausgehenden Vo-
cal verkürzt, coUüvics. Die Untersuchung geht zu den consonanti-
222 Programinenscliau.
sehen suffixeii über und zwar 1) l. In söl betrachtet der Hr. Verf.
l als suffix. Die erweiterten sind I, 1) les. Verlängerungen treten
dabei nach 1. ein, so felcs von feo, mclcs von meo, mölcs von moveo
und iölcs, wo der Consonant der Wurzel ausgestolsen ist, wie tonsil-
lae zeigt. 2) lis. Caulis hat dieselbe Wurzel, wie caudcx , nemlich
cavus {KavXög), blUs ist ungewifs, trdis, quälis , exJlis von exigo, in-
cllis von incido, vllis von derselben Wurzel wie venum, suhtilis von
tango? 3) le , ancile von caedo nach Varro, llia\onin, der Ursprung
von mtle ist zweifelhaft. 4) la, sella, caula (von cavus), cala («cJ-
Xov , KciBiv) y mit Ansstofsung des Consonanten rda (ago), julla (pan-
goi), pUa (piso) , scnla (^scando) , tela (fe.ro), mala, wie maxilla
zeigt, von ficcoGw, Wenn gula mit guttur verwandt ist, mufs die
Kürze auffallen; in fnla, völa, pila gehört das i zur Wurzel. Erwei-
terungen sind lea (älca von ago, tälea von tango), lia (filia), Ina
(belua, gleicher Wurzel mit bestia, ob feo?). 5) lus, lum. Paulus
von derselben Wurzel, wie paucus und pauper ; caelum , der Himmel,
wie caesius , caerulus; pullus non puer ; htlum von hie (Lachm. ad
Lucr. p. 27 sq.), aber mit verändertem Accent nihilum ; sOlus von se
i^sobjius = se ebrius, socors) ; anhelus ; culus verwandt mit cupa und
culeus ; filuni , verwandt mit /?6ra und fides; mrdum, wie fiälov von
jttaco (Lob. Pdthol. p. 149), aber malus, der Mast , von derselben Wur-
zel, wie magnus ; velum mit vectis verwandt, aber in der Bedeutung
Segel von vcho. Mit Ausstofsung des Consonanten sind gebildet:
caelum von caedo, palus — pango, p'ilum und pilus — piso, telum
— tendo , squalus — scatco , tnlus nach taxillus wahrscheinlich von
tango, qualus nach quasillus ebenfalls von einer consonantisch aus-
lautenden Wurzel (gegen Lob. 1. 1. 151 nimmt der Hr. Verf. wegen
quaxillus den Auslaut c oder ^ an), aluvi, colum , mulus. In cölus,
dolus, pilus, sölum, squalus, malus gehört das l zur Wurzel. Er-
weiterungen des suffix sind: a) leus, nucleus, culeus, pileus, acu-
leus von acu; b) lius — lium, filius von fio, dolium, lilium (XBLQiov).
Sölium kann wegen der Kürze des Vocals nicht mit Dietrich von
sedeo abgeleitet werden. II. Reihe: 1) al , nur in alus, ojyalus , ga-
balus, beide bei Dichtern nicht vorkommend; 2) il; a) im nom. pu-
gil, vigil; b) ilis. Die Quantität der Wurzelsilbe beibehalten in den
von verbis abgeleiteten: agilis , fäcilis, strtgilis , ütilis, similis (von
imitari, Pott I, 194); von nominibus scheinen abgeleitet gracilis, hu-
milis, ]}arilis , sterilis, Erweiterungen sind büis , welches den vocali-
schen Auslaut verlängert, Jlebilis, nöbllis , Ausnahme stäbilis, stlis,
Ulis oder wenn der Consonant der Wurzel ausgestofsen Avird silis,
ätilis, ütilis {tolutilis). 3) da, aquila. 4) tlus, mutilus , davon bilus
{iübilum und slbilus sind von Naturlauten gebildet), milus (pümilus
von puer), tUus (rütilus, von der Wurzel ruber, rufus). 4) ol in a)
öla (filiola) und b) Ölus (frJvolus \on friare), 5) ul, zunächst als
Nominat. consul u. ähnl. (Niebuhr, Rom. Gesch. I p. 578), dann 6)
ula (die Verlängerung in regula , tegula wird nach 3 erklärt), erwei-
tert büla, immer mit Verlängerung des Wurzelvocals und mit Binde-
Programmensclian. 223
vocal (mandibula) , cnla (Indiiciila , subiicula, novncula von novarc.
Ob sucula von sus richtig gemefsen werde, wagt der Hr. Verf. nicht
zu entscheiden, behauptet aber bestimmt die Länge von snculae we-
gen der Wurzel vco , üva, üdus , nmor, sücus, südare. In bücula ist
der Consonant elidirt. Mit Bindevocal an consonantischen Wurzeln,
aliciila. Bei Ableitung von Subst. wird der Vocal verlängert, aufser
bei i, wo nur oplcula, cnnlcula, clavicula, crattcula, cutlcula und fcbri-
cula (Catiill. 6, 4) lang sind. Vcnüculn kommt von venum, uva quae
vcnit), {Tula {trägula von <roAo) , püla (cräpula , von der Wurzel
KFQCcvvvfii , jmpula ist gewifs nicht Diminutiv von pupa; cüpula aus
coapula contrahirt), siila {^insula, pusuhi zweifelhaft ob von pus oder
defsen Wurzel, mit t pustula), edula (verkürzt ist e Avegen der Ab-
leitung von edo , Juv. 14, 9), uncula (domuncula). 3) ulus , ulum.
CoHgulum kommt von tigo , seculum von seco , sedulus hat aus glei-
chem Grunde, wie sedes den Vocal verlängert. Erweiterungen sind
bülus, b'ülum (nur snbulum von scro und sthbulum von sto haben kur-
zen Vocal. Häufig tritt der Bindevocal i ein), culus (kurz ist nur
baculum. Warum in cunlculus das i lang sei, ist nicht zu erklären.
Pediculus von pedis gibt der Hr. Verf. zu , behauptet aber pcdiculus
von pes}, gulus (singulus von semcl, strngulus von sterno), viulus
(aemulus — aequo), pulus (pöpulus — pötus , arbor bibula, aber pö-
pulus , obgleich von derselben Wurzel, wie noXiq , plpulum , scrüpu-
lum), äbulum , nculum, vnculus. 5) eil — ellus, ella. \\\ flngcllum
wird der Vocal kurz, clttella kommt von clino. 6) ill — illa, Ulus,
Ulum. ImbccUlus scheint aus der veränderten Wurzel feo entstanden.
In pusUlus (puer) und quasülus (qunlus) sind die Kürzen durch Ver-
änderung des Accents zu erklären. III. 1) nl — Ulis. Feralts kommt
von derselben Wurzel wie festus, feriae, februus , ferom (Momm-
sen, unteritalische Dialecte 320), fetialis. nie wird in nl verkürzt.
2) el — clis, ele , ela == tela, elum (mantclum) . 5) tl (Tanaqutl), —
Jlis (dazu aprJlts) — lle — Jla (contla) — ilus (^asUus , petUus). 4) ül
— filis. Ob in curülis, tribülis u zum Stamme gehöre, oder nicht,
wagt der Verf. nicht zu entscheiden. IV). A. mit kurzem Vocal I) tliaf
2) ilius — cilium scheint ursprünglich Subst. von cieo. — sflium, wie
sul und sula von esse abzuleiten. 3) Yilca , 4) uleus. B. mit langem
Vocal. 1) nlium (gabälium, obgleich bei keinem Dichter gefunden),
2) elium (mantelmrn) , 3) tlium (pctlUum. Die Eigennamen Lucilius
u. dergl.) 4) Dllum (^Capitolium). — Es folgen 2) die suffixa mit m.
1) misy vermis — verto, Itmis — liquis, obliquits, sublimis — sublevo,
cömis — tiociiog? Bei rümis ist die Länge zweifelhaft (irrumare , aber
Rümina). Infnmis kommt von /«mo unmittelbar. 2) ma, flamma —
flagro , forma — fcro, gemma — gigno, norma — nosco , turma —
turbo , fnma — fari, spnma — spuo , strüiua — struo , llma — Uno
{levis, lenis), plnma — pluo (fluo), brümn — brevis , glüma — glubo,
Inma — lacus, lacuna, rima — ringo, trnma — traho (?). Zweifel-
haft ist die Ableitung von dnma, grüma , squiima. In cöma , hnma,
ttima gehört das m zur Wurzel. 2) mus , almus — alo, culmus — cello.
224 Programmenscliau.
formus — fornax, forceps, armus — aqsiv , ars , llmus (lutum) —
Uno, iJmtis (Adj.) — liquis, obliquus, fümus — ffiligo (&vco) — arma
— arceo, Itmus (cingulum) — ligo , rcmus — rego , hninus — habco.
Dumus und j)omum scheinen auch consonantischeii Wurzeln entsprofsen
wegen dtismus (Fest. 67, 8) und posmom (Mommsen 146 und 291).
Nnmus soll von vöuog, jovfi^og (Böckh metrol. Unters, p. 310) her-
kommen. In fimus und htimus gehört m zur Wurzel. II. 1) am,
änius , calamus. 2) cm — cms , hiems. 3) im — tma {victima von vivo
= animans) — imus {animus} — simus oder sYimus , davon issimus
(die Form des Superl. war ursprünglich isimus. Plurimus , plusimus,
plisimus von pico), esimus, timus :^= tümus. 3) um — umis {incolumis
von cello) — nma (cucuma, ob von coquo oder cucumis, Cucurbita?).
III. emus und Imus. 3) Die Suffixe mit n. Dies tritt unmittelbar an
den Stamm nur in ren von Qhiv. I. 1) nis ; clünis — cluo , cloaca,
crltiis — cerno {seta von sero) , pü7iis — pasco , clinis (acclinis u.
ähnl.) — clivus, clino, lenis und levis — leo , deleo , Uno, mlinis
(^commu7iis , comoinis} — munus, moenia , murus (ftt^oo) , inänis — ata
(anima), mit Ausstofsung des Consonanten /««is — findo , mänis (im-
mänis} — magnus , mactus, mactare , j)e7iis (pesnis) — penna, peto
(^cauda, quae movetur), fünis — fibra, filum. Cänis ist aufrällig, da,
wie catulus zeigt, der Consonant ausgestol'sen ist. 2) ne, moenia,
munia, mäne — matuta, matuUnus, mäturus. 3) na, gena — gigno,
mina — emineo , pugna — pungo, iirna — orca, urceus , orbis, urbs,
penna — peto, poena — purus , punio , vena — eo , via Qvea), vi-
tare, pruna — pruina, luna — nicht von lux, sondern der Wurzel,
lustrum, illustris, splna — splca, läna — XScvog , täna — von dem
Naturlaute (Varr. L. L. V, 12, 78), rüna — ruo? Unbekannt ist die
Wurzel von strena. Von consonantischen Wurzeln coena (coesna,
cersna) von co ■ — edo , coetus, cünae — cumbo, lena — lacio (we-
gen pollex). Erweitert nca (gänea — gaudeo, yävvyiai , gränea
(granum) — cresco oder yqäsLV (?), liirea {liyium) — Itcium , aränca —
aro), nia (pecunia — pecu). 4) 7ius, pugnus — pungo, regnum —
rego, somnus — sopor, scamnum {scabcllum) — scabo, da7nnum —
däsiv , öccfiia, t,r]iiia , dönum — dare (dos, duim , Volsc. dunoni), fa-
num — fari, fenum — fco, gränum — cresco, vinum — vitis , Itnum
— Ilciu7n, sptnus — spica , prunus — nqovvrj , pnnus - Ttrji'r] , ve-
num — eo, plenus — pleo, bini — bis, pi-önus — pro, cnnus — castus,
^änus — vastus , planus — pläco , obscae7ius (enus) — scaevus,
ünus (oenus) — usquam. Merkwürdig ist bönus von beo, nundinus,
percndinus von dies. Austofsung des Consonanten findet statt: pi-
^mg — pix, frenum — frendo, annus — an, (ambe ; auch änus kommt
daher). In sönus und tönus gehört n zur Wurzel. 5) niis — nü
4. Decl. (cor7iu — xf^ag) — neus {eburneus , aräneus) — nium (scri-
nium — scribo, doch ist 6 nicht ursprünglich in der Wurzel, wie das
umbrische scrch zeigt.), nuus (strenuus gleichen Ursprungs mit strena).
II. 1) ün, nnus, galbanus. 2) en, enis , iuvcnis. 3) «n = a) cn,
pecten, ungucn, denn men [agmen — ag-o, carmen — caieo, cul-
Propra iimie II sciuul. 22.')
■men — cello , tcgmen — tc<ro , cariiicn — cano , {j^crmen — i^igno,
exämen — «fio , sumen — ^ugo, subtcmvn — subtcxo, flemcn — cpXi-
yoa? omcn (osmcn) — oacsa^ai, otztco, (oder obs.'). Mit Bindevocal
'i lind «, auch bei Aiisstofsuiig des Stiiminvocais {monumen). An Vo-
tale angeschlolsen, lümvn von derselben Wurzel vsle lux, lustruni,
illustris , ltmc7i — liquis , crimen — cerno , gramen — cresco , jlämen ~
flare , flumen — fluo, nömen — nosco, nümcn — nuo, stnmen — sto,
strnmen — sterno , vlmcn — vio^ solnmen , lentmen , acilmen , volümen —
volvo, abdömcn — abdo , ßämen — ßagro (Pott. 11, 283), svfflämen —^
flagcllum , albümcn durch Erweiterung], und ten (gluten — glun, glu-
tus). b) is, j)ollis, sanguis. c) o, im goldnen Zeitalter stets lang,
später kurz (doch hömö bei Plaut, häufig), coro, propägo (vgl. pro-
pnges). Homo (hemo) wird von hie abgeleitet, so dafs m dem Suf-
fixe vorausgesetzt wäre. Turbo — tornus, cardo — carhia?, ordo —
orior , virgo — vir, trigo — tero. Erweitert wird o in edo , tdo, iido,
iildo , ttudo , ctudo bei Wurzeln auf e (valetudo}, ägo {virago — vir,
vorago — voro , imago — imitor , indägo — (igo (nach 3)), tlago,
*go, Itgo (cnlJgo — canus , füligo — fumus, loligo — lavo , üllgo —
üvidus, üvens , ndus, vitiligo — vitium , vitupero), ngo, iindo. d) in«
(acina u. a. pügina von pango hat wegen der Bedeutung die Quan-
tität des Vocals verändert), cina (ßscina — fiscus , fusciria — furca,
bücina vom Naturlaute bu, mächijia — (iäca , /xij;j;o:7 jf) , mina {fdmi-
na — feo, Inmina — latus), iina (statina — sto). e) tnus (asinus , fa-
ginus u. a.) cinus (fuscinus — fuscus, furvus, luscinus — luscus,
lurcus, fascinum — fari, sücinum — vsir , umor desudatus) minus
(termtnus — ziQfiwv, geminus — gigno), tinus (mit Verlängerung
glütinum, diütinus), nginus , ötinus. IIT. 1) an, äna (Diana, pistä
na — piso?), änus (iänus — eo, Cic. d. n. d. 2, 27, 67, humanus
(hcmonus) — he-m- anus , germanus — gigno, germen). 2) cn
{licn und An — i ~ en) — ena (arena u. a. Cfimcna — cano, Verkür
zung des Stamms wegen des Accents), ilcna (cantikna) — enus, enum,
icenus. 3} in — tna (Ifirina — uvens, ovqov), gtna {vägina — vas?),
ctna, plina (nur disciplina) , slna (resina — genv), trtna (doctrina,
meditrina, sütrina «.), Inus , tlnus , trinum (lätrinum — lavo). 4) on,
ü (erst später verkürzt. Mit Vermehrung des suffix sermo — sero,
pulmo — pello , Semo — sero, temo — teneo , cnpo — eastrare , cnpo
caupo, glüto — ingluvies, mülo ^ moveo , bübo — ßvceg , pnvo — pavus,
pava (beide von der Stimme der bezeichneten Vögel), büfo — büca,
üdo — induo , exuo, redo, leno von lacio , lüno — lovis, pero von pes,
bäro vom Naturlaute ba (= varo?), tlro), eo (buteo — babo), io von
Masculinis (tttio , aber pügio (Mart. 14, 33, 1, Juv. 6, 34, 35) —
pungo, Sclpio, beide lang wegen der Bedeutung) iilio , elio, ilio (ovi.
Ho), pilio (päpilio — pasco oder von dem Geräusch der Flügel, Upi-
lio — bubus, Jupiter), iilio, urio, ilio, isio , ferner von Femininis
(contägio und suspicio verlängern wegen der Bedeutung. Bei den von
Verbis abgeleiteten bleiben kurz datio , ratio, statio , itio , aditio.
Verstärkung ist sio , occäsio), uo (heluo, ungew. Wurzel), Ho, tdo
iV. Jahrb. f. Phil, u. Paed, M. LXVH. Hft. % 15
226 Programmenschau.
(sitbulo — scro , aber sjZ&m/o, slbilus, wegen der Verstäikting des h)
ümo, tibo , (ttro , äso — tso , eno , ferner öna (persona aber kommt von
persona und der Vocal ist verlängert wegen der Veränderung der Be-
deutung), müna. 5) ün, üna , ünus. IV. 1) erna, Iticernn verkürzt
wegen des Accentes, Interna (lanterna} von der Wurzel In Xcc^Ttäg,
nasitcrna — nasus, basterna. 2) crnus , bernus (htbernus — hiems),
tcrnus. 3) ümna, aerumna — ai'qsiv^ columna {coIYimella) — cello.
4) umnus , alumnus , aiictumiitis. 5) nrna, luturna — iuvo. 6) urnus,
Volturnus, dinturnus ^ Säturnus — sero, taciturnus. 7)ignus, ugnus.
bejiignus, privignus — privus. V. A. 1) iinea. 2) inea. 3) ineus, ägi-
neus. 4) inia, cinia; luseinia von der Wurzel in luridus. 5) inius,
znium, ctnium, valicinium, latroc'mium. B. 1) üneus. 2) inia. 3)
rnius , tnium. 4) önea. 5) üneus. 6) önia. Feronia ist mit Feralis
verwandt, und demnach das suffix durch r verstärkt. Verstärkung
ist auch tmönia. Caerlmonia Avird auf ein unbekanntes etruscisches
Wort, das 'heilig' bedeutet, zurückgeführt. 7) Bnius , tmoniitm. —
Dieser dürre Auszug wird zeigen, wie beachtenswerth die Abhand-
lung für die lateinische Sprachforschung ist, da sie, wenn schon nicht
alle Resultate als feststehend und sicher betrachtet werden können,
doch auf ein bisher noch nicht genug gewürdigtes Moment hinweist.
Die bald verheifsene Fortsetzung, welche sich über die suffixe mit
r, s, V, b, p, g, c, d, t verbreiten wird, erwarten wir mit Verlangen.
— Das Programm des Realgymnasiums zu Gotha Ostern 1852 enthält
von dem durch seine lexicalischen Arbeiten rühmlichst bekannten Ober-
lehrer Dr. Georges: Zur Lehre vom Ueber setzen aus dem
Lateinischen ins Deutsche (10 S. 4). Von den Puncten , In
welchen die lateinische Sprechweise von der deutschen abweicht , wer-
den behandelt: I. Das Hendiadyoin und zwar A. Verbindung zweier
Ausdrücke von verschiedener Bedeutung, B) Verbindung zweier Sy-
nonymen zur Vei'stärkung des Ausdrucks. II. Uebersetzung von Ver-
ben durch Adverbia. III. Phraseologische Verba, a) active mit 'müs-
sen, brauchen, wifsen, sich wlfsen, sich fühlen, lafsen, sich lafsen',
b) pafsive mit 'sich sehen' u. s. w. IV. Ergänzung von Substan-
tiven. Die Zusammenstellung ist besonders durch die reiche Fülle von
Beispielen dankenswerth. Zu bemei'ken finden wir: CIc. d. nat. deor.
II, 60, 151: cfficimus ctiam domitu jwstro quadriipcdum vectioncs:
quorum celeritns atqiic vis nobis ipsis affert vim et ccleritatem , kön-
nen wir ein Hendiadyoin nicht annehmen, müfsen vielmehr vis und
celeritas jedes für sich bestehend betrachten, avozu der Chiasmus
drängt. Bemerkenswerth ist, dafs vis eine speciellere Bedeutung:
'Tragkraft' hat. Metus ac timor ist nicht 'feige Furcht', sondern
'furchtsame Besorgnis'. Uebrigens stellen auch wir deutsche Syno-
nyma in gleicher Weise zusammen: 'Schmach und Schande', labcs at-
quc ignominia. Unter II b vermlfsen wir: facio ut, eine Redeweise,
welche beim Uebersetzen den Schülern zu schaffen macht. Nep. 14,
I, 1 vermögen Avir die Uebersetzung: et manu forlis (tapfrer Soldat)
et hello strenuus (Avackrer Feldheri) nicht zu billigen sondern ver-
d
Auszüge aus Zeitschriften. 227
langen: 'ein (köri)er)krärtiger und Uiätiger Krieger' oder: 'ein kräf-
tiger Mann und ein thätiger Krieger'.
(Fortsetzung folgt.)
Auszüge aus Zeitschriften.
Zeitschrift für die ocstcrrcichischcn Gymnasien. (Fortsetzung von
Bd. LXV S. 327-333.) Sechstes Heft. Abhandlungen. Fr. Rig-
1er: der Classenordinarius und die Lehrerbesprechungen (S. 427 — 38.
Vergleicht die Bestimmungen in der Verordnung der Regierung von
Schwarzburg-Sondershausen MützeU's Zeitschr. 1851 S. 829. mit den
im Organisationsentwurfe enthaltenen und gibt beherzigens- und be
achtenswerthe Winke darüber, wie und unter welchen Bedingungen
die Classenordinariate zu erzieherischer und didaktischer Einheit in
den C4ymnasien hinwirken können). — A. Wilhelm: Rücksichten bei
der Erklärung des Homer in der Schule (S. 438-44. Zeigt worauf in
sachlicher und sprachlicher Hinsicht die Erklärung einzugehn habe,
um ein Verständnis bei den Schülern zu vermitteln). — Literarische
Anzeigen. Rost: Griech. - deutsches Wörterbuch, 4. Aufl. unter Mit-
wirkung von Ameis und Mühlmann gänzlich umgearbeitet, von G.
Curtius (S. 445 — 51. Bemerkungen über die PrincIj)Iosigkeit bei Aus-
arbeitung des gesonderten Eigennamenverzeichnirses , über nicht aus-
gestofsene falsche Etymologieen , über nicht richtig geordnete Bedeu-
tungen. Schlufsurtheil : für Gymnasialscluiler ein recht geeignetes
Hilfsmittel, aber das Wörterbuch von Jakobltz und Seiler ist bei einem
verhältnismäfsig sehr wenig höhern Preis bedeutend reichhaltiger und
seinem Zwecke entsprechender). — J. O verbeck: Gallerie heroischer
Bildwerke der alten Kunst, von J. G. Seidl (S. 452 — 59. Das Un-
ternehmen und die Art der Ausführung wird gelobt, das Werk der
Beachtung der Lehrer und der Gymnasialbibliotheken dringend em-
pfohlen , für Schüler selbst dagegen nicht geeignet gefunden). —
Schmitt: Jakob Ayrer, Guttmann: über die Ausgaben der Ge-
sammtwerke von Opitz, J. Hermann: über Andreas Gryphius, W.
A. Pas so w: Daniel Caspar von Lohenstein, von K. Wein hold
(S. 459 — 72. An Nr. 1 wird vieles getadelt und recht eingehende und
wichtige Berichtigungen gegeben , Nr. 2 wird als verdienstlich aner-
kannt, Nr. 3 als tüchtige Arbeit empfohlen, zu Nr. 4 gibt der Hr.
Ref. vielfache Berichtigungen und Rathschiäge für das grÖfsere Unter-
nehmen, als defsen Probe das Schriftchen erschienen ist). — Sche-
rer: fafslicher Unterricht in der Geographie , 2e Aufl., von A. Stein-
häuser (S. 472 — 77. Als Hauptfehler wird die gänzliche Vernachläs-
sigung der physischen Verhältnisse gerügt, im einzelnen viele bedeu-
tende und wesentliche Gebrechen nachgewiesen). — Schultz von
S tr ass n i t z ki: Anfangsgründe der Geometrie aus der Anschauung
begriffsmäfsig entwickelt, von Joh. Hermann (S. 477—80. Neben
Anerkennung vieler praktischer Winke, wird die socratisiex'ende Me-
15*
228 Auszüge aus Zeitschriften.
thude für den Unterricht in Schulen verworfen, im einzelnen bei einer
zweiten AuHage eine sorgfältige Revision gewünscht). — Verordnun-
gen, Personal- und Schulnotizen (S. 481 — 89). — Miscellen. Die Gym-
nastik als Gegenstand des Schulunterrichts (S. 490—511. Unter ein-
leitenden und vermittelnden Bemerkungen werden Auszüge aus Breier's
Recension in diesen NJahrb. LXIV, S. 391, dem 9n Programm der
höhern Bürgerschule zu Oldenburg, und Kawerau's Aufsatz in Mütz-
ell's Zeitschr. 1852 , Maiheft gegeben). — Ergebnisse von Maturitäts-
prüfungen. — Literarische Notizen (Anzeige von Aufrecht's unh Kuhn's
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung. 5s und 6s Heft. Von K.
Weinhold. S. 513 und 514). — Siebentes Heft. Abhandlungen.
W. A. Passe w: die deutschen Aufsätze auf dem Obergymnasium
(S. 515 — 32. Als erstes und wesentlichstes Gesetz für die Wahl der
Stoffe wird aufgestellt: der Lehrer hat durchaus frei und selbstthä-
tig zu verfahren, den Stoff aber hat er einem fest geschlofsenen
Kreise, welcher sich natürlich mit jeder Classe einigermafsen än-
dert, zu entnehmen, und dieser Kreis ist kein anderer, als das Ju-
gendleben im aligemeinen, vorzugsweise und im besondern das Schul-
leben. Zu dem Aufsatz von Th. Hochegger im Maiheft werden viele,
theils bestätigende, theils ergänzende und berichtigende Bemerkungen
gemacht.*) — Literarische Anzeigen. Tacitus, von Nipperde y.
1. Bd. Von Thomas (S. 533—42. Gebührendes Lob. Getadelt wird
die Orthographie. Ann. I, 8 wird ea sola species adulandi supererat
erklärt: 'diese einzige Art von Schmeichelei war noch nicht da ge-
wesen', I, 24 contumaciae propensiores oder promptiores emendiert;
I, 28 prospereque cessura, quae pergerent, vertheidigt , desgleichen
I, 79 sociorum; III, 55 emendiert: verum haec nobis vioris certamina
ex honesta maneant; VI, 4 noxiam conscientiae vertheidigt; IV, 3
et durch Ordnung der Interpunction gestützt). — Siebeiis: Tiroci-
iiium poeticum, von A. Kloss (S. 542 — 45, Unter einzelnen Aus-
stellungen gelobt und empfohlen, wenn schon zum Gebrauch für die
österreichischen Gymnasien eine erweiterte und veränderte Anlage ge-
wünscht wird). — Pütz: Grundrifs der Geschichte und Geographie.
I. Bd. Das Alterthum. 7. Aufl., von A. CapeUmann (S. 545—50.
Eingehende, die zahlreichen Verbefserungen hervorhebende Anzeige).
*) Rücksichtlich der Bemerkung über das Gespräch (S. 523), das
nach der Ansicht des Hrn. Verf. dem Wesen der Jugend fern liegt,
erlaubt sich Ref. auszusprechen, dafs er bei vielen jungen Leuten ge-
rade eine Hinneigung dazu wahrgenommen hat; wenigstens wurde
oft die dialogische Form freiwillig bei Abhandlungen angewandt. Wie
weit ist denn auch der Schritt zu diesen, wenn der Schüler sich ge-
nöthigt sieht, selbst Einwürfe zu finden und zu widerlegen? Und
weist nicht der Unterricht in der Schule — wie gern ahmen ihm Kin-
der im Spiele nach! — den Weg dazu? Gleichwohl halte auch ich
das Gespräch für eine Form, welche nicht gefordert werden dürfe,
ja ich glaube, man müfse jener Neigung eher entgegenarbeiten, als
sie fördern, doch gänzlich möchte ich die Sache nicht ausgeschlofsen
sehen. D.
statistische und andere Mittheiliingen. 229
— Lliben und Nacke: Mnsterstiicke für den Sprachunterricht, von
J. G. Sei dl (S. 551 — 56. Selir gelobt, namentlich die in dem Com-
mentare befolgte Methodik. Für österreichische Gymnasien wird die
Anwendung wegen des entschieden protestantischen Standpunktes
nicht möglich gefunden). — Kiepert: Wandkarte des römischen
Reichs, von G. Linker (S. 557—59. Gelobt. Die Schreibungen Usipi,
Danuvius j Rcgium^ der Lauf des F^lufses Ausar und die Lage von
liingium werden besprochen, einige Fehler verbefsert). — C. Rit-
ter: Einleitung zur allgemeinen vergleichenden Geographie und Ab-
handlungen zur Begründung einer mehr wissenschaftlichen Behandlung
der Erdkunde; J. F. Schouw: die Erde, die Pflanzen und der Mensch,
übersetzt von H. Zeise, A. W. Grube: geographische Charakter-
bilder, von A. Steinhauser (S. 559 — 69. Der wifsenschaftliche und
pädagogische Werth sämmtlicher drei Schriften wird eingehend ge-
würdigt). — Hillardt: geometrische Wandtafeln I — VI, von A. Ger-
nerth (S.569 — 72. Zum Gebrauche bei dem geometrischen Anschauungs-
unterrichte empfohlen). — Verordnungen S. 573 — 84. — Personal- und
Schulnotizen S. 584 — 86. — Miscellen. Bericht über die zweite Conferenz
von Gymnasialdirectoren und Professoren des Gratzer Inspectionsbezirkes
zu Laibach am 30. und 31. Mai 1852, erstattet vom Vorsitzenden Fr.
Rigler (S. 587 — 90. Gegenstände der Besprechung waren: die Disci-
plinarvorschriften , besonders ward über den Besuch von Gast- und
Wirthshäusern debattirt, die individualisirende Classification, Gleich-
mäfsigkeit der deutschen Orthographie, der physicalische Unterricht,
Absonderung des geo{,raphischen Unterrichts von dem geschichtlichen,
Regelung der Jugendlectüre , Ferien). — Gedanken über K. Wein-
hold's Abhandlung: die deutsche Rechtschreibung, von J. Bäräni in
Nagy-Mihaly' (S. 590 flg. Stellt statt des Weinholdischen als Grund-
gesetz auf: Erhebe die festgestellten Ergebnisse der geschichtlichen
Fortentwicklung des neuhochdeutschen zum herrschenden Schreibge-
brauche, und schlägt zur Verwirklichung Versammlungen von deut-
schen Sprachforschern vor). — Ueber die Durchführung derselben Ver-
befserung, von K. Wilhelm (S. 591 — 59G. Stellt mehrere der ge-
machten Vorschläge als zur Einführung nicht geeignet dar, während
die sofortige Einführung einiger gewünscht wird. S. 596 — 601 theilt
die Redaction das auf Orthographie bezügliche Gespräch in Ph. Wak-
kernagels: der Unterricht in der Muttersprache. Stuttgart, 1843.
S. 75 ff. mit). — Ueber Schulgeld, von A. Wilhelm (S. 601 f.
Strenge in Handhabung des Gesetzes bei den Befreinngsgesuchen wird
empfohlen). — Ausweis über die Maturitätsprüfung in Agram. S. 602.
— Achtes Heft. Abhandlungen. Ein Beitrag zur Erklärung und
Kritik des Tacitus. Annal. I, 55—59, von G. M. Thomas (S. 603—
16. Eingehende Beleuchtung der Stelle. Emendiert wird: gener invi-
sus , inimicior socerl, 59: redderet filio sacerdotium domini: at Ger-
manos nuvquain). — Literarische Anzeigen. G. Curtius: griechische
Schulgrammatik, von A. Th. Wolf (S. 617—32. Erkennt in eingehen-
der Besprechung das hochverdienstliche der ganzen Arbeit, besonders
230 Auszüge aus Zeitschriften.
der Syntax an, macht aber gegen manches in der Etymologie vom
Standpunkte des praktischen Schnhnannes aus Einwendungen und be-
zeichnet das Buch als für den Elementarunterricht noch unbrauchbar).
— Einige Briefe des Cicero, geschrieben in den Jahren 704—706 n. R.
Mit deutschen Anmerkungen zum Schulgebrauch, von W. K er gel
(S. 632 — 38. Wird als eine sehr unvollkommene Leistung eingehend
beleuchtet). — Kelle: vollständiges Lehrbuch der deutschen Sprache,
Zeising: Grammatik der deutschen Sprache, desselben Leitfaden für
den ersten grammatischen Unterricht in der deutschen Sprache, von
K. Weinhold (S. 638 — 42. Das erste Buch wird als durchaus keine
Avesentliche Förderung des deutschen Unterrichts bietend dargestellt;
auch Nr. 2 und 3 werden für ungeeignet erklärt). — Vogel: Netz-
atlas zum Kartenzeichnen für Schulen, E. v. Sydow: Gradnetzatlas,
E. V. Sydow: hydrographischer Atlas , von A. Stei nhau ser (^S. 642
■ — 46. Sämmtlich als sehr zweckmäfsig empfohlen. Am Schlufse spricht
der Hr. Verf. Wünsche in Betreif kräftigerer Beorderung des geogra-
phischen Unterrichts in Oesterreich aus). — Diesterweg: astro-
nomische Geographie und populäre Himmelskunde, von K. Kreil
(S. 647 f. Im Ganzen lobend, wenn auch einzelne Uebelstände rügend).
— Verordnungen und Personal- und Schulnotizen (S. 649 — 51). —
Schulprogi-amme österreichischer Gymnasien aus dem Jahre 1851. (S.
652 — 698). Auf den griechischen Unterricht bezüglich: Necasek:
über das Studium der griechischen Sprache an den k. k. Gymnasien,
Eger, Empfehlung des Unterrichts durch Darlegung des Nutzens und
Widerlegung der gegen denselben bestehenden Vorurtheile; Pöschl:
Andeutungen, betreffend die Behandlung des griechischen Accents an
den österreichischen Gymnasien, Czernowitz, als sehr praktisch em-
pfohlen; Wolf: grammatische Briefe, Pressburg, und Konzer: über
die Aussprache des Griechisclien, Stanislawow, beide nur kurz er-
wähnt. Capellmann: soll die Leetüre des Homer auf Gymnasien
mit der Odyssee oder mit der Iliade beginnen? Wien, Theres. Gym-
nasium, eingehend beurtheilt. *) — Beitz: über das Studium der En-
*) Ref. gedenkt freundlich unserer Anzeige Bd. LXV S. 83 f.
Wenn wir dort eine Vermehrung der Stundenzahl in Cl. V für räthlich
hielten, so geben wir allerdings gern zu, dafs die besondern Verhält-
nisse In Oesterreicii dagegen sprechen, auch geben wir gern zu, dafs
bei besonderer Befähigung des Lehrers und der Schüler die Leetüre
leichterer Dialoge des Plato in Cl. VII möglich sei, nur als allgemeine
Norm möchten wir es nicht aufgestellt wifsen. Wenn wir an jenem
Orte darauf besonderes Gewicht legten, dafs die Ilias das vollendetere
Elpos sei, so haben wir dabei den anderen Grund des Ref., dafs in
der Ilias selbst bei langsamer fortschreitender Leetüre, sich innerhalb
eines jeden einzelnen Buchs ein abgerundetes Bild eines Charakters
gewinnen lafse, nicht verkannt, aber jenes hervorgehoben, Aveil wir
die Kenntnis und Anschauung des Epos im Ganzen vorzugsweise im
Auge hatten. Dafs zwei Schriftsteller neben einander zu lesen, nicht
zweckmäfsig sei, erkennen wir an, aber ein Hintereinander in demsel-
ben Semester scheint uns weder unrtäthlich, noch unfruchtbar.
//. D.
Aiis/.iisic aus Zeilscliriflcn. 231
toiiiolo{^ic , Krems (bi-urtli. von H. M. Sclinii<it, welcher <leiii Vor-
schlage, dafs den Insekten ein ganzes Semester Im Untergymnasiiuu
gewidmet sein sollte, jedoch unter Verwerfung materieller Gründe
dafür, vollkommen beistimmt). — E. Widmann: Aufklärung des
Zweifels, als ob das Schnabelthier nicht zu den Säugethieren, son-
dern zu den eierlegenden geliöre, Rzeszow , polnisclie Uebersetzung
aus Okens Naturgeschichte VJI, 2. S. 836 — 42 ohne Nennung der
Quelle. — Czajkowski: über den Zweck des Unterrichts in der Na-
turgeschichte, Hochnia, als für die Angehörigen der Gymnasialschüler
berechnet, gelobt. — L. Lewartowsky: pädagogische Abhandlung
über die Nothwendigkeit, bei den Gymnasialschülern die Bildung des
Herzens gleichzeitig mit der Entwicklung des Verstandes zu verbin-
den, Sandec, als unklar und nicht fördernd bezeichnet (diese drei Pro-
gramme sind von Bratranek angezeigt). — Die geographischen, me-
teorologischen und erdmagnetischen Constanten Tarnow's. Tarnow
(kurz angezeigt von K. Kr eil). — Schutt: über den häuslichen
Einflufs auf die Schule. Brzezan, wird als auch in fernem Kreisen
interefsant gerühmt. — Kolarik: über Declamationslehre und Decla-
mlrübungen an Gymnasien. Leitmeriz (angezeigt von A. Wilhelm,
als eine Abhandlung voll gründlicher Einsicht und gereifter Erfahrung).
— Ruz'icka: ein Blick auf den Gymnasialzustand Böhmens in der Ge-
genwart. Klattau , als die Vortheile der neuen Organisation recht gut
hervorhebend und empfehlend gelobt. — J. V. Mattel: der Vorzug
der öffentlichen Lehranstalten vor dem Privatstudium. Leitomischl,
als eingehen auf die speciellen Verhältnisse vermifsen lafsend bezeich-
net, sonst gelobt. — Dostal: historische Nachweisungen über den
Stand und die Verfafsung der Schule zu Saaz. Saaz , als sehr in-
terefsantes bietend gelobt. — Klouc'ek: de studio linguae graecac
et latinae nostrac quoquc actati cl utili et necessario. Braunau, ge-
lobt. — Zink: welchen unterstützenden und ergänzenden Einflufs
äufsert die philosophische Propaedeutik auf die übrigen Lehrgegen-
stände des Gymnasiums. Prag, Neustadt, im ganzen anerkennend be-
urtheilt. — E. Janota: Sprachstudien als Beitrag zur ethischen und
logischen Bildung. Teschen, katholisches Gymnasium. — Sittig: ge-
schichtliche Nachrichten über das evangelische Gymnasium in Teschen.
— V. Königsberg: über den Nutzen hypothetischer Annahmen für
die Physik, nachgewiesen aus der Geschichte dieser Wifsenschaft,
Olmütz, als klare und bündige Darstellung gerühmt. — AI. Sohn:
die deutsche Sprache als selbständiger Unterrichtsgegenstand in Gj m-
nasien. Iglau, von J. M. gelobt, aber der Wunsch nach mehr Theo-
rie als ungeeignet bezeichnet. — Pullich: über den philosophischen
Unterricht. Ragusa, sehr gelobt von H. B., doch wird die Forderung
weiterer Ausdehnung defselben, als im Organisationsentwurfe be-
stimmt, als nicht möglich und zweckmäfsig ausführlich erörtert. — G.
de Bortoli: Rclazione delV cspcrienza del jjendolo comprovantc In
rotazione della terra, cscguiia in qucsto ginnasio sujfcriorc. Ragusa,
von K. Kreil als anerkennungswerth angezeigt. — P. Bottura: Sc
232 Ausxiige aus Zeitschriften.
convcnga incglio studiarc una o piü scienze e quäle iiu il mcloclo da
osservarsi in questo studio, Rede. Zara, sehr gelobt. — G. Fran-
ceschi: suir educazionc in generale cd in particolarc sulV educia-
zione ginnasiale, Spalato , -von H. B. gelobt, doch werden über die
hohen Erwartungen von dem theoretischen Studium der Pädagogik,
über die Erweckung der Erfindungskraft, Beschränkung der lateini-
schen und griechischen Stunden abweichende Ansichten geäufsert. — ■
J. Loser: geographische Skizze von der reichsunmittelbaren Stadt
Triest und Um.gegend , und P. Picciola: sullo studio linguistico
discorsi due , Triest, das erstere Programm von A. Jäger gelobt. —
Prenn Steiner: Geschichte des akademischen Gymnasium. Salzburg,
von C. als interessantes bietend bezeichnet. — Riepel: über die
Vertheilung des deutschen LehistofTs an Gymnasien. Linz , ausführlich
unter freundlicher Berücksichtigung unserer Anzeige Bd. LXV S. 85
von J. M. beurtheilt. — Graf: Chronik des Gymnasiums. Klagenfurt,
als Avillkommener Beitrag zur Landesgeschichte von Kärnthen beur-
theilt. — M i 1 1 e rr u t zner : leichte Methode für Lateiner , italienisch
zu lernen. Brixen, von F. Miklosich gelobt, obgleich die rechte Me-
thode der Untersuchung vermifst wird. — Orsi: sulla necessitä che
Veducazione privata cospiri polla publica, und Bertanza: prospetto
dclla sioria di ginnasio Rovcretano. Rovoredo , beide Abhandlungen
gelobt. — Ergebnisse der wifsenschaftlichen Prüfungscommissionen
für das Gymnasiallehramt im Schuljahre I8öl — 52. S. 699—702). —
Neuntes Heft. Abhandlungen. Grysar: über die Anwendung des
Coni. im lateinischen Relativsatze (S. 703 — 18. Unter Ausschlufs der
Fälle, in welchen der Coni. wegen der or. obl. oder wegen einer im
Relativ enthaltenen Coniunction, wie ut, quum, steht, werden folgende
Regeln aufgestellt, begründet und an zahlreichen Beispielen erläutert:
1) der Coni. ist erforderlich in allen den Relativsätzen, in welchen
das darin enthaltene nicht als wirklich vorhanden, sondern nur als
ein gedachtes , möglicherweise einmal stattfindendes aufgefafst werden
soll. 2) wird der Relativsatz von einem negativen Satz In der Art
abhängig, dafs sein Inhalt mit in die negirte Vorstellung hineingezo-
gen wird, so kann er als ein solcher betrachtet werden, der etwas
gedachtes enthält. Dasselbe findet bei den Fragsätzen : quis est und
ähnlichen statt. 3) Nach sunt, reperluntur (auch mit den unbestimm-
ten Pronominen und Zahlwörtern) ist, wenn der Schriftsteller keine
bestimmten Subjecte im Auge hat, der Coni. regelmäfsig, denkt er
sich aber doch bestimmte Subjecte und bezeichnet sie nur unbestimmt,
so wird man meistens den Indicativ angewandt finden. 4) der latei-
nischen Sprache elgenthümllch ist der Coni. in solchen Relativsätzen,
welche eine wesentliche Bestimmung des im Hauptsatze angegebenen
Subjectes enthalten. 5) aus dem griechischen entlehnt ist die An-
wendung des Coni. in denjenigen Relativsätzen, in welchen eine That-
sache als wiederholt dargestellt wird. 6) In vielen Relativsätzen ist
der Coni. als modus potentialis zu fafsen). — Literarische Anzeigen.
Homer's Iliade erklärt von Faesi, von G. Curtius (S. 719 — 23.
Auszüge ans Zcilsclirilieii. 233
Lobende, über einzelnes scblagende Bemerkungen bietende Anzeif^e^). —
Stern: Grundris einer Graiiiinatik für römische Dichter, von Gry-
sar (S. 723 — 31. Nadidem der Ref. seine Ansichten über die Art,
wie der dichterische Sprachyebraucii für die Schulen zu behandeln sei,
auseinandergesetzt, tadelt er an dem genannten Buche, dafs vieles
für poetisch ausgegeben, was auch bei den besten*) Prosaikern vor-
kommt, bei solchen Puncten, wo das allgemein bekannte leicht über-
schritten werden konnte, Vollständigkeit der Angaben vermifst, end-
lich manches unrichtige und ungenaue vorgebracht werde). — P, Ovi-
dü Nasonls Mctamorphoscon ex rccognitionc It. Merkclii Dclectus,
von K. E n k (S. 731 f. als sehr zweckmäfsig und brauchbar mit we-
nigen Ausnaiimen empfohlen). — Prasch: Handbuch der Statistik der
österreichischen Kaiserstaats, von A. Kräl (S. 732 — 36. Obgleich
einzelne Mängel gerügt werden, doch als zum Unterrichte im Ober-
gymnasium brauchbar empfohlen). — Schmidl: österreichische Va-
terlandskunde und Abrifs der österreichischen Vaterlandskunde , von
A. Steinhauser (S. 737-40. Rücksichtlich der Fülle und Sicher-
heit des Materials sehr belobt, rücksichtlich des Umfangs, der Form
lind des Vortrags werden einige Bedenken ausgesprochen). — A. Wie-
gand: 1) geometrische Lehrsätze und Aufgaben aus Jacobis Anhän-
gen zu van Swinden. 2) die schwierigsten geometrischen Aufgaben
eben daraus. 3) Geometrische Aufgaben von Miles Bland. 4) Samm-
lung trigonometrischer Aufgaben, von A. Gernerth (S. 740 — 46.
Zur Benutzung dringend empfohlen). — Personal- und Schulnotizen
S. 747 f. — Miscel'en: Schulprogramme österreichischer Gymnasien
am Schlufse des Schuljahrs 1850 — 51 (S. 749 — 58. J. Von i er: über
Zweck des philologischen Studiums, und ob eine Ersetzung der Ori-
ginalwerke durch Versionen möglich sei? Feldkirch, angezeigt von
H. B. Der Zweck, der Ernst, mit welchem die Untersuchung geführt
wird, und die vielseitigen Kenntnisse werden unverhohlen anerkannt,
aber erinnert , dafs gerade die gewichtigsten Gegner des philologi-
schen Studiums, der positive Nutzen, die mannigfaltigen Seiten des
Lebens der alten, nicht berücksichtigt sind, und zu dem, was von der
griechischen Philosophie gesagt Ist, manche Berichtigung gegeben. —
P. Petra zzl: Abhandlung über das Epos. Laibach, von J. M. we-
gen des eingeschlagenen praktischen Wegs gelobt. — Historisch- sta-
tistischer Ueberbllck des k. k. Gymnasiums zu Temesvär von 1552 —
1851. — Wolf, grammatische Briefe. I und IL Pressburg, von Enk
gebührend gelobt). — Landesherrliche Verordnungen des Bischofs
*) Diese Beschränkung Ist nothwendig festzuhalten, da bekannt-
lich eine Elgenthümlichkeit des silbernen Zeltalters darin besteht, dafs
die durch die Dichter des augusteischen Zeitalters neu gebildeten
Worte und Wortformen nicht allein, sondern auch nur der Dichter-
sprache angemefsene Redewelsen von den Prosaikern aufgenommen,
ja gesucht worden sind. Daher ist das Vorkommen von canities bei
Plin. H. N. nicht ein Beweis dagegen, dafs es ein poetisches Wort sei.
R. D.
234 Schul- und Personalnachrichlen,
Franz Ludwig zu Bamberg und Würzburg über die häusliche Aufsicht
der Eltern und Kostleute in Ansehung der akademischen Jugend vom
11. März und lö. INIai 1793, zur Ergänzung der im In Heft mitge-
theilten landesväterlichen Aufforderung mitgetheilt vom Studienrector
Prof. Dr. J. Gutenäcker in Bamberg. S. 758 — 68. - H. Bonitz:
Gelegentliche Bemerkungen über den Unterricht in der griechischen
Formenlehre, mit Rücksicht auf die griechische Schulgrammatik von
G. Curtius (S. 768 — 79. Nachdem der Verf. dem Rec. im vorigen
Hefte in dem Grundsatze, dal's der Schüler zu der Kenntnis des con-
creten ohne alle Umwege gelangen müfse, beigestimmt, andererseits
aber den Gebrauch einer besondern Elementargrammatik und einer
anderen in den höhern Classen wegen überwiegender Nachtheile als
zweckmäfsig verneint hat, gibt er zwar zu, dafs Verhältnisse die so-
fortige Einführung des genannten Buches unräthlich erscheinen lafsen
können, behauptet aber, dal's diese nur eigenthümlicher und individuel-
ler Art sein können, und widerlegt die Befürchtung, dafs beim Ge-
brauche nicht das für die Schule nothw endige Mafs eingehalten wer-
den möchte, indem er in eingehender Erörterung den Weg, welchen
er dabei einschlagen würde, auseinander setzt). — Literarische No-
tizen. Körner: der praktische Schulmann, von A. Wilhelm (S.779
— 82, empfohlen).
Feier von Winckelmanns Geburtstag- 1S52 in dem archaeo-
logisclien Institut zu Rom.
In der B^estsitzung, welche das archaeologische Institut in Rom
am 10. December I8ö2 zur Feier von Winckelmanns Geburtstag
hielt, sprach nach den Einleitungsworten des Vicepraesidenten Hrn.
von Kästner zuerst Dr. E. Braun über die Statuen zweier grie-
chischen Dichter, die vor zwanzig Jahren zusammen mit den Statuen
der neun Musen in Monte Calvi entdeckt ihre Aufstellung in Villa
Borghese gefunden haben. Man gab ihnen damals die Namen Ana-
kreon und Tyrtaeos, ohne jedoch diese Benennung durch positive
Gründe zu unterstützen. Die Richtigkeit der erstem wies Dr. Braun
aus Epigrammen der griech. Anthologie nach, in welchen Anakreon in
Charakter, Haltung und Ausdruck geschildert wird. Dagegen verliert
die zweite Benennung ihre Stütze schon durch die Beobachtung,
dafs von der charakteristischen Lahmheit des Tyrtaeos sich keine An-
deutung in der Statue findet. Vielmehr scheint die Zusammenstellung
mit Anakreon und der Gegensatz im Chai-akter beider Statuen, das
mannhafte uud erhabene der einen gegenüber der heitern Fröhlich-
keit der andern, auf Alkaeos zu leiten; und es ist nur zu wünschen,
dafs diese Benennung noch einmal durch äufsere Gründe ihre volle
statistische und andere Mittheilungen. 235
Bestätigung erhalte. — Dr. W. Henzen erstattete unter Vorlegung
ausführlicher Zeichnniigeu JJericht über die unerwarteten Entdeckun-
gen, welche dem Architekten P. Rosa, ohne nur eine Scliaufel Erde
zu bewegen, durch genaue Vermel'sung und Zeichnung oifen Hegender
Reste von Gebäuden in und um Aibano zu machen gelungen ist. Als
erstes Ergebnis ist eine genaue Kenntnis der Villa Domitians hervor-
zuheben, welche jetzt erst als eine der prächtigsten derartigen An-
lagen der Kaiserzeit erscheint. An sie schliel'scn sich die Bauten rings
um den Albanersee an, welche ein geschlofsenes System zu bilden
schienen und dem ganzen das Ansehn einer grolsartigen Namnachie,
umgeben von Loggien und Hallen, verleihn mochten. Aibano selbst
bietet sodann die Reste des sogenannten Praetorlanerlagers, ganz re-
gelmäisig auf vier Terrassen vertheilt,. und wenigstens im Grundplan
erhalten wie kaum ein anderes römisches Lager. Endlich bilden die
Ruinen der Villa Doria eine abgeschlofsene Gruppe, in der sich eine
zweite prachtvolle Villa mit Haupt- und Nebengebäuden mit vollster
Sicherheit und in vielen Einzelheiten nachweisen läfst. Die Ruinen
von Aibano, bisher so wenig beachtet, stellen sich sonach plötzlich
als zu den bedeutendsten in der Umgegend Roms gehörig heraus; und
der Ort wird, sobald die mühevolle Arbeit Rosas dem gröfsern Publi-
cum vorliegen wird, auch für den flüchtigen Besucher ein erhöhtes
Interesse gewinnen. (Augsburger Allgemeine Zeitung).
Schul- und Personalnachrichten, statistische und andere
Mittheilungen.
Anclam. Zum DIrector des hiesigen Gymnasiums Ist der Schul-
rath Dr. C. Peter aus Meiningen berufen worden.
Berlin. Privatdocent Dr. Theodor Aufrecht hat einen Ruf
au die Bodlejana in Oxford erhalten und angenommen.
BÖHMEN. Ein Erlafs des k. k. Statthalters an die Gymnaslaldirec-
toren vom 22. Juni 1852 bezeichnet die Gesichtspunkte, nach denen
thells im allgemeinen , theils in den einzelnen Lehrfächern die indivi-
duellen Beurtheilungen der Schüler vollzogen werden sollen. Als
Noten des besten Grades werden für das sittliche Betragen: 'mu-
sterhaft, ausgezeichnet, vorzüglich, vollkommen entsprechend, voll-
kommen gemäfs, sehr lobenswerth', für die Aufmerksamkeit: ''stets
gespannt, ununterbrochen theilnehmend , stets anhaltend, immer rege
und Avach % für den Fielfs : 'musterhaft, ausgezeichnet, vorzüglich,
ausdauernd, rastlos, unermüdet , sehr lobenswerth' bezeichnet, da nur
diese bei Gesuchen um Befreiung von Schulgeld als solche anerkannt
werden sollen. — Unter dem 12. Sept. hat die Landesschulbehörde
auf hohes Ministerialdecret vom 4. Sept. 1852 ein DIscIplInargesetz für
die Gymnasien Böhmens bekannt gemacht. Die klaren alles umfafsen-
236 Schul - und Personalnochrichten,
den und von dem Geiste sittlichen und religiösen Ernstes zeugenden
Vorschriften (45 §§.) gestatten keinen Auszug. Wir halten es aber
für unsere Pflicht unsere Leser darauf aufmerksam zu machen (abge-
druckt in der Zeitschr. f. österr. Gymnas. 1852. U. Heft S. 9J7— 23).
BocuMA. Am Gymnasium bestand , nachdem der Oberlehrer L.
Handschuh als provis. Director an das Tarnower Gymnasium ver-
setzt war, der Lehrkörper am Schlufse des Schuljahres 1851 aus dem
Director V. Keidosch, dem Katecheten J. v. Czajkowski, dem
wirkl. Lehrer W. Schmidt, den Suppl. J. v. Hoiynski, L. Bucz-
kowski , J. Sar nee ki (seitdem ordentl. Lehrer, s. Bd. LXV S 334),
A. Nowicki (geistl.), C v. Rodecki, F. Gondek (geistl.), v.
Studzinski, den Nebenl. R. Kastner und J. Wygrzy walsk i.
Braunau. Am k. k. Gymnasium wurden im Schuljahre 1851 neu
angestellt die Supplenten Am. Watzke und H. Ruzicka, zum or-
dentl. Lehrer befördert der Supplent B. Sedlacek.
Breslau. Am Gymnasium zu St. Elisabeth rückten der erste
Collaborator Dr. Thiel in die Stelle des letzten Collegen, der 2. Col-
lab. Dr. M. R. E. Speck in die des ersten Collab. auf.
Brzezan. Der Lehrkörper des k. k. Gymnasiums bestand, nach-
dem der Religionslehrer lat. R. Dr. theol. Ludw. Jnrkowski an
das hochw. Lemberger lat. Met. Consistorium, der Lehrer Gtowa-
cki nach Sandec berufen worden waren, am Schlufse des Schulj. 1851
aus den ordentl. Lehrern An t. Lisch ka (Dir.), Prok. Schutt, Mich.
Bielecki, Mart. Hora (krank). Frz. Kautzki, L. Eder(s. San-
dec im folgend. Heft), Theoph. Pawlikow, Mich. Jarymowicz
(Religionslehrer griech. Rel.) , den Supplenten Weltpriester Ed. Wil-
lomitzer (für lat. Rel.), Ferd. Tabeau, Jos. Gipser, Tim.
Mandybur und dem Nebelilehrer Ant. Guniewicz.
BüRGSTEiNFURT. An das hiesige Gymnasium Arnoldinum ward der
Lehrer Heuermann vom Gymn. zu Minden als Lehrer berufen.
Charkow. Zum Rector der Universität ist der bisherige ordent-
liche Prof. an der Universität Kasan, Voigt, ernannt worden.
Cottbus. Am Gymnasium ward der Candidat des höhern Schul-
amts C. R. Hölzer als ordentl. Lehrer angestellt.
CuLM. Der Oberlehrer am hiesigen Gymnasium J. J. Braun hat
das Praedicat Professor erhalten.
CzERNOWiTZ. Lehrkörper des k. k. Obergymn.am Schi. 1851: ordentl.
Lehrer: Dr. J. Nahlowsky (Dir.), M. Mayssl, St. Gilewski,
J. Worobkiewicz, Dr. A. Ficker, P. J. Traglauer, J. Kolbe,
Dr. J. G. E. Wagner, E. Pöschl, P. A. Czyzewski, B. II-
nitz, J. Szozurowski, J. W. Scholz, Supplenten: P. H. Le-
winski,E. R. Neubauer, Dr. Ant. Schmid, Nebenlehrer A.
Pumuul, J. Weigl, J. Barzcynski, J. Zwoniczek.
Eger. Das k. k. Obergymnasium hatte am Schlufse 1851 fol-
gende Lehrer: Director J. Necasck, ordentl. Lehrer J. Seiner,
Wzl. Kamensky, P. J, Schuster (Religionslehrer), Dr. J. We-
sel y, Chr. Mühlvenzl, Supplenten: Dr. H. Mitteis, Dr. Chr.
statistische und andere Mittheilung-en. 237
Lorinser (s. Bd. LXVI S. 210), Dr. M. Kavka, A. Weichsel-
mann, Dr. L. Schuster, S. Grol'-s, V. Mach, Nebenlehrer: J.
Stachaffsky, J. Rostocil.
Elberfeld. Als ordentlicher Lehrer an dem Gymnasium ist der
Cand. des hÖhern Schulamts Dr. A. Chr. C. Petry angestellt worden.
Feldkircii. Am k. k. Gymnasium, bei dem im folgenden Jahre
die Eröffnung der achten Classe bevorstund, lehrten im Schuljahre
1851 die obligaten Lehrgegenstände J. Stocker (provis. Director),
B. Bocher, Frz. Bole (s. Bd. LXV S. 336), D. Falkner, Joh.
K locker (s. a. a. O.), J. Rier, Ign. Vonier, O. Vorhauser
A. Wildgruber, sämmtlich Weltpriester, und J. Merkel, welt-
lichen Standes, und Schönschreiben J. B. Huchler.
Freiburg im Breisgau. Der Prof. am hiesigen Lyceum Rein-
hard wurde (5. Sept. 1852) als erster Lehrer an das Gymnasium zu
Tauberbischofsheim vei'setzt, seine Stelle hier aber dem Prof. Furt-
wängler zu Constanz übertragen.
Gotha. Dem Director des Gymn. illustre, Oberschulrath Dr.
Rost, wurde das Ritterkreuz des Ernestinischen Hausordens verliehn
und der Prof. an demselben Gymnasium Dr. E. F. Wüstemann zum
Hofrat h ernannt.
Greifenberg in Pommern. Als Subrector ward an das Gymna-
sium der vorherige Adjunct am Paedagogium zu Putbus, Dx-. Pitann,
berufen.
Greifswald. Dem Prof. Dr. G. F. Schömann ist der Cha-
rakter als Geheimer Regierungsrath beigelegt worden.
Hamburg. Am 6. December 1852 feierte der Director der Gelehr-
tenschule des Johanneums, Dr. Kraft, sein 25jähriges Amtsjubllaeum,
wozu die Primaner am Abend des Jubeltags eine Aufführung der An-
tigene des Sophokles in griechischer Sprache veranstalteten.
Heidelberg. An die Stelle des nach Weimar abgegangenen Dr.
Dittenberger ist der Pfarrer Jac. Theod. Plitt zum zweiten
Pfarrer an der Heiligengeistkirche und zum zweiten Lehrer an dem
evangelischen Predigerseminar ernannt worden.
Iglau. Am k. k. Gymnasium starb im Februar 1851 der Reli-
gionslehrer Praemonstratenser J. A. Serchen, und ward der Lehrer
A. E. Siegl an das Prefsburger Gymnasium versetzt. Der Lehrkör-
per bestand sodann aus dem Director J. Chr. Maderner, und den
Lehrern Frz. Blaha (Weltpriester, nach Serchens Tod und einst-
weiliger Vertretung defselben durch den Probst Jelinek als Supplent
angestellt), W. >Wagner, J. Lepaf (nach Siegls Versetzung als
Supplent angestellt), Dr. J. Tomaschek, J. A. Dworak, St.
Wolf, A. Sohn, Ed. Scholz, und in den nicht obligaten Fächern
Dr. Leop. Fritz, T. Menzel, F d. Heller, V. Matocha. Das
Gymnasium hatte übrigens während des Schulj. nur 7 Classen.
Karlsruhe. Am grofsherzoglichen Lyceum wurde der Lehramts-
praktikant Dr. Ad. Hauser (30. Juli 1852) zum Lehrer ernannt.
Klagenfurt. Der Lehrkörper des k. k. Staatsgymuasiums zählte
238 Scluil- und Personalnaclirichten,
im Schuljahre 1851 (He ordentlichen Lehrer: Dr. J. Burg er (Direct.,
.s. Bd. LXV S. 338), Dr. C. Flor, M. v. Gallenstein, R. Graf,
J. Kowald, K. Pasler, R. Prettner, M. Rofsbacher, J. C.
Sepp er, R. Sormann, die Supplenten : O. G ochow e t z, A. Ja-
nezic, M. Peninger, C. Robida, B. v. Romani, die Nebenlehrer :
L. C ollin, L. V. Hüb er, K. Harm, K. Nul'sheim.
Klattau. Der Lehrkörper des k. k. Gymnas. zählte am Schlafs
1851: die ordentl. Lehrer M. J. Ruz'icka (Direceor), Wzl. Schan-
da, Mart. Zbonek, E. Hrdlicka, C. Regner, M. Thums, A.
Weinfurter, J. Poläk, M. Löbl, die Supplenten: O. Jeklin,
O. Stingel, J. Zovadil (dieser ist allein nicht Capitular des Be-
nedictinerstifts) , die Nebenlehrer: J. Ploner, M. Spocek, J. Ce-
chura, J. Prochäzka.
Krakau. An der hiesigen Universität wurde der aufserordent-
liche Prof. Dr. A. v. Waleski zum ordentl. Prof. der Geschichte er-
nannt und in die ordentl. Professur der classischen Philologie und Lit-
teratur der aufserordentl. Prof. an der Universität zu Lemberg Dr.
Beruh. Jülg berufen.
Krems. Das dasige k. k. Gymnasium wird durch die Piaristen
besorgt. Aus dem Lehrkörper ward im Novbr. 1850 der Dr. theol.
Nep. Ehrlich als Professor der Moral theologie an die Universität
in Gratz berufen und starb am 10. März 1851 K. Penkner. Der-
selbe bestand am Schlufse des Schuljahrs 1851 aus dem Dir. Perd.
Brückner, den Lehrern Dr. K. Beitz, Leop. Heide nmuth (an
Penkners Stelle vom Josephstädter Gymnas. in Wien berufen), Jos.
Putz, Jos. Wois, Gr. Z öhrer, K. Fichna, Frz. X. Sykora,
Leop. Wagner, Andr. Spiegl, Job. E v. Port, Frz. Baum-
gartner, Leop. Lixl (Kalligraphie), Ludw. Pataky (der einzige
nicht Piaristenordenspriester, für das Italienische).
Laibach. Den Lehrkörper des k. k. akadem. Gymnasiums bilde-
ten, nachdem die ordentl. Lehrer Ph. Jac. Rechfeld au das Gratzer
Gymn. im März 1851 versetzt und Dr. An t. Schubert am 21. April 1851
gestorben war, am Schlufse des Schuljahrs 1851: Director Dr. A.
Jarz (s. Bd. LXV S. 339), die ordentl. Lehrer: J. Globocnik,
Frz. Heinz, G. Luscher, Frz. Metelko, A. Pertout, P. Pe-
truzzi, J. Pogorelz, E. Rebitsch, die Supplenten: Kl. Dez"-
man, A. Globocnik (s. Bd. LXV S. 339), J. Hotschever, Kl.
Melcer (LXVI S. 211), J. Smoly, Dr. Greg. Tus^^ar (s. LXV
S. 339), die Nebenlehrer Frz. Huber, C. IMaschek, J. Hilscher,
Th. Kapus, St. Mandic. Als freie Gegenstände wurden auch Er-
ziehungskunde, Landwirthschaftslehre und populäre Botanik gelehrt.
Leitmeritz. Den Lehrkörper des k. k. Okergymnasiums bildeten
am Schlufse des Schuljahrs 1851 der Director A. Kolarik (s. Bd. LXV
S. 339), die Religionslehrer Prof. theol. Frz. Pfeiffer und Frz.
Demi, die ordentl. Lehrer Leop. Schmidt, A. H a nsgi rg, H. Klut-
schak, Dr. J. Nacke, J. Brdicka, die Suppl.: R. Klutschak,
A. Wolf, Dr. J. Parthe, die Nebenlehrer BVrz. Marian, V. Möld-
stalisliscilc und andere i^Tifllieilungen. 239
»er, J. Mauz er, Med- Dr. J. Qiioikn. Seitdem ist der Ileligions-
lehrer A. Frind angestellt und nach iiherslandener Prüfung aus der
Geographie und Geschichte zum wirkl. Gymnasiallehrer ernannt worden.
Leitomischl. Den Lehrkörper des k. k. Obergymnasinms bildeten
am Schlufse des Schuljahrs 1851 die ordentl. Lehrer (sämtlich Mit-
glieder des Piaristenordens): Dr. Fl. Staschek (Director), Hipp.
Dupal, V. Mattel, C. Winkler, Qu. Menschik, A. Müller,
R. Trawnicek, G. Martinu, P. F ritsch, J. Bai gar, A. Ho-
ley, L. Müller, Eng. Schoffer, der Supplent Jos. Tesar, die
Nebenlehrer A. Hnatek und A. Dwor ak.
Lemberg. Am k. k. akademischen Gymnasium ist der Supplent
W. Sohl echte 1 zum wirklichen Lehrer für die untern Classen er-
nannt worden.
Lombardo-Venetien. Zu Generaldirectoren der Gymnasien sind
ernannt für die Lombardier Dr. Fr. Ambrosoli, Praesident der
Akademie zu Mailand und Prof. der Philologie an der Universität zu
Pavia, und für das venetianische Gebiet Dr. B. Poli, Vicepraesident
der Akademie zu Venedig und Prof. der Philosophie an der Universi-
tät zu Padua.
Mabburg in Oesterreich. Der Supplent am k. k. Gymnasium, A.
Lang, ist zum wirklichen Gymnasiallehrer daselbst befördert worden.
Melk. Am k. k. Obergymnasium lehrten am Schlufse des Schul-
jahres 1851 der Director Theod. Mayer, Stiftsprior Leop. v. Sey-
frid, Pet. Lense, Engelb. Leitel, L. Polly, PI. Helmreich,
Andr. Ott, Ben. Heilmann, AI. Karl, Ign. Keiblinger,
Norb. Haberl, M. Sukup, Rein. Leyrer, F r i edr. Heilm an n,
Vinc, Staufer, Ant. Schwegler (diese sämtlichen Professoren
für die obligaten Gegenstände sind Capitularen des Benedictinerstifts),
die nicht obligaten Fächer: E. v. Sieb er (P^ranz.), Ben. Heil-
mann (Ital.), K. Brioschi (Zeichnen u. Ital.), Jos. Jokl (Musik
und Böhmisch).
MÜNCHEN. Der bisherige aufserordentliche Professor in Giefsen
Dr. Moriz Carriere ist zum Honorarprofessor bei der philosophi-
schen Facultät der Hochschule in München ernannt.
MÜNSTEREIFEL. Die Candidaten des höhern Schulamts Frz. Gra-
mer und Dr. H. J. Frieteu wurden als ordentl. Lehrer am Gym-
nasium angestellt.
Neusohl. Zum Director des dasigen k. k. katholischen Gymna-
siums ist der vorherige Lehrer am Gymnasium zu Troppau, Gymna-
siallehrer Jac. Dragoni befördert worden.
Olmütz. Lehrkörper des k. k. akademischen Gymnasiums wäh-
rend der Schuljahrs 1861: ordentliche Lehrer Frz. Wafsura (Di-
rector, s. Bd. LXV S. 344), A. Tkany, Dr. M. Sturm [diese beide
in wohlverdienten Ruhestand gesetzt], A. Lorenz, Flor. Richter,
Dr. F. E. V. Hönigsberg, J. Pfeiler (Religionsl.) und die Supp-
lenten: Dr. M. Ehr mann (Prof. der Chemie), E. Klug (Domvicar
an der Metropolitankirche), K. Tomaschek, K. Stumpf, J. Schön,
240 Schul- und Personalnacliiichfen u. s. w.
W. Donatin, D. H. Tau.sch, K. Werner, J. Honig, Fried r.
P öne tz.
Prag. Am Gymnasium in der Neustadt ertheiten während des
Schuljahrs 1851 Unterricht Director St. Czikanek, Fl. Kraus, Dr.
L. Zink, Edm. Wild mann, R up, Pohl, J. C. S 1 ab y , O. TeuffI,
P. Dworsky, A. Nagel, D. Pulbrabek, S. Boes, M. Kolars-
ky, Chr. Stefan, in den nicht obligaten Fächern: Frdr. Jäger,
Eng. Heyzdlar, J. Hilbert, Frz. Blatt, J. Malypeter. —
Der am 20. Mai 1852 zum Katholicismus übergetretene , frühere aufser-
ordentliche Prof. an der Universität Jena, Dr. Bippart, ist an der
hiesigen Universität angestellt worden und wird wahrscheinlich über
griechische und deutsche Litteratur lesen.
Ragüsa. Lehrkörper des k. k. Obergymnasiums im Schulj. 1851:
Director Tom. Tvartko, Dr. G. Pull ich (Weltpriester), Gl. De-
polo, F. S. Villina, U. Stanich, G. Petris, A. Perco, P.
Gagghini, G. de Bartoli, C. Körnig (weltlich).
RoVERETO. Den Lehrkörper am Lycealgymnasium bildeten wäh-
rend des Schulj. 1851 die ordentlichen Lehrer: Schulrath P. Orsi
(Director), S. Bertanza, L. Filippi (weltl.). Fr. Fiorio, Cl.
Lutteri, Fr. Pisoni, L. Sonn, die Supplenten L. BenvenutI
(weltl.), A. Colö, Jos. PederzollI (seitdem zum wirklichen Gym-
nasiallehrer befördert, s. Bd. LXVI S. 213), Ag. Tambosi, B. Ven-
turini, die Nebenlehrer Fr. Hub er und P. Andreis (weltl.).
RzEszow (in Gallizien). |Am dasigen k. k. Gymnasium bestand,
nachdem der Director Jos. Bieleczky pensioniert und der Lehrer
C Lozinski an das Tarnopolor Gymnasium versetzt worden waren,
am Schlufse des Schulj. 1851 der Lehrkörper aus dem Dir. Joh. Da-
szkiewicz, Katech. Joh. Zwo! ins ki, und den Lehrern T. Hrdi-
na S. Timinski, F. Pohorecki, M. Baranowski, E. Wid-
mann, St. Olszewski, A. Sol t ikie wicz. Als krank beurlaubt
waren der wirkliche Religionslehrer S. Dobiecki und der Lehrer
K. Wodak.
Todesfall.
Am 28. December 1852 starb in Wien der k. k, Staatskanzleirath Dr.
C. E. Jarcke (geb. 10. October 1801 zu Penzing), Verfafser des
1824 in Bonn erschienenen Buches: 'Versuch einer Darstellung
des censorischen Strafrechts der Römer' und vieler publicistischen
Schriften.
NEUE
JAHRBÜCHER
FÜR
PHILOLOGIE UND PAEDAGOGIK.
Begründet
von
M. Johann Christian Jahn.
Gegenwärtig herausgegeben
von
Reinhold Klotz Rudolph Dletsch
Professor in Leipzig Professor in Grimma
und
Alfred Fleckeisen
Gymnasiallehrer in Dresden.
Siebenundsechzigster Band. Zweites Heft.
Ausgegehen am 18. Februar 1853.
^^
Leipzig,
Druck und Verlag von B. G. Teubner.
1953.
Kritische Benrtheilnngen.
Geschichte der homerischen Poesie von Julius Franz Lauer. Er-
stes und zweites Buchi Nebst Bruchstücken homerischer Studien.
Berlin 1851. Druck und Verlag von G. Reimer. XVI u. 324 S.
gr. 8.
Unter diesem Titel sind, wie die Vorrede berichtet, Arbeiten
eines in der Blüte seiner Jahre verstorbenen Gelehrten von zweien
seiner Freunde , den Hrn. Theodor ßeccard und Martin Hertz,
herausgegeben worden. Die ersten zwölf Bogen waren beim Tode des
Verfafsers schon gedruckt. Sie umfafsen die Einleitung, das ganze
erste und den gröl'slen Theil des zweiten Buches der Geschichte der
homerischen Poesie, also ungefähr die Hälfte dieses ganzen Werkes.
Dasselbe war nemlich auf vier Bücher berechnet. Das dritte und vierte
Buch, welche den epischen Cyclus und, wie sich die Vorrede (S, XII)
ausdrückt, 'die Gesciiichte der homerischen Dichtungen' enthalten
sollten, diese beiden Bücher konnten die Herausgeber nicht liefern,
weil sie nur in andeutungsweiser Bearbeitung für den akademischen
Vortrag vorlagen. Das zweite Buch dagegen w ard zum Abschlufse ge-
bracht; aufser einigen Blättern druckfertigen 3Ianuscripls (S. 177 — 21l)
standen den Herausgebern zwei ungedruckte hierher bezügliche Auf-
sätze des Verfafsers zu Gebote, welche Lauer selbst bereits zum
Theil in sein Werk verarbeitet hatte und weiter in dasselbe verarbei-
tet haben würde. Die Herausgeber selbst haben nach ihrer Versiche-
rung weder 'Veränderungen vorgenommen' noch 'Lücken zugedeckt'
(S. XII).
Die 'homerischen Studien' sollten nach der Absicht des Ver-
fafsers zehn Aufsätze umfafsen. Zu allen war 3Iaterial vorhanden, hier
und da war die Ausführung begonnen; druckferlig erschien nur der
zweite: 'lieber die Bekanntschaft Homers mit dem nördlichen Euro-
pa' (im Druck Nr. 4), und ein Bruchstück des siebenten, das den
Odysseus bei Sophokles zum Gegenstande hat (im Druck Nr. 3). Doch
niufs auch in Bezug auf den zweiten Aufsatz erinnert werden, dafs er
in seiner jetzigen Gestalt vier Jahre vor Lauers Tode niedergeschrie-
ben ist, und dafs derselbe, wie die Herausgeber vermulhen, in einem
oder dem andern Punkte wohl später seine Ansicht geändert hat. Die-
sen beiden Aufsätzen sind von den Herausgebern zwei andere beige-
fügt worden, die 'zwar Bruchstücke eines CoUegienheftes über die
A. Jalirb.f. I'/til. u. Paed. Bd. LXVlI. Hß. 3. 16
242 Lauer ; Gcscliichle der homerischen Poesie.
Oilysseiissage aber von so eigenfhiimlicher Aiiffarsung;' sind, daTs die
Hcrauso^eber 'ihren Abdruck ghiublcn verantworten zu dürfen.' Diese
beiden Aufsätze behandeln die Volkssage vom Odjsseus und den lio-
meridchcn Charakter desselben.
Aufser dem bisher genannten war in Lauers Nachlafs noch eine
Menge von Heften, Aufsätzen, Excerpten, Collectaneen über fast alle
Punkte der homerischen Frage vorhanden. Dafs alle diese Arbeiten
auch nicht druckfertig waren, sagen die Herausgeber nicht; schlie-
fsen kann man es aus dem Umstände, dafs sie nicht mit gedruckt sind;
obgleich es nicht recht klar erscheint, warum nicht wenigstens ein
Verzeichnis der homerischen Litteratur, welches die Herausgeber na-
mentlich hervorheben, und von dem sie sagen (S. XIV), es sei über-
aus reich und sorgfältig und lafse die gänzliche Unzulänglichkeit des
Nettoschen Versuchs auf den ersten Blick erkennen, warum nicht we-
nigstens dieses Verzeichnis hätte für druckferlig gelten können. Dem
sei wie ihm wolle, alle diese Papiere sind der Berliner Universitäts-
bibliothek geschenkt worden, und die Herausgeber wünschen, ^dafs
geschickte Hände diesen Schatz heben, dafs vor allem der Geschichte
der homerischen Poesie ein gleich fähiger und gleich eifriger Fort-
setzer erstehn möchte.'
Diese Aeufserungen und überhaupt die ganze Vorrede geben le-
bendiges Zeugnis von der Verehrung, welche die Herausgeber für den
Vcrfafser hegen. Sie rühmen ihn nicht weniger als Menschen wie als
Gelehrten. Das ist natürlich und schön. Für die, welche den persön-
lichen Umgang des Verfafsers nicht genofsen, existiert derselbe na-
türlich nur insoweit, wie er in seinen veröffentlichten Arbeiten sich
zeigt. Was den Schreiber dieses betrifft, so hat er weder Hrn. Lauer
noch seine Hrn. Herausgeber anders als von Angesicht kennen gelernt,
obschon er wie sie ein Schüler Lachnianus war. Doch wird, denke
ich, dieses Verhältnis der Beurtheilung des Buches gerade keinen
Eintrag thun, wie in ihm denn auch allein die Gründe liegen, aus denen
ich mich zur öffentlichen Beurtheilung desselben verstanden habe.
Das Augenmerk ist bei dieser Beurtheilung hauptsächlich auf die
Geschichte der homerischen Poesie zu richten; mit den kleineren Auf-
sätzen läfst sich nicht viel machen.
Der erste von ihnen, über die Volkssage vom Odysseus, führt
aus, dafs die alte Bevölkerung llhakas aus Lelegern bestand, von
denen eine Colonie nach der Westküste Kleinasiens und nach Samos
hinübergegangen sei, dafs die Sage vom Odysseus nicht allein diesen
Lelegern angehörte, sondern auch andern Stämmen, dafs diese andern
Stämme die Sage anders ausbildeten als die mit der Seefahrt be-
schäftigten Leleger, dafs schon frühe bei diesen Lieder vom Odysseus
gemacht wurden, dafs aber in diesen Liedern Odysseus noch nicht
mit dem troischen Kriege in Verbindung gebracht war, dafs unsere
homerischen Dichtungen vom Odysseus zwar auf der Grundlage die-
ser alten lelegischen Lieder gemacht seien, woraus die Treue in der
Schilderung ithakesischer Localitäten erklärt werden könne, dafs un-
Lauer: Gescliiohlc der liomorisclieii Poesie. 243
ser Homer selbst aber, wie aus der Masse des iil)erlieferteii liisto-
risch feststehe, auf der W estkiisle Kleinasieus gedichtet sei, und zwar
nicht von einem, sondern von melireren zu Innungen vereinigten üieh-
tern; zwei solcher Innungen liel'sen sich nachweisen, die Homeriden
auf Chios und die Kreopiiylier auf Samos. Auf diese letzlere Be-
hauptung werden wir weilerliin zuriiekliommen niiirsen, und auch auf
die vorhomerische Gestall der Üdysseussage diirrie anderswo einzu-
gehn sein; daher will ich für jclzl nur im allgemeinen darauf hinwei-
sen, dafs einzelnen ßehauptungen die enlgegengeselzlen mit demselben
Kechte gegenübertrclen können, wie z. B. ebenso gut angenonnnen
werden kann, dal's die Leleger von Asien nach Europa kamen, wie
mit dem Verf. S. 247, dafs sie von Europa nach Asien wanderten,
und dafs einige andere Behauptungen entweder geradezu falsch, oder
wenigstens sehr unglücklich ausgedrückt sind, wie z. B. die, aus der
Masse des Überlieferlen stehe es historisch fest, dafs llias und Odyssee
von mehreren üichlern herrührten, S. 257.
Der zweite Aufsalz, über den homerischen Charakter des Odys-
seus, und der dritte, Odysseus bei Sophokles, gehn darauf aus, den
Odyssens von allen Vorwürfen zu befreien, die man ihm in Hinsicht
auf seinen Charakter etwa machen könnte, und zu zeigen, dafs So-
phokles wie Homer den Odysseus durchaus rein und edel auffafsten.
Ich fürchle, dafs der Verf. hier etwas zu weit gegangen ist. Wenn
er behauptet , Odysseus sei ein griechisches Ideal eines vollendeten
Mannes, so mag er Hecht haben. Aber das, was in moralischer Be-
ziehung die schwache Seite des griechischen Nalioualcharakters bil-
det, das ist denn eben auch bei Odysseus zu finden. Wie kein Volk
im ganzen, so ist auch kein einzelner von allen Fehlern frei; und so
darf es denn auch in der Kunst der idealisierte Held nicht sein, weil
das Ideal sonst unnatürlich wird. Mit um so gröfserer Seelenruhe kann
man eingestehn, dafs Odysseus auch bei Homer und Sophokles eine
Seite habe, die wenigstens zum schlechten hinneigt. Aus allen die-
sem Zugeständnis enlgegenarbeilenden Deductionen leuclitet die Wahr-
heit nur desto heller hervor. Und wenn man nun gar, wie der Verf.
S. 268 thut, um des Odysseus Keuschheit und eheliche Treue zu be-
weisen, sich darauf beruft, dafs wenigstens von Odysseus erzeugte
Kinder Kirkcs und Kalypsos nicht vorkämen, so erhält die Deduction
einen Anstrich vom komischen. Was den Grundzug im Charakter des
Odysseus betrifft, die List, so vermifst man alle Berücksichtigung Ari-
starchs , welcher in der llias Diplen setzte, ort xo öohov xov ^'jQCOog
xal öia rovzav deiuwrai, offenbar TtQog rovg y^aqi'^ovxag. Gleicher-
weise ist Aristarch nicht berücksichtigt in der Schilderung von Odys-
seus Wettlauf bei den Leichenspielen des Patroklos, S. 261. Hier sagt
der Verf., Athene habe dem Odysseus die Glieder, Füfse und Hände
leicht gemacht, Aristarch hat aber mit Recht dem Verse ^772 yvla d'
k'&tjiiev iXcccpQa, noöag %al %EtQag v7tEQ&ei> Obelos und Asteriskos ge-
geben, ort im JtOfxt'jöovg (£122) OQ&cog ixiraKro, iinavd'a ds oXi-
yia XeLTtexat xov Avavxog. ei ovv ro yvla iXacpqa i7iou]6ev, ivUa av
10 +
244 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
Ttavrcog. ■TfQog xi ovv xov Aiavxa KarißaXsv; Des Verf. Schihleniiig'
ist warm und lebendig, aber wer sich an die Athetese erinnert, den
wandelt mit den leichtgemachten Füfsen wohl aucli ein Lächeln an.
Und so vermifst man den in beiden Aufsätzen gar nicht erwähnten
Arisfarch noch öfter, während x. B. lamblicbos S. 262 und Alkidamas
S. 270 citiert werden. — S. 265 werden ein paar Handlungen des
Odysseus, von denen Homer nichts weifs, so aufgeführt, als wil's«
Homer von ihnen, z. B. die durch Odysseus betriebene Opferung der
Iphigenie; Aristarch ist dergleichen nicht begegnet, wir finden bei
I 145 eine Diple ort ovk oiÖe xtp> Tiaga xotg vecoxEQOig Gcpayr^v Irpi-
yevslag. — S. 269 wird nicht ohne Sentimentalität der schmerzlichen
Thränen der Kührung gedacht, welche Odysseus beim Anblicke seines
sterbenden und ihn wiedererkennenden Hundes vergiefse. Man mag
die Schilderung für schön erklären, aber so viel iat gewis, dafs der
Hund nicht stirbt, als Odysseus ihn erblickt und weint, sondern dafs
er sich da ganz leidlich belindet und erst nachher stirbt, vor Freude,
wenn überhaupt die beiden Verse, in denen der Tod des Hundes hin-
zugefügt wird, Q 326. 27, für echt gelten sollen. Den Zusammenhang
stört ihre Entfernung nicht. Lachmann behauptete gesprächsweise ge-
gen mich entschieden ihre Unechtheit , und als ich ihm das rührende
der Sache vorrückte, sagte er lachend: 'Ach, warum soll er denn
aber sterben? Lafsen Sie doch den alten Köter auf seinem Mist!*
Was insbesondere Sophokles Auffafsung des Odysseus betrifft,
so behauptet der Verf. von allen den Stücken , von denen wir in Be-
IrefT dieser Auffafsung nichts oder so gut wie nichts wifsen, und das
ist die Mehrzahl, Sophokles könne in ihnen den Odysseus unmöglich
anders geschildert haben als er im Homer erscheine oder in den an-
derweitig uns überlieferten Sagen. Der Werth solcher Beweisführung
ist nicht über allen Zweifel erhaben. Ich denke, wenn wir in Bezug
auf die Auffafsung des Odysseus den Sophokles in die Mitte zwischen
die Art des Homer und die des Euripides stellen, so werden wir we-
nig fehlen.
In dem vierten und letzten der kleineren Aufsätze, über die an-
geblichen Spuren einer Kenntnis von dem nördlichen Europa im Ho-
mer, wird unter einer grofsen Menge von alten tmd neuen Schrift-
stellern auch Aristarch berücksichtigt, aber deutlich zeigt es sich auch
dabei, dafs der Verf. ihn nicht sonderlich werlh hält. Man sehe nur,
was er S. 304 von ihm sagt. Es handelt sich um die bekannte Stelle
von dem austreibenden und eintreibenden Hirten bei den Laistrygonen,
und es soll angegeben werden, wie die Allen erklärten, dafs dort die
Rinder bei Rückkehr der Schafe zur Weide gebracht würden. *Die
Alten behaupteten,' heifst es nun also * bei Leoiilinoi auf Sicilien —
denn dorthin setzten sie die Laistrygonen — seien so viele Bremsen,
dafs man die durch ihr Fell geschützten Schafe bei Tage, die Rinder
dagegen Nachts auf die Weide jage.' Und dazu wird folgende An-
merkung gegeben: * Schol. B x. 85. Seh. Vulg. 86. Eusfath. I. 1. fp.
1649, 16j. Ob diese Erklärung von Aristarch sei, ist zweifelhaft, da
Lauer: Gosdiiclilo der homerischen Poesie. 245
er tleu sktotciö^os (Welcker Kl. Sehr. II, 50 f.) annahm.' In keiner
der cilierten Stellen verlautet von Aristareli auch nur das mindeste.
Also der Verf. glaubt, man dürfe ohne Noth die Conjectur machen,
eine so triviale Krklärun^ könne >vohl vom Aristarch herrühren, er
hat im vorlic<Jienden Falle kein anderes Bedenken, als dafs Aristarch
den Ektopismos annahm. Andere würden dem ausdrücklichen Zeug-
nisse von zehn Scholiasten gegenüber in solcher Saciie noch sehr
starke Zweifel hegen. — lieber die homerische Bedeutung des Wor-
tes fiijla wird S. 296 auf Aristarch und Lehrs verwiesen, kurz vorher
aber in BctrelT der Ausdrücke wie iTtTtoi ßovxoXiovro, vizraq icovo-
%o£L nur auf eine ganze Schaar neuerer Philologen, unter ihnen mit
Beehl gefeierte Name«, die aber hier durch die Berufung auf den gro-
fsen Alten vollkommen überllüfsig gemacht sein würden. Denn Ari-
starch hat ja eine ganze Heihe von Diplen gesetzt ort vvv fieu xara-
1Qr]6xiK(og to ÖELra, und so eine stand, wie die aus dem Alterthuni
«rhalteuen Notizen lehren, auch in der vom Verf. behandelten Stelle
des K bei Vers 82. Freilich ist dieser Gegenstand nicht wie die /.lijXa
in einem eignen Artikel de y.ccxaxqi!i(iit,y.ag dictis bei Lehrs abgehan-
delt. — Zu der Classe der eben genannten übertragenen Ausdrücke
rechnet der Verf. auch das Bovyio}Jcov ■Koiiicdviov Z25; aber das ist
kein übertragener Ausdruck, sondern es wird von einem Individuum
Namens Bukolion erzählt, dafs er die Schafe weidend sich mit einer
Nymphe in Liebe vermischte, noL^aivcov d' etc öeaat ^uyyj (pU6r)]ri
y.al evvy; der Verf. bat den Eigennamen BovxoXl(ov mit ßovxoXog oiar
ßovKolifov vervvechcelt. Da hätten wir also eine Art von Gegenstück
%ü der Geschichte mit Berisos. — Mit einem grofsen Aufwände von
(ielehrsamkeit ist, wie schon bemerkt, der Aufsat/, geschrieben; der
Verf. gibt stellenweise nur vier bis sechs Zeilen Te.\t und darunter
gelehrte Anmerkungen, und unter und zu diesen Anmerkungen wieder
Anmerkungen, es werden Olaus Rudbeck, Fraguier, Baudelot, Jean
Boivin le Cadet und eine Menge anderer Autoren aus entschlafener Zeit
citiert. Aber wir müfsen bezweifeln, dafs solche Citationen den ho-
merischen Studien unserer Tage in irgend etwas nützen, und hätten
es lieber gesehn, wenn der Verf. sich blofs an den Homer selbst, an
die alten Kritiker und an ein eignes gesundes und gebildetes Urtheil
gehalten hätte. Bei diesem Verfahren würde er unseres Erachtens iu
der Hauptsache noch mehr geleistet und nebenbei auch solche Aben-
teuerlichkeiten vermieden haben , wie z. B. S. 301 die Behauptung,
der Vers 7 177 müfse für unecht gelten, weil er das Wort niUv&a
nicht am Ende, sondern in der Mitte habe, und dieser Vers werde
einfach zu streichen sein, was nichts anderes heifsen kann, als dafs
er TCEQitrog sei. Die Stelle lautet so:
r,Tio(iev ös &eov (privai rigag • avtaQ 6 y rjfiiv
ÖEi^E^ nal rjvayEt niXayog (isöov Eig Evßoiav
XE^VELV^ ocpQ« xa'iLöxa vnEK aay.oxijxa cpvyoi^Ev.
fOQXo d ETtl Xiyvg ovQog a^iiEvac at 8e fiaX coxu
177 l'/^d^voEvxa keXev&k öiiöqaiiov ig ös FEQCdaxov
246 Lauer: Geschichte der hoiuerischeii Poesie.
Ivx'vxicd Kcnayovro' IlQGEiScicoi'i- 6e ravocoi>
jröA^' inl ^iJQ l'&e^ev, ntkayog ^iya ^etQ'}]6avTeg.
Wer da sagt, dafs in dieser Stelle der Vers 177 ' einlach gestrichen'
Verden könne, der legt damit gewis kein allzu günstiges Zeugnis
iiher seinen kritischen Takt oder seine Besonnenheit ab. Olfenbar ist
der Verf. zu seiner Behauptung durch die bekannte Observation von
Lehrs über die Stellung von anijVQa verleitet worden. Diese Obser-
vation führt er gleich nachher an. Auf sie gestützt gibt er die ganze
Stelle um 6 646 für * zweifelhaft und jüngeren Ursprungs' aus. Aber
da mufs man ihm gleich wieder entgegentreten. Wenn man solche
Kriterien des unechten aufstellen dürfte, so würde es ein leichtes sein,
die Unechlhcit des ganzen Homer zu erweisen. Und was insbeson-
dere die Stelle 6 646 betrifft, und die ganze Partie zu der sie gehört,
so erdreiste ich mich zu behaupten, dafs diese bekanntlich auch von
andern angefochtene Partie so echt sei wie irgend etwas im ganzen
Homer.
Mehr als diese kritischen Uebercilungen des Verf. misfallen einige
Aenfserungen desselben über andere Gelehrte. Den einen fertigt S.
302 folgende nicht gerade feine Anmerkung ab : ' Färber (Berliner
Jahrb. 1844. März. Nr. 58 S. 462) hat unter anderm auch dies nicht ge-
"svufst ' Dafs Färber vieles nicht gewufsl hat, gebe ich zu, aber jeder
von uns weifs vieles nicht, auch Lauer hat vieles, selir vieles nicht
gewufst, und hätte ohne Zweifel heiser gelhan, wenn er jenen über-
haupt erwähnen wollte, seine Rüge in anderer Form auszusprechen.
Wer andere so kurz und ohne Nachweis abfertigt, scheint der nicht
gegen sich selbst eine schonungslose Kritik herauszufordern? Ganz in
derselben Art sagt der Verf. S. 307 ganz ohne Beweis, dafs Bode
Gottfried Hermann etwas 'nachgeschrieben' habe, und S. 299 wird
gar der todte Klausen ohne Beweis geradezu des Plagiats beschuldigt,
Anm. 27: ' Uebrigens hat Klausen seine Etymologie von dem Englän-
der (Note 23), den er aber nicht nennt.' Als wenn nicht zwei Men-
schen unabhängig voneinander auf dasselbe kommen könnten! Und
nun gar einem achtbaren Manne, einem todten gegenüber eine solche
Beschuldigung in solcher Weise! Wir nehmen zu Lauers Ehre an,
was die Herausgeber vielleicht hätten anmerken dürfen, dafs er noch
bei der letzten Durchsicht der Arbeit vor dem Druck dergleichen
Aeufserungen entfernt haben w ürde.
Wenden wir uns nun zu dem Hauptwerke des Verf., der Ge-
schichte der homerischen Poesie.
Das erste, was wir wahrnehmen, ist leider wiederum jene schon
bemerkte Misachtung Aristarchs. Was wäre Homer ohne Aristarch?
Und was will ein Studium Homers bedeuten, welches sich über Ari-
starch hinwegsetzt?
Die Einleitung des Lauerschen Werkes versucht die Stellung zu
schildern, welche Homer im griechischen Leben einnahm, den Einllufs,
den er auf das Privat- und Staatsleben, die Religion, die Kunst, dio
WJfscnschaft ausübte.
Lauer: Gcscliiclilc der liomerisclieii Poesie. 247
Ich kann mir nicht vorslelleii , wie man bei diesem Thema schö-
ner unzuhebcii veniiöciite, als mit einer Vorluhriing der Keilie von
Diplen, welche Arislarch Ttfjog tovl," vbmteijov^ ji^eselzt hat. Da er-
scheint zuvörderst Hesiodos, das andere ehrwürdige llaui)t; es weist
sich aus, dafs er jünger war als Homer, dais er a» vielen Stellen den
Homer vor Augen halle; dann kommen in langem Zuge die Kykliker,
die Lyriker, die Tragiker, die Logographen, die Maler und Bildhauer,
die früheren Ausgaben und die ältesten Interpreten von Fach, die Glos-
sographen; hier und da sieht man, wie aus einer verstandenen oder
misverslaudcnen Stelle im Homer ganze lange Sagen und Geschichten
sich hcrvorbildetcn ; ganz Griechenland zeigt sich mit der Interpreta-
tion des '^ I)i(;hters* beschäftigt und von ihm abhängig, die ganze gei-
slige Arbeit der Nation erscheint als eine P'orfsetzung Homers; und
über alles waltet der Genius Aristarchs, die personilicierte Kritik,
ordnend, schlichtend, zurückweisend.
Dieses uns durch Aristonikos erhaltene , von Meislerhand in alter
Zeit aus dem Ganzen und auf kritisch sicherem Grunde gemalte Bild
würde ungleich treuer sein, einen ungleich frischem und lebendigem
Eindruck machen als alle 3Iosaikarbeit, die wir heutzutage mit Beiseile-
lafsung Aristarchs aus den zusammengesuchlen Notizen aller möglichen
Autoren aller möglichen Zeilen zu liefern im Stande sind. Nicht als
üb ich diese andern Nachrichlen sammt und sonders verachtete; man
kann durch sie Aristarchs Darstellung sehr passend erweitern und
mehr ins einzelne ausführen. Dazu gehört freilich einiges Geschick
in der Darstellung; aber gerade solches Geschick rühmen ja die Her-
ausgeber (Vorr. S. XI) an Lauer so sehr. Hier konnte er es glänzend
bewähren.
Und setzen wir den Fall, wir könnten bei diesem Gegenstande
ohne Aristarch ganz ebenso weit kommen wie mit ihm, so würde es
doch nur ein Tribut schuldiger Achtung sein, diesen Mann als ein rrj-
lavyeg TtQoGccmov an den Eingang zu stellen. Solchen Beweis von
Achtung hat der Verf. einem nach seiner Versicherung unbedeutenden
Schriftsteller gezollt, dem Petrus Candidus Decembrius, welchen er
S. 81 nur ^ehrenhalber' als den ersten nennt, welcher unter den
neuern eine vi ta Uomeri verfafst habe; Aristarch dagegen nnifs sich
begnügen beiläufig S. 87 unter den 'einsichtigen 3Iännem* aufgezählt
zu werden, die den e%xonL6^i6g annahmen.
Indem ich nicht umhin kann die Stellung zu misbilligen , welche
unser Verf. demjenigen gegenüber einnimmt, auf dessen Schullern
unsere ganzen homerischen Studien ruhn , gehe ich doch keineswegs
so weit, dem vorliegenden Abschnitte des Werkes allen Werth abzu-
sprechen. Ich erkenne gern an, dafs Lauer hier mehr geleistet hat,
als vor ihm geleistet worden , dafs er eine für gew öhnliche Zwecke
brauchbare und für manchen gewis sehr erwünschte Zusammenstellung
gibt, dafs dieser Abschnitt, alles im ganzen betrachtet, als der beste
seines Buches angesehn werden darf.
Aber im einzelnen will ich noch an ein paar Beispielen zeigen,
248 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie,
wie sich die Vernachläfgigung Aristarchs und der Venelianischen
JScholien am Verf. gerächt hat.
Für die griechischen Colonien hatte Homer eine ganz besondere
Bedeutung, Es ist nicht ohne Grund, dafs gerade Massalia, Sinope,
Kypros, diese äufsersten Centralpunkte griechischen Lebens, so gro-
Ises Gewicht auf den Dichter legten und eigne Ausgaben desselben
lieferten, wie aufser ihnen bekanntlich nur noch vier Districte Grie-
chenlands, nicht ohne Grund, dafs in Borysthenis noch zur Zeit des
Dio Chrysostomus fast jeder die Ilias auswendig konnte und alle den
Homer beinahe allein für einen Dichter hielten, Dieser Gegenstand
halte einen eignen Abschnitt verdient; Lauer berührt ihn mit keiner
Silbe; er wäre ihm schwerlich entgangen, wenn er die Schollen mit
ihren Citationen aus der MuGöaXccorcm'j und den andern tleifsiger zur
Hand gehabt hätte.
Ebenso hat der Verf. S, 23, wo von der Einwirkung Homers auf
die nachfolgende epische Poesie der Griechen die Rede ist, den He-
siodos durchaus vernachläfsigt. Und doch ist es von der gröfsten
Dichtigkeit, dafs gleich der dem Homer am nächsten stehende Dichter
in so mancher Stelle seine Kenntnis Homers verräth. Aber befriedi-
gend läfst sich das Verhältnis zwischen beiden nur dann erörtern,
wenn man die Diplen Arislarcbs zu Grunde legt; wer blofs unscrn Text
des Hcsiodos mit den hesiodeischen Schollen im Auge hat, tluit aller-
dings befser, wie der Verf. den Hesiodos gar nicht zu nennen.
Den Zojlos betrachtet der Verf. sicherlich mit zu günstigen Augen.
Er sagt von ihm S. 39: 'Der lebhafte Widerspruch, den die in dieser
Schrift geübte Kritik fand, dürfte dafür sprechen, dafs sie nicht so
ganz unbegründet war; dafs sie wirklich vorhandene An-
gtöfsigkeiten hervorhob, welche der damalige Stand-
punkt der homerischen Studien von einer versöhnen-
den Seite nicht zu betrachten vermochte. In dieser Be-
ziehung kann den Zoilos kein gröfserer Vorwurf trelTen, als alle an-
dern, die vor, neben und nach ihm ihre Bedenken über dies und
jenes in den homerischen Gedichten auf keine befsere
Ar t mo ti vi er t u n d b e sei ti gt haben.* Das klingt beinahe, als
wäre Zoilos so eine Art von Vorläufer Fr. A. Wolfs gewesen. Wer
aber an die Kritik Aristarchs und das Studium der Schollen gewöhnt
ist, wird in den uns überlieferten Einwürfen des Zoilos schwerlich
etwas anderes sehn als ein scharfsinniges aber albernes Gerede. Dafs
«ler Verf. in einer Anmerkung mehrere Stellen aus den Scholien nam-
liaft macht, wo Zoilos vorkomme, kann uns in unserm Urtheile nicht
behindern, Ein Citat, beiläufig bemerkt, ist falsch: es mufs E 7
heifsen statt E 4.
Die Citationen besonders von Schriftstellern der zunächst ver-
gangenen .Jahrhunderte bilden auch hier, wie in dem Aufsatze über
das nördliche Europa, das hervorstechendste Element der Arbeit. Na-
mentlich die altern französischen Homeriker werden vom Verf. Üeifsig
jljfenaunt. Da erscheinen ein Monsieur Chabanon und ein Monsieur Mou-
Lauer: Gescliichlc der liomerischcn Poesie. 249
tignol und ein Monsieur Coulure und viele juiderc. Ich habe nichts
dawider, wenn jemand I>ust Iräjjt, sich mit ihnen zu beschäftigen,
doch isoviel will mir scheinen, als ob alle solche Leute ihren Platz
in einer Geschichte der homerischen Studien bei den Nationen des
neueren Europa halten, nicht aber in einer Darstellung des Einflufses,
welchen Homer auf die Griechen übte. Hier sollte billig auiser den
Alten nur ein und das andere monographische Werk der neuesten Zeit
angeführt werden. Unser Verf. scheint aber für das Französische eine
gewisse Zuneigung zu haben: gibt er doch sogar in der Uebersctzung
einer homerischen Stelle dem Ares wie dem * Herrn' (Monsieur)
Agamemnon eine 'Taille', S. 142. Vielleicht hat das übrigens gewis
löbliche Studium der mittelalterlichen epischen Poesie der Franzosen
und ihre Vergleichung mit Homer zu einer nicht glücklichen Vermen-
gung beider Gebiete geführt. — Bei der Besprechung des Verhält-
nisses zwischen Homer und Plato, S. 6. 52, wird unter vielem andern
angeführt ein Buch von Monsieur Paquelin, Lyon 1677, 4to: Apolo-
geme pour le grand Homere contre la reprehension du divin Piaton
sur aucuns passages de celui; dafür fehlt ein anderes Buch, dessen
Erwähnung manchem gewis wichtiger gedünkt hätte, nemlich Ammo-
nios TieQL räv vko riXarcovog fieTevtjvEy^ivcov i^ Ofi^jQOv. Es wird
Schol. A 1 540 genannt. Hr. Beccard, der eine Herausgeber Lauers,
zweifelt in seiner Dissertation de scholiis Venetis p. 61, ob diese
Schrift des Animonios die Verse Homers betraf, welche Plato aus
Homer für seine Darstellung entlehnte, oder die, welche Plato aus
Homer entfernt zu sehn w ünschte. Die letztere Annahme ist durchaus
unstatthaft, wegen des (xira in iursvrjviy^iucov , welches fiEza doch
auf eine Stelle deutet, wohin die betreffenden homerischen Verse vom
Plato gebracht worden seien. Dafs (xeracpeQEiv in der homerischen
Scholienlilteratur 'beseitigen' nicht heifst, sondern constant 'an einen
andern Ort bringen', konnte Hr. Beccard namentlich aus den Noten
über die aare^Löiioi und die aöreQLöKoi ovv oßeXoig ersehn.
Wir kommen nun zu den Haupttheilen des Lauerschen Werkes.
Das erste Buch behandelt 'die Ueberlieferung des Alterthums
von Homer.' Es zerfällt in drei Abschnitte. Im ersten werden 'die
Quellen und Hilfsmittel' besprochen, im zweiten 'das Vaterland', im
dritten ' das Zeitalter des Homer.'
Im ersten dieser drei Abschnitte zählt der Verf. zuvörderst die
aus dem Alterthum erhaltenen Zusammenstellungen über Homers Leben
auf, im ganzen acht an der Zahl. Sie sind bei Westermann vereinigt,
mit Ausnahme des hierher gehörigen aus dem zweiten Abschnitte Plu-
larchs. Den Inhalt dieser unter Plutarchs Namen überlieferten Schrift
betrachtet der Verf. S. 71 als Plutarchisch , der Form nach scheinen
es zwei Excerpte aus der echten Schrift Plutarchs zu sein. Die Hero-
dotische vita wird dem Herodol S. 69 gänzlich abgesprochen; sie sei
ein litterarischer Betrug, dessen Zeitalter und Verfafser nicht zu er-
iniltehi. Die Schrift unter Proklos Namen ist nach S. 72 echt, die
250 Lauer: Gcscliichlc der liomerischen Poesie.
kleinen anonymen vilae enthalten eigenlhümliehe Notizen, der aytov
heilst S. 73 ein unverachlliches Stück.
In diesen acht vilis zusammengenommen, meint nun der Verf.
S. 73, übersehe man so ziemlich alles, womit man sich im Allerlhum
über Homers Leben trug. Dafs dies eine falsche Behauptung sei, weifs
jeder, der sich nur einigermafsen mit dem Gegenstande beschäftigt
hat. Es sind noch in den uns erhaltenen Autoren eine Menge von No-
tizen über Homers Leben, Vaterland, Zeit zerstreut, welche in den
vilis nicht stehen; und wir haben allen Grund zu vermuthen, dafs
manche Nachricht überhaupt gar nicht auf uns gekommen ist. Der
Verf. baut auf seine Annahme den für ihn äufserst wichtigea Schlufs,
dafs die ältesten der in den vilis angeführten Gewährsmänner, Simo-
nides, Pindar, die anderen, überhaupt die ältesten Autoren sind, wel-
che von Homers Person berichteten. Zu diesem Satze konnte der Verf.
auch ohne seine falsche Praemisse kommen, nur forderte das freilich
ein klein wenig mehr Umsicht.
Eben dieser 3Iangel an Umsicht zeigt sich in der Behauptung S.
73, die unmittelbaren Quellen der acht vitae seien niclit nachzuwei-
sen, man müfse sich mit der Nachweisung der ersten Quellen begnü-
gen, aus denen überhaupt alle Nachrichten von Homer stammen. Ich
denke, auch über die unmittelbaren Quellen der vitae liefs sich eini-
ges nachweisen. Konnte der Verf. nicht wenigstens jene Schriften
tieqI 'O^iqfjov aufzählen, welche der alexandrinischen Periode ange-
hören? Das wäre jedesfalls weit nützlicher und passender gewesen
als die Cilalionen aus den Zeiten des Petrus Candidus Decembrius und
des Monsieur Paquelin,
Das Resultat der Untersuchung ist, dafs alle Nachrichten vom
Homer in letzter Instanz auf der Sage beruhen, auf einzelnen, localen
Sagen und den meist durch Gelehrte versuchten, die einzelnen Sagen
vermischenden, auf Schlüfse aus den Gedichten selbst sich stützenden
Muthmafsungen, S. 77 IT. Das ist richtig. Doch wird sich weiterhin
eine sehr wesentliche genauere Bestimmung zu diesem Satze ergeben,
es wird sich zeigen, dafs die localen Sagen einen sehr festen loca-
len Anlialtspunkt hatten, der dem Verf. durchaus entgangen ist.
Sollte aber der Verf. gemeint haben , sein Resultat sei neu und
ihm ganz oder auch nur zum Theil eigenthümlich, dann hat er gar
sehr geirrt. Und fast sieht es S. 80 so aus, als habe er dergleichen
gemeint. Freilich sagt er nur , seine Vorgänger hätten ' fast alle ohne
Ausnahme' die Natur der Ueberlieferung verkannt, hätten sie entwe-
der für reine Geschichte gehalten, die nur in Unordnung gekommen,
oder für reine Ficfion. ^Fast alle ohne Ausnahme' was soll das hei-
fsen? Auffallend ist es, dafs der Verf. an dieser Stelle und in der
sich anschliefsenden sehr ausfiihrlichen Nachweisung der Litteratur 0,
Müller ganz mit Stillschweigen übergeht. Diesen hat nemlich Lauer
für einen so bedeutenden Vorgänger gehalten, dafs er im folgenden
Abschnitt, über Homers Vaterland, nur ihn bekämpft. Und womit be-
ginnt nun wohl 0. Müller in der Litteraturgeschichte S. 68 seine Aus-
Lauer : Gcscliiclilc der lioinerisclicn Poesie. 251
einan(lersolzun<i;en über Homer? Genau mit dem nemliclien Satze, >vel-
cheii unser Verf. nacli langer Deduclion herausbringt, ü. Müller sagt:
'lieber Homers Leben sind freilich nur einige Volkssag'en und Mulh-
mafsungen, die auf Schlüfsen der Grammatiker aus seinen Werken
beruhn, auf uns gekommen.' Also die beiden Elemente, die Sage
und die Vermulhung der Gelehrten, sind hier sehr deutlich erkannt
und gesondert und ohne weiteres als sich ganz von selbst verstehend
vorangestellt. Und diese Ansicht von der Sage als letzter Quelle aller
Nachrichten über Homer hat 0. Müller in seiner weiteren Auseinander-
setzung durchaus festgehalten.
Ich bin weit entfernt mich der Wendung zu bedienen, deren sich
der Verf. gegen Klausen bedient hat, ich sage nicht: diese Idee hat
Lauer von 0. 3Iüller, den er aber nicht nennt. Ich bedaure, dafs
meine Aufgabe mich zwingt dergleichen zu erwähnen. Leider mufs
ich hinzufügen, dafs eigentlich neue Gedanken überhaupt in dem
Lauerschen Buche gar wenig zu finden sind. Das meiste ist Ausfüh-
rung fremder Gedanken. Dafs dem Verf. dies Verhiillnis nicht klar
gewesen sei, dafs er am allerwenigsten beabsichtigt habe , sich mit
fremden Federn zu schmücken, glaube ich recht gern.
Indem der Verf. zum Schlufse dieses Abschnittes S. 81 IT. die
Litteratur der neueren Philologie über Homers Leben aufzählt, ist er
wieder in seinem Elemente. Namentlich wieder die älteren ausländi-
schen und unbrauchbaren Bücher werden reichlich genannt. Dabei
begegnet es dem Verf. S. 83 Anm. 42, dafs er von einem alten
Schweden und einem noch etwas älteren Italiener selber sagt, sie
verdienten keine Berücksichtigung, \^'ir nehmen das auf Glauben au
und gehn über diese beiden und den ehrenhalber angeführten Petrus
Candidus Decembrius und die anderen Herren hinweg, dem zweiten
Abschnitte zu, welcher, wie schon bemerkt, von Homers Vaterland
handelt.
Zwanzig und einige Orte, heifst es im Eingange dieses Abschnitts,
werden als Vaterland Homers genannt. Von diesen beseitigt der Verf.
die Mehrzahl ganz kurz, so dafs für die genauere Untersuchung nur
fünf bleiben: Kyme, los, Kolophon, Chios, Smyrna.
Dies Verfahren erscheint mir zu summarisch. Es mag sein, dafs
der Verf. Willens war, auf mehrere der so kurz abgefertigten Orte
oder meinetwegen auf alle in dem nicht erschienenen Theile seiner
Arbeit zurückzukommen, obgleich ich nicht sehe , wie das passend in
der Stelle hätte geschelin können, auf welche allein er (S. 85. 113)
vorausdeutet. Buch 4, Abschnitt 2, Cap. 2, "iii). 4. Aber auch wenn er
hier alles jene Orte betreffende abzuhandeln Willens und im Stande
Avar, er durfte an unserer Stelle die Sache doch nicht übers Knie
brechen.
Er muste vielmehr zuvörderst im Eingange gleich nachweisen,
wie die meisten der bezeichneten Orte deshalb lediglich als Vater-
land Homers auftreten, weil in ihnen die homerische Poesie früh und
mit Eifer gepflegt ward, oder weil sie Metropolen von Orten sind,
27)2 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
wo dies geschah. Einen dritten Gesichtspunkt, dafs einige Orte als
Vaterland herühmter homerischer Helden und Locale gefeierter Sagen
in die Concurrenz traten, hat der V^erf. angedeutet. Mit ihm nuislen
die beiden andern eben gezeigten verbunden werden, dann hatte der
Verf. eine sichere Grundlage für den schwierigeren Theil der Unter-
suchung und konnte sich bei diesem auf die Analogie des leichter be-
wiesenen stützen. Ein reichliches 3Iaterial ist vorhanden. ^^ ie man-
ches hübsche lafst sich nicht z. ß. über Kreta, über Kypros, über
Argos sagen !
Ueber Kypros stellt Lauer S. 85 einen Gedanken auf, aber der
steht schief. ^ Von Kypros (Salamis)' meint er Mst es wahrschein-
lich, dafs seine Ansprüche sich auf das dem Homer beigelegte Ge-
dicht der Kyprien, welches jener Insel angehört, gründeten, obgleich
die Angaben über den kyprischen Homer einer Sage ähnlicher sehn,
als einer Combination.' Obgleich? Als ob nicht diese Ansprüche auch
dann als eine Sage auftreten konnten, wenn sie sich auf die Kyprien
gründeten! An dieser Art von Fehlern ist das frühere Werk des Verf.
reich, die Untersuchung über das A; in diesem hier sind weniger der-
gleichen, aber man findet doch zuweilen raöeXcpov xov ßÖGiQV'iov.
Am schlimmsten ist es, dafs der Verf. auch über Athen ganz
kurz hinweggeht. Er behandelt es mit unverzeihlicher Leichtfertig-
keit. 'Athens Beziehungen zu Homer hat man mit Recht durch die
Behauptung beseitigt, dafs der Anspruch dieser Stadt sich nur auf die
Theilnahme gründe, welche die Athener an der Colonisation Smyrnas
halten, wie dies in einem Epigramm auf Peisistratos geradezu ausge-
sprochen ist.' Beseitigt? Mit Recht? Epigramm? Hat der Verf. wohl
einmal versucht, das Epigramm sich ordentlich zu interpretieren? Ich
meine, was man so eigentlich interpretieren nennt, nicht blofs Stel-
len sammeln, wo es ciliert wird, und dann dasselbe sagen, was an-
dere gesagt haben. Ich will das Epigramm für jetzt lafsen; ich darf
das; denn angenommen einmal, dasselbe sei so zu verstehn, wie der
Verf. will, kann doch die Meinung dieses Epigramms unmöglich das
entkräften, was von anderer Seite her für Athen auftritt. Athens Be-
ziehungen zu Homer treten am bedeutendsten ganz wo anders auf als
in den Erzählungen und den Stellen der Ilias, welche der Verf. in der
gleich näher zu betrachtenden Anmerkung vorbringt. 0. Müller gibt
hierüber (Litleraturgesch. I S. 76) weit befseres als Lauer, was die-
ser gänzlich vernachläfsigt hat. Aber auch Jlüller gibt lange nicht
alles, vielleicht nicht einmal das wichtigste. Ich brauche mich indes-
sen auf eine systematische Vervollständigung des von Müller gesam-
melten hier um so weniger einzulafsen, als für Athen bekanntlich Ari-
slarch sich entschieden hat.
Wenn es für Athen überhaupt gar keine anderen Indicien gäbe,
dieser eine Umstand, das Urlheil des gröfsten alten Kritikers, würde
es nolhwendig erscheinen lafsen, Alben zum Hauptpunkte der Unter-
suchung zu machen. Wer Aristarchs Verfahren bei Constituierung des
Textes kennt, wird sich auch überzeugt hallen, dafs er die Annahme
Lauer: Gescliiclifc der homerischen Poesie. 25.'?
des athenischen Ursprungs nidit aus der I.ufl geo:riiren hat, sondern
dafs sie überliefert war, und zwar niilit weniger gut als die besten
unter den andern Nachrichten. Aristarch hat im Text sich keine Con^
jectur erlaubt; unter mehreren gut überlieferten Lesarien hat er die
ihm am besten scheinende ausgesucht und diese durch innere Gründe
gestützt; wo es keine befriedigende Variante gab, hat er lieber das
schlechtere hingeschrieben und Homer geladelt als aus Conjcctur ge-
ändert. Hieraus folgt, dafs Arislarch unter den besten Nachrichten
die von Homers athenischem Ursprünge vorfand und sie auswählte,
weil sie ihm durch die Gedichte selbst bestätigt erschien.
Anders urlheilt hierüber unser Verf., "welcher hier wieder auf
eine sehr leichte Art mit Arislarch umspringt. Er gedenkt seiner über-
haupt nur in einer Anmerkung S. 85 f. : 'Wenn Arislarch und Dionysios
Thrax (Vit. E, 6. B. H. cap. 2) Homer einen Athener nannten, so
braucht dies nicht auf Annahme der Geburt zu Athen bezogen zu w er-
den, zumal die Citate derViten in diesem Punkte nicht zuverläfsig sind.
Eine Abstammung Homers aber aus einer athenischen Colonie konnten
sie recht gut auch durch Eigenheilen der homerischen Sprache unter-
stützen. Seh. Ven. iV, 197. 5, 371. Nitzsch indag. Interpol, p. 40 not.
42. Welcker p. 193 not. 295.'
Und warum sind die Citate der Viten in diesem Punkte nicht zu-
verläfsig, während der Verf. sie doch in Bezug auf die Angaben über
andere Orte für zuverläfsig hält? Warum braucht es nicht auf Annah-
me der Geburt zu Athen bezogen zu werden, wenn Arislarch den Ho-
mer einen Athener nennt? ^^ arum soll Arislarch durch Eigenheilen
der homerischen Sprache Homers Abstammung aus einer athenischen
Colonie begründet haben, wenn doch bei Arislarch nur von Athen
selbst die Rede ist?
Die vita B sagt sehr bestimmt: AQiGxctQioq 8s ■aal /iiovvöiog o
&QCf^ Ad"tjvaLOv ^ die vita E xar« 6 AQLßxaqypv Kai AiovvGiov rov
@QaYM A&}]vaiog , ebenso der von Lauer nicht, wohl aber von Wel-
cker ep. Cycl. l, 192 Anm. 292 angeführte Epiphanios 'Ad^ijvaiov öh
ort;TOv OL TtiQL AQiGxaQ'iov aTtccpiqvavxo. Diesen Angaben gegenüber
würde man, selbst wenn sie aliein ständen, nicht bezweifeln dürfen,
dafs Arislarch den Homer ausdrücklich einen Athener nannte, so we-
nig wie wir die entsprechenden Angaben derselben vitae in Bezug auf
Simonides luid Pindar und die anderen bezweifeln. Was freilich un-
ter dem Xioq des Simonides , dem Z^vqvalog des Pindar zu verslehn
sei, das kann zweifelhaft erscheinen, denn das sind eben Dichter.
Aber mit einem Manne wie Arislarch, dem es vor allem auf Schärfe
und Genauigkeit ankam, der jedes seiner ^^o^te auf die Goldwage
legte, ist es etwas anderes. Nun kommen aber zu den Angaben der
vitae noch die Schollen. Man sehe die beiden von Lauer citierlen
Stellen. Schol. A iV 197 7] ötnXil^ 6xi Gvve^cog nixQfjrat. xoig dvLXOig.
0] öh avacpOQa TtQog xa tteqI x-ijg TiaxQiöog' A&ijvatmv yaQ i'öiov. Dafs
bei ß 371 al yag , Zev xe TtaxeQ aal A9'j]vaLtj xal "Anoklov in dem-
selben Sinne eine Diplc stand, beweisen die zu dieser Stelle uns vor-
254 Lauer: Gescliiclite der homerischen Poesie.
liegenden Notizen aus dem Allerlhuni, wenn auch Aristonikos Anmer-
kung in ihrer ursprünglichen Gestalt nicht erhalten ist: Schol. A D
ivrsvd-iv xiveg vo^t'QovOiv A&rjvaiov yeyovivai rov 7Cot7/r»p* ro yaQ
^Ad-y]vc(ii] ArriKOV Kai i'Si.ou elvat, rov oqkov cpaol xow ^Ad'tjvaiav. BL
TtaTQiot. yaQ ovvoi, rotg A&jjvcciOLg ^eoi.
Aber warum fuhrt denn eigentlich der Verf. aus der alten Scho-
lienlitteratur nur diese beiden Stellen an? Das sieht ja so aus, als ob
es sonst keine von Bedeutung oder gar überhaupt sonst keine hierher-
gehörigen mehr gebe. Dafs wir doch inuner den Verf. so freigebig in
der Citalion veralteter Quisquilicn finden, so karg bei dem, worin
belesen zu sein vor allem Nolh thuti Am nächsten lag es wohl, dafs
der Verf. auf die von Siebenkees und Villoison verölTentlichte Erklä-
rung kritischer Zeichen verwies, welche jetzt von Osann im Anecd.
Rom. p. 5 ff. herausgegeben, aber wie manches andere nicht ganz
richtig aufgefafst ist. Das mangelhafte in Osanns Auffafsung kümmert
uns hier wenig; man braucht uns nur zuzugeben, was jeder kundige
zugeben wird, dafs die ganze Uebersicht über die Anwendung der
ömlii xa&aQa p. 6 rein den Aristarchischen Gebrauch vor Augen hat.
Sieben Dinge zählt diese Uebersicht her, aufweiche durch die genannte
Diple hingedeutet werde; an der sechsten Stelle heifst es: sie steht
(^nciQUKeLrai) JiQog rijv Axxim]v 6vvxaS,iv. Das Wort Gvvxa'i^Lg darf
man nicht sehr streng nehmen, weil die Kategorien des Gebrauchs
überhaupt nicht scharf bezeichnet sind: vorher kommen als vierte und
fünfte Classe ccl xcav TtalaLcav loxoQlai und ai xäv viatv SKÖo'/^al:
aber so viel ist aus dieser Angabe klar, welche übrigens auch Osann
auf Aristarch bezieht, dafs es eine ganz grofse Heihc von Diplen über
den Alticismus im Homer gab. Die Hauptrolle werden in ihr aller-
dings syntaktische Sachen gespielt haben. Wir werden ihre Spuren;
holfentlich noch einmal aufgedeckt und Aristonikos Bemerkungen we-
nigstens dem Inhalte nach hergestellt sehn; hier genügt es, nur noch
auf einiges hinzudeuten, was schon jetzt so offen zu Tage liegt, dafs
es der Verf. jedesfalls hätte hervorheben sollen. Schol. A E 2i9
2c<^oif.is& ecp tTiTtcov: tj diTtXij^ '6xi AxxLXcog lS,£V)ivoy£v avxl rov (og
iTtl rovg Xitnovg. Die Wörter // öiTfU] fehlen im Codex und bei Bek-
ker, aber Villoison hat das Zeichen im Text. E 700 TtQoxoiTtovxo fts-
Xcavccav ml vyjav: rj dcTtXij TtQog ro 6}](.iatvö^asvov, ort AxxtKcSg e^e-
vi^vo^ev^ ovK ecpEvyov TCQOTQOTtdöjjv ETil rag vavg. e'vioi öe ayvoovv-
T£g yQaq)0v6iv uno vrjav. yivncci ös ci8t,av6)]xov ov yuQ aito xcöu
vsäv q)£vyeiv e^sXXnv. Der Codex und Bekker 7] öe diJtlrj. Villoison
hat das Zeichen im Text. Zu iV 825 ff. sl yuQ, iyav ovrco ye Atog
naig aiyi,o%oio d'rjv ■ijf.iara nuvxa^ xiKot di fis 7t6xvia"HQ}], xLot^rjv 6
b)g xlsx' 'A'&ijuaL}] xal^Artolkojv , zu dieser Stelle hat Schol. V bei 827
eine Anmerkung, welche zwar sehr verunstaltet ist, aber doch zeigt,
dafs hier eine Diple von ähnlicher Bedeutung stand wie jene bei B
371; es heifst nemlich: e'p&ev Ad-rjvatov vnovoovGLv'O^^iQov tccc-
T^cooj' yciQ xi^utGiv ^AnolXiova 7] oxl avxol fiovoi niGxEvovxai ntyiöa,
ri^ciöQ-ai, avrovg cptiGi, Was die Odyssee betrifft, so will ich mit
Lauer: Gcscliiclilc der lioiiuM-iscIioii Poesie. 2.").')
Ueberoelning einer g^rofseii Menge anderer Indicien nur eins nennen,
welches 0. Müller nielil heriieksiclilifj:! hat. Im y befiehlt Athene vor
ihrem Aufbruche vom Opferniahle bei Pj los 332 dem Nestor «AA' ciye
T(Vj(ij'fT£ i-iev yhoGGag, K£(jdccöi)'E Ös oli'ov, oqp^j« — GTtHGccvxsg %onoio
(iidcof^ie&a ^ und der Bet'elil s^ird 341 ausii-et'iihrt, yXtoöGag d iv ttvqI
ßcikkov^ aviöTaiievoi d inikeißov. Eine Ans|)ieluu<>- auf Alben scheint
hierin zu liej^en, weil Athene , die Stadlg-öllin Aliiens, die Ceremonie
befiehlt. Dals diese Ceremonie immer oder doch einstmals speciell
athenische Sitte gewesen, scheint ferner zu lehren die Anspielung in
Aristophanes Vögeln 1701 kcctio räv iyykcorroyaGroQcov iy.eivav rcou
(DtXimtfov Tccivraiov rij^ AxtiK-iig ij ykcdira %co(ilg renverac. Indessen
getraue ich mir doch nicht zu behaupten, dals Arislarcb nicht viel-
leicht VTto TTSQLTTijg £vka(3iiag die Sache blofs schlechlliin für ein aQ-
y^aiov e&og oder für ein l'&og Icovcou erklärte. Euslalliius sagt zu y
33*2 p. 1470, 29 Ort ii' tc5 ^ alk äys ranvere (.ih' yloioaag , ae^daa&e
Öe oluov' k'9og TcaXai,ov ötjkoi o noitiziig' iiikkoineg yuQ KOL^ij&ijvai,
fisra Q^vgIuv ot nakaiol e'&vov rag rav uqeiiov ykaßGag %axa e&og
Icovcov rj Amxoov^ ßukkovteg iv tivqL Und weiterhin p. 1471, 15
spricht er von einem vitoavmiaxLG^og Txakaiog, und sagt, darin habe
unter anderem gestanden ort Axxizov xo k'xf^og. In unsern verunstalte-
ten Scholien wird unter anderem zu 332 auch gesagt, die Sitte sei
attisch, kiyexuL de Axxt,y.ov eivca xo eQ-og: dagegen 341, wie es
scheint, von einem ionischen Schriftsteller, dem Blilesier Leandros,
sie sei ionisch, eGxi yaq naxQiov e&og Icoi'cov, und ganz abgeri-
fsen bei Preller: cckka aal ot "Ifoveg xovxo enoCow. Z)]xii'iGeLev ccv
Tig . . . .
Ja, ^TjxijGeiev av xigl Wenn der Verf. das nur bedacht hätte!
Was soll man von diesem Gelehrten sagen , dem die Vorrede S. IX
ohne Zweifel ganz mit Recht Sieljährige homerische Forschungen'
zuschreibt, deren Hauptresultate eben, wie es daselbst heifst, in die-
sem Buche niedergelegt werden sollten, und der doch Sachen von so
grofser Bedeutung für sein Thema gar nicht einmal geahnt zu haben
scheint, der sie wenigstens nicht vorbringt, also entweder sie nicht
gekannt, oder, was noch viel ärger, für so unerheblich gehalten hat,
dafs er um sie kein Wort zu verlieren brauche. Soviel ist sicher,
dafs Lauer in Betreff Athens nur solche Stellen aus der Scholienlitlera-
tur anführt, die bei Welcker auch schon stehn, und dafs die von mir
angeführten und bei Lauer fehlenden bis auf eine, die confuse Stelle
JV 827, auch an dem betrefFenden Orte bei Welcker I, 193 fehlen.
Hiernach scheint Lauer über Athen und Arislarcb nicht sowohl die
Scholien als vielmehr das reichhaltige \\'elckersche Buch studiert zu
haben; und vielleicht mochte sich diese Beobachtung auch noch über
einige andere Punkte der Untersuchung ausdehnen lafsen, was ich er-
forschen will, wenn es jemand wünscht.
Gehen wir weiter. Fünf Orte sind es, deren Ansprüche der Verf.
genauer untersucht: Kynie, los, Kolophon , Cbios, Smyrna. Jeder
derselben, heifst es S. 86, hat eine gewichtige Autorität für sich,
256 Lauer: Gesclüchte der homerischen Poesie.
also kaiin Autorität hier gar nichts entscheiden, nur Untersuchung.
Chios hat neben andern die Autorität des Pindar, Sniyrua die des Pin-
dar und des Stesinibrotos. Aber wie man über dies doppelte Zeug'-
nis des Pindar denken solle, sagt der Verf. nicht. Was soll man mit
dem Ausdrücke anfangen"0/*jj^oi/ xolvvv TiLvöaQoq ^ikv ecpi] Xiov xs
aal ZiivQvaiov ysviö&tti'^ Soll man das XCov xe aal, wie bekanntlich
von andern vorgeschlagen ist, auswerfen? Oder soll man dem Pindar
die Annahme zuschreiben, welche 0. 3Iüller Lilteraturgesch, I S. 70
ihm zuschreibt? lieber diesen Punkt ist vom Verf. nichts angedeutet,
weder hier noch weiter untett, wo das Verhältnis von Chios und
Smyrna zu Homer weitläufliger besprochen wird, S. 101, wo die
andern Zeugen alle abgehört werden, nur Pindar nicht. Sieht das nicht
aus, als sei der Verf. um den heifsen Brei herumgegangen?
Die Untersuchung über die fünf homerischen Orte dreht sich um
folgende Punkte :
1) die Sagen der einzelnen fünf Orte vom Homer so weit wie
möglich auf ihre ursprüngliche Gestalt zurückzuführen und ihre Ent-
stehung und Fortbildung nachzuweisen ;
2) das Vaterland der homerischen Poesie zu entdecken, d. h.
den Ort, von welchem sie zuerst ausgieng, was geschehn kann, ohne
dafs man über Homers Persönlichkeit entscheidet;
3) eben über diese Persönlichkeil sich ein Urtheil zu bilden.
So geschieden und in dieser Ordnung sollten meines Erachlens
diese Punkte in der Untersuchung auftreten. Der Verf. verfährt an-
ders, er geht die fünf Orte einzeln durch und bespricht bei jedem
derselben alle drei Fragen untereinander. Das mag bequem für den
Schreiber sein, klar aber und übersichtlich für den Leser ist es nicht,
und aufserdem bedingt es unnütze und sehr lästige Wiederholungen.
Was nun den letztgenannten Punkt betrifft, die Persönlichkeit
Homers, so hat nach dem Urtheile des Verf. 0. 3Iüller es am geschick-
testen angefangen, die Nachrichten historisch zu deuten. Seine Un-
tersuchung beleuchtet der Verf. im einzelnen, und es zeigt sich, dafs
eben so gut wie Müllers Schlüfse auch die entgegengesetzten möglich
sind. Ja die Annahme, dafs Homer eine mythische Personilication sei,
wie sie bei den Griechen so häufig, scheint sogar ein Uebergewicht
zu haben. ^Die letzte Entscheidung aber,' so sagt der Verf. S. 112
*man kann es nicht oft genug wiederholen, fällt nicht der Ueberlie-
ferung, sondern den Gedichten zu. Wofür diese sich aussprechen,
dem fügt sich die Sage vom Homer, und es ist nur ein durch nichts
begründetes Vorurtheil zu glauben, dafs die Nachrichten über den
Dichter ein gegen das der Kritik der homerischen Gesänge in An-
schlag zu bringendes Ergebnis lieferten oder überhaupt liefern könn-
ten.' Unter den Deutungen des Namens Ö|U.r;()og verdient nach S. 109
die des 'Blinden' weitaus den Vorzug; dafs der Name in irgend einer
Beziehung den 'Dichter' bezeichne, das scheine sicher zu sein.
Dies Ergebnis steht im geraden Widerspruch mit dem, was vor-
hin S. 80 gesagt ist, dafs nemlich in Hinsicht auf die Persönlichkeit
Lauer: Geschichte ticr homerischen Poesie. 257
oder Unpersönlichkcil Homers die Sa^e genug- Momenlc biete, welche
ein beslimmtes Urlheil begründen. Uebriyens aber iieilst es auch hier
devTSQui. (pQovvtdeg ao<pcör£^ca: das eben dargelegte Hesultat der spä-
tem Hauptunlersuchung ist gewis richtig. Und zwar ist es das be-
deutendste Resultat des ganzen Buches; hier geschieht ein Fortschritt
über 0. Müller hinaus, der einzige wilsenschaftliche Fortschritt, durch
den sich die Arbeit auszeichnet.
So gern ich dies anerkenne, so mufs ich doch gestehn, dafs da-
mit noch eben kein grol'ses Lob ausgesprochen ist. Denn nachdem 0.
Müller vorgearbeitet, war es gegeben die MüUersche Unlersucliung
mit unbefangenem Blicke begleitend zu dem Hesultale zu kommen,
dafs das wahre an ihr mit der Annahme der Unpersönlichkeit Homers
sehr wohl verträglich sei. Was jeder verständige beim Lesen JlüUers
gedacht hat, das hat Lauer ausgesprochen und nachgewiesen.
Der zweite Punkt war das Vaterland der homerischen Poesie,
d. h. der Ort, von dem sie zuerst ausgieng. Diesen Ort kann man fest-
stellen, ohne über Homers Persönlichkeit zu urlheilen. Es ist aber
dieser Ort der Ueberlieferung nach ganz entschieden Smyrna. So
meint Lauer, so hat vor Lauer 0. Müller gemeint. Die smyrnaeische
Sage, führt Lauer S. 92. 106 aus, trage allein den Charakter der Ur-
sprünglichkeit. Sie setze sich mit keiner andern in Verbindung, um-
gekehrt aber die Sagen von Kyme und los setzten sich mit Smyrna
in Verbindung und nennten Smyrna die Geburtsslätte des Dichters.
Das berechtige zu dem Schlufse, dafs diese Orte daran verzweifelten,
den Smyrnaeern den iüihm der Geburt des Dichters mit Erfolg streitig
zu machen.
Richtig ist diese Ansicht nur bis auf einen gewissen Punkt. Denn
los mufs man doch, wie auch der Verf. wenigstens indirecl thut, trotz
der Verknüpfung mit Smyrna, wegen der originellen Züge seiner un-
ten näher zu betrachtenden Sage selbständig neben Smyrna stehn
lafsen, d. h. man kann nicht behaupten, wie es auch der Verf. nicht
behauptet, dafs die homerische Poesie von los nur ein Abkömmling
der smyrnaeischen sei ; man kann nicht leugnen, wie es auch der Verf.
nicht leugnet, dafs die leten schon in der Zeit eine homerische Poesie
besafsen, wo sie mit Smyrna noch nichts zu thun hatten. Aber es
gibt allerdings einen gemeinsamen Ausgangspunkt für Smyrna und los,
und nur einen ; und das ist — Athen.
los erhielt seine ionische Bevölkerung bei Gelegenheit der ioni-
schen Wanderung nach Asien, und in die Zeit dieser Wanderung setzt
Aristoteles, der Vertreter der ietischen Sage, ausdrücklich Homers
Erzeugung auf los. Also die Fäden der Ueberlieferung laufen aller-
dings aus Kleinasien in Smyrna zusammen, dann aber noch weiter
rückwärts, sich mit dem von los kommenden vereinend nach Athen,
von dessen Prylaneion, wie Herodot sagt, diejenigen ausgiengen,
welche sich für die edelsten lonier hielten. Sollte vielleicht Homer
zu den edelsten loniern gehört haben? Ich will diesen Gedanken für
jetzt nicht weiter verfolgen, sondern nur wieder auf Aristarch hin-
A. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVIl. Hß. 3. 17
258 Lauer: Geschichte der homerisehcn Poesie«
deuten, der mitten durch das ganze Gewirr von Sagen hindurch dert
Nagel auf den Kopf traf und genau den Punkt herausfand, von wo al-
lerdings die homerische Poesie zuerst ausgegangen sein mufs.
Unserm Verf. freilich liegen solche Gedanken ganz fern. Er
protestiert entschieden gegen den ionischen Homer und fordert einen
aiolischen. Er sagt S. 110, er thue dies im Namen der Ueberliefe-
rung, bringt indessen keinen andern Grund vor als den, dafs Smyrna
bis Ol. 20 äiolisch gewesen sei.
Nun hat aber doch 0. Müller Litteralnrgesch. I S. 72 aus den Al-
ten nachgewiesen, dafs in Smyrna eine ionische Colonie von Ephesos
und eine aiolische von Kyme zusammenwohnten — auch sonst kommt
bekanntlich dergleichen Verbindung vor, und nicht selten — , dafs
die lonier später erst von den Aiolern vertrieben wurden und sich
nach Kolophon wandten, dafs dann von Kolophon aus Smyrna wieder
erobert und ganz ionisch gemacht w ard, vor der Zeit des Gyges, wel-
cher um 700 v. Chr. lebte. Diesen Beweis Müllers hat Lauer selbst
S. 89 dem Leser vorgeführt, hat ihn aber nicht entkräftet; ja er hat
ihn nicht einmal angegriffen.
0. Müller nimmt an, dafs die erste ionische Colonie nach Smyrna
sogar etwas früher als die aiolische kam, weil der Name der Stadt,
wie wir wifsen, von dem ephesischen Smyrna hergenommen ward.
Ich werde w eiterhin zeigen , dafs nach der eignen Ueberlieferung der
Aioler die aiolische Colonie dreizehn Jahre später nach Smyrna kam,
als die ionische Wanderung nach der jüngsten Berechnung, also der
für die lonier in diesem Falle ungünstigsten, angesetzt werden kann.
Lauer meint a. a. 0. ferner, schon Welcker habe richtig er-
kannt, dafs die Spuren der Ueberlieferung auf einen aiolischen Homer
führten. Welcker? Schon? Man mufs alle gebührende Achtung vor
Welckers Verdiensten haben , aber man darf nicht so schreiben, dafs
es aussehe, als ob diese Ansicht vom aiolischen Homer nicht schon
im Alterthum aufgetreten wäre! Ich will von den vielen Stellen, die
ich eitleren könnte, vor allen eine eitleren, die im Anecd. Rom., von
welcher der Herausgeber Osann p. 5 sagt, er habe diesen locus olim
veröffentlicht, er sei aber spretiis a viris doctis. Suchen wir den
Fehler der tirorum doctorum zu meiden, der locus spretus lautet so:
Triv 6s Ttoltjöiv avayivcoaneö-d'ai ai^ioi ZfonvQOg o Ma'yui]g AioUdi,
ciialeKxay ro ö' avxo nai JinmaQiog. Also diese beiden forderten,
die homerischen Gedichte müsten durchweg in aiolischen Dialekt um-
gesetzt werden. Glaubt wohl irgend jemand, dafs sie diese immense
Forderung stellten ohne fest überzeugt zu sein , dafs die Spuren der
Ueberlieferung auf einen aiolischen Homer führten? Und wenn jemand
sie für aberwitzig genug hält um so etwas lediglich auf Grund ein-
zelner schon vorhandener aiolisierender Varianten und sachlicher Indi-
cien aus den Gedichten selbst zu fordern, so fragen wir: hat denn
z. B. Ephoros mit seiner langen Geschichte von der aiolischen Ab-
kunft Homers sich auch nur auf innere Gründe aus den Gedichten
gelbst gestützt und seine Geschichte fingiert ? Lauer selbst meint S. 87,
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie. 250
Ephoros Erzählung sei kymaeische Volkssage, nicht gelehrte Com-
bination.
Es ist aber die ganze Behauptung vom aiolischen Homer im Al-
terthum nicht allein aufgetreten, soiulern auch schon beseitigt worden,
und zwar durch Aristarch, den unser Verf. hier wieder gar nicht ein-
mal nennt. Aristarch, das sehen wir noch aus der uns vorliegenden
Scholienlitteratur, Aristarch zerschhig Stück für Stück dieWaifen der
für einen aiolischen Homer kämpfenden nud setzte an die betrelFenden
Stellen der Gedichte seine Diplen, wahre vesiif/ia leoiiis. So sagte
man z. B., Schol. A 459, das uv igveiv beim Opfer sei ein absonder-
liches kymaeisches k'd-og; gegen diese Behauptung setzte Aristarch bei
den betreffenden Stellen eine Diple; die Erklärung des Aristonikos ist
in ihrer ursprünglichen Fafsung bei 5 4"22 erhalten: av eQvoav: rj öi~
TtAr], OTi TO av iQvöav avrl tov eig tov71l6(o aviv-XaGav , ö uoiovaiv
Ol öcpd^ovreg. Und die Richtigkeit dieser Interpretation ward durch
Stellen bewiesen, wo av igvetv in anderer Verbindung vorkommt:
M 261 av EQVov: tj ötnlrj^ öxi eig tovtclö(o silxov, nQog to ' av sqv-
Gav [i£v TTpcora.' A. In der Stelle O 651 hatte man das tiiq für ein«
aiolische Form erklärt; Aristonikos: a'ivviisvoi nsQ haiqov: rj öntkrj^
ori ikXsiTtsi 1/ tisqI, tcsqI sraiQOV. ElXavixog ös AlokiKwg vo^l^et rrju
neqi TtiQ eiQija'&ai. A. Und nun wurden mit einer Diple auch alle an-
dern Stellen bezeichnet, wo ein blofser Casus die Stelle einer Praepo-
sition mit einem Casus einnimmt. Aber damit nicht zufrieden, die Be-
weise der Gegner zu zerstören, wies der grofse Kritiker auch die
Punkte nach, welche mit der Annahme eines aiolischen Homer unver-
einbar seien. So z. ß. zu //856 li^vxij d ix ^e&ecoi' 7tTa}iiv}j"Atö6gds
ßcßrjxei sagt Aristonikos ■»/ ömXfj, oxi ndvxa ra fif'A»/ ^id^t] OfA-ijQog
7tQ06ayoQEvet.y oi de AioXelg (lovov to TtQoGconov. A. Zu dieser Classe
von Anmerkungen gehört denn auch die von Lauer in der oben be-
leuchteten Stelle über Athen citierle bei iV 197, über das Vorkommen
des Duals im Homer.
Eine Menge aiolischer Lesarten verwarf, wie mau aus Didymos
sieht, Aristarch, und zog die attisch -ionischen Varianten vor. Dafs
Aristarch diese Varianten nicht machte, dafs er sie eben als die be-
glaubigten vorfand und so mit durch sie eben dazu bewogen wurdo
der Ueberlieferung vom attisch-ionischen Ursprünge Homers den Vor-
zug zu geben, versteht sich von selbst und kann nur von denen be-
stritten werden, welche dieser Sachen durchaus unkundig sind, ^^'o
die aiolische Form die befser beglaubigte war, behielt sie Aristarch.
Das war aber eine kleine Minderzahl von Stellen, und von dieser Min-
derzahl sagte Aristarch, eben so gut wie aus ihnen einen aioli-
schen, könne man aus den dorischen Formen in den Gedichten einen
dorischen Homer folgern. Auf diese Beweisführung deutet z. B. dio
Diple bei Z 262, wo Aristonikos sagt rj öml^, ort änQiog Jwiitov
TO rvvr].
Anstofs aber erregen diese Dorismen im Homer eben so wenig
wie die Aiolismen. Denn zuvörderst war in der Zeit, wo Homer ge-
17*
260 Lauer: Geschiclile der homcrisclicn Poesie,
dichtet ward, sehr vieles allen Griechen gemeinsam, was späler nur
in einem einzelnen Stamme haftete, also als dialektisch erschien;
zweitens aber ninfs man die Zusammensetzung des ionischen Stammes
wohl beachten. Die lonier waren ein Mischvolk, unter dem sich gro-
fse Massen von aiolischer und dorischer Abkunft befanden, ^^ enigstens
dals dies in Kleinasien so war, bezeugt llerodotl, 146: 'Wollte man
aber sagen, dieselben seien mehr eigentliche lonier als die anderen
lonier, oder ihr Ursprung edler , so wäre das sehr einfältig: indem
die Abanten aus Euboia mit nichten den kleinsten Theil von ihnen
ausmachen, ohne auch nur im Namen etwas ionisches zu haben, und
ihnen 3Iinyer von Orchomenos, auch Kadmeer, Dryoper, ein Theil
Phokeer, Molosser, pelasgische Arkader und dorische Epidaurier nebst
vielen andern Stämmen beigemischt sind. Auch diejenigen, die vom
Prytaneion in Athen ausgiengen und sich für die edelsten lonier halten,
haben keine Weiber mit in die Pflanzung gebracht, sondern sich Ka-
rerinnen genommen, deren Väter sie gemordet hatten.'' Nachdem Ile-
rodot hinzugesetzt hat, dies sei in 3Iilet der Fall gewesen, und da-
raus sei dort eine gewisse Sitte enistanden, fährt er im folgenden
Capitel so fort: 'Zu Königen aber machten einige derselben Lykier,
Nachkommen von Glaukos, Hippolochos Sohn; andere nahmen sie aus
den pylischen Kaukonen, von Kodros, Melanihos Sohn, andere aus
beiden. Freilich hängen sie mehr als die übrigen lonier an diesem
Namen. So lafsen wir sie denn auch den reinen lonierslamm sein.'
Diese Stelle ist schon allein im Stande alle Aiolismen und Doris-
men in den homerischen Gedichten zu erklären. Wenigstens für den,
welcher den Homer in Kleinasien geboren sein läfst, Dafs aber die in
ihr besprochenen Verhältnisse auch bei der Aristarchischen Annahme
eines athenischen Homer zu berücksichtigen seien, wird weiterhin
deutlich werden.
Wie aber der alt -ionische Stamm von den fremdartigen Elemen-
ten nicht überwuchert ward, sondern vielmehr sie unter sein Dach
nahm, gerade so herscht auch im Homer der alt-ionische Dialekt über
den dorischen und aiolischen. Ich sage der alt-ionische, denn dieser
Dialekt, identisch mit dem ältesten athenischen, bezeichnete Aristarch
ausdrücklich als den Dialekt Homers, indem er ihn ebensowohl von
dem späteren Attisch wie von dem späteren Ionisch unterscheidet.
Schol. A A 589 Äiavxt^ og ßelieGGi: ^ dntkrj^ oxl Zr]v6öorog yQäcpet
Ai'avrog ßskssGöi. ysvivii] [jlsu ovv ov^ kq^o^si, (oGre öexEOdat rov
Ai'avrog' ii Ös Kai v,axa. övvaXoicprjv iv rm iptAw avrt0TOix(p yiyqa-
cpEv, 'iv r} xo nXiJQsg Al'avx^ og ßsXie66LV, ovn I'gxl r% nc(& Oihjqov
laSog x6 ilfilovv xa xoiavxa. iC 281 'ij ömXrj, oxl xo naXiv ccvxl xov
slg xovTtiöo}^ xal öxi lanov xo 6v6xeXXsi.v, evxXetag ncci övö^Xia' ot
8s ^AxxtKol ixxBLvovßt, xa xoiavxa. B 1J5 t; ÖLTtXt]^ oxi xaxa 6v6xo~
Xrjv'0iir]QiK7]i' xa xoiavxa ixcpiQSi, övöviXia nal ayanXia^ Icavtucög'
Ol ÖS ^AxxiKol sKxstvovöiv. Der Codex und Bekker haben die Worte
7] öinX'^ nicht, Villoison hat eine itsQisaxiy^svn] im Text. P 112 ri
öiTtXij, OXL XYiv %axa ayqov EnavXiv fiiööavXov oi Ö£ Axxlkol x^v
Lauer: Giiscliiclilc der liomcrischtiii Poesie. 261
fiiaijv ■&v(iav Trjg avkijg, t-iju öw()L^ovOau rijv re yvvaLKoovtziv aal
TOv avdfjcüva.
So besläligte Arislarch seine Ansicht über Homer nach allen Sei-
ten hin aus der BeohachliniK- der Gedichte. Üafs den Gedichten selbst,
nicht den Nachrichten vom Homer die letzte Entscheidunja: in der Frage
»ach dem Vaterlande des Dichters zustehe, sagt auch Lauer. 'Schon
die Allen fühlten es,* sagt er S. 112 * dals die homerischen Gesänge
für diese Frage zu gebrauchen seien'; . , . Sie fühlten es nur? . . .
'daher ihre Anmerkungen über aiolisches, altisches u. a. in dem Dich-
ter*. . . . Wie naiv! Der Verf. meint wirklich, die Alten hätten das
dialektische im Homer auf eben so dilettantische Art angemerkt, wie
er selbst etwa die Scholien citiert. . . . *Aber erst in neuerer Zeit hat
man diese Quelle mit einigem Geschick verfolgt.' . . . Sieh doch! . . .
'Zuerst geschah dies von Hobert Wood.' . . . Sieh sieh ! Aristarch war
wohl ein recht ungeschickter Mensch, besonders im Vergleich mit
Hobert Wood? Freilich, seiner Zeit begann 'der llr. Hofrath Heyne'
seine Recension Woods mit den Worten; 'Noch niemanden haben wir
gesehn, der so tief in den Geist Homers eingedrungen wäre', und wei-
terhin sagte er dann: 'Wir haben noch niemanden gefunden, der un-
gern Ideen hierunter so gut zu statten gekommen wäre'. Lauer sei-
nerseits rühmt das 'anregende' Woods. Ich mufs gestehn , dafs mir
sein Buch, obschon ich ihm das verdienstliche nicht abspreche, doch
stets den gröfsten Widerwillen eingellöfst hat, durch die breitspurige
und gezirkelte, echt englische Art mit der es seine Hand voll Be-
obachtungen bietet. Zum Davonlaufen bin ich durch dies Buch 'ange-
regt ' worden.
Vornehmlich das geographische im Homer, setzt unser Verf.
S. 113 weiter auseinander, gibt auch bei Thiersch die Argumente ab,
andere haben für andere Locale andere Gründe geltend gemacht, alle
aus den Gedichten. Das Princip sei richtig , die Anwendung vielfach
verfehlt, fliit Sicherheit lafse sich aus der Ilias wie aus der Odyssee
erweisen, dafs beide Gedichte an der Küsle Kleinasiens ihre letzte
Gestalt erhielten. Näheres über das wo? werde später folgen [im
zweiten Buche]. Hauptsächlich müfse man den Stolf berücksichtigen,
denn die ältesten Dichter hätten nachweislich nur vaterländische Stoffe
behandelt.
Das ist recht schön, sagen wir, aber es ist nur schlimm, dafs
die Griechen so viele Colonien haben. Jede Colonie betrachtet die
Stoffe der Metropole, ja der Metropole von dieser und weiter hinauf
gleichsam der Urgrofsnuitler als vaterländische, und aufserdem auch
noch die Stoffe der Schwestern, Basen und Freundinnen. Ein Beispiel
gibt gerade das Buch, in welchem der Verf., wie er hier S. 114 sagt,
vor mehreren Jahren schon selber diesen Weg gewandelt ist, von
welchem er meint, dafs er am sichersten zum Ziele führe. Nemlich in
der quaestio Homerica wurde das boiotische der Nekyia nachgewie-
sen und auf Grund desselben die Nekyia nach Boiotien gesetzt; und
jetzt gibt Lauer selbst S. 11-1 in der Anmerkung zu, es sei wahrschein-
262 Laiiei'; Goöcliiclilc der homerischen Poesie.
lieber, dals die Nekyia in einer boiotischen Colonie gedichtet ward
als in ßuiolicn seihst. Der boiotischen Colonien sind aber viele, Boio-
ter waren unter anderm, wie die oben angeführte Stelle des Herodot
und norli viele andere Zeugnisse darthun , massenweise unter den lo-
iiiern die nach Asien giengen , ßoioter von allen Arten, Kadmeionen
von Tiieben , Minyer von ürchomenos und Pylier. Nun fällt also die
ganze Deduclion der quaesiio.
Denn diese setzte anf Grund des boiotischen in der Nekyia die-
selbe nach ßoiolien selbst. Ich wiederhole das, weil der Verf. über
diesen Pnnkt in dem spätem Werke sich einer Selbstleuschung hin-
gibt. Er behauptet nemlich in der bezeichneten Anm. das. S. 114, es
werde sclion in der frübern Schrift zu zeigen versucht, dafs das k *in
Boiotien selbst oder unter ehemaligen Bewohnern dieses Landes' ge-
dichtet sei. In der quaesiio hat aber Lauer die Ansicht, die Nekyia
sei entweder in Boiotien selbst oder unter ehemaligen Bewohnern die-
ses Landes gedichtet, diese Ansicht hat er dort so wenig ausgeführt,
dals vielmehr nur von dem erstem Falle überhaupt die Bede ist, von
dem letztem aber, der Entstehung in einer boiotischen Colonie, auch
nicbt eine Silbe verlautet. Das wird entweder durch Autopsie jeder
schon selbst wilsen, oder alsbald erfahren können. Die Herren Her-
ausgeber der Geschicble der homerischen Poesie sind vollkommen
meiner Ansieht; sie sagen Vorrede S. VII von der quaestio: 'Sie legte
Zeugnis ab von der selbständigen Forschung und Aulfal'sung Lauers,
der darin eben so geistreicb , als mit gründlicher Gelehrsamkeit den
Beweis zu führen versuchte, dafs die I^SKVia [lies NiKvia] einst ein
gesonderles Lied gewesen, dessen Heimat in Boeotien zu suchen sei.'
Dafs jetzt der Verf. die spätere riebtigere AulTafsung in jene
frühere Zeit binaufrückt, kann mau als eine Art Analogon zur antiken
Mytlienbildung betrachten, mit der Lauer nach Vorrede S. I so viel
sich besciiäfligte; wie z. B. Hercules schon so manches gethan haben
soll, was eniscbieden erst in weit spätem Zeilen geschah.
Näher bestimmt wird die spätere Auffafsung vom Verf. in der
Gescliichte der homerischen Poesie S. 231 Anm. 151, in einem Theile
des Werkes, welchen die Herausgeber nach S. 211 Anm. 108 aus der
Lauerseben Habilitationsschrift unverändert aufgenommen haben. Hier,
in dem Bmcbstücke einer Schrift, welche der Zeit nach zwischen die
quaesiio und das grofse Werk fällt, ist der Gedanke im Uebergange,
das wahre der Sache fängt an sich in Lauers Ueherzeugung Bahn zu
brechen, aber die frühere falsche Vorstellung wird doch noch nicht
entschieden verleugnet. Es heilst nemlich: * Obgleich ich mich da-
mals im allgemeinen mehr zu der Ansicht neigte, dafs die JSi'Kvia im
nachmaligen Boiotien — und nicht blofs unter einstigen Bewohnern
dieses Landes entstanden sei, so kann ich doch hier noch eine andere
Vermiithung mitlheilen, die manchem vielleicht befser zusagt,' Diese
Vermutliung nun läuft auf nichts geringeres hinaus als darauf, dafs
das A im Peloponues, sage im Peloponnes, bei den dortigen Minyem
oder Kadmeionen gedichtet sei. Also auch da, wo Lauer endlich auf
Lauer : Gescliiclilo der hoincrisclicii Poesie. 263
den richlig^en Weg- g-ebraclil war, isl er in uiihegreiflinlier Verblendung
wieder seitwärts abgewielien. llomcrisciie l'ucsje im Pelojjonnes ge-
dichtet! Ein Witzbold würde sagen, diese Ansicht sei wenigstens
nicht minder boeotisch als die, welche das k nach Boeotien selbst
setzte.
Aber lafsen wir den Scherz; es hat eine zu betrübende Seile,
dafs, nachdem der lleifsige Verf. so lange und mit solcher Liebe die
Geschichte der homerischen Poesie und besonders gerade das \ stu-
diert hat, nun doch noch erst ein anderer den einen Ort nennen muls,
wo Leute boiotischen Geschlechts und der Sloll" des A und homerische
Poesie zusammen sind. Dieser Ort ist Kolophon. Kolophon, die Va-
terstadt so vieler alter, grol'ser Dichter, die Sladt, welche bekannt-
lich den Margites und aufserdem auch Nostoi hervorbrachte, Kolo-
phon, w^elches den Homer seinen Bürger nannte, diese Stadt war nach
dem bekannten Zeugnisse des Mimnermos, eines gewis entscheiden-
den Zeugen, ganz oder doch zum überwiegenden Theile von Pyliern
besetzt worden; Kolophons Hauptlempel aber, der des Apollon in
Klares, knüpfte bekanntlich seine Entstehung an die Manto , die Toch-
ter des Teiresias, welcher im A die llaupirolle spielt, in Kolophon
aber ein Grab hatte. 'Aitkov^ o ^v&og t% ak)id'£iag e'g)v: ich braueUo
keine Citate zu häufen.
Also in Kolophon ist das k oder die ganze Odyssee gedichtet?
— Ei bewahre! dann hätte ja Lauer doch Recht mit seinen Schlüfsen
aus dem StolT auf das Vaterland, und man brauchte nur Vorsicht bei
denselben anzurathen. Dafs Smyrna schon zur Zeit seiner ersten ioni-
schen Colonie aufs engste mit Kolophon zusammenhieng, lehrt der
Umstand, dafs diese ersten ionischen Bewohner Smyrnas, als dieAio-
1er sie vertrieben, gerade nach Kolophon giengen. Also der Dichter
des k oder der ganzen Odyssee könnte trotz des boiofisch^kolophoni-
scben im k der Smyrnaeer Homer gewesen sein , welcher der Schwe-
sterstadt in diesem Gedichte oder in diesem Theile des Gedichtes eine
Ehre erwies, und um so lieber, als es ihm für sein Gedicht trefflich
passte.
Also auf Verbindungen der Dichter mit Städten kann man aus
dem SlolTe der Gedichte scliliefsen? — Allerdings, und aufserdem
noch auf allerlei, z. B. auf Verwandtschaft der Schulen, auf Sitten
und Lebensrichlungen der Zeit, auf den Stand der Sagen; nur gerade
auf das nicht, worauf unser Verfafser aus dem Stoffe sohliefsen will.
Er hätte auch hier von Aristarch lernen können. Dieser hat
nicht aus dem Stoff auf das Vaterland geschlofsen; ja sogar das slolT-
liche der Form, die Wörter und Formen braucht er nicht zur Fest-
stellung des Vaterlandes, sondern nur um den Stamm nachzuweisen,
dem Homer angehörte. Das war ein anderer Mann, der schlofs aus
der Manier, aus der Art zu schwören und die Worte zu fügen, der
setzte Diplen Ttgog xr]v ArtLKrjv övvra^ii'.
\>'ir sind eben auf das Verhältnis Kolophons zu Smyrna geführt
worden, wir erinnern uns, dafs wir ja überhaupt noch den dritte»
264 Lauer: Gcschiclüe der homerisclicn Poesie.
Punkt der Uiifersuchung erörlern inüfsen, das Verhällnis zwischen
Smyrna und den andern vier Orten, die Entstehung und Forthildung
der Sagen, welche die letzteren betreffen.
Der \'erf. bildet hier die Miillersche Idee ins einzelne aus.
Er behauptet S. 106, ganz wie 0. Müller, die smyrnaeische Sage
besitze allein den Charakter des einlachen und ursprünglichen. Homer
ist nach dieser Sage der Sohn der Nymphe Kritheis und des Flufs-
gottes Meles und heifst deshalb Melesigenes ; an den Quellen des
Flufses zeigte man die Grotte, wo er seine Gedichte gedichtet habe;
ein Homereion zu Smyrna gab Kunde von der Anhänglichkeit der
Stadt an 'ihren ersigebornen.'
Das alles, sagen wir, ist recht schön, aber es beweist doch im-
mer nur, dafs Smyrna für Kleinasien der älteste homerische Ort ist;
los bleibt daneben stehn, und weiter rückwärts als gemeinsamer Aus-
gangspunkt für los und Smyrna bleibt Athen.
Fahren wir fort, so klar wie uns möglich, die Ansichten des
Verf. darzulegen. Während der Ruhm der homerischen Poesie von
Smyrna aus sich immer mehr verbreitete, glaubten auch andere Orte
sich berechtigt, einen Anspruch auf den Dichter geltend zu machen,
iiemlich
1) Kyme, weil es
a) Mutterstadt von Smyrna war,
b) Hauptsilz derjenigen Stämme war, deren Thaten vornehm-
lich die homerischen Gesänge darstellen,
c) vom Geschlechte des Agamemnon beherscht wurde.
2) los, weil dort ein Dichtergeschlecht bestand, welches seinen
Mittelpunkt in einem Grabe Homers hatte, woselbst es seine Opfer
darbrachte. An dies Grab hatte sich, bevor die smyrnaeisclien
Ansprüche durchdrangen, eine Sage geknüpft, nach welcher Homer
auf los auch geboren sein sollte, von einem Mädchen Namens Kly-
mene, 'die berühmte.'
3) Kolophon, weil soviel feststand, dafs daselbst der Margites
gedichtet war.
4) Chios, weil es der Sitz des Geschlechts der Homeriden war.
Nachdem nun Smyrnas Ansprüche durchgedrungen waren, galt
es für diese vier Orte, ihre Ansprüche mit denen Smyrnas in Einklang
zu setzen.
Gelegenheit dazu bot der Umstand, dafs Homers Geschlecht in
der smyrnaeischen Sage über seine 3Iutter Kritheis nicht hinausge-
führt war.
Hieran knüpften die Kymacer an (S. 86. 92) und behaupteten,
Homer sei allerdings in Smyrna am Meles geboren, aber nicht dort
erzeugt; seine Mutter heifse allerdings Kritheis, sei aber keine Nym-
phe, sondern ein Mädchen aus dem vornehmsten kymaeischen Ge-
schlecht; für seinen Vater gelte allerdings der Meles, aber der Meles
sei nicht der rechte Vater; heimlich von einem verwandten in Kyme
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie. 265
geschwängert, sei das Mädchen, um der Entdeckung vorzubeugen,
nacli Smyrna hin verheiralet worden.
Diese Darstellung; hcruhl auf Ephoros. Im wesentlichen stimmt
mit ihm eine andere Er/,äiilung in der vila B. Als Mann der Krilheis
in Smyrna ist der Schulmcisler Fhemios erst durch 'die ungelehrten
Gelehrten' in die Sage gekommen, S. 96 Anm. 56.
Die ungelehrleii Gelehrten! Ja wenn nur unser gelehrter Gelehr-
ter S.87 nicht gesagt halle, die vita E berufe sich wegen des kymaei-
schen Ursprunges des Homer auf "^ Ephoros und die Historiker.' Wie
konnte eine gelehrte Feder sich nicht sträuben das aufs Papier zu
bringen? Bei Westermann im Text steht freilich xar« d' "Ecpo^ov Kai
Tovg töxoQLKOvg Kv^iatog ^ aber nicht alles ist Gold, was bei Wester-
mann im Text steht. In der Note sagt dieser: aal om. C. videfur alius
quoque sciiploris noinen excidisse, neliit Irniluv (Imtvv? cf. vila 6.
v. 3), nisi Olli. x«t scrihendum xov iötoqcxov. In der hier citierlen
vita F heifst es: Inmag d cev xal EifOQog Kvfiaiov , in der zweiten
Plutarcbischen vita aber c. 2 "EcpoQog de o t6xoQLY.og Kv^aiov. Alles
zusammengenommen lehrt, dafs in der fragliehen Stelle der vita E
mit völliger Sicherheit zu befsern sei aaza ö' "EtpoQov xov iGxoqiVrOv
Kv^ialog.
Aehnlich wie Kyme knüpfte los (S.90) an die smyrnaeischeSage
an. Homer, sagten die leten, ward zu Smyrna geboren, aber auf
los mit einem Mädchen dieser Insel erzeugt. So weit machten es die
leten gerade wie die Kymaeer. Aber während Kyme in festem äufse-
rem Verwandtschaftsverhältnisse zu Smyrna stand, war der Zusam-
menhang zwischen Smyrna und los nur ein idealer , auf die Gemein-
samkeit der Poesie gegründeter. Daher trat in der Ausführung des
einzelnen ein Unterschied zwischen der Art der leten und der Ky-
maeer ein. Letztere machten einen ihrer Mitbürger zum Vater des
Dichters, erstere, die Dichter auf los, einen der Daemonen, welche
mit den Musen den Heigen tanzen; sodann liefsen sie das schwangere
Mädchen von los nach Smyrna durch Seeräuber kommen, die Kymaeer
dagegen brachten es durch eine Verheiratung dorthin.
Lauer konnte hinzufügen, dafs die Kymaeer sie an einen Privat-
mann in Smyrna verheirateten, die leten an den König der Stadt,
Maion, welchen sie sammt der Mutter bald nach der Geburt des Dich-
ters sterben liefsen. Von solchem Tode der Eltern scheinen die pro-
saischen Kymaeer nichts zu wifsen.
Die Mutter Homers hiefs auf los, wie bemerkt, ursprünglich
Klymene; die leten muslen aber der smyrnaeischen Sage zugeben, sie
habe Kritheis gebeifsen, in der Art, dafs sie daneben doch auch den
Namen Klymene festhielten und eine doppelte Ueberlieferung in die-
sem Punkte bei ihnen sich ausbildete.
Dafs Lauer diese Verhältnisse von los und die von Kyme im
allgemeinen gut bebandelt habe, erkennt Ref. aufs bereitwilligste an;
namentlich ist der Beweis dafür gelungen, dafs es den Kymaeern und
leten unmöglich erschien, den Smyrnaecrn den Ruhm der Geburt strci-
266 Lauer: Gescliichtc der homerischen Poesie.
tig zu machen. Doch übersichtlicher muste Lauer schreiben; die Wie-
derholungen , die unpassenden Trennungen und überhaupt die ganze
Anordnung zeigen, dafs er trotz alles Fleifses noch beim Abschlufs
dieser Glanzpartie seines Buches S. 86 — 98, welche auch die oben
mit gebüiirendem Lobe genannte Polemik gegen 0. 3Iüller unifafst,
Herr und Meister des StolTes nicht geworden, bis zur völligen Klar-
heit des Gedankens nicht durchgedrungen war.
Vor allem ist zu bedauern, dal's er das ursprüngliche der leten-
sage Verkannt hat. Man kann und mufs einräumen, dafs diese später
an die smyrnaeische sich anschmiegte, nimmermehr aber kann man
einräumen, dafs sie weniger ursprünglich als die smyrnaeische, und
die homerische Poesie auf los nichts als ein Kind der smyrnaeischen
sei. Die Erzeugung durch einen der Daemonen, welche mit den 3Iusen
den Reigen tanzen, der dieser Sage eigenthümliche Name der Mutter,
wie ihn die von Kyme nicht hat, die Flucht der geschwängerten Klymene
an einen Ort Namens Atyiva, auf los gelegen, das Grab des Dichters
auf los, das Grab seiner Mutter, welches ebendaselbst gezeigt ward:
das alles sind so besondere und eigenthümliche Dinge, dafs man die
ursprüngliche ietische Sage, wie sie vor der nicht zu leugnenden spä-
tem Combination mit der smyrnaeischen bestand, dieser letztern als
durchaus ebenbürtig zur Seite stellen, folglich auch annehmen mufs,
dafs die Dichter von los ursprünglich von Smyrna nicht abhiengen.
Auch verwirft der Verf. diese Annahme keineswegs ; er bespricht sie
eben gar nicht und hat sie ohne Zweifel auch nicht bedacht; und da
zeigt sich denn so recht jener Mangel an durchdringender und umsich-
tiger Kritik.
Was die Kolophonier (S. 98) in Bezug auf Homers Erzeugung
und Geburt sagten, ist nach der Ansicht des Verf. nicht klar. Aber
soviel, meint er, ist klar, dafs sie mit Bestimmtheit behaupteten, Ho-
mer habe sich bei ihnen zuerst der Poesie gewidmet, habe bei ihnen
den Margites gedichtet, sei bei ihnen blind geworden, und als blinder
nach Smyrna und andern Orten gezogen.
Die Angaben vom ßlindvverden und vom Dichten des Margites ge-
hören nach der Ansicht des Verf. eng zusammen. Der Margites sei in
niedern Volksschichten gedichtet; in diesen widmeten sich besonders
blinde der Jlusik und Poesie; als homerisch habe der Margites gegol-
ten, weil er Volkspoesie war, nicht gelehrte.
Ref. hat bei diesem Theile der Arbeit nur eins zu bemerken, dafs
er es nemlich doch nicht aufgibt, die ßeiiauptungen der Kolophonier
in Bezug auf Homers Erzeugung und Geburt in etwas herauszubringen.
Nur kann darüber an dieser Stelle noch nicht verhandelt werden.
Was die chiische Volkssage von Homers Geburt berichtete, läfsl
der Verf. (S. JOD ebenfalls unentschieden. Aber wir haben ja für
Homers Geburt auf Chios das ausdrückliche Zeugnis nicht nur des Eu-
thymenes, den allein der Verf. S. 102 nennt, sondern mit ihm in der-
selben Stelle des Clemens von Alexandrien (Strom. I, 21, 117) auch
noch des Archemachos, zweier unvcr»ichllicher Leute, die ohne allen
Lauer: Gcscliiclilc der liuinerisclien Poesie. 267
Zweifel dabei auf die Volkssagc vom Chios sicli slülzleii. * Die iiero-
doleisclie ßiogrii|)hie,' sagt der Verf. S. 102 'welclie nur im trüben
Heilex das Bild der alten Sage wiederspiegelt, läfst den Homer über
Pliokaia und Eryllirai nacb Cliios kommen, die kinder seines dortigen
Gastfreundes in dem Flecken Holissos unterrichten, später nacli der
Sladt Cliios übersiedeln und daselbst in der Schule die Kinder seine
Gesänge lehren. In Cliios dichtete er auch seine beiden grofsen Epen;
eine Angabe die um so mehr Aufmerksamkeit verdient, als sie in
einer Schrift gemacht wird, welche Smyrna als Vaterstadt des Dich-
ters preist. Es scheint darnach, als ob Smyrna nur hierauf Anspruch
gemacht, dagegen Chios als das Vaterland der homerischen Gesänge
von Allers her gegolten hätte.' ^
Keineswegs. Lauer bringt S. 107 selbst das Zeugnis des Pausa-
nias Vll, 5, 12 (al. 6), bei Smyrna an den Ouelleu des Meles zeige
man die Grotte, in der Homer seine Gedichte dichtete. Also die Sache
steht vielmehr so: Chios machte wie Smyrna Anspruch auf Geburt des
Lichters und Abfafsung der Gedichte; beide Sagen bestanden in ihrer
Schrolfheit nebeneinander fort, wie für Smyrna Pausanias, für Chios
Eutbymenes und Archemachos beweisen; daneben aber gab es noch
eine ganz andere Sage, welche den Homer von Smyrna nach Chios
leisen liefs, d. h. in Sagenform die \> ahrheit aussprach, die Pflege
der homerischen Poesie sei von Smyrna nacb Chios verpllaiizt w ordeu.
Auf diese Sage fufsend traten nun Vermittlungsversuche auf wie in
der herodolischen vita, welche die Geburt den Smyrnaeern, die Ge-
dichte den Chiern zuUieilt.
Wenn dabei im Alferthum in Bezug auf die Abfafsung der Ge-
dichte sich im allgemeinen mehr Leute für Chios entschieden, so ist
der Grund in dem übermäfsigen Hervortreten des dortigen Homeri-
dengeschlechls zu suchen, welches Hervortreten sich aus Verhällnisseii
erklärt, die der Verf. nicht im entferntesten ahnt, obgleich er S. 103
aus neuen und alten Scribenten eine endlose und wahrhaften Schreck
einllöfsende Cilatensammlung über diellomeriden zum Vorschein bringt.
Leider erfordern diese höchst interessanten Verhältnisse von
Chios eine zu weilgreifende Untersuchung als dafs sie sie hier pas-
send gefuhrt werden könnte. Wir müfseu uns hier begnügen mit einer
Beleuchtung dessen, was Lauer S. 103 von der Stelle des Harpokra-
tion über die Homeriden sagt.
Diese Stelle lautet so: 'O^rjQiöaL' löoKQattjg EXivr]. 0[ii]Ql-
dai yivog iv Xico, otteq Ay.ov6iXc.og iv y\ EXkuvr/.og iu rf] Axkav-
TLÖL ano rot) TtODjXOV q)t]alu (ovoixaö&ai. IJikevKog de iv ß tteqI
ßiwv a^aQxavnv (p)j6l KQäzi^ra vo^i^ovxa iv xalg ti^onoiicag Ofii]-
(jiÖag aTtoyovovg slvai tou noujxov' a))'0^ici6d'Tjaav yag ano xcov ofiTj-
Qav, iTtel al yvvai/.ig Ttoxe xcov Xiav iv Aiovvöioig nciQCicpQovi]Gci6c{t
dg fjicixijv ril&ov xotg ccvÖQaai Kcd Sovreg akh'jkoig o^djqu vvjicplovg
'/.al vviiqyag eTTavdavxo, wv xovg aTToyovovg O^iijQidag Xeyovtiv.
Krales Meinung, behauptet der Verf., war die, dafs die Home-
riden nur in Bezug auf die dem llomer gemeiaschafliich dargebracli-
268 Lauer: Geschichte der hoiuerischeii Poesie.
teil Opfer als Abkommen desselben zu betrachten seien, nicht als wirk-
lich aus seinem Blute stammend.
Hiergegen mufs man zuvörderst einwenden, dafs schwerlich Kra-
tes oder Seleukos den von Lauer angenommenen Gedanken passend
durch die Wendung ausdrücken konnte, die Homeriden 'seien in
den Opfern Abkömmlinge Homers.' Zweitens berücksichtige
man die Weise, in der Seleukos dem Krates widerspricht: 'Kratcs
irrt; denn die Homeriden sind Abkömmlinge der Geiseln, welche
einst Männer und Weiber auf Chios sich gaben.' Das läfst sich wohl
dem entgegenstellen , welcher schlechtweg sagt, die Homeriden stamm-
ten vom Homer, aber es ist keine angemefsene Widerlegung des Un-
terschiedes, welchen jemand zwischen leiblicher Abstammung vom
Homer und Verwandtschaft mit ihm durch Genlilsacra macht. Wer
dieser Unterscheidung mit der Behauptung des Seleukos widerspre-
chen will, der sagt vielmehr : 'Nicht einmal insofern, dafs sie dem
Homer Gentilsacra brächten, sind die Homeriden Nachkommen des
Dichters; sie haben vielmehr gar nichts mit ihm zu thun, sie stammen
von den Geiseln und sind von diesen benannt.'
Fällt also die Lauersche Interpretation, so bleibt nur zweierlei:
entweder man schiebt ein tovg ein und schreibt rovg iv raig liqotiou-
aig'Oi-njQ^dag aTtoyovovg dvai, xov tiodjxov, oder man sieht die i£qo~
Ttouat für den Titel eines Buches an.
Letztere Annahme verw irl't der Verf., weil sie ' schon dem blofsen
Wortlaute nach' sehr auffallend sei. Ich meine im Gegentheil, dafs
jeder, welcher die Stelle unbefangen zum erstenmal liest, in den
Worten iv ratg iEQOTtoUaig einen Titel sehn werde. Weiter meint der
Verf., es sei wahrscheinlich, dafs der Krates, gegen welchen Seleu-
kos, der alexandrinische Grammatiker , stritt, der berühmte Krates
war; nehme man das aber an, so könne auch in den fraglichen Wor-
ten nicht mehr ein Titel erblickt werden. Aber warum soll wohl der
Pergamener Krates nicht ein Buch über die Opfer geschrieben haben?
Etwa deshalb, weil es sonsther nicht bekannt ist? Oder weil ein an-
derer Krates, ein Athener, ein Buch Tte^l xav A&tjvrjGt d'vöicjv ge-
schrieben hat?
Nehmen wir an, die genannten Worte seien ein Titel, so treten
allerdings die Fragen auf, welcher Krates das citierte Buch geschrie-
ben hatte, ob der Pergamener oder der Athener oder sonst einer, und
ob das Buch identisch war mit dem Buche Tte^l xdv A&ijvijöl ^voidiv:
und diese Fragen scheinen mir nicht leicht zu beantworten. Ihre Be-
antwortirtig ist aber auch meines Erachtens für die Untersuchung über
die Homeriden gar nicht nothwendig.
Jedesfalls war es ein Buch über Opfer, und wenn in einem sol-
chen die Homeriden besprochen wurden als Abkömmlinge des Homer,
beweist das nicht, dafs sie Gentilsacra hatten, deren 31ittelpunkt Ho-
mer war?
Wer aber den andern, von Lauer, wie es scheint, gar nicht be-
merkten Weg vorzieht und xcvg Iv zalg u<J07toUuLg' OiitiqlSug schreibt,
Lauer: (icsrliiclifc der Iiomorisrlicn Poesie. 200
der kommt g^erade zu demselben Rrf^ehnis. Denn der Ausdruck ot ev
raig cegoTtouuig O^tj^tÖca ist docii unleu<>i)ar vülli<>' gleiclil)C(leulend
mit dem kurz vorlicr im Artikel des Harpokration g-ehrauclilen ro rüv
' OfitjQLÖcov iv Xi(o yivog. Krales wandle nicht den letztem, sondern
den erstem Ausdruck an, weil der Zusammenhang, in welchem er
schrieb, die Hervorhebung der Sacra nölhig oder passend machte;
die blol'se Bezeichnung der Leute als 'Homeriden' wird er schon des-
halb gellohn haben, weil sie einer möglichen Verwechslung mit den
Homeriden in jener weitern Bedeutung des ^^'orls Uaum gab, in wel-
cher z. B. auch unser Verfafser ein Homeride ist. Die Behauptung des
Krates aber ist bei der so eben angenommenen Interpretation und
Emendation ganz dieselbe wie bei der andern Annahme, dafs die
Worte iv rccig leQonodaig ein Citat seien. In beiden Fällen behauptet
Krates schlechtweg, die Homeriden von Chios seien Nachkommen Ho-
mers. Auf diese Behauptung passt , wie obengezeigt, die Erwiede-
rung des Seleukos der Form nach vollkommen.
Und wer die streitigen Worte iv xaig UQrtnodaig ganz bei Seite
läfst, der kommt auch wieder ganz auf dasselbe Ergebnis. Denn ihm
bleibt immer noch in diesem selben Artikel des Harpokration das Zeug-
nis des Hellanikos und Akusilaos, die Homeriden seien ein nach dem
Dichter benanntes yivog auf Chios, und hierin liegt schon die Angabe,
dafs die Homeriden auf Chios Genfilsacra hatten, die dem Homer als
Heros eponymos des yivog dargebracht wurden.
Dafs die yivx] rein politische Abtheilungen waren, dafs die Mit-
glieder eines yivog nicht gerade physisch miteinander verwandt zu
sein brauchten, dafs in vielen Fallen nicht einer unter ihnen von dem
angeblichen Stammvater abstammte, steht anderweitig fest. Das
chiische yivog der Homeriden zwingt uns also keineswegs zur An-
nahme eines persönlichen Homer, dessen leibliche Nachkommen die
Mitglieder dieses yivog waren; vielmehr macht es die Analogie der
andern Fälle eher wahrscheinlich, dafs diese Homeriden eben nur in-
sofern Spröfslinge Homers waren, als sie eine Innung mit Homer als
Heros eponymos an der Spitze bildeten; woraus dann freilich auf der
andern Seite gegen Homers Persönlichkeit auch noch wieder nichts folgt.
Weiter kann ich nicht, und weiter brauchen wir auch meiner
Ansicht nach für jetzt noch gar nicht zu kommen. Lauer will durch
seine Interpretation der Stelle des Harpokration die Sache so stellen,
dafs Krales ausdrücklich für die so eben entwickelte Ansicht zeuge,
Avelche ich mit Lauer theile. Aber das darf im Interesse der Wahr-
heit nicht zugegeben w erden.
(Fortsetzung folgt im nächsten Hefte.)
Berlin. Dr. M. Sengebusch.
270 Müller u. Steinhart: Plafons sämmtliche Werke. Ir ii. 2r Bd.
Piatons sämmlUche Werke. Uebersetzt von Ilieromjmus Müller, mit
Einleitungen begleitet von Karl Steinhart. Erster und zweiter
Band. Leipzig, F. A. Brockliaus. 1Ö50 und 1851. XXIV u. 541,
VIII u. 6H0 S. gr. H.
Es ist nunmehr fast ein halbes Jahrhundert verstrichen, seitdem
S chleiermachers genialer Blick die platonischen ^^'erke, welcbo
bis dahin trotx aller bisher versuchten, von aufsen hineingetragenen
Eintheilungen als disjecta membra dalagen, durch die Beobachtung,
dafs sie alle verschiedene Sprofsen einer organischen Stufenleiter
seien, welche von den elementaren Anfängen zu den höchsten wifsen-
schaftlichen Höhen allmählich aufsteige, zuerst zu einem innerlichen
Ganzen vereinigte und so den platonischen Studien eine tiefere Rich-
tung gab. Zweierlei erhebliche Mängel drückten indessen diese An-
sicht. Indem nemlich Schle i er ma ch e r jene Erscheinung einzig
aus der Kücksicht auf die Leser, aus der Absicht Platons erklärte,
denselben einen aus verschiedenen Stufen bestehenden philosophischen
Lehrcursus darzubieten, so war dabei stillschweigend vorausgesetzt,
dafs ihm selber sein System beim Beginn seiner Schriflstellertiuitig-
keit wenigstens im ganzen und grofsen bereits vollendet dastand, und
es wurde hiedurch der Einblick in den allmählichen Gang seiner eig-
nen Entwicklung getrübt. Sodann aber ist nicht zu leugnen, dafs der
Gesammtzusammenhang dieser Werke bei S c h I e i e r m a c h e r keines-
wegs aus einer erschöpfenden Durchdringung und Combination aller
Einzelheiten gewonnen war, dafs vielmehr das einzelne allzu sehr
blofs mit Rücksicht auf das Ganze betrachtet und nach dem vorausge-
setzten Ganzen zurechtgelegt wurde. Es war daher ein ganz richti-
ges Gefühl, von welchem Ast geleitet ward, indem er der Betrach-
tung der Einzelschriflen als selbständig in sich abgeschlofscner Kunst-
werke zu ihrem Hechte zu verhelfen suchte. Nur kehrte er dabei dies
Element zu ausschliefslich hervor, so dafs darüber jeder reale Zu-
sammenhang zwischen iiinen verloren gieng, und der unglücklicho
Ausfall seiner Gesammibetrachtung, welcher besonders stark in seiner
mafslos revolutionierenden Kritik zu Tage trat, niuste somit zum
Triumphe der Schleiermacherschen Anordnung ausschlagen. So hielt
die letztere über zwei Jahrzehnte lang die Geisler in Fefseln *) , bis
sie zuerst durch Stallbaums Beobachtung, dafs manchen der plato-
nischen Werke noch die Idecnlehre abgeht, wesentlich erschüttert
wurde, endlich aber durch K. Fr. Hermanns epochemachendes Buch
einer neuen Auffafsung den Platz räumte, welche ebenso sehr dio
richtige Grundanschauung einer allmählichen Stufenfolge unter den
einzelnen Schriften festhielt, als sie andererseits die zutreifendero
*) Ref. selber trägt in seiner Habilitations.schrlft 'Prodromus pla-
tonischer Forschungen' (Göttingen 1852) mehr von dieser Fefsel an
sich, als ihm gegenwärtig lieb und recht ist.
Müller u. Sfcinhart: Plalons sämintliclie AA'erke. Ir ii. 2r Bd. 271
Erklärung' derselben als verschiedener Entwicklungsstufen ihres Ur-
hebers geltend machte.
So war für die doppelle Aufgabe der Boden gewonnen , einmal
jedes platonische \\'erk in seiner selbständigen innern Anordnung im
Einklänge von Form und Inhalt bis ins kleinste Detail zu begreifen
und zugleich dadurch alle dergestalt nebeneinander treten zu lafsen,
dafs darnach zweitens eine genetische Entwicklung der platoni-
schen Philosophie sich ermöglichen läfst, durch welche sodann wie-
der ein helleres Licht auf alles einzelne zurückgeworfen wird. Es
war eine erfreuliche Erscheinung, dafs ein so bewährter Kenner der
alten Philosophie wie Hr. Steinhart zunächst wenigstens die erste
jener Aufgaben zu lösen unternahm, für welche Her m a n n dem Zwecke
seiner Schrift gemäfs nur durch rasche Ueberblicke und kurze schla-
gende Andeutungen vorbereitend hatte wirken können. Dafs die Er-
wartungen , welche man von dem Erfolge dieses Unternehmens hegen
durfte, in hohem Mafse befriedigt worden sind, dafs man in demsel-
ben eine der bedeutendsten neuern Erscheinungen auf dem philologi-
schen Gebiete zu begrüfsen berechtigt ist, dafür dürften schon die
überaus günstigen Urtheile, welche der erste Band, und zwar beson-
ders von Seiten eines so stimmfähigen Richters, wie Zeller (Zeit-
schrift für die Alterlhumsw. 1851 Nr. 31 — 33) gefunden hat, Bürge
sein. Auch Ref. gesteht mit Vergnügen, dafs er nur in wenigen Fällen
Anlafs gefunden hat, von den Resultaten abzuweichen, welche der
Hr. Verf. hinsichtlich des Planes und Grundgedankens der bisher be-
handelten Dialoge gewinnt. Der anmuthig und leicht dahingleitende
Flufs der Darstellung macht das Buch ebenso anregend für den grö-
fsern Leserkreis, auf welchen es Hr. Steinhart insonderheit mit
abgesehn hat, als andererseits die vielfachen neuen und bedeutenden
Gesichtspunkte, durch welche sogar stellenweise die bisherige Auf-
fafsung des platonischen Systems in wesentlichen Punkten berichtigt
oder ergänzt wird, dem Forscher von Fach gründliche Belehrung ge-
währen. Im ganzen legt der Hr. Verf. namentlich in Bezug auf die
Reihenfolge der Schriften mit Recht die Forschungen Hermanns zu
Grunde, verfährt dabei aber mit grofser Selbständigkeil. Nur will es
uns scheinen, als ob die Darstellung zuweilen allzu sehr iu eine ge-
wisse behagliche Fülle sich ergehe und darüber die eigentlichen
Schlagpunkte hinlänglich scharf, übersichtlich und zusammentrelTend
hervorzuheben versäume. Dafs die neuen Gedankenkeime, welche ein
jeder Dialog enthält, nicht erschöpfend genug entwickelt sind, dafs
der Hr. Verf. sich meistens damit begnügt, ihr Vorhandensein, anstatt
ihr inneres Wesen und ihre Bedeutung für den Verlauf der Entwicklung
Piatons zu erörtern, dürfen wir ihm weniger zum Vorwurf machen. Denn
es ist wahrscheinlich, dafs er diese Punkte absichtlich der von ihm
versprochenen allgemeinen Einleitung vorbehalten hat. Die Elemente
zu einer genetischen Entwicklung der platonischen Lehre sind daher
hier nur in vereinzelten Winken zu finden. Nur will es uns scheinen,
als ob doch das Verständnis jedes spätem Dialogs wesentlich dadurch
272 Müller u. Steinhart: Piatons sümmlliclic Werke. Ir u. 2r Bd.
gewonnen hätte, wenn die Entwicklungsmomente jedes früheren wären
mit gröfserer Beslimmlheit hervorgehoben worden. Endlich dürfte
Hr. St. aber auch in etwas in den häutigen Fehler der Philologen ver-
fallen sein, den von ihnen behandelten Schriftsteller allzu sehr als
ihren Schützling zu betrachten: allzu stark läfst er den göttlichen Pia-
ton im reinen Lichlglanze erscheinen und versäumt es, den beruhigen-
den Schatten fehlsamer Menschlichkeit über sein Gemälde zu werfen.
An die Spitze der Dialoge stellt der Hr. Verf. den Ion, woge-
gen Ref. nichts einzuwenden hätte, falls es nur um die Echtheit dieses
Schriftchens sicherer stände. Es ist nicht zu leugnen, dafs manche
der von Schleie rma ch er und Ast erhobenen Einwände durch
Ni tz seh und S ta IIb a um siegreich widerlegt worden sind; allein
es wäre nicht schwer zu zeigen, dafs dies keineswegs durchgängig
der Fall ist. Die groben Mängel, welche die Composition zur Schau
trägt, sind im ganzen zutrelfend von Zeller in der erwähnten Ue-
cension zusammengestellt worden. Eben so weist er die Möglichkeit
einer Compilation ans andern platonischen Werken erschöpfend nach.
Jedesfalls thut Hr. St. Unrecht diese vielfachen Mängel gänzlich zu
verschweigen, die Möglichkeit der Unechlheit gar nicht ernsthaft ins
Auge zu fafsen und Ast einer oberflächlichen Kritik anzuscliuldigen.
Denn so richtig dies letztere in den meisten Fällen ist, so sind doch
hier umgekehrt gerade die von Ast angeführten Punkte die entschei-
dendsten. Alle sonstigen Mängel lafsen sich vielleicht immer noch
durch die Jugendlichkeit des Verfafsers erklären; hinsichtlich der
Compilation ist aber doch immer höchstens die 3Iöglichkeit nachzu-
weisen. Dafs dagegen Piaton gerade in seinem frühesten oder doch
einem seiner frühesten Werke seinem Meister, welcher doch ein eig-
nes Wifsen so entschieden ablehnte, ein vollkommen lehrhaftes Auf-
treten beigelegt haben sollte, ist sciiwerlich denkbar. Solche rein
docierende Gedankenentwicklung, solche fortlaufende Reden, wie die-
jenige, in welcher Sokrates hier seine Lehre von dem göttlichen
Wahnsinn der Dichter vorträgt, kommen sonst erst vom Ladies und
Protagoras ab, anfangs noch spärlich, endlich erst vom Gorgias an
ungescheuter vor, aber immer noch unter vielfachen Verclausulierun-
gen, z. B. dafs es eigentlich eine fremde Weisheit sei, welche hier
vorgetragen werde, dafs das Ungeschick oder die Unlust der Ge-
sprächsgenofsen dialektisch zu antworten oder auch zu fragen, hiezu
nöthige u. s. w. Die längere Rede, welche der kleinere Hipi)ias ent-
hält, ist durchaus kein ähnliches Beispiel: hier beschreibt Sokrates
nur den Zustand seiner Unwifsenheit; das Vermeiden langer Reden kann
sich aber natürlich nur auf Philosopheme, nicht auf Facta erstrecken.
Ebenso gehört auch die Form, wo Sokrates zugleich die Stelle des
fragenden und antwortenden übernimmt, p. 538 D, unserer Ansicht
nach eine Vermittlung zwischen erotematischem und akroamatischem
Vortrag, durchaus einer spätem Zeit an. So erscheint sie im Gorgias
p. 505 E ff. Nirgends aber plumpt sie überdies so unmotiviert hinein
wie hier. Sonst bedient sich ihrer Sokrates nach Schlei erma-
Müller II. Slcinlutrl; Plalons sänunlliclic Werke. Ir u. '2v Bd. '2TA
chers richligcr Bemerkung!: mir, um eiihvedcr einen schncllcrn Forl-
schritt zu maclicn oder um dem Uliluulcrrodncr bcscliiimende Aulwor-
ten zu ersparen. Das crslere ist liier, avo es sich blol's um Beispiele
aus dem Homeros liandcll , hei einem Bhapsoden, der ihn heiser als
Sokrales auswendig- wusle, unuölliig-. \\ ollle man aber mil Slall-
baum z. d. Sl. einen Sporn l'iir den Rhapsoden hierin sehn, um so
eifriger nach den Gegenstanden seiner eignen Kunst im Homeros zu
suchen, so würde wieder nach der andern Seite hin der Gebrauch
dieser Form ein unplatonischer sein: denn da Sokrales gut genug
weil's, dafs dergleichen Beispiele nicht zu linden sind, so zielt er viel-
mehr auf diese ^^ eise nur auf die Beschämung des Ion ab. Ebenso
trägt Sokrales p. 532 C direct im Lehrlone die Behauplung vor, dafs
Ion nicht aus Erkenntnis über den Homeros zu reden \Nil'se, dafs sich
vielmehr — und dies letztere folgt noch dazu aus dem vorhergehen-
den gar nicht unmittelbar; s. S ch 1 ei er mac h er z. d. St. — die Er-
kenntnis auf die Dichtkunst als ganzes erstrecke. Hr. Stallbaum
will dies damit entschuldigen, dafs hier nur eine Vermulluing ausge-
sprochen werde ; allein damit vertragen sich die Worte aAAa Travrl
örjXoi' nicht. Es sieht fast so aus, als ob Sokrales durch die hierauf
erfolgende Antwort des Ion, dafs er gern '^ weise Leute' reden höre,
sich erst daran erinnern lafsen nuifs, dafs er als ein schlechter Schau-
spieler aus seiner Rolle gefallen ist. Und aufweiche ungeschickte und
verwirrte Art nimmt er jetzt mit einemmale seine Unwifsenheit wie-
der in Anspruch! Er gehöre nicht zu den weisen, sondern pflege nur
so schlechthin als Laie d i e W a h r h e i t zu sagen (p. 532 D E). Stall-
baum hält TaXij&ii für corrumpiert nnd will einen Ausdruck, welcher
' das allbekannte' bedeutet, an die Stelle setzen. Ob dies in einem
Dialog, Avelchcr so vielfache Mängel enthält, nicht vielmehr den
Schriftsteller corrigieren heilst, lafse ich dahingestellt sein, da die
Verniuthung wenigstens dadurch eine Stütze erhält, dafs aA>/0->/ schon
einmal kurz vorher steht und so von dorther hineingetragen sein kann.
Allein auch so wäre es seltsam, wenn das vorher behauptete, eine
ganz specifisch sokratisch-platonische Ansicht, zu dem allbekannten
gehören sollte. Wenn ich ferner etwas für 'allbekannt' erkläre, so
spreche ich damit eine sehr starke Behauptung darüber aus. Sokrales
will sich entschuldigen, dafs er etwas schlechthin behauptet hat, und
fällt dabei gleich in eine neue Behauptung, von der Skylla in die
Charybdis.
Will man nun vielleicht annehmen, der junge Piaton habe im
Triumph, hinter der Unwifsenheit seines Meisters tiefe Weisheit ver-
borgen zu finden, beide Elemente noch nicht gehörig miteinander
künstlerisch zu durchdringen vermocht? Merkwürdig nur, dafs er es
im kleinen Hippias bereits so gut versteht, dafs er auch seinen eig-
nen Seelenzustand in dies Bild hineinzuarbeiten weifs, ohne dessen
ideale historische Treue zu stören (s. Steinhart S. lOO).
Die oben erwähnte Rede im Ion ist von einem ganz verwandten
Hauche durchdrungen, wie etwa die im Phaedros. Die poetische Ju-
A'. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVII. ffft. 3. 18
274 Müller u. Steinliarl: Piatons siimnUliclie Werke. Ir ii. 2r Btl.
gendfiüle Piatons pflegt sich sonst nicht nach dieser dilliyrambischen,
sondern nach der dramatisch-mimischen und scenischen Seife zu zei-
gen. Gerade dies letztere Element ist dagegen hier ebenso wie im ersten
Alkibiades über Erwarten einfach und zwar unter allen ^^'erken, wel-
che als Jugendarbeiten Piatons erscheinen können, einzig in ihnen
beiden. Ihnen beiden allein fehlt auch der skeptische Schluls, wel-
cher doch schon an sich bei dieser ganzen propaedeulisch indireclen
Behandlungsweise schwerlich mangeln darf. ^^ ie sich im Phaedros
an die dortigen Reden ein eigentlicher Dialog anknüpft, ähnlich in
gewissem Mafse auch hier. Oder wäre demnach der Ion vielleicht kein
Jugendwerk, sondern fiele in die Zeiten des Phaedros hinein? Bei
seinen sonstigen eclalanlen Fehlern wird ihn, glaube ich, heutiges
Tages niemand auch nur als Skizze des gereiflern Plalon für würdig
hallen.
Unter den verschiedenen Ansichten, welche Hr. SteinhartS.il
über die Grundidee des Dialogs aufführt, hätten auch wohl die von
NN'iegand Allgem. Schulzeitung 1828 S. 1294 f. und von Heffter
Zeitschrift für die Allerthumsw. 1843 S. 716 f. eine Stelle verdient.
Seine eigne hat er nicht recht zu einem runden Gesammtergebnisse zu-
sammengefafst. So viel ist klar, dafs er in der Gottbegeisterung die
Grundlage der Dichtung, zugleich aber den Tadel gegen Dichter und
Darsteller hndet, dafs sie dies Element nicht zu einer bewusten Klar-
heit und Einsicht in die Forderungen ihrer Kunst herauszubilden ver-
mochten. Vielleicht könnte man noch weiter greifend das Verhältnis
der Poesie zur Philosophie als den innersten Mittelpunkt des Ge-
sprächs bezeichnen.
Ein ähnliches Verhältnis, wie beim Ion, findet auch beim grö-
fsern Hippias statt. Noch entschiedener enthält er Momente, wel-
che erst einer spätem Entwicklungsperiode angehören, und doch
spricht wieder die UnvoUkommenheit seines ganzen Planes und seiner
Dialektik dagegen, ihn in eine solche spätere Zeit zu versetzen. Ref.
glaubt sich hier lediglich auf die erwähnte Recension Zell er s S. 256
— 59 beziehn zu können. Der Dialog trägt entschieden schon die
Ideenlehre in sich und zwar die Idee des schönen. Sollte er echt
sein, so müste er allerdings mit Hermann Gesch. und Syst. der
plat. Phil. 1 S. 487 ff. in die Nähe des Gorgias und Euthyphron ge-
rückt werden, und zuzugeben ist, dafs eine Erörterung der Idee des
schönen dort wohl am Orte gewesen wäre. Schon der Gorgias be-
dient sich des schönen als eines MitlclbegritTes zur Bestimmung des
guten p. 474 ff. und läfst das gute auf der Harmonie beruhn p. 506 —
508. Beachlenswerth ist ferner, dafs Euthyphron im gleichnamigen
Dialog auf die Frage, was das Werk der Gölter sei, die Antwort
gibt: '^vieles schöne' p. 13 E, und ebenso wird im Euthydemos p.
300 E f. gerade die Idee des schönen als Beispiel für die Hindeutung
auf die Ideenlehre benutzt. Es ist klar, dafs diese Idee schon dort
namentlich in Bezug auf das endliche Dasein, sofern es an den Ideen
Theil hat, eine besondere Rolle spielt. Nichts desto weniger bleibt
Müller II. Sleiiihart; IMaluns säiniiiüiclic Werke. Ir u. 2r. Hil. 27')
ihr coiicreter Inhalt in den lieriiinlioficiitlcii Dialogen unaufg'eklürl, und
es \väre dalier recht uolil denkbar, dais zu die.seni Zwecke ein eii^^e-
ncs Gespräch wäre gesclirieben worden. Allein lief, nuifs oifcn ge-
slehn, dais er seinerseits eine solciie Aufklärung aus dem vorstehen-
den Werke bisher nicht zu schöpfen vermocht hat; vergl. Zellcr
a. a. 0. S. 256.
Mit um so gröfserer Freude kann ich mich dagegen den Erörte-
rungen des Hrn. Verf. über den kleinern Ilippias anschliefsen. Mit
iJechl Iheilt er S. 100 — 102 denselben in zwei TJieilc, einen mehr vor-
bereitenden (p. 364 ß — 373 A) und einen mehr priticipiellen , und er-
klärt, wenn ich anders richtig verstehe , für den Grundgedanken den
Salz, dafs es bei dem Urtheil über das sittliche Thun des 3Ienschen
nicht auf die einzelne That, sondern auf den bewusten sittlichen Wil-
len ankomme, dafs also eine That äufserlich als ungerecht erscheinen
könne, Avelche dennoch eine rein sittliche That sei. Ungern haben
wir unter den bisherigen Erklärern die Anführung von Zcller Plal.
Studien S. 152 f. vermifst, wo schon dieselbe Ansicht vorgetragen
wird, nur dafs dieser beim sittlichen Wifsen stehn bleibt, während
Hr. Steinhart mit Recht hinzufügt, dafs in der Erklärung, die Ge-
rechtigkeit sei vielleicht beides, "NA'ifsen und Kraft, p. 375 D, schon
die Unterscheidung des ^^'illens vom Wifsen im Keime angedeutet
liegt (S. 103 f.), so dafs das Wifsen erst durch den "Willen hindurch-
gehn mufs. Auch die Ansicht S chleiermachers über den Grund-
gedanken hätte wohl ausdrücklich angegeben werden können, welche
gleichfalls, obwohl iu zu unbestimmter Fafsung, im wesentlichen be-
reits auf dasselbe hinausführt: der Zweck sei, ^auf den Unterschied
des theoretischen und praktischen, also auf die Natur des Willens und
des sittlichen Vermögens aufmerksam zu machen und zugleich darauf
hinzuweisen, in welchem Sinne allein die Tugend eine Erkenntnis kann
genannt werden.' An dieser unbestimmten Fafsung und daran, dafs
Schleiermachersich den Piaton von vorn herein zu sehr als in
sich fertig und abgcschlofsen dachte, lag auch allein die Schuld, dafs
er mit dem kleinen Hippias nichts anzufangen und ihn daher nur für
unecht zu erklären wutte. Vergl. Steinhart S. 107 f. Zellers
Haupteinwand , dafs im zweiten Theile der platonische Begriff des
guten Menschen als des wifsenden eingeschwärzt werde, ist irrig;
die Beweisführung beruht einzig auf dem gemeinen Sprachgebrauch,
nach welchem 'gut' mit 'tüchtig, geschickt, kundig' einerlei ist,
z. B. ein guter Rechner, und so hat denn auch Zeller selbst neuer-
dings in der oben erwähnten Recension seine Zweifel so gut wie zu-
rückgenommen.
Entschiedener als von irgend einem der vorhergehenden Ge-
spräche müfsen -wir dagegen den platonischen Ursprung des ersten
Alkibiades in Abrede nehmen.
Zwar geben wir, darin von Zeller abweichend, zu, dafs dies
Gespräch wirklich im ganzen und grofsen einen continuierlichen Fort-
gang der Gedankenentwicklung zeigt, dafs ihm ein platonischer Ge-
18 +
276 Müller u. Steinharl: FMatoiis sämmtliclie Werke. Ir ii. 2r. Bd.
(laiikeiikern nicht abgeht, dafs es ähnlich >vie fast alle Jiiscndarheifen
zweitheilig ist, indem im ersten Theile p. 106 — 124 B Alkihiades von
seiner IJnwifsenheit überzeugt ist, im zweiten posiliv die ersten Grund-
lagen zu ihrer Hebung entwickelt werden. Die Inhaltsübersicht bei
Hrn. St. S. 140 — 145 ist im ganzen befriedigend. Nur die Art, wie
er die Antinomie zu lösen sucht, dafs einmal Gerechtigkeit, d. h. das
Thun des eignen, und andererseits Freundschaft, Uebereinslimmung der
Meinungen , d. h. Wifsen und Thun des gemeinsamen, die Grundlage
des Staats sein sollen, p. 127 C D, hat Ref. nicht zugesagt. Sokrates
setze das Thun des eignen in die Sorge für das \vahre Selbst, d. h.
mit andern Worten in die philosophische Ausbildung seiner selbst und
anderer. Aber darnach hiitte er ja einen Staat aus lauter Philosophen
verlangt! Ich denke vielmehr, es wird ja auch der Unwifsenheit , die
sich nur ihrer selbst bewust ist, zugestanden, dafs sie nicht irre geht,
indem sie den kundigen das zu thun überläfst, dessen sie kundig sind
— also den staatskundigen das Herschen — p. 117 B. Nur diese ein-
zige übereinstimmende Meinung, so zu handeln, braucht allen Bürgern
einzuwohnen, so wird sich schon die Manigfaltigkeit der ßerufssphae-
reu zu bewuster Harmonie zusammenschliefsen. Die Absicht des
Werks ist nach dem Hrn. Verf. S. 140 f., das Wifsen und zwar zu-
nächst die Selbsterkenntnis, von den sokratischen Praemissen aus-
gehend, auf einen höhern Standpunkt zu erheben und dergestalt inson-
derheit als Grundlage der Politik darzustellen. Wie also im Ion die
Einheit der wahrhaften Poesie, so wird hier die der wahrhaften Staats-
kunst mit der Philosophie entwickelt.
Was aber die Echtheit verdächtigt, sind nicht blofs die zahl-
losen einzelnen Mängel, für deren mühsame und erschöpfende Zusam-
menstellung S chl e i er m a che r eher das Lob der Gründlichkeit als
den Tadel der Kleinlichkeit verdient hätte. Es versteht sich von selbst,
dafs diejenigen Einwürfe, welche er aus seiner mangelnden Unter-
scheidung der verschiedenen Bildungsstufen Piatons hernimmt, auf un-
serm heuligen, durch Hermann gewonnenen historischen Stand-
punkte der Betrachtung ohne jegliches Gewicht sind. Vorzugsweise
niufs vielmehr wiederum das Vorwegnehmen späterer Entwicklungs-
momente hervorgehoben werden, ohne dafs sich doch irgendwo später
eine Stelle für den Dialog ausmitteln liefse. Ziemlich im Anfange, p.
106 D E, wird sofort die doppelte Art zum Wifsen zu gelangen, durch
eignes Nachdenken und durch Lernen, mit einer solchen Leichtigkeit
hingestellt, als ob das etwas so ganz selbstverständliches für einen
noch unter dem unmittelbaren Einflufse des Sokrates stehenden Mann
wäre, des Sokrates, welcher vermöge der Maeeutik nicht aus sich
selbst, sondern nur aus andern die Wahrheit entwickeln zu können
behauptete! Ganz entsprechend ergibt sich am Schlufse p. 133, dafs
der Mensch die Erkenntnis aus dem göttlichem Theile seiner Seele
herausbilden mufs. Wenn der Mensch dies vermag, so fragt man ein-
mal doch billigerweise, warum denn Sokrates selber es seinerseits
vorgezogen hat, bei jener Unwifsenheit, die ihrer selbst bewust ist,
illüllcr u. Slciiilitiil; IMsiloiis siimiulliclie \\'crkc. Ir u. 2r lid. 277
slelin zu bleiben. VN'enii dcrMenscb dies verniiiff, so fVagi mau zwei-
tens gevvis ebenso selir niil Grund, warum denn Alkibiades dies nicht
auf eigne Hand lluiu kann , vielmehr dazu des Sokrales Hilfe bedarf.
So schwebt zugleich der Schlufs des Gesprächs unvcrmillelt in der
Lul't. Aber ganz davon abgesehn , würde IMalon schwerlich im Char-
mides noch einmal den belrelfenden Gedanken und zwar so durchaus
indirect zu entwickeln g:esucht haben, indem dort das Wifsen des
Wifsens als der edelste Kern der Selbsterkenntnis beschrieben wird,
nachdem es ihm bereits möglich geworden war demselben mit so gro-
fser Leichtigkeit direcl entgegenzurücken, wie es hier geschieht. Und
nun gar das avro to avro p. J29 ß. 130 C , welches wiederum höchst
verdächtig ist die Ideenlebre einznschwarzen !
Eigenlhümlich sieht es hier aber auch mit der sokralischen Me-
thode. Der erotemalische Vorlrag bat hier blofs die Bedeutung einer
bequemern Lehrform: der antwortende wird befser überzeugt, indem
er auf solche Art selbst die Entscheidung ausspricht: p. 112 E ff. 114
D E. So ist es denn auch erklärlich, dafs Sokrates manchmal einen
fertigen Satz direct hinstellt und ihn dann auf dem eroleuialiscben
Wege zu beweisen verspricht (p. 114 D, auch p. 117 B Ende). Jlehr-
faeb werden dem antwortenden noch dazu seine Erwiederungen der-
gestalt in den Mund gelegt, dafs es, wie Schleiermacher sagt,
■^ schwach steht um die Behauptung, der antwortende behaupte': z. B.
p. 127 A. 129 E. Die Erklärung des Sokrates, nur durch iim könne
Alkibiades staatsklug werden (p. 105 E), beifst natürlich nur so viel,
er allein könne ihn zur Einsicht in seine Unwifsenheit bringen. Allein
wie nimmt sich selbst dies in dem Munde des bescheidenen Sokrates aus?
Entweder lindel hier ein Verkennen der sokratischen 31ethode
oder aber bereits eine solche Erhebung über dieselbe statt, zu wel-
cher es denn doch erst noch manciier Vermitllungsslufen bedurfte, wie
sie erst Lysis und Charmides geben, und erst nachdem das AMfsen des
Wifsens entdeckt ist, d, h. im Laches, passt dazu die Behauptung, dafs
man Erkenntnis durch eignes Nachdenken so gut wie durch Lernen ge-
winnen könne; hier dagegen sieht sie ganz wie Compilalion aus dem
Lacbes p. 185 E aus, ebenso wie die unvermittelte Definition der Be-
sonnenheit als Selbsterkenntnis p. 13] B als Compilation aus dem
Charmides.
So entbehrt man nicht allein nichts, wenn man den Alkibiades ans
der Reihe der platonischen Werke binwegnimmf, sondern es tritt viel-
mehr erst so ein stetiger Fortgang der Entwicklung ein. Am entschei-
dendsten sind allerdings aber die von Zeller in der erwähnten Rec.
hervorgehobenen Punkte. Gerade über das wichtigste von allem, den
Widerspruch gegen das Symposion hinsichtlich des gegenseitigen V'er-
hältnisses vom Sokrates und Alkibiades geht Hr. St. mit auffallender
Leichtigkeit hinweg. Nur beiläufig wird S. 148 im Gastmahl eine we-
niger historische Färbung gesucht; dem widersprechen aber die aus-
drücklichen Erklärungen des Alkibiades eben dort p. 214 E. 215 A,
dafs er die reine Wahrheit sage, vergl. Teuf fei in diesen NJahrb.
278 Müller u. Steinhart: Plalons sammlliche Werke. Ir u. 2r Bd.
Bd. XLI S. 360. Es würde nur noch übrig bleiben umg-ekehrt gerade
hier, d. h. gerade in einem der frühsten Gespräche, die Fielion zu
suchen. Dafs aber dies wenig innere Wahrscheinlichkeit hat, werden,
glaube ich, die Vertheidiger der Ech[i)eit selbst nicht in Abrede nehmen.
Gern gibt Ref. Hrn. St. S. 146 f. gegen Schi ei er ma che r zu,
dafs die Keckheit, mit welcher Alkibiades im ersten Theile immer von
neuem auftritt, sobald er einen neuen Schlupfwinkel entdeckt zu ha-
ben glaubt, der Uebermuth, mit welchem er anfänglich den Sokrates
zurückweist, und der allmähliche Uebergang aus dieser Stimmung
durch das Irrewerden an sich selbst in die wärmste Liebe zum So-
krates und zur AA'ahrheit mit psychologischem Geschicke gezeichnet
sind, und gerade das plötzliche Abspringen von übertriebener Keckheit
zu exaltierter Demuth scheint bei einem so excenlrischen Charakter
durchaus am Orte zu sein. Dafs dagegen die Taktlosigkeit, diesen
geistreichsten aller geistreichen Jünglinge so dumm zu schildern, sich
durch die in sein Denken gebrachte Verwirrung mildern lafse (Stein-
hart S. 154), Avill uns um so weniger in den Sinn, als gerade die
beiden tollsten Beispiele, wo er die Namen Musik und Politik nicht
finden kann, vor deren Eintritt fallen.
In dem Lysis, den auch Hermann zur Charakteristik der
ersten S<;hriftstellerperiode vorzugsweise benutzt, erkennt Ilr. St.
das ahnungsreichste Gespräch derselben. Vortrefflich weifs er S.
221 f. die Bedeutung der redenden Personen, wie in ihnen die Freund-
schaft und Liebe in verschiedenartiger Weise Gestalt gewinnt, zu
schildern. Vortrefflich weifs er hinter den scheinbar so unregel-
mäfsig hin- und herspringenden Entwicklungen, hinter den schein-
bar das gewonnene Resultat wieder aullösenden Negationen einen
durchaus geradlinigen Verlauf und durchaus positive Ergebnisse nach-
zuweisen. 3Iit Recht Iheilt er (abweichend von Hermann a. a. 0.
I S. 613 Anm. 304, welcher auch hier zwei Theile zu Grunde legt,
obwohl p. 316 C, wo sie sich scheiden sollen, es wenigstens Ref.
unmöglich ist eine Audeufung hierfür zu finden) das Gespräch in
vier Abschnitte , nach dem Wechsel der Mitunterredner. Dem un-
entwickelteren , aber sinnigen Lysis fallen die elementaren und die
concretern, dem spitzfindig scharfsinnigen Menexenos die mehr for-
malen Momente des Freundschaftsbegriffes zu. Anfangs wird die
Freundschaft ganz sokratisch nach ihrer Nutzbarkeit betrachtet , dann
aber ergibt sich, dafs sie gegenseitig sein mufs, dafs sie ebensowohl
Aehnlichkeit als Unähnlichkeit der Naturen voraussetzt, dabei aber
nur unter guten Menschen möglich ist, dafs aber die Liebe, welche
sie zusammenführt, im letzten Sinne bei ihnen nicht aufeinander ge-
richtet ist, sondern aus dem natürlichen Gefühle der Unvollkomnien-
heit und daher der Sehnsucht nach gegenseitiger Vervollkommnung
oder nach dem höchsten Gute entspringt, welches allein um seiner
selbst willen erstrebt wird: das gute allein ist das wahrhaft angehö-
rige. So ist am Schlufse die Relativität einer sokratischen Nützlich-
keit der Freundschaft weit über sich selbst hinausgetrieben und in
Müller u. Sloiiiliail ; IMalons .säiiiiiilliclic ^^ erlvc. Ir ii. '2v. lid. 279
eine iminanenlc und aI)soliile Zwcckiiiäfsiykeil verwandcll, S. 223 —
229. Das EiHlr(!Siill«l ist: der Grund der Frciiiidscliafl ist die i>iebe,
und Frcuiulsclialt seliisl ist das sicii crgänxciide <roiiiciiisaine Streben
ziigleicli verwandter und verschiedener Naturen nach dem liöclislen
Gute. Hinzugefügt werden konule, dai's aucl» in Bezug auf diesen
letzten Gegenstand zugleich Aelinliehkcit und Verschiedenheit statt-
findet; denn nur diejenigen, welche das gute schon in bedingtem Sinne
in sich tragen, streben nach dem guten, und andererseits bewirkt ge-
rade ihre Unvollkommcuheil dieses Streben.
Tief einsciineidend ist die Bemerkung des Hrn. Verf. S. 269
Anm. 34, wenn er gegen Hermann a. a. 0. I S. 612 Anm. 301 im Ly-
sis schon den spätem iQco^ des Pliaedros und Symposion im Keime
vorgebildet siehl, TrelFend sagt er: ^ cpukia ist der höhere ßegrilf,
der zugleich die Gegenseitigkeit und das objeclive Verhältnis
der Freundschaft in sich fafst, während tQwg nur das subjeclive Be-
gehren bezeichnet, das freilich in den beiden gröfsern Dialogen, die
überhaupt das äufsere Wesen der Freundschaft weniger ins Auge fa-
fsen , in seiner auf das ideale gehenden Bichtung betrachtet wird.'
Nicht umsonst nimmt das Symposion so vielfache Gedanken des Lysis
in einer idealern Gestalt wieder auf (S. 268 Anm. 33). Die Freund-
schaft ist demnach durchaus das gemeinsame Streben der gemeinsam
philosophierenden. Sokrates und, wenn auch bereits hier in einem
etwas andern Sinne, Piaton kennen ja nur ein solches gemeinsames
Philosophieren. Die Liebe ist demnach schon hier, wenn es auch noch
weniger bestimmt l.ervorlrilt , der philosophische Trieb: nach dem
höchsten Gute streben (s. o.) heifst ja, nach Platous dcrmaligem
Standpunkte zumal, nichts anderes als philosophieren, ^^'äre dies
nicht der Fall, so schwebte ja die Aeufserung p. 218 ß C, dafs we-
der die guten noch die bösen philosophieren, sondern die in der
Mitte stehenden, d. h. eben dieselben, welche den Drang nach der
Freundschaft in sich tragen, ganz in der Luft. "^ Recht bedeutsam '
sagt ferner Hr. St. S. 266 Anm. 21 mit Recht 'ist das hingewor-
fene W^ort, dafs niemand der Weisheit Freund sein könne, es sei denn
dafs die Weisheit ihn wieder liebe (p. 212 D).' Ebenso richtig er-
wiedert er auf H er manns Einwand, Sokrates nenne sich im Lysis
nur einen rpiXiraiQog p. 211 E, dafs beides nach dem obigen gar nicht
weit auseinander liege und mit p. 204 C zusammenzuhalten sei, wo es
sich Sokrates als die einzige Weisheit zuschreibt, liebende und geliebte
erkennen zu können. Führen wir diesen populären Ausdruck auf seine
wifsenschafiliche Form zurück, so heifst das nichts anderes als: das
Wesen der Liebe (denn ohne dieses kann man ja ihre Erscheinungen
nicht erkennen) sei ihm nicht unbekannt, wenigstens diese Grnnd-
quelle aller Philosophie sei ihm nicht verborgen. Daraus geht übri-
gens hervor, was Hr. St. nicht genug herausgehoben hat, dafs Sokra-
tes im Gespräch die höchste und reinste Entfaltung des Princips der
cpiUa und des iqtog vertritt, während es in allen andern Unterrednern
nur in einseitiger oder gänzlich verkehrter Weise (so bei Hippolha-
280 Müller u. Steinhart: Piatons sänimtliche Werke. Ir u. 2r Bd.
les) Leben gewonnen hat. Endlich steht aber auch der ganze erste
Abschnitt, in welchem nachgewiesen wird, dafs die Brauchbarkeit
eines jeden auf Einsicht beruht, und dafs Einsicht uns die Liebe aller
erwirbt, nur auf diese Weise mit dem ganzen im Zusammenhang.
Wenn endlich Hermann darauf hinweist, dafs in den Gesetzen B.
VIII p. 837 A der e'^cog nur ein höherer Grad der (jotAtK sei, so wird
gerade auf dem von ihm gewonnenen historischen Boden eins der frü-
hesten Gespräche nicht ohne weiteres nach dem Mafsstabe des aller-
spätesten zu bemefsen sein.
Wenn sich nun aber die Sache so verhält, so hätte Ref. gewünscht,
dafs Hr. St. dies wichtige Element auch in seine Fafsung des Grund-
gedankens mit aufgenommen und eben so in der historischen Einlei-
tung S. 217 — 219, statt bei der theoretischen Fafsung des Freund-
schaftsbegrilTes bei Sokrates vielmehr auf die praktische Bedeutung
der Gcnieinschaftlichkeit alles Philosophierens bei ihm hingewiesen
hätte.
Nicht minder gelungen ist die Erörterung über den Charmides.
So S. 277 — 279 die Angabe der Aehnlichkeiten mit dem Lysis und der
Verschiedenheilen von ihm: das reifere Alter des einen Mitunterred-
ners, die gröfsere Einfachheit der dramatischen Form, die höhere
Entwicklungsstufe der Dialektik, wie sie namentlich in dem Gedan-
ken eines Wifsens um das Wifsen sich zeigt. Dann S. 280 die
verschiedene Weise, in welcher die Besonnenheit in den Personen
des Dialogs zur Erscheinung kommt. Dabei ist nur Chaerephon
vergefsen, denn so flüchtig auch dessen Hervortreten ist, so soll er
doch ohne Zweifel den Beleg dafür geben , dafs die gemefsene Würde
im äufsern Auftreten nicht, wie die gewöhnliche, auch von Charmi-
des zuerst ausgesprochene 3Ieinung geht, ein absolut nothwendiges
Erfordernis der Sophrosyne sei. Ist doch dieser ungestüme , excen-
trische Mann ein so enthusiastischer Verehrer des Sokrates, mit-
hin so entschieden angeweht von der Zauberkraft seiner Beden , die
die Besonnenheit verleihn, p. 155 ff! Aber auch der innere Zusammen-
hang zwischen den verschiedenen, scheinbar so willkürlich aufge-
grilfenen Definitionen der Besonnenheit, überhaupt der hinter allen
Abschweifungen, Erschleichungen, Sophismen sich verbergende durch-
aus continuicrliche Forlgang ist hier zuerst glücklich zur Anschauung
gebracht worden: S. 281 — 289. Von der abgemefsenen Würde im
Auftreten, der blofsen, nicht einmal unumgänglich nothwendigen äu-
fsern Erscheinungsform, wird zunächst wenigstens zu einer psychi-
schen Bestimmung, die aber erst blofse praktische Naturbasis, mithin
noch sittlich gleichgillig ist, zu der aidcog übergegangen. Näher
f ührt ' das Thun des eignen' und die angeknüpfte Unterscheidung des
sittlichen TCQccvtccv von dem technischen Ttoielv bereils in die ethi-
sche Sphaere. Aus dem Thun des eignen wird das '^ Thun des gu-
ten' (das gute ist ja schon im Lysis das wahrhaft angehörige). So
aber fehlt noch das eigentlich sokralische Element des Wifsens. Da-
her zunächst die ßeslimmunff als Selbsterkenntnis: das gute als das
Müller u. Slciiiliarl; IMaloiis siiiiiinlliclic Werke. Jr ii. 2r Jid. 25^1
waiirliaft eigene isl das cigenlliclio Sell)sl des Mcnsciieti ; dies walirc
Selbst ist nach der andern Seite hin das Wifsen: so wird die Beson-
nenheit zum M il'sen des ^^'i^sens. Allein dies ist etwas rein l'orinales,
und in Wahrheit kann doch von diesem Wilsen des \>'irsens der reale
(iehalt der Erkenntnis nicht «ielreiinl werden , d. h. es ist Wifsen des
guten oder eine vom \> ilsen des \\ il'sens geleitete Erkenntnis des
guten. Damit ist freilich im Grunde nur die allgemeine Tugend be-
schrieben. Doch lafsen sich die specicllen Züge der Besonnenheit aus
einzelnen der verschiedenen Delinitionen zusammenstellen, freilich
nicht aus allen, die llr. St. S. 289 aulTtihrt. Hinter dem Tliun des
eignen liegt die weise Selbstbeschränkung im Handeln, so dafs sich
jeder streng in der ihm durch seine Fähigkeiten angewiesenen
Sphaere hält; dazu kommt das Natur- oder Gefühlselement der cddcog
und insgemein die äufscre mal'svolle Erscheinung. — Auch die pole-
mischen Erörterungen des Hrn. Verf. S. 289 — 292 sind erschöpfend
und triftig.
In der Bemerkung p. 167 A — 168 A, ob es wohl eine Wahr-
nehmung gebe, die sich selbst wahrnimmt u. s. w., findet Hr. St. S.
286 f. neben dem specifischen Unterschied der Erkenntnis von allen
andern Geistesthätigkeiten auch schon das Vorhandensein eines Innern
Gemeinsinnes angedeutet, was Ref. allzu unsicher scheint. Die Be-
merkung p. 168 D E, wenn das Sehvermögen sich selbst sehen sollte,
so müste es eine Farbe an sich tragen u. s. w., wird nicht gehörig
von Hrn. St. gewürdigt. Allgemein ausgedrückt heifst dies so viel ;
eine auf sich selbst bezogene Thätigkeit mufs in dieser Stellung die-
selben Praedicate an sich tragen, welche allen andern Objecten in der
Beziehung auf sie gemeinsam sind. Auf das Wifsen vom Wifsen an-
gewandt, scheint mir darnach dieser Satz die Bedeutung zu gewin-
nen, dafs, wenn überhaupt ein solches Wifsen von sich selber mög-
lich sein soll, dieses die Begriffe — der Möglichkeit nach ■ — 'in
sich tragen mufs. Der Geist holt also die Begriffe aus dem Schachte
seines eignen Innern liervor ! Dieser Gedanke eines Wifsens um das
Wifsen geht demnach so sehr über die sokralische Unwifsenheit hin-
aus, dafs Hr. St. sich nicht hätte wundern sollen, denselben dem Kri-
tias und nicht dem Sokrates in den Mund gelegt zu sehn (S. 285). Das
Wifsen des Wifsens ist nichts anderes als die Dialektik (s. St. eben-
das.), die aber — setzen wir hinzu — eben weil es ihr noch an ei-
nem eigenthümlichen Inhalt gebricht, weil die Begriffe noch nicht zu
Ideen hypostasiert sind, sofort wieder in die Ethik zurückfällt. Piaton
weifs sich eben noch nicht deutlicher auszudrücken, erst im Menon
gebraucht er zuerst das Wort alöog für 'Begriff' p. 72 D E, und viel
später erst in dem specifischen Sinne Mdee'.
Aehnlich wie den Charmides zum Lysis stellt der Hr. Verf. S.
342 — 345 wieder den Lackes zunächst mit seinen beiden Vorgängern
in Parallele. In der Schilderung der Charaktere S. 345 — 350 ist es
für den Ref. zu fein, wenn aus der einzigen Stelle, wo Lysimachos
nach einem ihm vom Sokrates gegebenen Winke nicht nach der Mehr-
282 Müller u. Stcinliart: Plalons säiiiiiilliche Werke, Ir ii. 2r Bd.
heit, sondern nach der gröfsern Einsicht der Ralhgeber sein Urtheil
beslinimeu lafscn will, die Vernuilhung- j^eschöpft wird, dafs Lysinia
chos wahrscheinlich mehr zur Aristokratie geneigt habe als Melesias.
Der Haudegen Laches stellt blofs das praktische Moment der Tapfer-
keit, d. h. Schlagferligkeit, Mulh und Willensenergie dar, der be-
dächtige Taktiker Nikias dagegen die blofse Klugheit und verständige
Berechnung der äufsern günstigen oder ungünstigen Umstände. So-
krales endlich nimmt einzig die wahre Weisheit, d. h. die Kenntnis
des höchsten Gutes zum Mafsstabe und fügt ihr jene andern beiden
entgegengesetzten Eigenschaften als untergeordnete Momente ein.
Diese verschiedenen Momente sind es aber, welche in der Reihenfolge
der Deiinitionen allmählich zu Tage treten , s. S. 350 — -3ä5. Zu bemer-
ken wäre noch gewesen, wie die Entwicklung hier weit directer auf
ihr Endziel lossteuert, als noch im Charmides.
Die hier angenommene Reihenfolge der bisherigen Dialoge scheint
dem Ref. gesichert zu sein, wie sie denn auch mit der von Hermann
fast ganz übereinstimmt. Dagegen bieten die sonstigen Resultate des
Hrn. Verf. wichtige neue Ergebnisse für die erste Jugendentwicklung
Piatons, Zunächst ist hervorzukehren, dafs Hr. St, die Auffafsung
Hermanns a. a. 0. I S. 388 IT. nicht Iheilt, nach welcher Piatons
früheste Thäligkeit ganz vorzugsweise der Darstellung und Verallge-
meinerung der sokratischen Methode, der Hervorhebung des we-
sentlichen und bleibenden in ihr gew idmet gewesen wäre , so dafs
der jedesmalige Gegenstand der Behandlung dabei zu etwas blofs
secundärem , zum Vehikel wird, womit übrigens nicht gesagt zu
sein braucht, dafs deshalb derselbe nicht wirklich einer ernsthaften
wil'senschaftlichen Betrachtung unterzogen werde, nur freilich mehr
anregend als erschöpfend, Hr. St, betrachtet vielmehr schon diese
frühesten Arbeiten durchaus als Organismen, bei welchen die reale
Frage den eigentlichen Kern, die 3Ielhode dagegen zu ihr die formale
Kehrseite bildet, gesteht übrigens aber derselben allerdings eine
grofse Breite des Spielraumes zu, wobei nur zu tadeln ist, dafs er
dies beim Laches, der gerade am entschiedensten an die richtige Er-
ziehungskunst im allgemeinen anknüpft, am allerwenigsten hervorge-
hoben hat. Dazu kommt nun noch die geistreiche Beobachtung (S, lOO),
dafs bereits im kleinen Hippias die sokratische Unwifsenheit nicht
mehr rein historisch aufgefafst zu sein scheint, dafs vielmehr der
junge Denker das Ringen und Gähren seines eignen nach Wifsen ver-
langenden, aber noch immer zwischen den Gegensätzen schwankenden
Geistes p. 372. 376 mit in dies Bild hinüberträgt. Die Unwifsenheit
des Sokrates wird so zu einem blofsen Nochnichtwifsen , das End-
resultat seines Meisters wird von Piaton zum blofsen Ausgangspunkte
herabgesetzt.
Ist dies richtig, so wird dadurch die bisherige Ansicht, z, B,
die Stallbaums Opp. I, 1 p. XXXII, dafs sich Piaton anfangs nur
sporadisch mit allerlei einzelnen philosophischen Untersuchungen,
ganz wie sein Lehrer, beschäftigt habe, umgestofsen , und es liegt
Miillcr II. SlciiiliiUl : IMaloiis saininlliclio Werke. Ir u. 2r Bd. !2!^3
vieliiielir von Haus ;uis ein Zug- znni syslcninlisclien, mit alliniililioli
inuner steigender Klarheit, in seinem Geiste. Was war da natürlicher?
dafs er sich an den einzigen realen philosophischen Satz, den einzi-
gen Ansatz seines Meislers zn einem Systeme anschlofs und von dort
aus weiter vorzudringen suchic, \>ill sagen, dal's er die l.ehre von
der Einheil der Tugend mit dem ^^ il'sen in ihre Tiefen verfolgte?
Oder aber dafs er zuvor allerlei einzelne, namentlich aeslhclisehe
Frag'en in Angrilfnahm und noch erst einen Ion und gröfserii Hippias
schrieb? Nur wenn wir mit dem kleinen Hippias seine Laufbahn be-
ginnen lafsen, kommt Klarheit in die Entwickluni;- hinein. Hier be-
weist er ncmlich zunächst den betreffenden Salz indirect, macht aber
auch dabei schon einen Schritt über den Sokrates hinaus, indem er
zwischen AVifsen und AN'ollen schon einen gewissen Unicrschied ahnt.
S. 0. So fehlt schon in den früheslen Dialogen die Anerkennung eines
praktischen Elements in der Tugend nicht, und Zeller (Philosophie
der Griechen II S. 158. 285) Ihul Unrecht, Platon anfangs schlechlhin
die sokratische Lehre von der Tugend zuzuschreiben. Der Lysis
bringt den jungen Denker bereits zu der Aufstellung eines höchsten
und absoluten Gutes, währenddem Sokrates alles gute relativ gewe-
sen war. Klarer tritt hier weiterhin die Gewisheit hervor, der eifrig
philosophierende werde es auch wirklich in der Weisheil zu etwas
bringen: wer sie w.dirhafl liebt, den liebt sie auch wieder. Zugleich
wird aber die sokratische Methode oder doch ihre Bedeutung auch
bereits im Princip verändert durch die Gegenseitigkeit der Freund-
schaft, d. h. die gegenseitige Anregung und Ergänzung im gemein-
samen Philosophieren, im erotisch -philosophischen Streben, während
die sokratische Maeeulik von der eignen Unwifsenheit und Unfrucht-
barkeil des philosophierenden ausgehl und daher die AA'ahrheit ledig-
lich aus dem Mitunterredner entwickelt. Im Charmides werden so-
dann gar die Gegenstände des Philosophierens als etwas an sich im
eignen Geiste des philosophierenden liegendes bezeichnet, wofür erst
später im Mcnon durch die Praeexistenz und ava^ivipLi^ die Erklärung
nachgebracht wird. Die echt sokratische Methode und Maeeutik kennt
Platon von vorn herein eben so wenig als die echt sokratische Un-
wifsenheit.
Nun wählte er aber trotzdem die Gesprächsform zur Darstellung.
Aus welchen Gründen, mag hier unerörterl bleiben. Dann aber konnte
er nur den Sokrates zum Gesprächsleiter machen, weiter nicht ein
Losreifsen von der Sokratik, sondern eine innere Verliefung derselben
Avollte. Dem Sokrates musle aber aus demselben Grunde seine histo-
rische Haltung im ganzen gewahrt werden, daher die Darslellungs-
melhode nichts desto weniger in der Praxis noch lange die echt so-
kratische der Gedankenentwicklung aus den Milunterrednern bleibt.
Erst allmählich mit dem Fortschreiten seiner eignen Erkenntnis wird
Plalon kühner im Idealisieren seines Meislers.
Man beachte auch, wie schon im Lysis p. 219 C D das höchste
Gut mit einer stark an die Ideenlebre anstreifenden Terminologie be-
284 Müller u. Steiiiharl: Piatons sämmüiclie Werke. Ir ii. 2r Bd.
zeichnet Mird. Das höchste Gut ist der erste Keim dieser Lehre, das
Wilsen des Wilsons der zweite. Im Laches wird die sokratische
Delinilion der Tapferkeit durch den hineingehrachten Mal'sstah des
höchsten Gutes ausdrücklich berichtigt und verlieft p. 189 B ff. Aber
noch ruht die Dialektik als Embryo im Mullerschorse der Ethik und
reift erst allmählich ihrer Geburt und ihrem selbständigen Dasein ent-
gegen.
Nur in bedingtem Sinne kann man daher den Piaton in dieser sei-
ner ersten Periode mit Hermann a. a. 0. I S. 51 u. a. a. St. einen
reinen Sokratiker nennen, wenn man darüber nicht vergifst, dafs er
von Haus aus die sokratischen Sätze in einem ganz originellen Sinne
auffafst und nun von Dialog zu Dialog ein fortwährendes Anknüpfen
an die gewonnenen Resultate, eine stetige Weiterentwicklung schon
in seinen frühesten Werken zeigt. Nur so kommt bei der Erklärung
der platonischen Bildungsgeschichte gerade das Hauptmoment, das der
Innern genialen Triebkraft seines Geistes, zur Geltung. Dafs Hr. St.
selbst zu diesem klaren Bewustsein dessen, was durch seine Leistun-
gen vorbereitet ist, noch nicht gelangt zu sein scheint, darin dürfte
ihn blofs die Aufnahme jener drei höchst wahrscheinlich unechten
Dialoge in seine Darstellung beirrt haben.
Dafs nun im Charmides und Laches, ^\o es sich doch nur um
eine Einzeltugend handelt, die Einmischung der allgemeinen Unter-
richtsmethode etwas übergreifendes hat, läfst sich nicht leugnen,
wird aber dadurch gemildert, dafs es sich doch vorzugsweise um
die eine und untheilbare Tugend, nur in ihrer besondern Aeufserung
handelt.
Hinsichtlich der Eintheilung des Protagoras mufs Ref. sich
abstimmig erklären. Hr. St. unterscheidet S. 403 f. zwei Hauptab-
schnitte: p. 316 B — 334 C und 339 A — 3ü0 E, welche durch
eine höchst dramatische Zwischenhandlung p. 334 D — 338 E ver-
bunden Averden. Das Gespräch mit dem Hippokrates p. 311 B —
314 C und die Gruppierung der Sophisten p. 314 E ■ — ■ 316 B stellt
er dem ersten Hauptabschnitte als einen doppelten Prolog voran. Diese
Anordnung wird sogleich dadurch bedenklich, dafs das erste Gespräch
mit dem Protagoras p. 316 B — 319 A eben denselben Inhalt hat,
wie das mit dem Hippokrates , nemlich die Frage nach dem Wesen der
Sophislik. Dieses wird durch jenes, wie schon S chleier m a c h er
bemerkt, fortgesetzt oder ergänzt: das eine fafst mehr die theoreti-
sche, das andere mehr die praktische Seite der Sophistik ins Auge.
In der Unterredung mit Hippokrates erscheinen die Sophisten mehr
als Lehrer von allerlei zerstreuten Kenntnissen, denen der einigende
Mittelpunkt des Begriffes fehlt, in der mit dem Protagoras als angeb-
liche Tugendichrer. Jenes entspricht mehr der Richtung des Ilippias,
dieses mehr der des Protagoras. Die dazwischen eingeschobene Grup-
pierung der Sophisten bringt dann dies Wesen auch äufserlich zur Er-
scheinung: wie sich hier drei Gruppen sondern, so werden plastisch
die drei Richtungen der Sophistik, die politisch -ethische, die gram-
Mfillci' II. Sieinliart: Piatons sämmlliclic Werke. Ir ii. 1v ßd. 285
inalisch-rlietorisclio mid die polyliistorisclie zur Aiiscliiumni>- i^ebrachf.
Es isl viel mclir der Sache crilspreclieiid, den oan/.cn Al)salz p. '611 B
— 319 A als ein ■ — dreillieiliges — (ianzes zu falseii.
Wenn ferner Ilr. St. fortlalirt, im ersten Abschnitt sei Protago-
ras die Hauptperson, und es hersche hier die epische Huhe und
Breite vor, so gilt dies doch in Wahrheit mir von dem Theile, wel-
cher den Blytlios und den sich anschliefsendcn weitern Vortrag des
Sophisten enthält. Gleich im folgenden, wo er sich herbeiliifst dem
Sokrates Rede zu stehn, erleidet er Schlappe auf Schlappe. Ebenso
knüpft sich das Schlufsgespräch p. 348 E — • 360 E keineswegs ähn-
lich an die Erklärung des simonideischen Gedichts p. 339 A ■ — ■ 348 A
• an , wie das Gespräch über die Einheit der Tugenden p. 329 A —
333 C an den Vortrag des Protagoras. Vielmehr beginnt mit dem
letztgenannten Gespräche bereits der Umschwung des Ganzen. Prota-
goras hat so eben die Lehrbarkeit der — gewöhnlichen — Tugend
zu erhärten gesucht. Daran anknüpfend bereitet sich Sokrates nun-
mehr zu zeigen, dafs die vollendete Tugend auf die Weisheit oder
das Wifseu zurückführt und somit allerdings lehrbar ist. Diese nächste
Beweisführung ist allerdings nur eine vorläulige, indem er die Fröm-
migkeit auf die Gerechtigkeit, dann die Besonnenheit auf die Weis-
heit, endlich die Gerechtigkeit auf die Besonnenheit und also auch
durch dieses Mittelglied auf die Einsicht zurückleitef. Es fehlt nur
noch die Tapferkeit, als der Gang dieser Unterredung plötzlich abge-
brochen wird. Ganz richtig bemerkt Hr. St., das Schlufsgespräch
habe zwei Absätze. Man beachte aber, dafs der erste derselben
p. 349 — 351 B eben das nachträgt, was oben noch fehlte, nemlich die
Identität der Tapferkeit mit dem Wifsen. Dann erst folgt eine mehr
principielle, vom Wesen des guten ausgehende Beweisführung für die
Identität der Tugend im allgemeinen mit der Erkenntnis (bis p. 359 A),
welche dann im besondern nur noch auf die Tapferkeit übertragen
wird (bis p. 360 E), eben weil sich dies ganze Schlufsgespräch das
Ausehn gibt, als wolle es nur die oben fehlende Erklärung der Tapfer-
keit nachtragen (p. 349 D ff).
So enthält der Dialog in Wahrheit zwei Beweise für die Einheit
der Tugenden im Wifsen , einen indirecten und einen mehr directeii.
Der Grund hiervon tritt am deutlichsten in der ersten Definition der
Tapferkeit hervor, wo sie nach Schleiermachers treffendem
Winke als Verbindung von Einsicht und Kühnheit, also des theoreti-
schen Elements mit einem praktischen und natürlichen erscheint, wäh-
rend in der Schlufserklärung nur das erstere sich geltend macht.
Aus dem ersten Beweise wird ferner nur eine ungefähre Gleichheit
der Tugenden im Wifsen gefolgert (p. 333 B, s. Steinhart S. 413);
auch heifst es hier, dafs sie weder quantitative noch qualitativ- orga-
nische Theile, aber doch auch nicht blofs verschiedene Namen der
einen und untheilbaren Tugend seien (s. Steinh. S. 412 f.). Was sie
trennt, dürfte vorzugsweise das praktische Element, die Verschieden-
heit des Triebes oder der Anlage sein. Man sieht wohl, Piatons ei-
286 Müller u. Steinhart: Piatons sänimt liehe Werke. Ir u. 2r Bd.
geniliche Intention geht dahin die Verschiedenheiten ruhen zu lafsen
und nur das theoretische Moment als das der Einiieit hervorzuheben.
Nichts desto Aveniger hat er gute Gründe, auch auf die praktische
Seite als eine noch zu lösende Frage hinzudeuten. Daher diese zwie-
fache Beweisführung. Beslinimtcre Andeutungen werden nicht dem
Sokrates, sondern dum Protagoras in den Mund gelegt, s. p. 327 (von
der Anlage) und was er vom Scham- und Rechtsgefühl , d. h. eben
vom Tugendtriebe sagt.
Man sieht, das Hinausgehen über den Sokrates, die Anerkennung
des praktischen Elements in der Tugend hat hier schon die Unter-
scheidung einer bürgerlichen Tugend von der piiilosophischen im
Keime hervorgetrieben. Erstere hat diese praktische Grundlage nicht
zu einer wahrhaft theoretischen Ausbildung gebracht. Eine tiefere
Erörterung dieser Frage gibt der Menon.
üafs übrigens Hr. St. S. 418 — 420 auch die letzte Bew eisfülirung
nur als eine vorbereitende und hypoihetische gelten lafsen will, deren
Absicht die ist, zu zeigen, dafs selbst vom eudaenionistischen Stand-
punkte die Tugend als Erkenntnis erscheint, darin nuifs ihm Ref. ge-
gen Hermann a. a. 0. I S. 462 f. beipflichten. V/enn selbst Prota-
goras sich gegen die Annahme sträubt, dafs alles angenehme auch
gut sei p. 351 C ff., wie darf man da dem platonischen Sokrates zu-
trauen, dafs ihm dieselbe unbedenklich sein werde? Endlich kommen
ja aber auch beide ausdrücklich überein sie nur als Hypothese gelten
zu lafsen p. 351 E. Dagegen hat der Hr. Verf. jenes Sträuben des
Protagoras nicht genug berücksichtigt, wenn er dem letztern S. 404.
421 ohne weiteres eine bewust eudacmonistische Moral zuzuschreiben
geneigt ist. Ich denke, es soll vielmehr hierin die Andeutung liegen,
dafs das angenehme allerdings das sophistische Moralprincip ist, dafs
aber Protagoras selber noch einen zu starken sittlichen Sinn in sich
trug, um seinerseits diese Consequenz bereits zu ziehn und sich nicht
vielmehr von ihr abgestofsen zu fühlen.
Dafs aber das eigentlich speculative Grundprincip des Protago-
ras unberücksichtigt bleibt, daraus schliefst Hermann a. a. 0. 1
S. 464 vgl. 50 f. auf Piatons dermalige Unbekanntschaft mit demsel-
ben. Hr. Steinhart S. 420 — 422 dagegen bemerkt richtig, wie sich
dies genügend daraus erklärt, dafs Plalon es hier rein mit der ethi-
schen Frage zu thun hat. So lange ihm seine ganze reale Philosophie
in die Ethik aufgeht, ist die eigentlich wifsenschafllichc Benutzung
früherer Systeme nicht möglich. Daraus erkläre ich mir nocii im
Gorgias die Nichtberücksichtigung der philosophischen Schrift dieses
letztern Sophisten, w eiche Hrn. St. II S. 510 Anm. 23 mit Recht auf-
gefallen ist. Andererseits ist aber daraus, dafs eine Menge nothwen-
diger Consequenzen der sensualistischen Grundansicht des Protagoras
zu Tage tritt, noch keineswegs mit dem Hrn. Verf. zu folgern, dafs
Piaton sie wirklich aus der letztern hergeleitet und mithin dieselbe
gekannt habe. 31öglich dafs selbst die Jlahnung an den Unterschied
des Seins und Werdens (p. 340 B C) den Sophisten, wie Schleier-
Uliillcr 11. Slciiilisrl : Plalons säinmlliciio Werke. Ir ii. 2r Bd. 287
maclier aiuiimint, al.s AMluiii<;cr des lelzleni bezeicliiien soll. El-
M as sicheres lafsl sicli in der «ganzen Fra<;e iiielil eiilseheideii.
So viel lial übrigens l!r. St. aueli liiüsielitlicli der Composilioii
rieliüg erliainit, dafs die Deballc über die Furlsolzuiig- des Gesprächs
p. 33i D — 338 E in einem engen Zusanimeniiange mit der früliern Grup-
pierung der Sophisten steht. Denn indem auch Uippias und Prodikos
liier eine Probe von ihrer Redekunst ablegen, treten die vorher nur
plastisch hingeworfenen llauplrichlungen der Sophislik drastisch und
erkennbar heraus, innerhalb der etliisch-i)olilisclien Richtung aber
wieder der Gegensalz des einseiligen Conservativismus im Protagoras
und des einseitigen Hevolutionsprincips im Uippias (S. 405 11'.). Dafs
Kallias als feiner ^^ irth sich unparteiisch benelime, kann ich übri-
gens nicht linden: er neigt doch wohl entschieden zum Protagoras hin,
s. p. 336 B E.
Auch das ist richtig, dafs die Erklärung des simonideischen Ge-
dichts durch den Satz, dafs Gott das unwandelbare gute sei, mit dem
Mythos des Protagoras, und durch den, dafs niemand freiwillig böses
thue, mit dem letzten Theile des Dialogs in Verbindung und Einklang
steht, S. 408. 414. Auch die Darlegung der positiven Keime im Vor-
trage des Protagoras S. 422 ff. ist trefllich, und wenn Zeller Zeit-
schrift für die Alterthumsw. 1851 S. 249 f. dagegen erinnert, dafs im
ganzen durchaus die negative Seite hervorgekehrt werde, so beweist
dies nur, dafs jene richtigen Ahnungen auf gewisse Elemente gerichtet
sind, welche auf diese Weise mehr angeregt als erschöpft werden
sollen (s. 0.).
Im ganzen hat auch hinsichtlich der Zweilheilnng des Dialogs
Hr. St. insofern nicht Unrecht, als allerdings die eine Hälfte mehr vor-
bereitender Natur ist, mehr die niedere Tugend und die niedern Ele-
mente der Tugend beleuchtet; nur dafs dabei die erste schon so stark
in die zweite hinein- und die zweite in die erste zurückgreift, dafs
es gerathener erscheint, einfach bei der schon von Schleiermacher
entwickelten Sechstheilung stehn zu bleiben.
Das Gesammtresultat ist bei Hrn. St. dasselbe, worin auch Zel-
ler Piaton. Studien S. 161 f., Hermann a. a. 0. I S. 457, Bran-
dis griech.-röm. Phil. II, 1 S. 454 IT. bereits zusammengetroffen sind:
die w ifsenschaftliche Betrachtung der Tugend und ihre richtige Lehr-
methode im Gegensatz gegen die anmafsliche Tugendlehrerin Sophistik
(S. 410 f.). Auch Ref. schliefst sich gern an, ^^ enn iran ihm zweier-
lei zugestelin w ill. Erstens nemlich wird neben der eigentlichen
Tendenz, die Tugend auf den Begriif zu begründen, doch allerdings
nach dem obigen auch auf die praktischen Elemente , Trieb und An-
lage, hingedeutet. Eine Masse von Stellen lafsen sich überdies anfüh-
ren, wo auf den Mangel des Wahrheifstriebes, die niedrige Gesinnung,
Rechthaberei , Ruhmredigkeit und Habsucht der Sophisten angespielt
wird: s. p. 313 C ff. 317 A ff. C 318 A. D. E. 327. 334 E. 335 A. 348 E.
310 D. E und was Schleiermacher über die niedrigen Lebensan-
sichten sagt , w eiche der Mythos des Protagoras enthält. In seinem
288 E. Curtiiis: Pclopounesos.
Lob alles bestehenden dagegen kann Ref. nur die Einseitigkeit des
Princips, in dem Vorzuge, -welchen er dem ungebildetsten Griechen und
besonders AHiener vor den Barbaren einräumt, gleichfalls nur die ge-
wöhnliclie Nalionaleilelkeit , weniger eine Schmeichelei gegen die
Athener, durchaus aber keine Gleichgiltigkeit gegen die Wahrheit,
blofses Jagen nach Lohn und Lob mit Hrn. St. S. 412 erblicken. Auch
in der Einrahmung deutet der Vorzug, Avelchen Sokrates dem '^wei-
sen' Greise Protagoras vor seinem schönen Lieblinge Alkibiades gibt,
p. 309 B ff., ohne Zweifel auf den regen Erkenntniseifer des Sokrates.
Zwei teus, wenn doch zugegeben wird, dafs der protagorei-
sche Mythos viel wahre Gedanken in sich trägt, so mufs ein ähnliches
auch wohl von der Form gelten, die Piaton schon im Menon und Gor-
o-ias selber anwendet. Audi die Erklärung des simonideischen Ge-
dichts weifs Sokrates so zuzurichten, dafs sie ganz in den Gesammt-
verlauf der Untersuchung hineinpasst. Auch eine sonstige längere
Rede des Sokrates kommt vor p. 338 A — E, die am meisten dialekti-
sche von allen nach S ch le ier ma eher s zutreffender Bemerkung.
Ich dächte daher, auch diese drei sophistischen Formen würden nicht
absolut für den philosophischen Gebrauch verworfen, falls sie nur in
der Hand eines echten Dialektikers sind, wenn ihnen auch freilich die
eigentlich beweisende Kraft abgesprochen wird.
Eine genauere Bestimmung der Abfafsungszeit ist bei den vor-
stehenden Gesprächen unmöglich; wie unsicher es mit den Zeitbezie-
hungen steht , welche Hr. St. in einigen derselben findet, darüber s.
Zeller Zeitschr. f. d. Alterthumsw. 1851 S. 264. Mit dem unechten
zweiten Alkibiades S. 509 ff. schliefst der erste Theil des Werks.
(Fortsetzung folgt im nächsten Hefte)
Greifswald. Dr. Fratn Suseinlhl.
PeloponnesOS. Eine historisch-geographi.sche Beschreibung der Halb-
insel von Ernst Curtius, ao. Professor an der Universität zu Ber-
lin. Erster Band. VI u. 495 S. 1851. Zweiter Band. VI u. 693 S.
1852. Beide Bände mit Karten und eingedruckten Holzschnitten.
Gotha, Verlag von Justus Perthes, gr. 8.
Es kann nicht geleugnet werden, dafs die neuere deutsclie Philo-
logie, so sehr sie das Verdienst in Anspruch nehmen darf, die Wege
zu einer lebendigen und gründlichen Erkenntnis des Alterlhums wie-
der eröffnet und jedes Gebiet desselben mit glänzendem Erfolg ange-
baut zu haben, doch wenig Werke aufzuweisen hat, in welchen die
Resultate jener mühevollen Vorarbeiten zu einem harmonischen Ge-
sammtbilde vereinigt, und die von unserer Zeit gewonnene Anschau-
ung von dem Leben und Wirken der Griechen und Römer in grofsen
Zügen dargestellt und für alle Zeiten gesichert wäre. Zum Theil hat
die Vorsehung selbst in den Entwicklungsgang unserer Wifsenschaft,
E. Ciirlius ; Pcloponnesos. 289
Avie wir ihn nach menschlicher Ansicht holFen durften, durch unvor-
geschene Entscheidungen eingcgriUen. Zwei Männer, die vor vielen be-
rufen schienen, die gröfslen Aufgaben zur Vollendung zu führen, Ni e-
buhr und 0. Müller, sind in der höchsten Reife ihrer geistigen
Kraft von ihrem edlen Tagewerk frühzeitig abgerufen. Andere, die
wir stets dankbar als die Meister der Kunst verehren, Wolf, Her-
mann, Böckh, Lachmann, Weicker, haben nach den in der
Zeil liegenden Bedürfnissen oder nach der ursprünglichen Richtung und
Neigung ihres Geistes ihren Forschungen bestimmlere Ziele und enger
umschriebene Grenzen gesteckt. Je weniger es zu bezweifeln ist, dafs
die bewunderungswürdigen Leistungen der voraufgegangenen Kory-
phaeen auf jedem Felde der Alterthumswifsenschaft in dem Gescblechte
der Jüngern Philologen auf Erweiterung des Umblicks und auf Verlie-
fung der Einsicht die günstigste Einwirkung gehabt haben werden, um
so lebhafter und dringender regt sich die Hoffnung, dals eine umfafsende
und eindringende Kenntnis des Alterlhums in ^\'erkeu von grofsartiger
Anlage und edler Form immer mehr ihren w ürdigen Ausdruck finden
werde. Als eine hoch erfreuliche Frucht solches Slrebens dürfen wir das
oben genannte Werk begrüfsen. Wenn ich mir gestatte , dasselbe an
diesem Orte zu einer eingehenden Anzeige zu bringen, so geschieht es
theils aus einem wahrhaften Bedürfnis, dem Verf. auch ölTcntlich den
wärmsten Dank für die Freude und Belehrung auszusprechen, welche
sein Werk im reichsten Mähe gewährt, theils in der Absicht, ins-
besondere durch diese Zeitschrift die Aufmerksamkeit recht vieler
Berufsgenofsen an den Gymnasien darauf hinzulenken. Gerade in
der Zeit, wo von so vielen Seiten die dankenswerthestcn Bemühungen
auf das Ziel gerichtet sind, der Jugend die Früchte der Alterthums-
studien so zugänglich wie möglich zu machen , wird es doppelt ge-
rechtfertigt sein, auf eine frisch sprudelnde Quelle lebendiger Er-
kenntnis hinzuweisen. So schön und rühmlich es auch ist, durch
zweckmäfsige Ausgaben das Verständnis der Classiker zu erleichtern,
durch immer neue Grammatiken das Erlernen beider Sprachen zu be-
schleunigen, durch immer scharfsinniger angelegte Methoden die Wege
zum Ziele abzukürzen und zu sichern; — gelingt es uns nicht, in
Geist und Gemülh der Jugend das Alterthum wieder zum Leben zu er-
wecken und Liebe und Freude an seinen lebensvollen Schöpfungen
zu erregen, so haben wir unsere Aufgabe unvollkommen gelöst. Es
ist seit einer Reihe von Jahren so viel Mühe und Arbeit an die Ver-
befserung der Mittel und Wege gewandt, dafs ein Buch, in welchem
die Anschauung des Zieles selbst in einem bedeutenden Umfange ge-
fördert wird, auch für die Schule und ihre Pfleger nur in hohem
Grade willkommen sein kann. Ueber den hohen wifsenschaftlichen
Werth desselben, welchen in vollem Mafse nur wenige zu beurtbeilen
berufen sind, haben sich schon die gewichtigsten Stimmen von Män-
nern, die selbst inmitten dieser Forschungen stehn (namentlich von L.
Rofs in der AUgem. Monatsschrift für Wifsenschaft und Litteratur,
Decemberheft 1851), mit der achtungsvollsten Anerkennung ausgespro-
IS. Jahrb. f. Phil. ti. Paed. Rd LXVII. ///Y. 3, 19
290 E. Curtius: Peloponnesos.
clien und andern kritischen Prüfungen der ResnUale topographischer
und archaeologischer Untersuchungen, welche in grofser Zahl in dem
Buche niedergelegt sind, dürfen wir von kundiger Hand entgegensehn ;
möo'e es uns hier gestattet sein, mit der reinen Freude an einem gro-
fsen , im edelsten Sinne zum Gemeingut gemachten Gewinne den Ver-
fafser durch seine eben so anziehende wie belehrende Darstellung
zu begleiten, und einen gedrängten Ueberblick von dem reichen In-
halt seines Werkes mitzutheilen.
Die Aufgabe, welche Curtius von früh auf für ganz Griechen
land im Geiste erfafst und für einen der wichtigsten Theile zur Aus-
führung gebracht hat, ist dieselbe, welche Niebuhr als die höchste
der Geschichte erkannte, und von der die grofsartigen Grundzüge in
seinen mündlichen Vorträgen über alte Länder- und Völker-
kunde niedergelegt sind; dieselbe, welche 0. Müllerin das Land
seiner Sehnsucht führte und dort auf dem Felshügel des Kolonos sein
frühes Grab finden liefs. Es ist die historische Cho rogr ap hie,
deren Ziel es ist: Mie ganze ordnende, schaffende, einrichtende Thä-
tigkeit des menschlichen Gedankens in Beziehung auf den Boden dar-
zustellen, damit man schliefslich erkenne, was das Land durch seine
Bewohner geworden sei' I S. od. Ueber die Quellen und Hilfsmittel
im engern Sinne, welche dem Verfafser zu Gebote standen, und über
sein persönliches Verhältnis zu seiner Aufgabe gibt der vierte
Abschnitt S. 115 bis 147 ausführliche Hechenschaft. Wir erhal-
len hier nicht eine dürre Aufzählung der wichtigsten Schriftsteller
von Homer bis auf die neuesten Zeiten, welche zu der Kunde des
Peloponnesos in näherer Beziehung stehen , sondern eine scharfe
Charakteristik der einzelnen sowohl nach dem Umfang, wie nach dem
Werlhe der von ihnen mitgetheilten Nachrichten. Noch immer wird
die Warnung vor der Ueberschätzung homerischer Weltkunde, w eiche
selbst Strabon nicht selten irre führte, zu beherzigen sein, weil dem
alten Dichter die geographischen Namen nur den unwesentlichen Hin-
tergrund der Begebenheiten andeuteten, und oft in willkürlicher Ord-
nung zusammengestellt sind; überdies die meisten Stellen der homeri-
schen Gedichte, welche geographische Namen enthalten, spätem Ur-
sprungs oder verfälscht sind. 'Eben darum sind die Streitfragen
über homerische Geographie in der Regel so unerfreulich, und nur
selten zu einer endgiltigen Entscheidung zu führen'. Unter den Histo-
rikern und Geographen , den ganz oder nur in Bruchstücken erhalte-
nen, wird besonders die Bedeutung und Eigenthümlichkeit des Poly-
bios, Dikaiarchos undEphoros, welchen letztern C. überein-
stimmend mit Niebuhr gegen ungerechte Herabsetzung schützt, hervor-
gehoben; dagegen von Strabon vortrefflich nachgewiesen, wes-
halb 'die Fülle von Belehrung, welche wir für alle andern Theile der
alten Welt seinem herlichen Werke verdanken, uns in Hellas nicht
in gleichem Mafse zu gute kommt. Sobald er den Boden der ältesten
griechischen Geschichte betritt, hört er auf Chorograph zusein, die
specielle Periegese fällt weg und statt einer Beschreibung des Lan-
E. Ctirtius : Peloponiiesos. '291
des, wie es zu seiner Zeil war, gil)l er eine Reihe geleiirler Abhand-
lungen über homerische (jeoafrapliie , welciie wenig geeignet sind uns
für das vermirsic zu enlsohiidigcn. — Er hiell vieles, was uns neu
und wichtig sein würde, für zu bekannt und zu oft wiederholt, um es
von neuem zu besehreiben.' Ja C. vermutliet, dafs Straboii ver-
schmäht habe, das Land der Griechen zu durchwandern. 'Denn aufser
Korinth, wo er nach der Schlacht bei Actium mit üctavian zusammen-
traf, wird man schwerlich einen peloponnesischen Ort ausfindig ma-
chen, welchen er nachweislich aus eigner Anschauung beschrieben
hat.' Dennoch wird sein Werlh für die Topographie des allen Grie-
chenlands, sobald sein Standpunkt zu derselben richtig aufgefafst ist,
in vollem Mafsc anerkannt*), besonders auch darum, weil er so viele
unschätzbare Nachrichten älterer verlorner Schriftsteller aufbewahrt
hat. Von der ganzen reichen Litteratur der Periegese, die in der
alexandrinischen Periode beginnt und sich mit grofster Genauigkeit
der Beschreibung des besondern und localen auf allen irgend bedeu-
tenden Punkten in ganz Griechenland zuwandte und deren Meister Po-
lemon leider, bis auf die durch Prell e rs Verdienst gesammelten
Fragmente, für uns verloren ist, bleibt Pausanias uns der einzige
Repraesentant. Aber sein Werk ist, wie der Verf. sagt, in dem Grade
die Hauptquelle unserer topographischen Wifsenschaft von Griechen-
land, dafs diese "^zum grofsen Theile ein Commentar desselben sein
und bleiben mufs, und dafs ihre Erfolge davon abhängen, wie weit
es gelingt, den Pausanias mit rechtem Verständnis zu lesen, seine
Kürze zu ergänzen, seine Dürre zu beleben.' Mit klaren und scharfen
Zügen entwirft C. S. 122 ff. ein Bild von der Eigenlhümlichkeit und Me-
thode dieses wiclitigen Schriftstellers, der von seinen zehn**) Büchern
sieben den peloponnesischen Landschaften gewidmet hat, und weist
durch das kunstvoll angelegte Netz seiner Wanderungen den leitenden
Faden nach, dessen sich noch mancher Leser nach ihm mit Nutzen be-
dienen wird. "^Pausanias ist arm an Nachrichten über seine Gegenwart'
bemerkt C. an einer andern Stelle S. 81; 'die Fremdenführer sind fast
die einzigen lebenden Wesen, welche er erwähnt, und wenn er nicht
von Tempeldienst und Götterfesten spräche, könnte man glauben, er
wäre durch aufgegrabene Städte gewandelt, in denen nur 3Ionumente
übrig geblieben wären. So ungenügend hier die Beschreibung des
Periegeten unserer Wifsbegierde erscheint, so reiche und vollständige
Belehrung gewährt sie uns andrerseits. Sie ist gleichsam das ge-
naue Inventar, in dem Hause eines reichen Mannes aufgenommen, ehe
*) Nicht selten hat der Verf. im Laufe seiner Darstellung Gele-
genheit gehabt, durch richtige Interpretation und Emendation, bei
welcher er Meinekes scharfsinnige Hilfe dankbar anerkennt, Stra-
bons Nachrichten ins rechte Licht zu setzen. Vergl. I S. 451 A. 12.
TI S. 105 A. 41 und namentlich S. 309 A. 10.
**) Warum zählt der Verf. nur neun Bücher? Wenn er die bei-
den 'HhciKcc zu einem rechnet, so kommen auch nur sechs auf den
Peloponnes.
19*
292 E. Curlins : Peloponnesos.
die Schulze desselben unter den Händen roher Erben verschleiiderf
und zerstört worden sind.' Die Zeit seiner Wanderungen , um die
Mille des zweiten Jahrhunderts, >Yar die letzte für ein solches Unter-
-nehmen günstige: 'der Halbinsel ^^ar gerade unter den letzten Kai-
sern der Segen einer milden Regierung, längere Ruhe und manigfache
Unterstützung zu gute gekommen, als er den classischen Boden durch-
wanderte.' Mit welcher Sorgfalt und Gründlichkeil C. diese wichtigste
Quelle des ganzen Alterlhums benutzt hat, davon ist eben sein ganzes
'\>'erk ein sprechendes Zeugnis. Natürlich ist aber auch ein so eifrig
und beharrlich eindringendes Bemühen für die Erklärung und Ver-
befserung des Schriftstellers an zahlreichen Stellen von dem glück-
lichsten Erfolg gewesen. Das Register weist eine grofse Reihe un-
zweifelhafter Emendalioncn nach , die aucl» nach den Bemühungen der
neuesten Herausgeber nothwendig waren, und zum Theil nur durcli
die Anschauung der Oerllichkeiten selbst gelingen konnten.
Nach dem Pausanias sind S. 127 auch die übrigen Schriftsteller
bis in die spätere byzantinische Litleratur hinab namhaft gemacht und
beurlheill, deren Ueberlieferungen in näherer Beziehung zu dem Un-
lernehmen des Verfafsers stehen. Was aber seinem Werke einen
noch höheren Werlh verleiht, als das genaueste Studium der eigent-
lichen Quellenschriftsteller, das ist die innige und lebendige Ver-
trautheit mit der gesammten alten Geschichte, Litleratur und Kunst.
Wir fühlen es der freien Haltung, wie dem das ganze Buch durch-
wehenden Geiste an, dafs hier nicht eine nach gelegentlich ergriffe-
nem Vorsatz nur auf das eine Ziel hin gerichtete Untersuchung vor-
liegt, sondern dafs diese Darstellung eines vorzüglich ansprechenden
Theiles aus dem umfafsenden Ganzen einer reichen und organischen
Anschauung des Alterlhums hervorgegangen ist. Diese verdankt der
Verf. nicht nur einer liebevollen Beschäftigung mit allen Gattungen der
Denkmäler desselben, sondern auch einem vierjährigen Aufenthalt in
Griechenland selbst, wo ihm aufser dem täglichen Verkehr mit Gelehr-
ten, die von gleichen Interessen erfüllt waren, das seltene Glück zu
Theil ward, den Peloponnes wiederholt und in der Gesellschaft von
Männern, wie K a r 1 R i 1 1 e r und 0 t f r i e d M ü 1 1 e r, zu bereisen. Einer
trefflichen Uebersicht von den Leistungen und Verdiensten seiner Vor-
gänger (S. 128 — 138) schliefst er den kurzen Bericht von seinen eignen
Wanderungen an. Gebührt mit Recht Engländern und Franzosen der
Ruhm der ersten treuen Nachforschungen an Ort und Stelle, so dürfen
doch auch wir Deutsche mit Befriedigung auf den Fortschritt hinblicken,
der zwischen den Zeilen liegt, wo Martin Kraus im sechzehnten Jahr-
hundert '^aus seiner Tübinger Studierstube einen Briefwechsel mit ge-
lehrten Griechen begann, von denen er zu seinem Erstaunen erfuhr,
dafs es wirklich noch ein Griechenland gäbe , in dem man den Schau-
platz der alten Geschichte erkennen könne' , und dem gegenwärtigen
Stand der Wifsenschaft, von welchem das vorliegende Werk ein blei-
bendes Zeugnis ablegt. Auch von Seiten der Benutzung seltner und
schwer zugänglicher Hilfsmittel hat der Verf. sich besonderer Begün-
E. Ctirliiis: Pcloponncsos. 293
stigung zu erfreuen gehabt. Aulser dafs ihm die grolseii Karlen
werke, welclie eine rulunvolle Frucht der IVanzösischen K.vpedilioii
nach Morea gewesen sind, zu Gebote gestanden haben, hat ihn Bnn
sens Vermittlung in den Besitz der kostbaren enalischen Adniiralitäls-
karlen gesetzt, welche ihm bei seiner Arbeil von wesentlichem Nutzen
gewesen sind.
Auf einem so w ohl bereiteten (irunde d(!S vielseitigsten Sindiums
und der lebendigsten Anschauung beruht diese '^ historisch -geogra-
phische Beschreibung der Halbinsel des Peloponnesos'', und sie ist mit
eben so grofser Treue im einzelnen, wie m'ü j(!ner ans innerer Theil-
nähme entströmenden Frische durch alle Theile hindurchgeführt. Nach
der durch die Aufgabe selbst gebotenen Methode entwirft der Verf.
sowohl von dem Ganzen der Halbinsel, wie von den einzelnen Land-
schaften, zu welchen er sich fortschreitend wendet, ein geograjdii-
sches Bild, läfst die Geschichte des Landes und seiner Bewohner von
der frühesten Kunde bis auf die neueste Zeit in praegnanlen Umrifsen
an uns voriibergehn, und führt uns in einer meistens durch eigne An-
schauung belebten Darstellung in das einzelne der durch natürliche Be-
schaffenheit oder geschichtliche Bedeutung und die Denkmaler des
Alterthums merkwürdigen üertlichkciten ein. Wenn in der Special-
beschreibung der Beichthnm des Details, die 3Ianigfaltigkeit der Na-
men auf den ersten Blick ermüdend und verwirrend erscheinen kann,
so wird sich dem aufmerksamen und gewifsenhaften Leser gerade hier
die innere Wahrheit und Lebendigkeit der Beschreibung am meisten
dadurch bewahren , dafs sich bei scharfer Auffafsung und Zusammen-
ordnung des gelesenen von selbst im Geiste ein Bild der beschriebe-
nen Localität aufbaut, welches mit unvergänglichen Zügen haftet.
Wenn die beigegebene Karte des ganzen Peloponnesos in ihrem be-
schränktem Umfang nur zur allgemeinern Orientierung dient, so för-
dern die sorgfältig entworfenen Specialkarten der einzelnen Landschaf-
ten, welche auch für die trefflichen Kiepertschen noch manche Be-
richtigung bieten, so wie die zahlreichen Pläne von untergegangenen
Städten und ihren Umgebungen, und mehrere eingedruckte Holzschnitte
von einzelnen besonders wichtigen Gebäuden in hohem Grade die
Anschaulichkeil der Schilderung. Indem uns diese auf den Boden der
ältesten europaeischen Civilisation, zu den Sitzen der Völkerstämme
führt, welche von verschiedenen Seiten eingezogen nach langem
Drängen und Treiben eine Reihe von eigenthümliehen Gemeinwesen
und Staaten erzeugt haben, in denen die einheimischen und neuanfge-
nommenen Bildungskeime sich unter verschiedenen Bedingungen zu
manigfalligen politischen und religiösen Gestaltungen durchdrungen
und entwickelt haben; berührt sie eine Menge der anziehendsten my-
thologischen, ethnographischen und culturhistorischen Fragen, welche
mit grofser Umsicht und Besonnenheit bebandelt sind. Wir brauchen
nur an die Namen von Arkadien, Achaja , Elis und Olympia, Lakedae-
mon und Messene, Argos und Mykenae, Korinth und Sikyon zu er-
innern, um den Reichthum des Stoffes anzudeuten, welcher sich in
294 E. Curlins: Peloponnesos.
lebensvollen Bildern vor uns entfaltet. Denn darin erkennen wir den
charakterislisclien Vorzug dieses Buchs vor vielen historischen und
geographischen Schriften über das Alterthum , dafs es dem Verfafser
gelungen ist, die natürliche und geschichtliche Betrachtung des Lan-
des auch in ihrer reichsten Manigfaltigkeit durch den organischen Ge-
danken der gegenseitigen Einwirkung und Entwicklung zu verschmel-
zen, und den Leser auf jeder Stufe und in dem besondersten Theile
in dem Bewiistsein des Innern Zusammenhanges des Ganzen zu er-
halten.
Diese von einem harmonischen Interesse durchdrungene Behand-
lungsweise führt uns in den drei ersten Abschnitten : der geographi-
schen Einleitung, den Bemerkungen zur Naturgeschichte der Halbin-
sel und dem Ueberblick über ihre Geschichte von S. 1 — il4 mitten in
den Schauplatz unserer Betrachtung ein. Aus einem schönen Ueber-
blick der gesammten Halbinsel des Haeuuis, wie sie sich, als ein brei-
tes Bergland vortretend, durch einschneidende Meeresbuchten zu immer
schärfer ausgeprägter Gestaltung gliedert, stellt sich der Peloponnes
durch die Wiederholung der mehrfach vorgebildeten Form als der Ab-
schlufs und die Vollendung der Entwicklung des griechischen Landes
dar. Mit grofser Sorgfalt ist der Gebirgszug der Geraneia, der wie
eine Quermauer das nördliche Griechenland abschliefst, als eine Ver-
zweigung und Fortsetzung des Kithaeron beschrieben , so dafs der
Unklarheit und Verwirrung früherer Darstellungen über diese Punkte
ein Ende gemacht ist. Die dreifache Verbindungsslrafse zwischen
Nordgriechcnland und dem Peloponnes an beiden Küsten und durch
die Schluchten des mittlem Bergrückens, wie sie hier und II S. 551.
552 geschildert ist, stellt die militärische Wichtigkeit dieser Gegend,
die uns oft in der allen Geschichte entgegentritt, in ein helles Licht.
Anschaulich lernen wir die übel berufene Klippeustrafse der ski-
ronischen Felsen, jetzt Kaki Skala, die am östlichen Küstensaum
hinläuft, kennen. 'Die Gefahren dieses Weges stellte der Mythus
von den Gewaltthaten des wegelagernden Skiron dar.' Wie der Verf.
hier und an vielen Stellen mit Recht den unverkennbaren Spuren der
örtlichen Beschaffenheit in der Deutung der Mythen folgt, so wird es
auch seinem Sinne entsprechen, wenn wir, wie er selbst es anders-
wo oft thut, auch hier in der Namensdeutung an denselben Ursprung
erinnern: unzweifelhaft hängt der Name Z%iQ(ov ^ wie der der rauhen
Berglandschaft ZKiQLXLi mit dem substantivischen und adjectivischen
Appellativ GniQQog und GniQQÖq zusammen, das alles harte, spröde
und schroffe bezeichnet. — Zwischen der megarischen Geraneia und
dem parallel laufenden peloponnesischen Oneion erstreckt sich der
schmale Landrücken des Isthmos. Von seinen Ileiligthümern und
seiner Festbedeutung vernehmen wir an seiner Stelle in der Beschrei-
bung des korinthischen Gebietes (II S. 539 ff.). Hier weist aber
schon seine natürliche Beschaffenheit darauf hin, wie er zwischen den
beiden Quergebirgen als ein von Natur wehrloses und neutrales Gebiet
daliegt, 'ganz dazu geschaffen, um die verschiedenen Stämme Grie-
E. Curliiis. P('I(»j»oriiiesos. 295
chenlands ziini Haiulolsverkelirc, zu gemeinsamen ßeralhungen wio
KU gollesdienslliclieii Festen zu vereinigen.' Anziehend ist ferner der
historische Uel)erhlick sowohl der verscliiedeneu Projecte zur Diirch-
grahung des Isthmos, >vie der wiederholten Versuche, seine natürliehe
Verlheidigungsiinie durch kiinsilichc Befesligungcn zu verstärken, von
der ersten in der Kile aufgetiilirlen Mauer gegen die Perser his zu den
Werken , die die Venetianer im Funl'/.ehnten Jahrhundert errichteten
und im siebzehnten unterhielten. Von den Entwürfen zu einem Durch-
stich, der nie ein Gedanke des griechischen Volkes, sondern nur
fremder Machthaber gewesen ist, ist nur der des Nero zu einem An-
fange der Ausführung gebracht, doch auch als unmöglich aufgegeben.
Die Griechen haben sich einen Theil der bezweckten Verkehrserleich-
terung auf einfachere \^'eise, durch den Diolkos verschatTt, eine
künstliche Bahn, auf welcher kleinere Schilfe von einem Meerbusen
zum andern gerollt wurden*). Dieser Gang der Dinge erinnert daran,
dafs auch zu unserer Zeit die beiden grofsen Projecte des Dnrchgra-
bens der Landengen von Suez und von Panama in die bescheidenere
Anlage von Verbindungs -Eisenbahnen ausgegangen sind. Sollte eine
solche nicht auch noch dem korinihischen Isthmos zu Theil werden,
wenn das neue Griechenland zu kräftigerer Entwicklung gelangte?
Die von den Gebirgen Mittelgriechenlands unabhängige Gestal-
tung des peloponnesischen Gebirgssystems mit seinem arkadischen
Hochland, an welches die offenen Küstenländer sich anlehnen, wird
S. 16 — 23 in klaren Zügen ausgeführt. Wir sehn von dem Stamme des
in seiner innern Manigfaltigkeit entwickelten Binnenlandes die reich-
geformten Halbinseln an den Höhenzügen sich hinauserstrecken. Wäh-
rend einerseits nachgewiesen ist, wie sich in der Gliederung des Pe-
loponnesos dasselbe Gesetz wiederholt, welches von Makedonien her
in der Bildung der griechischen Landform zu beobachten ist: die über-
wiegend günstigere Gestaltung der östlichen Seite der westlichen ge-
genüber, sowohl in den Hochebenen Arkadiens, als in der hafenreichen
Küstenlandschaft; werden andererseits alle Vorzüge der fast insulari-
schen Lage ins Licht gesetzt, durch welche der Peloponnes schon in
der Ansicht der Alten zum Vorrang vor ganz Griechenland berufen
schien. Wenn die nähere Betrachtung der einzelnen Verzweigungen
der Gebirgszüge mit Recht der Darstellung der besonderen Landschaf-
ten überlafsen ist, so glauben wir, dafs zur Erleichterung des Ge-
sammtüberblicks und des zusammenhängenden Verständnisses der spä-
tem Detailschilderungen eine allgemeine Skizzierung des ganzen pelo-
ponnesischen Flufs Systems erwünscht gewesen wäre. Wir linden
die einzelnen Flüfse, wo sie an ihrem Orte uns weiterhin vorgeführt
werden, nicht durch ein Gesammtbild, wie es uns von den Gebirgen
*) Das nähere über den Diolkos, so wie über die Spuren des Ne-
ronischen Grabens und die Befestigungen ist Th, II S. 546 und 54?
ausgeführt.
296 E. Curtiiis: Peloponnesos.
entworfen ist und welches für alle folgenden Ausführungen eine feste
Grundlage gewährt, zusammengehalten.
Aus dem lehrreichen Abschnitt über die Naturgeschichte
der Hall) in sei, der vorzüglich iiire geognoslische Beschaffenheit
behandelt, heben wir besonders die sorgfältige Beschreibung der ver-
schiedenen Thalbildungen hervor, S. 35 — 39. Die merkwürdigsten der-
selben sind jene dem östlichen Arkadien vornehmlich eigenlhümlichen
Gebirgsbecken , die, auf allen Seiten von Kalkrücken umgürtet, den
einströmenden Gewäfsern einen Behälter gewähren, bis diese bei
wachsender Fülle sich durch das zerklüftete Kalkgestein unterirdische
Abflüfse bahnen. Diese Durchbrüche, zaxaßo&Qui bei den Neugrie-
chen , den yaö^iata der Alten entsprechend , meistens im felsigen Fufs
der Randgebirge, liegen im Sommer oft trocken, so dafs die grofsen
Höhlen als Behausungen der Herden oder als Schlupfwinkel der Füchse
und Ciiakals dienen*). Die den Katabothren entsprechenden Ausmün-
dungen sind nur in seltnen Fällen sicher zu erkennen; aber von meh-
reren peloponnesischen Flüfsen ist es wahrscheinlich , dafs ihre Quel-
len aus der Tiefe solcher Bergspalten ihre Nahrung ziehen. Der Ver-
folg der Beschreibung der einzelnen Landschaften führt uns diese merk-
würdige Naturerscheinung in anschaulichen Beispielen vor: am Thal
von Pheneos S. 186, von Stymphalos S. 201, von Mantinea S. 235,
im Quellgebiet des Alpheios, das im Laufe der Zeit eine wesentliche
Veränderung erlitten hat, S. 249 und a. a. 0. — Den Bodenveränderun-
gen gegenüber, welche die Kraft der Gewäfser in reichem Mafse im
Peloponnesos bewirkt hat, sind sodann alle Spuren und Thatsachen
gesammelt, welche auf uralte Werkstätten vulcanischer Kräfte hin-
deuten, S. 40 — 48. Hat Morea auch weder thätige noch erloschene
Vulcane aufzuweisen, so ist doch die regelmäfsige Gestalt des Bodens
an manchen Orten durch Steinarten unterbrochen, deren Emporhe-
bung nur vulcanischen Kräften zugeschrieben werden kann. In der
Reihe der hierher gehörigen Thafsachen stehen die verheerenden Erd-
beben in erster Reihe, deren Schauplatz vor allem die Küste Achajas
und deren furchtbarste Wirkung der Untergang von Helike und Bura
im Jahre 373 gewesen ist. Daher ist die Verehrung des Erderschüt-
terers Poseidon im ganzen Peloponnesos, und vorzugsweise auf dem
Isthmos , der achajischen Küste und der vulcanischen Insel Kalauria
heimisch; wie andererseits die Bedeutung des argivischen Poseidon
Prosklystios (vgl. II S. 359) gewis mit Recht darauf bezogen wird,
dafs die Wellen des Meergotles selbst daran arbeiten, die Felsküste
mit Uferland zu umsäumen. Die nähere Nachweisung dieser Erschei-
nung an manchen Orten und vorzugsweise an der westlichen Küste
wird S. 48 und 49 gegeben. Lehrreiche Bemerkungen über die klima-
tischen Verhältnisse des Landes , unter denen der mächtigen Wirkung
des Wechsels der Jahreszeiten, den von atmosphaerischen Gründen un-
*) Die ähnlichen Erscheinungen am kopaischeu See hat F'orch-
hammer Hell. S. 166 flF. anschaulich be.schrieben.
E. Cuiiins: Peloponnesos. 297
abhängigen Quellen, der Verscliiedenlicif der Lage und des Bodens
ihre hohe \^ ichligkeit für die Arbeit und Wohnung der Menschen mit
schöner Frische und Ansciiaiilichkeil (S. 50 — 53) zugewiesen wird,
schliefsen diese allgemeine iNalurbeschreibung der Halbinsel , über
deren Geschichte der folgende Abschnitt in grofsen Zügen einen
klaren Ueberblick gewährt, S. 60 — 108. Diese historische Darstellung
bildet von der Aufzeichnung der frühesten Slammcssagcn über die Ur-
bevölkerung des Peloponnesos, durch das heroische Zeilalter und die
Zeiten der Entwicklung, des Glanzes und des Verfalles des politi-
schen Lebens im Allerlhum, wie der Zerstörungen und Umwandlungen
durch östliche und westliche Barbaren im Mittitlalter und die folgen-
den Jahrhunderte hindurch , bis auf die Neugestaltung eines griechi-
schen Staates in nnsern Tagen ein so trefflich in sich abgerundetes
Ganzes, dafs es schwer wird, Einzelheiten daraus hervorzuheben.
Wir erfreuen uns eben so sehr an der Umsicht und Besonneidieit, mit
welcher die ethnographischen und heroisclien Sagen der frühesten
Zeiten behandelt und gewürdigt sind, gleich fern von frivoler Gering-
schätzung wie von einseitigem Dogmatismus, wie an der sichern
und reichen Kunde, die uns die leitenden und entscheidenden 3Io-
mente der alten, mittlem und neuern Geschichte mit gleicher Klarheit
hervorzuheben und zu charakterisieren weifs. Wie dieser Abschnitt
die schönste Grundlage zu einer auszuführenden Geschichte des Pelo-
ponnesos bietet, so eignet er sich noch mehr und in einem Mafse, wie
mir das von keinem Stücke in unserer historischen Litteratur bekannt
ist, für den Lehrer dazu, um nach der Mittheilung einer Geschichte
Griechenlands in ihren einzelnen Theilen — denn die engern Grenzen
des Peloponnesos stehn doch überall mit dem ganzen Hellas im eng-
sten Zusammenhang — den Schülern noch einmal ein lebeusfrisches
Gesammtbild dieser ewig denkwürdigen Geschichte des unvergleich-
lichen Volkes vorzuführen. Berührt dasselbe Ereignisse der mittlem
und neuern Zeit, auf welche die Schule weniger eingehen konnte, so
ist die Ergänzung um so willkommener, und wirkt mit heilsamer An-
regung auf die jugendlichen Gemüther. Ich darf mich bei diesem
Zeugnis über einen mir vorzüglich liehen Theil des Buches auf eigne
Erfahrung berufen.
Indem wir es uns absichtlich versagen, ein einzelnes Stück die-
ser schönen Darstellung aus dem Zusammenhange zu reifsen, möch-
ten wir doch an dieser Stelle die klar ausgesprochene Ansicht des
Verfafsers über die in neuerer Zeit heftig bestrittene Frage von der
Nationalität der heutigen Griechen mit seinen eignen AVorten wieder-
holen, weil die auffallende W^eise, wie der geistreiche Urheber der
Hypothese von der völligen Vernichtung des hellenischen Volksstamms
in Griechenland durch die eingedrungenen Barbaren, gleich nach dem
Erscheinen des ersten Bandes des Peloponnesos, denselben als ein
glänzendes Zeugnis für seine Theorie in einem viel gelesenen Blatte
begrüfst hat, manche, die das Werk selbst nicht eingesehen haben,
irre geleitet haben möchte. Curlius spricht sich nach der Erwähnung
298 E. Curlius : Peloponnesoä.
des Einströmens slavischer Massen in die Halbinsel im achten Jalii'-
hundert S. 87 so aus: ^Solchen wohlbeg-laubigten Thatsachen gegen-
über ist es unmöglich, sich noch der Vorstellung hinzugeben, welche
eine Zeitlang wegen völliger Unkenntnis des griechischen Mittelalters
verbreitet war, als seien die Neupeloponnesier reine Abkömmlinge der
alten Dorier und Achaeer. Dagegen würde auch ohne jene Ueber-
lieferungen die grofse Zahl slavischer Ortsnamen aeugen. Fallme-
rayer hat das Verdienst, das irrige jener Ansicht zuerst klar an das
Licht gestellt zu haben. Die ganze Untersuchung über diesen Gegen-
stand ist aber mit einer Leidenschafllichkeit geführt worden, welche
ihren Erfolg trüben und hemmen muste. Es handelt sich hier nicht um
ein Ja oder Nein, sondern die Aufgabe ist, das Mals und die Grenze
zu linden, wie weit die hellenische Bevölkerung mit barbarischen
Elementen versetzt worden ist. Die Mischungsverhältnisse zu erken-
nen, genügen aber die erhaltenen Nachrichten nicht, und wir müfsen
zufrieden sein, wenn wir die wesentlichen Resultate des 3Iischungs-
processes feststellen können. — Der Peloponnes ist von jeher dazu
bestimmt gewesen, zusammengedrängte Stämme verschiedener Art in
sich aufzunehmen und aufzubewahren. Eine massenhafte Auswanderung
der Griechen ist hier nicht anzunehmen; es müste also ihr ganzer
Stamm durch Pest, Hunger und Schwert vom Erdboden vertilgt wor-
den sein, wenn jener Lehrsatz von der vollständigen Slavisierung der
Halbinsel ^^'ahrheit haben sollte. Eine so unerweisliche That-
saclie wird man nach oberflächlichen Aeufserungen by-
zantinischer Historiker, welche mit den Innern Ver-
bal t n i s s e n d e r H a 1 b i n s e 1 i n einem unglaublichen Grade
unbekannt waren, nicht annehmen könne n.' Man sieht , wie
weit der Verf. entfernt ist, sich zu jener Fallmerayerschen Lehre zu
bekennen, und wird mit erhöhtem Interesse die weitere Begründung
seiner eignen Ansicht verfolgen , die auf einer wahrhaft historischen
Forschung und Anschauung beruht. Lehrreich und anziehend ist na-
mentlich die nach verschiedenen Gesichtspunkten entworfene Zusam-
menstellung derjenigen griechischen Namen , welche in der Halbinsel
die Zeiten der Barbarei überdauert haben, und deren Vorhandensein
sich unmöglich begreifen läfst, ohne einen ununterbrochenen Fortbe-
stand hellenischer Bevölkerung als des lebendigen Trägers dieser Na-
men anzuerkennen.
Wenden wir uns mit dem Verfafser von dem allgemeinen
Theil e seiner Arbeit zu der Beschreibung der einzelnen Land-
schaften, so müfsen wir uns bei dem ungemeinen Reichthum des
Stoffes die Grenze setzen, dafs wir über den Geist und die Methode
der Darstellung einige allgemeine Bemerkungen vorausschicken, und
aus der Fülle des besondern einige Punkte hervorheben , die unserm
persönlichen Standpunkte, dem des Schulmannes, näher liegen. C,
nimmt in seiner Periegese der peloponnesischen Landschaften in zwie-
facher Hinsicht den umgekehrten Weg wie Pausanias: dieser umwan-
dert zuerst die Küstenlandschaften, um zuletzt in Arkadien einzukeh-
E. Curtiiis: Peloponnesos. 299
ren; C. nimmt seinen Ausgangspunkt in Arkadien und wendet sicli
von dort aus den Küsten zu; Pausanias geht vom Norden an der Ost-
küste durch Lakonika und Mcssenien zu der ^^'cstküsle von Elis und
Achaja über, C. beschreibt von den Küstengebieten Achaja und Elis
zuerst, und wendet sich durch Messcnien und Lakonika nach Argolis,
um in Korinth, von mo P. beginnt, seine \N'andcrung zu bcschlicfscn.
^^'enn dieser letzte Unterschied der Heihenfolge für die Darstellung
von geringem EinlluTs ist, so gewährt dagegen die Zugrundelegung Ar-
kadiens der neuern Beschreibung den grofscn Vorzug, dafs in der
klaren Zeichnung dieses Kern- und Jlittellandes zugleich das Gerüst
der ganzen Halbinsel hingestellt ist, an welches alle übrigen Land-
schaften sich anlehnen. In anderer Hinsicht schliefst C. sich dem Bei-
spiele seines alten Vorgängers an: wie dieser, läfst er der genauen
Beschreibung der einzelnen Theile einen geographisch -historischen
Ueberblick über das Ganze einer jeden einzelnen Landschaft vorauf-
gehn. Was wir vorhin von der vorbereitenden Uebersicht über die
ganze Halbinsel rühmten, gilt auch von diesen speciellen Einleitungen:
sie sind von einem frischen Lebenshauch durchdrungen, der aus der
Vereinigung sittlicher und wifsenschaftlicher Theilnahme an dem Ge-
genstande hervorgeht und ein gleiches Interesse in dem Leser leben-
dig erhält. Immer aufs neue, aber immer von einem neuen Gesichts-
punkte aus gehn vor unserm Blicke die ruhmvollen und die traurigen
Schicksale des griechischen Volks vorüber: mit der im voraus gewon-
nenen Kenntnis und Vertrautheit mit der Geschichte der einzelnen
Stämme betreten wir dann ihre Wohnsitze und den Schauplatz ihrer
Thaten und Leiden, und werden dadurch in die Bedeutung der einzel-
nen Oertlichkeiten tiefer hineingeführt. Die Detailbeschreibung folgt
den Strafsen, welche meistens vom Alterthum her noch jetzt im Ge-
brauch sind, an den durch geschichtliche Erinnerung oder durch Reste
von Denkmälern ausgezeichneten Orten verweilend, und bedient sich
an den Hauptpunkten, um vollständig zu berichten, der W^eise, wel-
che auch Pausanias anwendet, die verschiedenen von dort auslaufen-
den Wege bis zu ihrem nächsten Ziele zu verfolgen, und durch jedes-
malige Bückkehr an den Ausgangspunkt zuletzt den ganzen Kreis der
Umgegend zu umschreiben. Dafs bei der grofsen Fülle und Manigfal-
tigkeit der durch Natur und menschlichen Anbau charakterisierten Lo-
calitäten von dem Leser eine geschärfte Aufmerksamkeit gefordert
wird, um das entworfene Bild mit klaren Zügen in sich aufzunehmen,
sagt sich von selbst: aber nie bleibt das Bemühen einer treuen Nach-
folge auf dem Wege, den uns der Verf. führt, ohne lohnende Frucht.
Nur sehr selten hat es für uns den Anschein gehabt, als ob die ver-
traute Bekanntschaft mit einer Oertlichkeit, Avelche ihm selbst die
eigne Anschauung gewährt hatte, oder mit geschichtlichen That-
sachen, in deren vollständigem Zusammenhang er sich durch frische
Studien befand, ihn auch bei dem Leser Voraussetzungen hat machen
lafsen , auf die er vielleicht nicht rechnen durfte. Als Beispiel minder
anschaulicher Schilderung aus dem zuerst angeführten Grunde hatte ich
300 E. Ciirtius: Peloponnesos.
bei der Leclüre mir eiiiig-e Stellen aus dem Absclinitte vom miltlern
Alplieiosthale IS. 353 angemerkt. Mehr Ansfiilirnng- in der Er-
zählung oder in dem Nachweis angezogener Stellen alter Autoren
wünschte ich z. B. 1 S. 315, wo die Schlacht bei Dipaea als ein allge-
mein bekanntes Ereignis erwähnt wird, ohne dafs darüber in den An-
merkungen Auskunft gegeben wird, gewis ungenügend für viele Leser,
wie für den Ref., dem darüber nur die wenig Licht gebenden Stellen
Herod.lX, 34 und Paus. VIII, 8, 6 erinnerlich sind; S. 325, wo das räth-
selhafte Ereignis der Verpflanzung des Apollokolosses aus dem Tem-
pel zu Bassai nach Megalopolis als bekannt vorausgesetzt wird, oder
II S. 24 ff., wo der Bericht über die verwickelten Verhältnisse der
Eleer nnd Pisaeer für eine erste Darlegung wohl nicht klar genug ist.
I S. 238 wird man mit Benutzung der Karte aus dem Zusammenhang
errathen, dafs der Name des Hügels, an dem die älteste Stadt Manti-
nea lag, und der immer den Namen der Altstadt behielt, Ptolis war:
es hätte mit einem Worte ausgesprochen sein sollen. In den ange-
führten Ortsnamen w ird überhaupt dem Leser bisweilen der Zweifel
entgegentreten, ob er es mit den neuern oder mit den altern Benen-
nungen zu thun hat. Der Verf. bedient sich bei der Geläufigkeit, mit
welcher sie ihm beide vertraut sind, mitunter in derselben Beschrei-
bung der einen wie der andern , was bei minder genauer Kunde un-
sicher machen kann. So ist es z. B. auffallend, dafs I S. 153, wo in dem
Eingang zu der trefflichen Beschreibung von Arkadien die vier Gipfel-
und Eckpunkte der Grenzgebirge hingestellt werden, neben dem Kyl-
lene, Parnon nnd Kotylion im Nordwesten der Olenos genannt wird,
da wir S. 384 belehrt werden, dafs jener Gebirgsknoten an der
Grenze von Achaja ^der Olonos der Neuern ist, mit dem alten Ge-
sammtnamen Erymanthos, das Jagdgebirge der Artemis.'' Dafs diese
letztere Schreibung die richtigere und an der ersten Stelle Olenos
verschrieben ist, schliefse ich aus S. 420 Anm. 3, wo es heifst: ' Ery-
manthos, jetzt iQAoi'og genannt mit einem gewis uralten griechischen
Namen'; obgleich doch auch wieder S. 428 bei der Erwähnung der
achajischen Stadt Olenos erwähnt wird: dafs sich dieser Name in der
heutigen Benennung von Flufs und Gebirge erhalten habe. Vielleicht
schwankt die heutige Schreibung zwischen beiden Formen. Allein
wir sind weit entfernt auf so unbedeutende Anmerkungen, zu denen
selten genug ein Anlafs sich findet, einiges Gewicht zu legen. Der
Verf. selbst gewöhnt den Leser an schärfere Beobachtung dieser Art, da
er selbst gerade die Ortsnamen, eine so wichtige Quelle uralter Kunde,
mit eingehender und erfolgreicher Sorgfalt behandelt. Auf eine ganze
Reihe von Oertlichkeiten ist durch genauere Beachtung ihrer altern
oder neuern Bezeichnungen ein erwünschtes Licht gefallen. So w ird die
Lage und das Verhältnis der beiden Berge Oryxis und Skialhis im
Pheneosthale (I S. 187) durch die Beziehung der Namen auf das oQvy-
l-ia'HQayAeovg und auf das "^ schattige ^^'aldgebirge' (wovon jetzt noch
ein nahes Dorf Skotini heifst, vergl. S. 210 Anm. 3) gegen die frühere
Annahme bestimmt. So ergibt sich für die Namen des Flufses Aroa-
E. Curtins: Pcloponnesos. 301
nios (S. 194), der Ortsdiall Karyac und des Schlang-enberses Se-
pia (S. 199), des uralten Orchonienos (S. 228 Aiiin. 1), von Melliy-
drion (S. 3-H Auiu. 20) , Bassae (S. 324) und vielen andern Punkten
aus der Vergleiciuing- der Gej^cnd selbst ein neues Verständnis. Ge-
rade für die ältesten Zeilen liegt oft im Namen ein lelirreielier Wink,
>vo die Aufl'afsung' wie die Bezeichnung- des cliarakteristisclien ein Be-
dürl'nis des jugendliclien Volksgeistes war , während die Benennungen,
welche die spätem gaben, oft färb- und bedeutungslos sind. 'Denn in
demselben Älafse, wie ein Land an Cultur und historischer Bedeutung
verliert,' bemerkt C. S. 89 '^verarmt sein A'amenvorratii, und statt der
allgriechisehen Polyonymie , wie sie z. B. Attika im höchsten Grade
auszeichnete, wiederholen sich Bezeichnungen der allgemeinsten Art,
wie Potamion, Akrotirion, Bunon u. s. w., welche nun ein bestimmtes
Flüfschen, Gebirge und Vorgebirge bezeichnen.' Von welcher Wich-
tigkeit die sorgfällige Beobachtung der Namen für ethnographische Be-
stimmungen sein kann, ist dem Verf. natürlich nicht entgangen. Wie er
davon an der eben angeführten Stelle eine umfafsende Anwendung für
die Unterscheidung slavischer und hellenischer Elemente der Bevöl-
kerung des Pcloponnesos im 3Iittelalter macht, so bietet sie einen bis-
her wenig benutzten Leitfaden zur Entdeckung der frühesten phoe-
niki sehen Niederlafsungen in Griechenland, wie an andern Küsten
des 3Iittelmeeres. C. hat auf diesen für die Culturgcschichte so aufser-
ordentlich wichtigen Zusammenhang, der erst jetzt mit der nothwen-
digen Umsicht und Nüchternheit erforscht wird, namentlich an der
Küste von Elis (S. 10 und 95 Anm. 10) und bei der Beschreibung von
Nauplia , wo noch gegenwärtig die Festung Palamidi den Namen des
Heros altphoenikischer Cultur trägt, (II S. 390 ff.) hingewiesen, womit
sein Aufsatz ' Phoenizier in Argos' im Rhein. Museum VII (1850) S.
455 ff. zu vergleichen ist, und kurzlich hat Olshausen im Rhein. Mus.
VIII (1852) S. 321 ff. die schätzbarsten Beiträge zur weitern Verfol-
gung dieser Untersuchungen gegeben, besonders in der Nachweisung
der alten Cultusstätten des phoenikischen Herakles *) und der Aphro-
dite. Dafs auch die Landspitze Pheia an der Küste von Elis der
altphoenikische Name für Ecke ist, wie der Flufs lardanes mit dem
Jordan übereinstimmt, wird auch C. zur Bestätigung seiner Ansicht
mit Interesse wahrgenommen haben.
Doch wir verweilen scbon zu lange bei einem Geg^enstaiide, der
für uns etwas besonders anziehendes hat: allerdings sind wir über-
zeugt , dafs von einer gründlichen und umfafsenden Behandlung der
Ortsnamen, wie von der richtigen Deutung der Localmythen noch man-
cher Aufschlufs über dunkle Partien der ältesten Geschichte zu erwar-
ten ist. Auch in dieser letztern Hinsicht zeicbnet sich Curtius' Werk
*) Curtius hat in seiner kürzlich erschienenen Abhandlung: 'He-
rakles der Satyr und Dreifufsräuber ' S. ] l ebenfalls auf Spuren des
phoenikischen Herakles im Peloponnes, in Pheneos und Boia, auf-
merksam gemacht.
302 E. Curtius : Peloponnesos.
durch eine ebenso geistvolle wie besonnene Auffafsiing und Ausle-
gung aus. Es ist erfreulich zu sehn, wie der von For ch lia m ni er
vor 16 Jahren gegebene Anstofs zu einem lebensvollen Verständnis
der physischen Mythologie, dessen grofses Verdienst niemals um der
auf der Hand liegenden Einseitigkeiten willen verkannt werden
darf, hier zu den schönsten und sichersten Resultaten geführt hat.
Gewis ein vorzüglich bleibender Eindruck , den jeder Leser von der
Beschauung des reichen und manigfalligeu Gesammtbildes des Pelo-
ponnesos in sich aufnehmen wird, wird der des Staunens sein über
die ungeheure Fülle von Cultusstätten in allen Landschaften und an
jedem, auch dem geringfügigsten Wohnplatz der Menschen. Dieses
tiefe und überall hin verbreitete Bedürfnis, die Anerkennung eines
hohem \N'altens in der Natur und im Menschenleben auszusprechen,
erregt eben so sehr durch die unerschöpiliche Fruchtbarkeit der sagen-
gestaltenden Phantasie, wie durch die unzähligen Werke der bildenden
und bauenden Kunst, welche eben so viele Denkmäler der Verehrung
höherer 31ächte sind, unsere höchste Bewunderung. Gelänge es über-
all, den wahren Sinn der noch auf uns gekommenen Ueberlieferungen
zu deuten, welch eine klare Einsicht in das ursprüngliche Geistes-
leben des hellenischen Volkes wäre uns da eröffnet I Dafs dies un-
möglich ist, liegt theils an dem lückenhaften unserer Kunde, Iheils an
der Vermischung der Sagen verschiedenen Stammes und Ursprungs,
vor allem auch daran, dafs ein viel gröfserer Zeitraum, als die Alten
selbst anzunehmen geneigt waren , zwischen der ersten Bildung der
Mythen und unsern frühesten Nachrichten von denselben verllofsen ist.
Unter allen Mitteln, die sich uns darbieten, das oft verschüttete Ver-
ständnis der alten Mythologie aufzudecken und zu erneuern, ist offen-
bar das sicherste, wenn es mit gesundem Blick und wahrhaftigem Sinne
angewandt wird, die treue Beobachtung der natürlichen BeschalTenheit
des Bodens, auf welchem die Sagen entsprofsen undichten: die Zeugen,
welche hier aus dem grausten Alterlhum Kunde bringen, sind unver-
gänglich und untrüglich. Curtius hat an vielen Orten ihre Stimmen wohl
zu vernehmen und auszulegen verstanden, ^^'ir weisen hier nur, um ein-
zelnes aus vielem hervorzuheben, auf die Deutung der Sage von der Rhea
hin, die mit ihrem Stabe die erste arkadische Quelle crschlofs (S. 157);
von den alt-arkadischen Heroen Apheidas und Elatos, die die Fruchtbar-
keit des Landes, wovon die weitere Ausführung S. 251 gegeben wird, und
die Tannenwälder am Kyllene symbolisch bezeichnen (S.162); von den
Entwäfserungsarbeiten des Herakles (S. 186 ff.) ; von den alten Landes-
sagen von Tegea (S. 260), von Pheneos (S. 388), von den Gewäfsern
Achajas (S. 405) und von dem Versiegen des Baches Bolina, das
durch die Flucht der Nymphe vor der Liebe Apollons dargestellt
wird (S. 447) u. dergl. ni. Wie hier und an vielen ähnlichen Stellen
der Grund der Sagen in den natürlichen Eigenschaften des Landes er-
kannt wird, so werden anderswo nicht minder treffend die frühesten
Schicksale der Volksstämme, die nach einer allen Völkern gemein-
samen Ausdrucksweise der Sagendichtung als Persönlichkeiten darge-
E. Curliiis: Pelopoimosos. 803
stellt sind, aus dieser Vcrliiilliiiiff ans Lidil j?czogeii. l>elirreiclie Bei-
spiele hiervon bietet die BelKiiuilmig der arkadisciien Slaiiiinessag-en
1 S. 159 IT., der acliaeisclieii S. 412, der eleischeii II S. 12. 37. 47, der
messenische» S. 123 lY., der argivischen S. 343 IT. Es sind dies Ein-
zelheiten, auf die wir hindeuten ; aber diese Einzellieilen bezeichnen
in vorzüglichem Mafse den Geist, in welchem die Darstellung- des Gan-
zen bearbeitet ist. Aus dieser selbst besondere Theile hervorzuheben,
ist bei der innern Geschlofsenheit des Zusammenhangs nicht leicht.
Wir beschränken uns darauf, um eine Uebersicht des reichen Inhalts
zu geben, den Weg, den der Verf. uns führt, nachzuweisen.
Nach der charakteristischen Zeichnung der Gebirgsnatur des ar ■
kadi sehen Landes wird auf dem dunkeln Hintergründe der von
den Arkadern vor allen griechischen Stämmen gellend gemachten Au-
tochthonie der Unterschied einer altern pelasgischen und einer Jün-
gern eigentlich arkadischen Bevölkerung aus mythischen und histori-
schen Zeugnissen trefflich dargelegt, ihre früheste Geschichte und die
noch in späterer Zeit gesondert zu erkennenden Wohnsitze erläutert
und geschieden. Natürliche und klimatische Verhältnisse begründen
den Mangel einer höhern politischen Entwicklung des Volkes; aber
um so lebendiger war in iiinen, wie in allen Bergvölkern, die Liebe
zur Freiheit und Unabhängigkeit, welche sie vor der Unterjochung
der Dorier schützt. Die spätem Zustände der einzelnen arkadischen
Staaten haben besonders das lehrreiche und merkwürdige, dafs wir
die verschiedenen Entwicklungsstufen, welche die meisten Staaten
Griechenlands nacheinander durchgemacht haben , hier nebeneinander
bestehn sehn: ländliche Kantone mit gleichberechtigten freien Ge-
meinden, andere Ortschaften, die sich freiwillig um einen Vorort
verbunden, und vorhersehende Städte, die sich durch frühe Ueber-
macht die Herschaft über ihr Umland erzwungen haben. Spartas Po-
litik schützte die Autonomie der schwächern gegen die stärkern, wie
die österreichische in der Schweiz und die französische in Deutsch-
land. Nach der Demüthigung Spartas durch Theben ergriffen daher
die Arkader eine nationale Politik, welche wenigstens für den süd-
westlichen Theil des Landes einen Mittelpunkt und eine Centralgewalt
in Megalopolis schuf; daneben bestanden andere Gebiete in ihrer Abson-
derung fort. Dauernder Segen hat auf der neuen Schöpfung nicht geruht.
Die Wanderung durch das östliche, verschlofsene Arkadien
führt uns durch die Thäler von Pheneos , Stymphalos, Alea , Orcho-
nienos , Kaphyae , Mantinea, Tegea und Asea. In allen ist die Lage
uralter Ortschaften durch die in wechselnder Fülle die Niederung fül-
lende Wafsermasse und ihren Zu- und Abflufs bedingt; sow^ohl das
eigenthümliche dieser Naturerscheinung, wie die Spuren der alten
Stadtanlagen sind sorgfältig beschrieben. Besonders anziehend ist die
Schilderung der wilden Gebirgsgegend bei Nonakris, westlich von Phe-
neos, wo das durch ein Labyrinth von Felsblöcken herabstürzende
Gewäfser noch freu die homerische Beschreibung des Styxfalles vor
Augen stellt (S. 195). In der Gegend des alten Stymphalos entspricht
304 E. Curtius: Peloponnesos.
die dort länger als anderswo harschende nafskalte Luft genau den Be-
merkungen des Aristoteles über Nordarkadien, dafs die A> inde dort
zwar nicht käller seien als im übrigen Griechenland , w ohl aber die
windstillen, wolkigen Tage, und erklärt die Sage von den menschen-
frefsenden styniphalischen Raubvögeln, S.203. Im Gebiet von ürchome-
nos finden Begebenheiten des peloponnesischen, wie der makedonischen
Kriege (S. 220. 221) ihre Erläuterung. Das südlichste Glied in der
Kette der geschlofsenen Bergthäler Arkadiens, jetzt die Hochebene
von Tripolitza, hat in seinen beiden durch einen schmalen Höhenzug
getrennten Hälften, den Landschaften von Mantinea und Tegea , eine
grofse historische Bedeutung. Die Lage und die Ueberreste der er-
stem Stadt, deren Ringmauer mit Ausnahme unbedeutender Lücken
noch in ihrem ganzen Umfange erhalten ist, sind mit der Sorgfalt be-
schrieben, zu Avelcher die hier besonders günstigen Umstände auf-
forderten. Die zum Theil noch wohl erhaltenen Stadtthore zeigen ein
lehrreiches Beispiel der Befestigungskunst aus der Zeit dos Epaminon-
das. Die genauere Darstellung der Umgegend von Mantinea bietet
wichtige Anhaltspunkte für das Verständnis der drei gröfsern Schlach-
ten dar, welche aufser zwei minder bedeutenden TrelTen auf diesem
Felde in den Jahren 418, 362 und 206 geliefert sind, und für ihre Be-
schreibung bei Thukydides, Xenophon und Polybios (S. 241). Auch
Tegea, das in uralter Zeit seinen Culten und Sagen die weiteste Gel-
tung und Ausdehnung zu verschaffen gewust hat, und später vor allem
ein Bollwerk Arkadiens gegen spartanische Eroberungsgelüste gewe-
sen ist, hat noch, obschon minder deutliche Erinnerungen an seine
alte Bedeutung aufzuweisen (S. 253 ff.). In einem versteckten Neben-
thale der Tegeatis ist durch französische Officiere erst neuerlich die
Stätte von Pallantion entdeckt, an welches die römische Sage den
Ursprung des palatinischen Roms anknüpfte (S. 263).
Von dem südöstlichen Winkel der Landschaft folgen wir dem
Laufe des Alpheios aufwärts und betreten die denkwürdige Gegend,
wo der späte Aufschwung des arkadischen Nalionalgefühls in Mega-
lopolis *) eine neue Hauptstadt gründete. Mit gröfsfer Genauigkeit ist
die Geschichte und die Gestaltung der Anlage dieser jüngsten Stadt
auf hellenischem Boden ausgeführt, S. 281 — 289.
Unter den von hier ausgehenden Strafsen führt uns die westliche
zu den ältesten Niederlafsungen des parrhasischen Stammes am Ly-
kaion, an die Stätte von Lykosura und seinen alt-pelasgischen Heilig-
thümern, deren Umgebungen zu einer sehr sorgfältigen Untersuchung
über die parrhasischen Stammsitze veranlafsen, und, nach einem Ab-
*) Wenn C. S. 281 und 332 Anm. 1 bemerkt, dafs die echte grie-
chische Namensform Megalepolis sei, so würde diese doch so nicht als
Compositum lauten können. Wahrscheinlich hat wohl das Bedürf-
nis der Zusammenziehung zu einem Worte früh von ixsyalr] TtoXi-q auf
MfyaloTrolig übergeführt.
K. Ciirliiis: Pctoponncsos. ,^0.")
sfeclier nordwärts nacl» Molliydriori und in das maenalische Ilociiland,
in das tiet'gefiirclilc Thal der Neda, in den atil'scrslen südwestlichen
Winkel von Arkadien, der sich zwischen Tripliylien und Elis ein-
schiebt, zu den Ueberresten von Bassae und l'higalia*), in dessen
Nähe die durch ihre Erhaltung nicht minder als durch die Grofsartig-
keit ihrer Lage ausgezeichnete liuine des grol'sen Apollotenipels seit
Stackeibergs Entdeckung und Millhoiliing darüber die Freunde des
AUerlhums und der Kunst in hohem Grade anzieht. Nach der genauen
Beschreibung und Betrachtung derselben (S. 3"i7 11.) wenden wir uns
nördlich zu dem mittlem Alpbeioslhalc und seinen Nebenllüfsen, und
durchwandern die Gebiete der allen Städte Gortys, Ali[)heira, lle-
raia **) an der Grenze von Elis bis zu den nördlichen Landschaften
von Psophis, Kleitor und der Kynaitheer, die allein unter allen Arka-
dern ihre Wohnsitze jenseits der natürlichen Grenzen des Landes
hatten. Auch in diesen von geschichtliclier Kunde minder erhellten
Gegenden sind die natürliche Gestaltung des Bodens und die oft
schwachen Spuren menschlicher Bewohnuug mit der lebendigen An-
schaulichkeit geschildert, welche der eigne Anblick des theilneh-
menden Forschers gewährt.
Von den mächtigen Grenzgebirgen des Aroanios und Erymanthos
steigen wir in die Küstenlandschaft von Achaja herab. Der geogra-
phische und historische Ueberblick wird von S. 403 — 419 gegeben.
Sollen wir einzelnes aus dem nicht wohl zu zerstückenden Bilde her-
vorheben, so machen wir auf die lehrreichen Bemerkungen über den
regelmäfsigen Wechsel des Windzugs im Golf (mit Bezug auf Tiiukyd.
II, öi), über den Mangel an guten Hafenplätzen trotz der ausgedehnten
Küste, über die grofse Fruchtbarkeit des Küstenlandes, aber auch der
hoch hinauf dem Anbau sich öffnenden Gebirgsabhänge aufmerksam.
Die politische Veränderung, welche das Land durch den üebcrgang von
der ionischen ßundesverfafsung der zwölf Staatsgemeinden, die
sich um den nationalen und religiösen Mittelpunkt von Helike verein-
ten, zu dem minder gescblofsenen achaeische n Bunde durchmachte,
in welchem zwar die einzelnen Städte durch Synoikismos an Gröfse
und Bedeutung gewannen, aber als gleichberechtigte kleine Staaten
nebeneinander standen, ist in klaren Zügen gezeichnet, und daraus die
♦) Der Wechsel der Namensform zwischen ^lyccXicc und ^lali'a
(S. 343 Anm. 27) findet in der richtigen Ableitung des homerischen
aiyuXösig von Gialoq eine alte Analogie.
*♦) Die Gründe, weshalb C. (S. 346 Anm. 37) die Stelle im Diodor
XV, 40 nicht mit Böckh auf dieses bekannte Heraea beziehn will,
scheinen nicht genügend: xcoqiov wird doch nicht selten von grölsern
namentlich befestigten Orten gebraucht, und oxvqov (nicht ^(ivfivöv, wie
der Verf. irthünilich schreibt) wird vorzugsweise, wie unser halt-
bar, von künstlicher, nicht natürlicher Festigkeit zu verstehn sein.
Am ersten liefse sich ein Zweifei gegen das bekannte Heraea aus dem
befremdenden Zusatz xrjv kuIov (isvrjv Hqcciuv hernehmen.
iV. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVII. Hß. .'!. 20
506 E. Ciirliiis: Pcloponncgos.
spätere , meist neutrale Stellung der Acliaeer und ihre Scliicksale
treftlich erklärt, S. 412 ff.*)
Das zwischen den beiden Hauptthälern Achajas vortretende Pai(-
achaikon trennt, wie den Meerbusen, so das Land in ein inneres und
äul'seres. Dieser Theilung folgt die Beschreibung, welche in West-
Ach a ja die drei Kästenstädte Dyme., das alt-epeische Oienos und das
bis in die neuste Zeit in grofser Bedeutung bestehende Patrai, und die
Biunenstädte Pharai, Tritaia und Leontion umfafst. Aus vielen be-
lehrenden Nachrichten über diese Gegenden wollen wir eine inter-
essante Notiz miltheilen, welche mit einem oben berührten Punkte in
Verbindung steht. '^Ein Zweig der Industrie war für Patrai von beson-
derer Bedeutung , nemlich die Verarbeitung der in Elis wachsenden
B ysso s p fl a nze zu Haarnetzen und feinen Gewändern. Man hat
dabei in neuerer Zeit wieder an Leinwand gedacht, und doch drängt
die bestimmte Unterscheidung, welclie Pausanias zwischen Hanf, Flachs
und Byssos macht, fast mit Nothwendigkeit zu der Annahme, dafs
Byssos Baumwolle sei. Für die Baumwollenmanufactur war aber
die phoeuizische Insel Melite der wichtigste Punkt im Mittelmeer, und
ich vernuithe, dafs auch in Patrai es die Phoenizier gewesen sind,
welche diesen Industriezweig begründet haben. Dann erülTnet sich
auch ein neues Verständnis für die Nachricht des Pausanias von der
übergrofsen Zahl der Frauen in Patrai , von denen die meisten in den
Fabriken beschäftigt würden und der Aphrodite vorzugsweise erge-
ben wären. Dies ist nicht blofs das Zeugnis eines Sittenverderbnisses,
wie es sich überall in volkreichen See- und Fabrikslädten einschleicht,
sondern es ist die sichere Spur des von den Phoeniziern eingeführten
Cultus der Mylitta , dessen Unsitte zugleich mit dem phoenizischen
Gewerbszweige fortdauerte.'
In Ost-Achaja folgen längs der Küste die Städte Rhypes, Ai-
gion, Helike, Bura , Aigai, Aigeira , und am äufsersten Flügel der
Beihe landeinwärts Pellene. Rhypes, die Mulfersfadt von Kroton,
schwindet früh aus der Geschichte; Helike, die alte ionische Bundes-
stadt und auch von den Achaeern als Ilauptort betrachtet, und Bura
sind von dem Erdbeben des Jahres 373 verschlungen. Darnach wurde
Aigion , an dessen Stelle jetzt das ansehnliche Bostitza liegt, mit sei-
nen heiligen Stätten eines uralten Zeusdienstes und dem benachbarten
Homarion, dem Versammlungsorte der Eidgenofsen, der nationale
Mittelpunkt der Achaeer und blieb es bis in die Zeiten des achaeischen
Bundes. Dagegen war Pellene immer ein loseres Glied der achaeischen
Eidgenofsenschaft; es stand iui peloponnesischen Kriege wie im
boeotischen mit voller Entschiedenheit auf der Seite der Lakedaemo-
nier. — Die verwandten Namen von Aigion, Aigai, Aigeira (dem
*) Sehr richtig sind bei dieser Gelegenheit die Bedenken, welche
man in den Stellen bei Tliukjd. T, 115 und IV, 21 gegen die Erwäh-
nung von 'Axccta neben einzelnen Küstenpunkten haben konnte, be-
seitigt.
E. Curliiis: Pi'lopomiosos. 807
Fiomerisclien Ilypcresia) dniten ofrciibar auf eine gemeinsame Wurzel,
die wir in dein alten Landisnamen Aigialtia wiederlinden, und docli
wohl lieber (mit Forclihainnier Hell. S. 2.^) von dan vorwärts stiirzen-
den, brandenden Wellen, als mit den Sag-en der Allen von einer Geis-
burg oder Ziegensla<lt (S. 476 und 488 Anm. 6) erklären werden.
Elis, das Vorland West-Arkadiens, eine naeh aul'sen unsicher
begrenzte und schvvacli vertheidigle Landschart, bildet auch im Innern
kein geschlol'senes Ganzes; aber die anerkannte Heiligkeit seines Bo-
dens als des Tempellandes des olympiseiicn Zeus und beschworne
Verträge ersetzen ihm in der Zeit des geordneten hellenisclien Staats-
lebens die natiirlielien und politischen Scliutzwehren. Natürliche wie
geschichtliche Ursachen begründen die Einlheiiung in die drei Theile;
das nördliche oder eigentliche Elis, die Pisalis bis an den Alpheios
und Triphylien bis zur Neda. Die historische Einleitung berichtet über
das Zusammentretren des einheimischen Stammes der arkadischen Pe-
lasger mit andern seewärts eingezogenen Völkern , sow ohi den Phoe-
nikern, welche gerade an dieser Küste lange einen lebhaften Verkehr
unterhielten, wie mit den zu den Leiegern gehörigen Epeern, welche
die Herschaft des Landes gewannen und in dem von der Ilias be-
zeichneten vierfach getheilten Reiche, dem angrenzenden pylischen
Reiche meistens feindselig gegenüberstehend , besafsen, bis die mit
den Doriern eindringenden Aetoler des üxylos eine durchgreifende
Neugestaltung bewirkten. Aus der Vermischung der neuen und alten
Bewohner gehen zwei verwandte junge Staaten, Elis und Pisa, hervor,
in einem Bundes Verhältnis zueinander, dessen Mittelpunkt der olym-
pische Zeustempel wird. Neben ihnen gründen die aus Lakonien ver-
drängten 3Iinyer zwischen Alpheios und Neda den dritten Staat mit
sechs festen Städten, und behaupten die südliche Grenze gegen die
niessenischen Dorier. Der nördliche Staat, der Ilauptsitz des aetoli-
schen Adels, gewinnt zwar das Uebergewicht über die andern, aber
die Verfeindung der Eleer mit Sparta, gleich nach dem Frieden des
Nikias, führt zu unaufhörlichen Schwankungen der Territorialverhält-
nisse, und nach der Aufnahme Triphyliens als selbständigen Staats in
den achaeischen Bund , w ährend die Eleer sich zu dem aetolisclieu
hielten, zu inneren Kämpfen, welche die Kräfte des Landes erschöpf-
ten, während die Heiligkeit Olympias ihm noch lange einen Glan?;
erhielt.
In Nord -Elis, das wieder in das Tiefland des untern Peneios,
die koiXt] 'Hhg der Alten, das Hochland an seinen Quellen und ein
mittleres Plateauland zwischen beiden — diese letztern als axQcoQsia
im Alterthum zusammengefafst — zerfällt, werden M'ir zuerst in die
Geschichte und Lage der Hauptstadt Elis, der Königsstadt des Oxylos,
die indes nie regelmäfsig ummauert gewesen zu sein scheint, einge-
führt; sodann wird die wahre Lage der Hafenstadt Kyllene (to Hkec-
(ov imvciov)^ das alle neuern Reiaeiideii an den Ort des jetzigen Gla-
renza verlegen, mit grofser Wahrscheinlichkeit ungefähr in der Mitte
der nach ihr benannten Bucht zw ischen Araxos und Chelonatas nachge-
20*
308 E. Ciirlius: Poloponnesos.
wiesen. Indem so allein Strabons Angabe, dafs der Peneios zwiscliori
dem Vorgebirge Cbelonatas und Kyllene münde, erklärlicb wird, be-
gründet C. seine Anffafsnng dieser Stelle Slrabons wie der Boden-
verbältnisse näber durch die Vermutbung, dafs der Peneios, der ge-
genwärtig durcb den Flufs von Gastuni westlich abfliefst, einst auch
in der kylleniscben Bucht eine Ausmündung gehabt hat, welche zur
Entwäfserung der Ebene durch Gräben gefördert wurde, jetzt aber durch
lange Vernachläfsigung zugeschwemmt ist. Uebrigens sind alle Spu-
ren des alten Hafenplatzes im Dünensand verschwunden. Neben klei-
nern Ortschaften ist noch das nord-elische Pylos, die einzige wirklich
nachweisbare Stadt dieses Namens an der peloponnesischen Westkü-
ste, da wo der Ladon, den Strabon für den homerischen Seileeis
hielt, in den Peneios fällt, von gröfserer Bedeutung.
In der Pisatis, dem Mündungslande des Alpheios*), ist die
uralte Stadt, von der sie den Namen führt, und welche lange neben
Elis als Mittelpunkt eines gleichberechtigten Bundesstaats, wie C. ver-
muthet, von den Orestiden gegründet, bestand, um die 50. Olympiade
völlig zerstört und unterworfen. An ihrer Stelle erhob sich das hel-
lenische Nationalheiligthum von Olympia zu um so gröfserem Glänze und
Ruhme. Der Schilderung der Ebene in dem Winkel zw ischen dem Al-
pheios und Kladeos, des heiligen Raumes der Altis, seines Inhaltes
und seiner Umgebungen, der Feier der Spiele selbst, und der Restaura-
tion des Zeustempels mit all seinem Schmuck im Innern und Aeufsern
widmet C. einen eignen, trefflich ausgeführten Abschnitt, der, vor
einem .lahre mit geringen Abweichungen als besondere Vorlesung ge-
druckt, vielleicht manchem unserer Leser bekanntgeworden sein wird,
aber hier in seinem Zusammenhange mit dem Ganzen nur noch einen le-
bendigem Eindruck macht. Möchten die Wünsche, welche er am
Schlufs ausspricht, dafs mit Kraft angegrifl'ene und mit Ausdauer fort-
gesetzte Nachgrabungen an dieser Stelle noch viele Denkmäler des
Altcrthums ans Licht bringen werden, — er selbst nennt sie in der
Ueberschrift von II S. 71 fromme Wünsche; doch nur im wahren und
besten Sinne des Worts -— bald in Erfüllung gehn!
T ri phylien , dessen älteste Bewohner den arkadischen Pelas-
gern verwandt waren, erhielt seine geschichtliche Bedeutung durch
die Gründung des pylischen Küstenstaates durch die Einwanderung
thessalischer Hellenen. Alles was wir über diesen Staat wifsen be-
schränkt sich auf die Reihe pylischer Ortsnamen im homerischen
SchilTskatalog, unter denen aber nur 0qvov , AXcpsioTo noQog, nach
dieser Angabe bestimmt zu localisieren ist. Nach der Besetzung des
Landes durch die Minyer entstehn sechs neue Stadtburgen, welche
*) Die Bewegungen der attischen Flotte an dieser Küste im J. 431
(Thukyd. IT, 25) werden IIS. 45 durch eine genaue Beschreibung der
Küste und die Unterscheidung eines Landungsplatzes bei dem befe-
stigten Pheia und des an der nördlichen Seite der Landzunge gele-
genen Hafens erläutert.
E. Ciirlius : Pclopoiiiicsos. 'U)9
idureli den gcnieiiisaineH Cullus des Poseidon verbunden worden, von
denen Lepreon und IVlakiston die anseluiliciisleu sind. Der l'cslesle
Punkt der Landschaft, auf dem g^eji^en lausend Fiils hohen Vorgehjige
genau in der Mille zwischen den Mündunn-en des Alj)heios und der
Neda gelegen, nahe dem Küslenpass von KaialFa, auf welchem die wohl-
ei'halteiien Uuiiien einer alten hellenischen Festung: stehn, war Sa-
mikon , d. h. Hochburg, iTttidtj ödfiovg ixakow xu v^i^x].
Zwischen Samikon und Lepreon setzt Strabon nach den Zeug-
nissen der besten Kenner Homers, wie er sagt, das Nestorische Py-
los. Ohne die Existenz eines triphylischen Pylos nach Strabons aus-
drücklicher Angabe leugnen zu wollen, entscheidet sich C. indes aus
überwiegenden Gründen für das messenische Pylos als den Herscher-
sitz der Neliden *). Er vermulhet, dafs die Pylier später durch die
Dorier gedrängt sich nordwärts zurückzogen und sich dort mit ihrem
alten Stadtnamen nicderliofsen.
In dem hügligen Vorlande des am Alpheios sich hinziehenden
Gebirges weist der Verf. den Lauf des Baches Selinus (S. 91 Z. \ lies
der alte Selinus statt das a. S.) nach, in dessen anmulliigem
Thale Skillus versteckt lag, wo die Lakedaemonier dem verbannten
Xenophon einen ländlichen Wohnsitz anwiesen. ' Er hatte allen Grund
mit seinem Landsitze zufrieden zu sein;' bemerkt C. ^ der klare, an
Fischen und Muscheln reiche Sclinusbach, die anmuthigcn Hügel voll
Wald und Wild, die ländliche Einsamkeit und zugleich die Nähe von
Olympia vereinigten sich, um Skillus zu einem w ünschenswerthen
Aufenthalte zu machen, namenllich wenn man wie Xenophon zwi-
schen Waidwerk und \^ ifsenschaft seine Zeit Iheilte.'
M essen ien , das von der Natur am reichsten ausgestattete Land
der Halbinsel — denn der Pamisos, der wafserreiehste Flufs des Pe-
loponnes, hat ihm durch sein Anschwemmungsland den ergiebigsten
Saaiboden bereitet — hat die dürftigste und unglücklichste Geschichte
durchlebt. Der früheste Staat von pelasgischer Urbevölkerung geht in
einem Reiche unter aeolischen Geschlechtern zu Messene und dem pyli-
sehen Küstenstaate unter den Neljden unter; diese beiden aber unter-
lagen, wenn auch durch friedliche Uebereinkunft, den einziehenden
Doriern, und Ijelen dem Kresphonles zum Loosc zu , der die I^andschaft
in fünf Theilen beherschte. Doch unter den mildern Westabhängen des
Taygetos verweichlichte der dorische Charakter in demselben Grade,
wie er am jenseitigen Abhang einer grofsartigern und rauhern Naiur
gegenüber in Krieg und Jagdleben erstarkte. Daher das Uebcrgewicht
der Spartaner, als Neid und Eifersucht sie zum Kampf gegen das ver-
wandte Nachbarvolk reizte. Schon nach dem ersten Kriege wurde La-
konien mit Messenien vereinigt; es wurde durch Zerstörung der festen
Plätze wehrlos gemacht, aber die Wohnungen und Pflanzungen schonte
man. Die Einwohner musten als Pcrioeken vom Ertrag ihrer Felder
*) Was auch Niebuhr.s Ueberzengung war; s. dessen Vorträge
über alte Länder- und Völkerkunde S. 89.
310 E. Curtiiis: Peloponnesos.
die Hälfte abgeben. Nach dem zweiten Kriege wurde ihr Loos viel
härter: die Kiistenbewohner wanderten in Masse aus; die Landleute
aber im ßiiinenlande verfielen dem Heiotenstande, dessen Lage durch
jeden nachfolgenden Empörungsversuch, wie die der Irländer unter
ähnlichen Umständen, nur immer versclilimmert wurde. ^SowarMes-
senicn während der ganzen Zeit des kräftigsten hellenischen Staaten-
lebens oline Selbständigkeit, ohne alle Theilnahme an der gemeinsamen
(ieschichte, unter dem harten Joche grausamer Feinde, das unglück-
lichste, vernachläfsigtste und menschenleerste Land der sonst so blü-
henden Halbiusel, bis es gegen das Ende der hellenischen Geschichte,
wiederum unter fremder Ein\virkung, zu erneuter Selbständigkeit be-
rufen wurde.' Doch ruhte das Leben des neuen messenischen Staats
nicht auf der gesunden Grundlage eines auf seinem eignen Boden er-
starkten Volkes, und es wurde in die traurigen Geschicke der übri-
gen sich untereinander aufreibenden griechischen Stämme hineinge-
zogen. 'Dennoch gehören fast alle Denkmäler, welche es hinterlafseu
hat, in die Zeit der Wiederherstellung durch Epaminondas; Denkmäler,
welche durch die Grofsartigkeit ihrer Anlage und ihre treffliche Erhal-
tung den Wanderer in Erstaunen setzen.'
Nach jenem dreigelheilten Lauf des Pamisos , welchen uns Forch-
bammer in seiner Beschreibung der Ebene von Troja so anschaulich
geschildert hat, zerfällt 3Iessene, abgesehn von der westlichen Akte,
dem Khiou, in die obere Binuenehene von Stenyklaros und die untere
i^lündungsebene des Flufses. Dieser von der Natur gebotenen Einthei-
lung folgt die Wanderung unsers Verfafsers, auf Melcher vor allem
zwei iiislorisch wichtige Puukte uusere Aufmerksamkeit auf sich zichn:
Ithome und Pylos. '^Wenn man von der Tempelhöhe des Kotilion in
die messenische Ebene hinabsieht, wenn sich auf der Strafse der 3Ia-
kriplagi der Blick nach Süden ölfnet, wenn aus dem ionischen oder
aus dem kretischen Meere das Schill in den messenischen Busen ein-
lenkt, überall ist es der steile, breit abgeschnittene I tho m egipfel,
welcher dem Reisenden zuerst entgegentritt, das Hörn und Wahrzei-
chen des Landes.' Auf dieser ragenden Höhe, deren Eindruck noch
die wirkliche Höhe (2497 Par. Fufs) überbietet, concentrierte sich im
ersten messenischen Kriege der heldeumüthige \Mderstand des be-
drängten Volkes : die alte pelasgische Niederlafsung wurde erweitert,
um alle freien Gemeinden der Messenier aufzunehmen. Allein auch die
höchste Anstrengung erlag der Beharrlichkeit der übermächtigen Geg-
ner. Obgleich die Spartaner die Festungsmauern bis auf den Grund
niederrifsen, wählten die Heloten in ihrem letzten Verzweiflungskanipf
(461) die verlafsene Ithome wieder zum Mittelpunkt ihrer Vertheidi-
gung, und zogen von dort im zehnten Jahre des ungebrochenen
Widerstandes in eine andere Heimat, die die Athener ihnen in Nau-
paktos boten. Und als nacii 86 Jahren E|)aminondas schöpferisches
Wort einen freien messeiiischen Staat ins Leben rief, wurde der alte
Millelpuukt des Freiheitskampfes zum Sammelplatz der weit verstreu-
len Messenier und zur kuuldgen Hauptstadt bestimmt. So erhob sich
E. Curlius: Peloponiiesos. 311
am FuFse der Itlioino-IIölieii Messene, die erste Stadl, diu diesea
Nuineii getragen hat. Welclie Erinnerungen knüpfen sieh an ihre
iiiiinen, welche C. mit eingehender Sorgfalt l)esehreibt, wie sie in
arciiiteklonischer Ilinsichl die gröfsle Merkwürdigkeil i)ietenl Auf der
südweslliihen Halbinsel von Messenicn ziehn gegenwärtig die zu bei-
den Seiten vortretenden festen Punkte von Koron (nach Curtius an der
Stelle des alten Asine), auf welclies der Name des alten Korone, des
homerischen Aipeia, das höher hinauf am messenischen Busen lag,
übergegangen ist, und Modon, das alle Mcithone, die Aufmerksamkeit
am meisten auf sich; aber für die geschichtliche Erinnerung ist von
ungleich gröfserer Bedentnng die Küstengegend, die sich vom nörd-
lichen Ende des Bergrückens hinaufzieht, auf dessen Südspilzc Modon
gebaut ist. Indem dieses schmale Küslcngebirge an zwei Stellen vom
Meere durchbrochen ist, ist die Insel Sphakteria enistandcn; da wo
an der Südseile der Eingang zu der hinter der Insel sich ausdeiineiiden
Meeresbucht führt, liegt auf dem Fcsllande das Slädtciicn Navarin
oder Neökastro; oberhalb der nördlichen Einfahrt aber ragt das Vor-
gebirge hervor, das, jetzt unbewohnt und tou den Nachbarn Alt-Na-
varin oder Faleokastro genannt, im Mittelalter die venetianische Burg
Zonchio, aber einst das Neslorische Pylos trug. Es genügt die Er-
innerungen, welche diese Namen wecken, an sich vorübergehn zu
lafsen — Homers unsterbliches Lied von Telemachos Fahrten, Thu-
Uydides nicht minder anschaulichen Bericht von der Besetzung von Pylos
nach üemosthenes klugem Plane bis zur Gefangennaiime der Miinner
auf der Insel, ein Avarenrcich an dieser selben Stelle vom 6. Jalir-
hundert an, dessen Andenken im Namen Navarin erhalten ist, und
die grofse Floltenschlacht vom 20. Oct. 1827, durch welche die HolV-
nung auf Griechenlands '^^'iedergeburt neubelebt wurde — , um dem
Verf. in seiner genauen Schilderung dieser Gegend mit hohem Inter-
esse zu folgen.
Noch bleiben uns auf dem Wege, den C. uns führt, die beideij
Landschaften der Halbinsel zu betrachten übrig, welche an geschicht-
licher Bedeutung allen andern voranstehn und recht eigentlich den An-
tlicil des Peloponnesos an dem politischen Leben Griechenlands be-
stimmen: Lakedaimon und Argolis. Doch es ist nicht unsere Ab-
sicht, den überaus reichen Inhalt dieser beiden Abschnitte, mit denen
das Werk des Verf. würdig absehliefst, auch nur einigermafsen durch
Uebersichten und Auszüge zu erschöpfen. Nirgends ist der innige Zusam-
menhang zwischen der natürlichen Beschaffenheit und der Geschichte
des Landes schärfer ins Auge gefafst und klarer nachgewiesen , als in
den Ausführungen dieser wichtigen Capilel, dem Schauplatz der Ent-
wicklung eines der wichtigsten Theile des griechischen Lebens. *) Es
*) Wir machen u. a. darauf aufmerksam, welches Licht für die
früheste Anordnung des dorischen Staats in Lakedaimon durch die vor-
treffliche Herstellung der wichtigen Stelle Strabons (II p. ItJO) ge-
wonnen ist.
312 E. Cuitius: Pelopoimcsos.
>vird manchen Leser überraschen, inmitten des von den mächtigen
Gebirgszügen des Taygetos und Parnon eingesclilofsenen Eurotas-
thaies die Lage des rauhen Sparta so anmuthig und lieblich ge-
schildert zu linden, wie wir es S. 217 lesen; nicht minder, dafs, so
sehr Tluikydides prophetische Worte über den Eindruck, den einst
die Ueberreste der ersten Städte seines Vaterlandes auf den Wanderer
machen würden, sich bewährt haben, und zwischen den formlosen
Trümmern vergangener Zeiten, die sich jetzt dem Auge darbieten,
nichts an die Gebieterin des peloponnesischen Bundes erinnert, doch
die Zusammenstellung dieser dürftigen Spuren der alten Stadt mit
den Ueberlieferungen des Alterthums ein Bild gewährt, in welchem
insbesondere die Tempel der Götter, die sinnig geschmückte 3Iarkt-
halle, das Theater, die Burg, die C. auf dem Theaterhügel vermuthet,
mit dem Erzhaus der Athena Chalkioikos eine edle Anwendung der bil-
denden und der Baukunst bezeugen. Neben Sparta sind im Eurotas-
thaie Amyklai und Pharis, die Hauptorte der vordorischen Zeit, von
Bedeutung, deren Lage mit Wahrscheinlichkeit nachgewiesen wird.
In der äul'sern Landschaft erregt unter den wichtigern Punkten der
nördlichen Gebirgsgegend vor allem Sellasia unser Interesse, der starke
und wohlgelegene Vorposten der Hauptstadt, drei Stunden von ihr
entfernt, wo sich des Kleomenes und damit Spartas Schicksal durch die
Schlacht vom J. 221 für immer entschied. Beide Halbinseln, die wel-
che in Malea, und die welche im Tainaron ausläuft, erhalten dem-
nächst ihre genaue Beschreibung: wir bemerken, wie in der Nähe
des bedeutendsten spartanischen Kriegshafens auf der westlichen, Gy-
theion oder Gythion, das neuere Marathonisi, unfern des ansehnlich-
sten Hafens der östlichen Halbinsel, Epidauros Limera, auf der Insel
Minoa das feste Jlonembasia, das Napoli di Malvasia der Fraidven
entstanden ist. Inleressant sind auch an der Südküste des Peloponne-
sos die Punkte zu beachten, an denen phoenikischer Unternehmungs-
geist seiiiem Handelsverkehr und seinen religiösen Cullen Wege er-
ölfnete; es sind besonders in der Mitte des lakonischen Busens die
kleine Insel Kranae und das bedeutendere Kythera, wo der von As-
kalon stammende Aphroditendienst zuerst auf griechischem Boden
Wurzel schlug; auch das nahe der Grenze von Kynuria bei Prasiai
gelegene Dorf Tyros scheint auf eine alte phoenikische Factorei hin-
zudeuten. In diesem selben nordöstlichen Winkel von Lakedaemon
zieht sich im Hochgebirge der jetxige District von Tzakonia hin, des-
sen Bewohner nach geschichtlicher Ueberlieferung und nach der alter-
thümlichen Reinheit der dort herschenden 3Iundart auf eine unver-
mischtere Abstammung von den Lakedaemoniern Anspruch machen,
und gewis mit mehr Grund als das durch seinen Unabliängigkeitssinn
berühmte Volk der Mani, der Manioten oder Mainoten auf der Taygetos-
halbinsel, die gerade eine sehr starke slavische Zuwanderung erfahren
haben.
Unter dem Namen Argolis fafst C. nach dem Beispiel des Pau-
gcinias die ganze nordöslliclie Landschaft des Peloponnesos zusammen,
E. Curlius: Pelopomiesos. 313
die d;is (isllicho (irciizircbirf>c Arkadiens zur Basis hat. Sie zerriiilt
yeiiiai's ihrer Abdacluiii«;- nach drei Meeren, dem argolischen, dem
sarunischen und dem korinthischen Busen, in die drei Theile: die
Inachosebene oder die Ebene von Arfjos, die aro^olische Akte oder die
Arachnaionhalbinsel und das Asoposlhal mit seinen Nebenlhälern.
Nach der Entwicklun"- der natürlichen Bodenverhälluisse dieses viel-
gegliederten Landstrichs, der vor allem Cur den Verkehr mit dem
Orient in zahlreichen Häfen und Buchten die gröCsten Vorlheile be-
sitzt, führt der Hückblick in die Geschichte zu der Betraciilung der
ältesten Landessagen, da hier an dem ersten Sammelort eingeborner
Pelasger auch die frühsten Einwirkungen des Auslandes staltgefunden
haben.
Von dem Mittelpunkte der Stadt Argos und seiner stattlichen
Akropole Larissa aus, deren spärlichen Ueberresten eine genaue Be-
schreibung gewidmet ist, — der Schauplatz des verhängnisvollen Kam-
pfes von König Pyrrhos im J. 272 ist aufs deutlichste bezeichnet —
durchwandert C. zunäclist das altberülimte und vielbestrittene Grenz-
land gegen Lakedaemon, die Kynuria, nimmt seinen zweiten Weg
nach Tiryns und Nauplia, und wendet sich dann zu den im Osten und
Norden umliegenden Ortschaften, unter denen erst die neuste For-
schung im versteckten Bergwinkel die unscheinbaren Ruinen des He-
raion, 10 Stadien von Mykenai, aufgefunden hat. '^Es war der älteste
Wohnsitz der Göttin, der die achaeischen Städte vor allen andern am
Herzen lagen, der Bundesfempel der Mykenaeer und Argeier, in wel-
chem Agamemnon sich von den Fürsten des Heerzugs Treue schwören
liefs, der Schauplatz der vornehmsten Landesfeste und das nur einhei-
mischem Dienste zugängliche Schutzheiligthum von Argolis.' Aus He-
rodolos ist der vergebliche Versuch des Kleomenes, in sein Inneres
einzudringen, aus Thukydides der Brand des Tempels durch die Un-
vorsichtigkeit der Priesterin Chrysis im J. 425 bekannt. Von hier aus
folgen wir dem Verf.'^in nordwestlicher Richtung auf die Burghöhe
von Mykenai, in der innersten Ecke der Inachosebene. Wer sich mit
ihm auf diesem classischen Boden der Sage und Poesie orientiert hat,
w ird mit sicherm Verständnis die Eingangsworte der Elektra des So-
phokles lesen; es kann ihm nicht zweifelhaft sein, dafs Argos das
ganze vorliegende Tietland, der dem Apollon geweihte Marktplatz die
entferntere Stadt Argos , und der Heratempel keinen andern als jenes
Heraion bezeichnet. Die sorgfältige Beschreibung der berühmten Bau-
denkmäler, die die Aufmerksamkeit aller Reisenden seit Pausanias in
vorzüglichem Grade auf sich gezogen haben, des Löwenthores und des
Schatzhauses des Atreus, beschliefsen die Betrachtung dieses wichtigen
Locals. Als die Bestimmung des sogenannten Schatzhauses nimmt C.
wegen der beiden bestimmt gesonderten und verschiedenartigen Räume,
für das innere Gemach die Bestattung, für den äufsern Raum die Auf-
bewahrung grofser und werthvoller Gegenstände an.
Auch die beiden andern llaupt'.heile der argolischen Landschaft
im weitem Sinne, die östliche vom Arachnaion sich herauscrslreckende
314 E. Curlius: Pelopomiesos.
Halbinsel und das zum koriiilhischen Meerbusen binabreichende Thal
des Asopos, uinfalsen noch eine grofse Zahl historisch wichtii>er
Punkte: die alten Städte der Akte, Troezen, Epidauros, Herniione, de-
ren Geschichte in die bedeutsamsten Perioden der allgemeinen grie-
chischen eingreift; die ewig denkwürdigen Plätze von Phlius und
Sikyon, von Kleonai und Nemea, des unvergänglichen Korinthos,
seiner Häfen und seines in den Isthmos hineinreichenden Gebietes.
Aber wir enthalten uns hier Aveiter einzelnes zu berühren, so sehr
aucli überall die Landesbeschreibung die klarste Anschauung gewährt,
und die erhaltenen Ueberreste mit immer gleicher Liebe und Treue
aufgesucht und in ein lebendiges Bild des ehemaligen Bestandes zu-
rückgerufen sind. So kehrt denn die lebensvolle Darstellung der gan-
zen Halbinsel zu ihrem Ausgangspunkte, dem Isthmos, zurück und ge-
langt mit der Schilderung des heiligen Bezirkes des Poseidontempels
und seiner Festspiele und der alten Befestigungs- und Verbindungs-
werke der Landenge zur würdigsten Vollendung.
Blicken wir noch einmal auf die Gesammtausführung der schönen
Aufgabe zurück, so ist dem Verfafser die ununterbrochene Erhaltung
des regsten Interesses für seine die Natur und Geschichte gleich-
mäfsig umfafsende Beschreibung des Landes , abgesehn von ihren In-
nern Vorzügen, auch dadurch gelungen, dafs er von den Resultaten
seiner Studien und Forschungen das reiche litterarische und archaeo-
logische 3Iaterial, auf dessen Verarbeitung jene beruhn, in den An-
merkungen, welche den einzelnen Abschnitten angehängt sind, ge-
schieden hat. Folgen wir dort ungestört dem Zusammenhange der
Darstellung, so gewinnen wir hier eine Fülle von Nachweisungen und
kritischen Untersuchungen, die uns in den Stand setzen, uns über die
Treue und Genauigkeit seiner Schilderung ein eignes Urtheil zu bil-
den. Diese umfafsenden und gelehrten Anmerkungen, in denen die
Arbeiten der Vorgänger sorgfältig geprüft sind und fast kein Schrift-
steller des Altertluims unberücksichtigt bleibt, und welche nament-
lich für die Kritik des Strabon und Pausanias von unschätzbarem
Werthe sind, werden nach dem Genufse an der edeln Form des
Hauptwerkes den Leser immer wieder zu erneutem Studium auf-
fordern *).
Wir zweifeln daher nicht, dafs der Peloponnesos zu der Er-
frischung und Belebung, welche die philologische Wifsenschaft in
unserer Zeit vor allem bedarf, von lange nachhaltiger Wirkung unter
dem Jüngern Geschlechte bleil)en werde, und richten an den Verfafser
selbst im Namen vieler Freunde des Alterthums die dringende Bitte,
dafs er auch der Chorographic des übrigen Griechenlands, zu welcher
er seinen Beruf in so hohem Mafse bewährt hat, dieselbe liebevolle
*) Ein abgesondertes Register der kritisch oder exegetisch behan-
delten Stellen der alten Autoren wäre in diesem Betracht zu wünschen
gewesen.
Lnchinaim: T. liiicreüiis Cariis. 81.')
Belicimllmia: widmen inöiic, durch die er uns ein neues Verständnis
des l'elopunnesos eröH'net hat.
Lübeck. J. CAassen.
l. Lucretl Cciri de rerum natura libri .sex. Carolas Lachmannus
recensuit et emendavit. Berol. inipensi-s Georjrii Kchueri. MDCCCL.
252 S. gr. 8.
Curoli Lachmanni in T. Ijucretii Cari de rerum natura libros com-
mentarius. Uerolini inipensis Georgii Reimeri. MÜCCCL. 439 S.
gr. 8.
T. Lucreti Cari de rerum natura libri sex. Recognovit lacohus Bcr-
naysius. Lipsiae sumptibus et typis B. G. Teubneri. MDCCCLII.
XII u. 198 S. 8.
Nicht ohne wehmüthiges Gefühl unternehme ich es über die letzte
Arbeit eines dahingeschiedenen Meisters in diesen Blältern Bericht zu
erstatten. Wäre der grofse Kritiker noch unter den lebenden, ich
würde gewis schon längst unbeschadet der holien Achtung, die eine
so vollendete Leistung jedem einllöfsen mufs, mit all dem Frcimuth,
den jede wifsenschaflliche Kritik erheischt, auch meine abweichenden
Ansichten ausgesprochen haben: möglich dafs Lachmann selbst solchen
Widerspruch mit Glimpf ertragen hätte; ob andere das gleiche thun
werden , steht dahin: ich, wie sehr ich auch den Satz des e])hesischen
Weisen noXsfiog navrcov nary]^ billige, bin doch, soviel an mir lag,
dem Streite allzeit mehr ausgewichen, als dafs ich ihn aufgesucht
hätte, und nur Zuspruch von den verschiedensten Seiten hat mich be-
stimmt, diese Zeilen niederzuschreiben.
Ueber Lachmanns Lucrez kenne ich bisher nur eine einzige
Beurtheilung in den Blünchner gelehrten Anzeigen J851 December N.
95 — 98 von Spengel, worin alles was über den Standpunkt der
Kritik vor Lachmann, über die Hilfsmittel, die Lachmann zu Gebote
standen, so wie die Weise, wie er dieselben benutzt hat, zu sagen
wäre, ebenso anschaulich als gründlich dargelegt ist, dafs ich billig
darauf verzichte schon gesagtes zu wiederholen.
Lachmanns kritisches Verfahren ist wohl im allgemeinen zur Ge-
nüge bekannt, gleichwohl kann man darül)er sehr abweichende An-
sichten vernehmen. So hat Hr. M, Hertz in seiner Biographie Lacli-
manns , einem Buche das sehr geschickt gemacht ist, wie sich er-
warten liefs, auch über Lachmanns Kritik sich ausgesprochen, jedoch
in einer Weise, die meines Erachtens das rechte nicht genau trifft;
am wenigsten vermag ich es zu hilligen, wenn derselbe S. 189 G.
Hermann und Lachmann miteinander vergleichend sagt: 'Die
Methode scheidet Lachmanns Kritik von der Ilermannschen: diese ist
(livinatorisch , künstlerisch, jene strenghistorisch, wifsenschafllich;
Hermann ist wesentlich producliv, Lachmann rcproductiv.' Hier wie
316 Laclunann: T. Lucrcliiis Carus.
auch sonst in dem schätzbaren Buche hat sichtlich die Hinneigung zur
Anlithesis, zur rhetorischen Phraseologie der Klarheit des Urlheils
Eintrag gethan. Ich wenigstens meine, jede Kritik ist und darf nur
rcproductiv sein; was sich Hr. Hertz unter productiver Kritik,
die er Hermann zuschreibt, eigentlich gedacht hat, vermag ich nicht
zu sagen. Soll damit jenes subjective Verfahren bezeichnet werden,
welches willkürlich und eigensinnig den ersten besten Einfall an die
Stelle der Ueberlieferung setzt, so ist dies ein Fehler, den freilich
Hermann nicht immer vermieden hat, aber auch Lachmann ist davon
nicht frei zu sprechen, so wenig wie vielleicht irgend einer der grofscn
Kritiker; nennt dagegen Hr. H. productive Kritik jenen genialen
Scharfblick, jene glückliche Divinationsgabe, die Hermann in hohem
Grade besafs, nun so liefert eben die Ausgabe des Lucrez den deut-
lichsten Beweis, dafs Lachmann hierin weder Hermann noch irgend
einem andern nachsteht. Was Lachmanns kritische Methode von Her-
manns Verfahren streng scheidet, ist dies, dafs für Hermann wenig-
stens in der Praxis alle Handschriften gleichen Werth haben, während
Lachniann (und mit ihm vor allen auch Böckh und Bekker) überall
darauf ausgeht, die unverfälschten Quellen von den abgeleiteten und
werthlosen streng zu sondern. Und eben der Anwendung dieses Prin-
cips verdankt Lachmann die grofsen Erfolge, welche alle seine kriti-
schen Arbeiten auszeichnen. Dazu kommt ferner die Treue und Aus-
dauer, mit welcher Lachmann einem Schriftsteller, den er einmal lieb-
gewonnen hatte, mit dem er vertraut geworden war, zugethan blieb.
Nur durch diese Vertrautheit wurde Lachmann in den Stand gesetzt
mit cougenialem Blicke die tiefen Schäden , an welchen die Ueberlie-
ferung des Lucrez leidet, ebensowohl zu erkennen als auch wenig-
stens zum guten Theil zu heben. Denn gerade dadurch zeichnet sich
diese Arbeit Lachmanns aus, dafs er hier sich nicht damit begnügt
hat, die überlieferte Gestalt des Textes sicher zu ermitteln, sondern
die echte, des Dichters würdige Fafsung möglichst herzustellen be-
müht ist. Lachmann hat ferner hier überall sein Verfahren genauer
begründet, so dafs es uns vergönnt ist, eine wirkliche Einsicht in die
Methode des Meisters zu gewinnen. Unwillkürlich wird man an Bent-
leys Arbeiten erinnert, und ich wüste nicht, dafs seit Bentleys Horaz
eine kritische Leistung für irgend einen lateinischen Dichter erschie-
nen wäre, die sich mit Lachmanns Lucrez vergleichen liefse. Damit
soll den verdienstlichen Arbeiten der mitlebenden nicht im mindesten
zu nahe getreten werden: Bitschls grofse Verdienste um Plautus
hat wohl niemand mit wärmerm Dank anerkannt als gerade ich; aber
schon die Aufgabe selbst ist eine andere, mit ganz eigenlhümlichen
Schwierigkeiten verknüpfte, so dafs es der angestrengten Arbeit vieler
bedürfen wird, um nur einigermafsen die Aufgabe zum Abschlufs zu
bringen; und was sonst im Alleinbesitz Peinlicher' Methode zu sein
sich rühmt, steckt sich von vorn herein ein niedrigeres Ziel. 3Iil Bent-
ley hat aber Lachmann auch die Lust an schonungsloser, schueidcn-
der Polemik gemein, und ich mag nicht verhehlen, dafs gerade in
Laclimanii: T. Liicrctius Cariis. 317
dieser Beziehung die Lccliirc des Commeiilars bei mir sfefs einen un-
erquicklichen Kindriick ziirücks'ciarsen lial: wenn irgendwo, so wäre
hier jene stillscluveigciide Bekiinipi'iing dcsirlhuins, indem man ein-
fach das rechte und wahre ausspricht, am Orte gewesen; damit halle
Lachmann nicht etwa Stolz oder Geringschätzung an den Tag gelegt,
sondern nur einfach andere sich zum Dank verpflichtet. Lachmann hat
geglaubt, durch solche rücksichlslose Schärfe in Zukunft die Millel-
mäfsigkeit von Unternehmungen, denen sie nicht gewaciisen ist, zu-
rückzuschrecken; ich zweifle sehr, dafs diese llolTnung sich erfüllen
wird; weil mehr besorge ich, dafs solcher Ton in der |tliilologischeii
Litteratur zum Schaden der Wifsenschaft allgemeiner werde, und wenn
bei Lachmann doch noch immer diese Polemik durch Geist und Origi-
nalität sich anszeichnet, so pflegen die Hintersal'sen grofser Männer
diesen Mangel nur zu oft durch Plumpheit zu ersetzen.
Lachmanns Commentar enthält einen reichen Schatz grammati-
scher Untersuchungen; allerdings gründen sich diese werthvollen Be-
merkungen vorzugsweise auf die blof'se Beobaclitung: deren hohen
Werth habe ich niemals verkannt, aber wenn dieselbe nicht durch
eine streng rationelle Methode (die sich, beiläufig bemerkt, nicht
durch sophistische Dialektik ersetzen läfst) geleitet ^'^ird, liegt die
Gefahr des Irthunis gar nahe: ich habe hierauf schon wiederholt an-
derwärts aufmerksam gemacht, und erinnere hier nur beispielsweise
an das, was ich über die Formen mihi und mi gegen G. Hermann und
Ritschi bemerkt habe. Und so findet sich auch bei Lachmann gar man-
che Behauptung ausgesprochen, die gerechten Bedenken unterliegt:
ich erinnere nur beispielsweise an das, was zu V, 264 über quidquid
und qtiicquid bemerkt wird; mit entschiedenem Eigensinn wird ferner
überall et in der Bedeutung von etiam aus dem Texte verdrängt; doch
ich verzichte an diesem Orte auf ein genaueres Eingehn in diese gram-
matischen Fragen, nur das bemerke ich, dafs Lachmann in der Ortho-
graphie und was damit zusammenhängt mit lobenswerther Mäfsigung
zu Werke geht und nicht etwa der Analogie zu Liebe strenge Gleich-
mäfsigkeit willkürlich durchführt *).
Ich will diesen Theil des Commentars nicht weiter besprechen,
und nur an einer Reihe von Beispielen darthun, dafs, so grofs und
bleibend auch die Verdienste Lachmanns um Herstellung eines gerei-
nigten Textes sind, doch keineswegs, wie viele zu glauben scheinen,
*) Manches wird sich hier noch aus den Spuren der alten Hand-
schriften herstellen lafsen , so z. ß. IV, 968 ist nicht sowohl bellum
zu schreiben, da die Handschr. vcllum oder vclum darbieten, sondern
Nautae contracturn cum ventis degerc du eil um,
was auch durch die Allitteration sich empfiehlt und zweisilbig zu le-
sen ist wie II, 661 equorum duellica prolcs. — III, 1061 war die
Tinesis herzustellen:
Esse domi per quem taesumst subiloque revertit.
— VI, 919 Hegt \n den Zügen der Handschriften
Et nimium longis am baginibust adeundum,
eine Form die auch Manilius gebraucht.
318 Lachinann : T. Liicretiiis Carus<
die Kritik des Dichters abgeschlofscn ist; denn auch Lachmann ist es
sehr oft nur gelungen den Fehler nachzuweisen, nicht aber zu entfer-
nen. Mögen die nachfolgenden Bemerkungen von kundigen als ein
Beitrag zur Herstellung eines der genialsten Dichterwerke der latei-
nischen Litteratur woiiUvollend aufgenommen werden.
I, 843 schreibt Lachmann : Nee tarnen esse ulla idem ex parte
in rebus inane mit vierfacher Elision, was der von Lachmann selbst
so oft gerühmten Eleganz und Kunst des Dichters wenig entspricht.
Lucrez schrieb :
JSec tarnen ex ulla parte idem rebus inane
concedil, neque corporibus finem esse secandis
(die Handschr. esse ulla idem parte in rebus) wo der Wechsel der
Structur nichts befremdendes hat. Dagegen möchte ich nicht auf diese
Weise eine andere Stelle rechtfertigen V, 502:
ISec liquidum corpus turbantibus aeris auris
commiscet : sinit haec violentis omnia verti
turbinibus , sinit incertis turbare procellis,
wo man bei der Wiederholung desselben Verbums auch eine Gleich-
mäfsigkeit der Structur erwartet: es ist ganz einfach venti ttirbini-
bus zu schreiben, und haec darf auf keinen Fall mit Lachmann in hie
verändert werden, da die untere Region deutlich bezeichnet werden
muste.
1,881: Conveniebat enim fruges quoqiie saepe, minaci Robore
cum saxi franguntur, mitter e Signum Sanguinis aiit aliquid ^ noslro
quae corpore aluntur , Cum lapidi (^A'\e Handschr. lapidi in^ lapidem
terimus, manare cruorem. Das Asyndeton im letzten Verse ist höchst
befremdlich, ich vermuthe:
Cumque lapi lapidem terimus, manare cruorem.
Dieselbe Form gebraucht Ennius bei Priscian VI, 12: Occumbunt multi
letum ferroque lapique. Der Wechsel der Form bei Wiederholung
desselben Wortes kommt auch sonst bei Lucrez vor, obgleich von
den Abschreibern und Herausgebern dies öfter verkannt ist. Wenn
IV, 633 die Handschriften geben : Nunc aliis alius qui sit cibus ut vi-
deamus Expediatn, so ist dies freilich sinnlos, aber was Lachmann in
den Text gesetzt hat, qui sit cibus unicus aptus ist wohl geradezu
als unlateinisch zn verwerfen. Vielleicht trifft meine Vermuthung
das richtige:
Nunc aliis aW quifiat cibus ut vid eatur
d. h. ut placeat, denn der Dichter will zeigen, woher es komme, dafs
dem einen diese, dem andern jene Nahrung zusage.
II, 27: Nee domus argento fulget auroque renidet. Macrobius
fulgens und renidens; fulget wird von Lachmann wohl mit Recht ver-
worfen, da Lucrez dieses Verbum stets nach der dritten Conjugation
flectiert, aber ich möchte deshalb nicht sowohl fulgenti lesen, wie
Lachmann vorschlägt, sondern mit Benutzung der Lesart des Macrobius:
Nee domus argento fulgens auroque renidet^
d. i. soviel als auri argentique fulgore renidet. Im folgenden Verse:
Laclimann: T. f,iicroliiis fariis. 310
Ncc cithftrae rehoant laqnenta (lurataqne lecla
ist, wie Lachmami riclilig- j'osclin lial, aurala (obwolii auch Macro-
biiis so liest) eine iiiipasseiuie Wicderlioliuig; aber was er selbst in
den Anmerkungen vorsolilägt: ornnlaque erscheint viel zu matt. Ich
\gsq laquenta ar cuataquc tecta (oder wenn man lieber will ar-
qnataque). Arcuafa tecta sind gewölbte Decken, vergl. Plinius Nat.
Hist. XXXV §. 124: Idem laciinaria primus phigere inslitiiil, ncc
Cameras ante euni laliter adornari mos fnit.
II, 710 kann ich nur als störenden und ungeliörigeu Zusatz eines
Interj)olators betrachten; vielleicht fand sich in alter Zeit nur die Be-
merkung vor: Scilicet id certa fieri ratione^ die dann mit leichler
Mühe durch ein hinzugefügtes necessnst in einen vollslaiuligen Vers
gebracht ward. Zur Unterstützung dient auch der Umstand, dafs in
der AA'iener Handschrift (über >a eiche ich einige genauere Notizen der
Gefälligkeit eines ehemaligen werthen Zuhörers von mir, des Hrn.
Dr. Linker in \Men verdanke, woraus auch hervorgeht, dafs Lach-
manns Vermutiiung, die Blatter der Gottorper Handschrift hatten ur-
sprünglich zu jenem Wiener Codex gehört, ganz das rechte getrod'en
hat) dieser Vers sich zweimal vorfindet, einmal nach Vs. 706:
SCILICETITCERTAFIERmATIONE necessust.
dann Vs. 710:
scilicet it certa fieri ratione necessu est.
II, 1170 — 72 stehn offenbar nicht an der rechten Stelle: ge-
wöhnlich bezieht man diese Verse auf den Winzer, aber die Worte
selbst zeigen, dafs sie vielmehr auf den Landmanu gehn , da die lati-
fundia dem mäfsigen Grundbesitz der Vorzeit entgegengesetzt wer-
den. Daher ist die ganze Stelle so zu ordnen:
lamqne Caput quassans grandis suspirat arator
1165 crebrins, in cassum manuum cecidisse lahores., :
et cum tempora temporibus praesentia confert
praeteritis, laudat fortunas saepe parentis.,
1170 et crepatj anticum genus ut pietale replelum
perfacile angustis tolerarit finibus aepom,
cum minor esset agri mnlto modus ante viritim.
1168 tristis item vetulae vifis sator afque vietae
temporis incusat momen caefumque fatigat,
1173 nee tenet onmia pmdatim tabvscere et ire
ad capulum, spatio aetatis defessa vetusto.
Lachmann, der eine ganze Anzahl Stellen durch Transposition glück-
lich geheilt hat, nimmt an der vorliegenden keinen Anstofs. — Nicht
geglückt ist ihm die Behandlung einer andern Stelle VI, 793: diesen
Vers hat Lachmann w eder richtig verbefsert noch auch mit Fug nach
Vers 801 gestellt: der Vers passt weder dorthin noch auch in den Zu-
sammenhang, wo er bisher stand: es bleibt dalier nur die Annahme
übrig, dafs hier mehrere Verse ausgefallen sind. Der Vers selbst aber
ist so zu schreiben :
320 Lachmann: T. Lucretius Carus.
Concidere ut morbo, spumas qui mittere suevit.
Lücken, bald gröl'sere bald kleinere, sind auch sonst bemerkbar,
so z. B. I, 867 ff., wo wohl zu ergänzen ist:
Praeterea quaecumque e terra corpora crescunt,
si sunt e terris , terram constare necessest
ex alienigenis , quoniam constare fatendmnst
ex alienig enis ^ qiiae terris exoriunlur,
wo ich aufserdem si sunt e terris für iti terris geschrieben habe. Da-
gegen sind ebendaselbst Vs. 873 und 74, die Laclimann vergeblich
zu vertheidigen sucht, zu streichen. Der erste Vers:
Praeterea tellus quae corpora cumque aUt äuget
ist eine Dittographie zu Vs. 867 und verdient vielleicht den Vorzug-.
Der andere Vers
Ex alienigenis, quae lignis exoriunfur
ist entweder lediglich durch Irthum aus Vs. 869 entstanden, oder viel-
mehr das Product eines Interpolators; denn sowie der erstere Vers
nach Vs. 872 in den Text gedrungen war, suchte man, so gut es
eben gehn wollte , den unvollständigen Gedanken zu ergänzen.
III, 117 hat Lachmann des so oft geschmähten Wakefield Con-
jectur neque harmonia corpus sentire (die Handschr. interire^ solere
aufgenommen, sehr mit Unrecht, denn solere würde in diesem Zusam-
menhange nicht blofs ein überilüfsiger , sondern sogar störender Zu-
satz sein, da ja der Dichter zeigen will, dafs es Fälle gebe, wo auch
wenn die Verbindung der Glieder des Körpers gestört sei , doch das
Leben sich behaupte: darum bekämpft er die Ansicht derer, welche
das Wesen der Seele für nichs anderes als die Harmonie des Körpers
erklärten. Der Fehler ist ganz einfach zu heben:
Nunc animam quoqtie ut in memhris cognoscere possis
esse, neque harmonia corpus sonere interiore.
Dies ward solere interiore gelesen, und dann, wie so oft im Lucrez,
die Worte umgestellt. Weiterhin Vs. 129 war nobis moribundis
deserit artus für moribundos zu schreiben.
III, 198: At contra lapidum coniectum spicarumque Noenu po-
test. Die bisherigen Versuche werden von Lachmann mit gutem Recht
verworfen; was er selbst vermuthet: At contra lapidtim coniectum
Spiritus acer weicht von der überlieferten Lesart zu weit ab. Der
Dichter hatte vorher gesagt, schon ein leiser Luftzug könne einen
Haufen Mohnkörner zerstreuen: deshalb ist aber nicht nöthig, dafs
auch in dem entgegenstehenden Beispiele gerade wieder die Wirkung'
der Luft erwähnt werde. Vielleicht trifft folgende Vermuthung das
wahre:
At contra lapidum coniectum s picea runa
noenu polest.
Vergl. Paulus Festi p. 263: Runa genus teli significat. Ennius: ^ru-
nala recedit' id est pilata, und Gracchus bei Cicero de Leg-. II F, 9.
Spicea aber würde dann in dem Sinne von spicatus ^zugespitzt' stehn,
obwohl sonst nur spicea serta, spicea corona sich findet.
liacliniaiin : 'f. Liicrefius Ctirus. 321
III, 443; Acre qui credas posse haue cohiberier utlo? Corpore
qui ?tos(ro rarus mcujis incohihescit? Lacliiiianii widerleg-t mit lU'cht
die Versuche der Vorfi-änger , aber seine eig-iie Conjectur is cohihcs-
sit ist nicht minder vcrlehlt. Es ist üheriiaupt dieser Vers nidit als
selbsläudit^er Salz, nocii weniger qtii als Partikel zu falsen, sondern
qui ist das Pron. relat. und auf aer zu heziehen:
Aere qui credas posse hone cohiberier ullo ^
corpore qui nostro rarus magis incohibensquest?
oder wenn man lieber will rarus t magis incohibensque.
III, 449 ff. findet sich in vier unmittelbar aufeinander folgenden
Versen viribus^ vis, viribus, viribus. Nun hat zwar Lucrez solche
Wiederholung-en nicht eben allzu äng-stlich vermieden, aber der vor-
lieg-ende Fall dürfte das Mafs des erlaubten überschreilen. Mir scheint
in Vs. 452 et obtusis ceciderunt viribus artus dieses Wort nur von den
Abschreibern hinzugefügt, um den verdorbenen und lückenhaften Vers
zu ergänzen. Freilich ist es schwer die Stelle mit Sicherheit zu ver-
befsern ; doch scheint mir folgende Fafsung des Lucrez nicht unwürdig;
Post ubi iarn validis quussalumst viribus aevi
corpus et obtusis artus c ecidere lacertis.
Aehnliche Verderbnisse finden sich anderwärts. So nimmt Lachmann
mit Recht Anstofs V, 1409: Et numerum servare genns didicere, wo
von den Wächterliedern die Rede ist. Genus ist gedankenlos aus Vs.
1411 aufgenommen, aber auch Lachmanns Conjectur sortis trifft nicht
das rechte; der Dichter schrieb:
Et numerum servare pedu m didicere.
Ferner III, 256 ist corpore wohl aus corporis im vorhergehenden Verse
entstanden, ich vermuthe: fit in summo quasi t empor e finis Moti-
bus. Offenbar verderbt ist III, 172: At tarnen insequitur languor ter-
raeque petitus Suavis et in terra ttientis qui gignitur aeslus, Inter-
dumque quasi exurgendi incerta voluntas. Es ist zu schreiben ;
Saevus, et in febrimentis qui gignitur aeslus,
wo übrigens saevus schon von Wakefield verbefsert ist. — IV, 1125
hat Lachmann zwar das verkehrte der Vulgata unguenta erkannt, aber
den Fehler durch seine Conjectur argentum nicht gehoben ; es mufs
verbefsert werden:
Amenta et pulcra in pedibus Sicyonia rident.
Auch I, 357 haud ulla valerent ratione videres scheint mir das letz-
te Wort nur irlhümlich aus dem folgenden videmus entstanden. Ich
kann daher auch das, was der Oblongus in litura bietet, fieri ratione
videres nur für Conjectur erachten. Mir scheint das richtige;
Quod nisi inania sitit, qua possent corpora quaeque
transire, haud tdla facere id ratione valerent.
Die richtige Lesart valerent ward über das falsche videres geschrie-
ben und kam dann an unrechter Stelle in den Text. Auf die Aehnlich-
keit der Buchstaben kommt es in solchen Fällen gar nicht so sehr an,
z. B. V, 468 ist saepsit offenbar nur durch Wiederholung ans Vs.
iV. Jahrb. f. Phil. n. Paed. ßil. LXVII. Hft. 3. 21
322 Lachmann: T. Lucreliiis Carus.
470 entstanden; Laclimann schreibt dafür ßexif., mir scheint pandil
dem ganzen Zusammenhange nach passender.
III, 1005 wo der Dichter die nnersättlichen Begierden der Men-
schen mit den Danaiden der Unterwelt vergleicht:
Quod facmnt nobis unnorum tempora ., circum
cum reüennt^ fetusque fernnt variosque fepores ,
nee tarnen explemnr vitai fructibus umquam.
Lachmann ist vor allem der Ansdrnck circum redire anslöfsig, und er
schreibt dafür:
Qvod faciunt nobis annorum tempora vi c tum.
Die Aenderung ist scheinbar gering, aber ich sehe nicht recht ein,
was diese W'orle bedeuten sollen; Lachmann bemerkt nur, dafs quod
als Conjunclion zu fafsen sei. Sollen die Worte vielleicht heifsen :
^weil die Jahre uns (d. h. unsern Leidenschaften) Nahrung geben'?
Damit wäre zwar der erforderliche Sinn im allgemeinen getroffen,
aber die Darstellung dieses Gedankens bleibt seltsam. Der Fehler
liegt tiefer, ich schreibe:
Quod facimus, nobis annorum tempora circo
dum redeunt fetusque ferunt variosque lepores.
^ Dies thun wir, so lange wir leben' ist der einfache Gedanke, das
quod facimus geht vor allem auf das vorhergehende pascere ingra-
lam animi naluram, wahrend das explere bonis rebus satiareque num-
quam, nochmals nachdrücklich durch nee tarnen explemur etc. wie-
derholt wird. Circo habe ich emendiert, obwohl mancher vielleicht
auch die Vulgata vertheidigen wird, denn der Sinn ist: so lange die
Hören in ihrem Kreislaufe nur wiederkehren. Vgl. Altius bei Nonins
p. 20:
Quot Luna circos annuo in cursu institit.
IV, 78 ff. hat Lachmann das nnstattbafte der Ueberiieferung pa-
truni matrumque deorum richtig erkannt; aber seine Conjectur /?w/-
cram variumque decorem, so ingeniös sie auf den ersten Anblick
erscheint, bringt doch einen ziemlich müfsigen Gedanken herein. Ich
schlage vor:
Namque ibi consessum careai supter et omnem
scenai speciem , p a r v n m m agntimqu e , deors u m
inficiunt. [,
Parmim magnumque ist als Apposition zu dem vorigen hinzugefugt;
wie wir grofs und klein, die Griechen unzähligemal jiiix^og xai
(xiyag gebrauchen, so konnte hier der Dichter parvus magnusque sa-
gen; vgl. das nicht ganz unähnliche bei Horaz Epist. 1,3,28: hoc
Studium parvi properemus et ampli. Sicherer lafsen sich die folgen-
den Verse herstellen: Et quanfo circum mage sunt inclauslra (Lach-
mann angusta) theatri Moenia., tarn magis haec intus perfusa lepore
Omnia conrident correpta luce diei. Lachmann hat den richtigen Sinn
der Stelle verfehlt, denn nicht von einem beschränkten, engen Thea-
ter ist die Rede, sondern davon, dafs jenes Phaenomen sich besonders
Laclimann: 'f. rucrcliiis Cariis. 323
da zeige, wo das Tlieatcr rings von Mauern, Seuienliallen u. s. w.
umschlolscn sei. Es nuifs heilsen:
Et quanto circum mage sunt inclusa iheatra
7)10 6 71 ib US.
Wie der Irlhum entstand sieht man leiclil: in der ältesten Handsclirilt
war INCLVSA THEATIU MOENIß. geseilrieben; die Verbefserilng
ward, wie dies in den Ilandselir. des Lucrez öfter gcselielin ist, spa-
ter auf das unrechte ^^ ort bezogen, und so entstand im Oblongus ««-
elaiist7^a, während der Quadratus richtig äiclusa hat.
IV, 397: Exstanlisque procnl Ttiedio de gurgite 7uuntis., C/assi-
btis inter quos Hier pafet ext'tus i7ige77S, hisula cu7iiu7iclis lavieii ex
his 7ina videtur. Lachniann hat mit Recht an dem Participium exsfan-
tis Anstofs genommen, aber seine Conjectur exsUml usque gewährt
nur eine unzureichende Hilfe, da nsqtie nicht blofs iiberllüfsig, son-
dern geradezu störend ist; ferner ist mo7ites ein ganz ungewöhnlicher
Ausdruck, da nur von Felsen im Meere die Rede ist; endlich wird
Lucrez schwerlich den Ausdruck gurges so absolut vom Meere, welches
vorher noch nicht erwähnt war, gebraucht haben; anderwärts wenig-
stens findet sich ein passender Zusatz, Avie V, 387 ex allo gurgite
pontt, oder 482 salso suffudit gurgite fossas. Mir scheint der Fehler
viel tiefer zu liegen, ich vermuthe daher;
ExstaTit sie scopuli 7nedio de gurgite pon ti.
In anderer Weise ist 7nontis VI, 4S9 zu verbefsern, wo Lachmann
zwar mit Recht die Conjectur von Marullus Tcan 7nag7ios 7nontis ver-
wirft, aber was er selbst vorschlägt, tarn magnis 7iimbis halte ich
für unzuläfsig, da 7iimbi mit ten}pestas und tcnehrae gleichbedeutend
sein würde. Ich lese;
Hmid igitur mirurnst., si parvo tempore saepe
tarn 711 ug7iae 7nolis tempestas atque teu ehrae
coperiimt maria ac terrus i7ipensa supe7'7ie.
IV, 462: Cetera de genere hoc 7nira7ide 7nulta videmus schreibt
Lachmann 7niracli., was sehr gezwungen ist; es war 7niranda et
multa, oder noch befser Tuulta et 7)iira7ida zu lesen, wie es öfter der
Umstellung bei Lucrez bedarf; so z. B. VI, 14: Nee miTius esse donii
cuiquam tarnen anxia. corda. Das negative eiiiquam ist hier ganz
unangemefsen ; ich schreibe:
Nee 7ninus esse tame7i domtii cuique anxia corda
und der Quadratus hat glücklicherAveise die alte Form doinui hewahrt,
über welche ich auf Ottos Bemerkung bei Osann zu Cicero de Republ.
I, 40 verweise.
IV, 1129: Et bene parta palrum fmnt anademata^ mitrae , In-
terdum in palla7n atque alidensia chiaque vertunt. Hier schreibt
Lachmann nach Pellissiers Vorgange Cia oder Cea ; aber gesetzt
auch dafs Plinius oder auch schon Varro durch eine falsche Les-
art bei Aristoteles getäuscht die Erfindung dieser feinen Gewän-
der der Insel Keos zugeschrieben haben, so folgt doch daraus
21*
324 Lachmann: T. Lucretius Carus.
nicht tUifs wir durch Conjeclnr dem Lucrez einen gleichen Irlhuni
aufdränoen dürfen, sondern entweder mülsen wir die handschriftliche
Ueberlieferung gelten lafsen, wenn anch sonst nns nichts von kost-
baren Gewändern aus Chios bekannt ist, oder, wenn wir zur Con-
jeclnr unsere Zuflucht nehmen , ist Coa zu lesen. Noch weniger ist
Lachmann in der Verbefsernng von alidensia glücklich gewesen , in-
dem er an den Buchstaben haftend alideusia, d. i. aXiöevaia (ein ganz
unerhörtes Wort für aXißcmxa) vorschlägt. Ich glaube auch hier
läfst sich die Hand des Dichters mit ziemlicher Sicherheit herstellen ;
ich vermulhe:
mlerdum in pallani ac levidensia Coaque vertunt.
Ebenso wenig kann ich im folgenden zu Vs. 1152 Lachmann bei-
pflichten, wo er in der Lesart der Handschr. ut quae corporis sunt
eitis, quam ppetis ac vis zu finden glaubt: si quam petis ac vis. Aber
dann müste man eins mit corporis verbinden, was äufserst matt ist.
Vielmehr ist eius von corporis abhängig, bezieht sich auf die Ge-
liebte. Es war zu schreiben:
Aut quae corporp sunt eius .^ quam deperis ac vis.
Deperire haben in diesem Sinne nicht blofs die Komiker gebraucht,
auch CatuU sagt 35, 11: Quae nunc, si mihi vera nuntiantur ., lllum
deperit inpotente amore und 100, 1: Coelius Auftlenam et Quintius
Aufilenam Flos Veronensum depereunt iutenum.
V, 175. 176 hat Lambin mit Fug und Recht nach Vs. 169 ge-
stellt, und zugleich mit gewohntem Kennerblick erkannt, dafs an
credo unlateinisch sei, doch dürfte ^< credo, obwohl von Lachmann
gebilligt, ebenso wenig das rechte treffen; ich lese:
An caeca in tenebris vita ac maerore iacebat.
V, 201 hat Lachmann für das fehlerhafte inde avidam partem
montes silvaeque ferarum Possedere vermuthet inde aliquam partem.,
nach meinem Gefühle äufserst hart ; aber aufserdem ist silvae ferarum
ein ganz ungewöhnlicher Ausdruck. Ich habe schon vor langer Zeit,
als ich eine Fortsetzung meiner Lucretiana zu geben beabsichtigte,
vermuthet:
Dividu am partem montes silvaeque feraeque
possedere
und hierzu folgendes bemerkt: * ut dixerit poeta dimidiam terrae
partem occupatam esse montibus, silvis , paludibus, mari : rursus ex
iis quae supersint duas partes vel propter frigus vel propter aestum
inhabitabiles esse, ut vix sexta pars hominibns ad colendum sit con-
cessa. lam ubi poeta montium et silvarum mentionem fecit, licuit
etiam feras adiungere, quae incolunt illas regiones nee sinunt ab
hominibus habitari.'
V, 311: Denique non monimenta virum dilapsa videmus, Quae-
rere proporro sibi cumque senescere credas? Lachmann schlägt zu
lesen vor: Quae fore proporro v etitumque senescere credas;
aber abgesehn von der schwerfälligen Coustruction würde credas
in diesem Zusammenhange geradezu fehlerhaft sein: es müste credi-
Lachniann: T. Liicrclius Cariis. 32')
deras Iieilscn. Mit SicIuMlieil lal'st sicli die Sicllo kiiiiin vorltelseni,
obwulil der (jcdankc klar isl. Viclleiclil kommt dieser Vorsncli dein
rechten nahe :
Denique von moiiimenla virum dilapsa videmus
ticr q er e proporro silicumq u e senesccre qua d r a s ?
Dafs silt'ces glcicli darauf l'olfft, ist bei Liicrez iiieht hefremdlieli, zk
mal bei Verschiodeiilieit der Ik'.deutiing'; imter silicnm quadroe sind
grol'sc Steinquadern zu verstehen, die als Fundament der Grabdenk
mäler dienten. — Uebri;^ens bat Lacbmann aueb anderwiirls i^(!gen
<len riclitis'en Gebrauch des Temi)ora und Modi «ifcfcblt, so z. 15. V,
836 schreibt er:
Sic igilur mundi naturam totius aelas
mutat^ et ex alio terram Status excipit aller ^
quod pute uti nequeat^ possit quod non lulit ante.
aber pote ist hier völlig unstatthaft, es niüste putuü lieifsen, wie die
Handsclir. lesen ; bei dieser Lesart ist nur das Asyndeton äufsersl
hart, sofern nenilich die Conjunctive richtic: sind: mau mufs daher
mit Bentley lesen: Quod tulit^ ut neqiieat^ oder ^vas ich vorschlaffe:
Quod potuit^ nef/ifat:potis est, quod non lulä ante.
V, 545: Vsque adeo magni refert, qui't queque quocat res. Lach-
mann, der an einigen Stellen das Verbum avere glücklich hergestellt
hat, will hier schreiben: quid quaeque aveat res, aber der Gedanke
erfordert vielmehr :
Vsque adeo magni refert , quae quidque gravet res.
Ebenso wenig passend scheint, was Lachmann Vs. 538 in den Text
aufgenommen hat: quibus insita crevit; vielleicht ist qnibus iiisita
vi Sit zu lesen. — - Lachmann hat jenes Verbum arere auch V, 524
hergestellt: sive ipsi serpere possunt Quo cuiusque cibus vocat atque
invitat aventis für euntis: vielleicht richtig, ich selbst hatte früher
vermuthet: ■'i
cibus vocat invit atque volun t as.
Jenes Verbum ist vielleicht auch V, 396: Ignis eniin superavit et an/-
bens multa perussit, wo man superat et lambens corrigiert hat, zu
restituieren: Jgnis enim superavit avens et multa peritssit.
V, 746 : Tandem bruma nives adfert pigrumque rigorem Redit
hiemps sequitur creditans hanc dentibus algi. Lachmann, indem er
nach rigorem interpungicrt , schreibt jt^ro d// hiemps., sequitur cre-
pitans hanc dentibus algor; aber diese Art der Darstellung ist matt
und zerfahren, hiemps steht ohne Epitheton ganz isoliert da, und die
Schönheit der trefflichen Schilderung geht ganz verloren. Ich glaube
die Hand des Dichters läfst sich mit leiser Aenderung herstellen:
Tandem bruma nives adfert pigrumque rigorem
didit: hiemps sequitur crepitans hanc dentibus algu.
Ebenso wenig befriedigt die Behandlung einer andern Stelle V, 886:
Post ubi ecum validae vires aetale se7iecta Membraque deficiunt fn~
gienti langnida vita., Tum demum puerili acvo florenta iuventas Offl-
cit et molli vestit lanugine ma/as. Hier hat man pueris aevo f/o-
326 Lachmann: T. Lucretiiis Cariis.
rente iucetttas uccipit corrigiert, meines Erachtens äufserst matt
und prosaisch, obwohl Lachmann diese Aenderungen sämmtlich gebil-
ligt hat. Mir scheint in der Lesart der Handschr. etwas ganz anderes
zu liegen:
Tum demum puer i laev ori flora iuventas
ofjicit et moUi veslit lamiyine malas.
Das Substantivum laevor gebraucht Lucrez selbst IV, 552; florus
kommt zwar bei diesem Dichter sonst nicht vor, aber die alte von
Probus gebilligte Lesart bei Vergil Acn. XII, 605 v/ar floros (jetzt ßa-
vos) crhies, wo Servius andere Beispiele aus Attius und Pacuvius bei-
bringt; vgl. aufserdem Naevius bei Nonius p. 109: Vtvideam Volcani
haec opera flora flammis fieri.
V, 1452: Carmlna, picturas et daedala signa polire, Vsus et
impigrae simul experienlia mentis Paulatim docuit pedetcmtim pro-
gredientis. Der Infinitiv /;o//re stört die Concinnität der Rede; da die
Handschriften polilo bieten, so ist polüa zu andern. Schwieriger lafsen
sich die vorhergehenden Verse 1442 IT. verbefsern , wo Lachmann
liest: lam mare velivolis {lorebat puppibus^ et res Auxäia ac socios
iam paclo foedere habchant^ wo jedoch res entschieden misfällt;
vielleicht ist zu lesen : ßorebal p r o ribu^: reges Äuxilia u. s.w.
Denn dafs wehen prora auch eine Yovm proris im alten Latein existierte,
hat Lachmann selbst zu II, 553 wahrscheinlich gemacht. Die Erwäh-
nung der Könige an dieser Stelle, während doch schon oben Vs. 1136
von der Vertreibung der Könige die Rede ist, kann bei der Verwir-
rung, in welcher die einzelnen Abschnitte dieses Buches überliefert
sind, nicht befremden.
VI, 242: Et monimenta vir um commoliri alque eiere ^ Exani-
mare homines^ pecudes prosternere passim. Lachmann sucht hier den
Fehler ganz an der falschen Stelle, indem er et lamenta virum
schreibt, was hier, wo die zerstörenden Wirkungen des Blitzes be-
schrieben werden, ganz unpassend ist; noch gesteigert wird das un-
gehörige durch die Verbindung mit commoliri^ Avas stets eine beab-
sichtigte Wirkung bezeichnet, wie gleich Vs. 255: Cum commoliri
tempestas fulmina coeptaf. Die Erwähnung der Grabdenkmäler (wo-
nimenta virum) ist dagegen durchaus angemefsen, der Fehler liegt
also in den beiden Verbis; ich vermuthe:
Et movimenta virum i->i commolere ac viliare
oder auch demoliri ac viliare. Commolere findet sich zwar, soviel
ich weil's, erst bei ColumcUa, aber das Alter des Verbums wird durch
die dea Commolenda hinlänglich bezeugt.
VI, 421: Allaque cur plerumque pefit loca, plurimaque plus
Montibus in summis vesligia cernimus ignis? Lachmann hat mit Wahr-
scheinlichkeit eius für plus geschrieben , doch ist es hart eius mit
ignis zu verbinden. Aufserdem vermifse ich hier jene Gleichmäfsig-
keit der Darstellung, die Lucrez entschieden liebt. In den unmittel-
bar vorhergehenden Versen hat er stets hervorgehoben, dafs der
Blitz nicht nur im allgemeinen heilige Orte treffe, sondern insbeson-
Laclininiin : T. F.iicroliiis Canis. r,-27
tlere auch dem .Iiippiter ffcwcililo llcilijillii'imor viM-lelzc: so crwiirUI
man auch hier, dal's iiel)eii dem allscmeiiieii etwas speciell den Juppi
(er bed'elVeiides erwähnt werde. Man könnte vermulhcii:
Altoqne cnr pleruinque pi'tit loca pliiriitKKjue eins
quercubus m sumrihs vestüjia ccniivnts /(/nis?
wo eins mit qncrculmx zw verbinden ist, um den dem .luppiter «ge-
weihten Baum zu bezeichnen. Ganz diescll)e Arguuieutalion finden
wir auch bei Aristopbanes in den Wolken aii<>ewan<U Vs. 400: ^Akkcc
rov avTOv ys vbmv ßaikec Kai Uovviov, ay.^ov A'&i]vkov , aal rag
^Qvg Tag fieydXag' ri (xa^cov; ov yccQ dr] ÖQvg y iTCiOQXEi.
VI, 548: qnoniatn plaustris connissa tremiscufit Tevla piam
propter non nif/ijuo pondere lata. Lachmann schreibt plauslri ., aber
diesen Genetiv mit pondere zu verbinden wäre änlsersl hart, plaustris
ist ganz richtig-, nur mufs man uiota anstatt tota lesen. Weit schwie-
riger ist die Herstellung der folgenden Verse: Nee viinus exiilUintes
dupuis eumqne rim Ferralos utrimque rotxrrum succiilit orbes. Lach-
inanns Versuch : Nee minus e xul tanl., etuhi lapi'' eumqne viai
II. s. w. befriedigt nicht, denn dann würden auch diese Verse auf die
Erschütterung der Häuser sich beziehn, während sicherlich ein an
deres Beispiel hier angeführt ward; und aufserdem bleibt die Schwie-
rigkeit, welche in utrimque liegt, nach wie vor. Ich habe ver-
muthet:
Nee minns exultant rnpis, nhic u m q n e via i
ferratos auriga rolarum suecutit orbes.
Exultant rnpis halte ich für sicher, das übrige befriedigt mich selbst
nicht recht.
VI, 662: Nimirum quia sunt muUarum semina rerum Et satis
haec tellus morbi caelumque mali fert, Vnde queat vis immensi pro-
creseere morbi. Lachmann hat in dem mittlem Verse orbi Cwas ent-
schieden verwerflich ist, da von den Krankheiten des menschlichen
Körpers die Rede ist), passender Marullus nobis für morbi geschrie-
ben. Aber es bedarf gar keiner Aenderung, nur können freilich beide
Verse nicht nebeneinander ihren Platz behaupten, sondern wir haben
eine Dittographie aus alter Zeit vor uns, wo schon die alten Gramma-
tiker nicht wüsten, welchem Verse sie den Vorzug geben sollten.
Ganz ähnlieh verhält es sich VI, 530:
Et vis magna geJi., magnum duramen aquarum.
Et mora , quae ßnrios passim refrenat euntis.
In den Versen übrigens, welche diesen zunächst vorhergehn, nimmt
Lachmann mit Recht an dem Adverbinm stirsum Anstofs und schreibt
beidemal enrsu ; mir scheint weit angemefsener :
Cetera quae sorsum erescunl sorsumque creanlur,
et quae concrescunt in nubibus.
VI, 898: quia multa quoque in se Semina habent ignis sfuppac
taedaeque tenentes. Lachmann liest tepenlis, aber man erwartet dort
ein Epitheton zu taedae , also wohl stuppae taedaeque trementes.
VI, 906: Quod superest^ agere ineipiam quo foedere fiat Natu-
328 Bernays: T. Lucretius Carus.
roe, lapis hie ut ferrum ducere possä, Quem Magneta vocant patrio
de nomine Grai, lllagnetuni quia ßt patriis in (inibus ortus. Was
Lachmanii aus Conjectiir in den Text aufgenommen hat, fit . . . ortu^
scheint mir nicht mehr lateinisch zu sein , als fit . . . ortus. Die Be-
nennung- des Magnets leiteten im Aiterthume einige von den asiani-
schen Magneten, andere von 3Iagnesia in Thessalien ab; vgl. die Ab-
handlung über den Magnet in Wolfs Museum der Alterthumswifsen-
schaft II S. 42 fi". Welcher Ansicht Lucrez gefolgt ist, zeigen ganz klar
die eignen Worte des Dichters; gerade aber der thessalische Magnet-
stein nuifs durch besondere Kraft ausgezeichnet gewesen sein, wäh-
rend der asianische nur schwach wirkte, daher auch Plinius Nat.
Hist. XXXVl, 128 diesem die fünfte, jenem die zweite Stelle un-
mittelbar nach dem aethiopischen Magnet anweist. Ich schlage daher
zu lesen vor:
Magnelum quia fit patriis in finibu'' fortis.
Diese Beurtheilung war niedergeschrieben, als mir die neuste
Ausgabe des Lucrez von Hrn. Jacob Bernays zukam, welche aller-
dings im wesentlichen an Lachmanns Text sicii anschliefst, aber doch
so, dafs man überall die Spuren selbständiger Forschung wahrnimmt;
hat doch der Herausgeber sich schon seit längerer Zeit mit dem Stu-
dium dieses Dichters beschäftigt, wie schon die Abhandlung über die
Handschriften des Lucrez im fünften Jahrgang des Rheinischen Mu-
seums (1847) zur Genüge beweist. Ich hätte freilich gewünscht, Hr.
Bernays hätte sich noch entschiedener von Lachmanns Arbeit cman-
cipiert, und lieber an den schwierigem Stellen die verderbte hand-
schriftliche Lesart in den Text aufgenommen, statt durch eine unsichere
Conjectnr den Schaden künstlich zu verdecken. Noch nothwendiger
aber wäre es gewesen, dafs Hr. B. in der Vorrede (oder auch unter
dem Texte) kurz die Stellen bezeichnet hätte, wo er von Lachmanns
Hecension abgewichen ist. Die Entschuldigung, welche Hr. B. in der
Vorrede geltend macht, dafs die Einrichtung der Teubnerschen Samm-
lung dies nicht gestattet habe, ist nicht recht begründet, wie dies
andere Auggaben dieser Sammlung darthun, und wir wünschen nur,
dafs das Versprechen, an einem andern Orte die vorgenommenen Aen-
derungen genauer zu begründen, baldigst in Erfüllung gehe. In der
Vorrede (die übrigens hinsichtlich des lateinischen Ausdrucks viel zu
wünschen übrig läfst) spricht der Herausgeber sich nur über einige
Punkte aus, worin er weiter als Lachmann gehen zu müfsen geglaubt
habe: ^Ac primum quidem saepius quam Lachmannus fecit graviorcs
corruptclas a prava vicinorum vocabulorum ileratione repetivi', womit
ich im allgemeinen einverstanden bin, dann: "^Pergimus ad alterum cor-
ruptelarum genus, quod versatur in insiticiis et vocabuüs et versi-
culis: hoc quoque genus aliquante latius patere puto, quam id per-
sequi volnit Lachmannus'. Dagegen erklärt Hr. B. weniger oft als
Beriiays: T. Liicrclius Carus. 329
Lachmann gellian lial , von der Umslt^lliing- einzelner Verse Gebraucli
gema( lif zu liaben.
Icli will nur einige Siellen herausheben, und zwar zunächst
solche, welche ich so eben in meiner Beurlheilung der Lachmannschen
Ausgabe berücksichtigt habe, um das Verfahren des Hrn. ß. kurz zu
charakterisieren. So hat llr. 13. 11, 28 ebenfalls erkannt, dafs arqua-
taque zu lesen sei; III, 198: At contra lapidum conlectum Cauru'
movere Noenu polest, was nicht die geringste Probabilittit hat; III,
444: Corpore qui noslro rarus magis usque liquescit, gewis
nicht richtig; IV, 77: Scaenai speciem dar am variamque deor-
sum — mage sunt inciusa iheatri Moenia; IV, 633: Nunc a.'iis
alius qui sit cibu'' supp edit atus: ebendaselbst hat llr. B. mit Un-
recht Lachmann folgend die handschriftliche Lesart : Tanfaque in his
rehns dislanlia differitasque est verlafsen; dagegen verwirft er Vs.
638 mit Recht Lachmanns absonderliche Conjectur Est aliquae nt ser-
pens, aber was er selbst vermuthet üe dient ut serpens hat wenig
Probabilität. Mit Sicherheit läfst sich die Stelle nicht verbefsern, ich
komme vielleicht ein andermal darauf zurück. V, 201: Inde avide
parteni ; V, 312: Quare proporro sibi cutnque senescere credas,
aufserdem wird aber der ganze Vers als unecht bezeichnet. VI, 490
schreibt auch Hr. B. Tarn magnae molis, und ebenso 527 quae
seorsum crescunt seorsumque creanlur. VI, 899: Semina lia-
bent ignis stuppae taedaeque latentis.
In der Vorrede behandelt Hr. B. eine Stelle genauer: II, 42. 43,
wo er Lachmanns sinnreiche Conjectur, die auch Spengel gebilligt
hatte, verwirft; aber auch den Vorschlag, den Hr. B. vorträgt, kann
ich nicht gutheifsen. Wenn derselbe sich die römische Heeresordnung
vergegenwärtigen will, wird er sehen, dafs die subsidia das zweite
und dritte Treffen oder die Reserven bezeichnen, die eben daher nicht
im Gegensatz zu dem ersten Treffen hastata genannt werden können.
Die Stelle mufs auf andere Weise geheilt werden, vor allem aber ist
der Vers :
Fervere cum videas classem lateqne vagari^
den die Herausgeber aus Nonius aufgenommen haben, zu entfernen,
da er nichts weiter als eine Dittographie von:
Fervere cum videas , belli simulacra. dentis
ist, denn classem bezeichnet in diesem Verse das Heer, nur wird
dann auch der vorhergehende Vers sowie die nachfolgenden eine et-
was andere Fafsung gehabt haben. — 11, 547 hat Hr B. sehr unrecht
gethan Lachmanns Conjectur si manticuler (^sumant oculid'w handschr.
Lesart) in den Text aufzunehmen. Wenn Lachmann sich etwas mehr
mit der Erforschung der Etymologie beschäftigt hätte, so w^ürde er
erkannt haben, dafs manticulari, mag es auch immerhin in den Glos-
sarien durch T£%va^ofiai erklärt werden, niemals in dem hier gefor-
derten Sinne gebraucht werden kann; es ist nemlich inanticulari von
maneo, manfo abzuleiten, bedeutet also nichts weiter als 'auflauern,
insidinri'. Bei Lucrez ist vielleicht zu schreiben:
330 Bernays: T. Lucretius Canis.
Quippe etenim sumam iiocuum fhiita per omne
Corpora iactari imius genitalia rei.
Die Form vocmim hat sich zwar sonst, wie es scheint, bei Liicrez
nirgends erhalten, aber gerade die offenbar alte Verderbnis der vor-
liegenden Stelle mag die alterlhümliche Schreibart geschützt haben.
In Plautus Trinummus Vs. 11 habe ich vocivas auris hergestellt [vgl.
diese NJahrb. Bd. LX S. 255. LXVi S. 206] und ebenso ist auch bei
Terenz Heaut. I, 1, 38 vocivotn aus dem Bembinus zu verbefsern. —
11, 940 hätte Hr. B. nicht so rasch Lachmanns Conjectur aethraque
creatis in den Text aufnehmen sollen, denn diese Bedeutung von aetkra
= ignis ist nicht nachweisbar. — III, 84 schreibt Hr. B. : Rumpere
et in summa pielafem evertere clade; so habe auch ich die Stelle
verbefsert. — IV, 622 hat Hr. B. Lachmanns Conjectnr : Vmida linguai
circum sidentia templa gehWl'igl^ es war vielmehr sj^^ew f«« zu
schreiben. — IV, 680 hat Hr. B. zwar mit Recht Anstand genommen
Lachmanns Conjectur dicif, gutzuheifsen, aber die Vulgata ist, wie
Lachmann richtig gefühlt hat, unznläfsig; es war, was Lachmann
selbst beiläufig erwähnt, für tulerit zu schreiben: tum fissa ferarum
Vngula quo tetulit gressum permissa canum vis Ducit. Aehnlich
verhält es sich mit einer andern Stelle: VI, 519, wo Hr. B. richtig er-
kannt hat, dafs atque, was Lachmann für at empfahl, unstatthaft sei;
nur hat die Aenderung des Hrn. B. At r efuanere wenig Wahrschein-
lichkeit; es ist wohl zu lesen: At tetinere diu phwiae longumque
morari Coiisuerunt, wo das Perfectum tetinere aoristisch gebraucht
ist für teuere solent. — V, 154 möchte ich statt tenuest si corpu''
deorum lieber tenues ceu corpu^ deorum lesen. • — V, 851: Mutua
qui mutent inter se gaudia uterque, habe ich in ganz gleicher
Weise verbefsert. — VI, 460 kann ich mich nicht davon überzeu-
gen, dafs die unklare Fafsung von der Hand des Dichters herrühre;
ich lese :
Fit quoque uti montis iiicina cacumina caelo
quam sint e dita qu aeque m a g i s, tanto m ag i'' f u m e n l.
— VI , 818 mufs man für alitibus vielmehr halitibus lesen , denn
wenn auch in den Handschr. zuweilen alare , exalare u. s. w. sich fin-
det (vgl. Lachmann zu III, 341), so mufs man doch hier jedem Misver-
ständnisse vorzubeugen suchen.
Doch ich schliefse, indem ich den schon ausgesprochenen Wunsch
wiederhole, dafs Hr. Bernays seine Studien auch fernerhin der Kritik
und zugleich der bisher über Gebühr vernachläfsigten Exegese des
Lucrez zuwenden möge.
Freiburg im Breisgau. Theodor Beryk.
Programmenschau. 331
P r 0 g r a m ni e n s c ii ix ii.
[Fortsetzung.]
Kine sehr bcachtenswerthe Abhandlung ist die im Cobienzer Pro-
gramm von 1852: A. Flock: de iemporum ratione verbi ^ravci et
latini in Universum ac separatim de üs enuntiatis , in quibus aoristus
praeteriti iterationis vel diuturnitatis si^nijleationcni habere videtur
(25 S. 4), beachtenswerth wegen des Scharfsinns, mit welchem ebenso
die bisher aufgestellten Theorien, wie die .Spracherscheinungen be-
handelt werden. Der Inhalt des allgemeinen Theils ist in der Haupt-
sache folgender : Die Verba zerfallen in zwei wesentlich verschiedene
Clafsen, die, welche eine Handlung, und die, welche einen Zustand
ausdrücken, und dies ist von gröfster Wichtigkeit für die Tempus-
lehre (.*!'. 2). Nicht der allgemeine Begrilf der Zeit stellt sich dem
Geiste unter dem Bilde einer mathematischen Linie dar — denn von
den drei in ihn fallenden Begrillen, Beharrlichkeit, Folge und Zu-
gleichsein, läl'st der letztere dies nicht zu, weil, was zu gleicher Zeit
geschieht, nicht in eins verschmilzt, sondern geschieden bleibt — ,
wohl aber die Handlung und der Zustand. Wie die Bewegung eines
Punktes die Linie, so erzeugt die wirkende Ursache die Handlung.
Der Zustand ist die gebildete Linie und an ihm wird wie bei dieser
nur die Ausdehnung nach einer Richtung aufgefal'st. Die Linie ist
begrenzt, wenn die Endpunkte und die stetige Ausdehnung dazwi-
schen ins Auge gefafst werden, unbegrenzt, wenn nur die Richtung;
eben so können Handlung oder Zustände so bezeichnet werden , dafs
bestimmt angegeben wird, in weichem Momente ihrer Dauer sie zu
denken seien, oder nur einfach, ob sie gegenwärtig, vergangen oder
zukünftig (§. 3). Darauf gründet sich folgende Eintheilung der Tem-
pora: A) Tempora definitae rei. I. Tempora rei inchoatae ac duran-
tis: 1) Praesens rei inchoatae ac durantis: scribit; yQcccpsi, 2) Prae-
teritum: scribebat ; sygccqjsv. 3) Futurum: scribet; yqätpst, II. Tem-
pora rei finitae s. perfectae: 1) Praes. scripsit, ytyQKcpsv. 2) Praet.
scripserat, tysy^ärpii. 3) Fut. scripserit, ysygacpcog lazai. III. Tem-
pora rei inchoandae s. futurae: 1) Praes. scripturus est, fifklsi yQÜ-
(pstv. 2) Praet. scripturus erat, ffiskls yqciqpsiv, 3) Fut. (i^XXijosi
ygücp^iv. B. Tempora infinitae rei s. aoristi. 1) Praes. scribo, ygdcpco.
2) Praet. scripsi, sygaipa. 3) Fut. scribam, ygäipxo (§. 4). Solche
philosophische Bestimmungen sind nothwendig, weil der Geist zwar in
manchen Dingen frei, aber in andern an ewige Gesetze gebunden ist.
Die Verschiedenheit der einzelnen Sprachen ist kein Grund dagegen,
da bei den Völkern das Ringen des Geistes mit des Materie nicht
gleich siegreich ist (§. 5). Es liegt diesem Systeme im wesentlichen
das von Harris (Hermes or a philosophical inquiry concerning univer-
sal grammar. London, 1751) zu Grunde; von Herm. Schmidt (Doctri-
nae temporum verbi graeci et latini expositio historica. Halle 1836 —
42 und: Der griechische Aorist in seinem Verhältnisse zu den übri-
gen Zeiten) hat es die tempora rei inchoandae, und stimmt mit dem-
selben über die tempora rei perfectae in der Hauptsache überein,
weicht dagegen über die tempora rei durantis und die Aoristi wesent-
lich ab. Der Hr. Verf. verwirft die Eintheilung in tempora absoluta
und relativa und erkennt keine andere Relation als die auf Vergan-
genheit, Gegenwart und Zukunft an, diese findet er aber auch bei
den Aoristen und unterscheidet sie deshalb von den Temporibus der
andern Klasse dadurch, dafs bei ihnen die ganze Sache ohne Rück-
sicht auf die einzelnen Theile in eine der drei Zeiten verlegt werde
332 Programmenschaii.
(§. 8). Den von Schmidt aufgestellte» Unterschied zwischen Imper-
fect und Aor., dafs wer das erstere gebrauche, propter condicioncm
adiunctam actioni, in media rc et semct ipsum et audicntcs ponat et
quasi defigat, wer den letzteren, pro solius actionis natura, per me-
diam eam et ipse progrediatur et audientes progredientes faciat ad
extrcmam partem, verwirft er, weil dem Geist, wenn er einmal die
Wirkung der Handlung ins Auge gefafst, die Handlung selbst als vol-
lendet erscheine; die Form des latein. Imperf. (bam von fio) bezeuge,
dafs in ihr Bewegung nicht Ständigkeit enthalten sei ; in solchen
Stellen wie II. XXIII, 362 und Od. XI, 593 versetze uns offenbar der
Dichter in die Handlung und führe uns durch deren Verlauf hindurch
(§. 9). Bei den tempora rei inchoatae ac durantis (§. 7 hat der Hr.
Verf. gezeigt, warum er diese Bezeichnung der: tempora delinita u. s.
w. vorziehen müfse) stellt sich der Hörende vom Subject, wenn es
handelnd ist, vor, dafs es die Sache begonnen habe und in ihr fort-
schreite, wenn es in einem Zustande ist, dafs es in demselben durch
defsen ganze Fortdauer hindurch verbleibe; sie bezeichnen aber auch
wiederhohlte Handlungen, weil diese den Anschein der Fortdauer ha-
ben, und eben so unterbrochene, nicht zu Ende geführte (§. 11). Bei
den temporibus rei finitae s. perfectae tritt der Unterschied zwischen
Handlung und Zustand bedeutsam hervor. Denn der Zustand erscheint,
da ihm eine Wirkung nicht folgt, einfach als geendet, vorübergegan-
gen; aber bei Handlungen findet ein dreifaches Verhältnis statt, in-
dem entweder die Handlung einfach vollendet gesetzt (dixi), oder Vol-
lendung und daraus hervorgegangene Folge zugleich gedacht (exegi
monumentum aere perennius), oder endlich die Folge allein berück-
sichtigt wird (novi, olda), so dafs also z. B. das Praesens actionis
perfectae in das praesens conditionis durantis übergeht (<§. II). In
den übrigen Temporibus kommen die Resultate des Hjn. Verfafsers,
so weit sie nicht schon oben bezeichnet sind, mit den am meisten an-
erkannten anderer Gelehrten überein. Sollen wir über die aufgestellte
Theorie ein Urtheil abgeben, so müfsen wir folgende Bedenken erhe-
ben. Die Scheidung zwischen Verbis, welche eine Handlung, und
welche einen Zustand ausdrücken, ist zwar an und für sich richtig,
scheint uns aber für die Tempuslehre von geringerer Bedeutung, als
dem Hrn. Verf., einmal, weil es Verba gibt, die sich weder der einen
noch der andern Klasse unbedingt zureihen lafsen — ^stehen' ist eben
so wenig eigentlich ein Zustand als 'bleiben', weil in einer Stellung
beharren eine Handlung ist, — sodann, weil der Geist auch Zustände
in Handlungen umzusetzen die Freiheit hat — denn wie viele intran-
sitiva werden von Dichtern als activa gefafst! — endlich weil das
Verhältnis zur Zeit doch wirklich kein anderes ist bei Handlungen und
bei Zuständen. Haben doch sogar Zustände bleibende Folgen. Oder
ist etwa quod natum est nicht vorhanden? Ist das Aufhören des Krank-
seins nicht die Ursache der Gesundheit? Ferner: tiefsinnig ist die
Vergleichung des Zeitverhältnisses mit der mathematischen Linie, aber
man geht viel zu weit, wenn man mathematische Gesetze für jenes
dem Geiste vorgeschrieben annimmt. Das abstracte Denken setzt ein
unbegrenztes, unendliches als Gegensatz gegen das begrenzte , end-
liche, aber welche Handlung, welchen Zustand kann der Geist ohne
Fortdauer auffafsen? So wenig als einen mathematischen Punkt, ver-
mag er einen Zeitpunkt sich zu denken; selbst das Minimum hat für
ihn Dauer. Wir finden defshalb den Ausdruck 'unbegrenzte That-
sache' unangemefsen. Ist etwa das Zeitverhältnis unbegrenzt, wenn
gesagt wird: ivtccv&cc Bueiva Kv^og kkI tj GtQKria rjfi^gag siv.oaiv'i Ge-
ben nicht die Sprachen selbst, indem die allerwenigsten besondere
Formen für alle drei Zeiten haben , um die gleichzeitige Fortdauer
Pro<?rammonscliaii. 333
ausziidriicken, uns nicht oiiien Kinf;orzei{; daftir, daf.s der Geist keine
Handliinj;, keinen Zustand ohne Koifdancr dachte. Wozu einen Aorist
des Praesens und <les Futurums annehmen, wenn die Sprache nur ein
Praesens, nur ein l<'uturuni kennt? Und «aruiu den {>i iechischen
Aorist als ein tempus rei infinitae bezeichnen, da doch der Zeitraum,
wälirend dessen die Handlunj; oder der Zustand dauert, dabei ganz
bestimmt und begrenzt sein kannV Die alten 8praciien, behaupten wir,
kennen eben keinen andern Unterschied in der Zeit, als den der Be-
ziehung oder Nichtbeziehung auf ein zweites , mag dies nun die Zeit
des si)rechenden oder ein anderes Factum sein, und vereinigen mit
der Vorstellung einer Zeit zugleich die anderer. So wird das Prae-
sens, Ausdruck des gegenwärtigen Moments, zugleich zur Bezeich-
nung dessen, was zu allen Zeiten ges(;hieht und sich wiederhohlt, des-
sen, was aus der Vergangenheit in lebhafter Schilderung in die An-
schauung der Gegenwart gerückt, und dessen, w as als zukünftig schon
in der Gegenwart vorausgesetzt wird. Das Futurum bezeichnet ein-
fach die Zukunft, die Zeit nach der Gegenwart, mag die Handlung
einen kurzen Moment oder längere Zeit dauern, mag sie mit anderen
gleichzeitig gesetzt werden oder nicht, mag sie der Gegenwart näher
oder ferner liegen. Aber das griechische Perfect setzt stets die Vol-
lendung in Beziehung zur Gegenwart in den fortdauernden Folgen,
wähi'end der Aorist diese Beziehung nie enthält. Die tempora rei in-
choandae setzen stets den Beginn einer Handlung in Bezug auf eine
andere. — Doch wir können hier nicht die ganze Tempuslehre ent-
wickeln, wir wollen nur Bedenken gegen die aufgestellte erheben, Be-
denken, welche namentlich auch die Praxis des Unterrichts für sich
haben. Im Einzelnen bemerken wir noch: Wenn Praesens, Imper-
fectum und Futurum eine Wiederhohlung bezeichnen, so hat dies sei-
nen Grund zuletzt doch nur in der Voraussetzung, welche der Spre
chende sich von dem Hörenden macht , mag man auch das von dem
Hrn. Verf. zur ErkL^rung gesagte annehmen. Am wenigsten kann es
als ursprünglich in der Bedeutung mit liegend erkannt werden. Eben
jedes Tempus, welches nicht ein F'actum in Beziehung auf ein be-
stimmtes anderes setzt, macht die Voraussetzung möglich, dafs eine
wiederhohlte Handlung gemeint sei, daher im Griechischen auch der
Aoristus diese Bedeutung annimmt. Die in §. 11 gegebene Unterschei-
dung von drei Fällen rei finitae bei den Verbis, die eine Handlung
ausdrücken, erscheint dem Ref. nicht ganz richtig, da jedes Perfectum
die vorausgegangene Handlung mit ausdrücken mufs. Der Redner,
welcher dixi sagte, zeigte dadurch an, dafs er gesprochen habe und
seine Rede also vollständig den Hörern mitgetheilt sei, and bei novi
und oldcc setzt die Sprache als Folge des vollendeten Kennenlernen
das bleibende Bewustsein. Wenn wir dafür 'ich weifs' sagen, so ver-
gefsen wir das, woraus das Wifsen hervorgieng, aber Römer und
Griechen thaten dies nicht. Wenn wir die rationelle Behandlung der
Tempora, wie sie der Hr. Verf. gegeben hat, nicht ganz zu der un-
srigen machen können, vielmehr die schon früher gegebene als ein-
facher und natürlicher festhalten — die Tempora periphrastica sind
in dieselbe leicht aufzunehmen und bereits aufgenommen worden — ,
so erkennen wir die vielfache Belehrung und Anregung, welche er
uns gegeben, mit aufrichtigem Danke an, besonders aber bringen wir
ihn noch für das, was er im zweiten speciellen Theile aus sorgfälti-
ger Beobachtung des Sprachgebrauchs mitgetheilt hat. Sehr interes-
sant ist die Durchführung, wie die Römer fast überall wo die Wie-
derhohlung, die Dauer, oder ein bestimmtes Zeitverhältnis durch ein
anderes Wort (Adverbium oder sonstige Ausdrücke) bezeichnet ist,
das einfache Perfectum gebrauchen. Richtig ist auch der Unterschied,
334 Programmenschau.
dafs das Imperfectiim in solchen Fällen bei ihnen stets der Beschrei-
bung dient. Der griechische Sprachgebrauch ist in dieser Hinsicht
von den) der Lateiner wesentlich verschieden. — Der Versuch ei-
ner Begründung der Fragsätze in der deutschen und lateinischen
Sprache, welchen Professor Leitschuh dein Programme der Stu-
dienanstalt zu Bamberg beigegeben (32 S. 41), empfiehlt sich durch
praecise Klarheit und reiche Auswahl von Beispielen aufs vor-
theilhafteste. Für den Gebrauch im Unterrichte sind eher der Be-
stimmungen zu viele, als zu wenige gegeben. So ist z. B. Zusatz 3
S. 14 mit Zusatz 1 S. 15 nothwendig zu vereinigen, da eben 7ie für
nonne nur in solchen Fragen steht, bei welchen die Antwort 'ja' ver-
nünftiger Weise erwartet wird. Nicht richtig finden wir es, wenn
S. 13 die von Kritz gewählte Bezeichnung 'Praedicatsfragen' dadurch
widerlegt werden soll, dafs uns auch irgend ein Praedicat und dessen
Bestimmungen gegeben oder bekannt, das dazu gehörige Subject aber
unbekannt sein könne. In dem Satze: 'Hat Columbus Amerika ent-
deckt?' sind uns doch die Entdeckung, Amerika und Columbus für
sich bekannt, aber es handelt sich darum, ob das Praedicat mit sei-
nem Objecte dem Subjecte mit Recht beigelegt v.erden könne oder
nicht. Der von dem Hrn. Verf. gewählte Ausdruck 'Bestätigungs-
frage' (er schreibt 'Bestättigung') entspricht dem Wesen der Sache
viel weniger, als der von Becker eingeführte 'Verbalfrage', dem der
Ausdruck 'Praedicatsfrage' als noch allgemeiner und umfafsender vor-
zuziehen ist. Nicht genug hervorgehoben ist der Unterschied des la-
teinischen vom deutschen Sprachgebrauch, wornach z. B. jene durch
quis fragen, wo wir ein Pronomen indefinitum setzen. — Recht er-
freulich ist für den Ref. das gewesen, was Dr. A. Th. Wolf in dem
Programm des Gymnasiums zu Prefsburg über die lateinische Casus-
lehre mitgetheilt hat (grammatische Briefe. I. 15 S. gr. 8), weil sich
darin eine ganz gesunde, auf richtiger und scharfer Beobachtung be-
ruhende Praxis geltend macht. Die ganze Casuslehre wird für den
ersten Unterricht auf folgende 5 Regeln zurückgeführt: 1. Die näch-
ste Nominalbeziehung steht mit ihrem Bezugswort in gleichem Casus.
2. Die entfernte Nominalbeziehung steht im Genetiv. 3. Die nächste
Verbalbeziehung steht im Accusativ. 4) Die entferntere Verbalbe-
ziehung steht im Dativ. 5) Die entfernteste Verbalbeziehung steht im
Ablativ. Sehr schön ist die Auseinandersetzung, wie man dabei, wenn
man die richtige etymologische Wortbedeutung von vornherein gehö-
rig einpräge, ohne den Schwall weitschichtiger Bestimmungen und
irre führende Philosopheme die Casuslehre deutlich machen und ein-
üben könne. Bei interest und refert würden wir indes nicht die von
dem Hrn, Verf. S. 7 gegebene Erklärung, sondern die durch Beispiele
selbst gebotene Ergänzung von causa annehmen*). — Indem wir uns
♦) Wir nehmen hier Gelegenheit die übrigen in den beiden Pro-
grammen derselben Anstalt von 1851 und 52 enthaltenen wifsenschaft-
lichen Abhandlungen zu erwähnen. Rücksichtlich der grammati-
schen Briefe IL Ueber die Aussprache der griechischen
Diphthonge 1851 S. 13—19) können wir auf die durch sie veran-
lafste gründliche Abhandlung von G. Curtius in der Zeitschr. für
die österr. Gymnasien III, 1851, 1 S. 1—21 (S. NJahrb. Bd. LXV
S. 317) verweisen. Das Programm von 1852 enthält eine Abhandlung
von Dr. K. Reichel: Horatius und die ältere römische Poe-
sie (S. 1 — 14), eine recht gut geschriebene Abhandlung, dafs und
warum Horatius die Verdienste der alten römischen Dichter nicht rich-
tig gewürdigt habe. Freilich hätten die letztern selbst eingehender
Programmenscliau. 335
zu den Programmen mythologischen und archaeologischen Inhalts wen-
den, berichten wir iiher zwei Prograninic von Schümann nach den
iiii.s von einem geehrten IVlilarbeiter niitgetheilten Auszügen. Das erste
enthalten im Jnd. lect. hil). liSä'2 handelt de Pltorcync eiusque fumi-
iia. Nach einer Kinleitiing über die Natur der in der griech. Mytho-
logie vorkommenden Thiere, und naclulem er gezeigt, wie den Grad
der Verwandtschalt bei den in der Hesiodeischen Theogonie von
Phorcys und Ceto abgeleiteten Ungeheuern zu bestimmen und so eine
ganze Familie darzustellen unmöglich sei, stellt der Hr. Verf. dar,
wie zwar der Ursprung jener Gebilde 'ab priscorum hominum sensu
atquc ingenio quo vires naturae earumque motus atque effcctus iion
potcrant non personis qaibusdam indueic et quae scntirevt, von pro^
prle, sed jiguratc et per imngines eloquV abzuleiten, dal's aber d^.w
Griechen selbst bei der Ueberlleferung aus Asien die ursprüngliche
Bedeutung derselben gänzlich entschwunden sei, daher ihre bald wi-
dersprechenden, bald willkürlichen, bald absurden Deutungen, wäh-
rend wir durch die Möglichkeit Mythen verschiedener Völker und
Zeiten zu vergleichen vor ihnen einen wesentlichen Vorzug hätten;
den Griechen sei es überhaupt bei den Theogonien und Mythologien
meistentheils nur auf eine Sammlung und geschickte Zusammenstellung
des überlieferten, nicht auf eine Erklärung und Ergründung des ur-
sprünglichen Wesens angekommen ; so habe denn auch Hesiod jene sa-
genhaften Thiere, deren er gedenken muste, weil sie einmal im Glau-
ben vorhanden waren, wegen der Aehnlichkeit ihres Wesens zu einer
von denselben Eltern entsprofsenen Familie verknüpft, dabei mehr sei-
nem eigenen Urtheile, als einer hergebrachten und allgemein ange-
nommenen Ansicht folgend. Nachdem sodann die Abstammung des
Phorcys und der Ceto von dem Meere und der Erde, ihre Verwandt-
schaft mit Nereus, Thaumas und Eurybia, deren Wesen ebenfalls ge-
deutet werden, und sie selbst als IMeergötter und Vorsteher der Meer-
thiere bezeichnet sind, wird der Name Ceto gegen Hermann, der den
Namen auf die Felsen und Klippen unter dem Wasser deutet, in
näherer Uebereinstimmung mit Lennep {Capacina, continens in se
magna omnia atque immania, cete et huius gcneris alia) von xijto?,
das Meerthier, abgeleitet. Gegen O.Müller, der ^6Qy,vg, ^OQKog mit
'^'OQy.og, Orcus, zusammenstellt und weil der Styx ogtiog (Hom. II. II
755, Plin. H. N. IV, 18, 5) heifse und das Wort, mit sgiiog = carcer
verwandt, loca inferna bezeichne, jenen als numen inferarum aqua-
rum deutet, beruft sich der Hr. Verf. auf den von Buttmann gelie-
ferten Beweis, dafs der Styx nur als die Götter, welche bei ihm
schwören, bindend og-Aog heifse und stellt ^ögv-vg , ^ög-nog mit dem
Digamma := nÖQnvg (daher er auch den bei Alcman erwähnten TLoq-
xog für Phorcys hält, und die Schlange UoQ-iiTvg, Lycophr. 347, hier-
her zieht) mit den Fischen "Ognvveg (Opp. Hai. I 183, III 132, 334),
Orcyni (Plin. H. N. XXXII, 11, 53), Orcae (Plin. IX, 6, 5; auch des
italienischen orca wird gedacht) zusammen , so dafs sich also eine
gleiche Ableitung für seinen Namen, wie für Ceto ergebe. Auf einen
Cult des Phorcys glaubt er trotz des Mangels ausdrücklicher Zeug-
beurtheilt werden müfsen. auch sollten des Horatius Oden wohl et-
was vorurtheilsfreier geprüft sein , indel's ist das ganze doch eine recht
klare und meist richtige Darstellung. Die zweite Abhandlung: Zoo-
logische Briefe. I. Von A. Tomaschek (S. 15—20) beschäftigt
sich mit der Hydra viridis, und gibt von wifsenschaftHchem Eifer,
gründlichen Studien und scharfer Beobachtungsgabe ein rühmliches
Zeugnis.
336 Programmenschaii.
nisse aus der Existenz der Hcäfen auf Ithaca (Od. XIII, 96) Cephal-
lenia (Schol. ib.) und Euboea (Lycophr. 376) schliefsen zu dürfen.
Wenn Piato ihn mit den Orphikern zu den Titanen zählt, aher ihm
den Uranos zum Vater gibt, so wird eine Verwechslung angenommen.
Nach Erwähnung der anderswo genannten Kinder, Thoosa, Scylla
(bei Schol. Apoll. IV, 828 wird ein Irthum im Namen gefunden),' der
Sirenen und der Hesperiden, wendet sich die Untersuchung zu den
in der Theogonie erwähnten. 1) Dem Hesperiden-drachen, wie
sein Schwestersohn in Kolchis (erzeugt von Typhoeus und Echidna)
zum Wächter der Gärten bestellt, nach dem Schol. Apoll. IV, 1396
auch in einem hesiodeischen Gedichte Sohn des Typhoeus genannt.
Der Name Addav wird auf Id^fa&ai, XdßQOg zurückgeführt, der My-
thus der Hesperiden mit Uebergehung der unsicheren Deutungen nach
den Quellen erzählt. '2) Echidna. Die auf sie bezüglichen Verse in
der Theogonie ordnet der Hr. Verf. 300. 303. 302. 304. 305. 301. Da
sie mit Typhoeus vermählt von Hesiod dargestellt wird, so ergiebt
sich ihm für sie eine gleiche Deutung ihres Wesens, wie für diesen:
die durch ihr Hervorbrechen Stürme, Blitze, Erdbeben u. a. erzeu-
genden Erddämpfe. Während das von anderen ihr gegebene Eltern-
paar: Tartarus und die Erde (Apollod. II, 125), dem Wesen der E.
mehr entspreche, habe sie Hesiod zur Tochter der Ceto gemacht,
'quod qui deus immanium in mari monstrorum dominus esset, ipse
quoque immanis et ad procreanda eiusmodi monstra praecipue aptus
esse vidcretur''. 3) Chimaera. Obgleich eine tiefere Deutung erst
von erweiterter Kenntnis des Lycischen erwartend , erklärt der Hr.
Verf. sie für die aus den Berggipfeln hervorbrechende F^euerkraft,
welche mit Schwefelbächen und Lavatiüfsen die Felder verwüstet,
womit ihre Gestalt — Löwe und Drache — wozu die Griechen Avegen
des verwandten j;E/uorp90s die Ziege hinzugefügt, übereinstimmte. Da
in Corinth der Cult der Sonne die höchste Stelle einnahm und ihr z.
B. auch Blitz und Donner beigelegt ward (Bronte und Sterope ihre
Rofse bei Eumelus), so giengen aus den verschiedenen Seiten ihrer
Machtentfaltung verschiedene Götter und Heroen hervor, darunter
Bellerophontes, der entweder das schädliche tödtende (ßsllsQa — i%-
lega) oder das Licht bringende (ß aus Digamma). Bei der Chimaera
thut dieser Sonnengott dasselbe mit seinen Geschofsen, was Zeus beim
Typhoeus mit seinen Blitzen (II. II, 782). 4) Sphinx. In Betreif die-
ser werden die Ansichten Hermanns und Forchhammers unentschieden
neben einander gestellt. 5) Ueber den nemaeischen Löwen theilt
der Hr. Verf. Forchhammers Ansicht, nimmt aber nicht wie dieser
2Jslijvr] für das Thal von Nemea , sondern für den Älond , die Ursache
der Ueberschwemmung, weil ihm überhaupt Einflufs auf die Wit-
terung zugeschrieben und er in jenen Gegenden verehrt worden sei.
Hercules, über dessen Mythos er seine Ansicht auszusprechen Gele-
genheit nimmt, ist ihm der Erbauer der grofsen Abzugskanäle im
Lande der Pheneaten. 6) Die lernaeische Hydra wird gleicher
Weise gedeutet und dafür, dafs sie der Dichter zur Tochter des Ty-
phoeus und der Echidna macht, nur die Schlangennatur, nicht Ver-
wandtschaft des Wesens als Grund gefunden. 7) In Betreff des Ger-
ber us zieht der Hr. Verf. vor Nichtwifsen zu bekennen statt die
zahlreichen Hypothesen durch eine neue zu vermehren. Ihm ist Cer-
berus eben nur der Hund, welcher das Haus des Orcns bewacht.
8) Orthus wird der Form "Op'O-pos vorgezogen. Geryones ist dem
Pluto verwandt, wie Alcyones die Winterkälte bezeichnend, deren
Gröl'se durch die 3 Köpfe angedeutet ward (die Heerde der Sonne
(ihre Schätze als Heerden gedacht) hat er ihr entwendet), Eurytion
entweder der starke oder der Winterregen, Orthus der achtsame.
Proj^ianinitüiscliau. 337
aufieclitsitzemle Wächter, Enjthiu ttktu r$t a caeli vespeitivi ru/wre,
quippc occlüenti soll suhiccta. Den vciscliiedeiien An^alx'ii der J^aj^e
glaubt der Hr. Verf. iSjiureii eines alten Geryoneskultes in Griechen-
land zu Grunde lief^eiid (8icilien, Orakel bei Patavium, Gebeine in
Klis und Theben). 9) Gorgo oder Medusa (die Annahme zweier
verschiedenen Gorgonengeschlechter von Völker Avird als unsicher <lar-
gethan), welche als Tochter von Meergötteru und vermöge ihrer V'er
bindung mit Poseidon demselben Kreise von Naturkräl'teii angehört,
fafst der Hr. Verf. als die feuchten Dünste, die aus dem Wasser auf-
steigen, Perseus als die sie vernichtende Sonne. Die welche die
Athene als Herrscherin der gesammten Luft ansahen, konnten sie nach
seiner Erklärung mit der Medusa als identisch fal'seii, die, welche
derselben nur über die obere reine Luft die Herrschaft zutlieilteii,
als ihr feindlich und Gehilfin des Perseus. Aus der Medusa bei ihrem
Tode (der Veinichtuug der feuchten Dünste) entstehen der zum Him-
mel steigende und dem Zeus Donner und Ulitz tragende Pegasus, 7iu~
hes fulminn ß;crcns, und Chrysaor, der Regen ohne Jjlitz. 10) Ganz
neu Ist die Deutung, welche den Graeen wird. Wie es nemlich
Meergötter gibt, Fi^üvrii genannt, Nereus, Proteus, Glaucus,
welche den Menschen aber nur gezwungen Orakel ertheilen, so be-
deuten die Graeen dieselbe Kraft, nur als \-\eihliclie Wiesen gedacht,
was mit der Stelle, welche sie in den Mythen von dem Zuge der Per-
seus einnehmen, übereinstimmt. Verglichen werden auch schon wegen
der Scliwanengestalt Hagebusch und Sigelint, die Hagen im Nibelun-
genliede zwingt , ihm den Weg ins Heunenland zu zeigen. — In dem
zweiten Programm (de lovis incunabulis , Eiuladungsschrift zur Feier
des Geburtstags des Königs 1852) stellt der Hr. Verf. die Mythen
von der Geburt des Jupiters zusammen und gewährt so einen voll-
ständigen Ueberblick über die verschiedenen Gestaltungen derselben.
Wir heben hervor, dafs Hesiod. Theogon. 482 nqaxrjv 'dg di^rrjv
vorgeschlagen wird. Den nach Delphi gebrachten Stein betrachtet
Hr. Seh. als einen der in den ältesten Zeiten als Götterbilder ange-
beteten, die meistens vom Himmel gefallen sein sollen. Die Verle-
gung des Geburtsorts nach Asien läfst er erst von der Zeit an einge-
treten sein, wo Rhea mit der lydischen und phrygischen Göttermut-
ter und die cretischen Kureten mit den phrygischen Korybanten ver-
wechselt worden. Den Namen der Amalthea leitet er ab von ccufia
und aX&BLv =z av^SLV , also alma viatcr, der römischen Anna oder Per-
enna entsprechend. — Einen sehr wichtigen Gegenstand behandelt
in höchst beachtenswerthe Resultate zu Tage fördernder Weise das
Programm von Chr. Walz: de Ncmcsi Giaecorum (Tübingen 1852.
24 S. 4 und 2 Kupl'ertafeln). Nachdem der Hr. Verf. gezeigt hat,
dafs das Wesen der Nemesis bei den Griechen schon längst gedacht
war, ehe man eine besondere Gottheit dafür hatte, und dafs auch
selbst dann als sie bereits vorhanden war, die ihr gebührenden Functio-
nen noch anderen Göttern zugetheilt wurden, nachdem er ferner die
Auffafsung jener Gottheit von Hesiod bis zu den Orphikern und Pla-
tonikern nachgewiesen hat, gründet er auf die Stellen des Antimachus
bei Strabo XHI, p. 588, der Phoronis bei Schol. Apoll. Rhod. I, 1129
und aus des Aeschylus Niobe bei Strab. XH zu Ende, so wie auf die
in den Bildwerken beiden ertheilten Attribute den Beweis, dafs die
älteste Adrastea identisch sei mit der Cybele, und dafs Demetrius
aus Scepsos bei Suid. s. v. 'AdgÜGTHci dieselbe mit der Diana identifi-
cirt, führt ihn darauf die Identität der Cybele in Phrygien, der Ar-
temis in Ephesus und bei den Magneten, der beiden Nemesis in Smyr-
na, der Adrastea bei den Mysern , der Anaitis in Armenien, der Alitta
der Araber, der Mithra der Perser, der Astarte bei den Phoeniciern,
iV. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVII. Hft. :;. 22
338 Programmenschau.
tler Aplirodite Urania auf Kypros, der Here auf Samos mit der
grol.seii assyrischen Göttin Mjlitta nachzuweisen, deren Verpflanzung
selbst nach Aegypten aus den Bildwerken mit bewundernswerther Ge
lehrsamkeit und Klarheit dargelegt wird. In Betreff" der Adrastea am
Flufse Aesepus macht er auf die Verbindung jener Gegenden mit As-
syrien in ältester Zeit aufmerksam, welche sich durch den Namen
Assaracus (Assarak der höchste Gott der Assyrier) und durch die
von Plato de Legg. 685 D bestätigte Nachricht des Ktesias, dal's Pria-
mus dem assyrisciien Könige Teiitamus untergeben gewesen, kund gibt.
Zu weit freilich scheint uns der Hr. Verf. zu gehen , v. enn er nun
auch den Namen 'AögcicTiiK unter Verwerfung der von den Alten und
Neueren gegebenen Ableitungen auf den aegyptischen Namen der Ve-
nus Athor zurückführt. Die Vergleichung des Etruscischen ATDESDE
für "AÖQaoTOS beweist genifs nichts dafür, und haben doch die Grie-
chen für viele Götter, welche sie ursprünglich von anderen Völkern
empfangen, ganz selbständig eigene Namen gebildet. Da die Neme-
sis inimer die Personification einer sittlichen Idee und um derselben
willen erst von den Göttern als Person geschieden ist, so wird man
wohl die Beilegung eines der Idee entsprechenden Namens (nach der
Ableitung von Döderlein de äXcpa intensivo p. Ö) nicht für an und für
sich abweisbar erkennen, wenn man die Ableitung von dem Gründer
des HeilJgthums Adrastos verwerfen will. Ja dafs auch Atropos den
Namen 'Adgäotsia führt, scheint uns auf jene Bedeutung geradezu hin-
zuführen. Es schliefst sich daran die Nachweisung, wie die Grie-
chen die Symbole der assyrischen Göttin aufgenommen, aber diesel-
ben dem ihnen vor allen anderen Völkern angeborenen Schönheitssinn
gemäfs umgestaltet haben. Im 2n Theile zeigt der Hr. Verf., dafs
selbst in den Zeiten , wo die alte Religion bereits verfallen , bei Lu-
cret. I init, Venus noch als alma mater, als gubernatrix sola verum
naiurac et caell , terrae marisque moderatrix betrachtet worden sei.
Die Symbole des Apfels und des Mohns werden daher als ursprüng-
lich auf die Fruchtbarkeit hinweisend bezeichnet, wobei namentlich die
Bildseule des Canachus zu Sicyon, die Venus als Herrin des Himmels,
der Erde und der Unterwelt darstellend , Erleuterung findet. Auf
ihre Herrschaft über das Meer bezieht sich die Schildkröte, auf der
die Venus in einer Bildseule des Phidias (Plin. H. N. XXXIV, 8, 19)
mit einem , in einer in Berlin befindlichen mit beiden Füfsen steht.
Natürlich wird die zu Delphi verehrte 'Acpgcdirr] 'Enirvfißi'a ebenso
wenig vergefsen, wie der ihr zugetheilte Einflufs auf die Schicksale
der Menschen (Hör. Od. I, 12, 13). Das dadurch gewonnene Resul-
tat, dafs die Nemesis allerdings ein Wesen bezeichnet, welches ur-
sprünglich der Venus mitzugetheilt war, wird durch die auf den Bild-
werken beiden gegebenen Attribute noch fester begründet. Interessant
ist das Licht, welches sich dadurch über die Notiz verbreitet, dafs
Agoracritus seine Bildseule der Venus, nachdem ihr der Preis nicht
zuerkannt worden, unter dem Namen der Nemesis nach Rhamnus ver-
kauft (Plin. 1. c. XXXVI, 4 u. d. Hr. Verf. in der Real- Encyclop.
V, p. 529). Den Schlufs bildet die Auseinandersetzung, wie die Grie-
chen das Wesen der Nemesis aufgefafst. Sie haben die orientalischen
Gottheiten in menschliche Gestalten umgesetzt und zu sittlichen We-
sen erhoben. "Itaque Nemesi, quae antiquissimis temporibus eadem
fuit, quae Asiatica dea totius naturac rcgina, id munus dcvian-
daverunt, ut modum in omnibus rebus teneret et insolentlam, quae re-
rum humanarum ordinem turbat et aeternas deorum leges migrat,
coerccrcV , in li'olge wovon die Athener die Nemesis mit der Themis
zusammen verehrt (Canin. Archit. ant. II, 15). Von Herder (Werke
XIX p. 154) weicht der Hr. Verf. nur darin ab, dafs er dieselbe
Prograinmenschau. 839
nicht wie jener, von der Ate und Erinys als Vollzieherinnen der
Strafen trennt, wofür er Beweise beibringt (F^ur. Phoen. 182. Callim.
Kpigr. , die IJeinamcn ni-nQOxdxr], vehenieii.s Catiill. i, 21, facinoruni
impiorum iiltrix Animian. Marcell. XIV, II, das Sprichwort ij N^usoig
TTaQCC nöd^ag ß(xi'vf-i , ngoaxwcS ttjv Niufciv, avv 'Jögaarficc Xiyoa).
Darauf dafs ihr nichts entgeht, deutet die Erhebung des Kleides über
die Brust und der in t\ei\ JJusen gesenkte Blick, das Schwert, der
ygvip nrfQüiig. IVIit dem Wesen der Venus behielt sie das gemeinschaft-
lich, dafs sie vorzugsweise zur Rächerin der leichtfertigen und treu-
losen Liebe gemacht wurde (daher das Rad auf Bildwerken und die
Bestrafung des Amor, die Sage von der P^cho und Narcissus, und das
Epigramm. Anthol. III, p. 235). Endlich wird die geflügelte neben der
Ariadne stehende Jungfrau auf einem Gemälde zu Herculanum mit
Winckelmann gegen Herder (p. 167) als Nemesis gedeutet. — Mit
Vergnügen begrüfsen wir in dem Programm des Paedagog. zum Clo-
ster U. L. F. in Magdeburg 1852 den zweiten Tlieil der von uns
Bd. LXIV S. 438 flg. angezeigten Abhandlung von Wehrmann: Das
Wesen und Wirken des Hermes (23 S. 4). Für die im ersten Theile
nach Plato gegebene Auffafsung der griechischen IMythologie führt
der Hr. Verf. zunächst noch die Deutung, welche Varro den Samo-
thracischen Gottheiten gegeben, an und wiederhohlt den Grundbegriff,
den er für das Wesen des Hermes aufgestellt: 'Er bereitet durch ver-
mittelnde und zusammenfügende Thätigkeit im «wf/pov der Natur so-
wohl als auch des Menschenlebens, die Mittel, durch welche die Ver-
wirklichung der göttlichen Zwecke in der Welt, also die Durchfüh-
rung der Weltordnuug des Zeus möglich wird,' wefshalb er auch mit
Preller (Realencyclop. Bd. IV) den Namen von figav ^der Fügende'
ableitet. Nachträglich fügt er in einer Anm. die ihm von einem ver-
storbenen Freunde mitgetheilte Notiz zu, dafs ylgficag , der Br. des
Sesostris, nach Griechenland geflohen sei und man wohl an eine Ueber
tragung des Namens auf den von ihm mitgebrachten Gott (Thoth)
denken könne. Auf jenen Grundbegriff wird nun zurückgeführt, dafs
der Steinhaufen das älteste Bild des Gottes war, für den man dann
das Wesen genauer bezeichnend in Athen den vieret kigen Stein, die
Grundform regelmäfsiger körperlicher Fügung (daher dem Hermes
auch die Zahl 4 heilig), wählte und den Kopf hinzufügte. Die Hinzu-
fügung des Phallos (Hrdt H, 51) zeigt, dafs man neben der mecha-
nisch fügenden eine dynamisch zeugende Macht annahm , woraus dann
auch die Hermaphroditen entstanden. Die Erkenntnis einer solchen
Kraft in ihm wird durch den Gebrauch ihm Samen darzubringen (Schol.
Aristoph. Acharn. 1089), durch seine Stellung als Heerdengott, seine
Mutter Maia (von Mccca das Verlangen der Materie nach Ordnung und
Zusammenfügung ihrer Theile) nachgewiesen,^ dafs man ihn als im In-
nern der Erde wirkend gedacht (gegen Preller nicht durch Cic. d. N.
Deor. III, 22, 56, denn jener erklärt diese Stelle für corrupt) durch
seine Verehrung als Höhlenbewohner, ZnrjXaizrtg , und seinen Umgang
daselbst mit den Nymphen*). In seinem Sohne Pan wird das fried-
liche, allseitig harmonisch zusammengefügte Leben der Natur gefun-
den. Dafs er, der das Leben will, die Kraft des Streites befreit, hat
der Hr. Verf. in einer besondern Abhandlung in unserem Archiv Bd.
XVIII an der Sage von Ares und den Aloiden nachgewiesen. Dafs
er sich scheut mit der Leto zu streiten (in Homers Ilias) findet die
*) Kirke ist nach dem Verf. eine in der Materie («/«) wirkende
Gewalt, welche durch verderbliche Mischung (/.tpjßw) die Menschen
zu bethören versteht.
22*
{i40 Programmenschau.
Oeutiiiig, dals er, der lebendig wirkende praktische G'ott, zwar dem
einen unentwickelten Urzustand bezeichnenden Principe feindlich ist,
allein dasselbe als die Basis seiner Existenz zu zerstören sich fürch-
tet. Auch in der Rettung des Zeus von Typhon wird derselbe Grund-
«-edanke gesehen. Wenn die Germanen den Wodan als Demiurg fas-
sen , so ist dies den Griechen zwar Zeus, aber der in seinem Dienste
die Materie durchwaltende Gott (6 aTifQfjariKOs Xöyo^ 6 f^irjyitov dia
nävxiov nach den Neuplatonikern) der äiä-Atoijoq Hermes. Wie er aus
dem Innern der Materie die Lebenskraft der Pflanzen und Thiere an
(las Licht der Oberwelt führt {iomvvioq , öwrwg iaav), also was im
Reiche des (relativen) Nichtseins todt und unnütz ruht, zusammen-
fügt, dafs es der Keim eines neuen Lebens und eine Gabe \>ird, so
wird er zum Vermittler zwischen Sein und Nichtsein, der Geber des
Schlafes (S. 9 f. Der Stal) wird S. 10 f. mit der Wünschelruthe zu-
sammengestellt; die Schlangen erhalten die Deutung, dafs sie den in
der Materie waltenden Streit bezeichnen, dessen Vermittlung und
Schlichtung Hermes führt), der Rringer der Träume (d. h. der das
Ijewufstsein von dem, was man erlebt hat oder erleben könnte, ver-
mittelt), der Führer der Seelen in die Unterwelt (von a'xaxjjra wird
die Ableitung Döderleins Glossar I, p. \'6'1 jetzt vorgezogen; auch
Kvllijrios möchte der Hr. Verf. auf y.vXX6s, y.oilog, yvrjg, yvaXov zu-
rückführen und den in die Höhle führenden darin erkennen), und der
sie wieder herauUührende (der jji^onog EQ^iijs dem Hades verwandt).
Dafs nun Hermes auch das Licht in das Dunkel zu führen und wie-
der herauszubringen die Macht habe, rindet der Hr. Verf. angedeutet
in dem im homerischen Hymnos auf ihn erwähnten Raub von Rindern
(Symbolen der Tage), welche er gezwungen (denn die Vorstellung
vom Führer in die Unterwelt war überwiegend) von Apollo heraus-
giebt und bezieht darauf die Beinamen Itvy.ös , tuGyionog, vv-Kzug onco-
?[rjT/]Q, oyiJyios und das Attribut des Hahns. Autolykus, bei Hom. Od.
XIX, 396 der Günstling, später der Sohn des Hermes genannt, er-
scheint durch die Gaben schwarz in weifs und umgekehrt zu ver-
wandeln, und durch den Diebstahl der 50 gehörnten Rinder, als Sohn
der TriXavyi], der Weitglänzenden, und Enkel des 'Ecooqco'pog des Licht-
bringers (als Sohn der Xlovi] bezeichnet er den Führer in das Dun-
kel des Winters), ja schon durch seinen Namen: 'wahrer Wolf —
der Hr. Verf. nimmt hier Gelegenheit den Wolf als Symbol des dem
Tiichte feindlichen Princips nachzuweisen und die Beinamen des Apollo
Avv.ov.x6vog . Ävy.fog und Ävv.iLog darauf zurückzuführen — als eine
))esündere Form des Hermes , um so mehr als auf aegyptischen Mu-
miendeckeln der Wolf als Führer der abgeschiedenen Seelen erscheint
(Creuzer Symbolik II p. 468 und ]54). Dafs der Planet, welcher der
Sonne am nächsten steht, dem Hermes heilig angesehn wurde, auch
dafür findet der Hr. Verf. die Ursache in der von den Chaldaeern zu-
erst beobachteten Eigenthümlichkeit seines Laufes, wornach er bald
am Morgen bald am Abend immer aber als der Sonne untergeordnet,
als ihr Begleiter und Diener erscheint [Ref. erlaubt sich hier die Fra-
ge, ob man nicht bei der Bestimmung des Wesens von dieser altnrien-
talischen Planetengottheit ausgehen müfse]. Die Benennung des Mitt-
wochs nach dem Mercur rührt auch von den Chaldaeern her , doch
kam sie wohl erst zur Zeit des Caesar aus Alexandrien nach Rom und
von da nach Deutschland, wo derselbe Tag dem Wodan, dem deut-
schen Mercur, geheiligt wurde. Dafs nun bei allem diesem dem Her-
mes ein listiges, schlaues, in Lug und Trug und Diebstahl gewandtes
Wesen beigelegt wird, zeigt schliefslich der Hr. Verf. als natürlich,
weil alles Thun und Walten in der Materie als ein heimliches
sich der Berechnung jedes andern entziehendes zeige, indem er die
Programmcnscliiiii. 341
Beilegung derselben Kigen.sriiaften an älinliclic Wesen (Kiike, Kalypsc,
Troplionios, Antol\kos) nacluveisl. So heliandelt im zweiten 'l'lieile
der Hr. Verf. <las Walten des Hermes in der Natur, dem dritten,
welchem sein Wirken im Gebiete des Menschenlebens aufgespart ist,
sehen wir mit Verlangen entgegen. Bei unserer kurzen Inhaltsangabe
war es nicht möglich die tiefen und scharfsinnigen Ideen, welche bei
der Erklärung der IVlvthen in Anwendung gebracht wer<len, darzule-
gen. Mag man die Kins( hlagung anderer Wege zur J<}rkenntnis der
griechischen Mythologie für nothv\en<lig ansehn, man wird innner an-
erkennen mül'sen, dafs der Hr. Verf. einen höchst richtigen und leiir-
reicheu IJeitrag dazu geliefert hat, die Ideen, welche die Griechen
an die Gottheiten knüpften, nachzuweisen und in ihrem Zusammen-
hang unter sich zu zeigen. ■:= Wir lafsen eine Abhandlung über einen
römischen Gott folgen: D. Zini me rm an n : iihcr das ffcsvti <lvs lanus
(Programm der kön. Studienanstalt zu Erlangen, |Sä2. 'l'l «S. 4), über
welche wir mit den Worten eines geehrten Mitarbeites berichten: ''Die
Schrift behandelt ihren Gegenstand mit Gelehrsamkeit, der kaum eine
der Quellen oder der frühern Schriften darüber (wir nennen: IJ u 1 1
manu über den lanus, Hand in der Allgem. Kncyclo[)aedie von Krsdi
und Gruber und Walz in der Realencyclop. unter dem Titel lanus)
entgangen sein wird, mit scharfer Kritik, mit Vorsicht in den An-
nahmen und Folgerungen. Der Hr. Veif. sah in den meisten der bis-
her aufgestellten Ansichten und Erklärungen jedesmal nur eine von
den im Wesen lanus enthaltenen Griindbestimmur.gen geltend gemacht,
oder wo mehrere es waren, den unter ihnen staltiindenden Zusammen-
hang gar nicht oder nicht gehörig berücksichtigt, während ihm die
Natur der Sache zu verlangen schien, dafs man es bei der Darstel-
lung des Wesens eines Gottes versuche jeder Grundbestimmung ihr
Recht widerfahren zu lafsen. Obgleich weit davon entfernt, zu iäug-
nen , dafs die heidnischen Religionen des Occidents mit denen des
Orients im Verhältni.<se der Continuität stehn, ist er doch überzeugt,
dafs das in beiden enthaltene Licht sich in dem Medium des mensch-
lichen Geistes nach der Eigenthümlichkeit desselben manigfaltig bricht,
und hält es desshalb für sachgemäfs, bei einem römischen Gotte auf
Vorstellungen des orientalischen Ethnicismus erst dann Rücksicht zu
nehmen, wenn der Gegenstand selbst darauf hinweise und alle V^ersuche
gescheitert seien, ihn aus dem Geiste der Römer selbst und der ihnen
zunächst stehenden Völker klar zu machen und festzustellen, was ihm
in Bezug auf lanus nicht der Fall zu sein scheint. Nachdem er den
pelasgischen Dienst des Zäv, dann den der Sonne (Fanar^Luna, la-
nus = Sol oder Apollo) und endlich den des entsprechenden etrusci-
schen Gottes, mit vollem Rechte, nur, wie es uns scheint mit noch
etwas zu grofser Nachgiebigkeit gegen die Urheber dieser Meinungen,
von lanus getrennt hat, stellt er von S. 8 an folgende Sätze auf:
1) Tanus gehörte urspnnglich Roms ältester Bevölkerung an, den Alt
lateinern, als sie noch nicht mit Sabinern und Etruskern verscbmol
zen waren und ihren Hauptsitz auf dem palatinischen Berge hatten.
'2) Defshalb mufs man den Namen für ein, wenn auch mit einem grie-
chischen in Urverwandtschaft stehendes, «loch von einem lateinischen
Stamme und nach den Gesetzen der lateinischen Spranhe gebildetes
Wort nehmen. 3) Janus kommt von tre mit der Endung nnus und
gleichem Vorgange, wie bei iccrc — iacerc , bezieht sich also auf das
Gehen und insofern jedes Gehen ein Ein- und Aus- und ein Durch-
gehen ist, auf das Durchgehen, und wo das Wort als Gattungs-
name vorkommt, bezeichnet es immer einen Durchgang, einen zum
Durchgehen bestimmten Ort in geschlofsenem Räume. 4) lanus ist
daher wohl ursprünglich ein Gott der Durchgänge, insbesondere der
342 Programmenschau.
für die Bewohner einer Stadt wichtigsten, der Stadtthore, und der
Hausthüren, ianuae, und als eine Macht gefalst worden, deren Wirk-
samkeit sich an denen äul'sert, welche durch solche Oeffnungen aus-
und eingehen. Da eine solche Gottheit dem Geiste der Römer ganz
gemäfs ist, selbst der Natur des menschlichen Geistes überhaupt, dem
ja Aus- und Eingang, Anlang und Ende in allen Dingen von höchster
Wiciitigkeit scheinen müTsen, und da sich von da aus mit Leichtigkeit
alle sonstigen Modificationen des Cultes, alle übrige Vorstellungen,
Beinamen (Clusius, Patubius, Geminus, Bifrons, Biceps , selbst viel-
leicht Portunus) und bildliche Darstellungen leicht erklären lafsen,
so scheint diese Deutung jeder anderweitigen minder natürlichen
(Hands : Himmelsgott, Walz's : Sonnengott, der frühern zu geschwei-
gen) vorzuziehen. Sieht der Hr. Verf. dieselbe als so gewiss an, wie
nur Dinge der Art gewiss sein können, so scheint ihm auch das nicht
weniger gewifs zu sein, dafs lanus schon sehr früh in einem höheren
und allgemeineren Sinne gefafst und ihm eine höhere Wirksamkeit und
gröfsere Macht zuerkannt worden sei. Worauf lafse sich nicht alles
der Begriff von Ein- und Ausgang, Anfang und Ende beziehen? Da-
her habe lauus bei einem Opferfeste in der Regia für einen Beschir-
mer des Staats — wohl richtiger für denjenigen, der den Anfang und
das Ende der öffentlichen Angelegenheiten segnete — , für einen der
höchsten Gotter des Staates gegolten , und weil er auf die ausziehen-
den Heere Macht übte, sei er selbst zum Gotte des Krieges und
Friedens geworden, eine Seite, welche wir von dem Hrn. Verf. noch
mehr als in einer Note und S. 14 f. geschieht hervorgehoben zu sehn
wünschten. Ward doch das Schllefsen und Oelfnen der Tanuspforte
ausdrücklich stets in den Annalen notirt und erscheint er demnach im
bedeutsamsten Zusammenhang mit den Schicksalen des Staates. Da
das Jahr bei den Römern, wie bei uns als ein gewichtiger Zeitab-
schnitt und sein Anfang voller Bedeutung für das religiöse Gemüth
galt, so erklärt der Hr. Verf. daraus, wie der erste Tag des Jahres
ein Festtag des Gottes und der erste Monat ihm geweiht ward , oder
vielmehr; ""der erste Tag im Jahre war nicht sowohl ein Feiertag als
ein Tag der Weihe für alle Arten von Geschäften , die man unter
günstiger Vorbedeutung zu beginnen wünschte' (Grotefend AUg. En-
cycl. unter Januar S. 350). Ueber die Reihe der Monatsnamen er-
klärt sich Hr. Prof. Z. gegen Schwenck (Mythol. d. R. S. 122 f.
nicht 112) dahin: ^es wurde sicherlich seit Numa's Zeit, d. h. seit
der dem Numa zugeschriel)enen Ordnung und Feststellung des Reli-
gionswesens und der damit zusammenhängenden Jahresform der erste
Monat nach lanus Januar genannt und war sicherlich seit dieser Zeit
dem lanus geweiht', wobei er sich auf Ovid in Vei-bindung mit Plut.
und lo. Lydus stützt. Wir stimmen darin bei und erklären uns eben
aus dem hohen Alter der 12 röm. Monatsnamen die Verschiebung der
6 letzten um zwei Stellen, Aveil die Namen durch die lange Gewohn-
heit zu ihrer etymologischen Bedeutung nach unverstandenen Worten
herabgesunken waren. Wie bei dem Wechsel des Jahres, so verehr-
ten nun die Römer den lanus auch beim Anfange anderer Zeitab-
schnitte im öffentlichen Leben (Opfer auf je einem der 12 den Mona-
ten geweihten Altären, welche auf dem laniculum stunden, beim Be-
ginne jedes Monats). Vor dem Beginn der Ernte und bei einer To-
desweihe ward zuerst ihm Opfer und Anrufung gebracht, ingleichen
ward er der pontificischen Norm gemäfs angerufen in den öffentlichen
Gebeten, welche sich auf die Fortpflanzung und Erhaltung der Men-
schen (des röm. Volks) oder auf das Säen der Feldfrüchte bezogen
(consivius). Man dachte ihn in einem väterlichen Verhältnisse zu den
Menschen (pater, vgl. d. Arvallied und die Inschr. bei Or.), man
ProgramnicnsclKui. 343
wandtr sich «lalicr aiuli im Privatleben an jedem Morien, elie man
.seine (.'esrhäfle ln-fiann, an ihn um iS(>{ien (p<i(vr iiiiiliitiiius). Die
GrundhestimnUMif; im Wesen <ies lantis ist <iemna<ii tl i e Förderung'
aller s o i c li e n yV n f ä n {j e , \\ e 1 <• h e m i c li t i {;; e A n g e I e jj e n h e i t e n
betreffen, und er verhält sich zum Jupiter , ^^ie der erste zum liöch-
sten, weshalb er dvorum dcus heilst. Da nun die Physiker unter den
generellen liegrill" der Anfän{;e auch die Weltschopfuufi unterordneten,
so erklärt sich, wie ihm sogar (von Ovid) <ia.s Amt eines Hüters des
Weltalls oder (von IMessala) das der IJihliing und Regierung aller
Dinge zugetheilt werden konnte. Indem so die Ansichten bei den Den-
kenden und literarisch und |)hil(>so|)hisch Gelnldeten fortschritten, kam
es auch dahin, dafs man den Janus überhaupt s|)äter als Gott der
Zeit und der Zeitdauer betrachtete, und mit dem 8unnengiitte iden-
tificierte. Sein Verhältnis zur Cardea und Venilia verdankt gewil's
auch seine Erdichtung diesen späteren Grübeleien und gelehrten Com-
binationen, wie den euhemeristischen Bestrebungen seine Aulfafsung
als uralter König von Latium. Die symbolisch-künstlerische Auffafsung
des Gottes ist S. 19 f. besprochen. Keiner, der den Gegenstand von
neuem behandeln will, darf die Schrift <ies Hrn. Prof. Z. unbeachtet
lafsen, mufs sie im Gegentheile zu Grunde legen und zum JMafsstabe
nehmen, wie sie denn überhaupt als Muster für älinliche Monogra-
phieen gelten kann. ' — INlit der eben besprochenen Schrift in engem
Zusammenhange steht die Abhandlung des Prof. Scheiffele im Pro-
gramm von Ellwangen ]8öl : über die Gelübde der Alten, den ersten
Januar in Hom, Strenac, liinns, Jesculap (22 S. 4), welche die Probe
eines Exciirses zu dem von dem Hrn. Verf. herauszugehenden Festka-
lender (s. unseie Anzeige von defsen Jahrbüchern der römischen Ge-
schichte) bildet. Dem Fleifse, mit welchem der Hr. Verf. aus allen
ihm nur zugänglichen alten Schriftstellern, den Denkmälern und den
Werken der Neueren die auf seinen Gegenstand l)ezüglichen Notizen
geordnet zusannnensttllt , können wir unsere bewundernde Anerkennung
nicht versagen und dürfen in seinem Werke jedem, der sich mit For-
schungen auf dem bezeichneten Gebiete beschäftigt, ein recht brauch-
bares, ja fast unentbehrliches Hilfs- und Handbuch versprechen. Das
vorl egende Programm enthält vier Abschnitte: A) die Gelübde der
Alten (S. 1—9) eine sehr vollständige Aufzählung von den Gelegen-
heiten, bei welchen die Alten Gelübde zu thun pflegten und verpflich-
tet waren, sowohl im öffentlichen, als Privatleben, und von den
künstlerischen Behandlungsweisen der Weihgeschenke. Eine tiefer
gehende Würdigung des den Gelübden zu Grunde liegenden religiösen
Sinnes und der daraus sich ergebenden Ansicht von dem Verhältnisse
der Menschen zu den Göttern, eine Darstellung der zu vers<hiedenen
Zeiten und bei verschiedenen Menschen, namentlich Schriftstellern sich
findenden Anschauungen und Gedanken zu geben lag nicht in der Ab-
sicht des Hrn. Verf., indefs hätte wohl unserer INIeinung nach eiiie
Ordnung nach den gelobten Gegenständen (Besitzthümer , Gaben, bis
zu dem eignen Leben) und nach den Gottheiten, denen Gelübde ge-
bracht wurden (denn in einem andern Sinne geschah dies bei den
diis inferis, als bei den superis) wohl leicht hergestellt werden kön-
nen und würde gewifs den Nutzen erhöht haben. Der zweite Ab-
schnitt (S. 10 — 15) handelt in gleicher Vollständigkeit und nach der-
selben Weise von den am ersten Januar in Rom üblichen Festlichkei-
ten und Gebräuchen und insbesondere von den strenis. Worin diese
l)estanden, wird in reicher Fülle aufgeführt. Interessant ist beson-
ders in Vergleichung mit der eben vorher be; :|)rochenen Schrift der
8e Abschnitt: lanus (S. 15 — 20). Wir heben daraus folgende Stel-
len hervor: d) ""Erwägt man nun die durch alle Angaben bezeugte ur-
."^44 Auszüge aus Zeilschriften.
alte lind hohe Verelirung des Gottes und bedenkt man, dafs der Po-
lytheismus erst aus dem Monotheismus hervorgegangen, so dürfte man
wohl der Wahrheit nicht zu ferne stehen, wenn man die ursprüng-
liche Bedeutung des lanus allgemeiner auifafst als der Volksglaube,
wenn man dem Gotte monotheistische Geltung gibt. Plinius (II, ], 1)
nennt die Welt eine ewige, nie erzeugte und unvergängliche Gottheit.
Diese Gottheit wird lanus sein, worauf sogar der Name hinzuweisen
scheint (Creuzer Symb. S. .S86 f.)' und unter f) in Betreff des ersten
Monats: 'Hier kommt zuerst das Bedenken, dafs der Januar in älte-
ster Zeit der vorletzte Monat im Jahre war und demnach das Jahr we-
der schlofs noch begann. Den scheinbaren Widerspruch zu heben
werden wir uns nicht an einen lanus-Osiris zu denken versuchen laf-
sen, weil wir uns für das latinische Indigenat des Gottes schon aus
gesprochen haben; vielmehr glauben wir, dafs, ehe die Eintheilung
des Jahres in Monate bei den Latinern eingeführt war, der panthei-
stische lanus bereits zum (specielleren) Sonnengott sich umgebildet
hatte. Nun schliefst aber das astronomische Jahr mit der Bruma
( Wintersolstit.) ab, der Tag nimmt wieder zu, die Sonne, lanus macht
sich als Eanus (Schreitender) bemerklich und geltend; lanus wird
Gott des Anfangs (des neuen Jahres) und wie dieser sich unmittelbar
an das Ende anfügt, auch des Endes (ein Patulcius und Clusius). Ref.
hält allerdings die Erklärung für die natürlichste, dafs der Januar im-
mer den Anfang des astronomischen Jahres bezeichnete, wenn nian
auch das bürgerliche Jahr mit dem 1. März begann. Aus dem vierten
Abschnitt Aesculapius (S. '21 und 'l'!) heben wir zur Characteri-
sierung folgendes aus: 'Die Sendung (nach Epidaurus) hatte wohl kei-
nen andern Zweck als die Heilart der Tempelärzte in Griechenland
kennen zu lernen; diese Asklepiaden nun gaben den Römern als sieht •
bares Zeichen des Heilgottes eine abgerichtete epidaurische Tempel-
schlange mit, deren Anblick allein schon auf den wundersüchtigen
Pöbel seinen Eindruck nicht verfehlen konnte, wozu noch kam, dafs
die mitgenommenen Asklepiaden alsbald ihre Kunst im Namen des
durch die Schlange versinnlichten Gottes gegen die herrschende Seu-
che in Anwendung brachten, welche Künste ihre Nachfolger auf der
Insel fortpflanzten. Böttig. kl. Schriften I, 115 ff.'. — Kurz wollen
wir noch die Abhandlung im Programm des Progymnasiums zu Rössel
Mich. IHJl: Friebe: Quinam fiierivt apitd Romanos ritvs funcrum
cxponitur , von der bis jetzt der erste Theil de äs quac mortem pro-
xime scqucbantur (10 S. kl. 4) vorliegt, erwähnen. Die Gebräuche beim
und unmittelbar nach dem Tode werden unter Hinweisung auf die zu
Grunde liegenden religiösen Ansichten in recht klarer Sprache und
mit zahlreichen Belegen aus Dichtern und Prosaikern geschildert.
Schülern wird man die Abhandlung mit unzweifelhaftem Nutzen in
<Iie Hände geben. lt. D.
(Fortsetzung folgt.)
Auszüge aus Zeitschriften.
Pacdagogishc Revue begründet von Mager, fortgesetzt von C.
G. Scheibert, W. Langbein und A. K u h r. (Vgl. Bd. LXVI
S. 91 ff.) Dreizehnter Jahrgang oder Bd. XXX. XXXI. XXXII. —
Jnliheft 1852. I. Die Nationalschulen Irlands, von Dr. C. Klein-
|)aul. Zweiter Artikel S. 1—28. — Aus der Schulstube von C. G.
Auszüge aus Zeitscliriften. 345
Sclieibert. 3. Art. Weshalb den Herren Revisoren und Hospitanten
der Unterricht in Religion, Deutsch und Geschichte ininier niclit recht
gefallen will (S. 29^ — 39. Es wird (<;e'/,ei^t, wie der Unterricht in je-
nen drei Lehrfächern, wie er gehandhabt werde, stets den Lehrer an
seine Subjectivitiit hinweise und daher nun der Fehler leicht ent-
stehe, dafs der Ueurtheiler die fremde nach seiner eigenen Subjecti-
vität bemefse). — IL Benrtheilungen und Anzeigen. Heffter: die
Gechichte der lateinischen Sprache während ihrer Lebensdauer, von
H. Schweizer (S. 40 — 56. Heifst das Werk willkommen, erkennt
besonders in den letzten Theilen tiefe und gründliche Studien an,
weist aber in den ersten viele, namentlich aus Unkunde der Resul-
tate der Sprachvergleichung hervorgegangene F'ehler nach. Behan-
delt werden die Wörter canis, tirsus, anscr, rana, mus, pavo, Uslaa
yoi , JMS, lupitcr, aurum, argcntum, hunicrus, ulna, artus, os, dens,
cornu, cor, cerebrum^ bibo, sonntus, scavi7}uvi, equus, sol, acr, aeihcr,
sonus, soror, filius, unus, quattuor , die Endungen r/u«, da, dum, tus
ta, tum, der Ablativ, die Personen-, Modus- und Passivendun^en des
Verbum (der Rec. hält gegen Mommsen die Entstehung aus dem Re-
flexiv aufrecht), die Praeposition ad, mehrere Substantiv- und die
Superlativendungen , die Verhältnisse des Vocals u in Verbindung mit
V und «). — Curtius ed. Foss, von Am eis (S. 56—61. Hebt die
paedagogische Brauchbarkeit — sorgfältige consequente Interpunction,
Deutlichkeit der doppelten Capitelbezeichnung, die Marginalien und
die Bezeichnung der Längen und Kürzen — hervor und zeigt sodann
die Verdienste um die Kritik, wobei vertheidigt werden die Lesarten
VII, 8, 29 7WS religtonem in ipsa fide novimus, IX, 10, 16 in rabiem
despcratione versi. IX, 8, 17 wird coniicirt: quod in rcg;num venc-
rat Sambi*) und VIII, 6, 18 freilich mit Zweifel wegen des Gebrauchs
von concupisccntia: adeo pertinax spcs est humanac mentis, quam
ingentes concupiscentiae dcvoraverunt). — Rother t: der kleine Li-
vius, von Qu eck (S. 61 — 64 erkennt den Grundgedanken als metho-
disch vollkommen richtig, das Verfahren im einzelnen als sehr zweck-
mäfsig und besonnen an, wünscht aber in manchen Beziehungen den
Standpunkt der Classe, für welche das Buch bestimmt ist, mehr be-
rücksichtigt. A. Kuhr fügt hinzu, dafs er das Buch für die Real-
und höhern Bürgerschulen mit lebhafter Freude begrüfse). — Straub:
Deutsches Lesebuch, von H. Zähringer (S. 64 — 66. Ungeachtet
einzelner Ausstellungen wird das Buch, namentlich der 2e Band, als
zu den befseren der neueren Zeit gehörend, den Lehrern an Mittel-
schulen empfohlen). — Zweite Abtheilung. Paedafrogische Zeitung. Ein
Artikel aus Stettin 28. April (S. 213 — 219) bringt interefsante Mit-
theilungen über das Verhältnis der Methode von Spiess zu den mili-
tärischen Uebungen auf dem Turnplatze und über das Turnen in
England und Frankreich. — Würtemberg (S. 221 — 230. Die Pro-
*) Vielleicht wird Hr. A. diese Emendation nach Kenntnisnahme
von der von Jeep in diesen NJahrb. Bd. LXVI S. 47 aufgeben.
346 Auszüge aus Zeitschriften.
gramine einiger Gymnasien von 1851 unter ausführlicher Mittheilung
des Lehrplans von Stuttgart und die 120. Kammerverhandlung (v,
10. März datirt) über die Centralabiturientenprüfung und Rückgabe
der Prüfung an die Gymnasien). — Archiv des Schulrechts. Decret
du President de la republique, precede d'un rapport, relatif ä in-
struction publique v. 10. avril 1852 (S. 239 — 246). = Augustheft.
I. C. G. Scheibe rt: Der Kampf über Gymnasium und höhere Bür-
gerschule (S. 81 — 133. Sehr gründliche beachtenswerthe Abhandlung.
Die Ansichten der Gegner der höhern Bürgerschulen im eigenen und
fremden Lager werden geprüft und während die Schwächen und Män-
gel nicht geläugnet werden, die Nothwendigkelt des Bestehens und
der Erhaltung in ihrem Bestände, wie auch die Bedingungen gedeih-
licher Entwickelung gezeigt. Der Hr. Verf. erkennt als einzig klare
Ansicht die an, welche nur eine höhere Bildungsschule, das in seiner
Einfachheit hergestellte Gymnasium und daneben nur noch
technische Anstalten geduldet wifsen will. Indem das erstere voll-
kommen gebilligt wird, erscheint dann gerade des Fortbestehn der
höheren Bürgerschulen als nothwendig, weil es in einem unabweis-
baren Bedürfnisse gegründet ist). — IL Anzeigen. G. Th. Becker:
Cyklus deutscher Dichtungen, erläutert. 1. Hft. Goethes Hermann und
Dorothea, von W. (S. 134—237. Sehr empfohlen, obgleich gerathen
wird bei der Fortsetzung aiisschliefslich das Bedürfnis der Lehrer ins
Auge zu fafsen). — Bernhardy: Grundrifs der römischen Litteratur.
2e Bearbeitung, von Queck (S. 138 — 42. Nicht zu blofser Leetüre,
sondern zum eindringlichsten Studium empfohlen). — I. N. Schmeis-
ser: Lehrbuch der Rhetorik. I. Thl. 2e Aufl. und C h. F. Gockel:
Lehrbuch der deutschen Schriftsprache für Mittelschulen, le Abthlg.
von G. Th. Becker (S. 142 — 148. Das erste Buch wird besonders
den Gymnasien empfohlen, denen die Leetüre und Erklärung der alten
Redner und Historiker Beispiele genug verschafft, um die Theorie da-
ran zu studieren, das zweite als besonders in practischer Hinsicht
tüchtig bezeichnet). — H. Grafsmann und W. Langbein: deut-
sches Lesebuch für Knaben von 8 — 12 Jahren. 2e Aufl., von Otto
(S. 148 f. empfohlen). — A. Weiss: Handbuch der Trigonometrie,
von Fischer (S. 149 — 51. Wird als Handbuch recht geeignet ge-
funden, weniger aber als Lehrbuch zur Einführung in Schulen). —
T h. Wittstein: Drei Vorlesungen zur Einleitung in die Differen-
tial- und Integralrechnung, von E. Külp (S. 152. Wegen Klarheit
der Darstellung gelobt). — III. Otto: Zerstreute Bemerkungen, wel-
che den Unterricht in den Schulen und die Lehrer in denselben an-
gehen (S. 157 — 60. Betreffen Feststellung von Grundsätzen durch
Abstimmen, die Aufhülfe der Schulen, das Verhältnis zwischen Geist-
lichen und Lehrern, amtliche Urtheile über Lehrer). = Pacdagogi-
s che Zeitung. Burg (S. 249 — 5L Aus dem Progr. v. W. Wi n ters t ei n:
Der deutsche Unterricht in unserer ersten Classe, wird der Schlufs
initgetheilt, besonders den Satz ausführend: wir müfsen beim Unter-
richte nicht nur vom besondern ausgehn, sondern vorzugsweise auch
Auszüge aus Zeifschriften. 347
in dem besondern wellen, bei dem Fortschritt aber zum allf,'emeinen
sorgfältig darauf achten, wie weit unsere JSchiiier nicht blofs folgen
können, sondern wie weit sie das allgemeine in dem besondern wahr-
haft sich aneignen können. Ueber diese Grenze hinaus miifsen wir
auf das allgemeine verzichten; sonst verbilden wir, statt zu bilden).
— Cassel S. 251 — 52. Mittheilung der neusten das Gymnasialwesen
betreifenden Verordnungen und Schulnachrichten). — Frankreich (S.
253—61. Auszüge aus der Augsb. Aligem. Zeitung über die Studien-
ordnung vom 10. April 1852). — Auszüge aus Zeitschriften. Bemer-
kens werth der Artikel aus der akadem. Monatsschrift über die Docto-
rencollegien in Oesterreich S. 273 — 282. — E. Uebersicht der Schul-
schriften. C. Kühner: Die Realschule im Dienste localer Bedürf-
nisse (S. 282 — 94. Scheint ein vollständiger Abdruck des unter jenem
Titel erschienenen Programms der Miisterschule zu Frankfurt a. M.
zu sein) *). — Archiv des Schulrechts. Abdruck der Verordnungen in
Kurhessen in Betreif der Gymnasien vom 10. April 1852. — Sep-
temberheft. I. C. G. Scheibe rt: Aus der Schulstube. 4rAbschn.
Von den flüchtigen Geistern in der Schule (S. 161 — 76. Steht mit der
im Juniheft gegebenen Abhandlung in Verbindung. Ks werden die
Schüler behandelt, welche leicht eine Vorstellung gewinnen, reprodu-
cieren, combinieren und scheiden, aber nicht dauernd eine oder meh-
rere Vorstellungen zugleich festhalten, gezeigt wie dieser Fehler meist
in falscher Erziehung wurzelt, und für seine Heilung drei Grund-
sätze aufgestellt: 1) Erhalte diese Schüler in Spannung; 2) Suche sie
zur Sammlung zu zwingen , und 3) gib ihnen beim Unterricht zu thun
und halte sie fest dabei. Die praktische Ausführung derselben wird
an Beispielen aus dem Unterrichte im Lateinischen , Deutschen und
Rechnen gezeigt. Obgleich der Hr. Verf. ausdrücklich und mit Recht
seine Vorschläge nur auf die untern Classen höherer Schulen berech-
net, so finden sich doch viele auch in den obern beachtens- und be-
herzigenswerthe Winke). — K. A r e n z : Das Gesetz über den mittlem
Unterricht in Belgien, historisch und kritisch behandelt. Zweiter Ar-
tikel (S. 177—200. Erster Artikel im Februarheft. Die Grundsätze,
welche die Regierung in Folge der Constitution bei Entwurf des Ge-
setzes und in ihrem Verhalten zu den Forderungen und Bedingungen
des Clerus leiten musten, werden ausführlich dargelegt). — 11. K. F.
Schnell: Die Schuldisciplin, von H. Zähringer (S. 205 — 207. Ob-
gleich zunächst für Volksschulen berechnet, doch auch den Lehrern
an höhern Schulen als nützlich zu empfehlen). — Wiese: Deutsche
Briefe über englische Erziehung, von S. (S. 207 f. Stellt den frischen
*) Wir müfsen gegen die Behauptung S. 283, dafs im Königreich
Sachsen, wie in Süddeutschland, die philologische Schule gegen die
Wünsche des Realismus unnachgiebig gewesen, Einspruch erheben und
dürfen deshalb nur auf das Regulativ für die Gelehrtenschulen und die
besondern Verordnungen für den geschichtlichen, mathematischen und
naturwifsenschaftlichen Unterricht verweisen. Vergl. diese Jahrb. Bd.
XLIX S. 231 ff. und Bd. LI S. 281 ff.
348 Auszüge aus Zeitschriften.
und klaren PJindruck dar, den das Buch macht). — Menn: Unter-
richtsfreiheit oder Staatserziehung? von S. (S. 209 f. Der beschränkte
Standpunkt der katholischen Kirche wird hervorgehoben). — Die Glie-
derung der Schnlen, von deins. (S. 212 'erinnert an die Verfafsungs-
macherei'). — Zimmermann: Die Natur und ihre Wifsenschaft, das
beste Mittel zur geistigen Wiedergeburt unseres Volkes, von dems.
(S. 212 — J4. Wird als beachtenswerth , weil der Verf. sich von Ue-
bertreibungen fern halte, empfohlen). — Unsere moderne Bildung im
Bunde mit der Anarchie, von dems. (S. 214 — 16. Als wohlgemeint
und in seiner Weise die Wahrheit suchend bezeichnet). — Hopf: Ue-
ber Jugendschriften. 2. Bdchn., von W. L. (S. 216 f. Sehr anerken-
nend, einige Schriften nachtragend). — R. Kühner: Schulgrammatik
der griech. Sprache. 3. Aufl. (S. 217 f. Zwar einige Wünsche auf-
stellend, aber durchweg lobend). — Robolsky: engl. Gramm., von
Schlözer: Lehrgang der englischen Sprache und englischen Sprach-
lehre, Temple: theoret.-prakt. Lehrbuch der englischen Sprache,
Thompson: english phrases and idionis, Schmidt: Anthology of
english prose and poetry, von A. Dräger (S. 218 — 22. 1 unter vie-
len Ausstellungen doch wegen der Menge von Detail empfohlen; 2 und
3 verworfen; 4 als unbrauchbar bezeichnet, 5 als nicht unverdienst-
lich 6 als sehr brauchbar). — Leunis: Schulnaturgeschichte, G.W.
Körber: Grundzüge einer allgem. Naturgeschichte, C. Schmid:
Kurze Naturgesch. des Menschen, Hafsenstein u. Winter: Lehr-
buch der Naturgesch. für Töchterschulen, Schilling: Grundrifs der
Naturgesch. 4e Aufl., Baumann: Naturgesch. 2e Aufl., von Hefs
(S. 222 — 44. Nr. 1 wird sehr eingehend beurtheilt und trotz sehr vie-
ler Ausstellungen, wobei namentlich die Ungeeignetheit für das Selbst-
bestimmen hervorgehoben wird, gelobt. Nr. 2 wird wegen seines In-
halts und seines Zwecks sehr gerühmt, Nr. 3 als unbrauchbar be-
zei<hnct. In Nr. 4 wird manches falsche nachgewiesen, an Nr. 5 das
registerartige bei manchem Lobe getadelt, Nr. 6 dagegen sehr em-
pfohlen). — Pacdagogischc Zeitung. Preufsen (S. 299 — 302. Kurze
Angaben über Abhandlungen in Programmen und Schulnachrichten).
Der kirchliche Charakter der Gymnasien (S. 204. Antwort des Mi-
nisters von Raumer auf eine Eingabe des evangelisch-lutherischen Pro-
vinzialvereins in Pommern). — Danzig (S. 305. Das arge Verhalten
der städtischen Behörde in Betrelf des Religionslehrers am Gymnasium,
Blech). — Hannover (S. 309 — 313. Verhandlungen in den Kammern
über die Bedürfnisse der höhern Lehranstalten, Besoldungen und An-
stellung der Lehrer). — Grofsherzogthum Hessen (S. 317 f. Kammer-
verhandlungen über die Landeshochschule und die pecuniären Ver-
hältnisse der höhern Lehranstalten). — Oesterreich (S. 320 — 23. Mit-
theilungen vom März über das höhere Studienwesen). — Frankreich
(S. 323 — 39- Zeitungsberichte, den Streit über die Classiker in den
Gymnasien, den philosophischen Unterricht und andere Schulangele -
genheiten betreffend). — October- u. Novemberheft. I. Am eis:
Kxpectorationen zur Frage über den Umfang altclassischer Leetüre,
AHSziige ans Zeitschriften. 340
besonders zur Leetüre der griedi. Tragiker in den Gymnasien (S. 245
— 9j. Veranlal'st durcli Bemerkungen in Mützells Zeitschrift IH49 S.
276, den Gymnasialbliittern von Clesca und Seiiöppner 1850 S. 202 u.
476 nnd diesen Jahrb. Bd. LXII S. 438. Ausführliche Darlegung der
Methode des Hrn. Verf. mit vielen polemischen Bemerkungen und kri-
tischer Beleuchtung der Haupt-Sauppeschen u. Hartungschen Ausgaben).
Der unterzeichnete sieht sich, persönlich betheiligt, zu einigen
ausführlichem Bemerkungen veranlal'st. Weit entfernt , die Methode
anderer Lehrer meistern zu wollen, weit entfernt das, wofür jeder
persönlich seinen Vorgesetzten und sich Rechenschaft schuldig ist,
gern zum Gegenstande olFentllcher Besprechung zu machen, fühlte er
sich zu der in der angegebenen Stelle der NJahrb. enthaltenen Auf-
forderung veranlal'st durch eigene und ihm von andern ausgesprochene
Bedenken, welche ihm dadurch eine höhere Bedeutung erlangten, dafs
nicht selten auf das im Gymnasium zn Mühlhausen erreichte Mafs der
Leetüre zur Bekräftigung von Forderungen und Ansichten hingewiesen
worden war. Also nicht um sich hinter fremder Auctorität zu decken,
sondern um dadurch, dafs er sie als den Wunsch der Berücksichtigung
werther Männer bezeichnete, der Aufforderung gröfseres Gewicht zu
verleihu und um zu erklären, wie er dazu gekommen, sie öffentlich
zu stellen, berief er sich auf Bedenken anderer, und weil jede Auf-
forderung vag dasteht, ja persönlich verletzend sein mul's, wenn nicht
die Punkte bezeichnet werden, wegen der man an der Sache Anstofs
genommen, und die Zweifel, welche man beseitigt wünscht, fügte er
seine Gründe hinzu. Hat übrigens Hr. Ameis in jener Aufforderung
(s. diese Jahrb. Bd. LXV S. '67) einen zwar würdevoll gehaltenen,
aber etwas provocierenden Angriff gefunden, so hat dies nicht in des'
Ref. Absicht gelegen, wenn man nicht in jeder Aufforderung Bedenken
über das, was man thut, zu beseitigen, die Eröffnung eines gehäfsi-
geu Kampfes sehn will. Auseinandersetzungen über rerschiedene An-
sichten sind nur förderlich und übrigens hat Hr. Ameis die Möglich-
keit eines Irthums selbst erkannt und durch Hinzufügung einer Be-
merkung in dem neusten Programm seiner Anstalt beseitigt. Der
unterzeichnete verwahrt sich also feierlichst gegen die Voraussetzung,
als habe ihn damals persönliches und subjectives geleitet und als seien
bei den gegenwärtigen Bemerkungen solche Motive im Spiele, und
wenn er Hrn. Ameis seinen Dank ausspricht für das Eingehn auf seine
Aufforderung und für die manigfache Belehrung und Anregung, die er
durch seine Expectoration erhalten, so thut er dies mit redlichem und
aufrichtigem Herzen. Da Hr. Ameis übrigens die volle Durchführung
seiner Methode selbst nur für möglich erklärt, wenn man eine Classe
von 12 — 15 Schülern vor sich und wenn man ziemlich freie Hand
habe (so glauben wir wenigstens die Worte S. 295: 'Wer mein Ver-
fahren, ohne Director zu sein, in der angeführten Ausdehnung
durchsetzen will, der mul's wenigstens in seinem Director einen so
edeln und hochstehenden Charakter verehren und lieben können, als
es bei mir der Fall ist' verstehn zu müfsen), so verzichtet Ref. auf
eine Darlegung seiner Methode und seines Verfahrens — denn
zwar mufs er öffentlich die herzliche und liebevolle Eintracht des Col-
legiums, zu dem zu gehören er das Glück hat, dankbar rühmen, aber
alle andern äufsern Bedingungen sind anders, in Secunda 29 — 36, in
Prima 20 — 28 Schüler und dabei halbjährliche Versetzungen , also in
jeder Classe 3 Stufengänge — und hält sich nur an das, was er unter
allen Umständen und Verhältnissen für nothwendig , räthlich nnd för-
derlich hält, ohne damit die Meinung zu verbinden, als könne keine
Belehrung und Erfahrung etwas daran ändern. Ueber den materiellen
350 Auszüge aus Zeitschriften.
Umfang der classischen Leetüre glaubt der unterz. mit Hrn. Ameis
einverstanden zu sein, ja er meint, dafs derselbe in seiner Si hule
erreicht, vielieicht in mancher Hinsicht noch erweitert ist. Ueber die
Wahl der Schriftsteller lassen sich so viele F''ragen erörtern , dafs dar-
auf einzugehu hier nicht möglich ist. Welche ausführliche Erörterung
würde z. B. unsere Ansicht, dafs es besser sei der Schüler habe den
Sophokles ganz gelesen, als einige Stücke von allen drei Tragikern,
in Anspruch nehmen? Es handelt sich ohnehin bei der Bestimmung
des Umfangs um den Zweck, den der Unterricht in den alten classi-
schen Sprachen hat, und wir müsten uns sehr irren, wenn wir nicht
darüber in den wesentlichsten Punkten einverstanden wären. Eine
wesentliche Verschiedenheit findet aber statt über den Weg, indem
Hr. Ameis alle Leetüre in den öffentlichen Lectionen vornimmt, wir
einen grofsen Theil derselben dem Privatstudium zuweisen. Man ver-
gleiche darüber unsere Anzeige von Seyfferts : Das Privatstudium, in
diesen Jahrb. Bd. LXVI S. 17ö — 183 mit der von Hrn. Ameis in
Mützells Zeitschr. 18ö2 S, 830 — Sil. Dafs wir davon abgehn sollten,
kann Hr. A. nach seinen eignen Aeufserungen nicht verlangen, da un-
sere Erfahrungen bis jetzt nur günstige sind und wir uns namentlich
auf die eine berufen dürfen, dafs der von ihm beklagten Mal'slosigkeit
deutscher Leetüre Einhalt gethan werde (vergl. das Programm der
königl. Landesschule zu Grimma von 1850. Anhang. Deutsche Schüler-
arbeit). Dafs die Begriffe Selbstudium, Selbstthätigkeit, Selbstän-
digkeit allerdings nur in einer gewifsen Beschränkung gefafst werden
müfsen , ohne dafs jedoch dadurch das Wesen der Sache aufgehoben
werde, haben wir selbst a. a. O. erklärt. Ob, in welchen Grenzen
und unter welchen Bedingungen — wir rechnen dazu namentlich die
Beschaffung längerer freier Arbeitszeiten , ohne w eiche eine Zerstück-
lung und Zersplitterung unumgänglich ist — andere Schulen davon
Gebrauch machen können, überlassen wir natürlich dem eignen Er-
mefsen, allein wir müsten entweder das letzte Vertrauen auf die Bild-
samkeit unserer Jugend aufgeben oder gänzliche Erfolglosigkeit der
Schulerziehung durch mehrere unter einer Leitung stehende untere
Classen hindurch voraussetzen, wenn die Möglichkeit der Anwendbar-
keit in den obersten beiden Classen im allgemeinen zu negieren wäre.
Denn dafs das Gewähren einer Leitung nicht ausschliefsenden Selb-
ständigkeit der Beschäftigung in dem Alter, in welchem unsere Pri-
maner stehn, oder — denn manche zu junge Schüler finden wir wohl
— wenigstens stehn sollten, an und für sich unpaedagogisch wäre,
dafs man davon nicht gute Früchte zu erwarten habe, davon kann ich
mich nicht überzeugen. Indem ich mich nun, um weitere Verschie-
denheiten zu besprechen, zu der Leetüre in der Classe selbst wende,
sehe ich ab von den Forderungen, welche etwa wegen des daneben
bestehenden Privatstudiums an dieselbe gestellt werden können , sie
sind ohnehin nicht verschieden von denen, welche überhaupt von Theo-
rie und Praxis gestellt werden müfsen. Ich bin mit Hrn. Ameis voll-
kommen darin einverstanden, dafs Fertigkeit im Verstehn der Spra-
che das zu erreichende Ziel ist, wenn die altclassischen Studien ihren
Platz in der Gymnasialbildung ausfüllen und einen bleibenden Einflufs
auf das künftige Leben üben sollen, demnach aber auch darin, dafs ohne
vielfache Uebung jene nicht zu erreichen ist. Dafs derselbe die Ue-
bung im Sprechen und Schreiben um des leichteren Verständnisses
der Alten, nicht um anderer Zwecke willen für nothwendig erklärt,
darüber habe ich mich um so mehr gefreut, je mehr ich mich in
der Praxis von der Wahrheit jenes Satzes überzeugt und demzu-
folge in meinem eignen Unterrichte — selbst im Griechischen, wenn
auch vielleicht in bedeutend geringerem Umfange — davon Gebrauch
Auszüge aus Zeitschriften. 351
gemacht habe. Eheiisoweiilj; kann über die Uebiing im Uebersetzen
au.s der frenideu Sprache eiyeiitlicli ein Streit zwischen uns sein, aber
einige Abweichungen finden sich doch. Icli will mich nicht mit alige-
meinen paedagogisclien Erörterungen aulhalten, nur Iturz die Kragen
stellen: irrt der, welcher bei der Anwendung des Sprichworts: Eile
mit Weile! aufdie Faedagogik, nicht auf das '^Eile' den gröl'sern, son-
dern auf beides gleich starken Nachdruck legt V und ob das Interesse
au dem zu bildenden Subjecte ohne ein Interesse an dem Object, wo-
durch jenes gebildet werden soll, bestehn kann? Ich halte, mich allein
an die Sache. Wenn ich nun beim Uebersetzen ins Deutsche nicht
nur ein schnelles Wiedergeben , sondern auch ein grammatisch rich-
tiges und geschmackvolles Deutsch verlange, so bin ich weit davon
entfernt, damit das Ideal der Uebersetzungskunst zu fordern, ich
weifs recht gut, dafs was der Schüler leisten kann, weit hinter den
Anforderungen deutscher Classicität zurückbleiben wird, aber dafs der
Schüler geübt werde nicht nur scharf bezeichnende Worte zu gebrau-
chen, sondern auch der deutschen Sprache fremde Ausdrucksweisen,
Wendungen, Bilder und Verbindungen durch derselben angemessene zu
ersetzen und alles der hochdeutschen Schriftsprache zuwiderlaufende,
provinzielle, unedle, gemeine zu vermeiden, diese Forderung scheint
mir nothwendig, weil nur dadurch die Eigenthümlichkeit der fremden
Sprache erfafst und die Muttersprache geübt wird. Wir dürfen uns
nicht auf die Männer vergangener Zeiten berufen, welche z. B. La-
tein zierlich sprachen, ohne im Deutschen dasselbe zu können, denn
unsere Schriftsprache hat seitdem eine ganz andere Entwickelung ge-
nommen und diese stellt in Verbindung mit dem Leben andere An-
forderungen an die Schulen. Ich zweifle nun gar nicht daran, dafs
Hr. Ameis diese Forderungen anerkennt und selbst zu erfüllen sucht,
dafs er die Schüler zum Selbstfinden des richtigen deutschen Aus-
drucks anhält und demnach das Lesen öfters unterbricht, Fragen stellt,
und dann noch einmal den ganzen Satz wiederholen läfst, aber er un-
terläfst zweierlei: das Lesen des zu übersetzenden Textes und das
Nachübersetzen, was wir beides für nothwendig halten, das erstere,
weil der Schüler schon dadurch zeigen mufs, dafs er das zu über-
setzende verstanden, und durch das nochmalige Uebersehn in den
Stand gesetzt wird, leichter fliefsend und ohne Stocken zu übersetzen,
das zweite, wobei wir das Lesen fast stets weglassen, einmal um der
Uebung der Schüler, sodann um der Ueberzeugung willen, welchen
Erfolg der Unterricht gehabt. Den Einwand, dafs es ja leicht mög-
lich sei, der Schüler schreibe sich die Uebersetzung ins Buch oder
lerne sie auswendig, kann ich nicht anerkennen, da es Sache des Leh-
rers ist beides zu verhüten, das erste durch strenge Aufsicht, das
zweite durch die Art seines Unterrichts. Ist der Schüler gezwungen
gewesen , die Uebersetzung sich noch einmal zu überlegen und zu wie-
derholen, so schadet es dann auch nichts, wenn er sie sich ins Ge-
dächtnis eingeprägt. Uebrigens werde auch bemerkt, dafs wenn jenes
auch die Regel ist, dennoch auch Ausnahmen, natürlich jedesmal aus
paedagogischen und didaktischen Gründen, gemacht werden und dafs
Inhaltswiederholungen und andere von Hrn. Ameis bezeichnete Ue-
bungen deshalb nicht unterlassen, sondern ebenfalls vorgenommen wer-
den. Schwieriger ist vielleicht eine Verständigung über das Mafs der
Erklärung. Die so entgegengesetzten Urtheile darüber beweisen, wie
schwer es ist ein Princip zu finden, wie vielleicht noch schwerer, ein
solches praktisch festzuhalten und durchzuführen. Leicht ist es aus-
gesprochen dafs alles, was nicht zum Verständnis der Stelle und des
Schriftstellers gehöre, streng ausgeschieden werden müsse, eben so
leicht aber auch alles , was nicht zur blofsen richtigen Uebersetzung
352 Auszüge aus Zeitschriften.
gehört, als ungehörig zu bezeichnen. Wer sollte wohl das aliter pueri
legunt etc. vergefsen, wenn er von Verständnis spricht, aber wer
kann auch vergessen, dafs die Schüler durch den Lehi-er eben weiter
und tiefer geführt werden sollen , als sie ohne denselben kommen.
Alles kommt darauf an, was man unter Verstehen versteht. Die Ue-
bersetzung ist oft leicht zu errathen, aber der Zweck des Unterrichts
fordert das Gegentheil. Bei dem Schüler das VVif.sen zu bewirken,
dafs und warum dies Deutsche in den Worten des Schriftstellers ent-
halten sei, dies ist meiner iMeinung nach eine Aufgabe der Erklärung.
Damit ist keineswegs ein Stehnbleiben bei jedem nur halbvveg schwe-
rern Worte und grammatischer Fügung gegeben, ebenso wenig, wie
eine Vertiefung in rationelle Grammatik und Wortforschung. Es ge-
nügt vollkommen, wenn ein Schüler die Grundbedeutung des Wortes
weifs und aus dieser die für seine Stelle passende abgeleitet hat; ein
Versteigen in die Ableitung der Zweigbedeutungen von einem Stamme,
eine Uebersicht über die nur hauptsächlichsten jedes Worts ist zu der
Leetüre, d. h. zum Verstehn des Schriftstellers und der einzelnen
Stelle, nicht nöthig. Wie viel der Lehrer hier zu thun hat, wird aller-
dings von dem Standpunkte der Vorbereitung seiner Schüler abhangen.
Sind diese von unten auf zur Wortkenntnis recht geleitet, so wird er
in den obern Classen weniger zu thun haben, wo nicht, mehr. Wenn
aber ein Lehrer, um sich von dem Standpunkte der Schüler zu über-
zeugen, darauf bezügliche Fragen thut, wenn er längst dagewesenes
einmal kurz repetiert oder dazu kurz und bündig eine Erläuterung
und Erweiterung gibt, natürlich nur wenn die Stelle dazu Veranlaisiing
bietet, wird man ihm dann füglich vorwerfen können, er halte das
Lesen ungebührlich auf? Dafs mit dem Fortschreiten in der Classe
derartiges weniger und seltener wird, versteht sich von selbst. Und
wenn nun der Lehrer bei solchen Worten, wo er Unbekanntschaft voi'-
aussetzen mufs, den Grundbegriff oder einen bestimmten Gebrauch in
bestimmten Verhältnissen und Verbindungen kurz und bündig dar-
stellt (man denke hierbei an die für die Auffafsung des Inhalts so
wichtigen Partikeln), so dafs der Schüler in allen künftigen Fällen
daran eine Handhabe für sein Denken und Verstehn hat — der tüch-
tigste Philolog wird dies am besten können, aber handelt er dann als
Philolog oder als Paedagog? In der Prosa wird allerdings die Nöthi
gung stets geringer sein, aber bei den Dichtern häufiger, und um so
mehr je kühner und gedankenreicher und je kunstvoller ein solcher ist.
Hier ist es, wo sich der Lehrer oft mit der blofsen Uebersetzung nicht
begnügen kann, wo er wegen der poetischen Ausdrucksweise fragen
und diese selbst erklären mufs. Li Rücksicht auf die Metrik bei den
Tragikern bin ich mit Hrn. Ameis einverstanden. Ich bin ferner der
Ansicht, dafs der grammatische Unterricht sich auf klare Erkenntnis
der Regel und der Bedeutung der Sprachformen zu beschränken hat,
von tiefer rationeller Begründung und Auffafsung will ich nichts wifsen.
Grammatische Expositionen sind bei der Leetüre ganz zu unterlassen,
ist ein von mir anerkannter Grundsatz; aber ist jedes Nachfragen
nach einer Regel, wenn es um der Ueberzeugung willen geschielit,
dafs der Schüler mit Bewufslsein übersetzt hat, zu verurtheilen?
Und — der grammatische Unterricht kann doch nicht jeden Sprach-
gebrauch, jede Ausnahme berücksichtigen. Wie nun, wenn der Leh-
rer, wo solches sich findet und dem Schüler als von der Regel ab-
weichend auffallen mufs, kurz, bündig, allverständlich eine für immer
ausreichende Erörterung gibt (um einen concreten Fall anzuführen,
wenn er bei Cic. pro Mil. 26, G9 den von Madvig Sprachlehre «). 3JtS
Anm. 4 erwähnten Fall kurz angibt), handelt er dann als Philolog
oder als Paedagog? Die sprachliche Erklärung hat für mich eine dop-
Auszüge ans Zcilscliriflon. 3.'),'i
pelte Seite, einmal richtiges, bewiisstrs Verständnis der vorliegenden
Stelle, andererseits allgemeine Hillsiiiittel für das Verstelm anderer
und dies letztere wieder nur innerlialh der Cirenzen des häutiger vor-
kommenden. Bündige und klare Krkliiiiingen über politische Verhält-
nisse, Rechts- und Staatssachen, religiöse und häusliche Gebräuche,
wenn sie durch das Bedürfnis veranlaist werden un<l nicht über das-
selbe hinansgehn, wird niemand tadeln. Kann sie der Schüler aus der
Stelle abstrahieren, so genügt eine Krage, wo nicht, kurze Angabe
des Lehrers. Vor allem wichtig ist die Auffal'sung des Gedankenin-
halts und der Knnstform. Hier liegt die Gefahr sehr nahe den Schü-
lern zu viel zuzumuthen, aber deshalb die Sache ganz zu unterlafsen
lind dem Selbstdenken der Schüler oder ihrer unmittelbaren Auffafsung
zu vertraun, scheint mir doch auch ein Kxtrem. Was ein Berichter-
statter in der paedagog. Revue Augustheft S. 134 in Betreff der Erklärung
eines deutschen Gedichts sagt: ^Wer uns zu einem Kunstwerke, das wir
seit unserer Jugend geliebt und bewundert haben, führt, uns an denselben
Wahrheiten und Schönheiten zeigt, die uns bisher entgangen sind, und
uns durch überraschende Resultate der 'Begeisterung und des stillen und
treuen Fleifses', womit er das Ganze und dessen Theile studiert hat,
zu gleichem Studium anregt, verdient unsern wärmsten Dank', gilt
unter den nöthigen Modificationen für die Erklärung der alten Classi-
kei'. Bei allem Fleifse, bei allem Eifer, bei aller Begeisterung wer-
den den Schülern Wahrheiten und Schönheiten in denselben entgehn,
die sie wohl zu begreifen und zu fühlen fähig sind. Rasch ist die Ju-
gend, aber sie begnügt sich auch leicht mit einem halben, ja wohl
mit einem falschen Verständnis, und findet kein Räthsel und Problem,
wo doch ein solches auf der Hand liegt. Was Nägelsbach in seiner
Vorrede zu den drei Büchern der Hias S. XVI sagt, ist ganz gewis-
lich wahr. Hier mufs der Lehrer eintreten und weit gefehlt, dafs er
den Eifer und die Liebe zur Sache in den Schülern dadurch schwä-
chen Avird, er wird sie heben und beleben? Aber wo ist hier eine
Grenze zu ziehn? Mit wenigen Worten ist eine solche nicht zu ge-
ben. Wollte man sagen, der Lehrer dürfe nichts erörtern, was er
nicht durch Fragen aus dem Schüler heranseUtwickeln könne, so ist
damit doch die Gefahr des Zuweitgehens nicht vermieden. Es fragt
sich, was mufs und was kann und darf geschehn. Was der Lehrer
erklären mufs, das ist meiner Ansicht nach der Gedanke und der Zu-
sammenhang. Wird, um ein concretes Beispiel anzuführen, Cic. pro
Mil. §. 83 und 84 gelesen, so mufs darauf eingegangen werden, wie
die amplitudo imperii und die viaioruiii sapicntiu zum Glauben an das
Dasein der Gottheit hinführend betrachtet werden, denn sonst bleibt
der Gedanke unerfafst und dann lese man lieber die Stelle nicht. Der-
gleichen Sachen finden sich viele bei den Alten. Wie oft bleibt im
Dialoge die Pafslichkeit oder der Zweck einer Antwort von dem Schü-
ler ohne den Lehrer unverstanden. Soll sie es bleiben? Hier kann
ich mich nicht damit begnügen, wenn der Schüler 'den breiten klaren
Strom von einem Ufer bis zum andern überschaut", ich werde ihn nicht
in die Tiefe hinuutersteigen lafsen, auch nicht nöthigen, bei jeder
Woge und Brandung oder Stromschnelle die Ursachen aufzusuchen
eher, dafs er weifs, woher er kommt und wo er sich ergiefst, aber
er soll mir doch von seinem Wafser trinken und kann er sich selbst
nicht schöpfen, so Avill ich es thun und ihm reichen, so viel ihm dien-
lich ist? Und ob er wohl wieder einmal darnach dürstet, wenn er
einmal aus ihm Nahrung und Erfrischung empfangen? Und, wenn
er nun den schonen Flufs überschaut, aber dies und jenes nicht be-
merkt, was mich erfreut und erhebt, so werde ich seine Blicke dahin
lenken und werde ihm wohl auch die F'reude machen, mir zu zeigen,
r\l. Ja/irb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVII. Hft. 3. 23
3r)4 Auszüge aus Zcitschrinen.
was ihn anzieht und was ihn entzückt. Doch ohne Bild ! Es giht ein ge-
wifses tieferes, gründlicheres und vollständigeres Verständnis auch für
den Schüler, verschieden von dem blofsen Anschauen ; wir meinen natür-
lich nicht das wifsenschaftHche, aber warum soll man die Worte nicht
schon von den Anfängen gebrauchen, mögen diese auch noch so weit
von Vollendung entfernt sein? Hält ein Lehrer hier weise die Grenze
ein, wird er seinen Schülern nicht eben so viel nützen, als wenn er
ihnen mehr Bilder und Anschauungen schnell an der Seele vorüber
führt? Doch vergesse man ja nicht, dafs ich die Erreichung von
Fertigkeit oben als einen Zweck des Unterrichts anerkannt habe und
demnach auch hier die Bedingung festhalte, dafs sie entweder schon
in gewifsen\ Grade vorhanden sein mufs oder über dem andern nicht
vernachläfsigt werden darf. Doch Hr. Ameis hält ja solches nicht für
unangemessen, er will nur den B^lufs der Leetüre nicht unterbrochen
wil'sen, er verweist derartiges in besondere Interpretierstunden; viel-
leicht hält er es uns aber doch zu gute, wenn wir, ohne rasches Ue-
bersetzen zu vernachläfsigen, dann und wann einen kleinen Halt ma-
chen und eine Schwierigkeit beseitigen oder einen neuen Blick den
Schülern eröffnen, um dann rüstig von neuem vorwärts zu schreiten,
wenigstens dann, wenn wir der Ueberzeugung sind, dafs unsere Schü-
ler sich nach jenem sehnen und dann um so frischer mit uns gehn
werden , wenn sie nichts ihnen ungelöstes mehr hinter sich haben, Uebri-
gens will ich nicht etwa alles derartige berücksichtigt wifsen, aber
an einigen Beispielen mufs es gezeigt werden. Vorübersetzung, Er-
klärung, Nachübersetzen werden also zwar von niir geübt, aber kei-
neswegs in stehender Folge und Methode. Manchmal geht die Er-
klärung einer Schwierigkeit voraus, manchmal beschränkt sie sich
auf kurze Bemerkungen während des Uebersetzens und ganze Partien
werden cursorisch einfach übersetzt. Wenn ich nun auch manches bei
der Leetüre berücksichtigt wifsen will, worauf Hr. Ameis wenig Werth
legt, so fürchte ich mich nicht vor dem Vorwurfe, dals ich als 'Phi-
lologe' so rede, es genügt mir das Bewufstsein, wenn ich es aus pae-
dagogischen Gründen und in paedagogi.scher Weise thue; so sehr weit
stehn wir nicht auseinander. Die Erfolge i>rüfe ich gewifsenhaft und achte
auf das, was von den zu ihrer Prüfung berufenen bemerkt wird. Dafs
ich übrigens meine Bemerkungen über die Leetüre des Thukydides und
von Aeschylos Prometheus anders gestellt haben würde, wenn ich die
äufsern Verhältnisse so gekannt und vor Augen gehabt hätte, gestehe
ich willig ein, aber trotzdem würde ich mich nicht entschliefsen das
letztere Stück so schnell mit Schülern zu lesen (auf ein Halbjahr neh-
me ich höchstens 40 Stunden; dann kommt auf jede Stunde 27 und
wenn man Einleitung und ganz auf Repetition verwendete Stunden
abzieht, 30 — 35 Verse; also findet auch neben langsamerm Lesen schnel-
leres statt), und im Thukydides habe ich auch langsamer gelesen,
nicht um meinet-, sondern um der Schüler willen. Habe ich nur 12
— lö Schüler und ein ganzes Jahr lang unverändert, so werde ich
wohl auch dahin kommen, zuletzt recht rasch lesen zu können. Doch
die Methodik ist ein Feld, auf welchem man nie auslernen kann. Wer
nicht zu irren und nichts mehr lernen zu können glaubt, der hat kei-
nen Beruf zum Lehrer in sich; aber ich habe oft die Erfahrung ge-
macht, dafs wo die Methode dem Augenscheine nach viel vermifsen
und zu erinnern liefs, doch die Wirkung — in Folge der Individua-
lität — alle Erwartungen übertraf. Streben wir jeder in Demuth und
Glauben unsern heiligen Beruf zu erfüllen, lernen wir von einander,
wo wir nur können, und fördern uns gegenseitig durch Lehre und
Wandel. Und so grüfse ich denn am Schlufse Hrn. Ameis als einen
lieben Freund und Mitarbeiter. Möge er, was weniger ausgeführt
hier erscheint, mir zu gute halten!
Auszüge aus Zcilschrifleii. li'y'i
— II. Fr. Barthoioniäi: Hr. Curtmaiin und die Gemütlisbildmif;,
von S. (S. 298-300. Als von {»auz demokratiscliem Staudpuiikt Zu-
schrieben bezeichnet). — Th. Waitz: Allgemeine Paedaj;(){;ik , von
Soheibert (S. 301—306. Als ein Werk gerühmt, welches die aus-
einanderfahrende, sich in einzelneu Vorschläp;en verlierende, in ein-
zelne Fächer sich nutzlos abarbeitende, in fruchtlosem Experimentie-
ren sich abmüdende Praxis wieder auf das einheitliche Moment in der
Erziehung und im Unterrichte zurückzuführen und die im Einzelstre-
ben zersplitterten Kräfte zu einen und so wirtsamer zu machen unter-
nimmt, doch werden auch einige abweichende Ansichten vorgetragen).
Körner: Die Bedeutung der Realschulen für das moderne Cultur-
leben, von dems. (S. 306 — 11- Charakterisiert die Schrift mit ihren
eignen Worten, ohne sich auf eine Kritik einzulafsen, weil der Stand-
punkt der paedagog- Revue bekannt sei). — Nachtrag zu der Anzeige
über die Anmerkungen zu Euripides Andromache von L. v. Jan im
April- und Maiheft (S. 316 f. Verwahrt sich gegen die Deutung als
habe der Ref. des Verf. litterarische Persönlichkeit angreifen wollen).
— Rüstow und Köchly: Geschichte des griech. Kriegswesens, von
R. Rauchenstein (S. 317—21. Durchweg empfehlende, aber nur
den Totaleindruck berücksichtigende Arbeit). — Emsmaun: Physi-
kalische Aufgaben nebst ihren Auflösungen (S. 321 — 26. Selbstauzeige).
— PaedafTOgischc Zeitung. Preufsen (S. 347 — ÖO. Circnlarverfügung,
den Zustand der zu Entlafsungsprüfungen berechtigten höhern Bürger-
und Realschulen betr. vom 3. Juli 18ö2 und andere Verordnungen). —
Stettin (S. 350—62. Gegen Rotherts Idee von einem Gesammtgym-
nasium). — Oesterreich (S. 354 — 64. Angelegenheiten des höhern
Unterrichts In Auszügen aus Zeitschriften, besonders auch über die
Günthersche Philosophie). — England (S. 364 — 68. Die Vorschläge
der Commission für die Oxforder Universität). — Archiv des Schul-
rechts. Belgische Verordnungen. Attributions generales des bureaux
d''administration des ecoles moyennes , des directeurs und Organisa-
tion generale des ecoles moyennes, sämmtlich vom 10. Juni 1852. —
D ecemberheft. I. Scheibert; Aus der Schulstube. 5. Abschn.
Von der Beschränkung der Scliule in ihren Zuchtmitteln und einiges
von der paedagogischen Strafe (S. 326 — 54. Es wird die Beschrän-
kung der Zucht- und Erziehungsmittel zuerst bewiesen, dann abge-
leitet aus der Glaubenslosigkeit oder Entchristlichung des sogenannten
gebildeten Volks, aus der Ansicht, dafs die Kinder alleiniges Eigen-
thum der Eltern seien, daraus, dafs der Staat sich auf dem Erzie-
hungsgebiet zu viel aufgeladen hat, aus der Inthronisierung der Intel-
ligenz, aus der Bildung der Lehrer, hierauf die Folgen bezeichnet:
Behütung und Ueberwarhung, Vermahnung und Aufklärung, Ehren-
strafe und Freiheitstrafe sind der Schule allein geblieben; sie haben
ihr Recht, können und dürfen aber nicht alles sein, zuletzt folgende
Grundsätze aufgestellt: was als Strafe wirken soll, mufs den Gestraf-
ten an dem kurzen, was er für ein Gut hält oder mufs ihm einen Zu-
stand bereiten, den er für ein Uebel hält und empfindet. Was als
23*
356 Auszüge aus Zeitschriften.
erziehliche Strafe vvirken soll, mufs in dem Gestraften das Bewufst-
sein und Geständnis des Vergehens wecken und möglichst den Sitz
des Uebels, den Quell des Vergehens treffen), — Scheibert: Die
höheren Bürgerschulen und die technischen Anstalten (Nachtrag zu
dem Aufsatz im Augustheft. S. 355 — 65: 'die ursprüngliche Tendenz
des Gymnasiums duldet nicht ein Ge^ammtgymnasium wie es sich uns
heute darstellt, sondern in ihm sind die alten classischen Sprachen
der Kern, das INIittel und Zweck der Bildung; die heutigen Gymnasien
in ihrem Gemisch von Gymnasium im alten Sinne und höherer Bür-
gerschule im neuern Sinne erscheinen nicht gerechtfertigt, wenn die
Schule noch Erziehungsschule bleiben soll; demnach mufs aus den
Unterrichtsplänen der Gymnasien der Unterricht in Mathematik, Phy-
sik, Naturgeschichte, Chemie, Geographie, Geschichte, Französisch
und Englisch, wenn auch nicht ganz verschwinden, so doch auf ein
ziemlich geringes Mafs beschränkt werden, namentlich mufs die häus-
liche Thätigkeit der Schüler und vornehmlich in den obern Classen
auf die Studien des A Itclassischen concentriert werden und darf von
den nebengehenden Disciplinen dem Schüler nur das zugemuthet wer-
den, was er etwa in der Schulstunde davon sich aneignen kann' *).
Die höhere Bürgerschule ist eine allgemein vorbereitende für die hö»
hern technischen Anstalten, und dies wird um so entschiedener her-
vortreten, je sicherer ,und unverrückter die Gymnasien ihr eigenstes
Ziel wieder ins Auge fafsen. Es wird die Forderung gestellt, dafs
den höhern Bürgerschulen die Universität eröffnet werde, damit sich
ihre Lehrer für ihre Unterrichtsfächer wifsenschaftlich ausbilden kön-
nen). — Timm: Auf welche Weise ist die Lectüre von Litteratur-
werken des deutschen Alterthums zu betreiben? (S. 366—374. Ge-
zeigt durch eine Probe an zwei Gedichten von Walther von der Vo-
gehveide; doch ist der eigentlich paedagogische und didaktische Stand-
punkt nicht berücksichtigt). — II. Timm: Das Nibelungenlied, nach
Darstellung und Sache ein Urbild deutscher Poesie, von W. Lang-
bein (S. 375 — 77, Empfohlen unter Angabe des Inhalts). — H. W.
Stoll: Anthologie griechischer Lyriker, von Qu eck (S. 378-80.
Kurze empfehlende Anzeige). — J, und W, Grimm: Deutsches Wör-
terbuch , von H. Schweizer (S. 380 — 83. Die Bedeutsamkeit des
Werkes wird gezeigt). ■ — Jüngst: Erster Cursus dps Unterrichts in
der Geographie, J. G. Fischer: Geographie, Oh 1er t: kleine Geo-
graphie, Nöfselt: Handbuch der Geogr. , voii Gribel (S. 383 — 87,
An Nr. 1 wird unter grofsem Lobe der gänzliche Ausschlufs des po-
litischen gerügt, Nr. 2 durchaus nicht empfohlen, ebenso Nr. 3, Nr. 4
als in einzelnen Abschnitten zwar recht brauchbar, aber andererseits
auch sehr leicht zu einer ganz falschen Behandlung des geogr. Unter-
richts verleitend bezeichnet). — Masius: Naturstudien und Con-
*) Wir haben diese Stelle wörtlich mitgetheilt, um die Ueberein-
stimnuing mit dem, was wir Bd. LXVI S. 177 zu Ende gesagt, be-
HKrklii;h zu juachen, ü- P'
Schul- und Personalnachrichleii u. s. w. 3.)7
gcieiice: Blätter aus dem Buche der Natur, deutsch vou Zoller,
vou W. Langbein (S. 3«7 H9. Beide Bücher für Schüierbihliothe-
ken empfohlen, obgleich an dem zweiten eine gewifse Exaltation ge-
tadelt wird). — A. Diesterweg: Astronomische Geographie und po-
puläre Himmelskunde. 4e Aufl., von W. Langbein (S. 390 f. Als
verbefsert bezeichnet). — Facda^oßischc Zeitung. Versammlung der
Realschulmänner in Kosen 26.— 2H. Sept. 1852 (S. 384—87. Bericht
über die Verhandlungen). — Bayern (S. 388 f. lieber die Verord-
nung vom 15. Juli 1852, welche zur Abfafsung eines Lehrbuchs der
Landesgeschichte auffordert). — Die studentlsciieii Verbindungen (S.
389— 9L Aus der Augsb. Allgem. Zeitung). — Archiv des Schulrechts.
Instruction du ministre aux recteurs, relative ä Tapplication du de-
cret du 10. avril 1852 (S. 398-402). R. D.
Schill- und Personalnachrichten, statistische und andere
Mittheilungen.
Berlin. Dr. Otto Nitzsch am Joachimsthalschen Gymnasium
ist als ordentlicher Lehrer an das Gynin. zu Duisburg, dagegen Dr.
August Nauck in Prenzlau als Adjuuct an das Joachimsthalsche
Gymn. zu Berlin befördert worden.
Breslau. Das Lehrercollegium des Gymnasiums zu St. Elisa-
beth bestand Ostern 1852 aus dem Director Prof. Dr. Fickert, den
Professoren Prorect. Weich ert und Dr. Kamp mann, den Collegen
Prof. Keil, Oberlehrer Stenzel, Oberl. R ath, Oberl. G u tt man n,
Oberl. Kambly, Hänel, Dr. Körb er, Neide, den CoUaboratoren
Thiel und Dr. Speck, den technischen Lehrern Schreibmeister Rec-
tor Haucke, Zeichenlehrer Maler Beyer, später Bräuer, Gesang-
lehrer Kantor Pohsner und 8 Candidaten, Dr. Fischer, Dr. Gro-
fser, Dr. Grün ha gen, Dr. He n sei. Faber, Kinzel, Keller,
Weifs. Seitdem sind Prof. Keil und der Schreiblehrer Rector Hau-
cke gestorben. Die in Folge des erstem Todesfalls erfolgte Ascen-
sion s. Bd. LXVll S. 136. Die Schülerzahl war 479 in 9 Classen,
Abiturienten II. — Am Fr ied rieh s -G y m n as in m bestand das Leh-
rercollegium zu gleicher Zeit aus dem Director Prof. Wimn\er, den
Professoren M. To bisch [ und Dr. Lange, den Oberlehrern ]\L
Mücke, Tobisch H, Gläser, den Gymnasiallehrern Dr. Geis 1er
und Waage, den Hilfslehrern Cand. Anderssen (^Mathem., Gesch.,
Geogr.), Oberfeuerwerker Haberstrohm (Zeichnen und Maschinen-
lehre), Prediger Tusche (Religion in 1 und II), Privatgel. Dr. Mag-
nus, Sprachlehrer Dr. Otto (Englisch), den Candidaten Prifich,
Dr. Luchs, Dr. Schneider, Dr. Stenzel und Rabe. Seitdem
sind ausgeschieden die Candidaten Prifich (s. BiüKr, Bd. LXV S. 335)
und Dr. Luchs (an die Realschule zum heil. Geist). Schülerzahl:
195 in 6 Classen, Abiturienten: 8.
BitiEG. Das Lehrercolleginm des dasigen kön. Gymnasiums be-
stand Ostern 1852 aus dem Director Prof. Dr. Matthison, den Pro-
fessoren Kaiser und Schönwälder, den Gymnasiallehrern Oberl.
Heinze, Dr. Döring, Dr. Tittler (üher die seitdem erfolgte Prae-
diciernng dieser drei Lehrer s. Bd. LXVII S. 122), Künzel, Mende,
Dr. Brix (über dessen Versetzung und die deshalb erfolgte neue Au-
358 Schul- und Personalnachrichten,
Stellung s. Bd. LXV S. 335) und Holzheimer, den Hilfslelirein
Kaplan Wink 1er, Rabbiner Dr. Landsberger, Musikdir. Rei-
che. Die Schülerzahl war 251 (J92 Evangel., 2 Luth., 37 Kathol.,
20 Juden)- Abiturienten Mich. J851 4, Ostern 1852 6.
EicHSTÄTT. Die unterste Lehrstelle an der lateinischen Schule
erhielt der Lehramtscandidat Wolf gang Bauer.
Glogau. Das Lehrercollegium des dasigen Gymnasiums bildeten,
nachdem der kaum an die Anstalt versetzte Gymnasiallehrer Dr. Brü g-
gemann gestorben, Mich. 1852 der Director Kiopsch, Prorect. Dr.
Petermaim (s. Hirschberg Bd. LXV S. 222), Prof. Dr. Roller,
die Gymnasiallehrer Heyer, Stridde, Beifsert, Lucas, der
Gymnasialhilfslehrer Frafs, Schulamtscand. Scholtz und der jüdi-
sche Privatgelehrte Dr. Munk. Mit dem Schlufse des Schuljahrs trat
der Director in den Ruhestand und übernahm der Prorector die Arats-
geschäfte. Schülerzahl in 6 Classen : 207, Abiturienten 11.
GÖRLITZ, Am Gymnasium lehrten Ostern 1852 der Rector Prof.
Dr. Anton, Conrector Dr. Struve, die Oberlehrer Hertel, Dr.
Wiedemann, Kögel, Dr. Rösler, der Lehrer Jehnisch (s. Bd.
LXV S. 336), Musikdir. Klingenberg, Schreiblehrer Pinkwart,
Zeichenlehrer Kadersch. Schülerzahl 150 in 5 Classen, Abitur. 11.
Hedinge.n bei Sigmaringen. Das dasige Gymnasium hat nach Ue-
bergang der Landesherschaft an Preufsen in Folge einer Revision des
Geh. Oberregierungsraths Dr. Brüggemann sehi* wesentliche Verän-
derungen erfahren. Mit dem Beginn des Schuljahrs Mich. 1851 wurde
der Cursus von 7 auf 8 Jahre ausgedehnt und in 6 Classen getheilt,
von denen die beiden ersten (auch die Namen wurden nach der nord-
deutschen Weise umgedreht) 2jähr., die 4 untern Ijähr. Curse haben.
Durch königl. Cabiiietsordre vom 5. Jan. 1852 wurde die Anstalt dem
konigl. Provinzialschulcoll. zu Coblenz unterstellt. Ferner ward die
Combination der Quinta mit Quarta in einigen Lehrfächern aufgeho-
ben und eine solche nur mit Sexta für zuläl'sig erklärt. Die Schüler,
welche sich einem Facultätsstudium auf der Universität nicht widmen
wollen, können von der Theilnahme am Griech. dispensiert werden und
dafür, soweit die Lehrkräfte ausreichen, Realunterricht erhalten, sonst
aber hat das Gymnasium die Aufgaben der Realschulen nicht zu be-
rücksichtigen. Das Lehrercollegium bestand aus dem Rector Dr. Stel-
zer (Ord. von I), Beneficiat Sibenrok (Ord. von II), Praecepto-
ratsverweser Schanz (Ord. von III), Prof. Dietz (Ord. von IV),
dem commissarisch angestellten wifsenschaftlichen Hilfslehrer Schul-
amtscand. Dronke aus Coblenz (Ord. von V und VI), den Realleh-
rern Pfaff, Nüfsle (Ord. von real. III und IV) und provis. Haid,
dem Gesanglehrer Musiklehrer B urts c h er. Nachdem im Herbst 1851
sämmtliche Schüler der damaligen ersten Abtheilung, 14, zur Univer-
sität entlafsen worden waren, belief sich die FVeqiienz im verflofse-
nen Schulj. auf84(P: I, I":5, II': 4, II'': 4, 111:8, IV: 7, V: 22, VI:
28, real. III: 3, real. IV: 2). Der eine Oberprimaner bestand Mich.
1852 die Maturitätsprüfung nach dem preufs. Prüfungsreglement.
Heiligenstaht. Am dasigen königl. Gymnasium war am 14. April
1852 der Oberlehrer Frz. Seydewitz gestorben, und in seine Stelle
trat im Juni interimistisch der Schulamtscandidat A. Behlau aus
Breslau ein. Das Lehrercollegium bestand demnach Mich. 1852 aus
dem Dir. M. Rinke, den Oberlehrern Kramarczik, Burchard,
Dr. Gafsmann, den Gymnasiallehrern Fütterer, Wald mann und
interimistisch Behlau, dem evangel. Religionslehrer Dr. Kirchner.,
Gesang- und Zeichenlehrer Hunold, Elementarichrer Arend. Die
Schülerzahl betrug 189 (I: 25, II: 43, III: 43, IV: 38, V: 40); Abi-
turienten waren 9.
statistische und nndoro MiHhoiliing-on. 350
HerfoM). Aufser dem Abgange des Oberlehrers Qiiidde an das
Gymnasium zu Biickebuig (s. Btl. LXV S. 4;^7) hatte das dasige Krie-
drichsgymnasium der 7. Lehrer Cantor Theodor Göcker verlafsen,
um eine Stelle an dem hohem Privatgymnasium zu Gütersloh zu über-
nehmen. Zu den Bd. LXV S. 337 erwähnten Anstellungen ist die des
vorherigen Vorstandes der höhern Töchterschule in Siegen H. A. A.
Haase als 7. Lehrers nachzutragen. Während des Schulj. Mich. ]H5l
— I8j2 wurde aufserdem der Probe- und aulserordentliciie Hilfslehrer
Schulamtscand. Ilohnstcdt als wifsenschaftl. Hilfslehrer an die hö-
here Bürgerschule zu Siegen berufen. Sein Probejahr vollendete der
Schulamtscand. W. Wink haus und dasselbe begann der Schulamts-
cand. W. Bachmann. Die Freijuenz war im Wintersemester 126,
beim Beginn des Sommers 110. Abiturienten wurden Ostern 1852 JO,
Mich. 2 entlafsen.
Lauran. Am Gymnasium bestand Ostern 1852 das Lehrercolle-
gium aus dem Director Dr. Schwarz, Conr. Haym, den Oberleh-
rern Wicher und Dr. Beisert, den Collegen Fl ade, Dr. Prüfer,
Dr. Peck und dem Musikdir. Böttger. Schülerzahl in 5 Cl. 90,
Abiturienten Mich. 1851 3, Ostern 1852 8.
LiEGNiTZ. Das Lehrerrollegium des dasigen Gymnasiums (über
die Ritterakademie s. Bd. LXV S. 339) bestand Ostern 1852 aus dem
Director Hauptmann Köhler, Prorector Prof. Dr. Müller, Conr.
Balsam, Oberlehrer Matthaei, den Lehrern Mäntler, Göbel,
Schneider, Hilfslehrer Hanke, den technischen Lehrern F'ahi und
Franz, dem kathol. Religionslehrer Caplan Grieger, dem jüd. Rab-
biner Dr. Sammter und dem das Probejahr abhaltenden Candidaten
Schaub. Die Anstalt zählte in 6 Cl. 246 Schüler, von denen 5 Abi-
turienten. Seitdem ist der Director gestorben.
Olmütz. Zum Professor der alttestamentlichen Bibelkunde und
der orientalischen Dialekte ist der vorherige Professor derselben Fä-
cher an der Hauslehranstalt zu Osseg, P. Salesius, ernannt worden.
Ratibor. Nachdem der Collaborator Hoffmann und (20. März
1852) der Director Dr. Mehl hörn gestorben (s. Bd. LXV S. 120),
bestand das Collegium des dasigen Gymnasiums Ostern 1852 aus dem
Prorector Guttmann, Conr. Keller, den Oberlehrern König und
Kelch, dem Mathem. Fülle , dem Gymnasiallehrer Rei chardt, dem
Caplan Storch, Superintend. Redlich, Zeichenlehrer Seh äffer,
Cand. Sehn eck. Schülerzahl 210 (lOi Evang., 27 Kath., 79 Juden),
Abiturienten 7.
Regensburg. Die erledigte Lehrstelle der 1. Gymnasialclasse er-
hielt der bisherige protest. Religionslehrer und geprüfte Lehramtscan-
didat Johann Langoth.
San DEC. Von dem dasigen k. k. Staatsgymnasium wurden wäh-
rend des Schuljahrs 1850 — 51 versetzt: der Director nach Rzeszow (s.
Bd. LXVII S. 240), die Lehrer L. Siele cki nach Krakau , L. Eder
nach Brzezan, J. Klemsch nach Sambor. Der Lehrkörper bestand
am Schlufse des Schuljahrs aus dem Dir. J. S ta war ski (vorher Leh-
rer und supplierender Dir. am Lemberger Dominikanergymii, s. Bd.
LXV 8.441), dem Katecheten L. Lewartowski, den Lehrern J. Zu-
rawski, C. Kruczkowski, C. Tyminski, J. Dutkiewioz, H.
Panck (an Sieleckis Stelle), S. Mi l ski (von Rzeszow hierher ver-
setzt), Th. Giowacki (von Brzezan hierher versetzt), J. Bare-
wicz (neu angestellt), V. Jüttner (Zeichnen), A. Brabletz (Mu-
sik und Gesang).
Zara. Den Lehrkörper des k. k. vollständigen Gymnasiums bil-
deten während des Schulj. 1851 die ordentl. Lehrer: Canonicus P.
Bottura (Director, seitdem in den Ruhestand getreten), A. AI-
360 Todesfälle, Berichtigungen.
schinger, Frc. Pegger, Piarist P. L. Torre, Dr. Frz. Lanza,
Dr. Ant. Torre, Dr. Ant. Liihin, Fil. ColtelH, G. Suttiiui
(diese drei Weltgeistliche), P. Pogaiii (später beurlaubt), die Sup-
plenten G. Alloy (später zum wirklichen Gymnasiallehrer befördert,
s. Bd. LXV S. 443), P. D. Fabianich, P. L. Bereich, Weltpr-
M. Scarante (seitdem wirkl. Gymnasiallehrer, s. LXVI S. 2l6j, D.
Perl in, die Nebenlehrer G.Schutz und A. Martegani.
Todesfälle.
Am 10. December 1852 starb W. Empsom, Prof. der Geschichte und
Rechtswifsenschaft zu Hayleybury, bekannt als Herausgeber der
Edinburgh Review und Freund von Th. Arnold, 62 J. alt.
Am 20. Dec. 1852 zu Lambsheim der Hauptmann a. D. K. Geib, ein
Mitarbeiter an diesen Jahrbüchern.
Am 14. Jan. 1853 zu Zeitz der Prorector am dasigen Stiftsgymnasium,
Lehrer der Mathematik Dr. Mor. Wilh. Grebel.
Am 20. Jan. zu Leipzig der aulserordentl. Professor an der Universität
und ehemalige Director der Freischule, M. L. Plato.
Am 6. Febr. in Berlin Prof. August Kopisch (geb. 26. Mai 1799).
Am 7. Febr. in Strafsburg Universitätsinspector J. Willm, Verf.
einer 'Histoire de la philosophie allemande depuis Kant jusqu' ä
Hegel' und anderer philosophischer und paedagogischer Schriften.
Am 19. Febr. in Tybingen der emeritierte Professor der Dogmatik an
der dasigen Hochschule Dr. Joh. Seb. von Drey.
B e r i c li t i g II n g e n.
In meiner Berichterstattung über Böckhs Staatshaushaltung der
Athener Bd. LXV Heft 4 dieser Zeitschrift ist auf S. 396 zu Anfang
das Citat zu ergänzen: 'Rehdantz de vita Iphicratis p. 170 ff.' — Ferner
bemerke ich, dafs auf S- 400 die von mir gebrauchte Ausdrucksweise et-
was undeutlich ist, indem es scheinen könnte, als sei Böckh der Ansicht,
die vier Classen der Solonischen Verfafsung seien eine Fortbildung
der vier alten attischen Phylen: denn diese Vorstellung ist, wie
jeder, der das Werk selbst einsieht, sich überzeugen wird, Böckh ganz
fremd, und die Meinungsverschiedenheit zwischen Böckh und mir be-
steht lediglich darin, dafs Böckh annimmt, die gleiche Berechtigung
der vier Stämme sei erst durch den Einflufs eben der neuen Soloni-
schen Classeneinthellung erreicht worden, während Ich der Ansicht
bin, dieses Resultat gehöre schon der vorsolonlschen Zeit an. Eine
weitere Begründung dieser Ansicht hätte mich zu tief In die ältere
attische Verfafsungsgeschichte geführt, daher ich mich auf jene An-
deutung beschränkt habe, die eben wegen der kurzen und nicht ganz
deutlichen Fafsung des Ausdrucks leicht zu Misverständnissen Anlafs
geben kann , denen ich hierdurch vorbeugen wollte.
Th. Bergk.
Im ersten Hefte dieses Bandes S. 83 Z. 9 v. o. lies ''Emendatiün
von M. Hertz' statt 'Emendatlon Hertzbergs.'
Inhalt
von des siebenundsecJmgsten Bandes dritlem Hefte.
Seite
Kritische Beurtheilungeii 241 — 330
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie. — Von Dr.
M. Sengebusch zu Berlin 241—269
Müller und Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. Erster
und zweiter Band. — yonBr. Fr. Suscmihl zu Greifswald. 270—288
E. Curtius: Peloponnesos. Zwei Bände. — Von Prof. Dr.
Classen zu Lübeck 288—315
Lachmann .- T. Lucreti Cari de rerum na- .
tura libri sex. j Von Prof. Dr.
Derselbe: In T. Lucretii Cari de rerunif Th. Bergk zu
natura libros commentarius. ^ Fi'elburg im
Bcrnays: T. Lucreti Cari de rerum na-\ Breisgau. . • 315 — 330
tura libri sex. /
Programmenschau. — Von Prof. Dr. R. Dietsch zu Grimma. 331 — 344
Flock: De temporum ratione verbi Graeci et Latini. . . 331 — 334
Leitschuh: Versuch einer Begründung der Fragsätze in
der deutschen und lateinischen Sprache 334
Wolf: Ueber die lateinische Casuslehre 334
Derselbe: Ueber die Aussprache der griech. Diphthongen. 334
Reichel: Horatius und die ältere römische Poesie. . . . 334
Tomaschek: Zoologische Briefe 335
Schömann: De Phorcyne eiusque familia 335 — 337
Derselbe: De lovis incunabulis 337
Walz: De Nemesi Graecorum 337 — 339
Wehrmann: Das Wesen und Wirken des Hermes. . . . 339 — 341
Zimmermann: Ueber das Wesen des Janus 341 — 343
Scheiffele : Ueber die Gelübde der Alten, den ersten Januar
in Rom, Strenae, Janus, Aesculap 343 — 344
Friebe: Quinam fuerint apud Romanos ritus funerum ex-
ponitur 344
Auszüge aus Zeitschriften. Paedagogische Revue yon Mager,
fortgesetzt von Langbein und Kuhr. Bd. 30—32. . . 344—357
Schul- und Personalnachrichten, statistische und andere
Mittheilungen 357—360
Berlin S. 357. Breslau 357. Brieg 357—358. Eichstätt
358. Glogau 358. Görlitz 358. Hedingen 358. Heili-
genstedt 358. Herford 359. Lauban 359. Liegnitz 359.
Olmütz 359. Ratibor 359. Regensburg 359. Sandec 359.
Zara 359—360.
Todesfälle 360
Berichtigungen , 360.
Leipzig,
Druck und Verlag von B. G. Teubner.
1§53.
Kritische Beurtheilungen.
Geschichte der homerischen Poesie von Julius Franz Lauer. Er-
stes und zweites Buch; Nebst liiuchstiicken lionieiisclier 8tudieii.
Berlin 18J1. Druck und Verlauf von G. Keimer. XVI u. 6'1-i S.
gr. 8.
(Fortsetzung von S. 241 ff.)
\^'ir sind fertig mit der Lauerschen Untersuchung- über die Nach-
richten der Alten vom Vatcrlande Homers. Nicht gerade viel von den
Lauerschen Resultaten ist stehn geblieben. Aber man kann uns nicht
vorwerfen, dafs wir eine blofs zerstörende Kritik geübt hätten.
Fafsen wir kurz zusammen, was sich uns bisher über das Vater-
land Homers ergeben hat. Auf Neuheit macht es keinen Anspruch ; es ist
etwas ganz alles, es ist die Lehre Aristarchs. — üb Homer ein Mensch
war oder eine mythische Personification der Thäligkeit mehrerer Dich-
ter, ob Hias und Odyssee die ^^'erke mehrerer oder vieler oder eines
sind, das vermögen wir durch die Nachrichten über Homer nicht zu
entscheiden , sondern nur durch die Gedichte selbst. Den Aristarch
hinderten diese nicht an dem einen Homer festzuhalten, dem Verfafser
beider Gedichte. Doch das geht uns hier nichts an. Ihrem Ursprünge
nach gehört die homerische Poesie dem ionischen Stamme, und nur
ihm, und zwar ist Athen, die Metropolis dieses Stamms, als ihr
Vaterland zu betrachten. Von Athen aus verbreitete sie sich nach los
und Smyrna , von Smyrna aus dann weiter nach Chios, Kolophon,
Kyme. Ob diese Verbreitung von Smyrna aus dircct geschah., oder ob
es Zwischenstationen gab, ist noch nicht ausgemacht; wir sind z. B.
durch nichts zu der Annahme genölhigt w orden , dafs Homer durch
die in Smyrna mit den loniern zusammenw ohnenden Aioler nach Kyme
gekommen sei. Ueberhaupt haben die Ansprüche Kymes auf Homer,
wie wir sie oben übereinstimmend mit Lauer begründeten, unter allen
die wenigst reelle Basis: Kyme hatte kein homerisches Dichterge-
schlecht aufzuweisen, wie los und Chios, keine homerische Dichtung
gehörte ihm unbezweifelt an, wie der Margites den Kolophoniern,
keine reine und ursprünglich selbständige Ueberlieferung zeugte für
den Ort, wie für Athen und los und Smyrna; es sind lauter Combina-
lionen und Sophismen, die wir für Kyme aufzustellen vermochten:
dafs es doch Mutterstadt von Smyrna sei , dafs es doch Hauptsitz der
von Homer verherlichten Achaier sei , dafs es doch vom Geschlechte
des Agamemnon beherscht werde. Von allen homerischen Orten das
IS. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVII. Hß. 4. 24
362 Lauer: Gcscliichte der liomerischen Poesie.
gröfste Aiisclui erlanglen im Laufe der Zeit die Ansprüche Smyrnas.
Ihnen fügten sich die andern Orte, indem sie an die smyrnaiische Sage
sich anzuschliefsen, mit ihr auf gute Manier sich ahzulinden suchten,
damit ihnen wenigstens ein Anlheil am Huhme verbliebe. Besonders
deutlich liefs sich dies Streben in Kyme und los nachweisen; docii
zeigten auch Chios und Kolopiion dasselbe deutlich genug, und, wenn
das berühmte Epigramm auf Peisistratos so zu verstehn ist, wie man
sich gewöhnt hat es zu verslehn, sogar Aliien selbst. Doch haben
sich überall , nur nicht in Kyme, Spuren einer früher durchaus selb-
ständigen Localsage erhalten; besonders viele und den Charakter der
Ursprünglichkeit tragende fanden wir in los; in Chios wenigstens die
niemals ganz aufgegebene Behauptung, Homer sei auf Chios auch ge-
boren. In BetrelT der Orte, welche aiifser den schon genannten Ho-
mers Vaterland heifsen, stellten wir fest, dafs die meisten deshalb mit
diesem Titel prunkten, weil auch sie zeilig und mit Eifer die home-
rische Poesie gepllcgt hatten.
In welche Zeit der Ursprung dieser Poesie falle, und wann die
einzelnen Stöfse der grofsen Bewegung erfolgten, durch welche sie
sich in so viele andere Orte verbreitete, das wifsen wir noch nicht.
Vielleicht verschalTt uns darüber der nächste Abschnitt des Lauerschen
Werkes einigen Aufschlufs, der dritte des ersten Buchs. Er beliandelt
ja 'das Zeitalter des Homer.' — Er beginnt S. 115 mit einer Ilinwei-
sung auf die vielen verschiedenen Angaben der Alten über Homers
Zeit. Die Unsicherheit sei hier eben so grofs wie in BetrelT des Vater-
landes ^^'ir fafsen guten Mulh. Wenn die Unsicherheit hier
nur nicht gröfser ist als dort, so kommen wir hier vielleicht auch
durch. — Der Verf. geht zu einer Aufzählung früherer Zusammen-
stellungen und Untersuchungen über Homers Zeitaller fort: Talian und
Clemens von Alexandria, B. Thiersch undNitzsch, und als die 'beste'
und 'zugänglichste' Sammlung die von Fischer und Soetbcer. Dabei
beruhigt sich der Verf. aber keineswegs; in einer grofsen Anmerkung
erscheinen mehrere Engländer, z. B. ein Hr. W. Walkiss Lloyd, und
mitten in dieser vornehmen Gesellschaft noch zwei ehrliche Deutsche,
C. Müller und — Böckh. Es wäre befser gewesen, wenn der Verf.,
statt die Engländer zu eitleren, die Hauptstellen des Talian und des
Clemens ordentlich angesehn hätte. Er sagt, dieser habe aus jenem
oder mit ihm aus derselben Quelle geschöpft. Ein Blick genügt, um
zu erkennen, dafs dies falsch ist.
Der Verf. gibt sodann einige Sätze über das Wesen der chronolo-
gischen Angaben der Alten in Betreff der altern griechischen Ge-
schichte, Ueberliefert waren die scheinbar sehr genauen Zahlen nicht;
es sind ungefähre Ansätze; man übertrug entweder eine Reihe von
yeveaig in Zahlen, wobei dann drei yEveai auf ein Jahrhundert gerech-
net wurden; oder man setzte nach astronomischen Kyklen an, unter
denen besonders der zu 60 Sonnenjahren oder 63 Mondjahren gebräuch-
lich war.
Bei seiner Auseinandersetzung über die Rechnung nach Kyklen
Lauer: Gcscliiclilo der !ii)i!;t'ii.s"!icii Poesie. 868
bernfl sich der Verf. (S. 117. 118) allein auf C. M!iller.s Frai,niienla
cliroiiülogica. Und das isl ganz in der Ordnnng; denn diesem liiielie
ist das hier vom Verf. vorgetragene enlnonimen. Ucberlianiit stellt
dieser ganze Ahschnill der Lauerschen Arbeit zu C. Müller in einem
noch weil genanerii Vcriiallnis als der vorhergehende zu 0. Müller
und W'elcker. (ieiiau nachzuweisen brauchen wir das um so weniger,
als der Verf. daraus gar kein Geheimnis macht, sondern vielmehr sei-
nen Aiiclor ofl und getreulich cilierl, so\noIi1 bei Angabe der Lilleralur
S. 115 als bei der Entwicklung der Principien S. 116. 117. 118 als
auf den folgenden Seiten bei der Hediiclion der einzelnen chronolo-
gischen Ansalze. Für die von C. Müller schon behandelten Ansalze
weicht der Verf. sehr selten von jenem ab; angezeigt ist die Abwei-
chung zweimal, S. 120 Anm. 139, wo C. Müller 'nicht genügt', und
S. 1-21 Anm. 142, wo C. Müller '^ nicht belViedigl'; hinzugekommen
sind von den Ansätzen, die C. Müller nicht berücksichtigt, nur einige
wenige. — V>"\i- können C. Müller nunmehr aus dem Spiele lalsen.
AVir halten uns an Lauer. Dieser hat ja die betrelTenden Behauptungen
und Beweise des erstem adoptiert: er mufs sie also auch billiger-
weise als seine Kinder vertreten.
In den vorhin genannten allgemeinen Sätzen kann man ihm nur
beistimmen. Doch wollen w ir uns dabei gleich gegen die Ausschwei-
fungen verwahren, die C. Müller durchweg mit seinen Principien
treibt. So ist es z. B. gleich nicht wahr, dafs Ol. 1 von den meisten
Alten 7 Kyklen nach der Zerstörung Trojas angesetzt sei, was Lauer,
getäuscht durch den ersten Anblick von S. 129 der Müllerschen Schritt,
gedankenlos S. 118 hinschreibt. Mit Vermeidung solcher ^^ illkiir ha-
ben Mir also die einzelnen Nachrichten über das Zeitalter Homers
durchzugehn und, wo wir Zahlen finden, auf yevEai oder Kyklen zu
reducieren und die Gründe der Alten für ihre Ansätze zu erforschen.
Diese Aufgabe versucht nun auch der Verf. zu lösen, von S. 118
an. Er macht aber dabei von vorn herein den Fehler, dafs er die An-
sätze nach den Zeiten ordnet, welche sie dem Homer zuweisen, und
in dieser Ordnung die Untersuchung führt, indem er bei dem Ansätze
beginnt, welcher den Homer zum Zeitgenolsen des troischcn Kriegs
macht, und der Reihe nach durchgehend bei denen endet, welche ihn
in die Olympiaden herabrücken. Diese Anordnung erschwerte jedes
tiefere Forschen und blieb, M'ie sich zeigen wird, nicht ohne sehr
nachlheilige Folgen. Ich darf natürlich den fehlerhaften Gang hier so
Avenig nachgelin wie bei der Frage nach dem Vaterlande.
Unter Nr. l erscheint bei Lauer Dionysios der Kyklograph. Die-
ser macht den Homer zum Zeitgenofsen des thebischen und troischen
Kriegs. Lauer bemerkt, Dionysios habe gemeint, dafs der Dichter
nur als Zeilgenofse die Ereignisse so genau kennen und darstellen
konnte, und fügt dann hinzu, Dionysios habe seinen Ansatz auch aus
Patriotismus gemacht, wie er später darthun werde. Ohne Zweifel
ist hier dasselbe Motiv gemeint, welches S. 243 in einer von den Her-
ausgebern aus einer frühern Schrift Lauers angefügten Partie aufge-
24*
364 Lauer: Gescliiclite der homerischen Poesie.
stellt wirtl: mit dem Alter Homers sei das des Kreophylos gewacliseir
Dies ist aber ein recht uiTiiberlegter Einfall, \^'eun Kreophylos Zeit-
genofse des thebischen und troischen Kriegs war, so konnte er entweder
kein Samier oder kein Grieche sein. Icli weifs ein befseres Motiv des
Patriotismus für den Samier Dionysios. Samos ist Colonie von Argos,
und deshalb war Homer dem Dionysios ein Argeier, ein Zeitgenofse
des thebischen und troischen Kriegs, in welchen beiden Argos die
Hauptrolle spielt.
Unter Nr. 3 behandelt Lauer nicht übel den Ansatz des Krates,
60 Jahre p. Tr. Diese 60 Jahre sind gerade ein Kyklos in Sonnen-
jahren ausgedrückt. Ueher Krates Motive verbreitet der Verf. sich
nachher ausführlicher, S. 128, wo die Art misfallt, wie ß. Thiersch ohne
Beifügung irgend eines Gegenbeweises oder Griuides abgefertigt wird.
Unter Nr. 4 fafst Lauer den Ansatz Aristarchs und Kastors
mit dem der ielischen Sage bei Aristoteles zusammen. Aristarch
und Kaslor stehen dabei am Ende als eine Art geduldetes An-
hangsei; auf Aristarch kommt gerade eine gcmefsene Zeile; das-
jenige, was von allen drei Ansätzen gleicherweise gilt, wird an den
in Homericis nicht allzu wohl berufenen Philoso|)lien angeknüpft. Diese
Auseinandersetzung aber und überhaupt der ganze .\rtikel leidet an
Unklarheit. Er beginnt so: * Dafs Aristoteles die Geburt Homers in
die Zeit der ionischen Wanderung verlegt habe, wird aus der ohen
S. 90 mitgetheilten Stelle geschlofsen.' Befser würde dies so ausge-
drückt sein: Die ietische Sage setzt nach der oben S. 90 mitgetheilten
von der vita Plutarchi aus Aristoteles beigebrachten Stelle Homers
Geburt ausdrücklich und bestimmt in die Zeit der ionischen Wande-
rung; und die Art, in welcher die vita diese Stelle des Aristoteles
vorführt, berechtigt zu der Annahme, dafs Aristoteles selbst den ge-
nannten Ansatz zu dem scinigen gemacht habe. — Lauer fährt fort:
'War dabei mit Eratosthenes diese Wanderung 140 p. Tr. angenom-
men, so fällt die Geburt Homers einen Kyklos nach der Rückkehr der
Herakleiden, während sie nach andern Ansätzen, z. B. bei Philostra-
tos a. a. 0. zwei Kyklen (2 X 63) p. Tr. fallen würde, wenn man so
weit bis zur ionischen Wanderung rechnet.'^ Dies ist besonders da-
durch unklar, dafs die Worte des Philostratos fehlen: Fiyove Tioujxrjg
"Ojxt]Qog Kai 'ijdsv, cog ^ev cpaGiv k'vioi^ [xsra xirxciQa y,cii hkoölv e'vi]
rtov TQUiLKÜv OL 8s |U£ra ETtxa xort ukoGl TTQog xoig E%axov , oxs xy]\>
unoiKiuv oi'Ad'r^vaioi slg Icoinav eGxeiXai'. Der letztere Ansatz, meint
der Verf., ist nicht verschieden von dem aristotelischen; dieser be-
gnügt sich Homers Geburt in die Zeit der ionischen Wanderung zu
setzen, indem er es unentschieden läfst, wann diese Wanderung ge-
schehn sei; nun mag jeder, wie er will und kann, die Wanderung
hinauf oder herab rücken, der aristotelische Ansatz Homers geht mit
herab oder hinauf; wer also wie jene Autoren des Philostratos die
Wanderung in 127 p. Tr. setzt, der mufs, wenn er in Betreif Homers
dem Aristoteles folgt, auch Homers Geburt in 127 p. Tr. setzen, wie
die bezeichneten Autoren thun. Bei diesen aber ist offenbar ebenfalls
Liiiier: Gcscliiclite der Iiomcrist-lieii Poesie. 805
ilic \N'aiideniii^ das besliniincnde liir Hoiiusr, niclil Homer für die
NN uiulerung; der Ansatz ist zuniiciist uicLl fiir Homer bereclinel, son-
dern für die Wanderung-, und gilt nur mit für Homer, weil dieser für
gleichzeitig mit der ^Vanderung gilt. Hierlici hat nun aber Lauer den
Unterschied überselm, dai's die Autoren bei l'hiloslralos keineswegs
Homers Geburl, sondern seine Blüte in die Zeit der ^N'anderung setzen ;
und wenn nach Abzug dieses Unterschiedes die Ansätze identisch sind
und für beide jene \N auderung das beslimmende ist, dann ist auch
die von Lauer gegebene Heduclion auf xvkXol und überhaupt jede He-
duction dieser Ansätze muffig, und gehört es in keiner Weise hier-
her, dafs der eralosthenische Ansatz der Wanderung, J40 p. Tr., für
den Ausdruck eines Kyklos zu 60 p. red Heraclid. anzusehu sei, und
der bei Phiioslrafos für den Ausdruck von zwei Kykien zu 63 Jahren
p. Tr. Uebrigens sind zwei Kykien zu 63 .laliren Vlii .lalire, nicht ]27,
und es wäre also befser zu sagen, dafs jene Autoren des Pliiloslralos
die ionische Wanderung in das erste Jahr des dritten Kyklos p. Tr, c.
setzten. — Nun das Ende des Lauerscheii Artikels : ^Nlit dieser (nemlicii
der ionischen Wanderung] gleichzeitig setzten den Homer auch Aristarcb
und Kaslor.' Ja das ist wahr, es ist aber nicht die ganze Wahrheit.
Zuvörderst kann man zeigen, dafs auch Aristarcb sich begnügte,
den Homer in die Zeil der \>'an{lerung zu setzen, ohne diese zu fixie-
ren. Wir haben eine ganze Reihe von Zeugnissen über Arislarchs
Ansatz; sie alle ohne Ausnahme lafsen den Aristarcb die Zeitbestim-
mung über Homer nicht zunächst an die erste Olympiade etwa oder an
die troische Aera anknüpfen, sondern unmittelbar an die Wanderung,
«nd dann erst fügen s'e hinzu, um wie viel später diese falle als der
troische Krieg, und bei dieser IJeduction stimmen sie nicht einmal alle
überein. Auf den Unterschied darf allerdings nichts gegeben werden,
dafs in der Zusammenstellung von Angaben über Homers Zeitalter bei
Eusebios Chron. II p. 314 Hom., Hieronym. ed. Seal. 16ö8 p. 97, Syn-
cell. p. 180 D Aristarchs Ansatz durch das hundertste Jahr p. Tr., in
den übrigen Zeugnissen aber durch das huudertvierzigste ausge-
drückt wird; denn jene Zusammenstellung ist keine andere als die bei
Tatian ad Graec. c. 3J und Eusebios Praep. evang. X, 11, und hier
wird nicht anders als bei den übrigen der aristarchische Ansatz durch
das l40sle Jahr p. Tr. ausgedrückt, so dafs es keinem Zweifel unter-
liegen kann, dafs Eusebios auch in der wörtlichen Wiederholung in
den Chron. dies 140ste Jahr hatte; zumal da erstens die betreffenden
Stellen der Chron. ed. Rom., des Hieronymus und des Syncell ander-
weilig die deutlichsten Corruptelen zeigen, zweitens die Wanderung,
so viel ich wenigstens weifs, sonst nirgends in 100 p. Tr. gesetzt
wird, und drittens endlich es leicht zu erklären ist, wie die falsche
Lesart 100 für 140 entsfehn konnte. Unmittelbar vorher gehl nemlich
der bekannte dem Eralostbenes irlhümlich zugeschriebene Ansatz Ho-
mers in 100 p. Tr. Von Emendation der Stelle in der uns vorliegen-
den armenischen Uebersetzung, im Hieronymus und Syncell kann nicht
die Rede sein, da ihre Uebercinslimmung lehrt, dafs sie den Fehler
366 Lauer: Gescliichte der homerischen Poesie.
im Euscbios schon trafen und aus ihm herübernahmen; aber für uns
fällt die Verschiedenheit weg. Dagegen bleibt eine andere: in der
zweiten pliitarchischen vita c. 3 und fast buchstäblich mit ihr über-
einstimmend in der vita des Proklos lin. 53 wird zunächst auf die %d-
'&oöog der Herakleiden reduciert, und diese dann wieder auf den troi-
sciien Krieg; dagegen die andern reducieren unmittelbar auf den troi-
schen Krieg. Dies und das allen Berichten gemeinsame nachträgliche
Beifügen der Zahlenangabe zeigt, dafs Aristarch so wenig wie Aristo-
teles Homer in ein bestimmles Jaiir setzte , sondern in die Zeit der
Wanderung, ohne diese zu iixieren; obgleich es vielleicht nicht zu
leugnen ist, dafs auch er für diese Wanderung die fast allein her-
schende eratosthenische Aera als die richtige ansah.
Identisch ist aber darum der aristarchische Ansatz mit dem ari-
stotelischen doch nicht. Denn wie jene Autoren des Philoslratos setzt
Aristarch nicht Homers Geburt in die Zeit der Wanderung, sondern seine
a/.i.i^. Das bezeugt ausdrücklich Talian, c. 31 und bei Eusebios Fraep.
evang. X, 11. Die Wendung, deren sich die plutarchiscbe und pro-
klische vila bedienen, ot ixhv 7tiQl^AQiaxciQ-/(6v (paGiv avrov ysviö&at
nara rrjv Icovcov ccTtoiKiau, und die des Syncell, oi de TtSQi A^LöraQ-
yov xara t'}]P IcoviKtjv cntOLvdav cpadl yEyovivai 'Oi-irjQOv, dürfen ge-
gen den genauen Taiian nicht gellend gemacht werden, zumal in sol-
cher Verbindung das yeveö&ai. und ysyovivat gar nicht auf die Geburt
bezogen zu werden braucht, sondern für gleichbedeutend mit fuisse
oder p/xisse gelten darf, wie z. B. gleich die oben vorgelegte Stelle
des Philoslratos mit ihrem yiyove ymI riös ^exu ririaoa otai elkoölv
k'rrj rcoi' Toohyacv lehrt; die ganze Stelle des Syncell ja aber lediglich
eine V^'iederhohing gerade der Stelle des Eusebios und des Tatian ist,
A&s yEyovivaL des Syncell mithin gar nichts anderes sein kann als
ein nachläfsiger Ausdruck.
Aristarch also setzte für Homer kein bestimmtes Jahr fest, son-
dern begnügte sich darauf zu bestehn, dafs seine axfti/ in die Zeit der
ionischen ^^'anderung falle. Diese Wanderung aber gieng von Athen
aus und ward von Athen geleitet; und in Athen war, wie wir früher
sahen, nach Aristarchs Ansicht Homer geboren und erzogen: wer ist
so blind noch nicht zu sehn, dafs Aristarchs Meinung war, Homer
habe an der von seiner Vaterstadt ausgehenden ionischen Wanderung
Theil genommen, wie z. B. Archilochos an der Colonie von Paros nach
Thasos, der ältere Simonides an der von Samos nach Amorgos, Hero-
dotos an der von Athen nachThurioi? Vom Kastor wird es ausdrücklich
berichtet, dafs er den Homer an der ionischen \\'anderuug Theil
nehmen liefs, durch Eusebios, Chron. I c. 31 p. J38 Hom., wo er in
dem nach Kastor gefertigten Kataloge der athenischen Könige sagt De-
cimus nonus Acaslus Medonlis anvis 36, cuius oetate migralio lo-
nica fiitt, in qua Homernm quoqne fuisse trnditum est; nach der
Fafsung des neu aufgefundenen griechischen Originals in Cramers
Anecd. Paris. I! p. 138 'EvvBayMLÖBiiaiog "Axagrog MiSovtog hi] Xg'.
icp Ol) liüi'ioi' ciTroiKia- iv olg Oi.i)iQou Icnoi^ovCH. Hierzu die Parallel-
LiMior: Gcschiclile dor lioincrisclien Poesie. 307
stelle im Canon ed. Hoin. p. 317, llieroii. ed. ScjiI. p. ]()0 loiu'c/t emi-
(jratiu ^ in qua quidani ttomcrum fitisse scr/hiinf. Syncell. p. ll>^ I)
Eni Amxötov Icovcoi' anoLKia. Kai O^itjQog löxoQHtai yeyovcog na^y
"Eklrjöiv , (ög riveg, oi öe oUya it^orSQOv Kai ccXXoi vGt^QOv. In die-
sem Gewäseh des Syncell hat nun die Ansähe freilicli ihren W'ertli
verloren; wir lalsen uns aber dadurch nichl irre maclien, wir hallen
fest am Kusel)ios selbst und sehen in dessen aus Kastor gezogenem
Berichte zugleicii eine Besläligun^ iinsercr Ansicht über den Ansatz,
Aristarchs. Denn » em sonst sollte Kastor hier wohl gefolgt sein als
dem Arislarch?
Und Lauer? Warum sagt er angesichts des Eusebios nur, dafs
Kastor den Homer mit der Wanderung gleichzeilig setze? Warum
citiert er nur die ed. Uom. und den Syncell ? Warum nicht auch den
Hieronymus und das griechische Original der Anecdola? Warum ci-
tiert er mit einem \N orte genau so wie Kischer-Soetbeers M)esle' und
' zugiingliclisle' Sammlung, welche zwar vor die Anecdola, aber nicht
vor den Scaliger t'alll und überall uuordeullich verlahrt? ^^'ar^nl ci-
tiert Lauer überhaui)t au allen Sielleu, wo bei ihm diese Clironogra-
l)hen ins Sj)iel kommen, immer genau so \\\e einer seiner Vorgänger?
Warum erwähnt er zuweilen von den Chronographen gar keinen in
Uebereinslimmung mit einem oder mehreren seiner Vorgänger? Wa-
rum? >>'eil Lauer weder den Syncell noch die Anecdota, weder den
armenischen Eusebios noch den Hieronymus jemals selbst in die Hand
genommen hat. \^'er''s nichl glauben will, vergleiche selbst weiter.
Mir ist es ein zu jämmerliches Schauspiel, einen angeblich so bedeu-
tenden Gelehrten, in'lem er ein dickleibiges Hucli über die Geschichte
Homers schreibt, bei den chronologischen Grundzahlen bestandig hin-
ter andern unordenilichen Leuten einherluumeln zu sehn.
Was aber nnserm Lauer bei Ilobcrt \A'ood so gefallen und ihn
'angeregt' hat, die Beobachtungen über den Westwind an der ioni-
schen Küste und das Kräuseln des Wafsers im sniyrnaiischen Meer-
busen und wenn noch sonst etwas ist, das alles, jetzt liegt es am
Tage, hat nicht der 'anregende' ^^'ood zuerst beobachtet: es ist
schrecklich aber wahr. Alle die Indicien aus den Gedichten, an denen
die neuere Philologie herumsucht und entdeckt, hatte Aristarch an
den Schuhen abgelaufen, bevor er seine Meinung feststellte. Ihm
waren auch die Indicien wohlbekannt, welche für Abfafsung der Ge-
dichte auf der Westküste Kleinasiens sprachen, ihm ebenso bekannt wie
etwa dem Wood oder Lauer. Nur dafs er etwas besonnener zu Werke
gieng. Er sonderte zuvörderst die unechten Stellen und thürmfe %. B.
nicht wie \^'ood (S. 167 der Hebers.) Olymp, Ossa und Pelion aufein-
der, um von diesem erhabenen Standpunkt herab das Vaterland des
Originalgenies zu eräugen, sondern in derlei himmelstürmerischen
und halsbrechenden Fällen läfst sich das liebevolle und vorsorgliche
ad-exuxuL hören. Einiges andere war durch richtige Interpretation be-
seitigt, wie zweifelsohne das niQr]v alog "HXiöog äura bei Wood S.
33 Uebers. Und was dann übrigblieb an stichhaltigen Indicien, in-
368 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie
durch liefs Aristarch sich nicht verleiten wie Wood und Lauer das
Kind mit dem Bade auszuschütten: er hehielt als Vaterland Homers
Athen bei, weil Ueherlieferung und innere Gründe für dasselbe spra-
chen, aber die Abfafsun^ oder doch die Vollendung der Gedichte setzte
er nach Kleinasien, natürlich nach Smyrna, wohin er den Homer im
Strome der ionischen Wanderung gelangen liefs.
Und war dieser Ansatz der Zeit, diese Theilnahme am Zuge des
Neleus und Androklos eine von Aristarch gemachte Combination? 0
nein! Er stützte sich auch hier auf eine Ueberlieferung. Dies wifsen
wir durch Aristarchs eignes Zeugnis, in der auch von Lauer Anm. 13i
S. 119 citierten aber gleichfalls nicht gehörig ausgebeuteten Stelle
des Clemens Alex. Strom. I, 21, 117 'AQiaxaQ'/pq öe iv xoig 'AqilXo-
Xsioig V7tO(ivr}(X(x6L nara trjv IcovkKTjv aitOLKiav (p)]Gi cpeQSö&a i cwrov.
^^ ie Aristarch sich die Verptlanzung der homerischen Poesie nach
los dachte, getraue ich mich noch nicht mit Bestimmtheit auszuspre-
chen. So viel ist gewis, dafs die lonier unterwegs längere Zeit auf
Naxos verweilten, also in der nächsten Nähe von los, und dafs da-
mals die Kykladen ionisch wurden. Man kann also füglich behaupten,
dafs bei dieser Gelegenheit durch Homer die Dichterschule auf los
begründet ward. Dafs dieses ysvog dann später behauptete , Homer
selbst sei auf los erzeugt und geboren worden und gehöre überhaupt
allein dieser Insel an, das wird kein verständiger als Beweis gegen
eine solche Ableitung von Athen betrachten. Trotz aller originel-
len Züge kann jene iefisehe Sage selber das Bewustsein nicht ver-
leugnen, dafs die Insel ihre homerische Poesie von Athen her bei Ge-
legenheit der ionischen Wanderung empfieng; dies Bewustsein offen-
bart sich deutlich genug in der Angabe, Homer sei zur Zeit der
ionischen Wanderung auf los geboren.
Niemals können wir den von Lauer so schmählich behandelten
Aristarch genug bewundern, seine Umsicht, seine l^nparteilichkeit,
seinen Scharfsinn, seine Methode, seine fast wunderbaren Resultate.
Er erklärt den Homer für einen Athener, aber das hindert ihn nicht
die sämmllicben altikisierenden Interpolationen zu erkennen: er setzt
die Abfafsung oder Vollendung der Gedichte nach Smyrna, aber das
hindert ihn nicht Homer für einen gebornen Athener zu erklären; er
läfst der ictischen und den sämmtlichen andern Localsagen Gerech-
tigkeit widerfahren, aber das hindert ihn nicht die Abfafsung oder
Vollendung der Gedichte nach Smyrna zu setzen. Er geht einen Weg,
in den alle andern Wege einmünden, so dafs zuletzt am Ziel alle In-
dicien aus den Gedichten und alle Ueberlieferungen hinter dem Ari-
starch stehen; aber der hat diesen Weg nicht gemacht, nein, er hat
nur entdeckt, dafs er schon da sei und nur gehcirig aufgeräumt und
gegen Anfälle befangener und unbesonnener Leute gesichert zu wer-
den brauche.
Und nun wollen wir uns doch auch einmal das berühmte Epi-
gramm ansehn, auf welches alle Welt so viel Gewicht legt bei den
Deduclioncn, wie unter den homerischen Orten Athen noch zur
Lauer: Gcseliichle der Iiniiierisclien Poesie. .300
letzt sich einen Platz erschlichen habe. Dies Epigramm
Uuilet so:
TqLi; fis xvQavvwGctvxa to6avraKi.g i^EÖico^Eu
öij^og JE^£jj^/Jog, rpig ö inavijyaysro
Tov (liyav iv ßuvXfjg IleLßlarQarov , og xov O^r^Qov
ijd'QOLOa 67ioQaöt]v ro ttqIv aeidoiievov.
H^ereQog yuQ Keivog o iQvaeog t]v ■jTokt'>]T}]g,
Möglich ist es allenralls, dies so zu verslehn, wie es neben Tze-
Izcs und vielen andern auch Lauer verstanden hat; ncmlicli so, als ol)
der Dichter einräume, Homer sei in Sniyrna gehören, und ihn Allien
nur insofern zueigne, als die Smyrnaier von Athen herstammten;
obgleich bei dieser Deutung der Ausdruck ijiiireQog noXi7jrrjg denn
doch etwas stark wäre, ^^'eit einfacher ist es aber anzunehmen, das
Epigramm setze als bekannt voraus, was es durfle, Homer gehöre in
die älteste Zeit des griechischen Smyrna. Blit dieser Voraussetzung
schliefst das Epigramm sehr richtig so: Homer wiw unter den Grün-
dern Smyrnas ; die Gründer Smyrnas waren Athener; folglich war Ho-
mer ein Athener. Diese Interpretation hat freilich die Autorität des
Tzetzes nicht für sich, aber doch wenigstens die des Aristarch.
In den Kreis der Tradition von Homers Theilnahme an der ioni-
schen >^'anderung gehört aber auch die Sage, dafs, als die Athener
ihre Ansiedlung nach lonien führten, die Musen in Gestalt von Bie-
nen der Flotte vor.inschwcblen und sie von Athen an die Küste Asiens
hinüberleitelen. Dafs es die Musen sind, welche die Flotte führen,
dabei hat die Sage gewis niciils anderes im Auge, als dafs Homer mit
auf der Flotte war ; die Bienengestalt, ein in Ephesos stark hervor-
tretendes religiöses Symbol, deutet daraufhin, dafs Ephesos, in der
ersten Zeit nach der Wanderung bekanntlich der Hauptort der Dode-
kapolis, bei der Wanderung selbst das nächste Ziel für die Hanpt-
masse der lonier war, unter der sich auch Homer befand; sodann
aber wird auch auf das liebliche in den Gesängen des Dichters ange-
spielt, von dessen Munde wie von dem seines Nestor die Hede süfser
als Honig fliefst; und drittens auf den Namen des Flnfses Meles bei
Smyrna, mo ja nach dieser Tradition der von seinem Geburtsorte
Athen mit den loniern nach Asien übersiedelnde Homer eine zweite
Heimat fand. Der Name des Meles wird im Alterthum bekanntlich
auch sonst mit dem Honig und dem lieblichen Klange der homerischen
Poesie in Verbindung gebracht, und gerade um jene Leitung der ioni-
schen Flotte durch die Musen in Gestalt von Bienen zu motivieren
sagt der ältere Philostratos im achten Gemälde des zweiten Buches,
dafs die 3Iusen an lonien Gefallen fanden wegen des Meles, dessen
Wafser Ttortixcoxeoov sei als Kephisos und Olmeios.
Philostratos wird auf diesen Punkt durch den Gegenstand des be-
zeichneten Gemäldes geführt. Dieses stellt nemlich eine Liebesscene
zwischen der Smyrnaierin Kritheis vor und dem Flufsgotte Meles, den
Eltern Homers , und die Musen slchn dabei und bereiten mit dem \\'illen
370 Lauer: Gescliichle der homerischen Poesie.
der Parzen dem Homer seinen Ursprung. Dies Gemälde selbst folgt
also niclit der athenisch -smyrnaiisclien, sondern jener rein smyrnaii-
schen Sage, nach der Homer zu Smyrna geboren ward. Und gibt
vielleiciit, so wird jetzt mancher fragen, gibt vielleicht Philostratos
Andeutungen darüber, welchem Stamme dieser smyrnaiische Homer
angehöre, ob dem ionischen oder dem aiolischen? Andeutungen nicht,
Pbilostratos spricht deutlich. Dafs es damals in Smyrna überbaupt
auch nur Aioler gab, davon ist gar niclit einmal die liede; dagegen
wird hervorgehoben, die Sage ven Homers Erzeugung zu Smyrna
durch 3Ieles und Kritheis sei eine ionische, Krilheis in lonien sei in
den Meles verliebt gewesen, Kritheis habe auf dem Bilde eine echt
ionische Gestalt, lonien sei um seines Flufses 3Ieles willen von den
Musen geliebt worden, und deshalb hätten diese die Athener nach lo-
nien geführt.
Lauer gedenkt dieses Gemäldes im Philostratos gar nicht. Ich
bin weit entfernt davon zu viel Gewicht auf dasselbe zu legen; wir
haben das ja auch nicht nöthig; es ist nur eben ein Zeugnis mehr da-
für, dafs nach der Meinung der Alten Suiyrna und sein Homer keines-
wegs, wie Lauer meint, im Anfange allein und unzweifelliaft den Ai-
olern gehorten, sondern dafs vielmelir dieser smyrnaiische Homer
durchaus ein lonier sei, ein Eigenthum jener altern ionischen Colonie,
welche von Athen und Ephesos her Smyrna besetzte, dann si)äter den
Besitz dieser Stadt zuerst mit Aiolern tlieilte, darauf von diesen nach
Kolophon verdrängt ward, endlich aber von Kolophon her die Aioler
gänzlich vertrieb. Dafür liefse sich noch vieles anilere von Lauer
nicht berücksichtigte anführen. Interessant wäre es gewesen, wenn
er alles hierher gehörige ciliert, kritisiert und neutralisiert oder auch
nicht neutralisiert hätte. Welcher hat (S. 156) wenigsteus citiert.
Von dem Ansätze Homers in 168 p. Tr., welchen die vita A c. 38
macht, behauptet Lauer unter Nr. 7, er lafse nicht gut eine Erklärung
zu und müfse auf einer besondern Rechnung beruhn. Auf einer be-
sondern Rechnung beruht er allerdings, aber eine Erklärung läfst
er recht wohl zu; ja die vita A gibt diese Erklärung gleich selbst
dabei, und zwar in demselben 38sten Capilel. 130 Jahre, sagt sie, sind
vom Anfange des troischen Krieges bis zur vollständigen Besitznahme
von Lesbos durch die Aioler, von da bis zur y.xiöig von Kyme 20
Jahre, von da bis zur kymaiischen Colonie in Smyrna 18 Jahre, und
zu der Zeit ist Homer geboren. Ano yaq xi]g eig 'IXlov ctQaDjUjg, rjv
Msvikaog Kai Ayaixe^pojv ayeiQccv , k'reßLV vßreQOv eaaTOv Kcd xQia-
Kovra Aißßog (pMG&t] nara TToleig , itQovcQOv iovßa anoXig. (isia ds
Aeßßov oiruG'&eiGav e'teGcv vaTSQOv ei'KOßt Kv^i] r] AioXuiiXLg ymI 0QI,-
aai'lg yMXeo^ei'yj (p'/Jß&r]. ^ixa Öl Kv^i}]v oy^xco>icdösKa e'xsßiv vGxegov
Z!^v^pa ciTTO Kvixauov y.ax(p-/.LG&rj, y.cd iv xovx(p yivixat O^ijQog.
Diesen Nachweis kennt Lauer nicht. Die Frage, wie das gekommen,
da er doch eben dies Capitel citiert uud das Resultat der Rechnung
angibt, diese Frage löst er wieder selbst durch jene zu Anfang des
Abschnilles S. 115 getbane Aeufserung, die Angaben über Homers
Lauer: Gosdiiclilc der lioDierlscIicii Poesie, 371
Zeit seien am besten und z ii gän j>l i eli s leu bei Fisciicr und Soclbeer
7jis;in!nicn»esU'lll. Er iuil. die vila A niclil selbst nachgelesen , son-
dern nur Fisclier nnd Soelbeer. Diese aber liaben den <j;ciiamilen Nacli-
>veis niebl beigelugl, oilenbar deshalb, ueil sie iiin schon S. 10 in
dem Abschnitt über die troische Aera gegeben ballen; so wiederholen
sie hier bei Homer S. 45 nur eben dasjenige, was Lauer wörtlich über-
setzt und für nicht gut erklärbar erklärt. Lauer bat also nicht einmal
Fischer und Soelbeer ordentlich gelesen, sondern nur gerade den Ab-
schnitt über Homer, der noch dazu — sollte man es glauben? — bei
diesem Ansalze ausdrücklich auf jene Irühere Stelle zurückdeutet.
\>'oraul' die .lahrszahlen l'ür die Ktißcig von Lesbos, Kyme, Smyr-
na beruhen, fügt die vila nicht hinzu, man erräth es aber leiciit. Der
Ansatz für Lesbos, 130 J. p. Tr. obsideri coeptam, ist nichts als ein
runder Ausdruck für die Ueberlieferung, die Aioler hätten die Erobe-
rung von Lesbos Mm vierten Ges c b 1 ech t' nach Orestes vollen-
det. Hierauf führt erstlich die Zahl 130 selbst, zweitens aber auch
die ausdrückliche Bestimmung, sie sei von dem Zeilpunkt an gerech-
net, wo Agamemnon und Menelaos gegen ilios zogen. Damals war
Orestes gerade geboren. ^A'as aber die Zahl der Jahre und der Ge-
schlechter betrifft, so vollcudele bekanntlich jene Eroberung von Les-
bos Gras, der Sohn des Archelaos, des Sohnes des Penlhilos, des
Sohnes des Orestes. Drei volle Geschlechter sind r=r ICO Jahren; aus
dem vierten nahm man die runde Zahl 30, nicht 20 oder 25, um den
anführenden Fürsten möglichst alt zu machen. Dafs nun weiter Kyme
20 Jahre nach Lesbos, Smyrna 18 Jahre nach Kyme von den Aiolern
colonisiert seien, das sind ursprünglich vereinzelte locale Traditionen,
wie man ja z. ß. in den einander benachbarten Scbweslerstädlen By-
zantion und Ciialkedon wüste oder zu wifsen glaubte, dal's Chalke-
don gerade 17 Jahre älter sei als Byzanfion.
Der Ansatz 168 p. Tr. für Homer beruht nun also einerseits auf
der Annahme der genannten Daten für die xrifffig, andrerseits auf der
Annahme, Homer sei zur Zeit der aioliscben Colonisalion von Smyrna
geboren. Worauf diese letztere Annahme der vita A beruhe, ist eine
neue Frage. Die vila setzt Homers Geburt mit der Gründung von
Smyrna deshalb gleiclizcitig, weil sie cap. 1. 2. 3 eine Ueberlieferung
wiedergab, nach welcher Kritbeis mit Homer schwanger gebend dem
Boiotcr Ismenias als Giittiii nach dem zu colonisierenden Smyrna folgte.
Hiermit genau übereinstimmend heilst es dann cap. 38 Zi.(VQvci xottco-
ntßd'r], Kai iv rovra y'vexaL ''0(A.i]Qog. Ob aber der Ansatz, Homers
Geburt sei mit der aioliscben Gründung von Smyrna gleichzeitig, auch
ursprünglich gerade auf dieser Version der Sage beruhte, ist wieder
eine andere Frage, unabhängig von der nach den Motiven der vita.
Hire Beantwortung brauche ich hier nicht zu unlernehmen. Denn
so viel ist jedesFalls gewis, dafs das Datum 168 p. Tr. sich nur auf den
aioliscben Homer beziehe, d. h. auf den wirklichen oder vorgeblichen
Anthcil, welchen die Aioler durch Absendung von E|)oiken nach dem
ionischen Smyrna an der homerischen Poesie bekamen. Und so v^ol-
372 Lauer: Geschichte der hoincrischen Poesie.
len wir denn nur noch hervorheben, dafs diese aiolische Reclinuiig die
aiolische JtTt'ött; von Smyrna 168 Jahre nach Beginn des Iroischen
Kriegs ansetzt, d. h. für Troja die Aera des Eratosthenes angenom-
men in 1193 — 168 := 1025 vor Chr., wahrend bei derselben Aera
für Troja und dem jüngsten Ansätze für die ionische Wanderung, l-ib
.]. 1». Tr. c, diese ^^ anderung doch schon in 1038 v. Ciir. fallt, also
13 Jahre früher. Nimmt man aber wie billig auch für die ionische
A\ anderung den Ansatz des Eratosthenes, den zweiljüngsten, 140 Jahre
j). Tr. c, so fallt diese \N'anderung 18 Jahre früher als die aiolische
Colonie nach Smyrna. Auf die alleren Ansätze der ionischen \^'an-
derung brauche ich gar nicht einmal Gewicht zu legen, was ich dürfte;
denn so viel leuchtet ein, dafs die lonier vor der Zeit der aiolischen
Epoiken Smyrna jedesfalls lange genug allein besafsen, um die ganze
llias und Odyssee fertig zu dichten, mag man nun einen oder mehrere
Dichter annehmen. Die Lieder von den Nibelungen sind bekanntlich
sammt und sonders innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren gedich-
tet, ein Umstand, auf den mich Lachmann mit Bezug auf Homer oft
genug hingewiesen hat.
Wollte jemand sagen, es fehle noch der Beweis, dafs die lo-
nier unmitlelbar oder doch bald nach iiirer Ankunft in Asien Smyrna
besetzten, so würden wir ihm zuvörderst entgegenhalten, dafs siimnit-
liche andere Städte loniens sogleich nach Ankunft der lonier besetzt
wurden, und sodann, dafs es keine Tradition über einen ephesischen
Homer gibt. Wäre Homer oder die homerischen Dichter lange in
Ephesos geblieben, so würde sich unfehlbar eine solche Tradition ge-
bildet haben und von den Ephesiern gebührend hervorgehoben sein.
Aber setzen wir den Fall, jemand hätte bewiesen, die aiolische
Colonie in Smyrna sei eben so alt oder gar älter als die ionische; es
leuchtet ein, dafs dadurch der lonisnuis des sniyrnaiischen Homer
nicht in Frage gestellt würde. Dies würde nur dadurch geschehn kön-
nen, dafs man bewiese, in der ganzen Zeit bis etwa auf Gyges herab
hätten ausschliefslich die Aioler allein Smyrna besefsen , die erste io-
nische Colonie daselbst sei blofse Fielion. Und diesen Beweis, meine
ich, wird niemand zu führen im Stande sein.
Die vita A fügt ihrer Berechnung des Abslandes zwischen Troja
und Homer noch die Angabe hinzu , von Homer bis zur didßaSig des
Xerxes seien 6:12 Jahre verilofsen. Combiniert man diese Angabe mit
der über den Abstand Homers vom troischen Kriege, so ergibt sich
als Datum für den Anfang dieses Krieges das Jahr 1270 v. Chr., als
Geburtsjahr Homers aber das Jahr 1102. Wollte man hierauf Gewicht
legen zu Gunsten der Aioler in Smyrna, so würden wir natürlich für
die lonier ganz dieselbe Iroische Aera in Anspruch nehmen müfsen,
und das Verhältnis der Zeiten würde genau so bleiben, wie wir es
eben sahen, vorausgesetzt nemlich, dafs wir auch dann noch so grofs-
nuithig wären auf den Gebrauch der älteren Daten für die ionische
Wanderung zu verzichten. Uebrigens aber dürfen wir gar nicht die
beiden Angaben der vita combinieren; denn die eine, die Rechnung
I,auer : Gojfcfiiclilo der homorisclieii Poesie. 37'i
über den Abstand Homers von Trojn , bernhl, wie wir sahen, auf aio-
lischer Sage; die andere aber, welche niehl niil jener verwel)!, son-
dern ga\\7. lose nnd iinlserlich neben sie «reslelll ist, der Abstand Ho-
mers von Xerxes, diese Angabe ist nichts als ein Heclienexenipel spä-
terer. Ich mache mir ein specielles Vergnügen daraus auch dies nocii
zu beweisen, nm so mehr, da Laners Behauptung-, die Rechnung der
vita lal'se nicht gut eine Erklärung zu, sich auf diesen von Lauer ge-
kannten Abstand der 622 .1. zw ischen Homer und Xerxes ausdrücklich
mit bezieht. Zwischen der Iliov cclcüöig nnd der ()ia(5ci6ig des Xerxes
liegen nach der Combinalion ans der vita ()i2 + KJM — 10 = 780
Jahre ; das sind aber gerade J3 y.vxloi zu 60 .lahrcn, 13 X 60:= 780.
Also Avie z. B. Duris der Samier von der lUov alcaatg bis zur Siäßa-
ßig Alexanders runde 1000 Jahre rechnete, so rechnete irgend ein an-
derer von der lUov üXtoöig bis zur öiaßaatg des Xerxes runde 13 kv-
oiXoi. Diesen Ansatz hat der Autor der vita aufgegrilfen ; er zog von
der Zahl der 13 %vk),oi zu 60 Jahren = 780 J. die 158 Jahre ab,
welche er aus der aiolischen Sage für die Zeit von Trojas Fall bis auf
Homers Geburt halte, und so ergab sich ihm für die Zeit von Homer
bis Xerxes die Zahl von 622 Jahren. \\\e kann man nur von einer so
einfachen Rechnung sagen, sie lafse nicht gut eine Erklärung zu?
Unter Nr. 16 wird der berühmte Ansatz Ilerodots, Homer habe
400 Jahre vor ihm gelebt und nicht mehr, durch die Annahme erklärt,
Herodot zähle die 400 Jahre vom Jahre 439 v. Chr. rückwärts und
setze den troischen Krieg — Lauer drückt sich unbestimmt mit einem
p, Tr. aus, so, dafs man wohl die TtSQßtg verstehn nuifs — in 1280 v.
Chr., rechne also von Troja bis auf Homer 7 Kyklen zu 63 Jahren =:
441 Jahre, und von Homer bis zur ersten Olympiade einen Kyklos zu
63 Jahren. Aber ist es denn so gewis, dafs Ende oder Anfang des
troischen Kriegs dem Herodot in l"i80 v. Chr. fiel? Und wer bürgt uns
dafür, dafs er die 400 Jahre gerade von 439 v. Chr. ab rückwärts
zählte? Und läfst sich denn dem Herodot überhaupt sonst für die grie-
chische Geschichte die Rechnung in Kyklen nachweisen? Ich glaube
kaum; bekannt aber ist, dafs er oft ausdrücklich nach ysveatg rech-
net, von denen er nach der umständlichen Berechnung II, 142 aus-
drücklich sagt, dafs er 3 ysveab 100 Jahren gleichsetze. Diese Art der
Rechnung liegt ohne Zweifel auch der Angabe über Homer zum Grunde.
Darauf deutet schon der Umstand, dafs Herodot nicht ein bestimmtes
Jahr oder Ereignis aus der Zeit seines Lebens als terminus angibt,
von welchem er die 400 Jahre rückwärts zähle , sondern sein ganzes
Leben, oder genauer, seine ganze ysverj als terminus a quo ansieht:
* vierhundert Jahre vor mir.' Also 12 yeveal vor der seinigen lebte
Homer dem Herodot. — Wie kam Herodot zu dieser Annahme? Eine
interessante Frage, deren Lösung mir auf der Hand zu liegen scheint.
Dafs im kleinasiatischen lonien wie im übrigen Griechenland die
Geschlechter ihre Stammbäume hatten, unterliegt keinem Zweifel. So
wifsen wir z. B. aus Herodot selbst, II, 143, dafs der Jlilesier Heka-
taios den Priestern im aegyptischen Theben sein Geschlecht aufzählte
374 Lauer: Gcschichle der lionierischcn Poesie.
und im löten Gliede seinen väterliclien Stamm an einen Goft (walir-
sclioinlicli den Apollon) anknüpfte. DaCs auch Homer in solchen
Slamnibaumen vorkam, wer wollte es leugnen? Oder sollten wolil
nicht h. B. die Ilomeriden auf Chios in ihrem Stammbaum im so und
so viellen Gliede an den Homer angeknüpft haben? Dals indes llero-
dot diesen chiischen Stammbaum seiner Berechnung zum Grunde legte,
ist nicht glaublich; erstens weil die Homeriden auf Chios den Homer
sicherlich in eine frühere Zeit gerückt haben, zweitens weil Herodot
zu Chios in keinem besonders nahen Verhaltnisse stand. Zu einem
andern ionischen Staate aber stand Herodot bekanntlich in einem be-
sonders nahen Verhältnisse, zu Samos. Auf dieser insel halte er Ver-
wandte, aus seiner Vaterstadt vertrieben lebte er hier längere Zeit,
hier sog er seinen lonismus ein, diese Insel, sein zweites Vaterland,
kannteer, wie seine Schilderung zeigt, in ihren einzelnen Verhält-
nissen aufs genauste. Und gab es denn nicht auf Samos ein Geschlecht,
in dessen Stammbaum Homer vorkommen nuiste? Oder knüpften viel-
leicht die Kreophylier von Samos ihr Geschlecht nicht an Homer an,
den Schwiegervater des Kreophylos?
Ich denke, es ist sicher, dafs Herodot seine Angabo auf Grund
des ofliciellen Stammbaums der saniischen Kreophylier machte. Daher
die Bestimmtheit, mit der er redet; 'vierhundert Jahre und nicht
mehr.' Und somit verschwinden alle Schwierigkeilen, welche diese
aulTallende Angabe den Gelehrten gemacht hat. Sie stellt nur das Al-
ter Homers in Bezug auf Samos dar; vierhundert Jahre vor Herodot
kam die homerische Poesie auf Samos an.
Dafs Lauer von dieser einfachen Sache durchaus keine Ahnung
gehabt hat, ist um so bemerkenswerther, als er ja einen grofsen ge-
lehrten und theoretischen Aufsalz über die samischen Kreophylier an-
fertigte. Ein bedeutendes Stück desselben ist in der uns vorliegenden
'Geschichte der homerischen Poesie' enthalten, tlieils noch von Lauer
selbst hineingearbeitet, tlieils von den Herausgebern angefügt, s. Vorr.
S. Xll. S. 211 Anm. 108. Sollen wir einmal diese Partie der Arbeit
betrachten und zusehn, wie das neugewonnene Kesultat ihr passt, und
ob Lauer sich nicht unendlich viel leeres Gerede hätte sparen können,
wenn er die Augen aufgemacht und vor allem den Ansatz Herodots
darauf bezogen hätte, worauf er bezogen werden mufs?
Ich denke es ist befser sogleich zur Stelle des Herodot zurück-
zukehren, wo es noch etwas zu betrachten gibt.
Herodot fafst nemlich in seiner Zeilbestimmung den Ilesiod mit
Homer zusammen; er nennt sie gleichzeitig, stellt aber beidemal, wo
er die Namen nennt, den Ilesiod voran. Wie ist das zu verstehn?
Ueber Hesiods Zeitalter haben wir eine eben so grofse Bienge
von Angaben wie über das des Homer. Aber diese Masse ist quali-
tativ lange nicht so bedeutend, es liegt ihr ungleich weniger Ueberlie-
ferung zum Grunde. Der deutliche Beweis ist der, dafs die weit über-
wiegende Mehrzahl der Zeugnisse das Zeitaller Hesiods nach Homer
bestimmt, indem die einen den Hesiod älter nennen als Homer, die
Lauer: Gescliiclilo <ler liomcrisclien Poesie. 37.")
andern jünger, eine drille Gruppe aber einen Altersgenofsen Homers;
ganz wie Tzetzes sagi, Ciiiliad. XII, 163:
HGiO()og 0 TTQOxefJog Kara rivag Oft t^pov,
VMrd Ti}'ag ö i6o%QOVog^ vöTSQOg y.a'& ir^govg.
Diese Art der Zeilheslimniung beweist, dals bei Hesiodos die Con-
joelur einen uniileich grölsern Spielraum halle als bei Homer. Man
slülzle sich bei diesem Conjicieren über Hesiod vor allem auf die Ver-
frleiohtino- seiner Gedichte mit Homer. Dem Arislarch erj{ab diese
Vergleicluinii' das Hesnilaf, dafs Hesiod jiiiijier sein miiisc als Homer,
nnd er bemerkte durch Diplen die zahlreichen Stellen, deren Kennt-
nis in Hesiods Gedichten sich zeige. Ein anderes Ergebnis halte He-
rodol; er setzte beide Dichter in dieselbe Zeit, und zwar olFenbar
deshalb, weil er ihnen ganz denselben Wirkungskreis zuerkannte:
ovroi öe eiGt ot nofrjöavrsg &£oyovi)]v Ekkrjöt, nai xolai Q'EOlGl rag
inoivv^dag doweg xal ri^dg ts xal xeyyccg ötekövreg, KCil el'dia avtcöv
öij^t'jvavrsg. Und indem wir dies erkennen , wird es zugleich auch
deutlich, weshalb Herodot den Hesiodos vor Homer stellt: Homer
vertritt die praktische Seife des Gesehäfls, Hesiod die theoretische.
Der Ansatz des Sosibios wird unler Nr. 15 ganz richtig in 5 Ky-
klen zu 63 Jahren aufgelöst. Aber die Darstellung ist undeutlich, weil
der Verf. nicht ausdrücklich sagt, dafs diese 3J5 Jahre vom Anfange
des troischen Kriegs zu zählen sind. Vom Ende desselben bis Homer
zählte Sosibios nur 305 Jahre. Bei Talian wird Sosibios nicht ge-
nannt, aber seine Rechnung ist ausgedrückt in den folgenden Worten,
die ich nach der sachlich gewis richtigen Schreibung Ottos hersetze:
Tiveg de ttqo rav Olv[.i7ti(iS(ov ecpaGav avTov yayovevai areci-v ivevt]-
v.ovxa , zovTeßri, ftfr« rrjv IXvov akcoßLv l'reGi, XQuenoöLoLg enray.alösy.a.
Hier ist Sosibios Ausatz auf Eralosthenes Jahr für Trojas Fall redii-
ciert, welches 12 Jahr früher liegt als das des Sosibios; 12 + 305
= 317. In den Handschriften und frühern Ausgaben erscheinen Ta-
tians Worte sehr entstellt, und die Vergleichung von Eusebios Praep.
evang. X, 11. Chron. II p. 314 Rom. Hieron. p. 97 Seal. Syncell. p.
181 A, welche Stellen sämmtlich, wie schon oben bemerkt, nur eine
Wiederholung des Tatian sind, sie zeigen, dafs die Verderbnis ini
Tatian alt sei. In allen diesen Wiederholungen fehlt die Angabe des
Abslandes von 90 Jahren zwischen Ol. 1 und Homer, und statt der 317
Jahre werden 400 angegeben. Durch Eusebios und Syncell sind Fi-
scher-Soetbeer S. 49 und C. Müller Fragm. chronol. p. 197 verfdhrt
worden zu der Meinung, es habe im Alterthum wirklich einen Ansatz
Homers in 400 p. Tr. gegeben, und dieser sei aus dem Ansätze Hero-
dols geflofsen. Lauer schweigt hiervon wie von der Stelle Tatians,
welche Fischer und Müller nicht erwähnen. Die Sache scheint ihm be-
denklich vorgekommen zu sein. Hätte er, der die alten Herren mit
der Perrücke so gern da ciliert, wo sie nichts mehr nützen, hier doch
den Maranus nachgeschlagen; der setzt die Sache ganz leidlich aus-
einander.
Von dem Grunde des sosibianischen Ansatzes ist bei Lauer auch
376 Lauer: Gescliichle der lionierischcii Poesie.
nicht die Hede. Halten wir uns, um ihn zu linden, nur wieder (reif-
lich und munter auf den Weg voran, welclien die Aiigahe selbst be-
zeichnet. Die Hauptstelle über Sosibios, Clem. Alex. Strom. I, 21,
117 beginnt damit, dafs Sosibios den Homer in das achte Jahr von
Charillos ßaaiksLa setze: ^coölßiog de o ylaxcov iv %q6vcov avciyQacpfj
KUTcc xo oyöoov erog rijg XaQilkov xov TLolvdiKxov ßaai,XHag"0^'riQOV
(piqu. Die Rechnung beruht, wie bemerkt, auf der Uebersetzung von
5 Kyklen p. Tr. obsideri coeptam in Zahlen. Aber warum nimmt So-
sibios gerade 5 Kyklen, so dals Homer in Charillos Zeit fallt? Warum
nicht 4 oder 3 Kyklen?
Sosibios ist ein Lakone, nach Lakouika lafst die Sage Homers
Gedichte durch Lykurg kommen, Lykurg ist Vormund des Charillos.
Wir haben hier also einen Ansatz, welcher auf die Sage von der
Verpllanzung der homerischen Poesie nach Lakonika sich stützt, der
aber, weil die Sage das genaue Jahr dieser Verpllanzung nicht angab,
dieses Jahr nach Rechnung in Kyklen bestimmt.
Aber Marum setzt Sosibios nicht geradezu blofs die Verpflanzung
der homerischen Poesie nach Lakonika in das achte Jahr des Charil-
los? Warum den Homer selbst? ^^'ie stimmt das mit der Sage? Läfst
diese nicht den Lykurg die Poesie von den anoyovoig des Kreophylos
bekommen? War Kreophylos nicht ein Schwiegersohn Homers? Sind
wir doch auf falscher Fährte?
Ich denke doch nicht. Oder es müste nicht neben dieser eben
erwähnten noch eine andere, von Lauer auch S. 226, wo er des brei-
tem über Lykurg und Kreophylos sich ausliifst, völlig unberührt ge-
lafsene Version der Sage gegeben haben, nach welcher Lykurg den
Homer selbst von Angesicht zu Angesicht sah. Plutarch Lyc. 1 Ti-
(.laiog de vnovoEi, övotv iv ZlTtäQX'T] yeyovoxcov AvKovQyav ov xaxa
Tov avxov 'ji^QOvov^ reo ixigco xag a^cpotv TtQa^sig 6i,a xrjv öo^av ava-
KEiG&aL • nal xov ye TtQSößvxsQov ov tcoqqco xcov Oii^qov '/^qopojv ysyo-
vivai, l'vioL ÖE Kai kccv'' oiIjiv evxvieiv Ofii^^oj. Die Ansicht dieser
k'vioi^ vom persönlichen ZusammentrelTen Homers und Lykurgs, sie ist,
das liifst sich nicht wegdisputieren, die des Sosibios; denn der macht
ausdrücklich den Homer zum Zeitgenofsen des Lykurg.
Timaios, der sich nach Polybios XII, 12 sehr viel mit den einhei-
mischen Quellen der lakonischen Chronologie beschäftigte, fand in ih-
nen die Sage vom persönlichen Zusammentreffen Homers und Lykurgs
so stark betont, dafs er sich veranlafst sah den Lykurg in zwei Per-
sonen zu spalten, deren eine, die ältere, er in die Zeit schob, wel-
che Homer nach den besten Ansätzen einnimmt, indem er nicht be-
dachte oder bedenken konnte, dafs die Sage vom Zusammentreffen
der beiden gar nicht den alten athenisch- smyrnaiischen Homer meint.
Aehnlich entstand die vulgäre Sage. Man konnte es sich nicht
reimen, dafs Lykurg sollte den Homer selbst gesehn haben, welchen
die meisten und gewichtigsten Autoritäten fast 200 Jahre älter mach-
ten als den Lykurg. Nun substituierte die Sage für Homer selbst die
Lauer : Geschichte der homerischen Poesie. 377
Nachkommen des Kreophylos , von welchen Lykurg die Poesie erhal-
len habe.
Dals aber die eben aufgedeckte Version der Sage, die Version,
nach welcher Lykurg den Homer selbst trifft, die stolzeste Version,
dafs diese die spartanische Nationalsage war, kann keinem Zweifel
unterliegen. Deshalb lediglich folgt ihr auch der Lakone Sosibios,
deshalb rückt er den Homer in die Zeit Iierab, welche ihm für Lykurg
anderweitig feststand, deshalb nimmt er gerade fünf Kyklen , nicht
vier oder drei.
Und nun ist es ein schönes Zusammentreffen zweier in ihren Grün-
den verschiedener Hechnungen, dafs Sosibios Ansatz, der lakonische,
mit Herodots Ansatz, dem samischen, genau übereinstimmt. Denn
von Samos soll ja eben Lykurg die Poesie geholt haben.
Herodot ist geboren 484 v. Chr., seine yevs')] reicht also von
484 — 451 V. Chr., er setzt den Homer 400 Jahre vor sich, also dessen
ysveri in 884 — 851, Sosibios Ansatz aber, 90 Jahre vor Ol. 1, 1 = 776
V. Chr., trifft in 866 v. Chr., mitten in die yevsij des samischen Homer
bei Herodot.
Und doch könnte gerade dies Schwierigkeiten machen. Soll denn
Lykurg mit Homer gerade damals zusammengetroffen sein, als Homer
18 Jahr alt war?
Verschmähn wir getrost alle Kniffe und Winkelzüge der schlech-
ten Chronologie, sagen wir nicht, dafs Herodot sich verrechnet habe,
dafs das Jahr 884 v. Chr. nicht Homers Geburt, sondern seine ukiitj
bezeichne, dafs 12 yeveai nicht gerade 4 Jahrhunderte auszumachen
brauchten, dafs Sosibios den Lykurg zu früh ansetze, dafs er nicht
ausdrücklich sage, die Zusammenkunft Lykurgs und Homers falle in
das achte Jahr des Charillos, sondern dafs er nur bei diesem durch
seine Kyklen bestimmten Jahr, weil es doch bei einem sein muste, den
Homer als Zeitgenofsen des Lykurg nenne, dafs die Traditionen zweier
Länder über dieselbe Begebenheit nicht zu stimmen brauchten, und
was sich noch sonst alles ersinnen läfst. Erkennen wir ruhig an, dafs
bei einer so langen Reihe von yeveaig die Abweichungen , die hier
und da von der gewöhnlichen Zeit der Heirat vorkommen mochten,
sich in der Regel ausgleichen werden, dafs Sosibios wie die andern
der Ueberlieferung folgt, die den Lykurg in den ersten Jahren des
Charillos seine Reiseji machen läfst, kurz, bleiben wir ohne Ausllucht
bei dem Jahre, welches nun einmal überliefert ist, und denken uns in
ihm, dem 18ten Lebensjahre Homers, die Zusammenkunft Homers und
Lykurgs.
Dadurch begehn wir keine Absurdität, wenn wir nur nicht das
Ihun, was gethan zu haben Lauer seinen Vorgängern vorwirft, nem-
lich wenn wir nur nicht die sagenhafte Natur der Ueberlieferung vom
Homer verkennen.
W^as ist denn eigentlich die yfvfij Homers nach samischer Rech-
nung? Mögen wir überhaupt an Homers Persönlichkeit glauben oder
nicht, die yevei^ desselben nach samischer Rechnung ist doch wohl, si
N. Jahrb. f. Phil. m. Paed. Bd. LXVII. Hft. 4. 25
378 Lauer: Geschichle der homerischen Poesie.
dis placet, in keinem Fall etwas anderes als das erste Drilleljahrhun-
dert der Plleg-e homerischer Poesie auf Samos? Wenn die Sage diese
erste Blütezeit unter dem Namen Homers personificierte, so konnte
sie den Anfang derselben nicht als axfirj, sondern nuiste ihn als Ge-
burt fafsen. ^^'er das nicht begreift, der begreift überhaupt das We-
sen der Sage nicht.
Ich will ihm aber durch einen äufsern positiven Beweis zu Hilfe
kommen. Die homerische Poesie auf los datiert, wie wir sahen, von
der ionischen Wanderung her. Und in welche Zeit setzt die ietische
Sage Homers Geburt? Rechnet sie etwa fein zurück und setzt Homers
Geburt 33 Jahre vor die Zeit der ionischen Wanderung? 0 nein, sie sagt
ausdrücklich, Homer sei zur Zeit der ionischen Wanderung geboren.
Gerade so ist es mit der samischen Sage. Der ietischen Sage
ist sie auch darin iihnlich, dafs sie aus guten Gründen nicht wagt,
Homers Geburt nach Samos zu setzen; denn nach los setzt wenigstens
die spätere ietische Sage Homers Geburt auch nicht. Doch ist der
Unterschied da, dafs die leten wenigstens Homers Erzeugung ihrer
Insel stets vindicierten, während die samische Sage nur von einer
Heise Homers nach Samos, einem Besuche daselbst beim Kreophylos,
einer Heirat dieses letztern mit Homers Tochter u. dgl. mehr weifs.
Die Geburt Homers aber setzten die Samier, wie die lelen, in
die Zeit, wo die homerische Poesie in Samos durch die Schule der
Kreophylier Eingang fand, um das Jahr 884 v. Chr. Etwa 18 Jahre
später, um 866 v. Chr., theilte diese Schule den Samos sehr befreun-
deten Lakedaimoniern die homerischen Gedichte mit. Das ist der hi-
storische Inhalt der Ueberlieferung, wie ihn das schöne Zusammen-
treffen der beiden Rechnungen ergibt, der lakonischen bei Sosibios
und der samischen bei Herodot.
Was hätte Lauer wohl gegeben, wenn ihm einer dies Zusammen-
treffen damals gezeigt hätte, als er den grofsen theoretischen Aufsatz
über Homer und die Kreophylier schrieb?
Aber was sage ich da? Selber hat er es ja gesehn, er sagt ja in
seiner 'Geschichte der homerischen Poesie' beim Ansätze des Sosibios
S. J23 ausdrücklich, Sosibios habe den Homer ^ziemlich' in dieselbe
Zeit gerückt, in welche Herodot ihn setze I
Also mit sehenden Augen ist Lauer blind gewesen.
Auch das hat er niciit bemerkt, dafs die Milesier, die Nachbarn
der Samier, eine eben so eigenthümliche Rechnung über Homer hat-
ten, wie diese ihre Nebenbuhler, obschon er S. 126 Anni. 158 die
Nachricht erwähnt, Arktinos sei Schüler Homers gewesen, welche
Nachricht der von Lauer so vielfach erwähnte und benutzte Welcker
S. 211 bespricht. Sie ist sehr gut verbürgt, diese Nachricht, von Ar-
temon dem Klazomenier. Suid. AQ'Kxivog^ TijXea), rov J\avr£0) aTtoyo-
vov, MiXTqöLOg , inonoiog^ fiad"rjri]g OfxrjQov , cog Xsysi, o KXa^ofieviog
Aqzi^av iv tw negl'O^riQOv: yeyovcog xaia rriv 0' ^Olvfirtcada, fieta
rergazoGia l'rt] tmv TQCoinav. So schreibt ßernhardy. Er hätte wohl
gethan die Variante vi zu berücksichtigen. In ihr ist zugleich die Les-
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie. 379
art vfj iiherliefcrt. Diese muslc für zetgaKOCia in den Text und für
Ttjv &' war zu schreiben tijv a Olv^xTactöa. So restituiert slimnil die
Zeitbeslinimung- des Artemon nicht nur mit sich selbst und mit Kyrilios
adv. lul. j). 12 B TT^wri/ Olv^itiädi, Miktjaiog BTtoTtoiog AQKzivog ktys-
xai yEyovevai, sondern auch mit Eusebios, »elcher, >vic die Verglei-
cbung des Euseb. ed. Rom., des Hieron., und des Syncelius p. 2J2 C
lelirt, genau wie Arlemou in Ol. J, 2 = 775 v. Chr. die cx^tj des
Arklinos setzt. Nachher erscheint bei Eusebios Arktinos noch einmal
unter ül. 4 (Hieron. Ol, 3), aber nicht mit einem jjx|Lia^cV (florehat),
sondern mit einem agnoscitur ; und nicht allein , sondern hinter Eu-
inelos. Hier ist also nicht Arktinos der das Datum bestimmende, son-
dern Eumclos, und ersterer ist nur mit genannt als schon berühmt
werdend, »eil man die Ueberlieferung von einer dichterischen Ge-
meinschaft beider im Auge hat, nach welcher bekanntlich die Titano-
niachie bald dem einen bald dem andern zugeschrieben »ard. Euse-
bios freilich scheint dies Motiv seiner Quelle nicht zu ahnen; denn er
nennt andere Gedichte, aber die Titanomachie nicht. Achnlich ist die
Notiz bei Clem. Alex. Strom. I, 21, 131, Phanias sage, dafs Lesches
älter sei als Tcrpander, dieser aber jünger als Archilochos, Lesches
aber habe mit Arktinos gestritten (^ÖunuXkifixfuL) »ind ihn besiegt.
Lesches war des Arktinos Nebenbuhler, indem er einen von diesem
schon behandelten Stoff behandelte; daraus wird sich eine Sage von
einem personlichen Zusammentreffen und Wetlsingen der beiden ge-
bildet haben. Ebenso könnte man nun die Nachricht erklären Avollen,
dafs Arktinos Homers Schüler gewesen sei; man könnte sagen, sie sei
lediglich aus dem Verhältnisse der beiderseitigen Dichtungen zueinan-
der hervorgegangen. Die Frage aber, welche sich dann sofort erhe-
ben würde, nemlich wie es komme, dafs dieser 3Iilesier gerade zu-
erst den Homer fortsetzte, und zwar die Hias, diese Frage würde
denn doch wieder nur dahin zu beantworten sein, dafs es in Milet, der
Hauptstadt loniens, eben so gut eine homerische Dichterschule gege-
ben habe wie in Samos und in so manchen andern Orten, und dafs
Arktinos eben ein Mitglied dieses yivog war. Hierauf führt auch die
Art der genealogischen Nachricht des Artemon : ^AQKxivog Ttjkeco xov
JVavTfoJ unoyövov. Diese Worte deuten auf den Stammbaum eines
yivog, an dessen Spitze Nautes stand. Und angesichts dieser Ver-
hältnisse werden wir es nun nicht mehr bezweifeln dürfen, dafs die
Sage, welche den Arktinos einen Schüler Homers nennt, dabei eine
besondere milesische Rechnung über Homer berücksichtige, nach wel-
cher Homer in der yevsri i''^^'' Arktinos stand. Arktinos «jcju.»/ fällt,
wie wir sahen, in Ol. 1, 2 = 775 v. Chr., seine Geburt also in 808
etwa, die Geburt Homers aber nach milesischer Rechnung etwa in
842 V. Chr.
Dies würde also nach dem bei Samos entwickelten das unge-
fähre Datum für die Stiftung der homerischen Schule in Milet sein.
Diese Schule wäre demnach etwa 42 Jahre jünger als die samische;
damit stimmt es sehr gut, dafs die samische Sage vom Homer reicher
25*
380 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
erscheint als die milesische. Hierbei ist freilich zu berücksichtigen,
dafs in Milet die Verhältnisse mehr dahin wirkten als in Samos, der-
gleichen Sagen zu verdunkeln: ich meine den in Milet weit mehr als
in Samos hervortretenden ionischen Charakter, die noch viel gröfsere
geistige Regsamkeit, die Neuerungssucht, auch die völlige Zerstörung
der Stadt nach der Schlacht bei Lade. Indessen scheint soviel Avenig-
stens sicher, dafs die Milesier noch weniger als die Samier wagten.
Homers Geburt ihrer eignen Stadt zu vindicieren.
Unter Nr. 10 redet Lauer über den von Eratosthenes und Apollo-
doros recipierten Ansatz. Mit Recht behauptet er nach dem Vorgange
mehrerer, beide hatten ganz denselben Ansatz gehabt, 240 Jahre p.
Tr. 1183 a. Chr. c. n^ 943 v. Chr., und nach dem Vorgange C. Mül-
lers, diese 240 Jahre seien nichts als 4 Kyklen zu 60 Jahren. Nach
den Gründen des Ansatzes hat Lauer nicht einmal gefragt, obgleich
er seine beiden Vertreter S. 57 zu den ^einsichtigen Männern' rech-
net, 'einsichtige Männer' aber, sagt man, ihre Gründe zu haben ge-
wohnt sind. Warum sie nicht 1 oder 2 Kyklen p. Tr. nahmen , liegt
auf der Hand: Homer sollte jünger als die ionische Wanderung sein.
Hierfür behalf man sich im Alterthnm nicht blofs mit allgemeinen
Gründen , sondern man stellte ganz specielle Judicien aus den Ge-
dichten auf, wie z. R. Strabo VHI , 384 lehrt. Auf der audern Seite
waren 5 Kyklen dem Eratosthenes und Apollodoros zu viel ; sie
wollten nicht den jüngsten Ansätzen allein folgen. Sie wollten eine
Durchschnittszahl. Aber warum nahmen sie da nicht 3 Kyklen?
Zwei Gründe wenigstens des Apollodoros musle Lauer wilsen; zv\ei
des Apollodoros, sage ich; denn er kann mehrere und Eratosthenes
andere gehabt haben. Den einen Grund musle Lauer wifsen als Ho-
meriker; er steht in den Schollen und im Eustathios. Im Alterthum
war ein Streit, ob die Insel Samothrake nach dem alten Worte <J«,(to?
benannt sei, oder nach der samischen Colonie. War die Insel nach
der Colonie benannt, so muste Homer, der den Namen kennt, jünger
als diese Colonie sein. Und diese Colonie setzte Apollodoros 209
Jahre p. Tr. , indem er von ihr die Insel benannt sein liefs. Schol.
A D iV 12 2ojxi,oi OL iv Icovla ^lexa ötaxoöioötov y.al e'vaxov l'rog tcov
TQfOiYAOv iQip^ov k'Xaßov naqa xov Tlv&iov eig xrjv iv Tgcoadi 0Qa%7]v
^STOty.ijt^at,^ acp o)v iq Sa^xod'Qaxri TtQOörjyoQEv&ij. i] iGioQLCi nccqa
^ATtokXodcoocp. Im A fehlt y.cd evarov uud 7TQ06i]yoQev&ij — AttoXXo-
öoiQcp. Eustath. iV J2 p. 917, 6 "AXXoi, 81 tceqI rijg xOLUvxijg (.lexoixiag
cpccöiv öxi Zät.uoi i'^ looviag fxexa öiaxoaioGxov exog xdv Tqwiy,K)v y.al
f.iix()0v XL nqog iig xijv 2a(io&QaK7]v iiexcoMjGav , cog (.itj au öia xovg
xoiovxovg 2ut.dovg y.Xrj&ijvat Za^o&QOixrjv. ed. Lips. jxexaKiGav. Den
Zusatz von cog ju.?j ab hat entweder Eustathios selbst gemacht, oder er
bat die Nachricht aus einer Widerlegung des Apollodoros. — Den
andern Grund muste Lauer wifsen, weil er in der durchweg von ihm
citierten homerischen Hauptstelle des Clemens steht: 'AnoXXoöcoQog
ös fiera eyMxov l'xr] xijg IcoviKrjg anoiyiag Ayy]6iXciOV xov AoQVGGaiov
ylayeöcufxovitav (SaaiXsvovxog, coaxe STttßaXeiu ccvxa AvKOvqyov xov
Lauer: Geschichte der honicrisclien Poesie. .S>*1
vofiod'irjjv eil veov ovxa. Also Apollodoros lludet sicii veraiilursl aucli
die lakedaimonischc Sage vom Ziisaiiiiiienlreireii Lykurgs mit Homer
zu berücksiclitigen. Aber der grol'se Unterschied ist zwischen ihm
und Sosibios, dals er nicht wie dieser rein der spartanischen Sa<>c
folgt, sondern andern Gründen zu Liebe das Zusamnu-nlrellen ans der
Zeit der iTtLr^onia in die Jugendjahre des Lykurg hinaut'verlegl und
überdies noch den Lykurg etwas Iruher ansetzt. Hier zeigt sich der
Charakter des Ansatzes so reciit deutlich ; es ist ein Versuch zur Ver-
mittlung, eine Durchschnittsrechnung, eine Combination. Und des-
halb hat er keinen historischen Werth, obschon seine Autoren aller-
dings zu den 'einsichtigen Männern' gehören.
Lykurgs ImxQonici setzten bekanntlich Eralosthenes und Apollo-
doros 299 p. Tr. c. = 1183 — 299 =- 884 v. Chr., seine Geburt also
ungefähr in die Zeit um 920 v. Chr. Bei dem coör« mißdldv rio Ourj-
Q<a AvYMvqyov xov vojMod-kyjv tri veov övxc< ist an das zwanzigste
Lebensjahr etwa des Lykurg zu denken; so hätte denn Apollodoros in
900 V. Chr. etwa das Zusammenlrelfen mit Homer verlegt. Wie alt
dachte sich ApoUodor damals den Homer? Als einen Mann von 43
oder von 76 Jahren? iMit andern Worten, setzte er in 240 p. Tr. Ho-
mers UKiiri oder seine Geburt? Ich denke, für die feierliche Uebergabe
der Gedichte an Lykurg behufs der Einfülirnng in Sparta ist der sechs-
undsiebziger passender als der drciundvierziger; und ausdrücklich
sagt Tatian (in der Hauptstelle), ApoUodor setze Homers «KfirJ in 240
p. Tr. Aber den Tatian zeihen neuere freilich des Irthums. Was
thut unser Lauer? In einer Anmerkung, S. 121 Nr. 142 meint er, wenn
man den Ansatz des Jahres 943 v. Chr. auf Homers Geburt beziehe, so
sei mit ihm ein gewi,5ser anderer unter Apollodoros Namen gegebener
Ansatz, wenn man diesen auf Homers Blüte beziehe, zu vereinigen,
wenn man in der diesen zweiten Ansatz betrelTenden Stelle eine ge-
wisse Aenderung vornehme. Nun das heifst in der That vorsichtig
sein! Aber Vorsicht ist die 3Iutter der Tapferkeit, so meinte wenig-
stens jener berühmte General, der immer geschlagen wurde. W^ollen
wir doch lieber etwas mehr Dreistigkeit besitzen. Die von Lauer be-
fürwortete Aenderung in jener zweiten von mir noch nicht genannten
Stelle ist unzweifelhaft, der Ansatz dieser Stelle läfst sich nicht nur
mit dem Ansatz 943 v. Chr. vereinigen, sondern beide müfsen sogar
vereinigt werden, und — unser Lauer hat doch nicht Recht, Apollo-
doros bezeichnet mit dem Jahre 943 v. Chr. doch Homers axft?;'.
Bei Hieronymus p. 106 anno 1101, oder vielmehr, sage ich, zwi-
schen 1101 und 1102, und, sage ich, in der ed. Rom. p. 321, zwischen
1104 und 1105, steht folgendes: In Lalhia hisloria ad verbum haec
scripta reperinms : Agrippa apud Latinos regnanle Homeriis poeta
in Graecia claruit, ut lestatur Apollodorus grammatictis et Euphor-
Irus (^Euphorbius ed. Rom.) historicus^ ante urbem conditam annis
CXXIV ^ et, ut ait Cornelius Nepos, ante ülyinpladem primani annis
C. Agrippa regiert von 915 bis 876 v. Chr., nach Hieronymus ed.
Seal., setze ich hinzu, nach der ed. Rom. regiert er von 913 — 873.
382 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
ISiin meint also Lauer, die Worte ante urbem condäam und ante
Olympiadem primam müsten ihre Plätze wechseln, und, weil Gellius
den Cornelius Nepos Homer in 160 a. u. c. setzen lafse, sei an unse-
rer Stelle ftir C zu lesen CLX. Das ist beides unzweifelhaft richtig-,
Nepos setzt auch nach dieser Stelle den Homer 160 J. a. u. c. ^:i= 910
V. Chr., unter Agrippa , und ebenfalls unter Agrippa, 124 a. Ol. 1, 1,
also in das Jahr 9O0 v. Chr. setzte ApuUodorus grammaticus • — Ho-
mers ciKfirj! Ei bewahre! Ich habe schon bei Arktinos auf den Unter-
schied hingedeutet, den die alte Chronologie zwischen dem ßorel,
'^jXjU.a^£^', und dem Berühmtwerden, dem agnoscitur oder claruit,
iyvwqi^ixo macht. ApoUodoros setzte in 900 v. Chr. den Zeitpunkt, wo
Homer in Griechenland berühmt wurde, iyvtaqi^no^ in Graecia cla-
ruit^ nemlich im eigentlichen Griechenland, im Mutterlande, durch
die von Lykurg nach dem Peloponnes gebrachten homerischen Gedichte.
Man erinnere sich, dafs ich vorhin auf einem andern Wege her-
ausgebracht habe, gerade in diese Zeit, um 900 v. Chr., müfse vom
ApoUodoros Homers und Lykurgs Zusammenkunft gesetzt sein.
Scaligers Conjectur Ephorus für Euphorbus lafse ich dahingestellt
sein, wie überhaupt den ganzen auch von Lauer nicht behandelten
Ansatz des Ephoros. Es gibt allerdings Nachrichten, die bestimmt
genug reden; aber es fragt sich, ob man den Auetoren trauen darf.
Auch darf uns diese Frage hier gleichgiltig erscheinen. Denn entwe-
der folgte Ephoros rein der aiolischen Chronologie, die wir schon
kennen, oder er machte eine Combination, die für uns natürlich eben
so wenig Werth hat wie die des ApoUodoros. Stimmte er mit diesem,
wie Scaliger will, nun gut; hat Scaliger Unrecht, nun dann hat nach
der Stelle des Hieronymus irgend ein anderer Mensch mit ApoUodoros
gestimmt, wie viele mit dem 'einsichtigen Manne' gestimmt haben
werden.
* Nach Philochoros' sagt Lauer unter Nr. 8 '^blühte Homer drei
Kyklen d. h. 180 .1. p. Tr. um die Zeit der ionischen Wanderung.'
Wäre das richtig, so wäre die Reduction auf xuxAot müfsig; denn dann
wären für Homer nicht drei y.vy.Xot mafsgebend, sondern die ionische
Wanderung, deren Ansatz dann eine Sache für sich wäre. Es ist aber
unzweifelhaft, wer nur selber die von Lauer citierten Stellen nach-
sehn und gehörig miteinander vergleichen will, dafs Lauer hier wie-
der in einen schülerhaften Fehler hineingerathen ist, und dafs Philo-
choros den Homer ausdrücklich später als die ionische Wanderung
setzt, und zwar 40 Jahre später, so dafs also Philochoros diese Wan-
derung wie Eratosthenes und ApoUodoros in 140 p. Tr. setzt, die auf
3 kvkXol zu reducierenden 180 Jahre aber ein selbständiger Ansatz
für Homer sind. Wenn nun Philochoros den Homer nach Asien setzte,
so würde man sagen dürfen, sein Ansatz bilde eine Art Complement
zu dem des ApoUodoros und Eratosthenes ; er stimme mit ihnen da-
rin, dafs Homer jünger sei als die ionische Wanderung und nach
Asien gehöre, nehme aber drei Kyklen, nicht vier, wie jene, weil er
auf die samische Colonie und Lykurg entweder nichts gebe oder beide
Lauer: (uscliiclile der lioiiKüischcn Poesie.
383
früher ansetze. Nun haben wir es hier aber mit einer grolsen von
Lauer gar nieht einmal geahnten Schwierigkeit zu thnn, nemlich mit
der in einer der von Lauer citierten Stellen enthaltenen Nachrielit,
daTs Philoehoros den Homer einen Argeier nenne. Dadurch wird die
Sache ungemein dunkel, und traue ich mir über die Motive des
Philoehoros nur insofern ein Urlheil zu, als ich behaupte, dafs ersieh
keinesfalls auf eine einfache Localtradition gestützt habe, sondern dafs
sein Ansatz eine sehr willkürliche Combination sein müfse. Es kann
keine wirkliche argeiische Sage gegeben haben, die den argeiischen
Homer in 1003 v. Chr. setzte. Damit stimmt dasjenige vollkommen,
was der hier von Lauer nicht berücksichtigte ^\'ek■ker S. 191 sagt.
Euthymenes und Archemachos, bericiilet Clemens von Alexan-
dria, setzten Homers Geburt 200 Jahre nach der Einnahme Troias.
Diese Angabe läfst sich schwerlich mit Lauer (unter Nr. 9) als Aus-
druck von 3 Kyklen zu 63 Jahren fafsen, sondern es sind doch ganz
offenbar sechs yaveai. Sechs y^veal machen ja genau 200 Jahre aus,
wogegen drei Kyklen zu 63 Jahren, wie Lauer seihst bemerkt, nur
:=^ 189 Jahren sind. Wenn man annehmen dürfte, Homer werde 200
Jahre nach Anfang des troischen Krieges gesetzt, so könnte man al-
lenfalls versucht sein zu glauben, diesem Ansätze liege eine Berech-
nung zum Grunde, welche den Homer drei Kyklen zu 63 Jahren =
189 J. nach dem Ende des zehnjährigen Krieges setzte; dann könnte
man nemlich 200 vielleicht als Abrundung für 199 betrachten. Dafs
Lauer die Sache so ansah, erhellt aus der Tabelle, in welcher er S.
124 siimmtliche Daten zusammenstellt. Hier heifst es
p. Tr.
Kyklen j Jahre
3 200
a. Chr.
(994)
Euthymenes. Archemachos (Nr. 9).
Dabei hätte denn zum wenigsten bemerkt werden müfsen, dafs das
'p. Tr.' in Bezug auf die erste Spalte ganz anders zu verstehn ist
als in Bezug auf die zweite; hier bedeutet es posl Troiani obsideri
coeptam, 1193—199 (rund 200) -~ 994 a. Chr.; für die erste Spalte
bedeutet 'p. Tr.' aber post Troiom capfam, 1183 — 189 (3 Kyklen
zu 63) = 994 a. Chr. Abgesehn von dieser abscheulichen Confusion,
welche den chronologisch weniger geübten völlig irre macht, fällt
die ganze Lauersche Berechnung durch die in der betreffenden Stelle
selbst beigefügte Bemerkung, die 200 Jahre seien vom Ende des troi-
schen Krieges gezählt: negi ro öiaKoöioGiov i'iog vöreQou Tr]g Ikiov
akcoaEcog. Also in der Tabelle mufs es heifsen
post Trojam captam
6 yevecd | 200 J.
Euthymenes. Archemachos.
Chr. n.
983
Nachdem dies festgestellt, drängt sich alsbald die Frage auf, ob
nicht auch hier der Stammbaum nachzuweisen sei, auf dem die An-
gabe beruhe. Denn dafs sie auf einem Stammbaum beruhe , versteht
sich wohl von selbst.
Ich könnte hier gerade denselben Weg gehn wie bei Herodot,
und die persönlichen Verhältnisse der Autoren des Ansatzes zum Lei-
384 Lauer: Geschichte der homerischen Poeflie,
ter der Untersuchung machen; indessen würde dieser Weg hier für
jetzt noch etwas beschwerlich sein; so behalte ich mir es also vor,
ihn bei einer andern Gelegenheit zu zeigen; sehn wir uns hier lieber
allein die Stelle des Clemens an, welche die Nachricht überliefert,
Strom. I, 21, 117. Sie sagt deutlich genug, daTs dem Ansätze nichts
mehr und nichts weniger zum Grunde liege als der Stammbaum , den
wir bei Herodot abwiesen, der Stammbaum derHomeriden von Cbios:
Ev&vi-Livrig öe iv Tor," j^QOVtnoig övvccK^aöavra 'H6i6öc3 im AkccGxov
iv Xico yeviö&at ne^l ro öiaKoGioßtov k'rog vöreQov rrjg IXCov crAco-
aeag. xavxiig öi eötl xi]g öo^}]g Kai Aq^i^ay^og iv Evßoincov T^irco.
Diese Stelle mit ihrem ausdrücklichen iv AYco druckt Lauer un-
rer dem Text ab und merkt doch nichts. Welcher S. 177 läfst das
Zeugnis des Archemachos ganz unerwähnt, indem er in einer Note die
Stelle des Clemens blofs nennt und im Text sagt, nur Euthymenes,
der auch das Jahr wifse, in welchem Homer geboren sei, sage, die-
ser sei in Cbios geboren; Euthymenes sei vermutblich derselbe mit
Hypermenes, der in einer Schrift über Chios von Skindapsos, dem
Diener Homers, etwas erzähle; die Sache gehöre also zu der Masse
gelehrter Lügen, die durch die spätere alte Litteratur verbreitet seien.
Um nun also von Skindapsos und des Hypermenes gelehrten Lü-
gen auf den chiischen Stammbaum zurückzukommen, dafs das Jahr,
in welches er die Geburt Homers setzt, nichts anderes sei als das
Datum für die Stiftung der chiischen Schule, daran brauche ich nach
den vorangegangenen Untersuchungen nur eben zu erinnern. Chios
steht für die, welche an einen persönlichen Homer glauben, diesem
Homer näher als Samos und Milet; aber nach Chios selbst gehört er
auch nicht, seine Geburt gehört nach Athen, seine axju,?^ mit den Ge-
dichten in die Zeit der ionischen Wanderung, die zweite Hälfte seines
Lebens nach Smyrna ; nach Cbios in 983 v. Chr. gehört er nicht. Ver-
pflanzt aber ward die homerische Poesie aus Smyrna nach Chios ; von
dieser Thatsache erhielt sich, wie wir oben sahen, die Erinnerung
neben der (offenbar Jüngern) Sage von Homers Geburt auf Chios;
jetzt wird die Wahrheit durch die Zahlen bestätigt.
In demselben Verhältnis aber, wie die chiische Sage zu Smyrna,
steht wiederum die smyrnaiische zu Athen. Auch in Smyrna ist es
erst eine jüngere Sage, welche Homers Geburt nach Smyrna selbst
verlegt , und neben ihr erhielt sich die Erinnerung an die Herkunft
aus Athen.
Dreifach ist die Ueberlieferung in Bezug auf Smyrna. Die eine
Erzählung, die aiolische, setzt Homers Geburt in die Zeit, wo die
aiolischen Epoiken sich in Smyrna niederliefsen ; dadurch schien der
aiolische Stamm Antheil an Homer zu erhalten ; und da nachher
die Aioler lange Zeit hindurch allein Smyrna besafsen, war es mög-
lich, eine förmliche aiolische Homersage mit den fingierten aiolischen
Genealogien des Charax und der anderen auszubilden; sie liefs den
Homer in Kyme von einem Kymaier und der Kymaierin Kritheis er-
zeugt, in Smyrna nur geboren sein.
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie. 38.)
Die zweite, altere und eclitere Sag-e nennt den Homer den Sohn
der Nymphe Kritheis und des Flufse Meles und setzt ihn ganz nach
Smyrna ; dies ist ionisclie Sage; sie steht parallel mit den Sagen, wel-
che den Homer in los und in Chios geboren sein lalsen, und hat ohne
Zweifel, ganz analog diesen beiden Sagen und der aiolisch-smyrnaii-
schen und der saniischen und milcsischen, Homers Gehurt zu Smyrna
in die Zeit der ionischen Wanderung gesetzt, wo Smyrna der home-
rischen Poesie theilhaft ward.
Wie aber bei Chios sich nachweisen liefs, dais neben der jun-
gem Sage, welche Homers Gehurt der Insel seihst vindiciert, die
ältere Erinnerung fortbestand, dafs Homer von Smyrna nach Chios
gekommen sei , so bestand neben der rein smyrnaiischcn ionischen
Sage, welche den Homer ganz nach Smyrna setzt, die ältere Erinne-
rung fort, dafs er von Athen nach Smyrna gekommen sei. Diese Er-
innerung brachte Aristarch zu Ehren.
Besonders interessant ist es zu bemerken, wie auch Chios seine
Abhängigkeit in letzter Instanz von Athen fühlt. Damastes, welcher
den Homer für einen Chier erklärte, ohne Zweifel doch auf Grund der
chiischen Behauptungen, gab in seiner, ohne Zweifel doch auf Grund
des chiischen Stammbaums entworfenen Genealogie Homers als Ahn-
herrn desselben im zehnten Gliede den Musaios an, vit. F lin. 1 'Ava-
^ifiivtjg Kai ^aixaaxrjg Kai IIlvöaQog Xtov xov Ofir]QOv aTCocpatvovrat,
xal &ioyiQLTog' o 6s ^aiiaörTjg Kai öeKazov avrov aiio MovGaiov qjrjöl
yeyovivai. Also selbst die rein chiische Homersage mit ihrem chii-
schen Stammbaum, welche auch Homers Geburt nach Chios setzt,
selbst sie beugt sich vor Athen, insofern sie Homers Geschlecht we-
nigstens von Athen herstammen, ihn also xo avBKa&ev AQ'^vaiov sein
läfst. Beugt auch ihr euch, Homeriker von heute, beugt euch vor
Aristarch.
Unsern Lauer verlieren wir hier ganz aus dem Gesichte. Wel-
cker dagegen hat erkannt, dafs der Musaios des Damastes auf Athen
geht. Welcher macht dabei jedoch einen Fehler. Nemlich in vita C
wird dem Damastes ganz dieselbe Genealogie zugeschrieben wie dem
Hellanikos und dem Pherekydes, eine kymaiisch-aiolische , welche
den Musaios gar nicht zeigt, im zehnten Gliede aber über Homer den
Dorion. Nun meint Welcher, diese Genealogie sei wirklich auch die
des Damastes, bis auf den einen Unterschied, dafs Damastes statt des
Dorion den Musaios gehabt habe, was die vita nicht zu bemerken
brauchte. Damastes habe also über Smyrna, auf welches die Genea-
logie in vita C unzweifelhaft hindeutet, Chios mit Athen in Verbin-
dung gesetzt. Das ist gewis falsch. W^er die kymaiisch-aiolische
Genealogie des Hellanikos und Pherekydes hatte, mit dem Maion als
Vater Homers, dem Dios als Oheim, dem Hesiodos als Vetter, dem
Melanopos als Grofsvaler , dem Gründer Kymes Chariphemos als Ur-
urgrofsvater : der muste den Homer auch in Smyrna geboren sein la-
fsen, konnte seine Geburl nicht nach Chios setzen, wie Damastes nach
dem nicht anzuzweifelnden und auch von Welcher nicht angezweifel-
386 Lauer: Gescliiclile der homerischen Poesie.
ten Zeugnisse der vila F that. Es ist vielmehr die Nennung des iNa-
mens Damastes in der vita C, EkldvtKog öe aal ztaixaGrijg aal 0eQe-
Kvörig, ein reines Versehen, wie sie sich in den vifis Ilomericis ja
in Namen und Zahlen öfter zeigen , ein Versehn welches um so leich-
ter möglich war als jene drei Leute sonst oft zusammen genannt wur-
den, ein Versehn des Proklos selbst, oder eines andern vielleicht un-
wifsenden.
Aber wie man auch hierüber urtheile, Chios als Vaterland und
dabei der Athener Slusaios als zehnter Vorfahr des chiischen Homer
bleibt als Behauptung des Damastes und somit auch der Chier selbst
gewis. Musaios der Athener I Steht hiermit nicht auch die Sage in
Verbindung, welche die lonier von Alben nach Asien durch die Mu-
sen hinüberführen läfst, und die andere Sage, welche den Vater des
Homers von los einen Genofsen der Musen nennt? los hat ja gerade
bei der ionischen Wanderung seine homerische Poesie von Athen aus
empfangen! Sollte die ganze homerische Poesie nicht
vielleicht wirklich in gerader Linie von jenen Dienern
der Musen, den attischen Thrakern, abstammen?
Aber wo ist denn unser aiolischer Lauer? Sucht er ein Citat in
den vilis, im Eusebios oder in den Scholien? Dort sehe ich ihn beim
Ansätze Nr. 2. Er erklärt eben, nach dem Vorgange C. Müllers, die-
ser Ansatz, 24 J. p. Tr. , stamme aus der DilTerenz einer älteren troi-
scben Acra von der des Eratosthenes. Er ist aber nicht deutlich ge-
nug. Wie Sosibios Trojas Fall 12 Jahre später ansetzte als Eratosthe-
nes, so gab es eine andere Rechnung, welche ihn 24 Jahre früher an-
setzte als Eratosthenes. Nur haben wir gesehn, dafs einige den Ho-
mor mit dem troischen Kriege gleichzeitig setzten, also bei der von
Eratosthenes befolgten Rechnung in 1193 — 1183. Anderen schien dies
Datum für Homer bequem, aber nicht für den troischen Krieg, für
welchen sie jene ältere Aera vorzogen. Diese musten sagen, Homer
habe 24 Jahre p. Tr. gelebt.
Lauer fügt zur Auswahl noch eine Erklärung bei, nemlich man
habe dem Dichter die 24 Jahre gegeben, um seine Gedichte dichten
zu können. Diese Erklärung ist unstatthaft; denn wer bürgt uns wohl
dafür, dafs der Ansatz sich ursprünglich gerade auf den Zeitpunkt der
vollendeten Gedichte bezog?
Uebrigens ist dieser Ansatz identisch mit dem, welcher bei Eu-
sebios unter der Form erscheint, dafs Homer zu der Zeit gelebt habe,
als Orestes zu Delphi den Pyrrbos erschlug, ed. Rom. p. 312 bei 853
Abr. Hicron. Seal. p. 94 zwischen 854 und 855. Diese Stelle im Euse-
bios erwähnt Lauer nicht, obschon der von ihm citierte C. Müller
sie erwähnt, der aber wieder ungenügend citiert.
Unter Nr. 5 läfst der Verf. wieder zwei Meinungen frei, über den
Ansatz 150 p. Tr. : erstens zwei Kyklen in Mondjahren nebst der troi-
schen Differenz = 2 X 63 + 24 :^ 150, und zweitens fünf Men-
schcnaller. Letzteres ist aber gewis nicht anzunehmen. Fünf ysveai
sind 166% Jahre. Wie sollte man diese zu 150 und nicht vielmehr zu
Lauer; Gescliichte der lioiiierisclieii Poesie. 387
165 oder zu 160 oder zu 170 Jahren abgerundet haben? Die ersle
Hechnung- dagegen befriedigt vollkomnien. Nur musle bei ihr aus-
einandergesclÄt werden, wie der Ansatz ursprünglich nacli der era-
lostlienischen Aera gemacht und dann durch licduction auf die ältere
Aera in seine jetzige Fafsung gebracht ist. üen Homer setzt er in
1057 V. Chr. , also 2 Kyklcn zu 63 = 126 J. nach 1183; wer das Jahr
1057 V. Chr. für Homer passend fand, den Iroischen Krieg aber 1217
— 1207 ansetzte, der nuiste sagen, Homer habe 126 -f- 24 =:r^ 150 J.
p. Tr. gelebt.
Hätte Lauer dies durchdacht, so würde er auch geschn haben,
dafs der ganze Ansatz nichts als eine Variante zu dem unter Nr. 4
von ihm beigebrachten Ansätze aus Pbiloslratos sei; es besteht zwi-
schen seiner ursprünglichen Fafsung und dem aus Philostratos nur der
formelle Unterschied, dafs letzterer den Homer in das erste Jahr des
dritten Kyklos p. Tr. setzt, der unsrige aber in das letzte Jahr des
zweiten. Also unser Ansatz, 150 p. Tr. c. , meint eigentlich, wie der
aus Philostratos, Homer falle in die Zeit der ionischen Wanderung.
'Drei Kyklen' sagt Lauer unter Nr. 6 'drei Kyklen weniger die
Differenz 24 haben wir in der Angabe, dafs Homer 165 J. p. Tr. ge-
lebt habe.' Lauer muste hinzufügen, bei dieser lleduction gelte als
ursprüngliche Form des Ansatzes folgende : 3 Kyklen zu 63 J. =
1H9 J. p. Tr. 1207 a. Chr. captam --:= 1018 v. Chr.; dies Jahr, 1018 v.
Chr. , habe ein anderer für Homer passend gefunden , habe aber ge-
glaubt, der Fall Troias sei 24 J. später zu setzen, hinfolglich gesagt,
Homer falle in 3 X 63 — 24 = 165 J. p. Tr. c. ; ursprünglich also
sei der Ansatz identisch mit dem des Philochoros gewesen.
So muste Lauei sagen , falls er für den hier besprochenen An-
satz und den des Philochoros Verschiedenheit der Motive nicht nach-
weisen konnte. Solche Verschiedenheit aber läfst sich nun freilich
nachweisen.
Lauer hat wieder einmal die Augen nicht offen gehabt. ^N'ie
heifst es in der Stelle, wo der Ansatz 165 p. Tr. gegeben wird, bei
Kyrillos adv. lulian. p. 11 D ? 'E>iaxo6x(o l^tjxoöro) nal nifiitra) erst
tfjg IXiov aXcoöEcog'OiirjQOv xal Hßioöov cpaßi, yaveG&at,^ ßaötkevovrog
ylccKsöccLfiovlcav Aaßwxov. Warum ßaGLlevovxog ytaKedai^ovlcov Aa-
ßcoTOv! — Antwort, weil es eine Ansicht gab, nach der Lykurg Vor-
mund nicht des Charilaos, sondern des Labotas war. Herodot. I, 65
Ol ^Ev drj ziveg TtQog xovvolGi Xiyovdi Kcd cpQaaai avxa xr^v nv&irjv
xov vvv Kaxeßxeaxcc noßnov ^TCaQXirjxyjöL' cog Ös avxol ylaKsöaifioinoi,
leyovöi, AvKovQyov imxQOTiEvöavxa Aecoßojxeco^ aöeXcpiöiov [lev
ecavxov ßaGt,Xevovxog ^ 2naQxi,y]xi(ov^ in KQ'i]X)]g ccyayeö&ai. xavra.
Diese Nachricht Herodots , dafs Lykurg Labotas Vormund war , er-
wähnt Pausanias III, 2, 3 mit sichtlicher Verwunderung, und ohne,
wie aus dem gleich folgenden erhellt, auf sie etwas zu geben. Er
sagt nemlich §. 4, Lykurg habe £7x1 rrjg ^AyriCtdccov ßaGdelag die Ge-
setze gegeben, woraus hervorgeht, dafs er sich als Mündel den Cha-
rilaos denkt, welcher nachher mit Agesilaos Sohne Archelaos herschte,
388 Lauer: Geschiclile der homerischen Poesie.
Plul. Lyc. 5. Und so steht überhaupt Herodots Zeugnis g-anz ver-
einzelt, und, wie Schweigliäuser zu Herodot sagt, Lykurg führt magno
consensu auctorum über Charillos die Vormundschaft. Auch kann
gar nicht die Rede davon sein, dafs wir den Lykurg, welcher den
Homer aus lonien holte, in Labotas Zeit setzen sollten; aber das ist
interessant zu bemerken, wie viel Gewicht im Alterlhum die Sage
von Homers und Lykurgs persönlichem Zusammentrelfen gehabt haben
mufs. Kaum dafs irgendwo ganz vereinzelt die Behauptung auftaucht,
Lykurg sei Vormund des Labotas gewesen, gleich ist auch die Be-
hauptung da, Homer habe zur Zeit des Labotas gelebt.
Auch Eusebios hat sie überliefert. Hieronym. p. 101 Abr. 996
Labotae 3 Quidam Homerum et Hesiodum his tejnporlbus f'uisse scri-
bunt. Edit. Rom. p. 317 Abr. 1002 Labotae 9 Quidam Homerum et
Hesiodum his temporibns fuisse asserunt ; alii mul/o ante. Hierzu
citiert Mai Syncell. p. 176 \)'^'0^a'}]Qog zaVHöLOÖog (oiaza. rovag) , aber
p. 176 D setzt Syncellus den Homer nicht unter Salomo, wie Eusebios
und Hieronymus 11. cc, sondern unter David, und hat auch einen ganz
andern Wortlaut: Etc avxov (seil, rov /laßiS) 6 ^iyag noL)]zr]g
'0^7}Qog TtaQ "EXhpi %al 'HüLodog. Hierzu fehlt bei Eusebios und
Hieronymus die entsprechende Notiz ; denn mit dem oben besproche-
nen allerdings unter David fallenden Ansätze lonica emigratio, in qua
quidam Homerum fuisse scribunt^ darf man die Angabe des Syncel-
lus nicht für identisch halten, obschon sie offenbar ebenfalls auf die
ionische Wanderung zu beziehn ist.
Lauer bezieht sie an dieser Stelle auf nichts; er hat sie über-
sehn, obgleich Fischer wenigstens die edit. Rom. citiert, in sehr un-
ordentlicher Art. In der Tabelle S. 124 bringt Lauer diese Stelle der
ed. Rom., falsch gelesen und reduciert wie bei Fischer. Also Lauer
hat entweder seine Tabelle gar nicht nach seiner eignen Arbeit, son-
dern nach Fischer gemacht; oder er ist zu unordentlich gewesen, den
später gefundenen Zusatz auch in die Arbeit selbst hineinzubringen.
Was Lauer seiner Reduction des kyrillischen Ansatzes 165 p. Tr.
hinzufügt, mit ihm scheine der des Cassius identisch zu sein, welcher
Homers '^Leben' 'mehr als 160 J. p. Tr.' ansetzt, und der Ansatz noch
anderer 160 p. Tr. sei nur ein ungenauer Ausdruck für die 165 J. des
Kyrill, das ist ganz richtig; aber bewiesen hat es Lauer nicht; denn
der Umstand, dafs 160 ein ungenauer Ausdruck für 165, und 'mehr als
160' gerade eben 165 sein kann, beweist doch nicht, dafs es wirk-
lich so sei. Es läfst sich indessen dem Verhältnisse der Zahlen ein
innerliches Moment hinzufügen. Bei Eusebios wie bei Kyrillos werden,
wie wir sahen, Homer und Hesiodos als gleichzeitig genannt; gerade
dieselbe Bestimmung gab auch Cassius, und ebenso verfährt endlich
auch Philostratos Her. p. 727 Ol., wo er den Wettstreit Homers und
Hcsiods in Chalkis 160 p. Tr. ansetzt. Hieraus sieht man, dafs Philo-
stratos und Cassius ganz dasselbe meinen wie Eusebios und Kyrillos:
die Gleichzeitigkeit der beiden Dichter inhaeriert dem Ansätze. Nur
darf man dies nicht so verstehn , als ob Hesiod der bestimmende sei ;
Lauer : Geschichte der hnmcrisclien Poesie. 3S1)
Ilesiod wird vielmehr, wie nach der oheii von nns iiug-eslelllen Betrach-
tung hei Ilerodot und hei vielen andern, diircii Homer heslimmt, mit
dem man ilin nach Indicien ans den Gedichten fiir gleichzeitig hält,
und den Homer bestimmt l.ahotas, das vermeintliche Mündel Lykurgs.
Dafs nun dieser Ansatz von dem des IMiilochoros innerlich durch-
aus verschieden ist, erhellt zur Genüge daraus, weil (nach Gellius III,
11) Philochoros den Ilesiod ausdrücklich für jünger als Homer erklärte,
und weil Philochoros den Homer sich als einen Argeier dachte, wel-
che Ansicht jede Berücksichtigung der Sage ausschliefst, nach wel-
cher Lykurg die Poesie vom Homer aus lonien holte.
Für die Abrundung 160 p. Tr. stellt Lauer wie völlig gleichbe-
deutend zwei Citate auf, den Philostratos und die vita G 29; völlig
gleichbedeutend sind diese beiden aber nicht; denn vita G setzt mit
dem bestimmtesten Ausdrucke, reri%9at O^rjQov, Homers Geburt in
160 p. Tr., Philostratos aber, wie bemerkt, den crycov. Aber für eine
blofse Variante zu dem Ansätze bei Philostratos wird man den der
vita ansehn dürfen; der Autor des letztern wollte den Jüngern An-
sätzen Homers in etwas Rechnung tragen, und setzte daher in das ihm
gegebene Jahr 160 nicht den aycou , sondern die Geburt.
Fischer-Soetbeer und C. Müller berücksichtigen den Unterschied
zwischen der vita G und Philostratos ebenfalls nicht; der erstere läfst
die Worte beider zusammen abdrucken, aber die des Philostratos mit
Auslafsung des Zusatzes, welcher die Angabe auf die Zeit des aycav
bezieht. Sollte unser Lauer vielleicht auch den Philostratos nicht selbst
nachgeschlagen haben? Was er sonst noch aus Philostratos beibringt,
S. 118 Anm. 131 die Worte, in denen der Ansatz 24 p. Tr. gegeben
wird, und S. 119 Nr. 4 das unklare Referat über den Ansatz 127 p.
Tr., konnte er ebenfalls aus C. Müller und Fischer-Soetbeer entneh-
men, welche über diese beiden Ansätze die betreffenden Worte des
Philostratos beide haben abdrucken lafsen, mit Angabe der Seiten-
zahl nach Boissonade, wie auch unser 3Iaun citiert. Alle drei An-
sätze stehn in einer und derselben Stelle des Philostratos, p. 194
Boiss., p. 726. 727 in der mir für den Augenblick allein zugänglichen
ed. Olear. Es gibt jedoch aufser dieser Stelle des Philostratos noch
eine andere in derselben Schrift von mindestens eben so grofser Wich-
tigkeit, welche C. Müller und Fischer-Soetbeer nicht citieren, und
welche denn auch unser Mann nicht kennt, Prooem. $. 3 p. 667 Ol.
üonjviM] jxev yaQ rjv tcsql te ra (.lavtiia, nsQt rs xov Akxixtjvr]g Hga-
kXicc, Kcid'LGxaiiivri x£ ccQxi,^ xci ov7t(ji ■ijßaßxovöa. 'OfxijQog 6s ovTtco
Tjöev. akX o[ fisv Tgolag alovGijg,^ oi ös oUyaig tj oxrco ysvsalg vaxe-
Qov ETtcd'iß'&at avxov xij 7toii](i£i XiyovGiv aX}! öficog olöev o IIqcoxs-
ßllecog ra 0(i'i]QOV navxa.
Die drei Data dieser Stelle sind den dreien jener andern ähnlich,
und Philostratos mag sie wohl als so ungefähr ihnen entsprechend und
sie vertretend angesehn haben; aber für ursprünglich identisch mit
ihnen können sie nicht gelten. Denn wenn man auch zugeben wollte,
mit dem Tqoiccg akovarjg unserer Stelle könne allenfalls dasselbe ge-
390 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
meint sein, wie p. 726 mit den 24 J. p. Tr., und mit den oXlyaiq ys-
veatg unserer Stelle dasselbe wie p. 726 mit den 127 J. p. Tr., so
würde doch das dritte Datum unserer Stelle ootw yeveaig fiera t«
TQioiy.K "Oii^iQOv STii'&eß&ai tjj Ttoitjöei, durchaus unvereinbar sein mit
dem dritten Datum p. 726, welches den oiycov in 160 p. Tr. setzt. Denn
hierbei liegen doch höchstens 4, befser wohl nur 3 yeveai zwischen
Homers Geburt und dem Jahre der Einnahme Troias, und wenn man
nun, wie allerdings billig, die yever'j mitzählt, in welcher Troia ge-
nommen wird, und die, in welcher Homer sich der Poesie widmet,
so gibt das doch immer nur fünf, höchstens sechs ysvsai, nicht acht.
Ebensowenig lauft das erste Datum unserer Stelle auf dasselbe hinaus,
wie der von Lauer (unter Nr. 1) behandelte Ansatz Dionysios des Ky-
Ulographen ; dieser läfst den Homer beide thebische Kriege und den
Iroischen erleben, Philostratos aber sagt, Homer habe gleich nach der
Einnahme von Uios sich der Poesie gewidmet.
Diese Bestimmung ist vielmehr eine ganz selbständige Conjectur,
welche sich den Homer als Jüngling von der eben erfolgten Einnahme
Troias begeistert und zur Kunst hingewendet denkt.
Der dritte Ansatz unserer Stelle ist nichts anderes als das Datum
des chiischen Stammbaums, welcher 200 Jahre zwischen Homers Ge-
burt und der Einnahme Troias hat, also, den terminus a quo mitge-
zählt, die yeveij, in der Troia fallt, bis zu dem Zeitpunkte, wo Homer
Dichter ist, acht ysveal.
Das zweite Datum unserer Stelle, welches den der Poesie sich
widmenden Homer einige Geschlechter p. Tr. setzt, hat eine Genealo-
gie des in Athen geborenen Homer vor Augen, und insofern dieser in
Athen geborene Homer aKfia^cov die ionische Wanderung mitmacht,
bei den 127 Jahren aber in der andern Stelle des Philostratos p. 726,
wie wir oben bei Nr. 4 sahen, die ionische Wanderung das bestim-
mende ist, laufen denn allerdings diese beiden Ansätze der beiden
Stellen im Philostratos auf eins hinaus.
An den Stammbaum eines athenischen yivog ist hier natürlich
nicht zu denken; denn so viele Nachrichten auch Homer mit Athen in
Verbindung bringen und ihn einen Athener nennen, ihre Anzahl ist
allerdings Legion, von einer Homeridenschule in Athen wird nichts
überliefert; und das kann uns auch durchaus nicht Wunder nehmen,
da ja Homer eben a^fta^ojv mit den loniern nach Asien gegangen sein
soll. Nichtsdestoweniger ist es durchaus glaublich, dafs durch die
Sage eine Genealogie Homers überliefert war, welche seine Geburt
nach Athen und etwa 3 ycveac p. Tr., eine yevei^ vor der ionischen
Wanderung setzte; und auf eine solche Genealogie müfsen wir die
oXtyai yeveai bei Philostratos zurückführen, weil alle andern Ansätze,
an welche man der Zeit nach denken könnte, nicht nach yevealg rech-
nen, sondern nach nvKkoig oder HTLöeig. Aristarch wird unter an-
dern! auch diese athenische Genealogie gekannt haben.
Auf sie läfst sich auch der von C. Müller, Fischer-Soetbeer und
Lauer nicht erwähnte Ansatz reducieren, welchen die vita B 1 ohne
Lauer: Gescliiclile der homerischen Poesie. 891
Nennung des Auclors c. 5 niaclil, Ilouier iiube JOO .l.ihre nach dem
Iroischen Kriei^e gelebt. Doch kann liier allerdings auch hlol's jenes
Misversländnia des eratoslhenischen Ansatzes zu suchen sein, weither
den Homer in 240 p. Tr. und in 100 p. Ion. niigrat. setzte, wonach an-
dere sagten, Eralosthcncs habe den Homer 100 p. Tr. gesetzt.
Durch ein ähnliches Misverständnis ist in der vita E IG die eben-
falls von C. Müller, Fischer-Soetbeer und Lauer nicht erwähnte Angabe
entstanden, Homer falle in 150 \*. Ion. migrat. Hier ist weiter nichts
zu suchen als der oben betrachtete auf einen falschen lerminus a quo
bezogene Ansatz lüO p. Tr.
Da wir einmal dabei sind, Ansätze zu bringen, welche Lauer
&eÖ3v rsQKSööi, md-i^aag, will sagen unter den Auspicien von C. Müller
und Fischer-Soetbeer übergeht, so möge hier nun auch gleich die von
einigen hartnäckig durchgefochtene Behauptung stehn, Homer habe
gegen das Ende von Archippos Regierung gelebt, welcher 35 .Jahre
geherscht habe. Proklos de genere Hesiodi c. 2 ZvinmianivaL ö av-
xov (seil. xov'HgIoöov) ot [ihv Oiii']QCO qjaaiv, oi dh xai OfxriQov tcqo-
yei'eßrsQOv eivai SiiGivQi^ovxca. zal ot /xev nQoysvißXEQOv eivca xov-
xov Oi^irjQOv diiG'/vQi^o^Evoi IV a^yccig dvai (paßt, xijg Ao^iimov ao-
X'ijs-, OfxrjQOv 6 if TW xslst. o d "AQXiitJtog ovxog viog ?}i' Av.äaxov,
uQi^ag A&r]vaLC0V e'xi] as'. Bei Eusebios heischt Archippos nicht 35
Jahre, sondern, wie die Anecd. Paris. II p. 138, die ed. Rom., Hie-
ronymus und Syncellus p. 185 A übereinstimmend halten, nur 19 Jahre.
Dagegen der folgende König, Thersippos, regiert bei Eusebios äu-
fserst lange, 41 Jahre (Syncell. 40). Ziehen wir nun vom Anfange
dieser Regierung des Thersippos für seinen Vorgänger, den Archip-
pos, so viel Jahre ab, dafs dieser nach dem Willen jener für ihren
Ansatz so hartnäckig kämpfenden 35 Jahre bekommt, und behalten
wir dabei seinen Regierungsanfang in dem Jahre des Eusebios und
Hieronymus , 1004 Abr., so treffen wir mit seinem letzten Jahre, dem
35sten, in 1038 Abr. Dies Jahr ist das Jahr 978 v. Chr. Wir erin-
nern uns, dafs nach dem chiischen Stammbaum Homer auf Chios 983
V. Chr. geboren war, und begreifen jetzt den guten Grund, weshalb
jene Leute ihren Ansatz so hartnäckig verfochten: sie hatten den chii-
schen Stammbaum hinter sich.
Dafs sie den Homer unter Archippos setzten, Eulhymenes aber
und Archemachos unter dessen Vater Akastos, der Unterschied thut
nichts zur Sache. Wir haben diesen Augenblick erst gesehu, wie co-
lossal man bei der Berechnung der Regierungszeit der einzelnen athe-
nischen Könige voneinander abwich. Gleicherweise ist es unwesent-
lich, dafs Euthymenes und Archemachos den Hesiod für einen Alters-
genofsen Homers erklären, diese hier aber für älter. Ueber Hesiod
haben weder diese noch jene eine Tradition gehabt, sondern nur aus
den Gedichten so ihre Meinung. Es ist deutlich, dafs im chiischen
Stammbaum Homers weder Hesiod noch der mit Homer gleichzeitige
athenische König Platz hatten. Ueber beide mochte jeder Forscher
392 Lauer : Geschichte der homerischen Poesie.
seine Meinung den aus jenem Stammbaum für Homer geschöpften sechs
YEveKig rrrr 200 J. p. Tt. c. uach Belieben hinzufüg-en.
Und nun der ebenfalls von unserni Triumvirate gelehrter Forscher
übergangene hübsche Ansatz aus vita G 26, welchen Lauer übergeht
trotzdem er, mirabile dictu, S. 122 Anm. 145 die Worte der Stelle
selbst hat abdrucken lafsen. Sie setzen den Homer mit einem unbe-
stimmten yiyovs in 57 a. Ol. 1. Das sind nach Eratosthenes 350 Jahre
p. Tr. captam, also 360 Jahre oder 6 JfuxAot zu 60 J. p. Tr. obsideri
coeptam. Dieser Ansatz hat also viel Aehnlichkeit mit dem des Sosi-
bios, welcher auch gerade vom Beginne des troischen Kriegs 5 Ky-
klen bis auf Homer rechnet. Und in der That kann unser Ansatz
schwerlich für etwas anderes gelten als für eine Variante zu Sosibios.
Er hat ebenfalls die Zusammenkunft Homers und Lykurgs vor Augen,
welcher letztere bekanntlich durch eine Reihe von Zeugnissen, unter
andern durch das des Thukydides in diese Zeiten nahe vor Ol. 1 her-
abgerückt wird. Ich verbinde mit unserm Ansätze das Datum Lykurgs
bei Eusebios im Kanon, welches seine Gesetzgebung 45 Jahre vor
Ol. 1 ansetzt; dabei verfliefsen von der Zusammenkunft mit Homer
bis zur Gesetzgebung gerade 12 Jahre oder 3 Olympiaden. Beide Er-
eignisse treffen in das Jahr vor einer olympischen Feslfeier, so dafs
man sich sowohl die Gesetze als die Gedichte in dem auf ihre Ein-
führung zu Sparta folgenden Jahre bei den olympischen Spielen vor
dem versammelten Hellas publiciert denken kann. Zwischen dem
Jahre aber, in welchem die homerischen Gedichte eingeführt wurden,
und dem Jahre, in welchem Koroibos siegte, liegen 14 :::= 2 X 7
volle Olympiaden, und ebenso zwischen Lykurgs Gesetzen und Ol. 1
volle 11 r= 7 +4 Olympiaden. Und wenn man nun bedenkt, dafs
ja schon in uralter Zeit die olympischen Spiele eingesetzt sein sollen,
und dafs die Kyklen zu 60 Jahren sich in ganze Olympiaden auflösen,
dafs man also bei unserm Ansätze auch noch sagen kann, von dem
Beginne des Feldzugs gegen Hios verfliefsen bis auf die Uebergabe
der homerischen Gedichte 90 Olympiaden und bis auf die Einführung
der lykurgischen Gesetze 93 Olympiaden; da zeigt dieser Ansatz auf
allen Seiten einen Grad von Abrundung und Ebenmafs und zugleich
von Genauigkeit, wie sonst kein einziger. Wahrhaftig, es ist eine
hübsche Conjectur, dieser Ansatz, und ich möchte ihm wohl folgen,
wenn ich nicht lieber doch dem Lakonen Sosibios folgte und der un-
verfälschten lakonischen Chronologie.
Betrachten wir nun das Datum, welches die vita G dem so eben
analysierten folgen läfst, das des Porphyrios, 132 Jahre vor Ol. 1. Die
erste Olympiade, Avird hinzugefügt, fällt 407 Jahre später als die Er-
oberung Troias, Homers Geburt (zeri'i&aL'Oixijooi') nach Porphyrios
275 Jahre später als diese Eroberung. Diese 275 Jahre nun, meint
Lauer unter Nr. 13, liefsen sich vielleicht als Resultat einer Rechnung
von 4 Kyklen zu 63 J. nebst der Differenz 24 fafsen. Das erscheint
sehr bedenklich. Vier Kyklen zu 63 + 24 sind 276 Jahre, nicht 275.
Es fehlt uns allerdings nur ein Jahr an der zu den Kyklen nöthigen
Lauer: Geschichte der iiomcrischen Poesie. 393
Zahl, aber der ganze \^'e^th solcher Reduclionen beruht ja in dem
g-cnauen Aufgchii der licchming I Wer daran niclit streng fesllialt, der
ülTnet der ^^'illkiir Thür und Tlior. >\ir Iiaben l)is jetzt noch nielit
eine einzige ' Ungenauigkeit' der Art angenoniincn , und wollen nun
am wenigsten bei dem verständigen Porphyrios eine solche annelimen.
Von Troias Fall bis auf Homers Geburt rechnet er 275 Jahre, J32 von
Homers Geburt bis auf Ol. 1, von Troias Fall bis Ol. 1 ausdrücklich
407 Jahre. Das stimmt aufs Haar, und das Jahr für Troias Fall ist
gerade das des Eratoslhencs. An eine Abrundung, wie wir sie bei
einem andern Ansätze trafen, ist bei einer so genau quadrierenden
und von zwei Seiten her bestimmten liechnung von vorn herein nicht
zu denken; und was hätten wir hier für eine sonderbare Art von Ab-
rundung ?
Und was fangen wir denn mit dem Ansalze an? Ich denke, wir
achten wieder auf die Form, unter der er auftritt. Porphyrios geht,
worüber man die von Lauer nicht citierte vita des Hesiodos bei Suidas
vergleichen mag, nicht von dem Datum für Troias Fall aus, sondern
er zählt zunächst von Ol. 1 rückwärts bis zu Homers Geburt 132 J.,
und legt diesen Abstand seiner ganzen Rechnung zum Grunde. Also
132 Jahre ! Das erinnert ja an den Ansatz der vita A, wo drei volle
Geschlechter und vom vierten 30 Jahre addiert waren. Gerade vor
Ol. 1 noch 132 Jahre! Wir sind fertig. Porphyrios Angabe beruht
auf einem Stammbaum , welcher den Homer in der dritten Generation
vor einem Manne zeigte, dessen aK^yj man gerade in Ol. 1 setzen zu
niüfsen glaubte , og ti'/.^ay.ivaL iq^eqexo Kcaa xi]v a Okv^niaöa. Die
3 yevecd vor ihm sind iOO Jahre; von seiner eignen yEV£i]= SSVs Jah-
ren musfe das Jahr abgezogen werden, in welchem Koroibos siegte;
dann blieben von dieser ysyerj vor Ol. 1 noch 32% Jahr, in Summa
ergaben sich aber von Ol. 1 bis auf Homers Geburt 132V3 Jahre. Aus
diesem Ansätze muste natürlich das y^ Jahr wegfallen. In ein volles
Jahr dasselbe zu verwandeln und 133 J. zu setzen, gieng nicht, weil
dann das charakteristische des Ansatzes verwischt wäre, und andere
in den 133 Jahren vier volle yEveai gesehn hätten, ohne von der Be-
ziehung auf die olympischen Spiele etwas zu ahnen.
Wohin der Stammbaum gehöre, welcher der Rechnung zum Grunde
liegt, kann nicht zweifelhaft sein: es ist der kolophonische Stamm-
baum. Die einzigen Orte, an welche man sonst noch denken könnte,
Chios und Samos , musten wir schon vorwegnehmen. Zwischen diesen
beiden Orten, Samos und Chios, steht offenbar Kolophon mit seinen
Ansprüchen auf Homer , wenn man die Ansprüche der einzelnen Orte
gegeneinander abwägt; und gerade so sieht das Datum 132 vor Ol. l
:= 908 V. Chr. zwischen dem für Chios und dem für Samos gefunde-
nen, 983 und 88i v. Chr. Auch die Art der Berechnung, die Beziehung
auf die olympischen Spiele, passt besonders gut für Kolophon: denn
unter den loniern Asiens waren bekanntlich vor allem die Kolopho-
nier rüstige Kämpfer in Olympia und zählten mehrere Olympioniken
zu ihren Mitbürgern, wie denn ja auch Xenophanes so sehr gerade
n. Jahrb. f. Phil. u. Piied. Bd. LXVII. Hfl. 4. 26
394 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie,
gegen das Wettkämpfen in Olympia und den aus ihm erwachsenden
Ruhm eifert.
Selbiger Xenophanes ist es, dem wir das Datum über seinen
Landsmann, den liolophonisciien Homer, verdanken. Wenigstens ist
es gewis, dals er auch gegen Homer eiferte und überhaupt in seinen
Gedichten viel von ihm sprach, wovon uns noch die deutlichsten Spu-
ren übrig sind, wie -l. B. der berühmte Vers l't, CLq'fJ\c, v-^x^ "0(it]QOv
ircel ^s^ci&rina6t. n^ureg; ferner dafs er über die KxißLg von Kolophon
und die von Elea grofsc erzahlende Poesien anfertigte; ferner dafs er
in einer Elegie sein Alter und die Zeit seiner Studien höchst genau
sogar nach Jahren berechnete, und gleicherweise nach Jahren irgend-
wo das Leben des Epimenides (Diog. Laert.), ebenso gut also auch
Homers Zeit nach Geschlechlern oder gar selbst schon nach Jahren
berechnet haben kann ; ferner dafs nachweislich Xenophanes behaup-
tete, Hesiod sei jünger als Homer; ferner dafs Porphyrios den Xeno-
phanes studierte; endlich dafs Porpliyrios nachweislich mit Xenopha-
nes darin übereinstimmt, dafs Hesiod jünger sei als Homer, worüber
man für Xenophanes den Gellius III, 11 nachsehn mag, für Porphyrios
aber die schon citierte vita Hesiodi bei Suidas.
Es liegt scheinbar sehr nahe zu sagen, Porpliyrios habe sein Da-
tum zunächst oder zugleich auch aus Anlimachos. Doch steckt hier
eine verborgene Schwierigkeit, die gewis jeder sehn wird, der sich
um die Sache kümmert. Ich glaube, der zu gelehrte Antimachos
machte eine Combinalion, welche uns erhalten ist, aber nicht unter
Antimachos Namen. Für einen Kolophouier aber gab er dabei den Ho-
mer doch aus, wie überhaupt alle kolophouischen Dichter thaten. Auch
Hermesianax that es; man sehe nur nach der Stelle, die Homer in sei-
nem Gedichte einnimmt: erst kommen drei Ausländer, Orpheus, Mu-
saios , Hesiodos ; dann drei Kolophouier, Homer, Mimnermos , Anti-
machos; dann wieder Ausländer. Nach dem Alter ist nur innerhalb
der Gruppen geordnet. Auch ist die evQsta TtccvQlg '0(Xi'j^ov Vs. 32
kaum weniger bezeichnend als bei Antimachos Vs. 45 die cikqcx Ko-
locpcov.
Dafs die Kolophouier behaupteten, Homer sei in Kolophon selbst
auch geboren, kann hiernach jetzt nicht mehr zweifelhaft sein. Nach
den frühern Untersuchungen aber ist es gewis, dafs das Datum für
Homers Geburt nach kolophonischer Rechnung nichts anderes sei als
das Datum für die Stiftung einer homerischen Dichterschule in Kolo-
phon. Es ist zugleich das Datum für die Vertreibung der lonier aus
Smyrna durch die mitwohnenden Aioler. Denn dafs die homerische
Poesie damals nach Kolophon kam, als die smyruaiischcn lonier sich
nach Kolophon zurückzogen, das ist aufser aller Frage.
Das bei Lauer unter Nr. 14 folgende Marmor Parium selzt den
Homer in 907 v. Chr., den Fall Troias in 1209 v. Chr. Lauer sieht
hier wieder ungenaue Zahlen , 907 v. Chr. = 131 vor Ol. 1 ungenau
für 126 vor Ol. 1 --=^ 2 Kyklen zu 63 vor OL 1; oder auch 302 p. 'fr.
ungenau für 300 p. Tr. == 5 Kyklen zu 60 p. Tr. Aber die Zahlen sind
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie. 395
offenbar nicht ungenau, sondern die UnErenauigkeit steckt nur in un-
serm scharfsinnigen Lauer. Wie sollte wohl einer statt der runden
Zahl 300 die Zahl 302 in die Kechnung gei)raclit haben oder 131 statt
126? Vielmehr ist es dcutlic'h, dafs hier ursprünglich jene bei Por-
phyrios von uns verworfene Uechnung zum Grunde liegt, 4 X 63 + 24
^= 276 p. Tr. = 1183 — 276 = 907 v. Chr. Denn dafs das Marmor
einen andern Abstand zwischen Troia und Homer hat, beweist nichts
für den, welchem das Marmor das ihm bequeme Datum Homers ent-
nahm, (ianz analoges fanden wir in der Stelle des Tatian, wo still-
schweigend Sosibios Ansatz auf eine andere troische Aera als die des
Sosibios reduciert war.
Ursprünglich also war der Ansatz des Marmor mit dem, Avelchem
Eratosthenes und ApoUodoros folgen, 4 Kyklen p. Tr. und zwar p.
Tr. 1183 a. Chr. captam, nur dafs hier die Kyklen nicht in Sonnen-,
sondern in Mondjahre übersetzt wurden, also nicht 240, sondern 252
Jahre ausmachten, so dafs also Homer nicht in 943, sondern in 931
traf. Dies Jahr schien einem andern für Homer passend, der aber für
den troischen Krieg die um 24 Jahre ältere Aera annahm; dieser muste
also zu den 4 Kyklen, damit sie in 931 v. Chr. träfen, 24 Jahre ad-
dieren, und nun lautete der Ansatz nicht mehr 252 p. Tr., sondern 276
p. Tr. Diese Form des Ansatzes , bei der p. Tr. die 1207 v. Chr. er-
folgte Einnahme Troias bedeutet, misverstand wie soviel anderes der
Auetor des Marmor und zählte die 276 Jahre von der 1183 v. Chr. er-
folgten Einnahme der Stadt, traf also mit Homer in 907 v. Chr. Für
den troischen Krieg selbst glaubt das Marmor einer ganz andern Rech-
nung folgen zu müfse.i.
Ganz denselben Irthum, der hier dem Marmor nachgewiesen ist,
musten wir dem verständigen Porphyrios aufbürden , w enn w ir seinen
Ansatz mit Lauer in 4 X 63 + 24 auilösten , und uns nicht vielmehr
durchaus auf das eine Jahr steiften, welches bei ihm an der Zahl der
Kyklen fehlte.
Vellejus sagt I, 5 vom Homer Hie longhis a temporihus heilig
quod compüsuit , Troici quam quidam rentur afuit: nam ferme ante
annos nongentos quinquaginta floruit^ intra mille natus est. 'Dar-
nach also, weil jene Worte 30 n. Chr. geschrieben sind', sagt Lauer
unter Nr. 11 'würde Homers Blüte etwa 920 v. Chr. fallen d. h. , zu-
folge der von Vellejus angenommenen Zerstörung Troias im J. 1190,
neun Menschenalter nach diesem Ereignis.' Hier scheint Lauer sich zu
verrechnen. Neun ytveai sind 300 Jahre, also das neunte 31enschen-
alter nach 1190 endet erst 890, nicht um 920. Aber vielleicht beflei-
fsigt sich Lauer hier ausnahmsweise der antiken Redeart, zählt den
terminus mit und meint eigentlich 8 ysysai. Die achte nach 1190 endet
924 V. Chr., 954 vor Vellejus Buche, und von 954 kann allerdings das
ferme 950 als Abrundung gelten. Lauer begnügt sich jedoch mit die-
ser Analyse keineswegs. Nachher unter Nr. 13 sagt er, den Ansatz
des Vellejus könne man vielleicht, wie den des Porphyrios, als Resul-
tat einer Rechnung von 4 Kyklen nebst der Differenz 24 fafsen, so dafs
26*
396 Lauer : Geschichte der homerischen Poesie.
das Jahr 914 v. Chr. als das cigeiilliclie homerische Jahr des Vellejiis
erscheine. Und auch das Heise sich wohl hören, in Bezug auf Velle-
jus, dem man den Irthum des Marmor Parium wohl zutrauen könnte.
Und was sollen wir denn also machen? Welche von beiden Lau-
erschen Analysen ist die richtige?
Ich denke, keine von beiden. Bei der letztem, wie wollte man
die genaue Uebereinstimnuing mit dem Marmor Parium in jenem Uech-
Dungsfehler erklären? Durch Zufall? Oder soll Vellejus dem Marmor
gefolgt sein? Und bei der erstem Analyse, was für absonderliche
Quellen soll denn dieser römische Compendienschreiber Vellejus grofs
benutzt haben, um eine ganz eigenthümliche Rechnung nach yevcaig
zum Vorschein zu bringen, von der sonst kein Mensch etwas weifs ?
Vellejus zählte vielmehr ganz einfach von der Zerstörung Troias
bis auf Homers Geburt 4 Kykleu zu 60 J., so dafs ihm diese in 1190
— ■ (4 X 60) :-^ 950 V. Chr. oder 980 vor seinem Buche traf, Homers
axju.rj aber in 917 v. Chr. oder 947 vor seinem Buche, wofür er ab-
rundend ferme 950 sagt.
Vellejus Ansatz ist also lediglich eine Variante zu Eratosthenes
und Apollodoros. Diese rechneten, wie oben gezeigt, von Troias Fall
bis auf Homers ax^ai/ 4 Kyklen, Vellejus bis auf Homers Geburt.
Ist Vellejus der Urheber dieser Variante? Scliwerlich. Und wem
folgte er? Und warum machte sein Auetor diese Variante? Vielleicht
finden wir es noch.
Cornelius Nepos sagte nach Gellius XVII, 21, Homer habe circiter
160 a. u. c. gelebt, also um 750 + 160 = 910 v. Chr. Dies Datum
ist nach jener, wie ich nachwies, mit Lauer zu ändernden Stelle im
Eusebios nicht auf die Geburt des Homer zu beziehn: Homenis poeta
in Graecia claruit, ut teslaiur ApoUodorus grammaiicus et Luplior-
bus historicus ante Olympiadem primam annis 124, et, uf alt Corne-
lius Nepos, ante urhem conditam annis 160. So schreibt, M'ie wir
sahen. Lauer. Wenn er das nun aber thut , Avie kann er da unter
Nr. 13 sagen: ' Porphyrios stimmt ganz mit Nepos'? Ich selie davon
ab, dafs 910 nicht 90S ist, denn durch das circiter des Nepos könnte
eine Abrundung angedeutet sein ; aber Porphyrios setzt ja gar nicht
Homers Blüte, sondern mit dem bestimmtesten Ausdruck seine Geburt
in 908. Wenn ferner Lauer neben denen des Porphyrios und Vellejus
auch die runde Zahl des Nepos als 4 X 63 + 24 p. Tr. 1183 a. Chr.
captam auffafst, so müfsen wir für Nepos wieder entschieden prote-
stieren, nicht deshalb, weil 1183 • — (4 X 63 + 24) = 907 ist, nicht
=^ 910, sondern deshalb, weil bei dieser Analyse ja dem Nepos der
Irthum des Marmor Parium zu imputieren wäre, ein Irthum, dessen
Nepos eben so unfähig war wie Porphyrios. Wenn endlich Lauer unter
Nr. 12 meint, dem Nepos lägen, wie es scheine, wie dem Vellejus,
neun Menschenalter zwischen Trojas Fall und Homer, so ist dagegen
ungefähr dasselbe zu sagen, was ich bei Vellejus schon dagegen ge-
sagt habe. Welche grausenhafte ConfusionI Es wird einem dabei
ordentlich bange um das eigne bischen gesunden 3Ienschenverstand.
Lauer; Gcscliiclile «lor liüincrisclicn Poesie. 897
Nepos setzt, wie Vellcjus, 4 Kykleii zu 60 .1. zwisclien Troias
Fall und Homers Gehurl; da er aber Troias Fall 7 Jahre später an-
setzt als Vellejus, in 1 1H3 v. Chr., so trilft er mit Homers Gehurl niclil
in 950, sondern in 943, mit Homers «xft»; also gerade in das von ihm
angegebene Jahr 910.
Dafs Nepos in diesem Jahr der axjit?^' Homers sich dessen Zusam-
menkunft mit Lykurg denke, wie der im Eusebios neben Nepos ge-
stellte Apollodoros in 900, dem 76sten Jahre Homers, das ist allerdings
nicht glaublich; aber die eusebianische Stelle braucht auch gar niciit
so verslanden zu werden , als lafse sie den Nepos diese Zusammen-
kunlt in dies Jahr setzen. Uebcreinstimmung zwischen Nepos und
Apollodoros wäre ja auch dann nicht da, wenn wir unter dem claruit
für beide ganz dasselbe verständen, denn das Jahr ist verschieden,
mögen wir nun mit Lauer ändern oder nicht. Augenscheinlich hat die
Stelle weder ApoUodors noch Nepos Ansatz in ihren Gründen begrif-
fen; dieser meint nur Homers «jc^iir/, jener, wie ich zeigte, nur den
nach dem eigentlichen Griechenlande durch Lykurg verbreiteten Ho-
mer; die eusebianische Stelle pfercht beide Ansätze ohne Kritik zu-
sammen, gerade so wie Gellius XVH, 21 die Ansätze des Nepos und
Cassius, oder wie Lauer seine sämmtlichen .Ansätze.
Dem Nepos folgte Vellcjus in der Berechnung des Abstandes zwi-
schen Troia und Homer, auf welchen Abstand er nach seinen Worten
allein Gewicht legt. Troias Fall setzt er aber 7 Jahre höher als Nepos;
mithin auch Homers ax^t]; und deshalb wählt er für seine ungefähre
Bestimmung der ay.ixt] nicht wie Nepos das Jahr 910, sondern das seinem
eigentlichen homerischen Jahre 917 näher liegende Jahr 920.
Nepos aber folgte dem Apollodoros. Er hat dasselbe Jahr f,ir
Troias Fall wie dieser, 1183, und zählt wie dieser von 1183 herunter
4 Kyklen zu 60 Jahren, so dafs er mit Homer ebenfalls in 943 IrilTt.
Hier erst beginnt die Abweichung; Nepos setzt nicht Homers axfi?^,
sondern seine Geburt in 943. Warum thut er das ?
Wir haben oben gesehn, wie Apollodoros sich dreht und wendet,
um bei seiner Homer-Rechnung die Zusammenkunft Homers und Ly-
kurgs zu ermöglichen. Nicht nur, dafs er ganz passend den Homer
bei dieser Zusammenkunft als einen sechsundsiebziger hinstellt, er ver-
legt auch noch die Zusammenkunft aus der Zeit der ETtirQOTcia in die
Jugendjahre Lykurgs und setzt den Lykurg obendrein noch in eine
frühere Zeit als der Lakone Sosibios. Diese Kunststücke erschienen
dem ehrlichen Römer zu künstlich; der machte das Ding simpler. Das
Jahr 943 behielt er, aber es bezeichnete ihm Homers Geburt.
Das iMoliv des Cornelius scheint Vellejus nicht begriffen zu haben.
Wenigstens schiebt er seinerseits nun auch den Lykurg verhältnis-
mäfsig herab, indem er dessen Gesetzgebung I, 6 in 840 v. Chr. stellt.
Damit gehn doch wohl die durch Nepos gewonnenen Vortheile ver-
loren.
Aerger noch macht es der von Fischer-Soelbeer genannte , von
Lauer übergangene Solinus c. 40. Er folgt offenbar dem Nepos, setzt
398 Lauer : Geschichte der homerischen Poesie.
aber in das von diesem angegebene homerische Jahr nicht Homers
Leben, wie Nepos, sondern Homers Tod. Und dabei verrechnet er
sich noch, wie auch bei der Angabe des Abstandes zwischen Roms
Gründung und Troias Fall, um l Jahr; er sagt, Homer sei gestorben
272 Jahre p. Tr. ; das wäre 911; er meint 910. Nepos scheint nemlich
nur den Abstand Homers von der Gründung Roms in einer Zahl ange-
geben zu haben, so dafs man den von Trojas Fall ausrechnen muste.
Die Notabilitäfen aber der latinischen Zunge scheinen durchaus
und vor allem an der Gleichzeitigkeit Homers und Lykurgs festgehal-
ten und ihr alle andern Gründe aufgeopfert zu haben: ein echt römi-
scher Zug. So eben sahen wir den Cornelius Nepos, vorhin trafen
wir den Cassius, der Homer unter Labotas setzte, das vermeintliche
Mündel Lykurgs , jetzt werden wir den Cicero begrüfsen. Tusc. V, 3
Itaque et illos Septem , qui a Graecis 6o(poly sapientes a nostris et ha-
bebantur et nominahantur ^ et multis ante saeculis J.ycurgtim ^ cuius
temporibus Homeriis etiam fuisse ante hanc urbem conditam fradilur,
et /am heroicis aetatibus Vlixem et Nesforem accepimus et fuisse et
habitos esse sapientes. Brut. c. 10 Cuius (seil. Homeri) etsi incerta
sunt teinpora, tarnen annis multis fuit ante Romuhim: siquidem non
infra superiorem Lycurffum fuit, a quo est disciplina Lacedaemonio-
rtim adstricta legibus. Also Cicero theilt den Lykurg, wie wir oben
bei Sosibios Ansatz den Timaios thun sahen, in zwei Personen, um der
altern von ihnen die Zusammenkunft mit Homer zu retten. Und in welche
Zeit gehört denn der Ltjcurgus superior des Cicero? Wir erfahrenes
de republ. II, 10 Nam si ., id quod Graecorum investigatur annalibus,
Roma condita est secundo anno Olympiadis septimae, in id saeculum
Romuli cecidit aetas, cum iam plena Graecia poetarum et musico-
rum esset., minorque fabulis, nisi de vetetibus rebus, haberetur ßdes.
Nam centum et octo annis postquam Lyctirgus leges scribere instituit^
prima posila est Olympias : quam quidam nominis error e ab eodem
Lycuryo constitulam pulant. Homerum autem, qui minimum dicmit.,
Lycurgi aetati triginta annis anteponunt fere. Ex quo intellegi po-
lest , permultis annis ante Homerum fuisse quam Romuhim. Also um
eine ysveiq setzt Cicero den Homer älter als den Lykurg , die Zusam-
menkunft aber in die ccKfii^ Lykurgs, etwa um 884 v. Chr. Weit jün-
ger als Homer ist Hesiodos. Cato maj. c. 15 Quid de utililate loquar
st er cor an di? Dixi in eo libro , quem de rebus rusticis scripsi: de
qua doctus Hesiodus ne verhum quidem fecit, cum de cultura agri
scriberet. At Homerüs , qui multis, ut tiiihi videtur, ante saeculis
fuit, Laerlem, lenienlem desiderium, quod capiehat e filio , colentem
agrum et eum stercorantem facit. Sind sie nicht lehrreich, diese
Stellen des Cicero? De quibus, um mit seinen Worten gleich fortzu-
fahren , doctus Lauerus ne verbum quidem fecit, cum de historia Ho-
meri scriberet. At Fischerus-Soetbeerus , qui multis, ut mihi videtur,
ante saeculis fuit, Ciceronem , lenienlem desiderium, quod ex profe-
rendis in medium scriptorum locis capiehat, colentem Homerum et
eins tempora testantem facit. Leider hat Fischerus aus den Stellen nicht
Lauer: Gescliiclili; der liunierisclieii Poesie. 399
einen eignen Ansalz milder Aufschrift 'Cicero' gebildet, sondern die
eine nur bei Hcsiodos, die andern drei beim apollodorisohen Ansalze
Homers abgehandeil, zwei von iiinen auch in dem Abschnitt über Ly-
kurg und Ipliilos. Der böse Fischerus ! Das sind nun die Folgen von
solcher Unordnung I Selbständig forschende llomeriker erwähnen nur
das, was andere schon so recht deullich als etwas besonderes unter
einer besondern Ueberschrift hingestellt haben; mit langem Durchlesen
halten sie sicli nicht auf, am wenigsten der eigentliche homerische
Matador, was man so den 'gelehrten Gelehrten' nennt; der hat zu
viel bei Monsieur Paquelin und Jean ßoivin le cadet zu thun, als dafs
er den dummen Cicero berücksichtigen könnte.
Uebrigens aber hat Fischerus auch nicht etwa alle hierher ge-
hörigen Stellen Ciceros. Zwei kann ich nachtragen: de nat. deor.
111, 5. Tuscul. I, 1.
JSvv ö av& OTtXotiQcov avÖQCov aQ-/d(ie&a. Movöai: wir miiken
zwei jungen Männern zu Leibe gehn, welche Lauer auch nicht erkannt
und daher mit Stillschweigen übergangen hat: dem kymaiischen und
dem kretischen Homer.
Dem kretischen Homer? Gibt es denn einen solchen? Hat nicht
Welcker S. 195 Anm. 300 gesagt, der knosische Homer bei Suidas
müfse aus den Fabeln von Diktys abstammen?
^^'elcker hülle dabei nur auch gleich auseinandersetzen sollen,
A\arum Thalelas, der berühmte kretische Dichter, bei Suidas s. v. 0«-
ki^rag, Eudokia p. 231 ein Vorgänger des Homer, bei Diog. Laerl. 1,
38 aber ein Zeilgenofse desselben genannt wird. Die letztere Stelle
beruft sich nicht auf den Diktys, sondern auf den Demetrios Magnes
iv roig o^covv[.iOLg, in welchem Buche nemlich Thaletas mit Thaies dem
Milesier und noch vier andern Thaies abgehandelt war.
Aber wie kann denn Thaletas, der bekannte Thaletas, ein Zeil-
genofse oder gar alter als Homer genannt werden? Thalelas ist ja
keine mythische Person, wir sind ja von ihm aufs genauste unter-
richtet, wir wifsen, dafs seine Thäligkeit in die zweite Hälfte des 7ten
Jahrhunderts v. Chr. gehört. Wie kann der Mann ein Zeilgenofse Ho-
mers genannt werden, und zwar von einem Gelehrten wie Demetrios
Magnes ?
Nicht Homer, sagen wir, ist nach der Vorstellung des Demetrios
oder wenigstens nach dem ursprünglichen Sinn dieser Nachricht in der
Zeitangabe der bestimmende, sondern Thaletas; nicht Thaletas wird
in die Zeit etwa jenes alten athenisch- smyrnaiischen Homer gesetzt,
sondern in die Zeit des Thaletas, etwa 62j v. Chr., wird Homer ge-
setzt, der kretische Homer, d. h. die Einführung der homerischen
Poesie in Kreta.
Nicht als ob die Kreter vorher von Homer gar nichts gewust, von
dem Inhalt seiner Gedichte keine Ahnung gehabt hätten. Schon lange
vor jener Zeit mag mancher Kreier den homerischen Rhapsoden ge-
lauscht haben bei der Panegyris auf Delos oder in den ionischen
Städten Asiens oder in Sparta ; ja es hat vielleicht sogar schon man-
400 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
eher Rhapsode in kretischen Städten selbst gesungen; aber zuerst um
625 etwa kam die homerische Poesie in die Hände von eingebornen
kretischen Rhapsoden, und ward mit Glanz und officiell gleichsam in
Kreta wie in jenen andern Gegenden Griechenlands als Staatspoesie
eingeführt. Und der Mann, der dies durchsetzte, das war Thaletas.
Setzte der doch auch in Sparta die zweite Katastasis durch! Und wird
er nicht ausdrücklich ein homerischer Rhapsode genannt? Oder ist
etwa der knosische Rhapsode Thaletas , den Suidas in einem zweiten
Artikel auf jenen berühmten Lyriker folgen läfst, nicht der nemliche
wie dieser?
Ein knosischer Rhapsode? Ist denn nicht nach dem überwälti-
genden Zeugnis seines Jüngern Zeitgenofsen Polymnastos von Kolo-
phon der berühmte Thaletas ein Gortynier?
Ganz recht. Aber als Homeride ist er ein Knosier. Beides ver-
trägt sich sehr wohl miteinander. Knosos war der erste Punkt Kre-
tas, wo es gelang, der homerischen Poesie in der angegebenen Art
einen festen Sitz zu bereiten. Deshalb heifst bei Suidas der kretische
Homer ja auch gerade ein Knosier.
Knosos ist bei Homer die Hauptstadt Kretas, die grofse Stadt
Knosos , l'v&a xe Mivcog ivvecoQog ßaalXevs Jiog jxsyaXov oaQiari^g,
Minos, der Vater des Deukalion, des Vaters des Idomeneus, das weite
Knosos, wo einst Daidalos der xor^AiTrAdxßfiog ^AQiaövrj einen Tanzplatz
machte, Knosos, welches im Katalog zuerst unter allen kretischen
Orten genannt wird. Ist es ein Wunder, dafs hier zuerst Homer auf
Kreta festen Fufs fafste?
Die eine Nachricht bei Suidas nennt den Thaletas nicht als Zeit-
genofsen Homers, sondern setzt ihn vor Homer. Auch das ist wahr
und bezeiclinend, insofern Thaletas allerdings auch früher war als
der kretische Homer, dessen Geburt Thaletas sah.
Demetrios nennt den Homer nicht allein als Zeitgenofsen des Tha-
letas, sondern auch des Hesiod und des Lykurg. Darüber braucht es
nach den vorangegangenen Untersuchungen nur noch die Bemerkung,
Lykurg Averde liier nicht allein wegen der Ueberlieferung von seiner
Zusammenkunft mit Homer hinzugefügt , sondern auch wegen der an-
dern Ueberlieferung von Lykurgs Verkehr mit Kreta. Diese letztere
Ueberlieferung bewirkt es ja auch, dafs in andern sagenhaften Nach-
richten Thaletas allein ohne Homer und den durch diesen bestimmten
Hesiod ein Zeitgenofse oder Vorgänger Lykurgs genannt wird. Sie
macht es auch möglich, dafs es bei Dio Chrysostomus heifst, Lykurg
habe die Poesie aus Kreta oderlonien geholt, II p. 87 R. inst
TOI 'ÄCiL (paGiv avTOv (seil, tov AvKovQyov) £7T,cn,vix}]v O^iqQOV yevs-
G&ai, KciL TCQ(oxov (XTto KQTqxi]g rj xr^g ^Icoi'iag no^Cöat xtjv tcoltjöcv sig
xriv ElXaSa.
Ueber diese Nachricht bricht Welcker bei einer andern Gelegen-
heit S. 223 Anm. 343 in Erstaunen aus. Er ruft: 'aber welche Ver-
wechslung!' Lauer läfst schon eher mit sich reden. Der meint ge-
Lauer: Geschiclite der homerischen Poesie. 401
leffcnllich S. 227 Aiim. 133, die Nenmiri«,^ Kretas sei '^ein grofses aber
erklärliclies Versehen'
Ja wolil, ja wohl, ein Versehen und erkhirlich. Nur darf man
nicht, wenn man es erklären will, den knosischen Homer mit Lauer
S. 85 für eine blofse Conjectur halten oder mit Welcher aus den Fa-
beln von Diklys ableiten.
Aus den Fabeln von Diktys ! Warum hat Welcher nicht wenig-
stens lieber gesagt , der kretische Homer stamme aus der kretischen
Ausgabe der homerischen Gedichte?
Ich erwähne diese Ausgabe erst jetzt, weil aus ihr ein kreti-
scher Homer sich allerdings nicht schliefsen liefs. Aber jetzt bekommt
umgekehrt durch den kretischen Homer die kretische Ausgabe das
rechte Licht.
Aber ich will lieber die ganze Betrachtung der editiones zarcc
Ttokstg, dieses so höchst interessanten Gegenstandes, einem andern
Orte aufbehalten, wo ich auf sie genauer eingehn kann, als es hier
möglich sein würde. Verlafsen wir für jetzt das Land in der Mitte
des dunkeln Meeres und stalten wir den braven Kymaiern, den Lieb-
lingen Welckers undLauers, einen kleinen freundschaftlichen Besuch ab.
Aus Kyme nach Smyrna kam die homerische Poesie nicht, das
haben wir gesehn. Die Gründe der Kymaier sind, so wie sie Lauer
selbst darlegt, reine Sophistereien , die kymaiisch-aiolischen Genealo-
gien sind nicht nur, wie alle Forscher übereinstimmend sagen, fin-
giert, sondern auch, wie wir hinzufügen dürfen, ohne reelles Motiv.
Dafs auf sie nicht das mindeste zu geben ist, lehrt schon der Umstand,
dafs es eben mehrere sind, nicht einer, und läfst sich hier mit vollem
Recht das anwenden, was Aristarch von einem eingeschobenen Verse
sagt: öij^siov ös trjg ötaöKSvfjg ro %al iveQcog (piQE6&at xov 6xliov.
Hier haben wir allermindestens ein halbes Dutzend kymaiisch - aioli-
scher Genealogien: keine einzige ist die wahre.
Dies festgehalten, erhebt sich die andere Frage, wann Homer
aus Smyrna nach Kyme gekommen sei?
Der pragmatisierenden Darstellung der vita A ist natürlich in Be-
treff dieser Zeit nicht zu glauben. Darüber sind alle einig. Aber
vielleicht glaubt mancher aus dem Welckerschen Buch etwas zu wifsen.
Ganz nahe südöstlich bei Kyme liegt der kleine Ort Neontei-
chos, eine Art Vorstadt oder Vormauer von Kyme selbst, von den
Kymaiern erbaut. Diesen kleinen Ort, der sich in Bezug auf Homer
zu Kyme ungefähr so verhält, wie Bolissos zur Hauptstadt von Chios,
hebt Welcher sehr hervor, indem er ihm neben den grofsen und alt-
berühmten homerischen Städten Milct, Samos, Chios, los, den andern
einen eignen Abschnitt widmet, und zwar den ersten nach dem über
Homer selbst.
Seine Untersuchung stützt sich auf zwei Momente. Erstens dar-
auf, dafs Kallinos schon die Thebais ein Gedicht Homers nenne; zwei-
tens darauf, dafs die vita A erzählt, die Neonteichier zeigten noch den
402 Lauer: Gescliichte der homerischen Poesie.
Platz, wo Homer bei ihnen vortrug, und behaupteten, bei ihnen habe
er die 'A^Kfia^eco i'^slaaia gedichtet, welches eben die Thebais ist.
Dies sind nun aber durchaus schwankende und unzuverläfsige
Dinge. Diu vita A hat echte Localsagen, gewis; aber sie hat dazwi-
schen auch die lächerlichsten Fielionen von Menles und Mentor und
Phemiüs und Tychios und Homers Aufenthalt in Ithaka und Gott weifs
wo sonst; und der Umstand, dafs Tychios, der angebliche Freund
Homers, gerade nach Neonteichos von ihr gesetzt wird, c. 9. 26,
scheint auch ihre andern Angaben über diesen Ort stark zu verdäch-
tigen. Keineswegs zur Empfehlung gereicht es ihnen, dafs sonst nur
noch ein schlechtes Scholioa V und fast wörtlich mit ihm überein-
stimmend der von Welcker nicht citierte Eustathios den Homer von
Neonteichos erwähnen, und noch dazu gerade auch eben bei Gele-
genheit des Tychios H 220 f., von dem sie die alberne Geschichte der
vita wiederholen, und zwar genau in demselben Zusammenhange.
Hierzu kommt nun aber noch, dafs es ja nach Welckers eigner An-
sicht (S. 37. 204) auch noch eine ganz andere Nachricht gab, nach der
die Thebais den Arktinos von Milet zum Vcrfafser hatte. Diese Nach-
richt wirft Welcker weit weg, und meint, auf keinen Fall verdiene
sie Aufmerksamkeit. Ich meine, dafs sie die allergrüfste Aufmerk-
samkeit verdient, und dafs sich hier bei ^yelcker eine unbewuste
Angst ausspricht, es könne von diesem Punkt aus, von Milet, der
altberühmlen Hauptstadt loniens, eine ionische Widerlegung der aio-
lischen Ficfionen ausgehn. Ich behaupte ganz entschieden, dafs die
Thebais ursprünglich nach Milet gehört, und werde darüber, wie ein
milesischer Dichter zu diesem Stoffe kam, und wie die andere Nach-
richt entstand, dafs die Thebais in Neonteichos gedichtet sei, an-
derswo einen, wie ich glaube, überraschenden Aufschlufs geben.
Hier mufs ich mich darauf beschränken , den blofsen ivöraTixog Mei-
ler zu spielen. Als solcher habe ich ferner noch hervorzuheben , dafs
ja in Neonteichos nach eben den angeblichen Behauptungen der Neon-
teichier in der vita A Homer nicht allein die Thebais, sondern auch
die Hymnen dichtete. Es ist nemlich einerseits nicht zu leugnen, dafs
wenigstens der Hymnus auf den delischen ApoUon der eignen Aussage
des Verfafsers zufolge nach Chios gehört, dafs wir also hier ganz
entschieden die Neonleichier oder die vita A auf einer aiolischen
Usurpation altrapicren; andrerseits , wenn dem angeblichen Homer von
Neonteichos die Hymnen gehören, dann gehört dieser Homer aller-
höchstens in den Anfang des 7ten Jahrhunderts v. Chr.
Gehen Mir nun zum Kallinos, aus dessen Zeugnis manchem viel-
leicht ein hohes Alter der homerischen Poesie zu Neonteichos her-
vorzugehn scheint für den Fall, dafs die Thebais ursprünglich doch
dorthin gehöre und dafs jenes Zeugnis -wirklich vom Kallinos her-
rühre. Auch dies kann man nemlich bezweifeln, da der Name Kallinos
überhaupt erst durch eine blofsc Conjectur in den Text des Pausanias
gekommen ist. Ich will hierauf für jetzt kein GcMicht legen, obgleich
sich alles, was Welcker an Gründen für seinen Kallinos vorbringt.
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie. 403
füglich bekämpfe» und zum Theil ffegou ihn selbst wenden liefse. Aber
meinetwegen mag Kalliuos gelesen werden. Dann wifsen wir auch
noch nichts. Wann hat denn Kallinos gelebt? Darüber gab es be-
kanntlich keine Ueberlieferung, so dafs man sogar darüber stritt, ob
er oder Archilochos Kriinder der Elegie sei, und auf Vermutiiungen
aus einzelnen Erwähnungen der Kimmcrier in den Gedichten beider
beschränkt war. Angenommen einmal, dafs die Kimnierier zu Kallinos
Zeil nach lonien kamen, wann kamen sie? — Unter Ardys. — Gut,
aber w ie lange regierte der ? — Von 678 — 62!) v. Chr. — Schön.
^^'enn sie dann etwa 635 v. Chr. kamen und Kallinos damals lebte,
wie ja die meisten Forscher und unter ihnen Caesar annehmen, wio
da? Kann da nicht, selbst alles zugegeben, was Welcher irgend will,
der Homer von Neonteichos in den Anfang etwa des 7ten Jahrb. v.
Chr. geboren? Sollte mehr als ein halbes Jahrhundert, sollten zwei
volle Generationen damals nicht genügt haben, um einer vortrcfllichen
und in homerischem Stile uutadelhaft durchgeführten Dichtung den Uuf
eines Werkes vom Homer zu schaffen?
Ich glaube gezeigt zu haben, dafs wir über die Zeit des kymaii-
schen Homer nichts wifsen. Wir werden aber sogleich etwas erfah-
ren. Denn allerdings ist ein fesler Anhaltspunkt da, von dem aus man
zur Kenntnis gelangen kann.
Die vita A nicht allein, sondern auch die vita H c. 15 erzählen,
Homer habe dem König Midas von Phrygien eine Grabschrift gemacht,
die Grabschrift, welche Plato und andere eitleren und die wir noch ha-
ben. Die streng aiolisch gesinnte vita A beruft sich dabei auf die Aus-
sage der Kymaier, Homer sei nach Kyme gekommen und habe dort un-
niitlelbar nach seiner Ankunft dem König Midas von Phrygien die
Grabschrift gemacht, c. LI. Dafs diese Angabe der vita wirklich auf
den Sagen der Kymaier ruht, und dafs wir es hier wirklich mit dem
kymaiischen Homer zu thun haben, kann nicht zweifelhaft sein, weil
eine Menge von Bestätigungen sich finden, wie man sogleich sehn
wird. Ebenso sicher ist die Sache in Betreff des Königs Midas. Jener
uralte Midas kann schon deshalb nicht gemeint sein, weil sonst ja Ho-
mer in Zeilen weit vor dem troischen Kriege hinaufgerückt würde.
Es gab aber einen andern fast eben so berühmten König Midas von
Phrygien, eine durchaus historische Person, der nach Eusebios Ol.
10, 3 die Begierung antrat, Ol. 21, 2 aber ^rrz 694 v. Chr. starb. Den
griechischen Chronographen war dieser Midas aus mehreren Ursachen
merkwürdig. Die drei wichtigsten sind: erstens sandte er zuerst unter
den Barbaren Weihgeschenke nach Delphi, Herod. I, 14; zweitens
halte er eine Griechin zur Frau, die Kymaierin Hermodike, HeracUd.
pol. Cumaeorum; drittens war er es, dem Homer die Grab-
schrift machte, der kymaiische Homer, der Landsmann von Midas
Frau Hermodike. Weil Homer die Grabschrift machte, deshalb nannten
die Chronographen diesen König nicht blofs bei dem Jahre seines fie-
gierungsantritls, wie sonst üblich, sondern auch bei dem seines Todes.
Es ist kein Irthum möglich. Die Sache erhält eine neue Bestäti-
404 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
giing dadurch, dafs Terpaiider, welcher bekanullich um den Anfang
des 7ten Jalirhiinderls v. Chr. lebte, von seinem Landsmann HeManikos
Zeifgenorsc des Midas genannt wurde, und ist es ein reines Misver-
ständnis, wenn Clemens Alex. Strom. 1,21,131 diese Nachricht auf jenen
urallen Midas bezieht. Und wenn nach Diog. Laert. I, 89 einige unser
Epigramm dem Homer absprachen, weil Homer (nemlich der alte alhe-
nisch-smyrnaiische) vi el älter sei als Midas, und vielmehr be-
haupteten, Kleobulos habe es gemacht, was, beiläufig bemerkt, Wel-
cker S. 416 sehr gut widerlegt, so ist das wieder nichts als eine Be-
stätigung unserer Ansicht. Strabo I p. 61 erzählt, 3Iidas sei gestor-
ben, als die Kimmerier in Phrygien einen Einfall machten. Dafs hier
unser Midas gemeint sei, erhellt schon daraus, dafs Strabo ganz die-
selbe Todesart angibt , wie Ensebios , den Tod durch Slierblul; der
Einfall aber der Kimmerier in Phrygien, wann soll er geschehn sein,
wenn nicht um 694, kurz vor Ardys, unter dem die Kimmerier bis lo-
nien kamen? Alle diese Anführungen stimmen völlig miteinander, und
gehn unzweifelhaft sämmllich auf unsern Blidas, den Gemahl der Ky-
maierin Hermodike. Diese schlug, sagt Ilerakleides , den Kymaiern
zuerst Geld; Midas aber, sagt Herodot, weihte zuerst in Delphi Ge-
schenke. Das passt beides vortrefllich zu der unantastbaren Zeitangabe
bei Ensebios, 694 v. Chr., und zu der kymaiischen Nachricht, Homer
habe gleich nach seiner Ankunft in Kyme diesem Midas die Grabschrift
gemacht.
Epiphanios sagt, einige nennten den Homer einen Phryger. Dies
bezieht \^'elcker S. 146 darauf, dafs auch Gryneion, die Vorstadt
gleichsam Kymes nach der Nordscite hin , als homerischer Ort ge-
nannt wird. Es bezieht sich vielmehr auf das Verhältnis, in dem der
kymaiische Homer zum phrygischen Königshause stand; deshalb wird
auch in der Aufzählung der homerischen Vaterländer bei Epiplianios
neben Phrygien Kyme nicht genannt. Der kymaiische Homer ist eben
jener phrygische.
Wir liiun den Kymaiern kein Unrecht, ^^'ir haben jedem home-
rischen Orte nach seinen eignen Worten gethan. Wir haben den Athe-
nern geglaubt, dafs ihr Homer in der Zeit der ionischen Wanderung
blühte, den Chiern, dafs der ihrige um 983 v. Chr. geboren ward, so
eben noch den Kretern, dafs iiir Homer etwa in 625 falle. Ganz auf
dieselbe Art nehmen wir jetzt die Kymaier beim Wort, und glauben
ihnen, dafs 694, wo Midas starb, Homer zu ihnen nach Kyme kam.
Mit dieser kymaiischen Behauptung stimmt alles übrige; sogar alles
das, was Welcker will, läfst sich mit ihr vereinigen; denn von allen
Seiten zeigte sich innerhalb der Welckerschen Argumentation die nahe
liegende Möglichkeit, dafs der kymaiische Homer gerade in die Zeit
um 694 falle.
Einigermafsen ergötzlich ist es aber, dafs die Nichtigkeit der
kymaiischen Homerprahlereien gerade auf diese Art bei uns wieder
an den Tag kommt. Die Kymaier waren bekanntlich schon im Alter-
Ihum berühmt wegen ihrer ganz besondern Klugheit; hier verrathen
Lauer: Geschiclilc der homerischen Poesie. 405
sie sich nun auf eine so unj^eschickle Art und gerade durch einen Mi-
das ! An ihren Midasohren lal'sen sie sich hervorziehn unter der ho-
merischen Löwenhaut, unter der sie sogar einen Mann wie Wclcker
täuschten.
Nun aber noch ein paar notliwcndige Folgerungen. Erstens, die
Aioler in Sniyrna können keinen Anllieil am Besitz der homerischen
Poesie gehabi liaben, sondern allein in den Händen des ionischen Theils
der Bevölkerung ist Homer geblieben, so lange Aioler und lonier in
Smyrna zusammen wohnten, und als die letzleren vertrieben wurden,
gieng der ganze Homer mit nach Kolophon, und kam erst mit den lo-
niern wieder nach Smyrna. \^'äre es anders, so würde das Auftreten
Homers in Kyme nicht so jung sein, nicht um 350 Jahre jünger als
sein Auftreten in Smyrna, sondern die aiolischen Colonisten in Smyr-
na hätten ihrer Mutterstadt wahrlich schon lange vorher den Homer
mitgetheilt; wenn sie ihn nur gehabt hätten.
Sie hatten ihn aber nicht, und gaben nur nachher, als sein Buhni
ganz Griechenland erfüllte , aus Eitelkeit vor, er sei der ihre gewe-
sen; und damit fanden sie bei vielen Glauben, weil es notorisch war,
dafs sie in alter Zeit Smyrna lange besefsen, und weil in den home-
rischen Gedichten scheinbare und wirkliche Aiolismen sind, welche
letzteren nach der auch von allen spätem griechischen Dichtern be-
folgten Sitte Homer aus der Rede der den loniern zugesellten aioli-
schen Völker xara 7iot,}]ZLy.i]v c4Qe()KeLav ausgewählt hatte.
Zweitens: Homer kann nicht direct von Smyrna nach Kyme ge-
kommen sein, sondern mufs seinen Weg über irgend einen dritten
homerischen Ort genommen haben. Oder wäre es denkbar, dafs die
ionischen Smyrnaier, welche, wie es scheint, nicht lange vor Gyges
Smyrna wieder genommen hatten, in frischem Hafs gegen die eben
vertriebenen Aioler, durch welche sie so lange aus dem Besitz ihrer
Stadt verdrängt waren , diesen zum Dank um 694 den Homer mit-
theilten ?
Der Weg, auf dem damals die homerische Poesie zu den Aiolern
kam, ist mit leichter Mühe aufzudecken. Ich behalte mir diese Ent-
hüllung für eine andere Gelegenheit vor, wo ich auch erklären werde,
warum (bei Suidas) Terpander Homers Abkömmling und zwar im fünf-
ten Gliede heifst. Diese Genealogie ist sehr gut. Auf den Homer von
Kyme, wie Welcker S. 152 annimmt, bezieht sie sich nicht, auch
sagt das Suidas keineswegs. Jetzt aber ist es wirklich die höchste
Zeit, dafs wir uns um Euphorion und Tbeopompos bekümmern. Sic
sind schon sehr ungeduldig.
Tbeopompos (in der Hauptstelle bei Clemens) setzt den Homer 500
J. p. Tr., Euphorion (ibid.) in die Zeit des Gyges. Tatian hat beide
Ansätze, aber ohne Nennung eines Auetors ; Euphorion und Tbeopompos
erscheinen auch in seinem Quellenverzeichnis nicht.
Lauer identificiert beide Ansätze unter Nr. 17, und weiterhin S.
126 identificiert er mit beiden eine dritte Angabe, Homer habe mit
Archilochos Ol. 23 gelebt.
406 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
Es ist wahr, dafs schon Tatian so verfährt, aber als Beweis,
dafs die Ansätze auch ursprünglich identisch waren, kann das nicht
gelten, um so weniger, als die ältesten Zeugen, Theoponipos und Eu-
phorion, nicht so verfahren, sondern jeder nur einen Ansatz geben,
zu denen dann bei Tatian der dritte ebenfalls ohne Nennung einer
Autorität hinzukommt. Ein anderweitiger Beweis aber dürfte schwer
zu führen sein.
Die Meinung, Homer sei Zeitgenofse des Archilochos, beruht
offenbar, wie auch Lauer annimmt, auf dem Umstände, dafs in der
Odyssee am Eingange zum Hades ein Volk der Kimmerier erwähnt
ist, während jenes nordische Volk, welches die lonier ebenfalls Kim-
merier nannten, in Gedichten des Archilochos vorkam. Diese Kim-
merier verheerten lonien und erregten einen gewaltigen Schreck,
dessen Erinnerung sich lange erhielt. Man machte den Schlufs, diese
Leute seien die Kimmerier Homers, und Homer habe sie '/Mtd ri kol-
vov rav'lcovcov k'x&og an den Hades versetzt, Strabo III p. 149. Ja
die Chronographen giengen so weit, dafs sie den grofsen Einfall der
Kimmerier, auf welchem diese bis in lonien vordrangen, in die von
ihnen für Homer angenommene Zeit setzten, Strabo I p. 20 f. III p.
149. Zugleich ergab sich der Schlufs, Homer sei Zeitgenofse des eben-
falls die Kimmerier erwähnenden Archilochos, um so leichter, als die
Allen beide Dichter gern und mit Recht zusammenstellten.
Mit diesem Ansätze , dem dritten, kann nun aber ursprünglich der
zweite, nach welchem Homer Kata rvyijv lebte, nicht identisch ge-
wesen sein; denn die Kimmerier verheerten lonien nicht als Gyges,
sondern als Ardys in Lydien König war, Herod. I, 15.
Allerdings wird in andern Berechnungen, wo von Archilochos
allein die Rede ist, dieser auch wohl einmal -/Mta rvyr]v angesetzt,
und nun kann man sagen : Homer erwähnt die Kimmerier , Archilochos
erwähnt sie, folglich sind beide gleichzeitig; Archilochos lebt nara
rvyi]v^ Homer ist mit Archilochos gleichzeitig, folglich lebt auch Ho-
mer YMxa rvyi]v. Solche Doppelschlüfse werden aber gewis immer
erst spätere in gröfsern Combinationen machen, nicht der einfache
Sinn derer, welche zuerst ohne Rücksicht auf die Ueberlieferung und
die Conjecturen anderer dergleichen Betrachtungen über Gleichzeitig-
keit anstellen. Wer zuerst sagte, Archilochos und Homer müsten
gleichzeitig sein, weil sie beide der Kimmerier gedächten, der wird
auch, wenn er die Zeit nach einem lydischen Könige bestimmen wollte,
den genannt haben, unter welchem die Kimmerier kamen, den Ardys.
Also der Zusatz der 23sten Ol. bei der Zeitbestimmung avv 'Aq-
liXox^ ist erst später gemacht worden, um diese Bestimmung mit der
r.aza Fvy^jv zu idenlilicieren. Gyges starb 678, die 23ste Ol. war 688
— 685 v. Chr.
Ist nun dies richtig, so kann auch der erste Ansatz, 500 p. Tr.,
mit dem dritten, övv ^AQ'itl6%ui, ursprünglich nicht identisch sein.
Denn Ardys beginnt nm 678 zu herschen, das öOOste Jahr aber seit
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie. 407
dein Beginn des Iroischen Kriegs ist 693, das öOOste seit seinem Ende
ist 683.
Ist aber die Untersuchung über den Ansatz 6vv Aqidoia falsch,
inhaeriert ihm die 23ste Olympiade, dann ist er gleichfalls nicht für
identisch mit dem der 500 Jahre zu halten. Man mag die 500 Jahre
vom Beginn oder vom Ende des troischen Kriegs zählen, ihr Schlufs
Iriirt nicht in Ol. 23 -- 688 — 685. Die Annahme der Abrundung
einer andern Zahl zu 500 Jahren ist unstatliiaft, weil man nicht den
mindeslen Grund sieht, warum denn gerade doch die 23ste Ol. als Er-
klärung bleiben muste, warum man nicht ebensogut die 2iste oder
24ste statt ihrer setzen konnte. Dafs Theopompos einer andern troischen
Aera gefolgt sei, welche von der durch Eratosthenes vertretenen um
einige Jahre abwich, diese Bede würde als leere Ausihicht erschei-
nen, so lange sie nicht den Beweis einer genau so abweichenden Aera
für Theopompos anderweitig führte. Denn man erinnere sich, dafs
Theopompos von der 23slen Ol. und von Archilochos gar nieht redet,
sondern nur von den 500 Jahren, und dafs nur Tatian und Lauer beide
Angaben combinieren.
Dagegen mit dem zweiten Ansatz, %axa Fvyrjv, dem des Eupho-
rion, stimmt der erste, der des Theopompos, die 500 Jahre, was die
nakte Zeitbestimmung betrifft. Denn die 500 Jahre , mag man sie vom
Beginn oder vom Ende des Kriegs zählen, gehn unter Gyges aus. Doch
würde man liier wieder nicht begreifen, Meshalb der gelehrte und
verständige Euphorien, wenn er einmal dem Theopompos folgen wollte,
auf kindisclie Art den Ausdruck der Ueberlieferung änderte, in einem
prosaischen \A'erke, über die Aleuaden.
Ich habe die drei Ansätze wieder auseinandergebracht; nun gilt
es zu zeigen, wohin der erste, die 500 Jahre, und der zweite, xata
rvyrjv, gehören; denn diese ruhen auf Ueberlieferung; der dritte, 6vv
^Aq%lX6%ü)^ ist eine biofse Conjectur, der man keinen bestimmten Ort
anweisen kann.
Der zweite, Kaxa rvyrjv, ist das Datum für den prokonnesischen
Homer.
Prokonnesos ist eine milesische Colonie in der Propontis. Von
Prokonnesos war der berühmte und berüchtigte Aristeas , der Ver-
fafser des Arimaspenliedes. Er wird von Suidas in die Zeit des Kroi-
sos und Kyros gesetzt, wenn, was ich nicht glaube, die bei Bern-
hardy im Text stehende Zahl richtig ist, in Ol. 50 := 580 ■ — • 577 v.
Chr. Jedesfalls setzt diese Angabe den Aristeas viel zu spät. Hero-
dot macht IV, 15 eine andere Angabe, nach der Aristeas später als
784 V. Chr. nicht gelebt haben könnte. Diese Angabe lehrt, dafs Ari-
steas in ziemlich frühe Zeit falle; genaueres ist aber aus ihr nicht zu
entnehmen, weil Ilerodot sie nicht aus der reinen Ueberlieferung eines
einzigen Ortes hat, sondern, wie er selbst sagt, durch Coinbination
zweier localer Ueberlieferungen gewann, der von Jletapont und der
von Prokonnesos. Dazu kommt, dafs wir durch Strabo wifsen, die
milesische Colonie habe die Insel Prokonnesos erst zur Zeit des Gyges
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
besetzt, also nach 716 vor Chr. Dafs Aristeas älter sei als diese mi-
lesische Colonie, kann man nicht annehmen, erstens, weil es gar
nicht das Ansehn hat, als sei überhaupt vor der milesischen Colonie
Prokonnesos ordentlich bewohnt gewesen; zweitens, weil Aristeas
und sein Gedicht bekanntlich in genauer Beziehung steht zu den Han-
delsniederlafsungen im Pontos, welche die Milesier gründeten, drit-
tens, weil der Name Aristeas mehrmals in Milet wiederkehrt. Aber
in die älteste Zeit der milesischen Colonie, in die Zeit des Gyges, wer-
den wir den Aristeas setzen müfsen, wegen Herodots Zeugnis, wegen
der Sagen, die sich um Aristeas Person bildeten, wegen seiner Ver-
bindung mit Apollon, unter dessen s])eciellem Schutze die milesischen
Colonien gegründet wurden, und endlich wegen der sehr bekannten,
von Lauer jedoch gar nicht berücksichtigten und S. 126 Anm. 158 nur
eben erwähnten Tradition, welche den Aristeas Homers Lehrer nennt.
Dafs die Prokonnesier und überhaupt die milesischen Colonien
an der Propontis ihr Alter nach Gyges bestimmten, ist natürlich. Denn
die ganze Gegend stand unter lydischer Herschaft, die Lyder halten
mit der Mutterstadt Milet die manigfachsten Berührungen im guten und
bösen. Gyges selbst führte mit 3Iilet Krieg, Gyges erlaubte, Avie
Strabo erzählt, den Milesiern Abydos zu gründen, und an einer an-
dern Stelle sagt Strabo, Prokonnesos hätten die 3Iilesier gerade zu
derselben Zeit gegründet wie Abydos. Daher ward denn natürlich
Aristeas mit seinem Schüler Homer auch xata rvyr]v angesetzt.
Der Ansatz Theopomps, 500 J. p. Tr., ist das Datum für den ky-
prischen Homer.
Lauer betrachtet diese 500 Jahre als Ausdruck von 8 Kyklen zu
63. Aber das gibt ja 504 .Tahre , nicht 500. Offenbar sind diese 500
Jahre vielmehr die Uebersetzung von 15 yevsaig. Hierauf führt auch
die Art, wie Theopompos, der älteste Zeuge dieses Ansatzes, sich aus-
drückt. Er sagt nicht: 500 J. (lerce rriv ^IXlov uXcoölv , sondern ju-£t«
h'rr] TtEvraKoGia rcov enl IXta Gr Qarsvöavrojv ysyovivca xov
"OfifjQOv. Also ähnlich wie Herodot gibt er kein einzelnes Ereignis
als Basis der Rechnung an, sondern die yEveyj rcöv inl IXlm GxQarev-
6avrcüi'.
Sind nun aber demnach in den 500 Jahren 15 ysveai zu erkennen,
so haben wir auch gar keine Wahl mehr in Bezug auf den Ort. Denn
aufser Kypros haben wir keinen Ort mehr übrig, an dem wir uns ein
geschlofsenes homerisches yivog mit einem Stammbaum denken kön-
. nen; in Kypros aber müfsen wir uns ein solches denken.
Dazu zwingt die isolierte Lage der Insel, welche ein festes Zu-
sammenhalten der dortigen Homeriden nothwendig machte, zwingt
das bedeutende homerische Gedicht, welches hierher gehört, zwingt
der Umstand, dafs sogar noch wir die Namen der Eltern des kypri-
schen Homer wifsen, zwingt die Sage von der Verwandtschaft des Sta-
sinos und Flomer, zwingt der alte kyprische Dichter Eukloos, angeb-
lich ein Vorgänger Homers, mit seiner Prophezeiung über die Um-
stände bei der Geburt desselben. Die Verse, in denen er vorherge-
Lauer: Gescliiclite der homerischen Poesie. 409
sagt haben sollte, Homer werde auf dem Laude bei Salamis geboren
werden, hat uns Pausauias X, 24, 3 erhallen. Ohne Zweifel gehörte
Eukloos nach kyprischer Sage selbst unter Homers Vorfahren. Als
sein Vorgänger wird er auch X, 12, 6 und X, 14, 3 vom Pausanias und
vom Tatian c. 41 genannt.
Den Anknüpfungspunkt für die Berechnung der Zeit nach dem
Iroischen Kriege gab den Kypriern ihr König Kinyras, welcher nach
A 20 dem Agamemnon ein i^uviiiov sandte. Ein Beispiel solcher an-
knüpfenden Berechnung bietet z. B. gleich Tatian c. 41 vlivog filv ya^
HfjanXeovs f'<^^^ öiöccöncxkog, o ös H^uK^jg jxia zcov T^mlymv n^oye-
viöTSQog nicptjvs yevea ' rovro Ös (pavs^ov ano xov naiöog avrov Tktj-
TioXi^ov OzQarsvöavrog inl "Ikiov. Wendete man dies z. B. auf Cha-
rax fingierte Genealogie Homers an, in der ebenfalls Linos vorkommt,
so würde nach ihr Homers ysvs^ die elfte ^stu tu T^ootyM sein, in
Zahlen übersetzt, er wäre 333 p. Tr. geboren. Das will freilich Cha-
rax kymaiisch-aiolische Genealogie nicht, denn nach ihr soll ja Homer
geboren sein, als die Aioler nach Smyrna kamen, um 1025 v. Chr.,
nicht um 850; daraus folgt aber weiter nichts als dafs diese Genealo-
gie eben an einem Innern Widerspruche leidet und auch dadurcii sich
als fingiert erweist. Eben solche Widersprüche liefsen sich bei allen
andern kyinaiischen Homer- Genealogien nachweisen; es lohnt nicht
der Mühe.
Unsere kyprische Genealogie bricht sich auf solche Art nicht den
Hals ; ja die ist aber auch echt. Betrachten wir sie etwas aufmerksamer.
Fünfhundert Jahre nach der yeverj twj/ inl 'ZA/w örQatsvaavtcov.
Die Könige sind ohne Zweifel gemeint. Deren yevei^ ist beim Beginn
des Krieges zu Ende. Also 500 Jahre nach 1193, also 693.
Ist dies das Jahr für die Geburt oder für die aKfitj des kypri-
schen Homer? Theopomp und Tatian sagen ycyovhat,. Daraus läfst
sich nichts schliefsen. Wenn man aber bedenkt, dafs Tatian diesen
Ansatz mit demjenigen identiliciert, welcher den Homer avv 'Aq%iI(>x(o
xara xr\v %y' OA. ansetzt, und ausdrücklich hinzufügt, damals sei die
«xftjj des Archilochos gewesen; wenn man bedenkt, dafs Tatian un-
mittelbar vorher bei der Zahl des Sosibios, welche ganz entschieden
nicht auf Homers Geburt geht, auch yeyovfVat sagt, sonst aber in die-
ser Uebersicht dies Wort nicht gebraucht, also für die Geburt es
sonst nirgends anwendet; dafs er endlich bei sämmtlichen noch übri-
gen Ansätzen unzweifelhaft ebenso wie bei dem des Sosibios die
av.\iYi angibt; dafs er seine ganze Uebersicht mit der Aufzählung sämmt-
licher ihm bekannter Autoritäten in diesen Worten beginnt: TitqX
yc(Q rijg TioirjGscog rov OfirjQOV, yivovg rs avrov ymI iqovov y.a& ov
'i]ii(ia6ev, nQorjQSvvrjöav oi ÖEiva: da wird man annehmen müfsen,
wenn man nicht dem Tatian allen Sinn und Verstand absprechen will,
dafs er die aKfir] Homers von unserm Ansätze in 500 p. Tr. gesetzt
sah, nicht die Geburt, und dafs er nur um dem zu wiederholenden
rfKlianivai zu entgehn, bei unserm und dem vorhergehenden Ansätze,
den beiden letzten, das allgemeine yeyovsvcci wählte. Also Homers
iV. Jahrb. f. Phil. II. Paed. ßd. F.XVII. Hft. 4. 27
410 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
Geburt setzte unser kyprischer Stammbaum in 726 v. Chr., 14 yevecii
(nacli unserer Art zu reden) p. Tr. Theopomp und Tatians Auetor
nahmen die an^iiq, weil sie eine runde Zahl haben wollten, 500, nicht 466.
Ganz vortrefflich stimmt diese Zeitbestimmung zu dem, was wir
über den Stasinos und die RvTtqia eTtr] wifsen.
Die Werke sämmtlicher Kykliker werden von den Alten Werke
des Homer selbst genannt, mit einer Uebertreibung, welche niclit un-
passend das Verhältnis dieser Gedichte zu den homerischen bezeich-
net. Bei zweien dieser Dichter gieng man aber ungleich weiter ; man
setzte sie mit Homer in persönliche Berührung; und das ist niclit mehr
passende Uebertreibung, das beruht auf der Sage. Diese beiden Dich-
ter sind bekanntlich Arktinos von Milet und Stasinos von Kypros. Sta-
sinos heifst sein Schwiegersolin, Arktinos sein Schüler. Arktinos
axjitjj fällt, wie wir sahen, in Ol. 1, 2 = 775 v. Chr., nacli ausdrück-
licher, genauer und einziger Ueberlieferung. Ueber Stasinos Zeit
gibt es keine Angabe der Art. Dal's er aber um ein erkleckliches
jünger sei als Arktinos, ist von neueren mit gewichtigen, aus der Art
und Anschauungsweise des Gedichtes entnommenen Gründen darge-
than. Diesen kann man die Bemerkung hinzufügen, dafs es weit leich-
ter sei und überhaupt weit näher liege, eine Erzählung fortzusetzen,
wie Arktinos mit der Erzählung der llias that, als einen vorbereiten-
den ersten Theil zu machen, wie Stasinos. Das Gedicht des Stasinos
also fällt um ein ziemliches später als 775 v. Chr.
Andrerseits müfsen die Kvnqici enfj noch vor dem Gedichte des
Lesches publiciert sein. Denn wie sollte wohl dieser zu dem misli-
chen Unternehmen gekommen sein , gerade den von Arktinos behan-
delten Stoff noch einmal zu behandeln, wenn ihm nicht jener andre,
nach Publication der Poesie des Arktinos zunächst liegende Stoff, die
Einleitung zur llias, von einem andern schon vorweggenommen wäre ?
Nun fällt aber Lesches «Xjti^ wieder nach genauer und unzweifelhafter
Ueberlieferung in Ol. 30, 3 = 658 v. Chr.
Also zwischen 658 und 775 v. Chr. müfsen die Kvnqia STttj ge-
dichtet sein , wahrscheinlich an 775 nicht so nahe wie an 658.
Fafsten wir nun die kyprische Sage vom Homer rein historisch
auf, und nähmen wir für die Zeit der Verheiratung Homers, seiner
Tochter und des Stasinos die gewöhnlichen Durchschnittszahlen , so
würde, da das Geburtsjahr des Homer nach dem kyprischen Stamm-
baum in 726 fällt, die a%^rj des Stasinos etwa in 673 v. Chr. fallen,
15 Jahre vor die axjiit^ des Lesches, 102 Jahre nach der des Arktinos.
Gegen dies Ergebnis, dächte ich, wäre von Seiten des Lesches
so wenig wie von Seiten des ganzen Entwicklungsganges der grie-
chischen Poesie irgend etwas einzuwenden. Denn dafs Stasinos mit
Homer in persönliche Berührung gebracht wird, der nur um 15 Jahre
jüngere Lesches aber nicht, läl'st sich befriedigend aus der isolierten
geographischen Lage und poelisch ungleich selbständigem Stellung
von Kypros erklären.
Und doch ist noch nicht alles in der gehörigen Ordnung. Es ist
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie. 411
in der kyprischen Sage selbst noch ein Zug, der zu einer Modilication
zwingt. Die Kvjiqia t'-rctj werden nemlich von der Sage nicht dem
Stasinos zugeschrieben, sondern dem Homer selbst, welcher sie bei
der Heirat des Stasinos mit seiner Tochter dieser als Mitgift schenkte.
Dieser Zug hat etwas zu bedeuten, und zwar will er sagen, dafs die
KvTtQici k'itt) etwas früher fallen, als wir sie so eben versuchsweise
ansetzten, nemlich noch in die ysvs'^ des kyprischen Homer selbst.
Dabei mufs man sich vor allem an das erinnern, was ich von
los und den anderen Orten nachwies, dafs die yevst'j Homers nach
Hechnung dieser einzelnen Orte nichts anderes bedeute als die erste
Blütezeit homerischer Poesie an diesen einzelnen Orten. Ganz das-
selbe gilt natürlich auch für Kypros. Das Datum für die Geburt des
kyprischen Homer ist lediglich das Datum für die Stiftung der home-
rischen Dichterschule auf Kypros. Und bald nachher, in der Zeit um
700 etwa, dichtete Stasinos, der bedeutendste Dichter dieser Schule,
sein grofses Gedicht. Dieses deutet die Sage an, indem sie die Kv-
TCQia snrj noch dem Homer selbst zuschreibt.
Was aber den Stammbaum betrifft, so sah dieser den Homer als
einen Altersgenofsen des Stasinos an, so dafs ihre yersi] zusammen-
liel ; man dachte sich, dafs Homer und seine Tochter früh heirateten,
Stasinos aber spät, etwa um das 45ste oder 50ste Lebensjahr.
Wem das nicht gleich einleuchten will, der bedenke nur , dafs
die Stifter der kyprischen Schule selbst unmöglich den Homer als
einen Kyprier und ihren Schwiegerpapa in den Stammbaum des yiuog
setzen konnten ; sondern sie stellten nur eben die wirkliche Genealo-
gie ihres wirklichen Hauptes als den Stammbaum des yevog auf. In
späteren Geschlechtern dann erst, vielleicht um 660 v. Chr. etwa, bil-
dete sich im Volk allmählich die Sage vom Kyprier Homer. Sie setzte,
nach der oben erwiesenen Art dieser Sagen, seine Geburt in die Zeit,
wo auf Kypros in Wirklichkeit die Pflege der homerischen Poesie be-
gann. Die Bestimmung dieser Zeit haftete im Gedächtnis der Masse an
irgend einem grofsen einzelnen Ereignisse, wie in Kyme am Tode
des Midas. Nun fiengen die Kvtvqi« STirj an ein Gedicht Homers zu
heifsen, weil im Volk eine Erinnerung daran geblieben war, dafs sie
nicht allzu lange nach dem ersten Aufti'eten der homerischen Poesie
auf der Insel entstanden. Andererseits ward Stasinos Homers Schwie-
gersohn genannt, um das Verhältnis zu bezeichnen, in dem er wirk-
lich zur homerischen Poesie stand. Man liefs die KxntQia k'm] ihm
von Homer schenken, um die üeberlieferung, welche sie ein Gedicht
des Stasinos nannte, mit der neu entstandenen Sage zu verbinden.
Nun waren natürlich die derzeitigen Glieder des yivog durch die
vox populi gezwungen, den Homer auch im schon feststehenden
Stammbaum des yivog als Kyprier und Schwiegervater des Stasinos
unterzubringen. Sie thaten das in ehrlichem Glauben, die Hand der
Zeit habe seinen Namen nur gelöscht, sie thaten es ohne die fest-
stehende Genealogie zu ändern. Und schwer war das nicht.
Dafs die yeven'i des bedeutendsten kyprischen Dichters, des Stasi-
27*
412 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
nos, auf die yevs'^ der wirklichen Stifter dieser Schule folgte, ist von
vorn herein das wahrscheinlichste; wir müfsen es annehmen, wenn
wir die kyprische Sage rein historisch fafsen; wir müfsen es auch
hier annehmen. St^sinos Geburt traf also ungefähr mit der anfirj der
Stifter und mit der Stiftung der Schule selbst zusammen. In eben
diese Zeit aber setzte die neu entstandene Sage gerade auch Homers
Geburt auf Kypros, und so ergab sich als einfachster Weg der, den
Homer im Stammbaum zum Altersgenofsen des Stasinos zu machen.
Die 14 ysveai also, um welche man den kyprischen Homer von
der ytverj jenes Königs Kinyras, des Zeitgenofsen vom Agamemnon,
entfernt sein liefs, beruhn demnach, meine ich, ursprünglich auf Sta-
sinos Genealogie. Durch diese Annahme kann natürlich der Ansatz
an Glaubwürdigkeit nur gewinnen.
Ganz auf die nemliche Art verhält es sich mit den homerischen
Stammbäumen der anderen Orte. Homer ward natürlich überall erst
da hineingebracht, als sich die Homer-Sage des betreffenden Orts ge-
bildet hatte. Diese setzte überall, wie ich nachwies, die Geburt Ho-
mers in die Zeit, wo an dem betreffenden Orte die Pflege der homeri-
schen Poesie begann; Homer muste also überall in den Stammbaum
treten als Glied der Generation, deren Geburt mit der Stiftung der
Schule zusammentraf.
So weit ist es überall dasselbe; Abweichungen aber zeigen sich
in der Art, wie die bedeutenden Dichter, welche die Schule wirklich
hatte, zu Homer gestellt werden.
Ganz analog der kyprischen Sage ist im wesentlichen der Fall mit
Kreophylos von Samos, dem Homer die Ol%aUcig aXioaig geschenkt
haben sollte. Kreophylos gehört der ersten Generation nach Stiftung
der Schule an, war also nach samischer Rechnung Altersgenofse Ho-
mers. Nur bei dieser AulTafsung läfst es sich begreifen, wie die sa-
mische Sage den Kreophylos bald zum Wirth , bald zum Schwieger-
sohn, bald aber auch wieder zum Lehrer Homers machen konnte. Das
war alles möglich, weil man gewohnt war, Kreophylos als den Alters-
genofsen Homers zu denken; von dieser Basis gieng die Sage nach
allen Seiten in allerlei Einzelheiten aus.
Anders als mit Kreophylos und Stasinos verhält es sich mit
Aristeas und Arktinos. Bei diesen begnügt sich die Sage mit dem
Verhältnisse des Lehrers und Schülers. Dies Verhältnis glaube ich
bei Arkfinos richtig so aufgefafst zu haben , als w erde eine gröfsere
Entfernung des Arktinos von der Stiftung der milesischen Schule an-
gedeutet; ich setzte seine Geburt um eine yeve'ri später als diese Stif-
tung. Was Aristeas betrilTt, der nicht Homers Schüler, sondern sein
Lehrer heifst, so haben wir oben gesehn, dafs er den ältesten Zeiten
der milesischen Colonie auf Prokonnesos angehört. Er war ein Zög-
ling der milesischen Schule, gieng mit der Colonie von Milet nach
Prokonnesos und richtete hier eine Art Filial der milesischen Schule
ein. Später dann erhielt er durch die Handelsverbindungen zwischen
Prokonnesos und den milesischen Orten am Pontos einen reichen und
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie. 413
wunderbaren Stoff ganz neuer Art, durch dessen Bearbeitung er als
Prokonnesier berühmt ward.
So gehörte also zu Prokonnesos gleich dem Stifter der Schule
das bedeutendste Werk, was diese hervorbrachte, anders als in Sa-
mos und Kypros, wo erst dem auf die Stiftung der Schule folgenden
Geschlecht, anders als in Milet, wo gar erst dem zweiten Geschlecht
nach Stiftung der Schule das Hauptwerk gehört. Daher das besondere
der prokonnesischen Sage, dafs Aristeas nur Homers Lehrer heilst,
nicht auch Homers Schüler, Schwiegersohn, Empfänger des Gedichts
vom Homer.
Man sieht, die Abweichungen der Sage sind nicht gesetzlos. Sie
geben ;^u erkennen, ob der Hauptdichter der Schule mit seiner aKfirj
in die Zeit der Stiftung der Schule, oder um eine oder um zwei Gene-
rationen später fällt. Danach modiliciert sich die Sage, indem sie sich
dem Stammbaum zur Seite hält.
Ob Theopomp und der Auetor des Tatian wüsten, dafs der ky-
priscbe Stammbaum ihrer Homer-Kechnung zum Grunde liege, ist un-
entschieden; dafs sie es nicht wüsten, sondern den Ansatz aus Kv-
TfQiaKOig ohne Kenntnis seines Motivs als bequem herüber nahmen,
ist das wahrscheinlichere. Ich sage dies deshalb, damit, wenn jemals
ein Fragment Theopomps gefunden würde, welches andere Motive des
Ansatzes aufstellte, niemand in ihm eine Waffe gegen meine Unter-
suchung zu besitzen glaube. Und dies gilt für alle ähnlichen Fälle.
Meine Motivierungen haben nicht sowohl die Motive späterer im
Auge, welche die Ansätze blofs annehmen, als vielmehr die ursprüng-
lichen.
Gewicht für das übrige Griechenland erhielt die kyprische Rech-
nung erst dadurch, dafs sie mit der prokonnesischen und mit dem ge-
wis sehr beliebten Ansätze 6vv 'AQ^doxa so ungefähr stimmte. Alle
drei Rechnungen sahen wir bei Tatian vereint und identificiert. In die-
ser Form bekamen sie ein solches Gewicht, dafs Aristarch sich ver-
anlafst sah, ihnen insbesondere entgegenzutreten. Dies erhellt dar-
aus, dafs die Darlegung von Aristarchs eigner Ansicht (bei Clemens)
aus seinem Commentar über Archilochos citiert wird: 'ÄQCöxaQiog ds
iv toig ^ AqiiXo%eioig vnoiivi^fiaat Kaza rr]v Icoviy.rjv anoiaiav (prjOl
(pEQeö^ca avrov. Dafs aber Aristarch durch die in den Text des Ho-
mer X 14 für Kififie^lcov aufgenommene Lesart KeQßeQirov oder, wie
Buttmann will , KsQßsQiav der Argumentation der Gegner sollte eine
Stütze entzogen haben, ist nicht glaublich. Alt ist diese Lesart, So-
phokles und Aristophanes der Komiker (Etym. m.s, t. KijAfisoöovg) lasen
KegßsQifov, nachher Krates; aber dafs Aristarch Kii.if.i£Qi(ov behielt,
dafür spricht zunächst die Fafsung gewisser Notizen in der Scholien-
litteratur und sodann vor allem der Umstand, dafs Ki^niQiav das
richtige ist. Aristarch wird vielmehr gegen Krates gezeigt haben,
dafs der Name KL^^iqtoi aus dem ältesten Locale dieser Sage stamme,
aus Epirus, woselbst, wie uns Strabo VII, ;v:4 zeigt, der Flufs Ache-
ron und der acherusische See und das Vorgebirge Xu^iqiov beieinan-
414 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
der lagen ; dafs deshalb auch für Kif.i(jieQi(ov im Homer eine dritte
Lesart, Xsiiitqmv ^ ihre Berechtigung habe; dafs es aber befser sei
lanag zu lesen KifiiieQicov , TtQog öiaörolriv t(dv xeifiSQLfov • ' ^'ftatt
leifiEQUp ore t 6)Qero (jn^riExa Zavq vetcpsiJLSv'; endlich dafs die lonier
aus Homer erst den Namen der Kimmerier auf jenes nordische, lo-
nien verwüstende Volk übertrugen, welches sich selbst gewis ganz
anders nannte.
Ob Julius Franz Lauer diese Sächelchen erörtert habe; geneigter
Leser, wolle danach nicht forschen. Folge mir lieber zur Betrach-
tung der Tabelle, in welcher Lauer S. 124 seine sämmtlichen Ansätze
zusammenstellt.
Dafs diese Tabelle äufserst unvollständig und unrichtig sein
müfse, ist aus dem bisher entwickelten klar. Aber ganz abgesehn
davon ist es gewis ein neuer ungeheurer Fehler , dafs Lauer in ihr
nun gänzlich die Rechnung nach yEveaig fallen läfst, und überhaupt
nur nach nvnloig rechnet. In der Einleitung stellte er beide Rechnun-
gen als gleichberechtigt der Theorie nach nebeneinander. Beim Durch-
gehn der einzelnen Ansätze sodann erkannte er nirgends die Rech-
nung nach yEveatg^ wo sie wirklich war, dagegen bei ein paar An-
sätzen, bei denen gerade an sie nicht zu denken ist, liefs er sie gel-
ten. Das war freilich ein Stück aus der verkehrten X'S'elt; aber die
Rechnung nach yeveaig war doch noch überhaupt da; hier in der Ta-
belle läfst er sie ganz fallen und vertilgt damit die letzte Spur der
Wahrheit. Hat er denn gar keine Ahnung davon gehabt, dafs die
ganze ältere griechische Geschichte bis auf die Perserkriege hinab
ursprünglich auf Stammbäumen ruht? Stammbäume der Geschlechter
waren die sehr sicheren Anhaltspunkte für die Sagen wie für histori-
sche Ueberlieferungen, waren für die griechischen Logographen und
Historiker die Grundlage der Forschung, und mufsen es ebenso für
uns sein, so weit wir sie oder wenigstens ihre Jahressummen aufzu-
spüren im Stande sind. Und dafs uns, was Homer betrifft, in diesem
Punkte die Ueberlieferung keineswegs im Stiche läfst, sondern uns
vielmehr mit allem wesentlichen versorgt, glaube ich gezeigt zu haben.
Lauer ist, ich deutete es schon bei dem Abschnitt über die Quel-
len an, der in den Stammbäumen gegebene Anhaltspunkt der localen
Homer-Sagen gänzlich entgangen, und wieder müfsen wir sagen, er
sei mit sehenden Augen blind gewesen, da er ja in seiner schönen
theoretischen Einleitung zu diesem Abschnitte die Rechnung nach ye-
vEcctg neben die nach nvKloLg stellt.
Hier in der Tabelle will er nun mit seiner überall durchgeführ-
ten Rechnung nach %v%Xoig eine Gleichförmigkeit erzielen, welche
eben in den Angaben nicht liegt, und welche deshalb vollkommen
willkürlich und gesetzlos ist. Eine Folge dieser Uniformierung ist
nun die neue ^^ illkür, dafs L. die sänimllichen Ansätze in drei Grup-
pen theilt, deren jede ungefähr hundert Jahre umfafse und von der
andern um 50 Jahre entfernt sei. Weiche Eintheilung! Hier ist ja gar
nicht Rücksicht genommen auf die sehr verschiedenartigen Gründe, auf
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie 415
denen die einzelnen Dala heruhn , sondern das rein äul'serliche Mo-
ment der Jahreszahl v. Chr. oder p. Tr. ist malsf^ehend; ein zufälliges
Znsammentrelfen von Ang-ahen, die in ihrem Wesen himmelweit ver-
schieden sind, M'ird als g-esetzlich betrachtet!
Ich habe «gleich im EiiiSfange meiner Kritik dieses Abschnitts
hervorgehoben, wie L. sich die Untersuchung von vorn herein dadurch
erschwert und verpfuscht, dafs er die einzelnen Ansätze in der Reihen-
folge prüft, welche die Jahrszahl gibt, liier sieht man nun die Fol-
gen dieses Verfahrens, welches von der viel g-escholtenen F^achmann-
schen "^ Principlosigkeit' eben so weit entfernt ist, als es dem ^syste-
matischen' Treiben der Pedanten nahe steht.
Uebrigens ist Lauer mit seiner ganzen Anordnung nicht einmal
Original; 's ist alles aus Fischer- Soetbeer, die Reihenfolge und die
Idee der Sonderung in die drei Gruppen. Nur die Ausführung zeigt
kleine Abweichungen.
Berücksichtigen aber mufs man zu Lauers Gunsten, dafs er eben
nur bei sehr wenigen Ansätzen die wahren Motive gefunden hat, dafs
er vielmehr der Ansicht ist, die Ansätze möchten nun auch wohl ih-
ren Motiven nach so in drei Gruppen zusammengehören. Wir wer-
den das gleich näher betrachten, nur wollen wir uns vorher noch an-
sehn, wie possierlich bei dem schönen Aufmarsch in drei Gruppen
Theopompos und Euphorion hinterdrein baumeln. Sie sind zu jung, die
armen Knaben, um in Lauers dritte Gruppe zu passen, sie haben die
reglementsmäfsige Gröfse selbst nicht für das dritte Glied; eine eigne
Gruppe konnte aber Lauer aus ihnen um so weniger bilden, als er
ihre Ansätze ja für identisch hielt. So läfst er sie denn als eine Art
Trofsbuben hinterher zotteln.
Und nun zu Lauers gruppenweiser Motivierung en gros.
Es sei sehr glaublich, meint Lauer, dafs alle Ansätze der Gruppe
B ihren terminus a quo in der ionischen Wanderung hätten. Wir ha-
ben vielmehr gesehn, dafs dies sehr unglaublich ist, dafs der Ansatz
des Kyrillos z. B. ganz andere Motive hatte als Euthymenes und Ar-
chemachos, beide aber von der ionischen Wanderung gar keine Notiz
nahmen.
Für die Gruppe C, meint Lauer, sei es schwierig einen gemein-
samen Beziehungspunkt zu finden. Ja das glaube ich wohl ; denn ein
solcher ist eben nicht da, und Apollodors Motive z. B. sind in ihrem
Wesen durchaus von denen des Herodot verschieden.
Die Ueberlieferung vom Zeitalter Homers, meint Lauer, ruhe wie
die von seinem Vaterlande auf Sage und Combination. In diesem all-
gemeinen Satze von der Sage und Combination sonnt der Verf. sich
ordentlich so recht mit Behagen. Wenn man aber nicht befser als er
diesen Satz ins einzelne hineinleuchten läfst , so lockt man mit ihm
keinen Hund vom Ofen.
Die Behauptung, meint Lauer, dafs Homer zur Zeit der ionischen
Wanderung lebte, Gruppe B, stütze sich auf die Sagen von Kyme und
los, die Gruppen A und C dagegen seien aus Combination hervorgegan-
416 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
gen. Das ist halb wahr und darum ganz falsch. Einiges ist in A und
C aus Combination hervorgegangen, anderes beruht unleugbar auf
reiner Sage, und in B steht ganz gewis nicht alles mit den Sagen
von Kyme und los oder der ionischen Wanderung in Zusammenhang.
Nur einige Combinationen , meint Lauer, seien uns möglich zu
erklären, weil wir nur eben die nakten Angaben ohne die Gründe hät-
ten. Das ist wieder so recht ein Gedanke nach Art der quaestio.
Wenn wir die Gründe bei den Angaben hätten, co ^ike, was bliebe
uns da noch zu erklären? Und abgesehn davon, welche Trägheit des
Denkvermögens spricht sich in den wenigen Worten aus! W\r sollen
eben die Gründe finden , dazu sind wir da , und sie liegen , denke ich,
meistens recht offen vor, wer überhaupt etwas zu finden vermag.
Einzelnes gibt L. hier nur über den jüngsten Ansatz, und über
die Gruppe A, namentlich Krates. Die Auseinandersetzung über die-
sen habe ich schon erwähnt, auch von dem über die Gleichzeitigkeit
mit Archilochos gesagten ist schon die Rede gewesen, wir werden
es aber späterhin in seinem ganzen Zusammenhange betrachten. Ueber
die Gruppen B und C spricht sich der Verf. nicht genauer aus, son-
dern thut mit ihnen etwas geheimnisvoll. Er wünsche, sagt er S. 128,
seine Ansichten über die Data dieser Gruppen bis auf eine spätere Ge-
legenheit zu Wersparen.'
Das unvollendete Buch liefert diese Versparnisse nicht nach.
Vielleicht gehören sie doch noch zu dem * Schatze', welcher laut
Vorr. S. XIV auf der Berliner Universitätsbibliothek seiner Hebung
von 'geschickten Händen' entgegenharrt. Ihn da zu heben würde auch
nölhig sein, wer ihn haben mag, denn durch Nachdenken ihn zu ero-
bern, ist unthunlich. Die Wahrheit kann man errathen und einem an-
dern nachfinden, der Irthum aber ist tausendfach. Hätte dieser Ab-
schnitl , auf den für den Erfolg des ganzen alles ankam, richtig vor-
gearbeilet und die auf echter Sage ruhenden Zeitangaben über Homer
mit den richtigen Orten in Verbindung gebracht: da müste sich alles
weitere beinahe von selbst ergeben. Nun aber können die versparten
Lauerschen Ansichten nur Lauersche Confusionen sein, vor denen die
Wifsenschaft gnädig bewahrt worden ist.
Die Wahrheit dieser Behauptung, denke ich, wird in ein noch
helleres Licht treten, wenn wir der Tabelle Lauers unsre Tabelle ent-
gegenstellen, wie sie aus der Widerlegung der Lauerschen Reductio-
nen und Motivierungen und der Ergänzung der fehlenden Ansätze uns
unversehens erwuchs.
(Schlufs folgt im nächsten Hefte.)
Berlin, Dr. M. Sengebnsch.
Müller (1. Steinhart: Plalons sämmtliche Werke. Ir ii. 2r Bd. 417
Piatons sämmiliche Werke. Ucbcr.sctzt von Hieronymus Müller, mit
Einleitungen begleitet von Karl Steinhart. Erster und zweiter
Band. Leipzig, F. A. Brockliaii.s. 1850 und IH51. XXIV u. 541,
Vlir 11. 680 S. gr. 8.
(Fortsetzung von S. 270 ff.)
Tm zweiten Theile läfst der Hr. Verf. den Eiithydemos mit
Hermann a. a. 0. S. 464 IT. iinniiffelbar auf den Protafforas folgen,
wogegen er Ref. mit Schleiermao her unmittelbar vor den Kraty-
los zu gehören scheint. Von Hermanns Seite ist übrigens die obige
Annahme ganz consequeuf,' indem er zwischen den beiden Haupt-
massen des Gesprächs, der persiflierenden Rufwicklung eristischer
Sätze durch Eufhydemos und Dionysodoros und andererseits der Ka-
techese des Sokrates mit dem Kleinias. gar keine positive Beziehung
anerkennt, vielmehr behauptet, dafs die Trugspiele hier noch gar nicht
in ihrer philosophischen Bedeutung aufgefafst würden, daher auch
den Zweck des Gesprächs auf den Gegensatz sophistischer Protreptik
und sokratischer Weisheit beschränkt. Anders verhält es sich mit
Hrn. Steinhart, welcher unseres Erachfens richtiger iirtheilt, dabei
aber auf halbem Wege stehn bleibt. Er macht mit Recht geltend
(S. JO), dafs Sokrates erklärt sich bei den beiden Sophisten in die
Schule gegeben zu haben (p. 272 R IT.), und erkennt darin die An-
deutung, dafs jene Antinomien eine Vorstufe zur wahren Erkenntnis
sind. Eben so richtig bestimmt er ferner S. 16 f. darnach als den
Zweck des Dialogs den Begriff des wahren Wifsens und Lernens und
des Strebens nach der höchsten Wifsenschaff , welche zugleich die
vollendete Tugend und die höchste Sfaatskunst ist. Mit Recht tadelt
er es endlich, wenn Stallbaum Opp. VI, I p. 10 ff. die sophistischen
Trugschlüfse ausschliefslich von herakleitisch-profagoreischen Prae-
missen herleitet, und behauptet seinerseits , dafs sie eben so gut von
eleatischen auslaufen: S. 74 Anm. 7. Er erblickt daher sogar hinter
dem Angriffe gegen diese Sophismen (S. 26) den ersten, wenn auch
noch mehr spielenden Versuch Piatons, zAvischen'den schroffen Ein-
seitigkeiten der in ihren letzten Endpunkten noch dazu zusammenlau-
fenden Lehren des Herakleitos und der Eleaten eine Ausgleichung zu
finden. — Unmöglich konnte doch Platou an eine solche Kritik der
frühern metaphysischen Principien denken, so lange seine eigne
Dialektik noch in den Schranken der Ethik befangen lag, wie noch
im Menon und Gorgias!
Hr. St. hätte auch darin noch einen Schritt weiter gehn sollen,
die Trugsätze ausschliefslich als ein sophistisches Spiel mit dem
eleatischen Sein zu bezeichnen. Seine Reweisführung S. 16. 20. 21.
23 legt nur dar, dafs man auch herakleitische Voraussetzungen zu
denselben Resultaten misbranchen konnte, nicht aber, dafs Euthy-
demos und sein Bruder dies hier wirklich thun. Dagegen ist es
ein tiefer Blick, dafs er hinter den sophistischen Folgerungen den
leisen Angriff auf die philosophischen Praemissen der altern Specula-
418 Müller u. Steinhart. Plafons sämmtliche Werke. Ir u. 2r Bd.
tion nicht übersehn hat. Die Truffschlüfse haben hier wirklich die
philosophische Bedeutung, dafs durch sie die Einseitigkeit des elea-
tischen absoluten Seins ans Licht gestellt wird, welches vom unbe-
dingten zum endlichen gar keine Brücke darbot.
Damit steht offenbar die Hindeutung auf die platonische Ideen-
lehre p. 300 E ff. in Verbindung-. Hr. St. erkennt freilich S. 25 nur
ein Anstreifen an dieselbe, läfst aber jede Andeutung vermifsen, wo-
durch denn das hier beschriebene avro to zaXov von der Idee des
schönen irgendwie abweicht. Piaton verwirft ohne Zweifel schon hier
das eleatische Sein nur in seiner einseitigen Starrheit, deutet dem-
nach darauf hin, dafs demselben vielmehr eine solche Fafsung zu ge-
ben ist , um es vor sophistischem Misbrauch wahren und das endliche
Sein aus ihm ableiten zu können, und dafs er eine solche Fafsung in
seiner Idee gefunden zu haben glaubt. Stellen wir nun den Euthy-
demos zunächst vor den Kratylos, so empfangen wir hiefür die Be-
stätigung, denn im Kratylos wird die Idee auf die eleatische ov6ic<
basiert, zugleich aber nicht als blol'ses Sein, sondern als Wesen,
d. h. als die allgemeinste Qualität gefafst, welcher alle Sonderqua-
litäten immanent sind. S. u. So erklärt es sich auch, warum jene
eristischen Sätze keines eigentlich dialektischen Gegenbeweises ge-
würdigt zu werden brauchen: sobald das Princip, auf welches sie
sich stützten, seiner Einseitigkeit entkleidet war, stürzten sie ihrer-
seits in sich selber zusammen.
Bei dieser Stellung des Euthydemos fällt nun auch jeglicher
Grund fort, welcher verhindern könnte, dafs nicht bei den Trug-
sätzen der beiden Sophisten an ähnlich lautende derjenigen Sokrati-
ker , welche gleichfalls in einseitiger Fafsung auf das eleatische Prin-
cip zurückgiengen, d. h. des Antisthenes und vielleicht auch der Me-
gariker, zu denken wäre (Steinhart S. 26). Im Gegentheil, die
Behauptung des Euthydemos p. 277 A, dafs, wer die Lautelemenle
oder Buchstaben kennt, damit alles wifse, klingt schon ganz nahe an
die im Kratylos bekämpfte Lehre des Antisthenes an, dafs man mit
dem Worte auch die Sache kenne.
Mit dem vorbemerkten stimmt es völlig überein, dafs hier zu-
erst der Name der Dialektik auftritt, p. 290 C. Dafs der Dialog nicht
vor dem Menon geschrieben sein kann, geht daraus hervor, dafs die-
jenige Beweisführung für die Einheit aller Tugenden in der Weisheit,
welche im Menon die letzte Entscheidung bildet , hier nur in dem
ersten Theile der Katechese mit Kleinias wiederkehrt, wogegen deren
zweifer Abschnitt nach des Hrn. Verf. eigner Erklärung (S. 21) eine
weiter 'gehende Fafsung enthält. In der That aber empfängt auch im
ersten Theile dieselbe Entwicklung bereits eine ganz eigenthümliche
Färbung dadurch , dafs die Weisheit ausdrücklich als das einzige
Mittel zur Glückseligkeit, mit andern Worten also selber als das
höchste Gut bezeichnet wird. Das höchste Gut ist also nicht mehr,
wie bisher, das höchste Princip aller Philosophie, sondern blofs noch
der Ethik. Die Weisheit, welche im zweiten Theile der Katechese
Müller u. Steinhart: Piatons sämnitliche Werke. Ir u. 2r Bd. 419
gesucht wird, ist daher nur scheinhar oder nur iti ahgeleiteter Weise
die Politik, in Wahrheit die Dialektik, wie ehen an der obiffen Stelle
angedeutet wird. Die vorläufige Herausbildung der Dialektik aus der
Ethik ist eben der Mittelpunkt deg Dialogs, ihren materiellen Inhalt
erhält sie erst in den folgenden Werken. Der Euthydemos ist somit
als das erste, vorbereitende Glied der zweiten oder dialektischen
Reihe der platonischen Werke anzusehn.
Hr. St. selbst findet S. 17 f. in der Antinomie, dafs bald den ein-
sichtigen, bald den unwilsenden das Lernen zukommt, p. 275 D IT.,
den tiefern Sinn angedeutet, dafs das Wifsen der Möglichkeit nach in
der Seele liegen mufs , und sein eigner Genofse, Hr. Müller, ver-
muthet S. 80 Anm. 32 mit Recht in dem ewigen Besitze des Wifsens
p. 294 E tf. eine Rückdeutung auf die avci(A,v)-j6i,g des Menon. Es fin-
det aber eine solche noch viel directer und bestimmter p. 282 C f.
statt, wo die Nothwendigkeit eines Beweises für die Lehrbarkeit der
Weisheit oder des Wifsens abgelehnt wird, und nicht etwa ist dies
ein Rückblick auf den Protagoras , wie Hr. St. S. 17 und 76 Anm. 20
will. Denn einmal ist von der FiChrbarkeit der Tugend überhaupt
an dieser Stelle gar nicht die Rede; sodann folgt dieselbe ja auch im
Protagoras, ebenso wie im Menon. aus der Zurückführung der Tugend
auf das Wifsen ganz unmittelbar und konnte daher auch hier ganz un-
mittelbar daraus gefolgert w erden ; eine solche Rückdeutung auf den
Protagoras wäre also gänzlich unnütz gewesen.
Die Stelle, wo Kleinias plötzlich eine Reihe tief eingreifender
Gedanken ohne weitere Hilfe der sokratischen Älaeeutik entwickelt,
p. 290 B ff., erklärt der Hr. Verf. ungenügend S. 11 und 75 Anm. 13
als Beleg für die grofsartigen Nachwirkungen der sokratischen Me-
thode. Es ist vielmehr in der nachfolgenden Unterredung mit dem
Kriton allgemeiner von dem geistigen Einflufse des Sokrates
überhaupt die Rede, und so weist auch diese Stelle dem Dialog eine
spätere Zeit an, wo die blofse sokratische Methode nicht mehr diese
ausschliefsliche Bedeutung" für den Piaton hatte.
Dagegen ist Ref. mit dem Hrn. Verf. S. 13 f. ganz dahin einver-
standen, dafs man bei dem ungenannten Redenschreiber p. 305 an
keine bestimmte geschichtliche Persönlichkeit zu denken braucht.
Ein höchst glücklicher Griff ist es, dafs Hr. St. dem Menon
vor dem Gorgias seine Stelle anweist, und zwar läfst er, in Anerken-
nung dessen, dafs die Drohung des Anytos p. 94 E die schon erhobene
Anklage desselben voraussetzt, ihn in der Zeit bald nach der letztern
entstehn, als Piaton noch keinen unglücklichen Ausgang des Processes
fürchtete. So erklärt sich vortrefflich die mildere Stimmung, welche
hier gegen die altern athenischen Staatsmänner im Gegensatz zu dem
herben Tadel derselben im Gorgias herscht , und dafs auch die sonsti-
gen historischen Anspielungen nicht widersprechen, wird S. 123 f.
überzeugend nachgewiesen.
Erst so tritt klar hervor, wie es gemeint ist, wenn einmal der
Schlufs des Protagoras und von neuem der des Menon auf eine künf-
420 Müller II. Steinhart: Plalons sämmtliche Werke. Ir u. 2r Bd.
tige, tiefer gehende Erörterung des Tugendbegriffs hinweist: der Pro-
fagoras deutet so auf die des Menon, der Menon auf die des Gorgias
voraus. Kehrt man dagegen die Stellung der letztern beiden Dialoge
um, so weifs man in der That niclit, wo jene tiefere Untersuchung zu
finden sein sollte, welche der Menon verlangt.
Viel überzeugender hätte indessen die Darstellung des Hrn. Verf.
noch werden können, wäre sie nicht durch die Einschiebung des Eu-
thydemos zwischen Protagoras und Menon beirrt worden, denn es
dürfte in der That der Nachweis nicht schwer fallen, wie der Menon
bis ins einzelnste unmittelbar die Gedankenreihen des Protagoras
fortsetzt und vertieft. Um hier nicht weitläufig zu sein, begnügt sich
Ref. hervorzuheben, dafs der Protagoras die Frage nach der Lehrbar-
keit der Tugend allmählich auf die tiefer liegende nach ihrer Identität
mit der Erkenntnis zurückführt, d. h. auf die nach ihrem Begriffe,
während der Menon gleich in seinem Eingänge diesen Verlauf seines
Vorgängers kurz recapituliert. Während die Lehrbarkeit der Tugend
dort das ostensible Gesprächsthema war, so ist dieselbe dagegen hier
nur noch eine zu prüfende Hypothese, p. 86 E ff. Dort wird also die
Induction vollzogen, hier an dieselbe ihr kritisches Complement an-
gelegt, die hypothetische Begriffserörterung, welche Hr.
St. freilich S. 109 f. auffallenderweise als ein der echten platonischen
Dialektik fremdartiges Verfahren bezeichnet. S. dagegen Zell er
Philos. der Griechen II S. 174 f., wo in Anm. 1 auch die eben erwähnte
Stelle des Menon citiert wird. Es ist ein blofses Vorgeben, dafs So-
krates lediglich seinem Gesprächsgenofsen zu gefallen sich dieser
Methode bedient. In Wahrheit bietet dies vielmehr nur die Handhabe
dazu, um auch diese Seite der platonischen Methodik ins Licht zu
stellen, nachdem vorher bereits p. 75 D E die Technik der Induction
gegeben worden ist. Gerade diese methodische Seite liefert aber ein
neues unmittelbares Ergänzungsstück zum Protagoras: wie dort die
richtige Lehrmethode, so wird hier tiefer gehend die richtige Denk-
methode geltend gemacht. Dort dämmert ferner die Unterscheidung
einer doppelten Tugend auf. hier findet sie durch die Unterscheidung
von Erkenntnis und richtiger Vorstellung p. 97 f. ihre wifsenschaft-
liche Form. Die Einsicht in diesen Zusammenhang wird freilich völlig
gestört, wenn man mit Hrn. St. S. 86 und 17] Anm. 5 nach dem Vor-
gange von Br andis a. a. 0. II, I S. 36 und Krische Forschungen
S. 211 aus p. 98 B folgern wollte, dafs diese letztere Unterscheidung
bereits dem historischen Sokrates angehört, während die Stelle doch
nur besagen will , dafs dieselbe der Möglichkeit nach schon in
der sokratischen Lehre liegt: zur Wirklichkeit tritt sie dagegen eben
erst vermittelst des Dogmas von der Praeexistenz un(\avcif.iv}]Gig hervor.
Die eigenthümliche Einkleidung der Stelle dient nur dazu, dem So-
krates ein möglichst historisches Gepräge zu bewahren. Endlich geht
der Menon aber auch tiefer auf die praktischen Momente der Tugend
und des Wifsens ein, aufweiche im Protagoras vornehmlich nur dem
gleichnamigen Sophisten die Andeutungen in den Mund gelegt wurden.
Müller 11. Steinliarl: Plalons sämmtliche Werke. Ir u. 2r Bd. 421
Es sind dies die (pvGig, d. h. die aus der Praeexistenz niitgebraciiteii
Keime, die äcMjaig, d. li. Erfahrung und Uel)ung-, und die d'eia fioi^cc
oder Begeisterung, welche das eigenllich treibende Munient bildet.
Ihr gegenseitiges Verhältnis hat der Hr. Verl'. S. 115 — 120 ini ganzen
befriedigend erörtert. Nur hiitte Hof. die bestimmte Hervorhebung
davon gewünscht, worin eigentlicii das ironisciie in der Darstellung
der d'HDi ^oiQa besteht, gegen dessen Anerkennung Hermann in
diesen NJahrb. Suppl. Bd. VI S. 51 If. sich sträubt. Üies liegt nemlich
darin, dafs das gemeine Bt!wustsein (repraeseutiert durch Weiber und
Spartaner p. 99 E) verkennt, wie gerade der Piiilosopiiie die höchste
und wahrste Begeisterung zu Grunde liegt, und wie nicht dieser wil-
lenlose göttliche Zug der Seele, sondern einzig die bewuste mensch-
liche Durchbildung desselben das wahrhafte Verdienst und die echte
Tüchtigkeit des 3Iannes begründet. Ebenso wäre zu zeigen gewesen,
(lafs der höhere oder niedere Grad dieser Begeisterung die gröfsere
oder geringere Festigkeit der llüchtigen Vorstellungen hervorbringt,
dafs sie also in gewissem Mafse schon allein und ohne den ctixtug ko-
fiö^og eine Art von Bindemittel derselben abgibt. INur so löst sich
das Häthsel, dafs einmal richtige Vorstellungen allen Menschen ein-
wohnen, p. 86 A, und dafs doch nur so wenigen grofsen Staatsmän-
nern die vorstellungsmäfsige Tugend zugesprochen wir<l. Endlich hat
der Hr. Verf. auch darauf aufmerksam zu machen unterlafsen, dafs
der göttliche Trieb in der Menschenseele und besonders im Philoso-
phen nichts anderes als der spätere e^cog ist, wie er aber schon im
Lysis, nur noch nitfhf unter diesem Namen auftritt. Daher schildert
sich denn auch Sokrates p. 76 C D als Erotiker. Ein Fortschritt gegen
den Lysis ist es, dafs dieser Trieb jetzt auch unphilosophischen Na-
turen zugeschrieben wird.
Den Erörterungen des Hrn. Verf. über die Charaktere, Bau uud
Grundgedanken des Gesprächs kann Ref. im wesentlichen seine Bei-
stinimung nicht versagen. Nur inufs er bekennen, dafs ihm nach den
Bemerkungen von Ast Piatons Leben und Sehr. S. 401 die Zeichnung
des Menon in diesem Dialog nicht besonders gelungen erscheint. Wer
einen so scharfsinnigen Einwand auslindig machen kann, wie er in
dem eristischen Satze p. 80 D enthalten ist, von dem kann man sich,
mag sein Scharfsinn eine noch so verkehrte iiichlung genommen haben,
doch nicht wohl denken, dafs er den klaren methodischen Auseinan-
dersetzungen des Sokrates so schwer zu folgen vermag. Man müste
denn annehmen, er habe den Salz nicht selbst gefunden, sondern nur
als einen der damaligen Eristik geläuligen (Euthyd. p. 275 D ff.) von
aufsen aufgegrilfen, s. Socher lieber Piatons Schriften S. 170. Dann
aber kann auch nicht mehr mit Hrn. St. S. 92 von Talent und Bega-
bung, am wenigsten von einem Mhessalischen Alkibiades', sondern
lediglich von Einfalt und Dünkel die Rede sein.
Mit Hecht bezeichnet der Hr. Verf. S. 95. 97 den kleinen Mythos
von der Seeleuwanderung als den Höhepunkt des Gesprächs und dar-
nach S. 97 f. als Gesamnitaufgabe die Untersuciiung über Begriff und
422 Müller u. Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. Ir u. 2r Bd.
Bedingungen des Wifsens und seine Verschiedenheit von der Vorstel-
lung, so aber, dafs diese Untersuchung mit dem praktischen Zwecke
untrennbar verbunden ist, die Tugend als eine vom Wifsen ausge-
gangene, Wifsenschaft und Kunst, Theorie und Praxis in ungetrennter
Einheit umfafsende Lebensweisheit darzustellen. Bestimmter noch
möchte ich mit Schleiermacher sagen, dafs die theoretische
Frage in die praktische verschränkt und eingespannt ist, d. h. mit an-
dern Worten, die Dialektik ist noch nicht selbständig aus der Ethik
herausgetreten. Daher polemisiert auch Hr. St. S. 114 mit Recht ge-
gen Schlei er macher, welcher hier schon den spätem Gegensatz
der philosophischen und der bürgerlichen Tugend lindet. Denn die
spätere philosophisclie Tugend bedient sich des Staatslebens blofs als
eines Mittels zum Zwecke, wogegen hier die vollendete Tugend mit
der vollendeten Staatskunst identisch ist. Aber Hr. St. hätte anderer-
seits anerkennen sollen , dafs der Menon allerdings bereits eine zwie-
fache Tugend, die der Erkenntnis und der Vorstellung, unterscheidet,
und dafs diese Unterscheidung den Keim zu jenem spätem Gegensatze
bildet.
Als besonders neu müfsen wir es noch rühmend hervorheben,
dafs Hr. St. S. 99 — 101 den drei falschen Delinitionen der Tugend,
welche Menon im ersten Abschnitte gibt, nicht blofs einen positiven
Kern, sondern auch eine fortwährende Annäherung an die richtige im
dritten Abschnitt zuschreibt. Ueberhaupt hat eine consequente Durch-
führung des richtigen Grundsatzes, dafs Piaton niemals negiert, ohne
zugleich im negierten Momente der Wahrheit hervorzuheben , unserm
Hrn. Verf. zu den bedeutendsten Resultaten verholten. Nur darin kön-
nen wir nicht beipflichten, wenn S. 101 zu der dritten Erklärung, Tu-
gend sei die Fähigkeit sich das schöne anzueignen , die Bedingung ge-
stellt wird, unter dem schönen müfse ein wahrhaft sittliches Gut ver-
standen werden. Vielmelir wird es an sich durchaus etwas sittlich
gleicbgiltiges sein, es kommt nur darauf an, dafs Aneignung und be-
sonders Gebrauch von der Weisheit geleitet sind , w eiche das höchste
Gut zum 31afsstabe und Vorbilde nimmt. Insofern stimmen wir übri-
gens ganz mit Hrn. St. S. 109 überein, wenn er mit Hermann a. a.
0. S. 483 f. und 646 Anm. 427 die Beweisführung des dritten Ab-
schnitts, nach welcher die Tugend als die Weisheit im nützlichen Ge-
brauche der Lebensgüter bezeichnet wird, von rein platonischen Prae-
missen ausgehn läfst, während Stallbaum Opp. VI, 2 p. 16 und
Nitzsch De Piatonis Phaedro p. 23 f. eine Anbequemung an den so-
phistischen Eudaemonismus erblicken. Doch sind wir geneigt, den
beiden letztem das Zugeständnis zu machen, dafs diese Entwicklung
absichtlich zweideutig gehallen ist, so dafs unter der Nützlichkeit
auch die sophistische blofs äufserliclie Zweckmäfsigkeit verstan-
den werden kann und von dem sophistischen Mitunterredner nothwen-
dig so verstanden werden mufs, so dafs also zugleich sich ergibt,
wie selbst vom sophistischen Standpunkte aus die Tugend als Wifsen
gefafst werden mufs.
Müller u. Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. Ir i>. 2r Bd. 423
Wenn aber Hr. St. S. 104 in dem kleinen Mythos von der Un-
sterblichkeit p. 81 B — E die Wanderung- der Seele durch alle Räume
der über- und Unterwelt nur als sinnvolle Dichtung fafst, so dürfte
dazu schwerlich ein Grund vorhanden sein. Es scheint mir vielmehr
gerade das eigenthüniliche dieses Mythos, dal's Begrilf und Symbol
hier noch nicht, wie später, auseinander treten. Hr. St. fügt zwar
den Grund hinzu, Piaton spreche dies selbst deutlich genug aus, in-
dem er seine Vorstellung von Priestern und Prieslerinnen empfangen
7Ai haben versichere und sie zunächst an ein Wort des Pindaros an-
knüpfe. Allein schon Ast a. a. 0. S. 405 vergleicht mit Hecht die Be-
rufung auf weise Männer und Frauen im Phaedros ; man denke auch
an die Diotima im Gastmahl. Diese Formel drückt nur aus, dafs So-
krates von einem Standpunkte ans spricht , welcher ihm fremd ist, sei
es dafs er ihm ^widerstrebt oder aber über ihn hinaus liegt. Letzteres
ist hier der Fall, es wird dadurch nur die Freiheit gemildert dem So-
krates eine solche Lehre in den Mund zu legen. Es folgt daher, bei-
läulig bemerkt, hieraus auch gar nicht, dafs Piaton damals die pytha-
goreische Lehre noch gar nicht gekannt habe, wie Stall ha um a. a.
0. will, vielmehr ist dies Dogma wahrscheinlich schon hier pythago-
reischen Ursprungs: Simmias und Kebes waren ja damals bereits nach
Athen gekommen. Die skeptische Wendung, mit welcher Piaton
schliefst, p. 86 B, ist von dem Hrn. Verf. unrichtig wiedergegeben.
Piaton sagt nicht, er müfse daran festhalten, dafs die Seele lernen
könne, was sie nicht wil'se, 'weil ihr Lernen nur Erinnerung des frü-
her geschauten sei', sondern rein praktisch, weil diese Ueberzeugung
die Seele veredle und kräftige.
Auch den E uth yphron versetzt Hr. St. in die Zwischenzeit
zwischen Anklage und Verurtheilung des Sokrates bald nach dem Me-
non, gleichfalls abweichend von Hermann. Allein hier mufs Ref.
entschieden auf die Seite des letztern treten. Wie war es nur mög-
lich, dafs Hr. St. S. 195 im Euthyphron das Vorhandensein der Ideen-
lehre anerkennen und ihn dennoch vor den Gorgias stellen konnte , in
welchem dieselbe noch durchaus nicht zu finden ist? Ueberdies dürfte
es ihm schwerlich gelungen sein , S. 199 f. die Gründe zu entkräften,
welche gegen die von ihm angenommene Abfafsungszeit geltend ge-
macht worden sind. Dafs eine komische Schilderung, wie die des Me-
letos p. 2 f., für ein an die alte Komoedie gewöhntes Volk nichts auf-
fallendes hatte, wird niemand bestreiten. Es handelt sich aber viel-
mehr darum, ob sie nicht trotzdem nothwendig dazu dienen muste,
den Meletos und seinen Anhang noch mehr zu erbittern. Gewis waren
ferner solche freiere Religionsansichten, wie hier, von Dichtern längst
ausgesprochen worden; allein gesetzt, man hätte deshalb einen Dich-
ter auf Tod und Leben angeklagt, so würde doch wahrlich derjenige
seiner Freunde eine nicht geringe Unklugheit begangen haben, wel-
cher während dieser Zeit in einer Vertheidigungsschrift für ihn sei-
nen Freimuth in recht grellen Farben geschildert oder gar ihm weit
polemischere Ansichten angedichtet hätte, als er wirklich besafs !
424 Müller u. Steinhart: Piatons säinmtliche Werke. Ir u. 2i' Bd.
Denn dafs Sokrates wirklich jemals so ausdrücklich gegen die An-
thropoinorphismen der Volksreligion aufgetreten sein sollte , dafür
fehlt nicht blofs jedes sonstige Zeugnis, sondern es ist dies auch bei
der rein populären Haltung aller seiner Erörterungen über Gottheit
und Weltordnung durchaus nicht wahrscheinlich. Auf jeden Fall
scheint es gesicherter, statt der vagen Möglichkeit, dafs Xenophon
dies aus apologetischem Interesse verschwiegen (S. 225 Anm. 10),
vielmehr anzunehmen, dafs Piaton nach des Sokrates Tode diesem sei-
nem Gesprächsleiter seine eignen philosophischen Ansichten über He-
ligion in den Mund gelegt hat. Und gevvis, noch unglücklicher wäre
es gewesen, nicht allein die gewöhnlichen theologischen Vorstel-
lungen, sondern auch die vom Cultus zum Nutzen und Frommen des
angeklagten Sokrates anzugreifen, denn gerade in dieser Beziehung
hieng die Religion am engsten mit dem politischen Leben zusammen,
und nur darum wurde die Persiflage der Götter ebenso gut wie die
der einflufsreichsten Staatsmänner von Seiten der Komiker geduldet,
weil ebenso wenig die Tempel und Altäre der erstem dadurch ver-
ödeten, als die Autorität der letztern dadurch gestört wurde. Und
noch dazu spricht sich der Verf. dabei so wenig unzweideutig aus,
dafs mancher Athener ebenso gut wie ein scharfsinniger moderner Er-
klärer *) hinter dieser Verspottung der gemeinen Ansichten über den
Cultus die Tendenz, den ganzen volksthümlichen Cultus überhaupt
stürzen zu wollen, wittern konnte.
Was nun den Zweck des Werkes betrilft, so kann Ref. es nur
billigen, wenn der Hr. Verf. S. 198, seinem oben erwähnten Grund-
satze getreu, nicht mit Hermann a. a. 0. S. 6il Anm. 409 u. a.
die polemische Tendenz gegen die Vorstellungen der Volksreligion,
sondern trotz der skeptischen und etwas aphoristischen Behandlung
die positive Bestimmung des FrömmigkeitsbegritTes an die Spitze stellt.
Wenn er dagegen dieselbe wesentlich in der Erklärung lindet, dafs
Frömmigkeit dienende Sorge für die Götter, Mitarbeitung an ihrem
Werke sei, p. 12 f., so würde darnach allerdings Hermanns Be-
hauptung a. a. 0. gerechtfertigt sein, dafs hier der Werth der alles
durchdringenden Wifsenschaft nicht, wie sonst, nach Gebühr hervor-
gehoben sei. Nur braucht man andererseits auch nicht mit dem letz-
tern a u s s c h I i e f s 1 i c h in p. 14 D , Frömmigkeit sei die Wifsenschaft
dessen, was man den Göttern geben und von ihnen begehren müfse,
die echt platonische Definition zu suchen. Wohl aber mufs man, wenn
überhaupt ein wifsenschaftlicher Verlauf in dem Werke stattfinden
soll, anerkennen, dafs die letztere Erklärung in Wahrheit nur die Er-
weiterung und Vertiefung der erstem ist. Das Werk der Götter ist
offenbar die Welt als harmonisches Ganzes und zwar wohl nicht blofs,
wie Hr. St. S. 197 will, die sittliche, sondern (wenn wir nur den
Euthyphron hinter den Gorgias stellen) auch die physische Welt.
♦) Der von Steinhart citierte Schwalbe Oeuvres de Platon I
p. 41.
Müller u. Steinhart: Piatons sämmiliche Werke. Ir ii. 2r Bd. 425
Die vom richtigen Wifsen geleitete Mitarbeiterschaft an diesem Werke
der sittlichen Harmonie ist eben das edelste Opfer, welches man den
Göttern darbringen kann, einerseits, und zugleich ist damit die Er-
werbung der höchsten sittlichen Güter für den Menschen vollzogen:
Empfangen und Geben ist dabei eins. Alle einzelnen Opfer und Gebete
müfsen einzig von diesem allgemeinen Geiste getragen sein. Dafs
dann jene Schlufsdefinition scheinbar selbst wieder in Zweifel gezo-
gen und ironisch behandelt wird, darauf hätte Hr. St. in der That
kein Gewicht legen sollen, da er doch selber die Bedeutung ähnlicher
zurückschreitender Schlufsweudungen im Lysis, Charniides , auch Eu-
thydemos so trefflich zu beleuchten gewust, und zwar um so weniger,
da schon Hermann a. a. 0. jener Misdeutung so schlagend vorge-
beugt hat. Jene skeptische Wendung soll nur darauf hinweisen, an
jene Erklärung auch wirklich den richtigen Mafsstab anzulegen und
sie nicht selbst wieder auf den Standpunkt der gemeinen Frömmigkeit
herabzuziehn, wo das Opfern und Beten allerdings eine blofse Mäke-
lei zwischen Göttern und Menschen ist. Nur dieser letztern gilt die
Ironie. Sie glaubt den Göttern mit ihren Opfern gutes zu erweisen
und erwartet dafür desto gröfsere Gegendienste von ihnen. So wird
die Niedrigkeit des Sinnes aufgedeckt, in welchem vorhin p. 6 E Eu-
thyphron das fromme für das gottgefällige erklärt hatte.
Hinsichtlich der Apologie ist es Hrn. S t e i n h a r t s Verdienst,
zum erstenmale recht bestimmt diejenigen Gedanken herausgehoben
zu haben, welche eigenlhümlich platonisch und nicht mehr rein sokra-
tisch sind. So S. 241 die leise Anerkennung der Naturphilosophen
p. 19 C, S. 243 das fluchtige Hingleiten über den Punkt der Anklage,
welcher von Sokrates Feindschaft gegen den populären Götterglauben
handelt, und die Zurückführung dieses Anklagepunktes auf den Glau-
ben an Götter überhaupt p. 26 f., endlich die Unsterblichkeitslehre
(S. 246). Um so weniger hätte aber Hr. St. auf Asts Einwurf gegen
die Echtheit des Werkes, Sokrates erscheine hier abweichend vom
Phaedon als Skeptiker, die Antwort geben sollen, es finde hier nur
jene gewöhnliche Redeweise statt, ^ nach welcher der redende seine
eigne Ansicht dadurch in ein helleres Licht zu stellen liebt, dafs er
derselben die entgegengesetzte Meinung vorausschickt und dann dem
Hörer zum Scheine die Wahl zwischen beiden läfst, während er ihm
doch durch die Stellung der Sätze und durch die Art, wie er von bei-
den redet, sein eignes Urtheil klar genug zu erkennen gibt.' Mir
will es scheinen, als ob man diese Redeweise doch nur gebrauchen
kann, wenn mau seine eigne Ansicht eben nur als eine unmafsgeb-
liche, als eine noch erst zu begründende hinstellen will. Näher
hätte wohl die Antwort gelegen , dafs hier eben eine durch die Ein-
kleidung gebotene Anbequemung an den Standpunkt des historischen
Sokrates stattfindet, welchem wohl höchstens eine solche skepti-
sche Form dieser Lehre sich zumutheu liefs. S. Her mann a. a. 0.
S. 529. Zugleich liegt aber auch darin, dafs dem Piaton selbst, wie
aus der gleichfalls skeptischen Wendung iniMenon zu ersehn ist, dieses
iV Jahrb. f. Phil. ii. Paed. Bd. LXVII. Hfl. 4 28
426 Müller u. Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. Ir a. 2r Bd.
Dogma dermalen wohl in seiner innern Ueberzeugung, aber noch kei-
neswegs in wifsenscha Etlicher Begründung feststand. Dafs sich der
Phaedon bestimmter aulsert, beweist eben nur den entwickeitern
Standpunkt, welchen Piaton in demselben einnimmt.
Nach alle dem steht es aber nun endlich fest, dafs die Apologie
nicht, wie Schleiermacher wollte, die wirklich vom Sokrates
gehaltene Vertheidigungsrede, sondern dafs sie vielmehr nach Hrn.
Stein harts geistreicher Bemerkung (S. 236) mit den Heden zu ver-
gleichen ist, welche die alten Historiker ihren Werken einzullechten
liebten. Es ist ein frei geschaffenes Kunstwerk, welches aber die
wesentlichen historischen Grundzüge von Sokrates Persönlichkeit, nur
in künstlerisch idealisierter Weise wiedergibt. Ihren Zweck be-
stimmt der Hr. Verf. mit Hermann dahin, die vereinzeilen Strahlen
der sokratischen Thätigkeit in einem abschliefsenden Gesammtbilde
zu vereinigen und so den Gegensatz der Principien darzustellen, in
welchen Sokrates gegen die verschiedenen Zeitrichtungen treten muste
(S. 281 Anm. 4). Nur hätten wir S. 234 f. gern mehr im einzelnen
hervorgehoben gesehn, dafs eben vermöge der idealen Auifafsung,
und je mehr Piaton in seinem bisherigen Streben sich noch wesentlich
eins mit seinem Meister fühlte , diese Anschauung zugleich zu einem
Ueberblick über seine eigne Thätigkeit wird, ihm seinen eignen prin-
cipiellen Gegensatz gegen die Zeitrichtungen in gröfserer Schärfe zum
Bewustsein bringt und so zugleich Keime neuer Entwicklungen hervor-
ruft. Solch ein vorbildender Keim ist zunächst für den Gorgias alles,
was hier gegen die falsche Rhetorik gesagt wird (z. B. p. 34 D ff.):
St. S. 239, womit übrigens Böckhs von Hrn. St. S. 237 aufgenom-
mene Vermuthung, dafs die Apologie ein würdigeres Gegenstück zu
der vom Lysias dem Sokrates angebotenen Vertheidigungsrede sein
solle, recht wohl übereinstimmt. Aber überhaupt bildet der Gegen-
satz des wahrhaften Philosophen Sokrates gegen alle sonstigen Be-
strebungen die Gegenüberstellung eines dem guten und ewigen und
eines der llüchtigen Lust des Augenblicks geweihten Lebens, wie sie
im Gorgias auftritt, unmittelbar vor, die sich dann im Theaetetos zu
einer noch idealeren Höhe entfaltet. Hr. St. selbst macht S. 243 dar-
auf aufmerksam, dafs hier der Gegensatz des still wirkenden Philo-
sophen und des Politikers in seinen ersten Zügen hervortrete; er kehrt
dabei aber nur die allgemeine historische Bedeutung dieses Gegen-
satzes heraus, nicht den Einilufs auf Piatons Entwicklung. Nicht min-
der steht die Wärme der Ueberzeugung, mit welcher hier die Un-
sterblichkeit ausgesprochen wird, zwischen der Art, wie sie im Me-
non und wie sie im Gorgias erscheint, mitten inne und bekundet die
Einwirkung, welche die Geistesgröfse, mit der Sokrates dem Tode
entgegengieng, auf sie ausgeübt hat. In der Schilderung der Thätig-
keit des Sokrates als eines dem Dienste des Gottes zur Veredlung der
Menschen geweihten werden wir nach dem vorigen nicht mit Hrn. St.
S. 244 einen Rückblick auf den wahrhaften Gottesdienst im Euthy-
phron, vielmehr gleichfalls einen Keim desselben erkennen. Durch
Maller u. Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. Ir u. 2r Bd. 427
die Beseitigung der vum llru. Verl', angenommenen Abfafsungszeit des
Euthyphron wird es nutiiiiühr auch möglich sein, entschiedener, als
es S. "li'i f. geschieht, darauf xu bestehen, dal's IMaton ein gut Theil
von seinen eignen religiösen Ansichten, namentlich die verdeckte
Polemik gegen die Volksreligion bereits in der Apologie in das Bild
des Sokrates hinübergetragen habe.
Ueberhaupt legt der Hr. Verf. bei seiner Bestreitung Sohl ei er-
machers auf das specilisch platonische in der Apologie weniger Ge-
wicht, als auf andere minder entscheidende Gründe, S. 235 f. Dal's in
den dürftigen Berichten in Xenoph. Mem. über die vom Sokrates ge-
haltene Vertheidigungsrede wirklich Abweichungen von dem hier aus-
gesprochenen vorkamen, darüber vermil'se ich die Belege. Die Un-
sicherheit der pseudoxenophontischen Apologie als Geschichtsquelle
räumt Hr. St. selber ein. Wenn es endlich heilst, dafs es dem Piaton
nicht um einen wortgetreuen Bericht zu thun sein konnte, weil sich
erwarten liefs, dafs die von vielen treuen Anhängern vernommenen,
wirklich gehaltenen Vertheidigungsreden noch lange sich in fester
Ueberlieferung von Mund zu Mund erhalten würden, so ist zu ent-
gegnen, dafs es an sich gar kein Piatons unwürdiger Gedanke gewe-
sen wäre, auch der spätem Nachwelt dies historische Documeut zu
bewahren. Nur darin stimmt Kef. bei, dafs Sokrates wahrscheinlich
Mie einzelnen Anklagepunkte ausführlicher und mit Hervorhebung
entlastender Thatsachen aus seinem Leben, wie deren Xenophon (bes.
Mem. I, 1, 2) mehrere anführt, widerlegt haben wird'.
Den Kriton betrachtet Hr. St. mit Recht als ein p]rgänzungs-
stück zur Apologie, als ein Zeugnis für Sokrates Bürgertugend und
seine Gerechtigkeit in Bezug auf die bestehenden Gesetze, als einen
Beweis dafür, dafs der in der Apologie erörterte Gegensatz gegen
die Demokratie ihn doch nie zum Ungehorsam gegen die Gesetze der-
selben verleitet, dafs er vielmehr in den positiven und namentlich in
den athenischen Gesetzen ein Abbild des göttlichen Vernunftrechts
erkannt habe. Hinter dieser persönlichen Frage verbirgt sich aber
wieder die allgemeinere und wil'senschaftlichere nach dem rechten
Verhältnis des Staatsbürgers zum Staatsganzen. Zu diesem Zweck
stellt das Gespräch im ersten Theile (bis p. 50 A) den Mafsstab der
absoluten Verwerflichkeit alles Unrechtthuns, auch gegen den eignen
Beleidiger auf, um ihn dann im zweiten auf dies besondere Verhält-
nis anzuwenden. Der Hr. Verf. ist der erste, welcher nach diesem
allgemeinen Schema den Bau des kleinen Gespräches vortrefflich de^
tailliert hat, S. 296 — 302. Mit Hecht hebt er S. 299 nach Hermanns
Vorgange (a. a. 0. S. 473 f.) jenen absoluten Mafsstab als ein weit
über den historischen Standpunkt des Sokrates hinausgehendes 3Ioral-
princip hervor (s. die Citate bei Hermann S. 632 Anm. 377)- Da er
aber, abweichend von Hermann, dem Piaton selbst schon früher
eine absolute Theorie der Ethik beigelegt hat (s. das zum Protag. be-
merkte), so hätte er sich nicht damit begnügen sollen, hier einfach die
Grundlage der tiefer gehenden Erörterungen im Gorgias zu erblicken,
28*
428 Müller u. Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. Ir u. 2r Bd.
vielmehr hinzufügen sollen, dafs sich allerdings in den bisherigen
Schriften und selbst noch im Menon nirgends mit solcher Bestimmtheit
und Klarheit jener absolute Mafsstab ausgesprochen ündet. Mit Kecht
gesteht dagegen der Hr. Verf. Hermann das Verdienst zu, zuerst auf
die Zusammengehörigkeit des Kriton mit dem Gorgias aufmerksam
gemacht zu haben (S. 303 und 325 Anm. 18): die Entwicklung des
Begriffs der Gerechtigkeit, an welchem hier nur eine Seite hervor-
gehoben werde, sei eine der wesentlichsten Aufgaben des Gorgias.
Auch hier hätte übrigens Hr. St. das speciüsch platonische ge-
nauer zur Widerlegung Sciil ei er mach e r s geltend maclien können,
welcher auch den Kriton, ähnlicli wie die Apologie, als treue Wie-
dererzählung eines wirklich vom Sokrates geführten Gespräches an-
sieht. Was er im übrigen hiergegen bemerkt, S. 324 f. Anm, 10. 16,
ist gewis richtig. Eben so behauptet er mit Grund, dafs eine er-
schöpfende wifsenschaftliche Erörterung des fraglichen Gegenstandes
bei dem Vorwiegen der apologetisciien Tendenz und gemäfs der gan-
zen Einkleidung nicht möglich war. Genauer hätte aber vielleicht er-
innert werden können, dafs Piaton eine Collision des göttlichen und
des positiven Rechtes in vielen Füllen gewis damit nicht hat leugnen
wollen und gewis unter solchen Umständen empfohlen haben würde,
Gott mehr zu gehorchen denn den Menschen. Nahe liegt auch die
Frage, wie es doch möglich ist, dafs die positiven Gesetze überhaupt
ein Abbild des Vernunftrechtes seien, da doch die Gesetzgeber sicher-
lich nicht von der Vernunflerkenntnis geleitet waren, und man hat
hierin die sichere Gewähr, dafs Piaton den im Menon gewonnenen
Boden einer den grofsen Staatsmännern einwohnenden Gottbegeiste-
rung und richtigen Vorstellung trotz der herberen Urtheile, welche er
im Gorgias über sie fällt, doch im wesentlichen keineswegs wieder
aufgegeben hat.
Mit einem höchst glücklichen und einsichtigen Blicke ist der Hr.
Verf. in das innere Getriebe des Gorgias eingedrungen. Nach einem
lichtvollen Ueberblick über die bisherigen Auffafsungen S. 337 — 341
findet er in dem Ideal einer höchsten, vollkommensten, jedes wahr-
hafte Wifsen und jede echte Kunst in sich fafsenden ethisch - politi-
schen Lebenskunst S. 341 — 346 den Mittelpunkt des Werkes. Dann
mifst er nach diesem Grundgedanken S. 346 — 3J6 vortrefflich die Wahl
und Charakteristik der Personen ab und erkennt in den drei Mitunter-
rednern die Vertreter der falschen Lebenskunst in ihrer Abstufung
von den mildesten Anfängen bis zu den sittenlosesten Consequenzen.
Besonders neu und verdienstlich ist es dabei, dafs er zuerst gezeigt
hat, wie auch Kallikles keineswegs ein schlechter Mensch ist, viel-
mehr von einem (wenn auch vornehm herablafsenden) Wohlwollen
gegen Sokrates und noch nicht ganz unempfänglich gegen die Macht
der Wahrheit, so wenig er es sich auch gestehen will (p. 513 C).
Es geht ihm 'wie so vielen, welche ein fehlerhaftes Princip in der
Theorie bis in seine äufsersten Consequenzen verfolgen, im Leben aber
viel befser sind als ihre Grundsätze' (S. 353).
Müller II. Steinhart: Plalons sämmlliche Werke. Ir u. 2r Bd. 429
S. 357 360 foij^f die ' aestliotisrhc' und S. 360—387 die '^phi-
losophische'' Gliederung des Gespräches. Hef. kann, beiliinfiff be-
merkt, mit diesen von Hrn. St. öfter g-ewählten Bezeichniinpen sich
nicht befreunden. Unter der erstem Rubrik wird ja in Wahrheit nur
die Composilion im ganzen und grofsen , unter der zweiten das De-
tail abgehandelt. Sehr richtig spaltet Hr. St. die gewöhnliche
Zweitheilung, deren Grenzscheide die Theilnahme des Kallikles am
Gespräche bildet, noch wieder in eine Fiinftheilung. Der erste Haupt-
abschnitt (bis p. 481 B) , welcher mehr eine vorbereitende Bedeutung
hat, umfal'st die Unterredung mit den beiden Sophisten und sondert
sich äufserlich schon durch das gänzliche Zurücktreten des Gorgias
p. ^66 A in zwei Unterabtheilungen. In der ersten wird das Wesen
der falschen Redekunst besprochen, zuletzt aber allgemeiner auf die
Künste des Scheins überhaupt übergegangen, in der zweiten der ab-
solute Werth der Gerechtigkeit, welche die Grundlage aller wahren
Lebenskunst ist, erhärtet und der Boden für die Unterscheidung des
guten und angenehmen gewonnen. Das Gespräch mit dem Kallikles
führt zunächst darauf, dafs Kallikles die Sache des Scheins und der
Lust auf die Spitze treibt (bis p. 492 D) , sodann zweitens Sokrates
sie durch die wirkliche Unterscheidung des guten und angenehmen
niederschlägt (bis p. 505 D), endlich aber — und dieser letzte Ab-
schnitt markiert sich dadurch, dafs Sokrates eine Zeit lang die Rolle
des Fragens und Antwortens zugleich übernimmt — wird dieser Un-
terschied wirklich im einzelnen und auf die bisherigen Untersuchun-
gen angewandt, am Schlufse aber auf einen noch tiefer im Hinter-
grunde liegenden Gegensatz, den des zeitlichen und ewigen, in dem
Mythos von der Unsterblichkeit hingewiesen.
Den schlagendsten Punkt für das höhere Alter des Menon hebt
Hr. St. S. 361 hervor: 'der erste Theil (des Gorgias) bezeichnet so-
gleich den richtigen Standpunkt der ganzen Untersuchung, indem er
anf den im Menon erörterten Unterschied zwischen dem \^'ifsen und
der Vorstellung zurückweist.' Derselbe gestaltet sich sodann in Be-
zug auf die Mittheilung hier zum Gegensatze einer blofsen Ueberre-
dung, welche lediglich Glauben, und einer belehrenden Ueberzeugung,
welche ein Wifsen hervorruft. Dafs dagegen hier zwischen öo'^a und
möTig noch ein Unterschied gemacht werde, kann ich nicht finden.
Wird doch beiden nur ein gemeinsamer Gegensatz, die iniörrj^rj oder
(i,ad-})6ig (erlerntes Wifsen) gegenübergestellt. Seltsam wäre es auch,
wenn diese Unterscheidung schon im Theaefetos, welcher so gründ-
Hch das gesammte theoretische Geislesleben mustert, wieder verloren
gegangen sein sollte, und das müste man doch nach des Hrn. Verf.
eigner Bemerkung Bd. III S. 99 annehmen, wo es heifst, dafs erst die
Republik zwei wichtige, im Theaetetos noch nicht berührte
psychische Momente, mang und einaaia^ hinzuhringe. Endlich hat Hr.
St. auch nicht einmal anzugeben versucht, wie und worin sich denn
nicxig und ö6^<x im Gorgias unterscheiden.
Man kann hinzufügen , dafs sich der erste Hauptabschnitt des
430 Müller u. Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. Ir u. 2r Bd.
Gorgias mit seiner Scheidung wesentlicher und unwesentlicher Giiter
p. 467 E f. und seiner blofs factischen Verschiedenheit des guten und
angenehmen p. 475 in einer ähnlichen blofs formalen Haltung bewegt,
wie die Definition der Tugend im Menon als Weisheit im nützlichen
Gebrauche der Lebensgüter. Die letztere läfst noch dazu eine sophi-
stische Auslegung zu, je nachdem man das absolute, höchste Gut da-
bei zum Mafsstabe nimmt oder nicht. Erst durch die Unterscheidung
des guten und angenehmen erhält diese Form des höchsten Gutes selbst
auch einen realen und absoluten Inhalt.
Eine genauere Beachtung hätte wohl der nahe liegende Einwand
verdient, ob nicht die Unsterblichkeitslehre im Menon, weil sie einen
wifsenschaftlicheren Charakter an sich trägt, später sein müfse als
die rein mythische des Gorgias. Indessen läfst sich dies wohl aus der
vorwiegend praktischen Haltung des Gorgias erklären. Der Ton leben-
digerer Ueberzeugung im Gorgias (vgl. p. 523 A mit Men. p. 86 B)
ist auch Hrn. St. S. 121 nicht entgangen. Bestimmter liegt in der Be-
stimmung des Todes als Trennung des Körpers von der Seele die Un-
terscheidung eines rein körperlosen und eines körperlichen Daseins
derselben, als im Menon p. 86 A.
Man sollte denken, es hätte nahe gelegen, zumal bei der orphisch-
pythagoreischen Bezeichnung des Körpers als Grabes der Seele p. 493
A, die Zwiespältigkeit des Seelenlebens in einen vernünftigen und
sinnlichen Theil (vgl. bes. p. 493 B) mit ihrer Einsargung in den Kör-
per zusammenzubringen und das ruhelose Fluctuieren des dem materiel-
len zugewandten Theiles von der gleichgearteten Beschalfenheit die-
ses letzteren — mit Herakleitos — abzuleiten. Allein man sieht hier
recht lebhaft, wie weit der speculative Hintergrund noch in der Ent-
wicklung zurück ist.
Erwägungen dieser Art würden das fast unbeschränkte Lob des
Hrn. Verf. gemäfsigt und ihn namentlich auch bewogen haben manche
Ausdrücke zu vermeiden, welche leicht dazu verleiten können, eine
gröfsere speculative Tiefe zu suchen. So S. 379: 'die Sphaere des
angenehmen gehört dem ewigen Flufse des Werdens, die des
guten dem ewig unwandelbaren Sein an, wie es die Eleaten im
Gegensatz e zu Herakleitos au fs teilten'. SoS. 386 in der
sonst vortrefflichen Bemerkung: 'diese Idee der ewigen Vergeltung
steht in der genauesten Verbindung mit der vorher angedeuteten Idee
der durch die ganze sinnliche und natürliche Welt herschenden Har-
monie, indem beide den beiden Haupttheilen der wahren Staafskunst
entsprechen ; die Gesetzgebung nemlich findet ihr Urbild und ihre
höchste Bewährung in den Gesetzen, durch welche das Universum re-
giert wird, die Becbtspflege aber oder die strafende Gerechtigkeit des
Staates ist ein Ausflufs jener ewigen, göttlichen \Veltordnung, welche
die unslerbliche Seele auch nach dem Tode noch die Folgen ihres ir-
dischen Thuns empfinden läfst. So erscheint das Gebiet der ethischen
Lebenskunst nach Zeit und Baum als ein Glied einer unendlichen Beihe-,
das endliche findet im unendlichen, das zeitliche im ewigen seine
Müller u. Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. Ir ii. 2r Bd. 431
Regnindiing''. Niemand beffroift, wie eiinnal die menschliche fiebens-
kiinst hiofses Abbild der ^yötllichen Wellregieninf? und doch wieder
Glied einer unendlichen Reihe sein kann. Was soll man sich unter
dieser Sinendlichen Reihe' denken? Anstatt sieh selber so unklar aus-
zudrücken, hiitte die Erklarun<r vielmehr die Unklarheit des Schrift-
stellers hervorheben sollen. Ganz riciifij,'^ hat Hr. St. S. 382 f^esehen^,
dafs die Weltharmonie im Gorgias pythagoreischen Ursprungs ist —
das einzige schon hier tiefer eingreifende ältere Philosophen» — ; ganz
richtig verbindet er mit ihr die ewige Vergeltung, ja er hätte noch
entschiedener herauskehren dürfen, dafs eben damit auch die posi-
tive Weltordnung vom blofs natürlichen Gebiete auch auf das sitt-
liche übertragen wird. Diese Weltharmonie ist das eigentliche Werk
der Götter, aber noch weifs man weder, was Götter sind noch was
Weltharmonie, noch wie sie realisiert wird. Hier ist der Punkt, wo
der Euthyphron den Gorgias Avieder aufnimmt, ohne selber die Sache
zur vollen Entscheidung zu führen, und wo die Ideenlehre und die
Lehre von der Wellseele eingreift.
Während sonst immer die Tugenden auf die GO(pLa ((pQovrjßig')
zurückgeführt werden , so hier p. 507 vielmehr auf die 0(Ofp(ioGvvt].
Hr. St. meint S. 377, die Beweisführung bequeme sich hier dem Stand-
punkte des Kallikles an, welcher blofs Klugheit und Tapferkeit für
Tugenden gelten läfst, freilich mit der unsittlichsten Auftafsung von
der Welt; Sokrates begnüge sich daher ihm nachzuweisen, dafs auch
Besonnenheit und Gerechtigkeit Tugenden seien. Nur diese fafse er
deshalb in ihrer strengsten Bedeutung, Klugheit und Tapferkeit lafse
er im populären Sinne stehen. Im populären Sinne? d. h. also in der
unsittlichen Bedeutung, wie sie Kallikles fafsti Die Sache ist viel-
mehr einfach so. Nachdem Kallikles die einsichtigen für die besten
erklärt hat, fragt Sokrates sofort, ob dieselben nicht mit den beson-
nenen identisch seien (p. 491 D); Kallikles dagegen behauptet, viel-
mehr mit den zügellosen; er wird hierauf widerlegt und dadurch of-
fenbar der vom Sokrates vorbin angedeutete richtige Standpunkt wie-
derhergestellt, so dafs also die Tugenden, wenn sie mit der Beson-
nenheit eins, es eben dadurch auch mit der Weisheit sind. Es han-
delt sich hier eben nur um die Identität der praktischen Tugenden
untereinander, ihr Zurückgehen auf die Weisheit wird bereits aus
frühern Darstellungen als genauer bewiesen vorausgesetzt. Im übri-
gen findet Hr. St. S. 382 mit Recht das gegenseitige Verhältnis sämmt-
licher Tugenden tiefer begründet als im Protagoras, vergifst aber
hinzuzusetzen, worin diese tiefere Begründung bestehe. Nach dem
Protagoras sollten die Tugenden weder quantitative, noch qualitativ-
organische Theile, noch endlich blofse Namen der einen und allge-
meinen Tugend sein. Es bleibt nur übrig, dafs sie sich nach den ver-
schiedenen Relationen unterscheiden, unter welchen die eine und un-
theilbare Tugend aufgefafst werden kann. Vielleicht liefse sich dieser
Gesichtspunkt recht w ohl hier nachw eisen : Beziehung des Subjects auf
sich selbst (Besonnenheit) und auf andere (Gerechtigkeit), beide in
432 Müller u. Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. Ir u. 2r Bd.
ähnlichem Verhältnis zur Tapferkeit wie die Gesetzgebung zur Rechts-
pflege: jene constiluierend, diese nachhelfend.
Hinsichtlich der Darstellungsform hebt der Hr. Verf. S. 355 den
ungescheuten Gebrauch fortlaufender Reden im Munde des Sokrates
hervor, aber die wichtige Form des philosophischen Selbstgespräches
p. 505 E ff. ist nicht beachtet (s. oben zum Ion). Auch das Zurück-
treten des dramatischen Elements im Menon und Gorgias hätte wohl
als Zeichen gröfserer Verliefung des Inhalts geltend gemacht werden
können, obwohl hierin kein absoluter Mafsstab liegt.
Die Einleitung zum Kratylos bedauert Ref. als mislungen be-
zeichnen zu miifsen. Erst der ausgezeichneten kleinen Schrift von Jul.
Deuschle: die platonische Sprachphilosophie , Marburg 1852, 4 ist
es bald nachher gelungen, den verwickelten Gang dieses Dialogs auf-
zuhellen. Hinsichtlich der voraufgeschickten geschichtlichen Ueber-
sicht über die Sprachphilosophie vor Piaton S. 531 — 543 kann ich
mich lediglich auf die Polemik des letzteren S. 52— 54 berufen. Was
aber den Zweck des Gespräches betrilTt, so gibt Hr. St. denselben
S. 572 dahin an, Piaton habe allen Anhängern einseitiger Theorien
über Entstehung und Bedeutung der Sprache und über ihr Verhältnis
zu den Gegenständen selbst, so wie zu unsern Vorstellungen und
Begriffen eine Ansicht entgegenstellen wollen, durch welche er neben
dem sinnlichen, blofs nachbildenden Elemente der Sprache ihr geisti-
ges, die Idee ausdrückendes Wesen erkannte, andererseits aber dar-
that, dafs Idee und Wort sich nicht immer vollständig decken, dafs
daher die Dialektik durch die mitunter falsch gewählten Wortbezeich-
nungen der Ideen sich nicht dürfe fefseln und zu Irthümern hinreifsen
lafsen. Der Gegenstand der Untersuchung ist auf diese Weise,
wenn auch in einem weitern dialektischen Interesse, einzig und allein
die Sprache; Hr. St. vermag daher im Dialog nicht eine Begründung,
sondern höchstens eine Vorbereitung der Ideenlehre zu erblicken, und
es ist mithin natürlich, dafs er das wirkliche Auftreten derselben am
Schlufse mit Ast a. a. 0. S. 274 f. für ein Hinübergreifen über die
nächste Aufgabe des Gespräches erklärt (S. 569). Dann wäre dieser
Schlufs in der That ein unorganisches Anhängsel. Allein auch diesem
Werke fehlt der organische Mittelpunkt im strengsten Sinne nicht.
Hr. St. hat eben übersehn, wie innerhalb des Dialogs die Ideenlehre,
von ihren ersten Keimen ausgehend, allmählich eine immer durchgebil-
detere Gestalt gewinnt, und wie nicht blofs am Schlufse angedeutet
werden soll , dafs die scheinbaren Widersprüche der Sprache und
Sprachforschung vom Standpunkte der Ideenlehre verschwinden (St.
S. 567), sondern wie vom Anfang her die sprachliche Betrachtung an
die Keime dieser Lehre anknüpft, und wie vermöge der genauem Be-
trachtung der Sprache zugleich diese Keime allmählich entwickelt wer-
den , so dafs mit andern Worten eine Wechselbeziehung zwischen
beiden Seiten, ein Herüber- und Hinübergehn stattfindet. Schon
Schleiermachers mit Unrecht von Hrn. St. S. 570 ganz verwor-
fene Behauptung, dafs in den Erörterungen über Bild und Urbild
Müller u. Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. Ir ii. 2r Bd. 433
(p. 423 f. 430 ff.) die Sprache blofses Bei.spiel sei, hat den zutreffen-
den Gedanken zum Hinterhalt, dal's durch jene Erörterungen aller-
dings nicht blofs die richtige Sprachhelraclilung, sondern auch die
Ideenlehre begründet wird.
Der Verlauf ist nemlich folgender: dem protagoreischen und eu-
thydemischen Skeplicismus oder absoluten Subjectivismus (dessen Un-
richtigkeit übrigens mehr vorausgesetzt als bewiesen wird, s. Her-
mann a. a. 0. S. 494) setzt Piaton anfänglich die elcatische ouöi'k,
d. h. ein objectives Sein und Wesen der Dinge überhaupt entge-
gen p. 386 D ff. Durch die Beispiele von verfertigenden und gebrau-
chenden Künstlern gewinnt er dann die Annahme eines Urbildes, nach
welchem die ersteren arbeilen, mithin für den Wortverferliger ein
elöog des ovoft« p. 389 D. Gemäfs der Thatsache, dafs die Sprache
in logischer Beziehung die Gattungen benennt, mufs sodann, wenn
überhaupt irgend welche Uebereinstimmung zw ischen der Sprache und
den Dingen stattlinden soll, in die ovölu nothw endig das Merkmal des
Gattungsbegriffes hineingetragen werden. Gemäfs der fernem
Thatsache, dafs die Sprache in phonetischer Beziehung zuletzt auf
die Lautelemente (Buchstaben) zurückführt, mufs eben in diesen die
ursprüngliche Bedeutsamkeit der ^^'orte gesucht werden , w iederum
zum Zweck einer Coincidenz müfsen aber demnach ebensowohl die
Dinge auf Elemente mit entsprechender Classification zurückgeführt
werden, d. h. auf die Ideen nach ihren verschiedenen Qualitätsbestim-
mungen: p. 424 D *), wie sich nachher genauer ergibt. Denn es zeigt
sich näher in den Untersuchungen über die ^ujxi]6ig schon p. 423 f.,
dafs die Sprache, um die Dinge zu bezeichnen, die ovö/or nachahmt.
So wird die ovöia zum allgemeinen Urbild der Dinge. Endlich wird
die Nachahmung unter den Begriff der Qualität gestellt p. 430 ff.: die
ovöi'o; wird mithin endlich zum Wesen oder zur allgemeinsten
Qualität, welcher alle besondern Qualitäten immanent sind. Sein
und Wesen, Begriff und Urbild und Element — vollständig liegen
alle Momente der platonischen Idee vor uns da.
Es könnte scheinen, als ob Piaton selbst in den Fehler verfallen
wäre, aus der Sprache selbst dialektische Schlüfse zu ziehen, wäh-
rend er doch gerade gegen die Erkenntnis der Dinge aus den Worten
polemisiert. Allein von vorn herein hat er ja das rein dialektische
Princip der ovoia zu Grunde gelegt, alle weiteren Schlüfse hieraus
sind also nicht sprachlicher, sondern dialektischer Natur.
Aber auch in Bezug auf die ostensibel vorliegende Frage nach
der Sprachentstehung ist der Entwicklungsgang des Dialogs ein an-
derer, als Hr. St. annimmt. Zunächst wird der in gröfster Schroffheit
*) Ref. hält sich hier an die vortreffliche Einendation Stall-
baum.s. Die des Hrn. Müller S. 677 Anm. 75 pa.sst in den ganzen
Znsammenhang nicht. Hr. Steinhart findet hier den Sinn, daf.s die
Sprache alles, was den Tdeenkreis eines Volkes ausmacht, in sich auf-
nehmen müfse.
434 Müller 11. Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. Ir u. 2r Bd.
aufgefafslen &£6ig die eben so einseitig behandelte cpvöig gegenüber-
gestellf. Zuerst wird sie sogar rein objectiv betrachtet, darnach ist
die Sprache unmittelbarer Ausflufs von der Natur der Dinge, dann
wird das subjeclive Medium des Sprachbildners oder Nomotheten hin-
eingezogen — eine rein mythische Persönlichkeit, wie Deuschle
S. 44 — 51 nachweist. Diese schroffe Auffafsung der cpvGig, bei wel-
cher die menschliche Freiheit in der Sprachbildung ganz verloren
geht, führt zu absurden Consequenzen und Widersprüchen, deren
Aufzählung hier zu weitläufig sein würde, namentlich aber auch zu
der flachen Anschauung, als ob jeder, der zu fragen und zu antwor-
ten versteht, damit schon ein Dialektiker wäre, p. 390 C, wovon die
Wahrheil nur die sein dürfte, dafs die Sprache allerdings Organ auch
des Dialektikers ist, mithin eine solche Beschaffenheit haben mufs,
um die Ideen ausdrücken zu können. Die Beispiele, welche hierbei
von den materiellen Künsten der Verfertigung und des Gebrauches
hergenommen werden, dienen nur dazu, um das Urbild des ö'vO|ita,
den Nomotheten, den Dialektiker und ihr gegenseitiges Verhältnis zu
gewinnen, nicht aber dazu, um den Unterschied der Sprachbildung
von den andern Künsten darzulegen, wie Hr. St. S. 556 f. durchzufüh-
ren sucht. Der Sprachbildner wird unter die Aufsicht des Dialek-
tikers gestellt, d. h. wie die Sprache objectiv ein Product der ovala,
so ist sie subjectiv ein Product wirklicher Vernunfterkenntnis. Mit
dieser unrichtigen Hypothese schliefst der erste Theil, welcher all-
gemeiner von der q)vaig in der Sprachentstehung handelt. Mit Un-
recht theilt ihn Hr. St. noch wieder in zwei Abschnitte, einen dia-
lektisch-grundlegenden und einen auf die Sprache angewandten: die
nähere Bestimmung der Principienlehre zieht vielmehr nach dem obi-
gen sich durch die ganze Untersuchung. Der Grundirthum des Hrn.
Verf. ist übrigens darin zu suchen, wenn er S. 558 den Sprachbildner
nach der Idee des jedesmaligen Gegenstandes schauen läfst und
schon hier den Sinn hineinträgt, dafs die Sprache nicht das natürliche
Sein, sondern den Begriff ausdrücke, während doch nur von der
Idee des ovofia und hinsichtlich der Dinge nur von der ovßia
die Rede ist, deren genauere Bestimmung erst im folgenden gewon-
nen wird. Unrichtig ist daher auch der weitere Schlufs (S. 559), dafs
die Sprache ein mittleres zwischen Begriff und Erscheinung sei; da es
eine Idee des ovoficc gibt, so sind die vielen ov6fi,ata einfach die Er-
scheinungen derselben.
Der zweite, specielle Abschnitt weist nun in den allgemeinen
Betrachtungen, mit welchen seine Etymologien durchwebt sind, nach:
1) dafs hinsichtlich des logischen Elements der Sprache die Ueber-
einstimmung derselben mit der Natur der Dinge darauf zu beschrän-
ken ist, dafs sie a) objectiv die Gattungen bezeichnet, b) sub-
jectiv nicht aus der Erkenntnis, sondern nur aus der Vorstellung
hervorgeht. Das letzte, etwas verhüllt angedeutete Resultat findet im
dritten Theile des Theaetetos seine volle Bestätigung, wogegen sich
Ref. bei des Hrn. Verf. Ansicht (S. 552 f.), dafs sie gemeinsames Er-
Müller u. Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. Ir u. 2r Bd. 435
Zeugnis der Verniinfl und der Einplinduiio; sei, nichts klares zu den-
ken vermag. Ueherdics erkennt ja Hr. St. selbst S. 565 f. an, dafs im
zweiten Theil des Theaeletos dieselbe Entstehung des Irthums durch
die Verwechslung von Bildern von Seiten des Vorstellungsurtheils,
wie p. 430 f., vorgetragen wird. 2) Hinsichtlich des phonetischen
Elements der Sprache ergibt sich: a) objectiv die Congruenz der
Laut- und Dingelemente, welche aber b) subj ectiv wiederum durch
die Vorstellung richtig oder irrig aufgefalst sein kann.
Der letzte Theil dieser Erörterung (2, b) greift aber (p. 428^ —
432) schon in den dritten Abschnitt hinüber, von wo ab Kratylos der
Mitsprecher wird. Es ergibt sich, dafs die qovfftg nothwendig durch
die als s&og oder ^vv&'^Krj bestimmte &iGi,g ergänzt werden mufs, p.
435 B — D.
Den vierten Abschnitt endlich beginne ich mit den Erörterungen
über das Verhältnis der Erkenntnis zur Sprache - - denn die eigent-
liche Frage nach der Sprachentstehung ist ja nunmehr abgeschlolsen
— p. 435 E, an welche die über den wahrhaften Gegenstand der Er-
kenntnis, die Ideen, ganz unmittelbar sich anschliefsen. Hr. St. da-
gegen nach seiner mangelhaften Fal'sung der Grundidee nimmt S. 554
die letztern als besondern Abschnitt (von p. 439 B an).
Von einer weitern Fortbildung der Sprache und der Art dersel-
ben (St. S. 569) ist im Dialog gar nicht genauer die Rede, eben so
wenig davon , dafs in der ersten Zeit ihrer Ausbildung die Phantasie
(sie!) noch mächtiger war als der Verstand (!). Unter den frühern
Erklärern fehlt Di ttrich Prolegg. in Crat., s. D euschle S. 72 ff.
Uebersehn ist die eigentliche Bedeutung einer Masse wichtiger
metaphysischer Winke innerhalb der Etymologien. Wir wollen nur
die Hervorhebung des anaxagoreischen vovg p. 413 A ff. 400 A ff. er-
wähnen, die in einer Art geschieht, dafs man so recht eine Ergänzung
der eleatischen ovaia durch ihn wahrnimmt: nicht so gar undeutlich
erscheint er als Weltseele und als wirkende Ursache. So empfangen
wir über das Wesen des göttlichen und der Weltharmonie die Auf-
schlüfse, die wir im Gorgias und Euthyphron vermifsten. Die \^'elt-
seele, so scheint es, ist das göttliche, welches die Idee der Endlich-
keit einprägt, dieses Eingeprägtsein der Ideen bildet aber eben die
Harmonie der endlichen Welt. Ich kann nicht umhin, bei dieser Ge-
legenheit auf den ganz übereinstimmenden Standpunkt im Phaedros
und die gänzliche Abweichung vom Sophisten, wo der i'ovg und die
Bewegung in die Ideenwelt hineinverlegt sind, aufmerksam zu machen.
Vgl. m. Prodromus S. 87. 90; ich vermag mir dies bisher nur durch
die Abfafsung des Phaedros vor dem Sophisten zu erklären.
Dagegen sieht man noch gar nicht, wo es mit dem herakleiti-
schen Werden hinaus will; am Schlufse des Kratylos wird es eigent-
lich ganz negierend behandelt und nicht einmal auf das materielle Da-
sein angewandt. Der eigentliche Unterschied von Idee und Erschei-
nung ist noch nicht klar. Jedesfalls läfst der Dialog tiefe Blicke in
die Genesis der Ideenlehre thun.
486 Müller n. Steinhart: Piatons sätnmf liehe Werke. Ir u. 2r Bd.
Aber auch hinsichtlich der historischen Beziehungen des Ge-
sprächs vermag ich nicht mit Hrn. St. übereinzustimmen. Worauf sich
zunächst die Behauptung S. 555 stützt, der sophistische Satz des Eu-
thydemos werde mit der rein willkürlichen, der des Protagoras mit
der rein natürlichen Sprachentstehung zusammengebracht, sehe ich
nicht ab. Vielmehr wird aus der absoluten Subjectivität des Be-
nennens auf die des Denkens zurückgeschlofsen , dieser letzlern aber
entweder die protagoreische oder aber die euthydemische Form zuge-
schrieben, p. 386. Daher ist auch kein Grund, den Kratylos zu einem
Protagoreer zu stempeln (mit Hrn. St. S. 540. 546. 549. 550 u. s.
w.). Meines Wifsens kennt ihn die Geschichte nur als Herakleiteer.
Beachtenswerth ist ferner, dafs Piaton die Lehre des Protagoras mit
der rein willkürlichen Sprachentstehung nur in einen logischen, nicht
in einen historischen Zusammenhang setzt. Schwerlich hat daher die-
ser Sophist eine eigne Sprachtheorie aufgestellt, wie Hr. St. S. 572
meint, obwohl auch Stall bäum Opp. V, 2 p. 16 so sehr hiervon
überzeugt ist, dafs er, ohne diese Vorfrage nur zu berühren, sogleich
zu entscheiden sucht, ob Protagoras sich für die (pvGig oder %i6i,g
erklärt habe. Dafs vielmehr dieses Sophisten in grammatischer Be-
ziehung erst dann erwähnt wird, als es an die Wortableitungen geht,
p. 391 A, läfst vermuthen, dafs Protagoras das Princip des Werdens
(wahrscheinlich in seiner L^A^^^fm, s. Stallb. z. d. St.), ähnlich wie
auch wohl Kratylos (vgl. p. 428 C) durch solche Etymologien zu er-
härten suchte. Einer Beweisführung für philosophische Principien
aus sprachlichen Analogien liegt nun stillschweigend bereits der Ir-
thum zu Grunde, als liefse sich aus den Worten eine Erkenntnis der
Dinge schöpfen. Wirklich herausgetreten in ausgesprochener Weise
ist diese Verwechslung von Wort und Begriff aber erst bei den altern
Sokratikern, s. Hermann S. 496, beim Antisthenes und wahrschein-
lich den Megarikern. Gegen sie ist daher auch die betreffende Pole-
mik ganz vorzugsweise und im eigentlichen Sinne gerichtet, und nicht
blofs nebenbei, wie Hr. St. S. 572 meint. Nur darin hat er Becht,
dafs die Bestreitung der Unmöglichkeit des Irthums nicht mit jener
Frage, sondern unmittelbar mit der vom Ursprünge der Sprache zu-
sammengebracht wird. Man sieht übrigens daraus um so mehr, dafs
die letztere nur der äufsere Faden des Gespräches ist, an welchem
sich dann alle Fragen, die überhaupt nur auf das Verhältnis der Spra-
che zur Erkenntnis Bezug haben, aufreihn. Daher fehlt auch Prodikos
mit seiner Synonymik nicht.
Trotz alle dem hat sich Hr. St. auch hier durch die zuerst von
ihm angesprochene, meines Erachtens durchaus richtige Stellung des
Kratylos vor den Theaefetos (S. 574 f.) gerechte Ansprüche auf un-
sern Dank erworben.
Den dritten Theil hoffe ich in einem der nächsten Hefte zu be-
sprechen. Manches , was ich hier hinsichtlich meiner eignen positi-
ven Ansichten nur andeuten konnte, hoffe ich später dem Publicum
ausführlicher selbständig darzulegen. Den Hrn. Verf. aber bitte ich,
Sillig: C. Plini Secundi naturalis historiae libri XXXVII. 437
in diesen Blättern ein Zeichen meiner dankbaren Hochaclitung- erken-
nen zu wollen.
Greifswald. Dr. Franz Susemihl.
C. Plini Secundi naturalis historiae libri XXXVII. Recensuit et
commentariis criticis indicibus(jue instruxit lulius Sillig, Haiii-
burgi et Gothae sumptibus F'riderici et Andreae Perthe.>«. gr. 8.
Vol. I. MDCCCLl. LXXXIV u, 487 S. Vol. 11. iMDCCCLII. VI
u. 491 S. Vol. V. MDCCCLI. XLI u. 471 S.
V^enn erst jetzt in dieser Zeitschrift der Sillig-schen Aus-
gabe des Plinius Erwähnung geschieht, so mufs der unterzeichnete
die Schuld auf sich nehmen; denn die verehrliche Hedaction hat es
nicht versäumt ihn sogleich bei dem Erscheinen des ersten Bandes
mit der Beurlheilung dieser Ausgabe zu beauftragen, aber der \^ unsch,
Sie erst bis ins einzelne kennen zu lernen, ehe er die Feder ansetzte,
um sie in einer philologischen Zeitschrift zu beurlheilen, bewirkte,
da seine Zeit manigfach anderweitig in Anspruch genommen war, dafs
der Herausgeber ihn übertlügelte , so dafs nun drei Bände zur Beur-
lheilung vorliegen. Dafs der fünfte Band gleich nach dem ersten er-
schien, davon liegt der Grund bekanntlich darin, dafs der Heraus-
geber die sechs letzton Bücher zuerst bearbeitete, weil diese allein
sich in der Bamberger Handschrift linden, die er gewis mit Recht
als die sicherste Richtschnur für die Kritik des Plinius betrachtete.
Die Entstehung dieser Ausgabe darf so ziemlich als bekannt vor-
ausgesetzt werden; es soll daher nur so viel davon hier erwähnt wer-
den, als des Zusammenhangs wegen nöthig ist. Die Vorrede gibt dar-
über ausführlich Aufschlufs.
Im Jahre 1826 machte Böttiger auf der Versammlung der Na-
turforscher in Dresden den V^orschlag, eine Ausgabe des Plinius durch
Zusammenwirken von Philologen und Naturforschern zu veranstalten.
Auf der Versammlung in München, im Jahre 1827, rieth T hi ersc h
vor allem auf die Herstellung eines kritisch berichtigten Textes be-
dacht zu sein, und veranlafste dann die kün. bayer. Akademie der
Wifsenschaften sich der Sache anzunehmen und die Ausführung dem
Überlehrer Dr. Sillig in Dresden zu übertragen, der zum Behufe ar-
chaeologischer Studien sich schon früher mit glücklichem Erfolge mit
der Kritik der letzten Bücher dieses Schriftstellers beschäftifft hatte.
Für die HerbeischafFung des nöthigen Materials wurde zunächst da-
durch gesorgt, dafs König Ludwig I von Bayern die Veranstaltung
der Vergleichung des codex Riccardianus in Florenz und der Pariser
Handschriften übernahm, womit der unterzeichnete beauftragt wurde.
Anfserdem schien noch besonders die Vergleichung der Toleta n er
und der Vossischen Handschrift in Leiden wünschenswerth. Die
438 Sillig: C. Plini Secundi naturalis historiae libri XXXVII.
erstere wurde durch Vermittlung des Prinzen Johann und des Kö-
nigs Anton von Sachsen von zwei Toletaner Geistlichen, aber leider
so hergestellt, dafs sie mehr auf die Schönheit des von ihnen mit gro-
fser Sorgfalt im äufseru ausgestatteten Bandes als auf die Vollständig-
keit und Genauigkeit sahen ; die letztere wurde 1828 durch die Naturfor-
scher-Versammlung in Berlin und die Zuschüfse Li chte ns te i ns mög-
lich gemacht, und noch eine zweite Vossische Handschrift mit verglichen.
Hiermit schien der nöthige Apparat zusammengebracht zu sein, als
Kef., der in seiner Inauguraldissertation (Observationes aliquot crili-
cae in C. Plinii Secundi Naturalis Historiae libros, Monach. MDCCCXXX)
zuerst darauf aufmerksam gemacht hatte, dafs alle Exemplare des
Plinius am Sciilufse theils mehr theils weniger defect seien, im Jahre
1831 in der oben erwähnten Bamberger Handschrift den vermifsten
Schlufs des Werkes fand, was ihn natürlich sogleich auf die Wich-
tigkeit dieser Handschrift aufmerksam machen muste, bei deren Ver-
gleichung er bald sah, dafs sie viele bisher nicht geahnte Lücken
trefflich ausfüllte (s. die beiden Programme: Lectiones Plinianae, p. I
et 11. Suevofurti MDCCCXXXIV) und auch für die Kunstgeschichte
viele treffliche Lesarten bot, die er zuerst in dem Kunstblatte zum
Morgenblatt in den Jahren 1831 — 33 bekannt machte. Inzwischen
veranstaltete Hr. Sil 1 ig seine kleinere Ausgabe des Plinius, in wel-
cher er den bisher bekannten kritischen Apparat zusammenstellte, und
dem letzten Bande derselben wurde vom Ref. eine vollständige Ver-
gleichung der Bamberger Handschrift mit kurzen kritischen Bemer-
kungen beigegeben. Da er später bei nochmaliger Einsicht der Hand-
schrift bemerkte , dafs, obgleich er sie schon zweimal durchgemacht
hatte, doch manches theils übergangen theils durch den Druck ent-
stellt war, verglich er sie nochmals, wobei er namentlich auf die Or-
thographie sein Augenmerk richtete, und diese Vergleichung stellte
er dann Hrn. Sillig für seine Bearbeitung des Textes zu Gebote.
Mit den bisher genannten Hilfsmitteln ausgerüstet gieng dieser
an die Herstellung des Plinianischen Textes , nahm aber dazu nicht
nur die Schriftsteller, aus welchen Plinius selbst schöpfte, sondern
auch die spätem zu Hilfe, welche sein Werk benutzten. Ueber diese
sprach er sich zuerst in dem eigentlich zum Vortrag bei der Natur-
forscher-Versammlung zu Wien bestimmten Aufsatze: ^ Ueber das An-
sehn der Naturgeschichte des Plinius im Mittelalter' aus, welcher in
der Allgemeinen Schulzeitung 1833 Abth. II Nr. 52 f. abgedruckt ist ;
und in dem Programm:
Quaestionum PHniarum specimsn primum. Drcsdae 1839
zeigte er, wie viel die Kritik der Bücher XIX und XX durch Benutzung
einer in einer sehr alten Handschrift der Pariser Bibliothek schon von
Salmasius gebrauchten, jetzt vor dem fünften Bande dieser Ausgabe
abgedruckten Compilation de remediis salutarihns , die fälschlich dem
Appulejus zugeschrieben wird, gewinnen könnte.
Im Jahre 1848 lagen die sechs letzten, aus dem oben angeführten
Grunde zuerst bearbeiteten, und die sechs ersten Bücher fertig vor 5
Sillig: C. Pliiii Secundi naturalis liistoiiae lihri XXXVII. 439
allein es schien der Verüü'enllichung und somit auch der Vollendung
der Ausgabe eine unvorhergesehtMie Schwierigkeit entgegenzutre-
ten, indem kein Buchhändler bei den besonders damals traurigen Ver-
hältnissen des Buchhandels den Muth hatte, ein so umfalsendes, rein
wifsenschaftliches Werk in Verlag zu nehmen. Nach mehreren frucht-
losen Versuchen entschlols sich Hr. Sillig ein Specimen des bis da-
hin vollendeten auf eigene Kosten drucken zu lalsen, unter dem Titel;
Gai Plini Secnndi naturalis kistoriae praefalio et über XX\ V.
Recensuit, commeiitario critico iiistruxit luHus Sillig. Dres-
dae, excuderunt C. C. Meinholdu.s et filii typographi regii
MDCCCXLVIIII.
Vorausgeschickt ist ein Brief an den Uef. , in welchem Hr. Sillig sich
über den Stand des Unternehmens und seine vergeblichen Bemühun-
gen einen Verleger aufzulinden ausspricht; dann folgt die Vorrede des
Hrn. Sillig, hierauf die Vorrede oder Dedicationsepistel des Plinius und
das äöste Buch sammt Commentar, wie in der grofsen Ausgabe selbst.
Als einen Anhang dazu bezeichnete der Verfafser selbst das Pro-
gramm :
Quaeslionum Plinianarum specimen IL Scripsit lulius Sillig.
Dresdae 1849.
In diesem ist kurz über den handschriftlichen Apparat Rechenschaft
gegeben, und dann eine Anzahl von Stellen aus den beiden ausgear-
beiteten Bänden, so ziemlich alle, bei welchen ausführlichere Bemer-
kungen beizugeben waren, behandelt. In den Anzeigen dieser Vor-
läufer von Hrn. Schneidewin und von dem unterzeichneten ist die
Hoffnung ausgesprochen , dafs die freilich durch so manche unange-
nehme Erfahrung zu entschuldigende, aber an sich doch allzu trübe An-
sicht von der Sache, wonach Hr. Sillig sie als ein specimen editio-
nis non proditurae bezeichnete , durch den Erfolg ihre Widerlegung
finden würde; allein diese Hoffnung wäre wohl so bald noch nicht
in Erfüllung gegangen, wenn nicht Hr. Prof. Wüstemann auf eine
sehr dankenswerthe Weise sich der Sache angenommen und, nach-
dem er über 400 Subscribenten zusammengebracht hatte , die Herren
Perthes dazu bestimmt hätte den Verlag zu übernehmen, der aufser-
dem vielleicht an einen englischen Buchhändler übergegangen wäre,
was bei einem solchen Producte deutscher Wifsenschaft in mehr als
einer Hinsicht hätte beklagt werden müfsen.
Gehen wir nun auf die Vorrede des Hrn. Sillig über, so ent-
hält sie aufser den vorausgeschickten historischen Notizen zunächst
eine Besprechung des kritischen Apparats.
An der Spitze steht die Bamberger Handschrift, über welche,
wie hier angeführt wird, Hr. Prof. Schneidewin in den Götting.
gelehrten Anzeigen 1849 St. 181 S. 1804 in Betreff des Alters und des
Ursprungs mit dem Kef. nicht ganz einverstanden ist. Die Worte
Schneidewins lauten folgendermafsen : H)benan steht natürlich der
alle übrigen weit überragende ßambergensis (B), den v. Jan ins X.
440 Sillig: C. Plini Secundi naturalis historiae libri XXXVII.
Jahrh. setzt. Dem Ref. , der den köstlichen Codex vor einigen Jah-
ren einsah, schien er doch dem XI. anzugehören, gleichwie andere
alte Handschr. Bambergs, welche, wie ihm damals vorkam, von dem-
selben Schreiber geschrieben sind. . . Warum Jan an einen italieni-
schen Abschreiber denkt, ist uns nicht klar; vielmehr schienen Ref.
alle jene Handschr. aus einem deutschen Kloster zu stammen.' Was
hier zuvörderst das Alter betrifft, so ist es schwer, darüber zu rech-
ten. Ref. schlofs sich darin der Ansicht Jäcks an, der eben, als
Ref. nach Bamberg kam, den Bogen seines Katalogs, in dem diese
Handschrift vorkommt, zur Correctur vor sich hatte, und den Ref.
darüber befragte, ob er an dem über diese Handschrift gesagten nichts
auszusetzen hätte, worauf er ihn nur auf ein Versehen aufmerksam
machen zu müfsen glaubte, dal's nemlich das letzte Buch als das 38ste
bezeichnet war. Dafs statt dessen der neue Schlufs sich nicht erwähnt
fand, wunderte ihn um so mehr, als er, wo die Ausgaben aufhören,
am Rande die Worte Caret in impressis beigeschrieben sah. Ref.
urlheilte übrigens auf den ersten Anschein, nachdem er seinen Blick
durch so manche Handschriften in Italien und Frankreich, freilich
schon zwei Jahre vorher, geübt halte; er fand aber auch nachher kei-
nen Grund von seiner Ansicht abzugehen. Als Richtschnur galt ihm
in solchen Fällen immer das zwar alte aber noch brauchbare Büch-
lein: ' Miscellanea meist diplomatischen Inhalts. Bearbeitet von Kon-
rad Mannert, Nürnberg 1795', das ihm von Hrn. Bibliothekar Kra-
binger in München empfohlen worden war, der ihn zuerst in die
Handschriftenkunde einführte. Es finden sich nemlich nirgends die
Abkürzungen für us und für con, welche das. S. 16 als Kennzeichen
des Uten Jahrh. angeführt werden, und die Schrift schien ihm mehr
den Eindruck der gedrungenen Kürze zu machen, die das. S. 15 der
Schrift des lOten Jahrhunderts im Gegensatze zu den späteren beige-
legt wird. Uebrigens gibt Ref. gern zu, dafs, wenn man bedenkt,
dafs Heinrich II zu Anfang des Uten Jahrh. das Bisthum Bamberg er-
richtete, es nicht unwahrscheinlich ist, dafs er die Bibliothek der
Kathedrale mit Handschriften ausstattete, die er zu diesem Behufe
schreiben liefs. Hierauf führen auch die von alter Hand auf die erste
Seite geschriebenen Worte: ille est maioris ecclesiae bbb. Fragt
man aber, wo er wohl, jene Annahme vorausgesetzt, die Handschrif-
ten schreiben liefs, so ist es an sich nicht unwahrscheinlich, dafs es
in Italien geschah. Dafs aber die Bamberger Handschrift , wenn nicht
selbst in Italien geschrieben, doch aus einer italienischen Handschrift
abgeschrieben war, das zeigt die italienische Schreibweise iscola für
scola, isquaiina für squatina, istrangulare für strangiilare^ tisana
für ptisana, tolemueus für Pto/emaeus, silotrum für psilothrum, schia-
dici für ischiadici u. dgl. doch wohl deutlich genug. Uebrigens ist
mit dem von Hrn. Sillig hier über diese Handschrift gesagten noch zu
vergleichen, was sich p. XLVIII ff. findet, wo namentlich das Ver-
hältnis der Verbefserungen von zweiter Hand (B*) zu den ursprüng-
lichen Lesarien der Handschrift (B') sehr gut auseinandergesetzt ist.
Sillig: C. Plini Secundi naturalis liisloriae libri XXXVIl. 441
Von den übrigen llaiidsciirirten liomint dieser an Werth die Leide-
ner oder erste Voss is che (A) am näciisten , die aber leider nur
wenige Fragmente der ersten Bücher enthält. In den Theilen des
Werkes, in welchen keine von diesen beiden Handschriften zu Gebole
steht, vordient die zweite Vossische Handschrift, welche übri-
gens nur die Bücher 20 — 36 mit nicht unbedeutenden Lücken enthält,
und die, wie Hr. S. nachweist, mit dieser aus einer Quelle entsprun-
gene H i cca r di ani s c he (U) am meisten Beachtung. Die letztere
ist von einer alten Hand durchcorrigiert. Den von dieser herrühren-
den Lesarten (B^) hat Hr. S. einen etwas zu grofsen Werth beige-
legt, und ist denselben daher, wie wir im folgenden sehn werden,
hier und da gefolgt , wo es kaum zu rechtfertigen sein möchte. Mit
dieser Handschrift stammt theilweise sicher aus einer Quelle die erste
Pariser (a) , wie eine gemeinsame grofse Umstellung in den ersten
Büchern zeigt, welche den Bef. dazu verleitete, eine durchgängige
Gleichheit derselben anzunehmen, welche in dieser Ausdehnung nicht
stattfindet. Selbst diese ersten Bücher sind wohl nicht unmittelbar
aus derselben Quelle geflofsen ; andere gehn aber noch weiter aus-
einander, wie denn überhaupt bei vielen Handschriften des Plinius
sich nachweisen läfst, dafs die Abschreiber keine vollständige Hand-
schrift vor sich hatten , sondern zu den verschiedenen Büchern ver-
schiedene benutzten. Eine Classe für sich bilden die zweite Pari-
ser Handschrift (d), die Toletaner (T) und die von Dalechamp
benutzte Chi fflet ische (0) nebst der Va tican is eben (D), die
am Rande mitunter Ergänzungen hat, die von einer der Bamberger
ähnlichen Handschrift herzurühren scheinen. So sind diese Hand-
schriften ohne Zweifel richtig von Hrn. S. classificiert. Ueber die mit
unbestimmten Zeichen (M, Ms. Vet. u. dgl.) von Dalechamp angeführ-
ten Lesarten stimmt er der Ansicht des Bef. in der Verwerfung der
von Harduin ausgesprochenen Meinung bei, dafs man hier nur Con-
jecturen vor sich habe. Ebenso erfreut sich Bef. der Zustimmung des
Hrn. S. in Betreff der Ueberschätzung des Codex Burbonicus (N) von
Seiten des Grafen Bezzonico und des Petropolitanus von Seiten Fal-
conets. Wenn in dem literarischen Centralblatte 1851 Nr. 22 behaup-
tet wird, dafs nach den von Haupt zu Ovids Halieut. p. 11 gegebenen
Varianten die aufserordentliche üebereinstimmung der Wiener Hand-
schrift 234 aus dem 12ten Jahrhundert mit der Bamberger Handschrift
dem Herausgeber nicht habe entgehen können , und er sich demnach
eine Vergleichung der Wiener für die frühern Bücher hätte verschaf-
fen sollen, so kann Bef., wie er schon anderswo bemerkt hat, nicht an-
ders glauben, als dafs hier eine Verwechslung dieser Handschrift mit
den p. XXXVIl unmittelbar nachher besprochenen Wiener Fragmen-
ten stattgefunden hat. Hr. S. hat darauf mit bewunderungswürdiger
Ruhe und Gelafsenheit sämmtliche von Haupt a. a. 0. gegebene Les-
arten in der Vorrede zum 5ten Bande mit den Lesarten der Bamberger
Handschrift zusammengestellt und gezeigt, dafs die Handschriften
zwölfmal zusammentreffen und vierzigmal voneinander abweichen, un-
rn. Jahrb. f Phil. n. Paed. Titl LXVfI. Hft. 4. 29
442 Sillig: C. Plini Secundi naturalis historiae libri XXXVII.
ter jenen 12 Stellen aber nur eine einzige ist, wo diese beiden
Handschriften allein zusammentreffen, dagegen dreimal (vielmehr
viermal) die Vulgate und sechsmal (vielmehr siebenmal) andere Hand-
schriften damit übereinstimmen. Wäre es jenem Kec. um Wahrheit
zu thun gewesen, so hätte er seinen Irthuni bekennen müfsen; statt
dessen behauptet er, wie wenn er ein Privilegium hätte Recht zu be-
halten (das. 1851 Nr. 52), die Rechtfertigung des Hrn. S. niiiste so
lange für mislungen gelten, bis er nachwiese, dafs eine andere Hand-
schrift mehr mit der Bamberger übereinstimme! — Wie leicht wäre
dies für Hrn. S., wenn er es noch thun wollte; allein es ist ihm nicht
zu verdenken, wenn er auf solche Animosität nicht weiter antwortet.
Jene Anzeigen sind aber auch im übrigen in diesem Tone gehalten,
so dafs selbst Bemerkungen, die an sich nicht ohne Grund sind, wie
dafs es befser gewesen wäre, wenn die Zeilen beziffert worden
wären, oder dafs, was ja so leicht begegnen kann, eine irgendwo
vorgebrachte glückliche Conjectur übergangen sei, gerade dadurch
an Gewicht verlieren, dals ihnen ein ungebührliches Gewicht beige-
legt wird. Dahin gehören auch die Vorwürfe, welche Hrn. S. daselbst
über seine allzu grofse Vorsicht in der Kritik gemacht werden, die
hier als 3Iangel an allem Princip erscheinen soll. Jene Vorsicht oder
wenn man sagen will Verzagtheit ist in den Büchern, welche in der
Bamberger Handschrift nicht stehen, durch die Unsicherheit des kri-
tischen Bodens gerechtfertigt, und durch die Besorgnis, es könnte
über kurz oder lang eine jener ähnliche Handschrift aufgefunden wer-
den, die ein zu grofses Vertrauen in jene unzuverläfsigeren Hilfsmittel
Lügen strafen würde, ^^'as soll aber in den Büchern geschehn, welche
sich in der Bamberger Handschrift finden? Jener Rec. sagt, es sei
^einfach die Lesart der Bamberger Handschrift in den Text zu setzen.'
Doch dafs eine Forderung der Art höchstens als allgemeiner Grund-
satz zu betrachten , keineswegs aber überall durchzuführen ist, zeigen
die dort angeführten Beispiele, XXXV §§. 53, 57, 71, wo verlangt
wird, es sollen einige Worte ausgeworfen werden, weil sie sich in
der Bamb. Hs. nicht finden, während otfenbar der Text dadurch ver-
stümmelt würde. Jene Worte sind nemlich nur durch Abirren der Ab-
schreiber auf Wörter mit gleichem oder ähnlichem Schlufse ausge-
fallen, wie es auch in dieser Hs. öfters der Fall ist, die überhaupt
keineswegs so frei von Fehlern, ja von Interpolationen, ist, dafs man
ohne weiteres ihr folgen könnte. Dies mag gerade als ein Ausspruch
des Ref. glaubwürdig erscheinen, der jene Handschrift gewis nicht
tiefer stellt, als sie es verdient. Wer sich aber ernstlich mit der
Kritik des Plinius beschäftigt, wird sich ohne allen Autoritätsglauben
davon überzeugen; er wird aber auch die Schwierigkeit der Sache
einsehn lernen, und sich nicht so gegen die Humanität versündigen,
dafs er wegen einzelner, zum Theil nur scheinbarer Misgriffe einer
mühevollen und wahrlich nicht fruchtlosen Arbeit von mehr als zwan-
zig Jahren alle Anerkennung versagt. — Ref. ist kein Neuling mehr
in der Kritik des Plinius, vierundzwanzig Jahre sind verllofsen, seit
. Sillig: C. Plini Secundi naturalis historiae libri XXXVII. 443
er die bedeulendsleii Haiidschrifteii desselben kennen gelernt bat; er
nimmt aber keinen Anstand, sieb mit den von Hrn. S. p. LX IT. aiis-
gesprociiencn Grundsälzen der Haiipisaclie naeb einverslandeii zu er-
klären, was ibn nalürlicii nicbl abliäll in der Anwendung derselben
von den durcb ibn gewonnenen Kesultalen abzugebn, wie er im naeb-
l'olgenden und scbon öfter, namentlieb aber in den der k. b. Aka-
demie vorgelegten Bemerkungen 'Zur Kritik des zweiten ßucbes des
Naturalis Hisloria des Plinius' [s. oben S. 121] gezeigt bal.
Aueli die Anlülirung der trüber von andern (ieleiirlen benutzten
Handsebriften kann Hef. nur da für unnütz ballen, wo eine Lesart un-
bestritten, dureb die Handsciiriften des Herausgebers bestätigt, im
Texte siebt, ein Fall der übrigens gar niebt so bäullg vorkommt; und
er läfst sieb niebt durcb das Anatbem jenes Kecensenten scbrecken :
'Wer den unnützen Wust baben will, der den verständigen Leser nur
stört, bat keinen Ansprucb darauf, dal's man für ibn Ausgaben macbt.'
Möglicbste Vollständigkeit der Angaben ist für eine solclie Ausgabe
zu wünschen, sowobi um der Einsiebt in die Gescbicbte des Textes
willen, als aucb desbalb , weil sonst mancber, dem die frübern Aus-
gaben niebt zur Hand sind, zu dem Irtbum verleitet werden könnte,
als babe er durcb Conjectur etwas neues gefunden, wäbrend frühere
Gelehrte dasselbe, sei es aus Handsebriften oder nach eigner Ver-
mutbung, vorgebracht baben.
Für die Geschichte des Textes sind auch, wenn sie mit Vorsicht
gebraucht werden, die Schriftsteller von Bedeutung, welche den
Stoff zu ihren Werken ganz oder tbeilweise ans dem Plinius entnom-
men haben. In erster Linie steht hier das oben erwähnte, in einer sehr
alten Handschrift vorhandene, jetzt von Hrn. S. (vor dem öten Bande)
zuerst herausgegebene Fragment des(Pseudo-) Appulejus de remediis
salutaribus, welchem sich die scholia ad Germanici prognoslica an-
schliefsen. Ebenfalls gute Handsebriften (Hr. S. vergleicht sie mit
dem Vossianus A) bat Dicuil benutzt in seinem Werke de mensura or-
bis, so wie auch Isidorus Hispalensis in einigen Capitelu seiner Ety-
mologien. Von geringerer Bedeutung ist die Heinrich II gewidmete
defloratio Pliniana von Robertus Canutus Crikeladensis, einem üx-
forder Prior, und ganz unzuverläfsig, deshalb aucb hier unbenutzt,
sind die von andern gerühmten specula Vincentii Bellovacensis. Et-
was stiefmütterlich ist die Geschichte des Textes in den Aus-
gaben bebandelt, worüber sich nur weniges auf p. LXIV f. findet,
wenn schon, wie anzuerkennen ist, das vorzugsweise wichtige. In-
dessen wird mancher, der hierüber eine Belehrung sucht, selbst wenn
er vorher die Vorrede schon durchgelesen bat, vergeblich suchen,
zumal da in dem Monitum am Scblufse der Vorrede, wahrscheinlich
nur durcb ein Druckversehn, auf p. LXIX sqq. verwiesen ist. Ueber-
haupt würde die Vorrede an Uebersichtlichkeit und sonach auch an
Brauchbarkeit zu praktischen Zwecken gewonnen haben, wenn sie in
einzelne Abschnitte zerlegt worden wäre. Für die Handsebriften gibt
die dem zweiten Bande vorangestellte Erklärung der Abkürzungen,
29*
444 Sillig: C. Plini Secundi naturalis historiae libri XXXVII.
die der Hauptsache nach auch in den übrigen Bänden wiederholt wer-
den dürfte, die nöthigen Nachweisung-en.
Warum Hr. S. auf Harduin, der gewöhnlich über Gebühr ge-
schätzt wird, fast gar keine Uücksicht genommen hat, darüber ist der
nöthige Aufschlufs p. XXXIV, wo von den von ihm benutzten Hand-
schriften die Rede ist, zu suchen; in wie weit er die Ausgabe ß ro-
tier s der Beachtung werth gehalten hat, das. p. XXXV. Dieser hat
er wenigstens eine besondere Chiffre (y) gewidmet, indem er die in
derselben angeführten Handschriften erwähnt, wo sie mit den übrigen
nicht zusammentreffen, und öfters auch angibt, was in derselben im
Texte steht.
Aufserdem ist nur die D a 1 ech am psche Ausgabe (ß) beige-
zogen, deren Text als die Vulgata betrachtet wird. Aus welchem
Grunde, ist p. LXV angegeben; weil sie nemlich ein Abdruck der aus
Handschriften verbefserten Ausgabe des J. Nicolaus Victorius v. J.
1582 ist. Die Jahrzahl der Ausgabe selbst, 1586, sucht man verge-
bens. Im allgemeinen ist gegen die Bevorzugung dieses Textes nichts
einzuwenden, da er, mit Besonnenheit, wie es scheint, unter Benutzung
guter Quellen hergeslellt, bis auf Harduin der stellende blieb, von die-
sem aber vielfach willkürlich selbst nach Handschriften dritten und
vierten Ranges geändert wurde. Ref. hat früher einmal den Wunsch
ausgesprochen, dafs es Hrn. S. gefallen haben möge die Lesarten der
wichtigsten Ausgaben, wie es in des Rec. Ausgabe des Macrobius ge-
schehn ist, zur fortlaufenden Darlegung der Geschichte des Textes
aufzuHehmen ; allein er bescheidet sich dessen gern, da der Aufwand
an Zeit und Raum mit dem dadurch zu erlangenden Vortheile in kei-
nem Verhältnis stünde. Hier kann also nur die Frage noch zur Spra-
che kommen, ob Hr. S. recht daran gethan hat, so häufig, nament-
lich in den geographischen Büchern, bei dieser Vulgata stehn zu
bleiben. Im Princip kann dies Ref. nicht gut heifsen, da von der
neuen Ausgabe doch in jeder Beziehung ein Fortschritt verlangt
werden mufs ; ob aber durch das Streben einen Fortschritt zu erzie-
len, bei dem Mangel an festen Anhaltspunkten überall oder auch nur
in den meisten Fällen etwas gewonnen worden wäre, mufs er dahin
gestellt sein lafsen; ihm selbst ist es wenigstens nur in einzelnen Fäl-
len gelungen, solche Stellen mit Evidenz, sei es vermittelst des hier
gegebenen Apparates oder durch Conjectur zu verbefsern.
Dafs Hr. S. bei der Aufnahme eigner und fremder Conjectu-
ren in den Text sehr vorsichtig verfuhr, ist im allgemeinen nur zu
billigen; in einzelnen Fällen würde Ref. allerdings keinen Anstand
genommen haben , solche aufzunehmen , wo es hier nicht geschehn
ist. Im Commentar findet sich, namentlich in dem zweiten Bande,
manche gute Conjectur. Dafs manchmal eine naheliegende übersehn
oder zur Verbefserung nicht der rechte Weg eingeschlagen wurde,
kann Ref. nicht in Abrede stellen; aber eben dadurch erscheint jene
Vorsicht nur um so mehr gerechtfertigt; denn wer kann sich bei der
Beurtheilung seiner eignen Einfälle vollkommen vertrauen, wenn ihm
Sillig: C. Plini Secundi naliiralis historiac libri XXWII. 445
nicht eine geraume Zeil vcrfrönnt i.sl , dafs er sie g-leichsam mit kal-
tem Blute wieder vornehmen und prüfen kann?
Die 0 r I li o{) la p h i e hat von Hrn. S. die verdiente Würdigung
gefunden, lieber die dabei beobachteten Grundsatze gibt er p. LXIX
tr. Rechenschaft. Die Hauplrichfschnur bot ihm auch hier die Bamber-
ger Handschrift (B), theihveise auch die mit diesem in der Hauptsaciie
übereinstimmende alte Hs. des pseudo-appulejischen Fragments (vgl.
Vol. V p. XXI). Dafs jene Hs. nicht durchaus in dieser Beziehung
zuverläi'sig ist, geht schon aus den oben angeführten Beispielen von
italienischen Schreibweisen hervor; dazu kommt noch, dafs sie sich
in der Schreibung eines und desselben Wortes keineswegs überall
gleich bleibt. Um in solchen Fällen eine Norm zu haben, schlofs sich
Hr. S. an die Regeln an, welche Wagner im 5ten Bande seines Vergilius
gegeben hat, da im allgemeinen die Orthographie von Augustus bis
Theodosius so ziemlich dieselbe blieb. Auf p. LXXl finden sich die
öfter vorkommenden Schreibweisen, welche von den jetzt gebräuch-
lichen abweichen, zusammengestellt, wobei man die allerdings auf
der Autorität des B beruhende aber sehr auffallende Schreibweise
der mit sin anfangenden Wörter vermifst, welche überall mit zm ge-
schrieben werden, wie zma7'at/(i>is, Zvnjrna u. dgl. ; allein Hr. S. recht-
fertigt diese Schreibweise in einer besondern Note zu XXXII, 151,
auf welche p. LXXIV verwiesen ist. — Wenn V, 33 losere geschrie-
ben ist, während die meisten und besten Handschriften lasari haben,
so fragt es sich , ob nicht das a vorzuziehen war, da dieses sich auch
in dem Schlufs des Werkes von zweiler Hand in B findet. — Für
die Superlative und die hier nicht mit angeführten Ordinalzahlen ist
die Regel beobachtet, dafs die dreisilbigen mit w, die mehrsilbigen
mit t geschrieben sind. W^agner stellt p. 474 nur das als unbestreitbar
hin, dafs bei Vergilius die mehr als dreisilbigen Superlative nur mit
i gebildet erscheinen. Dies gilt nach B auch für Plinius. Von den
dreisilbigen hat sich Ref. öfters opluimis , pessnmvs , maxumus und
einmal (levumus aufgezeichnet, dagegen nirgends miininms ^ pluruini,
und es fragt sich daher, ob dies nur im Zufall seinen Grund habe. —
Vor (/ verlangt B allerdings, wie Hr. S. geschrieben hat, vi; bemer-
kenswerth ist aber, dafs Priscian I p. 555 berichtet, Plinius habe
sich für die Schreibart nunyuis und mmquam ausgesprochen. — Eine
nicht unbedeutende Schw ierigkeit macht die Assimilation der Praepo-
sitionen bei Zusammensetzungen. Bei von bleibt sich Hr. S. nicht
gleich; so hat er praef. §. 25 compunebal ; aber II §. 53 conposilo
geschrieben. Die Praeposition oh ist vor s und / in der Regel op ge-
schrieben , dagegen XXXIV, 42 obsessae Rhodu , wo B opsessa rhndo
hat. Ref. glaubt in den Hss. des Macrobius wahrgenommen zu haben,
dafs vor s und l überall op steht, wenn die Silbe betont ist, während
im entgegengesetzten Falle sich theils oh theils op findet. An sich ist
hier gegen die tenuis p nichts einzuwenden, da sie sich auch in op~
pono u. dgl. findet; dagegen fragt es sich, ob sie in ab zu billigen
sei. Bei Wagner p. 414 findet sich nur apsetts, bei Mai zu Cic. de
446 SiHig: C. Plini Secundi naturalis historiae libri XXXVII.
rep., auf den er verweist, nur oh und suh. Hr. S. hat nach B fast
überall apsolulus geschrieben; dag-egen folgt er ihm nicht XXXIV,
108 und XXXVIl, 82 in apsunt und apslulit. Dafs in solchen Dingen
den Hss. nicht allzu sehr zu vertrauen ist, zeigen Schreibweisen wie
(idque^ adherciiles. Bei iti spricht B für imperiu?» und impetvs. In
der Schreibung der Eigennamen folgt Hr. S. theils dieser Hs., wie
XXXIV, 29 bei Porsina, XXXV, 60 bei Erilhis. theils geht er von
der Schreibweise dieser und der übrigen Hss, ab, wie XXXIV, 19 in Al-
tinni und 20 in Duellio ; XXXV, 16 in Aridices ; XXXV, 86 in Pan-
casfen. Was die Casusendungen betrifft, so sagt Hr. S. p. LXXI, er
habe den Accnsativ des Pluralis der Wörter, welche im Genitiv tum
haben, auf /s gebildet; dagegen p. LXX: Mum autem aliquoties, ubi
ex aequalitate ambiguitas aliqua oriri poterat, sciens fui inconstans,
quod potissimum de accusativo plurali tertiae declinationis in is ex-
eunte valet, qua paucis in locis, ne lector turbaretur, repudiata usita-
tam in es exeuntem servavi (v. 37, 176 ir/nes).' Eine Autorität ist hier
nicht angeführt. In B findet sich bei weitem häufiger es; dagegen
liest man Vol. V p. XXI über die Hs. des pseudo-appulejanischen Frag-
ments: ^accusativus plur. tertiae declinationis substantivorum, quae
genit. plur. in ium terminant, saepius per /'s quam per es finitur.'
Charisius I p. 103 und 111 sagt, Plinius wolle alle diese Wörter auf ts
gebildet wifsen; deshalb läfst sich gegen den von Hrn. S. aufgestellten
Grundsatz, der auch durch die Bemerkung Wagners noch unterstützt
wird, dafs die Grammatiker frühzeitig diesen Accusativ wegzuschaf-
fen bemüht gewesen wären, was auch Macrobius in den ausVergilius
entlehnten Stellen bezeugt, nichts einwenden; freilich sollte es aber
dann consequent durchgeführt sein. Die eigenthümlicheArt der Formen
der 4ten Declination ist p. LXXIV etwas allzu rasch durch die Bemer-
kung abgemacht: 'Sciendum etiam codicem B . . ubi genitivus singu-
laris vel nominativus et accusativus pluralis quartae declinationis le-
gunlur, eum ubique ^^u pro ?/ exhibere.' In solcher Ausdehnung ist
nemlich diese Bemerkung nicht richlig; denn es findet sich im 35sten
und 37sten Buch kein Beispiel der Art, und auch in andern Büchern
steht manchmal us ; XXXIV, 41 findet sich die von Stallbaum zu Rud-
dimanns Instit. I p. 102 sq. und Schneider lat. Gramm. II S. 329 ange-
führte Genitivform specn/s. Bei der grofsen Zahl von Beispielen der
Formen auf im (Ref. hat deren 40 gezählt) fragt es sich, ob wir nicht
hier eine Eigenthümlichkeit der Sprache des Plinius vor uns haben,
der sich ja, wie wir wifsen, auch mit den Formen der Sprache viel-
fältig beschäftigt hat.
Gegen die in der Aufführung der Lesarten eingehaltene
Weise hat Ref. nichts von Bedeutung zu erinnern , aufser dafs das
Aufsuchen im Commentar öfters dadurch erschwert ist, dafs die zwei
einander gegenüberstehenden Seiten so miteinander ausgeglichen
sind, dafs Text und Commentar einen gleich grofsen Raum einnimmt,
was dem Auge allerdings wohl thut, aber dadurch unbequem wird,
dafs man öfters das zu einem \\'orte gehörige auf der gegenüber-
Sillig: C. Plini Scuiindi nadiralis hisloiiae libri XXXVII. 447
stehenden Seife zu suclien lial , oIiik; dal's eine andere ZilTer als die
des Paragraphen daraul' aiilinerksam niaelit. Die längeren Bemerkun-
gen zu einzelnen Stellen, namenliieh im üten Bande, führen eine ge-
wisse Ungleichheit und mitunter eine Trennung des zusammengehöri-
gen herbei. Uebersichtliilier würde die Sache sein, wenn die ganz
verglichenen Handschriften, da hierin öfters innerhalb der Bücher ein
Wechsel eintritt, auf jeder Seite bemerkt wären. Sehr zweckmäfsig
ist jedem Bande ein index cnthiis beigegeben, der über den Ursprung
der aufgenommenen Lesarten Aufschlufs gibt und die noch verdorbe-
nen Stellen durch beigesetzte Fragezeichen als solche bezeichnet;
wodurch die Andeutung von Corruptelen im Texte durch Kreuzchen,
Sternchen n. dergl. , die sich allzu oft wiederholt haben würden, un-
nöthig gemacht wird.
Die Erklärung tritt nach der ganzen Bestimmung und Anlage
der Ausgabe in den Hintergrund; doch ist hier und da der Sprachge-
brauch des Schriftstellers erörtert und dabei die nölhigen Belegstellen,
freilich mit blofsen Zahlen (s. unten zu XXXV, 43) citiert; besonders
schwierige Worte werden öfters durch kurze Bemerkungen des Her-
ausgebers oder seiner Vorgänger erklärt, und endlich alle die Stel-
len, auf welche Plinius verweist, angegeben und die Stellen des
Aristoteles und Theophrast, aus welchen er schöpfte, oder des Soli-
nus, Marcianus, Plinius Valerianus u. a., welche den Plinius excer-
pierten , meist ohne wörtliche Anführung citiert. Aulfallend ist die
Art, wie neuere Schriften citiert werden; mitunter sind nemlich die
Titel in der Sprache, in welcher die Werke geschrieben sind, ange-
führt, und dies hält i>ef. für recht, da diejenigen, welche die Sprache
nicht verstehn, sonst nur in den Irthum gerathen , sich dort belehren
zu können ; gewöhnlich sind aber die Titel ins lateinische übersetzt,
mitunter unverständlich z. B. '^lahnii horreum' für das ^Archiv für
Philologie und Paedagogik'.
Den Gewinn, der aus dieser Ausgabe des Plinius ohne allen
Zweifel hervorgeht, hat Hr. S. selbst p. LXXXI mit folgenden Wor-
ten bezeichnet: Hd certe me praestitisse puto, ut iam Plinii oratio certo
fundamento nitatur, unde tuto progredi possis, ut sit cognitum, quid
codicibus, quid coniecturis virorum doctorum debeatur.' Dafs übri-
gens für die Kritik des Plinius . auch abgesehn von der Erklärung,
noch manches zu thun übrig ist, hat er p. LXX selbst anerkannt. Um
so ungerechter wäre es, w^enn man das mit so grofsen Opfern aller
Art geleistete nicht dankbar anerkennen und das bei einem Schrift-
steller w'ie Plinius geradezu unmögliche fordern wollte, dafs allen,
wenn auch an sich billigen Anforderungen an eine solche Ausgabe
vollkommen genügt sein sollte.
Wenn wir uns nun zu dem einzelnen wenden , sei es uns ver-
gönnt von dem zuerst bearbeiteten äten Bande zu sprechen und zwar
alles, was wir über die aufgenommenen Lesarten oder die im Com-
menlare vorgeschlagenen Verbefserungen für und wider zu sagen ha-
448 Sillig: C. Plini Secundi naturalis hisloriae libri XXXVII.
ben, in möglichster Kürze vorzutragen, indem wir bei einigen Stellen,
die eine ausführlichere Besprechung erfordern würden, mit (M. G. A.)
auf eine an die Münchner gelehrten Anzeigen eingesandte, noch nicht
abgedruckte Anzeige dieses Bandes verweisen.
Im 3'2. Buche §. 4 ist es nicht recht klar, warum Asiurn An-
tium rennvigantis mit Tilgung der Praepositiou rib geschrieben ist,
für welche die Lesart der Hss. ahsturn zu sprechen scheint. — §.8
weifs Ref. nicht, warum inerfior mit feneresr/f unverträglich sein soll
(M. G. A.). — §. 16 war die Lesart der drei besten Hss. lahrayndi^
die auch die Münchner durch ihre Lesart lahraindi unterstützt, nicht
so ohne weiteres zu übergehn, da ja Hemsterhuys bei Herodot V, 119
nach dem cod. Med. auch AaßQavvöa lesen will. — §. 19 läfst das
Verbum rocenf doch auf den Namen des Volkes, Locedaemonii^ schlie-
fsen. — §. 24 in den Worten coiilraque torminum nc vesicae oc cal-
culnrum mala ist das zweite nur in B stehende ac nicht sowohl we-
gen des folgenden c als wegen des unmittelbar vorausgegangenen ac
zu beanstanden. — §. 68 ist das Futurum in den Worten: nisi oleum
ore contineant quae lincjuent^ das sich in B findet, nicht wohl zu-
läfsig. Da die übrigen Hss. tinginit haben, fragt es sich , ob nicht
tinrinonl zu schreiben sei. ■ — §. 111 in den Worten: ilem flmnatiles
tritt ustique cinere et ex oleo suhacti möchte Ref. cinere , was Hr. S.
in in cinerem ändern will, jetzt beibehalten wifsen in dem Sinn, dafs
cinere im Gegensatze zu et ex oleo suhacti 'durch die blofse Asche'
bedeute. — §. J24 ist die Conjectur des Ref. snc/cntes, wie Hr. S.
in der Vorrede p. LXVIII selbst anerkennt, nur ein Nothbehelf. Viel-
leicht ist eine Lücke anzunehmen: ergo sugere [quamdiu noiunt non
s/nunt, sed sugenfes] rufas forficihiis praecidunt.
Im 33. Buche §. 2 ist wohl mit B qua statt quaqua calcatur zu
schreiben; §. 5 gegen dieselbe nach der Vulgata didicit hämo naturam
provocare ; auxere et artem vitiornm inritamenta ^ und §. 6 sacrum
fame (M. G. A.). — §.7 beruht die Angabe der Auslafsung der Worte
legum avt/quarum pecore in Baufeiner misverstandenen Notiz im Hand-
exemplare des Ref. — §. 13. Die schwierige Stelle, wo von der Sitte die
Rede ist, dafs die Ringe an der linken Hand getragen werden, hat Hr.
S.SO geschrieben: Quodsi ivpedimentum potuit in eo aliquod intellegi,
etiam ser ior is usus argumenlum est, et malus in laeva fuisset, qua
scutum capitur. Harduin hatte, wahrscheinlich nach der Handschrift
d, serioris usus geschrieben, was sich auch in B findet. Hr. S. erklärt
seine Conjectur so: Mam vero . . si quis eo potuit progredi, ut hanc
celationem impedimento alicui in de.xtra manu sito tribueret (tacite
hie redarguit Ateium Capitonem ap. Macrob. Saturn. 7, 13), serior
quoque is usus , anulum scilicet in manu laeva gestandi , argumentum
meae est opinionis, primis temporibus homines suos anulos magis
abscondere quam proferre voluisse' etc. Hier mufs zuerst das
auffallen, dafs serior is usus die Sitte, die Ringe an der linken
Hand zu tragen bedeuten soll, während es vorher doch heifst, der
Erfinder hätte sie an die linke Hand verwiesen; ferner kann nicht wohl
Sillig: C. Plini Seciindi naturalis historiae libri XXXVII. 449
//rfiiimcnlum est «ranz ohne ObjccfsseniJiv sfelin, dafs man sicli ein
willkiirliclies Object dazu denken kann. Ref. liesl deshalb mit Har-
duin lind den Handschriften et/ntn serioris usus f/rf/nmentum est,
und bezieht dies auf die vorausgegangenen Worte: Kquidem nee Ilia-
cis lempurihvs iillos fiiissc avu/as rideo. Demnach scheint der Ge-
danke, den Plinins aussprechen will, der zu sein: 'Wenn man sich
ein Hindernis für die rechte Hand denken konnte, so muste dies erst
in der spätem Zeit der Fall sein, denn in der Heroenzeit, wo man die
rechte Hand noch nicht so vielfach brauchte, hätte zur Führung der
Waffen das Tragen des Bings kein besonderes Hindernis für die rechte
Hand abgegeben, und es wäre vielmehr ein gröfseres Hindernis für
die linke da gewesen, mit der man den Schild fafst.' Ist dies richtig,
so fehlt der Zwischengedanke ' denn . . . abgegeben % und es ist eine
Lücke zwischen art/nmenlum est und cf mains anzunehmen. — Ueber
die letzten Worte desselben Paragraphs: Est qnidem apud eimdem
Homerum iv'roriitn er hnhiis durum inplexxim ; ideo iiescio an prior
usus a feminis coeperif, bemerkt Hr. S. : 'Palam est Plinium h. 1. crc-
dere, morem auri in crinibus geslandi non a feminis, sed a viris pri-
mum institutum fuisse, in quo hoc offendat necesse est, quod ad hanc
opinionem commendandam . . forniula illa notissima neseio an ita usus
est, ut eam contrario quam quo scriptores Latinos sensu usurpasse
videamus . . . Hinc nata mihi suspicio vitium omnes nostros Codices
sive potius archetypum, unde omnes sunt deducti , insedisse et
pro an scribendum esse annon.' Wenn die Voraussetzung richtig
wäre, so müste wohl 7ion bei a feminis stehn ; allein es handelt sich
wohl hier, wie eben bei serioris usus, nur um das Ringetragen. Dann
ergibt sich der Gedanke: 'Bei Homer liest man zwar, dafs die Männer
Gold in den Haaren trugen (aber nicht an den Fingern); deshalb scheint
es, als hätten zuerst nur die Frauen Binge getragen.' — §. 18 ist das
Satzverhältnis im ganzen ohne Zweifel richtig erklärt; ob aber der
Plural in proptir quae . was sich auf den ganzen vorhergehenden Satz
beziehn soll, richtig, und nicht vielmehr mit zwei Pariser Hss. propfcr-
que zu lesen ist, in dem Sinne: 'und zwar wegen des Namens der
Bitter hinzugefügt ist', will Bef. nicht entscheiden. — §. 23 sind und
bleiben die Worte auffallend: aurumque milibus lapillorum vilias
/"ec/V, wozu hier nichts bemerkt ist. Es ist die Rede davon, dafs
manchen Edelsteinen keine Platten untergelegt, sondern dieselben nur
mit einem Ring umgeben werden. Man könnte daher vermuthen , Pli-
nius habe geschrieben milli s lapiUorum 'dadurch dafs man Schutz-
ringe für Steine davon machte.' Vergl. Festus s. v. milhis. Dasselbe
Wort ist vielleicht auch XXXVI, 98 einzusetzen, wo in den Ausgaben
steht: fifum aureum commissuris omnihus poJili Japidis subiecit ar-
fifex, in B aber milium, in andern /w ilhid, und Hr. S. mitum
vermuthet hat, was an sich ganz gut ist, aber nur sich etwas weiter
von der Lesart der Hss. entfernt. — §. 23 haben die Worte aha per
sese mero auro deeorant eine in der That etwas allzu lange Bemer-
kung hervorgerufen, in welcher Ref. billigt, dafs diese Worte als
450 Silliff: C. Plini Secundi iialuialis liisloriae libri XXXVII
Parenthese betrachtet werden, aber bezweifelt, dafs alia andere Kör-
pertheile, im Gegensatze zu den Fingern, die ja im vorhergehenden
nicht genannt sind, bedeuten könne. Nimmt man dazu, dafs unter den
zuXXXlI,45 angeführten Beispielen sich aufser unserer Stelle nur
noch eine (XVII, 52) findet, wo per sese steht, so möchte Ref. lie-
ber lesen: alia (^sertiiti(i) per se se mero auro decoranf, so dafs in
diesen Worten ein ähnlicher Seitenblick läge, wie unten §. 33. —
Die folgenden Worte cuins licentiae origo nomine ipso in Samothrace
id ivstilutum declaral bilden, wenn sie richtig sind und nicht viel-
mehr etwas ausgefallen ist, eine eigenthümliche Brachylogie für cuius
licentiae urigo nomine ipso deprehetidifur, quod in Samothrace
id institulum decfarat. ■ — Wenn §. 24 zu den Worten (juo signan-
tem. $ignent bemerkt ist: ' ut ille (anulus), quem gestant, modo sit
symbolum, indicium reconditi signando destinati. Apte Gesner. chre-
stom. Plin. p. 808 comparavit nostrum L. .S. ', so hat sich Hr. S. von
Gesner zu einer unrichtigen Auffafsung der Worte quo . . . signenl
verleiten lafsen. Vergleicht man §. 26 : Quae fuit illa vita^ in qua
nihil sign abaturl Nunc cibi quoque ac polus anulo vindicantur
a rapma, und §. 27: Nunc rapiendae cunparantur epulae pariterque
qui rapiant eus^ et clav is quoque ipsas signasse 71071 est sa-
tis, so ergibt sich vielmehr der Sinn: ^mit dem sie ihren Siegelring
versiegeln.' — §. 25. Wenn zu den Worten ut pluruitia opum sce~
lera anulis ßimt.' bemerkt ist: ^ operum lan.', so mufs jedermann
glauben, Ref. habe operutu scelera verbinden wollen, was sinnlos
wäre. Er vermuthete vielmehr: ut phnima operu7n^ scelera anulis
ßunt. Uebrigens hat er sich in den Münch. gel. Anz. 1851 Oct. Nr. 61 S.
496 bereits für opum scelera erklärt. Eine andere Frage ist aber, ob
der Satz mit Recht als Ausruf gofafst wird. Keine der angeführten
Stellen hat ein «/, geschweige denn in Verbindung mit einem Super-
lativ. Soll ut phirimo; stehn bleiben, so ist ut wohl, wie sonst bei
dem Adverbium im Superlativ, beschränkend zu fafsen: ^ so ziemlich
die meisten'; allein es fragt sich, ob nicht von der einen Bergkschen
Conjectur i^el plurimn aufzunehmen ist. Gerade so steht XXXVII, 54
quando rel p/urima prodldere. Wie leicht ut und vel verwechselt
werden, ist bekannt, und hier läfst denique mehr auf einen einfachen
Ausdruck als auf einen Ausruf schliefsen. — §. 33 hat sich Ref. aller-
dings, wie Hr. S. sagt, einen Irthum zu Schulden kommen lafsen, aber
nur in der Note, welche voraussetzt, dafs pro7iiiscuum ohne id da
stände, während seine drei Collationen id promiscuum bieten. --
§. 34 ist wohl nicht mit Recht in CaliJinariis rebus ^ und II, 137 in
batilinariis prodigiis nach den Hss. des Cicero geschrieben, während
B Catilinanis hat, worauf auch alle andern Hss. hindeuten. — §. 38
hat Hr. S, im Coramentar so geschrieben: quis prijtms donaverit, a L.
Pisone traditur A. Posfnmius dictalor, apud lacum Regillum castris
Lativorum. expngmitis, enm cuius mnxumc opera capto essent, und
ergänzt dazu donasse. ßefser wäre aber wohl nach traditur ein Kom-
ma oder ein Kolon gesetzt, so dafs das folgende A. Postmnius ....
Sillig: C. Plini Seciindi naturalis liisloriae libri XXXVM. 451
capto esscnt als Epexegese zu hedaciilen wäre. Dann ist aber vor
hf/7i(' eine gröfserc Inferpunctioii zu setzen, weil mit diesem Satze
ein neues Verbum , f/(v///, eintritt , das aucli auf den folgenden Salz
fortwirkt. ■ — §. 89 ist mit B allein cftitsd nach hcmoris eing-esetzt,
und §. IS pcrsereraf; Ref. betrachtet aber beides als Interpolationen;
ebenso das §. 82 aus B* aufgenommene scireinc. — §-73, wo von
dem Abgraben eines Berges zum Behufe der Gewinnung des Goldes
die Rede ist, hat Hr. S. richtig nach B geschrieben: e(]He efftrifu incre-
dibiJi specfant iiicfores ruiiidiu vnliirae . allein er verbindet wohl nicht
mit Recht rninam ex cffJf/fn, so dafs er ein Participium wie prodcnn-
tem oder ortam ergänzt. Ref. verbindet wenigstens eqnv efffatu m-
credihili speclant^ in dem Sinne: die in der Ferne stehenden Sieger.
Sie sehen den Einsturz aus der gewaltigen Staubwolke hervor, die
daraus emporfährt und sie umgibt. So erscheinen als begleitende Um-
stände 1) frat/(ii' qni coiu'ipi humnna mente tion possit^ 2) efpalus
incred'hilis. — §. 103 hat Hr. S. aus Conjectur geschrieben: Dein
vas, in qnod turhida trarisfiisa sinf^ nperfuru Jiiileo per vocteni rehn-
qvfhir;die frühern Ausgaben, mit denen die Hss. aufser B zusam-
menstimmen, haben snnf, diese s/7, was übrigens auch aus der Ab-
kürzung sf entstanden sein kann. Der Conjunctiv möchte hier kaum
recht begründet sein. Von den 36 Beispielen, die Hr. S. für den frei-
em Gebrauch des Conjunctivs angeführt hat, haben die drei letzten
in seiner Ausgabe den Indicativ; von den übrigen stehn einige in in-
directer Rede , andere nach negativen Sätzen , andere bezeichnen eine
Bedingung, andere eine 0"alität, andere, wie quad mirenmr ^ lafsen
sich mit qnod sciam vergleichen; mit unserer Stelle läfst sich kaum
eines zusammenstellen, wenn man nicht die hierher rechnen will, wo
von der Bereitung von Heilmitteln die Rede ist. — §• J15 hält Ref.
statt indicio nominum nach Iiidico nomine für richtig (M. G. A.). —
§. 140. lam vero et mensas reposiloriis inponhmis ist ohne Zweifel
richtig. In der Note glaubt aber Ref. die Worte beanstanden zu müfsen:
*Quodsi locum Petronii contulerimus , tum nobis fatendum erit Plinium
habuisse, cur superiorem repositorii partem sive quasi contignationem
novam mensam diceret.' Er versteht nemlich unter mensas die Schü-
fsein mit den Gerichten (s. die Note zu Macrob. Sat. VII, 1, l) und
nimmt, da mensis vorher schon da war, an, der Ton liege auf repo-
Sftori/s, in dem Sinne: 'auf Untersätze von Silber', so dafs sich dar-
auf auch die Worte ad sustinenda ohsonia bezögen. — §. 147 glaubt
Ref. seine Conjectur Scitum noch vertheidigen zu müfsen (M. G. A.).
Im 34. Buche §. 14 hält Ref. ebenfalls seine Conjectur qnod
ene maxime Apollini Delphico dieahanlur noch für richtig (M. G.
A.), vergl. zu XXXVII, 132. — §. 42 liest man: Duodecim annis
tradnnf effectnm. ccc talentis^ quae conti fjerant ex adparatn reqis
Demetrii relicto morne taedio ohsessae Rhodo nach einer Conjectur
Gronovs. B hat ohsessa Rhodo, womit die Münchner, eine Dalechamp-
sche und eine von P. Victorius benutzte Hs. bis auf die Orthographie
übereinstimmen ; die andern Hss. haben obesse a Rhodo. Der Dativ
452 Sillig: C. Plini Secundi naluralis historiae libri XXXVU.
schliefst sich allerdings ganz gut an cnnti(jeranf an; allein das Parti-
cipium ohsessae passt nicht recht dazu. Man erwartete den Begriff des
Aufgebens der Belagerung, der sich in der Conjectur Harduins findet:
relicta morae taedio obsessa Hlmdo ^ welcher Ref. den Vorzug geben
würde, wenn man nicht mit den Hss. die beiden Participien im Abla-
tiv mit verschiedenen Subjecten zulafsen will, wo übrigens ohsessa
Bhodo den Sinn gibt: ''nach der Belagerung von Rhodus.' — §. 47
würde Ref. die von Hrn. S. im Commentar gebilligte Lesart des B Cas-
sio Calano in den Text aufnehmen. — §. 66 möchte Ref. zu den Wor-
ten : simviacrum ipsinn Trophoiiii ad oraculttm nicht mit Hrn. S. im
Commentar als Gegensatz annehmen ' non aliam quamcumque illius he-
rois statuam', sondern vielmehr 'non aliam in aede ea statuam.' Aus
einem Zusätze der Art könnte in den Hss. aufser B im folgenden das
sinnlose Medeae entstanden sein, was Hr. S. auf eine auch nicht ohne
weiteres abzuweisende Art als aus einer Glosse Lebadeae entstanden
annimmt. — §. 80 in Naucerus luctalorem anhelantem fecif findet
sich das Verbum nur in der jungen Münchner Hs. ; B hat Inctatore
hanellante. Der Ablativ schliefst sich gut an das vorausgegangene
cevsetnr an; Ref. hält daher dies für richtig und nimmt an, es sei ein
mit einem dem folgenden Nicernttis ähnlichen Namen beginnender Satz
ausgefallen, der das fecil enthielt (M. G. A.). — §. 83 steht im
Texte: tnnlne parpitatis ul fofr/m eom ctirrumque et cmrigam inte-
f/eret alis simul facta mnsca. In der Note aber stellt Hr. S. die An-
sicht auf, es seien die Worte miracuh) pictam, die B statt tolam hat,
in ftcfam abgeändert als richtig zu betrachten; allein man könnte einen
solchen Zusatz eher bei simvJ facla mnsca erwarten, wozu sie viel-
leicht eine etwas ungeschickte Erklärung bilden, die am unrechten
Orte in den Text gesetzt wurde. — §. 90. In den Worten : Simun
canern et safiittarium fec?t, Stratunicus caelator lle pht/osnphos, Sco~
pas vterqve nimmt Hr. S. wohl mit Recht an, in Scopas sei eine Art
von Werken verborgen, die beide Künstler gemacht hätten ; vielleicht
ist dies horoscopos, wovon die erste Hälfte oder auch, wie in ei-
nigen Hss. das ganze Wort, wegen der vorausgehenden philosopkos
leicht ausfallen konnte. — § 100 tadelt Hr. S., der geschrieben hat,
nt ipse lapis, ex qtio ßf res, cadmea vocafiir, Harduin, der die Vul-
gata quo f'if aes durch Verweisung auf §. 2 stützt, worin dieser nach
des Ref. Ansicht ganz Recht hat. Hr. S. meint, es würde dann viel-
mehr heifsen ex quo ßt et aes, allein es steht ja auch §. 110 ex quo
coquitnr aes und §. 117 ex quo et ipso aes coquitur. — Die folgenden
Worte sie rvrsus in fnrnacibus exsistit, aliamque nominis sui oriiji-
vrm recipit gesteht Ref. nicht zu verstehn. Sollte vielleicht zu lesen
sein: aJiaque aliam nomivis sni (iricjinem recipit, in dem Sinne
' und die verschiedenen Arten haben einen verschiedenen Ursprung,
der ihnen verschiedene Namen gibt', nemlich capnitis^ bofryitis, pla-
cif/s. — §. J06 sind dem Ref. die Worte vase c/rcumlito spiramento
so unvorsländlich, dafs er (M. G. A.) die' Vermuthung ausgespro-
chen hat, es sei in vase ein dem französischen la rase entsprechender
Sillig: C. Pliiii Secundi naturalis historiae libri XXXVII. 453
Ausdruck aus der lingua rustica verboi'ocn. — *iij. 108, wo davon die
Kede ist, dafs die Aerzle ihre Heilmittel nielit mehr selbst bereiten,
sondern fertig kaufen, steht im Text tabesque mercium aul frans üe-
plasiae sie exteritür ; in der Note wird vorgeschlagen sie ex-
siecatur. Sollte aber, da B^ sie cexate luv hat, nicht siece la-
xe/'ur zu lesen sein, in dem Sinne: MN as für verdorbene Waare
darunter kommt, oder wie man dabei betrogen wird, kann man
unter diesen Umständen berechnen.' — §. 109 könnte man,
um die Lesart des B excussuri zu halten, den Punkt vor quidani strei-
chen und lesen; Nev non urinu pueri prius maeerunt clavus panes-
que quidam excussuri squanium. Das so ziemlich überllüfsige prius
könnte durch Dittographie aus pueri entstanden sein. — §. HO ist an
sich die Verbindung der Worte aeetum opturatum nicht zu beanstan-
den, wohl aber die Zusammenstellung von acre opturatumque; doch
mufs man wohl bei dieser jetzt von mehreren Hss. bestätigten Lesart
stehn bleiben, — §. 114 sind die Worte quod ita niaxime constal
wohl zu übersetzen: 'welches so (unter diesem Namen) am meisten
bekannt ist.' So passt wenigstens temperatur autem id dazu. — • §. 116
möchte Ref. die Lesart der Hss. duae partes quam fuere aceti nicht
verwerfen , da man ja auch duplex quam sagt. Im folgenden niiisfe
aber urinae gelesen werden. Das Perfectum fuere kann nicht auffal-
len, da ja zuerst blofs der Efsig da war, nach dem der Urin gemefsen
werden soll. — §. 138 erklärt Kef. die zu metaUa ferri gehörigen
Worte: 'welche dem Leben sehr gute und sehr schlimme Dienste lei-
sten.' Wenn diese \^'orte mit quidem statt siquidem nach ß mit dem
folgenden verbunden werden sollten, dürfte n\c\\l pessimoque dabei stehn,
da dies zu der zweiten Hälfte des Satzes sed eodetn elc. gehörte. —
§. 164 ist es auffallend, dafs mit Hardnin Owe/an«/« geschrieben, dieses
aber im Commentar geradezu verworfen ist. — §. 174 ist vielleicht in
lipara als Ablat. im Singular zu betrachten, wenn schon dieses Wort
sonst nur im Plural vorkommt (XXIII, 162; XXXllI, 105 und HO).
Im 35. Buche §. 4 nimmt Ref. keinen Anstand mit Hrn. S. zu
schreiben: ut frangat heres furisque detrahat laqueum, doch ohne
seiner Erklärung sich anzuschliefsen (M. G. A.). — §.7 liegt die
in dem Commentar vorgebrachte Conjectur triumphabantque etiam
dominis mutatis tarnen domus der Lesart der Hss. etme nicht sehr
nahe und ist namentlich wegen etiam unpassend. — §.9 ist die
Partikel siquidem den beiden Erklärungsweisen des Hrn. S., non
als für nonne oder für non dico gesetzt zu betrachten, nicht gün-
stig. — §. 11 steht die Vermuthung von Hertz ut praesetites esse
ubique ceu di possent offenbar der Lesart der Hss. cludi -dm näch-
sten (vergl. II, 82 in a celi für ceu)^ und ist auch dem Sinne nach
passend: nur die Stellung ist etwas auffallend. — ^. 21 er-
scheint die Lesart fast aller Hss. in eo richtig, wenn man nach con-
silium ein Komma und vor in eo ein Kolon oder einen Punkt setzt
so dafs darunter zu verstehn ist in eo consilio , und am Anfange der
Periode fuil nicht mit non omittendum verbindet, sondern erklärt : 'es
454 Sillig: C. Plini Secundi naturalis historiae libri XXXVII.
fand statt.' Veigl. §. 119 Fuit et nuper, dagegen §. 121 Non est
omittenda. — §. 27. Die schwierigen Worte: Nemean sedentem
supra leonem^ palmiger am ipsam^ adstante cum baculo sene, cuius
supra Caput tabella bigae dependel^ erscheinen auch iiier
noch uiiberichtigf. Der Weg, den Hr. S. eingeschlagen hat, dafs er
in biger e , was B hat, den Namen eines Baumes sucht, und also vor-
schlägt: tabella a biete dependet, oder larice oder ab acere, scheint
dem Kef. ebensowenig zum Ziele zu führen als der Vorschlag Bergks
tabellae piceae dependent. Ref. vermuthet vielmehr, es sei darin
etwas den folgenden Worten supervolante aquila draconem conplexa
entsprechendes darin zu suchen. — §. 29 hat Hr. S. geschrieben:
Quae rnux neogrammatea gener a picturae vocantur qui deinde et
quae invenerint et quibus temporibus , dicemus in mentione arti/icum,
während die Hss. ^«2 haben. Kef. hatte daher vermuthet, es sei zu
lesen : (Jui quae monochromatea genera picturae vocantur (pinxe-
rintj , was Hr. S. mit den Worten abweist: * qua coniectura oratio
non modo languida, verum etiam perobscura redditur.' Er wird es
dem Kef. nicht übel nehmen, wenn er dies Urtheil aufsein ^«ae über-
trägt; den der Satz, der im Indicativ steht, kann nicht geradezu von
dicemus abhängen ; man müste also verbinden : Quae mox . . . vocan-
tur qui deinde . . . invenerint^ wo das mox so ziemlich unerklärlich
wäre. Ref., der das von allen befsern Hss. gebotene mox sammi dem
freilich noch nicht erklärten Wort neogrammatea sich jetzt gefallen
lafsen zu mülsen glaubt, möchte dagegen den Ausfall eines g-uae nach
picturae annehmen, so dafs zu verbinden wäre: Qui mox neogram-
matea genera picturae quae vocantur invenerint, woran sich dann
gut anschliefst qui deinde et quae invenerint; oder sollte neogram-
matea . . . vocantur ohne Relativ als Parenthese erklärt werden? —
§. 41 läfst sich die Conjectur des Hrn. S. qui carbones iniectos se-
pulchris ejJoderenthiWigen, wenn msin mir sepulchris mit effoderent
und nicht mit iniectos verbindet, da dieses sonst 'darauf geworfen'
hiefse. Wollte man mit den Hss. zweiter Classe infectos festhalten,
so müste es erklärt werden 'getränkt', nemlich vom Fett des ver-
brennenden Leichnams; vergl. XXXII, 77 conchylio infecta lana; XI,
32 mel fronde infectum. Die Lesart der Hss. erster Classe: infectant
führt aber Aui insec tantes. — §. 43. Die Note zu den Worten fit
et ligno e taedis conbusto gibt ein deutliches Beispiel davon , dafs
Hr. S. öfters den von ihm angeführten Beweisstellen dadurch alle
Kraft benimmt, dafs er sie zu sehr häuft ohne die Worte anzuführen.
Diese schlagen wohl die wenigsten auf, und wenn sie es thun, werden
sie manchmal unangenehm dadurch berührt werden, wenn sie ziemlich
fernliegende Dinge linden, wie hier Signum e marmore u. dergl.
Schlagender wäre die Anführung des einen Beispiels: XVII, 253 Hoc
idem fit et amygdalis e robore cuneo adacto ^ in piris forbisque e
taeda. — §. 50 fragt es sich, aus welchem Grunde Hr. S. Echion
beibehalten hat, da die befsern Hss. für Aetion sprechen [vgl. Stark
in der Zeitschr. f. d. Alterthumswifs. 1852 S. 73j. — §■ 55 haben die
Sillig: C. Plini Sccundi naturalis hisforiao libri XXXVII. 455
Hss. erster und zweiler Classc enim, duodepicesma Olympiade in-
leriit Candaiiles^ so dal's enim an der Spitze eines] Salzg^liedes steht.
Die Vul^ata duo enim de vicesima ist sicher falsch. Vielleicht hat
aber Pliiiius die auffallende Stellung eben, weil jenes nicht angieng,
sich erlaubt. Elenim^ was Hr. S. will, ist wegen des vorausgehen-
den est nicht gerade abzuweisen , dafs aber die Hss. keine Spur da-
von haben, ist bei der Frage über die Stellung der Partikel enim an
die Spitze eines Satzes oder Satzgliedes jedesfalls nicht zu übersehn.
— §. 59 möchte lief, jetzt , wo es bekannt ist, dal's die guten Hss. fast
alle pel maior knie auclorilas^ nicht unde haben, jenem nicht mehr
entgegen sein; allein es mufs das Semikolon vor ch/m gesetzt werden,
so dafs die Worte verbunden werden: cum partem eius Micon mer-
cede pingeref, vel maior huic auctoritas ^ wodurch auch das Prono-
men hic^ auf den fernerstehenden bezogen, weniger auffallend wird.
— §. 76 ist vielleicht doch das autem nach docuit aufzunehmen, so
dafs man oben zu Ipse Macedo natione ergänzt fuit ; denn dem Sinne
nach passt : 'Er selbst ein Maccdonier . . . lehrte niemanden um ei-
nen geringern Preis als um ein Talent' nicht recht in einen Satz. Doch
vergl. §. 114 ipse in Aegypto natus didicit a Ctesidemo. — §. 79
legt wohl Hr. S. der Lesart des cod. Tolet. propinavit einen zu gro-
fsen Werth bei; denn den Sinn des Förderns des Kunst, welchen hier
das Verbum contuiit ganz gut ausdrückt, kann jenes Verbum nicht
wohl haben. — §. 114 hat Hr. S. vermuthet Ide7n iocans in no-
mine Gryllum deridiculi habitus pinxil, und es ist gegen seine Er-
klärung nichts einzuwenden. Die Lesarten der Hss. iocosis oder loco-
sis führen aber, wenn man nicht zu dem ersten nach comicis tabellis
in §. 113 ergänzen will tabellis^ eher auf ioc o s itis. — §. 1J5 ist
das Epigramm des Tempels zu Ardea gut hergestellt und erklärt. Hrn.
S.s jetzige Conjectur Cleoetas Alalia exoriundus verdient vor seiner
frühern Italia exoriundus und der Lachmann -Bergkschen cluet (qui)
Asia lata esse oriundus insofern den Vorzug, als sie eine bestimmte
Stadt anstatt der vagen Angabe eines Landes einsetzt; aber anderer-
seits ist zu erwägen, dafs esse oriundus in den Hss. steht, was vorn
cluet nöthig macht. Der Vers kann also noch immer nicht als voll-
kommen sicher hergestellt betrachtet werden. — §. 117 vertheidigt
Hr. S, wohl mit Recht jetzt die Vulgata sponsione; wenn er aber dazu
die Vermuthung zu Hilfe nimmt, dafs die Wette durcb gewisse allge-
mein anerkannte Gebährden ausgedrückt worden sei, so ist dagegen
einzuwenden, dafs diese Gebährden in der vom Maler gewählten Si-
tuation der Ausführung der Wette sich kaum anbringen liefsen, und
dafs die Wette schon durch das Bestreben einander zuvorzukommen
hinlänglich angedeutet werden konnte. — • §. 130. Zu den Worten
Eodem tempore fuit et Cydias ist u. a. bemerkt: 'In exercitt. Plin.
2, 8 Bergk. coniicit Cydias Cyfhnius coli. Steph. Byz. s. v. Kvövog,
cui coniecturae obstat, quod in omnibus codd. fuere neque fuit legi-
lur.' (So auch zu §. 11 'Eadem de causa dicit fuerat neque fuit.')
Die Hss. haben allerdings: fuere cydi (cydius, ciclius'i et cydias;
456 Sillig: C. Plini Secundi naturalis historiae libri XXXVII.
allein es konnte ja, nachdem man aus Cynthius einen zweiten Künst-
lernamen gemacht hatte, schon in der Originaliiandschrift das Ver-
bum in den Plural abgeändert worden sein. — §. 142 hat Hr. S.
übersehn , dafs Ref. in seiner letzten Vergleichung des B in cuius
nilo statt eins bemerkt hat. — §. 159 hat er einen neuen Satz mit Et
iam ut omittantur in frugum . . . generibus beneßcia eins begonnen;
allein die Vulgata etiam ut omittantur etc., die er in der kleinen
Ausgabe beibehalten hatte, schliefst sich weit befser an das vorher-
gehende inenarrabili terrae benignitate ^ si qui singula aestumet an;
vergl. XXXVI, I: Lapidum natura restat, hoc est praecipua morum
insania., etiam ut gemmae . . . sileantur. Der Satz schliefst dann
mit quaeque adhuc diximus , wo quaeque richtig mit quaecutnque er-
klärt ist. — In den unmittelbar darauf folgenden Worten vel adsi-
duitate satiant ftglinarum opera will Hr. S. gegen alle Hss. satiat le-
sen, 'cum benehcia terrae satiare figlinas vix dici possit; immo ipsa
terra hoc faciat.' Hier ist opera als Accusativ betrachtet, was offen-
bar Nominativ ist; vergl. XII, 81: Adeo nulla est voltiptas, quae non
adsiduitate fastidium pariat. — In Betreff der Worte, in
vk'elchen die verschiedenen Arbeiten aus Thon angeführt werden, ist
Uef. mit Hrn. S. darin einverstanden, dafs imbricibus mit ad tecta in
ein Satzglied gehört; es bleibt ihm aber trotz der Erwähnung der
l'undamenta caemenficia auffallend, dafs die fundamenta coctilia den
laterculis coctilibus parallel gestellt sind, und dafs quae rota fiunt
nur auf die kleinern Gefäfse gehen soll, während doch auch die dolia^
tubuli und mammata auf dem Bade verfertigt werden (vgl. Horat. art.
poet. 21 sq. Amphora coepit Institui ; currente rota cur urceus exit?).
Es sind demnach die Schwierigkeiten dieser Aufzählung keineswegs ganz
gelöst und es scheint dem lief, im Hinblick auf Isidor. Origg. XX, 4, 3
immer noch nicht unwahrscheinlich, dafs Plinius quae aut manu aptan-
tur usibus humanis aut quae rota ßunt, oder etwas ähnliches geschrie-
ben habe. — §. 165 hält Bef. immer noch Quid non excogitavit vita
für das richtige, da ja im folgenden etwas wirklich bereits ausgedach-
tes angeführt wird. Die gleiche Silbe findet sich nur einmal in der
Lesart der Hss. VB excogitavit a, und excogitat vita in B ist wohl
nur ein unrichtiger Befserungsversuch. Die folgenden Worte scheint
Hr. S. misverstanden zu haben, wenn er abtheilt: fractis etiam tesfis
utendo sie ut firmius durent tunsis, calce addita, quae vocant Signi-
na und tunsis als Ablativ, von firmius abhängig, betrachtet, und als
Gegensatz zu fractis , so dafs hier von zusammengebrochenen Scher-
ben die Bede wäre, nicht von gestofsenen. Es fragt sich vor allem,
was unter Signina zu verslehn sei. Hat Grofse Recht, der Gefäfse dar-
unter versteht, so kann von zusammengebrochenen Scherben keine
Bede sein, und für jene Ansicht sprechen die folgenden Worte: Quo
genere etiam pavimenta excogitavit. Was soll man auch anders
als vasa dazu ergänzen? Der Gegensatz von fractis und tunsis
wäre aber auch gar nicht klar, da man ja XXXIV, 171 haec in mor-
turiis mimiHm fracta liest. Es sind also hier wohl fractae testae durch
Sillig: C. Piini Sormidi luiliiralis liisloriao libri XXXVII. 457
den Gehraucli zerbrochene Scherben, die, wenn sie zu neuen Ge-
liilsen gebrauchl werden sollen, geslolsen und niil Kalk vermischt
werden. Die Worte s^6• ut lirmius duirnl bedeuten dann: 'mit dem
Erfolg, dafs sie daiicrhaFler werden', nomlich als gewöhnliche Ge-
färse von Thon. Demnach wäre das erste Komma vor tu/isis zu setzen
oder beide zu streichen. — 'ij,. J67 in den NN orten : Non tnultum a
pulvere Puleulaiio distal e Nilo lutrena tenuissima sui parle, non ad
sustinenda maria jUictusqjte l'raiitjendos sed ad debellaiida Cor-
pora palucslrae studiis wird dehellare mit cincere, franr/ere erklärt
und hinzugesetzt: 'et corpus talibus studiis vinci recfe dicitur , qua-
tenus eins moUities et iguavia frangitur sive debellatur.' Dies kann
aber doch dehellare nicht bedeuten. In den beiden angeführten Stellen,
XX, 50; XXII, 99, bezeichnet es das Entkräften, ünsciiädlichmachcn
eines Giftes. Uef. versieht daher unter corpora den angreifenden
Theil, gegen dessen Angriife man sich durch das Salben mit Oel und
Bestreuen mit Sand schützte, und diese Aul'fafsung passt allein zu den
Gegensätzen ad suslinendu maria fUicttisque fraiKjeiidos. Aufserdem
müste man delerandis corporihus lesen, womit sich XXXVI, 154 ver-
gleichen liefse in usu levandornni corporum. In jedem Falle ist aber
slndiis als dat. commodi zu fafsen. — §, 175 möchte Ref. die Vul-
gata (juotriain candore?n tanlum inolliUeinque afj'ert, obgleich dieses
dritte tanlum allerdings etwas auffallend ist, doch der Aenderung
Silligs tarnen vorziehn. Seine Erklärung würde his lamen erfordern.
— §. 180. Was hier über die Worte sitque ponderosnm ac grave,
leve autem modice gesagt ist, hat den Hef. auch nicht überzeugt
(M. G. A.).
Im 36. Buche §. 18 schreibt Hr. S. : sed in scuto eins Amaz-o-
num proelium caclavit infutnescente ambitu parmae, eiusdem con-
Cava parte deorum et gigantum dimicalioues, und erklärt parmae als
einen andern Ausdruck für sculum. Allein mit dieser Interpunction
wäre der Satz wohl nur so zu verslehn, dafs parma eine runde Er-
höhung auf dem viereckigen Schilde bedeutet; soll dagegen parma als
Synonymum von sculum gelten, so muls es in das folgende Satzglied
gebracht und parmae eiusdem cuncava parle verbunden werden. So
ist es in dem angeführten Beispiele auch mit inventa und reperta der
Fall. — §. 19 möchte Uef. vernnithen , nascentes sei aus nascenli
dona f er entes entslanden, wie XXXVII, 17 in B-perstruebai steht
statt personis et cubilia amatoria union ibus conslru-
ebat. Vor Victoria sollte wegen des Ablat. absol. statt des Punktes
nur ein Komma stehn. — §. 57 hat Hr. S. geschrieben: Rubel por-
phyrites in eadem Aegyplo ,• candidis intervenienlibus punclis lepto-
psephos rocatur; allein die befsern Hss. haben vor candidis noch ex
eodem, worin Ref. eine Brachylogie sieht: ex eodem . . . vocatur iiir
ex eodem fit qui vocalur. — §. 76 ist die Conjectur des Ref. cacti-
mina L ulnas extra aquam eminer e dicuntur im Commentar in ca-
cumina h. ulnas entstellt. — §. 86 kann sich Ref. noch nicht mit der
etwas gewaltsamen Aenderung Silligs : columnis domoque reliqua be-
iV. Jalirb. f. PIM. u. Paed. ßä. LXVII. Uß, 4. 30
458 Sillig: C. Plini Secundi naturalis historiae libri XXX VIT.
freunden, und zieht noch die seinige quaeque rehqiia vor. — §. 98-
S. zu XXXIII, 23 (M, G. A.). — §.111 habilaterant als relalivo
Zeitbestimmung, der Zeit des Nero gegenüber, ist neben dem allge-
mein und absolut ausgesprochenen qui fever e nicht zu beanstanden,
■ — §. 117. Statt postremo iam die discedentihus tahuiis ist nach B zu
schreiben post pritnos dies etiam sedentibiis aliquis (M. G. A.). -—
§. 128. Gegen die Conjeclur S.s a Boebe luteum lafst sich nur da»
einwenden, dafs sie sich in der Mitte etwas weit von der handschrift-
lichen Lesart entfernt. — §. 175 hat Hr. S. nach ß geschrieben : Ab
Appennino ad Pcidum inveiiitur fussicia nee Irans tnaria, und sagt,
dies stände in Einklang mit den Worten Vitruvs 11, 6, 5: qua muns
Apenninvs regiones Italiae Elruriaeque c,rcu?»eiti(jit . . . non de-
sunt fossicia arenaria; allein da Plinius die Gegend nördlich, Vitru-
vius aber südwestlich von den Apenninen bezeichnet, stimmen beide
Schriftsteller nur zusammen, wenn man nach der Vulgata nü7i ince-
nitur schreibt. — §. 177 liest man nach Vorgang des ß tecturium in-
duxil late e croco subaettim^ statt der Vulgata tacle et croco.
Das Wort /cf/e ist unerklärt geblieben, wegen e croco subactum ist
aber auf XXXII, 111 ex oleo subacti verwiesen, wo noch zwei Stellen
angeführt sind : XVIII, 106 ex ovis aut lade subigunt und XXVIII, 67
cinere ex ea (^urina^ subaclo. Schon aus diesen ßeispielen ist er-
sichtlich, dafs die Praeposition ex so nur bei Flüfsigkeiten stehn
kann, so dafs man wohl e tacte et croco subactum sagen könnte, aber
nicht e croco allein. Dies hat Ilr. S, auch zu §. 188 übersehn, wo er
dem Kef. vorwirft, dafs er nicht erwogen habe, dafs man carbonibus
ex sabiilo mixtis sagen könne.
Im 37. Buche §. 1 werden die Worte quae causa gemmarttm est
nach violari sign/s erklärt: 'quarum causa tamen (ad signandum sci-
licet, non ut ad corpus ornandum gestentur) dii gemmas procrearint',
so dafs causa die Bestimmung bedeuten soll. Wenn dies an sich
schon bedenklich erscheint, so ist es um so mehr der Fall, wenn man
auf das Verbum violari Uücksicht nimmt, weshalb es dem Ref. immer
noch fraglich erscheint, ob wir hier nicht eine Randbemerkung ein-
gesetzt finden, die den Inhalt von §- 2 angeben sollte. — ■ §• -i möchte
es doch noch zweifelhaft sein, ob gegen die Autorität des B Augusti
zu schreiben ist, was von denselben Hss. dhr geboten wird, die auch
§. 27 divus Auguslus haben , wo Hr. S. ohne Angabe des Grundes /«-
tia statt Livia Augusla geschrieben hat. Hier könnte einer jener Na-
men ausgefallen sein, wenn man nicht annehmen will, dafs die Livia
vorzugsweise Augusta genannt sei. — §. 7 scheint aus B das eni7H
nach Nicomachus nicht mit Recht aufgenommen zu sein, denn die
Worte qui tertius eodetn tempore tnter musicos fuit müfsen doch auf
Nicomachus bezogen werden, da vorher von zwei miteinander welt-
eifernden Malern die Rede ist. Die Worte ut sie quoque par vide-
relur hängen von aemulus ab, und sollte qui tertius . . . fuit dazu
gehören, so raüste es esset heifsen. Im folgenden ist dagegen
wohl mit Recht mit Sed forte qnadam eine neue Periode begonnen;
Sillig: C. Pliiii Sccimdi natiinilis liistoiiac libri XXXVH. 4.')0
allein sed möelile Ref. lieber 7,(1 Polytrafis ffhnnia herabbczicliri , iiiid
forfe (jtiadam . . . Untiere als Parenlliose lafsen. — ^. 18 liabcii alle;
bekannten IlsSi abacis etiaru escariisijne vasis expetifis, allein Uel'.
zweifelt nicht, dafs expetila (sc. miirrina) belesen werden nuifs;
vergl. IX, 125 flarnn illum linr/unuhs expelititm reslihiis und X\'l<4l
(ibieli expe/ifae iuicigiis. — <^. 18 ist im Coninientar vorgesclila}>eii
7,u schreibell : Lt clescil in dies eitis luxuria. Murriuo LXX US.
emplo, capaci plane ad sexlurios trei calice, potavit L. Ann iu s con-
snlaris, wo Hef. nur billigen kann, dafs vor Murrino ein Punkt ge-
setzt und also damit der neue Satz bo<ronnen ist. Im übrigen ist eins
(sc. murnni^ ^ da nuf der Plural tinininu vorausgeht, unverslaiidlicii
und eins r ei (wo, wenn ei' rei geschrieben war, in ß leicht rei aus-
fallen konnte) wiederherzustclleli. In Hetrelf des L. Annius consu-
laris ist zu bemerken , dafs er erst im .1. 70 n. Chr. und zwar nur
Consul sulfectus gewesen sein, nach dem folgenden aber Nero dessen
Kindern seine Sammlung abgenommen haben soll, was nicht zusam-
men passt. Ref. hat deshalb in der Zeitschrift für die Alterthumswifs.
1849 S. 463 vermuthet, es sei annosns dafür zu lesen in dem Sinne:
*er war in seinen allen Tagen noch so ein Thor^, was Hr. S. niclit
angeführt hat. ■^— %. '21 hat Ref. nie Bergks Conjectur vertheidigt;
'ibidem 1849 nr. 113' ist aber ein falsches Cilat statt der erstem Stelle,
das dem Ref. selbst zur Last fällt. — - §. 65 ist wohl nur aus Ver-
sehn nitent im Texte geschrieben, während R internilent hat. —
§. 79 sind die Worte addiloqtie auri repercussu auf umnino constrala
perspicuitatis crassifudine evklixrt: ^ constrala idem est quod sopita,
fracta . . . ., perspicuUatis crassiliido vero de ea crassitudine intelli-
genda est, quae in perspicuitate iiiest et proinde eam arcet', was Ref.
nicht recht zu verstehn gesteht. Er würde lieber schreiben: haud
omnino con traria perspicirita ti crassitudine. — 'ij. 91 weifs Ref.
ebenfalls die aus R entlehnte Lesart: Nee sarda est huic (jemmae di-
ridna., ex eoderu et ipsa nomine., nicht zu erklären. Im Commenlar
ist nur das Pronomen hie in Rezug auf das entfernte sardunyx.,
und diridua mit dem Dativ gerechtfertigt, aber nicht der Sinn der
ganzen Stelle angegeben, der namentlich durch die Negation nee er-
schwert wird. Man sollte Nee non oder Nee w«wms erwarten, wenn nicht
diff'erenda wieder eingesetzt werden soll. — '5^. 94 ist vi positns
(carbtincnhis) extremo visu nubilantis attullat exardeseente InU/nre
erklärt: ' ut positns (sc. in tabula aliqua) exardeseente suo fulgore
attollat (i. e. eorum visum infendat, eos splendidiores , visu acriores
reddat) alios carbnnculos inxta posilos extremo visu nubilantes i. e
qui in extremitate sua nubilum adspectum praebent, ut igitur ille car-
bunculus suum fulgorem cum aliis communicet.' Hier sind also meh-
rere nebeneinander liegende Carfunkel angenommen, wozu kein rech-
ter Grund vorhanden ist; ferner soll attollat im Gegensatz stehn mit
nubilantis, was sich nicht reclit denken läfst, und extremo visu soll
sich auf die Ränder der Edelsteine heziehn (denn dies heilst doch wohl
30*
460 Sillig: C. Pliiii Secimdi naturalis historiae libri XXXVII.
in extremitate sua?). Allein extremus Visus bezieht sich nach der
Ausdrucksweise des Plinins auf den Punkt, wo man nicht weiter sehn
kann, also hier den Hintergrund des Eldelsteins, der, wenn man nach
dem Vorschlage des Ref. liest: extreino visu nnbilante se adtollaf.
trüb ist, so dafs sich der daliegende Edelstein durch seinen gleichsam
aus dem dunkeln Hintergrunde hervorsprühenden Glanz zu erheben
scheint. Vergl. §. 68 Nubecula est alhicantis Vitium^ cum viridis
non pertransit adspectus , sed aut intus occurrit aut excipit in
fine Visum candor hie coloris. — §. 9i ist nach der Lesart
des B lignizonte geschrieben lignyzontem. Gewis mit Recht wird ein
von XLyvvi; abgeleitetes Wort verlangt; allein die Form auf v^w findet
sich nur bei Verbis die von andern Verbis abgeleitet sind, wie e^TTv^co,
es fragt sich daher, ob nicht nach der Analogie von cntOTivtanai zu
schreiben ist lignyizontem? — §. Jü3 kann Ref. a luccrnarum as~
sensu nicht für richtig halten (M. G. A.). — ■ §. 105 ist Babylon am
wohl nur ein Druckfehler für Bahylona, wie B hat. ■ — §. 109 ist et
Cottbus nach Naxio wohl nicht mit Recht getilgt (M. G. A.). — §. 114
möchte Ref. aus B a/> ea distantem jetzt hebeti distanfem ohne ac
ableiten, so dafs brevi ef fnl lad aine Epexegese bildete. • — ■ §119
könnte man etwa nach B und Theoplirast de lap. §. 55 schreiben:
poslremo Aegypiia adulleratur maxume tincfura, idque in cfloriam
requm Aegypti adscribifui- , et qui primus tinxit. Bei der Silligschen
Interpunction adulteratur maxime tincfura; idque in gloriam reguiu
Aegypti , passt adulteratur in gloriam gewis weniger gut zusammen,
als nach jener Weise in gloriam adscrihitur. Allein die Worte Thco-
phrasts ot yqucpovreg xa TtSQi rovg ßaßdeL^ sprechen mehr für /// ht-
storia. War dies im Originalcodex nach der im B noch sichtbaren
Weise STORIA geschrieben, so konnte es leicht in GLORIA übergehn.
Vergl. auch XXI, 152 in remediis eins adscribi. — §. 12^3 glaul)t
Ref. wegen decere bei dem Accus, et speciem et colorem stehn blei-
ben zu mufsen. — §. 126. Für die Schreibweise aurichnlcum. spricht
sich Schneider (Gramm. I S. 59) nicht so entschieden aus als Hr. S.
glaubt (M. G. A.). — §. 132. Sollte wirklich eam nach cerauniam so
matt sein, zumal da ein Relativsatz darauf folgt? Vergl. §. 142 und
das zu XXXIV, 14 bemerkle. — §. UO hat Hr. S. von den Achaf-
arlen geschrieben: tnagnis et aliis miraculis ; reddunt enim fluminum
species, nemorum, iumentorum, iam hederae staticula et equorum or-
namenla. Dafs hederae verdorben sei, ist im Commentar bemerkt;
allein vergleicht man die dabei citierte Stelle XXXIV, 162 argentnm
incoquere simili modo coepere equorum maxume ornamentis iumen-
torumque ac iugormn, so zeigt sich, dafs iumentorum und equorum
zusammengenommen werden mufs, und da dort im §. 163, wo vom
Wagenschmuck die Rede ist, auch staticula genannt werden, so ge-
hört dieses Wort wohl zu iumentorum. Betrachtet man das dazwi-
schenstehende iam hederae., so läfst die Zeitpartikel vermuthen, es
läge in hederae ein Verbum verborgen, etwa dedere, was freilich
den ungewöhnlichen Sinn haben müste: 'sie haben abgegeben, gelio-
Sillig: C. Pliiii Seciindi aaluralis liisluriue libri XXXVH. 4GI
fort', was iibriffoiis in den Gedanken giil passle, da hier Dinge ge-
nannt sind, wozu der Achal gobrauclil werden kann, aber nicht, die
seine Adern nachuhnien können. Ist dies richlig, so ist vor iumeitto-
rum ein Semikolon zu setzen, und nach species ein et., das hier leicht
ausfallen konnten, einzufügen, so dafs die ganze Stelle lautet: red-
dunt einm jluminum species el nemorum ; inmentorum iam dedere
statt'cula el equorum orvumenla. — §. 147 verlangt die alphabeti-
sche Ordnung, dafs man Aphidanes schreibe. — §. 18G hätte aus
dem Index des B Ädadu ophthalmos ^ Ädadii dacty/os eingesetzt wer-
den können, da die Stelle selbst in dieser Hs. ganz fehlt. Die Erklä-
rung zu Ädadu nephros lüfst sich aus Macrob. Sal. I, 23, 17 wenig-
stens dem Sinne nach ergänzen: quasi summi Assijriorum deirex. —
§. 199 liest man: Decussi fragmenti quod in lamna ferri moratnr^
ej'ficacissimum experimenhim excusant mangones gemmarum. Hier
ist vor allem die fehlerhafte Interpunclion zu rügen, da entweder das
Komma nach nwrolur zu sireichen oder vor quod noch eines zu setzen
ist, da ja doch die \^'orte decussi fragmenti experivientum in dem
Sinne: 'die Probe mit einem abgeschlagenen Stückchen' zu verbinden
sind. Was heilst aber quod in lamna ferri moratur? Der hier
überhaupt sehr fehlerhafte B hat statt lamna iura ^ weshalb Ref. frü-
her vermulhete, es sei lima zu lesen. Hr. S. setzt hinzu * quod a
vero prope abesse vidclur'; allein es folgt nachher erst limae proba-
tio. SVegen ferri statt der Vulgata ferrea verweist Hr. S. auf XXXIIl,
121. Dort liest man vom tninivm: Probatur auro candcnle ; fucalum
enim tiigrescil, sincerum ret.'nef colorem. Invenio . . simili rafione
ferri candentis lamna^ si non sit aurum, dcprehendi. Hält
man damit die Lesart des B moratur und die Vulgata teratur zusam-
jinen, ist dann wohl noch zu zweifeln, dafs torreatur zu lesen ist?
Am Schlufs des 5ten Bandes angelangt nimmt Ref. unter der
wärmsten Anerkennung der Mühe, Sorgfalt und Gewifsenhaftigkeit,
womit der Herausgeber sein schwieriges Werk bisher gefördert hat,
von demselben Abschied, indem er die übrigen Bände in diesen Blät-
tern zu besprechen einem andern Berichterstatter überläfst.
Schweinfurt, L. i\ Jan.
Verhandlungen der paedagogischen Section bei der Philolo-
gen-Versammlung zu Götlingen.
(Amtliche Protokolle. — S. oben S. 108.)
Erste Sitzung am 29. September 1852.
Nach dem Schlnfse der er.sten vorbereitenden und allgemeinen
Sitzung begaben .sirh die Mitglieder der Section in den von dem Ma-
gi.strate der Stadt Göttingen gütigst bewilligten grofsen Saal des Gym_
4G2 VerliaiuUiing-cn der pacdagogisclien Seclion
ii;islnms, wo der Praesident der Versammlung Prof. Dr. Hermann
«lie Verliandlimgen mit dem Ausdrucke des Bedauerns erölfnete, dal's
er trotz des lehhaften Interesses, das er an der Sache nehme und das
er auch bei frühem Versammlungen immer bethätigt zu haben glaube,
bei der Fürsorge für die allgemeine Versammlung weitern thätigen
.Antheil zu nehmen verhindert sei. Derselbe leitete noch die Wahl des
JJüreau und schlug vor, um die VVi)hl kurz und glatt abzumachen, sie
per acclamationem zu vollziehn, Die Versammlung war einverstanden
und es wurde Director Dr. Geffers aus Göttingen zum Praeses, der
unterzeichnete zum Secretär vorgeschlagen und angenommen.
Geffers sagt der Versammlung den besten Dank für die Ehre,
die er von sich auf würdigere abzulehnen vergebens gesucht habe,
bittet um Nachsicht bei der Leitung der Verhandlungen, für die er
i]on besten Willen nnd die herzlichste Theilname an allen Gegenstän-
<len versprechen könne, — Ueber die Zeit der Sitzungen war bereits
«Mitschieden durch die Anfangszeit der allgemeinen Versammlungen; es
solle um 8 und ausnahmsweise die zweite Sitzung um 7'/2 Uhr begon-
nen weiden. Auf die Aufforderung des versitzenden, Gegenstände der
Verhandlung vorzuschlagen, sciiweigt alles. Da knüft der unterzeich^
nete an die in Erlangen abgebrochenen Verhandlungen über den grie-
i-iiischen Unterricht im allgemeinen, insbesondere über die Schreib-
iihungen an nnd fordert Director Dr. Ahrens aus Hannover auf, da
fv mit der dortii;en Art der Beendigung der Discussion nicht zufrie-
den gewesen sei, diesen Gegenstand wieder aufzunehmen, Geffers
unterstützt den Antrag, der auch von der Versammlung genehmigt
wird. Zur Vorberathung wird eine Commjssion ernannt, bestehend
aus Ahrens, Prof. Dr. Classen aus Lübeck, Rector Halm aus
IMünchen und Director Dr. Krüger aus Braunschweig.
Als zweiten Gegenstand empfiehlt Eckstein ejne Besprechung
der paedagogischen und philologischen Zeitschriften, um einerseits der
immer mehr in denselben einreiisenden Anarchie entgegenzutreten, an-
«lererseits das Literesse dafür zu wecken und neu zu beleben. Auch
liier wird die Vorbereitung einer Commission übertragen, in welche
«lie zwei anwesenden Journal-Redactoren, Professor Dr. Caesar aus
Marburg und Gymnasiallehrer Fleckeisen aus Dresden nebst dem
Antragsteller eintreten.
Geffers lenkt die Aufmerksamkeit auf die Ausgaben classischer
Schriftsteller, in denen deutsche tfebersetzungen dem Texte gegen-
iiberstehn. Wer solle dieselben gebrauchen? Doch wohl die Schüler.
Darin liegen viele Bedenken für das Gedeihn der Alterthumsstudien,
Er beabsichtige mehr nach den F>rfahrungen zu fragen, als eine grofse
Verhandlung zu veranlalsen. Krüger meint, das werde sich mit der
ersten Frage leicht verbinden lalsen, weil blofs Griechen so erschie-
nen seien. Allein es gibt auch Lateiner, Dichter, wie Horaz , Histo-
riker, wie Sallust n, a. Obersciiulrath Dr. Rost aus Gotha hält da-
für, dafs über die Sache wohl kein Zweifel sein könne, dal's es darauf
ankomme Mittel vorzuschlagen, durch welche die nachtheiligen Folgen
hintertrieben werden, und er fordert Geifers auf, diese F'rage als
dritten Gegenstand unserer Verhandlungen zu betrachten und das Re-
ferat über denselben zu übernehmen.
Zweite Sitzung am 30. September.
Der Vorsitzende ersucht Ahrens, der das Referat über die erste
Frage übernommen hat, dasselbe zu erstatten. Ahrens: Die Com-
mission, welche den ehrenvollen Auftrag erlialten habe, Thesen über
den ersten Gegenstand aufzustellen, habe denselben besprochen, sich
aber bald überzeugt, dafs sie in ihrer Gesammtheit die materielle Ver-
bei der Pliilologcii-Vcrsaiiiinliing /.u Gölliiigoii. 4ö3
aiitwortung dafür nicht übernelini<Mi könne und daher dieselben mehr
als Grundlage und Stoff für die Verh;indlun>ien betraciite. Ihm sei es
Hl)ertra{reii die Tliesen aufzustellen. Was ist Z\>eck und Auf{;al)e des
{griechischen Unterrichts; wie viel Zeit halieii \>ir, das Ziel zu errei-
chen; welchen VVe^; müfsen wir einschia;;en , um in der j^ef^ebeiien Ztit
das gef^ebene Ziel zu erreichen? J)as seit'u <lie Fragen, deren Beant-
wortung er lu den ersten Thesen versucht habe, die für die heutige
VerJi indlung ausreichenden Stoif darbieten würden.
Da Praejudicialfragen nicht zu erledigen waren, so gieng die Ver-
.sammhing sofort zur l3iscussion über und Ahrens verlas die erste
Thesis: D e r griech is c he Unterricht ist ein wesentliches
Element des Gymnasialunterrichts und deshalb obliga-
torisch.
Ahrens: Er .sei anfänglich nicht der Meinung gewesen, diesen
Satz vorauszuschicken oder irgendwo einzus<:halten ; Kckstein habe
ihn dazu veranlafst. Wie das 'obligatorisch' zu verstehii sei, werde
keinem zweifelhaft sein. Es solle keinem Schüler Dispensation von
diesem Unterricht ertheilt werden, wie etwa beim Hebräischen. Einer
besondern Motivierung bedürfe die Thesis niciit. Dr. Wagner aus
Darmstadt erklärt sich gan« mit derselben einverstanden; es ist ein
integrierender Theil des Gymnasialunterrichts; die Tiieilnahme daran
ist unerläfslich. Aber Dispensationen müsten doch gestattet werden
fiir künftige Militairs, Forstleute, Fabrikanten und dergleichen, die
dafür in der Mathematik und in den Naturwifsenschaften Privatstun-
den nehmen könnten. Ahrens: Das sei nicht ausgeschlofsen; es ge.be
ja keine Regel ohne Ausnahme. Gelten dürfe es nur für die Schüler
des Gymnasiums, insofern sie Gymnasialschüler seien. Die Besucher
der Realclassen z. B. seien ganz andere Schüler. Diese Erklärung
muste bestimmter gefafst werden, daher meinte Classeu: Gymna-
sialschüler, d"e zur Universität vorbereitet werden sollen, und Halm
schlug den Zusatz vor: 'die Erlangung eines Maturitäts-
zeugnisses hängt von der T h e i 1 n a h m e an diesem Unter-
richte ab.' Ein solcher Zusatz würde grol'seu Misständen abhelfen,
wenn anders die Schulhehörden auf unsere Beiathungen und Beschlüfse
achteten. In Bayein seien Fälle vorgekommen, dafs Schüler, di,e an
den) griechischen Unterrichte nicht Theil genommen, das Maturitäts-
examen hätten machen wollen. Wagner ist nicht geneigt den Be-
grilf des Gymnasiums zu beschränken, weil z. B. in Siiddeutschland
sehr viele junge Leute das G}uinasiiim besuchen, die später keinen
gelehrten Beruf ergreifen. Diese müsten sonst den Gewerbeschulen
überwiesen werden und das sei gewis zu beklagen, weil es oft recht
gute Lateiner unter ihnen gegeben habe. Oberschulrath Dr. Kohl-
rausch ans Hannover erwähnt die hannoversche Einrithtung, nach
welcher das Lyceum in Hannover und das Paedagoglum zu Ilfeld als
rein gelehrte Anstalten erhalten, an allen übrigen Gymnasien aber
Realclassen errichtet sind. Eckstein will nicht gegen diese Orga-
nisation spreclien, so wenig er sie au<^h billige, sondern für die streng-
ste Aufrechthaltung des ' oi)ligatoris(h'. Er wolle gar keine Schüler
von dem Griechischen dis[iensiert wifsen, am wenigsten mit Rücksicht
auf den künftigen Lebenslieriif der Schüler und die für denselben sich
herausstellende Entbehrlichkeit der Kenntnis jener Sprache. Nur dann
wirke man dem Nützru hkeitsprincipe mit Nachdruck entgegen. Sei
dieser Unterricht ein wesentlicher Theil des Gymnasialunterrichts , so
niüfse auch jeder Schüler daran Theil nehmen. Wer daran fest halte,
werde die Beiläufer des Gymnasiums zum gröfsten Vortheile für seine
Schüler bald los werden. Geffers ist gleichfalls dafür, dafs Gym-
Ba;sialscbüler nicht dispensiert werden. Ahrens findet die Angrilfe
464 Verliaiullimgeii der paedagogischen Seclioii
gegen die Thesis nur durch die bisher geführten Erörterungen veran-
laf.st. Man dispensiere ja auch von dem Religionsunterrichte die Is-
raeliten. Man dürfe nicht hart gegen die Schüler sein. Wenn die
nöthige Vorbereitung auf ein bestimmtes Fach den Wunsch nach Dis-
pensation vom Griechischen bei den Schülern hervorrufe, so möge
man sie ihm gewähren für ein Halbjahr, ein Jahr, dann aber müfse
ein solcher abgehn. Für eine Reihe von Classen sie zu gewähren, sei
um so unzweckmäfsiger, je enger der griechische Unterricht mit an-
dern Unterrithtsgegenständen in Verbindung stehe. Kohlrausch
spricht gegen die von Eckstein vertretene rigoristische Richtung, sich
berufend auf das ^nulla regula sine exceptione'.
Nachdem Geffers aus der Erörterung gefolgert, dafs im Prin-
cip wohl allgemeines Einverständnis vorhanden sei , fragt er die Ver-
sammlung, ob sie für die Annahme der ersten Thesis stimme. Die
Majorität ist dafür.
Die Discussion wendet sich hiernach zu dem von Halm beantrag-
ten Zusätze. Der Antragsteller fügt zu näherer Begründung desselben
hinzu, dafs zu manchen ßerufsarten kein eigentliches Maturitätszeug-
nis, wohl aber die Absolvieriing des vierten Gymnasialrursus (d. h.
der Prima norddeutscher Gymnasien) verlangt werde. Solche Schüler
verlangten in der Regel die Dispensation vom Griechischen. An seiner
Schule würde dieselbe nicht mehr gestattet und die Erfahrung habe
gelehrt, dafs sich die Eltern immer mehr daran gewöhnten, ihre Kin-
der auch an diesem Unterrichte Theil nehmen zu lalsen. Dieser Grund-
satz, mit Consequenz durchgeführt, müfse sehr wohlthätig wirken
selbst für die Schulordnung, da, besonders bei grofsen Classen, immer
Störungen im Unterrichte durch die Dispensationen herbeigeführt wür-
den. Eckstein kann ähnliches aus seiner Erfahrung bestätigen. In
Preufsen bestehe das Recht auf Dispensation Ansprüche machen zu
können, ja für künftige Militairs sei dieselbe von der Secunda an so-
gar Vorschrift. In früheren Jahren habe er dieselbe nach einer Be-
rathung mit dem Lehrercollegium zuweilen gewährt und die Benutzung
der Stunden freigegeben, dann aber die dispensierten in der Classe
zurückbehalten und sich mit andern Arbeiten beschäftigen lalsen. Seit-
dem habe das Verlangen nach Dispensation aufgehört und schon seit
einigen Jahren sei kein derartiger Antrag an ihn wieder gestellt wor-
den. Freilich, wenn die Eltern über die Verweigerung bei der höhern
Schulbehörde klagten, so würde ihn diese zur Gewährung nöthigen
können ,, aber eine solche Erfahrung habe er bis jetzt noch nicht ge-
macht.
Der während dieser Discussion beantragte Zusatz: 'Es ist wün-
schenswerth, dafs die dispensierten Schüler während
der Zeit in andern Gegenständen unterrichtet werden'
wird zunächst beseitigt, um den Ha Im sehen zu erledigen, der in sei-
nem Inhalte kein Bedenken fand, wohl aber in seiner Fafsung undeut-
lich erschien. Geffers schlug vor : •■ Die Theilnahme am Griechischen
berechtigt allein zur Maturitätsprüfung' ('natürlich zur Universität' wie
Classen erläuternd hinzufügte); Krüger; 'Die Zulafsung zur Ma-
turitätsprüfung wird durch die Theilnahme am griechischen Unter-
richte bedingt." Bei der Abstimmung ward Halms Zusatz von der
Majorität angenommen, aber auch die dissentierende iMinorität er-
klärte, dafs sie nur formelle Gegner desselben seien, weil sie densel-
ben als überflül'sig betrachteten.
Der weitere Zusatz ward von Eckstein bekämpft, weil eine sol-
che Einrichtung, namentlich an kleineren Gymnasien mit geringern
Lehrkräften, grofse Schwierigkeiten mache, das Gymnasium wesent-
Ilt;h alteriere und doch nur geringen Nutzen schaffe. Lieber möge
bei der IMiilologcu-Vcrsaiumliitig zu Gülliiigcn. 405
mau solche Schüler den Realschulen üherlalsen. Geffers erwähnt
der in Hannover in dieser Beziehnnj; {retrodenen, alle Gymnasien be-
treflenden Kiiirichtunjien und fra^t, oh dieselben auch wohl ander-
wärts Nachahmunj; verdienten. Inzwischen wird auf den Antrag; von
Ahrens von einer weitern Hetrachtunj; dieser Krage Abstand genom-
men und in der Tagesordnung f'ortgeiahren.
Zweite Thesis : J) i e Hauptaufgabe desselben ist, durch
den g r i e c h i s c h e n G e i s t , wie er s i <: h i n d e r L i 1 1 e r a t u r u n d
Sprache o f f e n i) a r t , bildend a u f d i e Jugend e i n z u w i r k e n.
Ahrens: Ks ist als die Aufgabe des griechischen Unterrichts hin-
gestellt, den griechischen Geist auf die Bildung der Jugend einwirken
zu lafsen. Das geschieht auch in der Geschichte und in andern Un-
terrichtsgegenständen, z. B. im Deutschen, selbst im Lateinischen bei
der Leetüre des Horaz. Doch davon kann hier zunächst gar nicht die
Rede sein. Die griechischen Leclionen können sich nur um Litteratur
und Sprache bekümmern und darumist gesagt 'Hauptaufgabe'. W,ag-
ner fragt an, warum nicht gesagt sei 'in der Sprache und Littera-
tur', worauf A h ren s erwiedert , dals gerade seine Fafsung, wie sich
aus den folgenden Thesen ergeben werde, sehr wesentlich sei; die
Sprache werde erst durch die Litteratur bestimmt. Auf Rosts Ein-
rede, dals ja die Litteratur das bezweckte nur wirken könne, wenn
]Man die Sprache verstehe, dafs also deren Verständnis vorausgehn
müfse, beharrt Ahrens bei seiner Fafsung, nur in dem Falle zu einer
Aenderung bereit, Avenn man die umgekehrte Folge als blofs histo-
risch hinstelle. Wagner vertheidigt die Umstellung, weil doch die
Sprache F'orm und Träger der Litteratur sei; Eckstein warnt vor
rascher Zustimmung, weil bei der Schärfe der Argumentation, die der
Antragsteller überall zeige, eine solche zu Consequenzen führen müfse,
denen zuzustimmen man Bedenken tragen würde. Bei der Abstimmung
wird der Satz im allgemeinen angenommen, die von Wagner bean-
tragte Umstellung ' Sprarhe und Litteratur' von der Majorität geneh-
migt, die ursprüngliche Fafsung dagegen nur von 12 Stimmen gebilligt.
Dritte Thesis : Zu diesem Zwecke hat sich d e r S c h u 1 e r im
wesentlichen nur mit der Litteratur und Sprache vor 300
V. Chr. zu beschäftigen, insbesondere mit folgenden
Schriftstellern: Homer, den Ueberresten der Lyrik, den
Tragikern, Herodot, Tliukydides, Xenophon, Piaton, De-
mosthenes. Die Sprache bildet nur insoweit einen Ge-
genstand des Schulunterrichts, als sie dem Kreise der
S c h u 1 1 i 1 1 e r a t u r angehört.
Ahrens zu der ersten Hälfte der Thesis: Der rechte griechische
Geist sei hier bis zum Untergange der Freiheit gemeint. Der von dem
peloponnesischen Kriege liereits beginnende Verfall zeige sich zunächst
mehr in dem politischen Leben als in der Litteratur. Was nach dem
angegebenen Zeitpunkte komme, sei nicht in das Gebiet der Schule
hineinzuziehn. Es gebe allerdings auch in dieser Epoche Ausnahmen,
bei denen man den altgriechischen Geist antreffe, z. B. Plutarch, aber
ein echter Grieche sei dieser doch nicht, sondern in Gesinnung und
Sprache ein Halb-Romer. Die getroffene Auswahl von Schriftstellern
möge man nicht bemängeln; andere Schriftsteller sollen ja nicht aus-
geschlofsen sein. So könnte man Lysias hinzufügen, auch einige Re-
den des Isokrates, aber als wesentlich für die Scitule betrachte er
dieselben nicht, ihre Leetüre sei höchstens eine Vorbereitung für De
mosthenes. Rost erklärt sich gegen die Leetüre der Lyriker gleich
nach Homer und meint, dafs es überhaupt wenige Gymnasien geben
werde, wo bedeutenderes von diesem Zweige der Litteratur getrieben
vverde. Ahrens verlangt nur eine Blumenlese, in der man Selon,
4G6 Verhandlungen der paedagogischen Section
Tyrtaeos, Theognis nicht vermifsen dürfe. Piiidar mache sclioii grö-
fsere Schwierigkeiten, überhaupt sei sehr >yenig von ihm zu gebrau-
chen, aber ganz zu vermeiden sei er nicht. Uebrigens hätten die Ly-
riicer nur mit Rücksicht auf ihre Zeit jenen Platz erhalten. Kohl-
rausch fragt an, ob Hesiodos ausgeschlofsen sein solle. Einiges aus
ihm will Ahrens in einer Sammlung von poetae minores gelten lafsen,
aber zu bedeutend sei dieser Dichter nicht.
Ahrens zu der zweiten Hälfte: Die Sprache kann über die Litte-
ratur liinausgehn. Da aber diese hier auf einen bestimmten Zeitraum
beschränkt ist und auf bestimmte Schriftsteller, so ist es nicht ge-
rechtfertigt, wenn Schulgrammatiken auch spätere Schriftsteller be-
rücksichtigen. Dialekte, wie z. B. der boeotische, gehören gar nicht
dahin. In der Versammlung wird kein Widerspruch gegen diese An-
sicht laut.
Vierte Thesis : An einem Gymnasium mit nennjährigem
G e s a m m t c 11 r s u s ist der griechische Unterricht mit dem
vierten Jahrescurse von unten zu beginnen.
Die Kriäuterung dieses Satzes und die Discussion über denselben
Avurde auf die nächste Sitzung vertagt, nachdem Halm das Amende
inent gestellt, dafs bei einem ächtjährigen Gesammtcursus dieser Un-
terricht mit dem dritten Jahrescurse beginnen nuil'se.
Drille Silzung am 1. Oclober.
' Bei dem Beginne der Sitzung fordert Geffers Ahrens auf, die
vierte Thesis genauer zu motivieren. Ahrens: Den Anfang des Gym-
nasialcursus setze er da au, wo der Unterricht im Latein beginne;
sogenannte Vorbereitungsclassen dürften nicht in Betracht kommen. In
den meisten Gymnasien seien 3 Classen mit zweijährigem, '6 mit ein-
jährigem Cursus, man werde also mit der Tertia den griechischen
Unterricht beginnen und dann 6 Jahre für denselben haben. Gegen
einen frühern Anfang müfse er sich erklären, weil erst im Lateinisihen
ein fester Grund gelegt sein müfse, ehe man die neue Sprache begin-
nen könne. Die beiden ersten Jahre werde der Schül-r das Latein
lernen, im dritten das gelernte verdauen. Erst dann werde es räth-
lich, eine so abweichende und schwierige Sprache wie die griechische
anzufangen. Gegen den neunjährigen Cursus ist Eckstein; an vie-
len Gymnasien bestelle der achtjährige; er komme an seiner Schule so-
gar mit 7V5 Jahren aus und es werde doth dasselbe erreicht, was an-
dere in 9 Jahren erreichen. Der Grund liege in der spätem Aufnah-
me der Schüler, in der gröfsern Zahl der Classen und der dadurch zu
erreichenden gröfsern Gleichmälsigkeit der Srhüler. I^aruin möge man
den achtjährigen Gesammtcursus, den die Erfahrung gutheifse, nicht
verwerfen und bei einem solchen den Beginn des griechischen Unter-
terrichts bei dem dritten Jahrescursus belafsen. Ahrens hält nur 9
Jahre für zweckmäfsig, unzweckmäfsig sei es, 2 Jahre nach dem Anfang
des Latein an das Griechische zu gehn. Nachdenken und Erfahrung
habe ihn in dieser Ansicht befestigt. Sind nun (i Jahre für das Grie-
chische erforderlich, der frühere Anfang desselben nicht heilsam, so
dürfe eben ein achtjährigei' Cursus nicht gestattet werden. C las seil
hebt hervor, dafs dies eine reine Erfahrungsfrage sei; in Lübeck seien
bei zehnjälirigem Cursus 8 Jahre für das Griechische bestimmt und
er halte gerade einen recht frühen Anfang wegen des schweren Ge-
däclitniswerkes für rathsam. Eine Gefahr der Vermischung des Latei-
nischen und Griechischen sei ni ht zu befürchten, wie ilin die Er-
fahrung gelehrt. Die Gleichzeitigkeit habe ihren grofsen Nutzen.
Da der Vorsitzende zu JVIittheiluugeu über die an den verschiede-
nen Schulen bestehenden Einrichtungen aulTordert, so erfolgen der-
bei der Pliilologon-VerÄiinunliiii«»' zu fiöllinj^cn. 407
gleichen aus den vprscliiedeiiea Ländern. Direktor Dr. Wex ])ericli-
tet, dafs in .Schwerin () Jahre für das (Jriecltisehe hestininit seien l)el
einem a(htjiihrif;en Gesanmiti-iirsiis, in den die «Scliiiler etv.a mit dein
Jl. Leheiisjahre eintreten, also im ].?. das (»'riecliische beginnen. In
der Ke{>el faih* nun in jene Zeit auch der Anfanj; <ier französisclien
.Sprache, so dal's die Knaben 3 Sprachen in ihren Elementen erlernen
m listen.
Professor Dr. Lothholz berichtet aus Weimar, dafs dort bei
einem aciitjährifien Cursiis «las Giiechisdie sonst in IV'' mit 3 .Stunden
l>c|^()nnen liabe; jene .Stunden seien al)er jetzt dem Lateinischen und
J)eutschen zu{>elef;t und das (Jriechische bej^inne erst in IV" mit
b wöchentlichen Stunden, welche in den übrifien Classen auf 6 ver-
melirt N>erden. .So habe man 7 Jahre für das Griechische. Die I^in -
riclitung habe sich bis jetzt bewährt.
Professor Dr. Steinhart: .Schulpforte Iiabe überhaupt nur einen
sechsjähri»en ("ursus, aber bei dem aufzunehmenden werde eine Kennt-
nis des Ciriechisclien bis /.u dpr Conjugation V()raus<;esetzt , so dafs
man {>enau genommen 7 Jalire für diese .Sj)rache reciinen könne. Al-
lein die meisten Rei ipienden seien durch Privatunterricht vorbereitet,
ihre Kenntnisse daher mangelhaft und deshalb die Lehrer doch genö-
thigt, mit den Elementen anzufangen. Insofern beginne man mit der
Tertia, wie dies die Lehrerconferenz in Berlin angeordnet. Die Leh-
rer wünschten lieber .Schüler ohne alle Vorkenpttiisse, mit denen si.e
dann in ö oder auch 7 wöchentlichen .Stunden den Unterricht begifi-
nen könnten. Die früheste Aufnahmezeit sei das 1*2., in der Regel das
13. und 14. Lebensjahr.
Director Dr. S c h w e ck en di ek : Li Emden bestehe der sechsjäh-
rige Cursus; das Griechls> he lai'se sich erst in III beginnen, \^eil in
IV wegen der nichtstudierenden das Englische anfange. Damit aber
die Tertianer dann rascher vorwärtsschreiten, so würden in IV zwei
vvöchentliclie Stunden aufser der .Schulzeit für die griechischen Ele-
mente benutzt, Avas namentlich bei einer geringen Schülerzahl sehr
zweckmäfsig befunden sei. Eckstein hat eine solche Einrichtung in
seiner V" auch einmal getroilen , freilich in der Schulzeit statt zwei
naturgeschichtlicher .Stunden; aber die Sehulbehörde habe es alsbald
nntersagt und so sei er der olVenbaren Vortheile wieder verlustig ge-
gangen.
Director Mün scher aus Marburg: Bei ihm beginne man in V,
also iin zweiten Jahres urse mit 2 wöchentlichen Stunden, in IV 4,
in Ml H und so fort, so würden H Jaiire für das Griechische gewon-
i)en. Die frühere Anordnung, nach welcher in IV begonnen wurde,
habe sich mit andern Einrichtungen nicht recht vertragen.
Professor Dr. Rein berichtet ähnliches ans seiner Heimat Eise-
nach, wo aber seit der Abkürziing des achtjährigen Cursus ein gro-
Jser Abfall nicht zu verkennen sei.
Director Dr. Kraft berichtet, an dem Hamburger Johanneuni,
dieser altehrwürdigen Anstalt, habe er den Anfang des Griechischen
in V vorgefunden und in seinem fünfundzwanzigjährigen Directorate
keinen Grund gehabt, diese alte Elinrichtung aufzugeben. Zur gründ-
lidien Erlernung der .Sj)raclie sei es auch nöthig, schon in V^ damit
zu beginnen, jedoch n'cht etwa mit 2 Stunden, das sei zu wenig. In
4 .Stunden kämen die .Scliiiler so weit, dafs sie die regelmäfsigen Ver-
ba , auch die in fti kennen und anwenden lernten. In IV werde dies
Pensum wiederholt und weitere Anwendungen träten hinzu. Mit sol-
chen Voikcnntnissen gelangten die Schüler nach III, wo Homer und
Xenophon gelesen und gewandt übersetzt würden. In II und I werden
dann 7 Slunden genumiuen und bei dem grol'sen Eifer und der grolsen
468 Verhandlungen der paedagogischen Section
Liebe der Schüler ein recht erfreuliches Ziel erreicht. Da Eckstein
an dem raschen und doch sichern Fortschreiten der Anfänger zwei-
felt, so ergänzt Prof. Dr. Ullrich, dafs in V allerdings noch nicht
volle Sicherheit erreicht werde, darin müfse man später noch nach
helfen, aber eine ganz leidliche. Wenn man gar zu spät anfange, so
werde nie Vertrautheit mit den Formen erreicht werden: dazu miifse
mechanisch conjugiert werden, durchaus mechanisch, das sei seine
IVIethode. Bei der Manigfaltigkeit der Verhältnisse miifse man nichts
festes bestimmen wollen. Die Vertheilung des Unterrichts habe sich
in Hamburg bewährt, und er freue sich, dafs Kraft in solchen und
andern Dingen conservativ gewesen sei.
Oberlehrer Dr. Lange berichtet aus Blankenburg, dafs man dort
beides versucht habe: man habe in III und in IV das Griechische an-
gefangen. Da in Tertia das Französische anfieng, nahm man zur
Kinprägung der Formen 4 Stunden Griechisch in IV, behandelte in
III die Verba auf (ii , in 11 die irregulären Verbalflexionen und in I
Syntax. So sei es bis zu dem Reformjahre 18-t8 gehalten gewesen.
Da aber die Lehrerconferenz in Wolfenbüttel den Anfang des Griechi-
.schen in die III verlegt habe, so sei jene frühere Einrichtung danach
abgeändert, aber auch die früheren Resultate nicht wieder erreicht.
Kohlrausch erinnert daran, dafs das Leben mächtiger sei als
die Theorie. In der Theorie würde er ganz mit Ahrens übei einstim-
men. Aber es sind nun einmal verschiedene Einrichtungen; in man-
chen Gymnasien werde 7 Jahre Griechisch getrieben; man könne an
andern einen zehnjährigen Gesammtcursus rechnen, weil die Kinder,
namentlich gebildeter Eltern , mit dem 8. oder 9. Lebensjahre in das
Gymnasium kämen. Bei beiden Cursen scheinen die Resultate gleich
und so gleiche sich die Verschiedenheit der Theorie in der Praxis aus.
Ahrens knüpft noch an Classens Bemerkung wegen des Ge-
dächtnisses an; diese sei ganz richtig, aber es sei doch ein wesent-
licher Unterschied von dem Lateinischen. So reines Gedächtniswerk
sei der griechische Unterricht nicht, mit dem blofsen Erlernen der
Paradigmen sei es nicht gethan. Habe man doch seit Thiersch er-
kannt, dafs die Formenlehre am besten durch scharfe Analyse der
Formen erlernt werde; dazu müfse der Verstand schon gereift sein,
und was man an Jahren zu spät anfange, werde sich leichter und
rascher nachholen lafsen.
Geffers wünscht wegen der grofsen Verschiedenheit der Jahres-
curse die Frage, bei welchem Cursus das Griechische beginnen müfse,
ganz fallen zu lafsen, wenn nur hinlängliche P^estigkeit im Lateini-
schen und genügende Entwicklung der Verstandeskräfte vorausgesetzt
werde. Aber Ahrens will wegen der dann entstehenden Ungewisheit
nicht gern ändern an seiner Thesis. Geffers erinnert weiter daran,
dafs man in Preufsen gesetzlich in dem 10. Jahre Latein beginne.
Anderwärts, selbst in Göttingen, beginne man schon im 8. Jahre,
weil das Verlangen des Publicums darauf gehe, Wenn das 13. Jahr
als das Durchschnittsjahr angenommen werde für den Anfang des
Griechischen, dann werde man so ziemlich zu einer Einigung kommen.
Da Ahrens gerade mit Rücksicht auf die Difi^erenzen die Thesis
ganz allgemein gestellt hat, und ein bestimnites Aussprechen für noth-
wendig in seiner Fafsung erachtet, so tritt ihm auch die Majorität
der Versammlung bei. Ueber Halms Antrag, den Eckstein wie-
der aufnahm, kam es bei der Menge der einzelnen, dankbar entgegen-
genommenen Mittheilungen gar nicht zu einer Abstimmung.
Fünfte Thesis: Von da an sind durch alle Classen in der
Regel 6 Stunden wöchentlich auf diesen Unterrichts-
zweig zu verwenden.
bei der Pliil(»l()0;en Vorsnmmliin*»' zu fiiHliiijTon. 400
Ahrens motiviert sein "'in der Refiel' ; vielleicht sei 'mindestens'
befser, aber er habe sich geniert, weil bei solclien Bestiiiimuiifien
sehr viel von andern Verhältnissen abhän^ie; da nu'iise man abw;i{;en ;
mancher könnte vielleicht mit einer {jeringern JStundcn'/ahl fertig
Averden. Gegen diese letztere Ansicht ist Kckstein, weil eine nene
Sprache mit möglichst grofser Stundenzahl begonnen werden miil'se.
Münscher führt an, dafs es in seinem Lande anders sei, weil IV
bereits viele andere Lehrstiinden habe, deswegen hal)e man im Grie-
chischen eine Krleichternng eintreten lafsen. Eckstein: Die V sei
aber dann in Kiirhessen gar nicht als eine griechische Classe zu be-
trachten, sondern als eine propaedeutische. Die Versannnlung ist mit
dieser Thesis durchaus einverstanden.
Ahrens: Mit dieser Thesis ist ein gewisser Abschnitt in der Er-
örterung dieser Frage erreicht. Die fünf Thesen sollen den Grund
und Boden legen. Der steht nun fest. Es fragt sich zunächst weiter:
wie soll der griechische Unterricht gegeben werden? Aber zu dieser
Erörterung rei(-ht wohl unsere Zeit nicht aus. Deshalb ist es wün-
schenswerth, zu einer Behandlung der beiden andern aufgestellten Auf-
gaben überzugehen. Auf den allgemeinen Wunsch der Versammlung
und die besondern Bitten von Geifers und Münscher entschliefst sich
Ahrens fortzufahren.
Sechste Thesis : Die oben bezeichnete griechische Schul-
litteratur zerfällt in zwei wesentlich getrennte Massen:
a) die ältere und mit Ausnahme des halb dichterischen
Herodot poetische; b) die jüngere durchaus prosaische
und attische.
Der ersten Masse der Litterat ur und ihrer Sprache
mufs vom Schulunterrichte eine gleich gründliche Sorg-
falt gewidmet werden wie der zweiten.
Insbesondere ist es von Wichtigkeit, dafs der Schü-
ler mit den homerischen Gedichten und ihrer Sprache
möglichst vertraut werde.
Ahrens gibt zwar schon in dieser Sitzung eine genaue Moti-
vierung, an die sich auch eine kürzere Debatte anknüpft, weil Mün-
scher sofort den letzten Kern der Frage, den Beginn des Unterrichts
mit Homer, entwickelt haben will, auch über Krügers Ansichten von
dem Atticismus eine Differenz mit Rost auszugleichen ist. Rost
mahnt auch, mit der Erörterung fortzufahren, da sich dieselbe im-
mer mehr dem praktischen Felde nähere und die Versammlung mit
ihren früheren Verhandlungen das Unglück gehabt habe, dafs nichts
herausgekommen sei. Professor Dr. Graven hörst aus Hildesheim
wünscht alle übrigen Thesen in ihrem Zusammenhange zur Debatte
gebracht zu sehn, wogegen sich Ahrens uni der Klarheit willen er-
klärt; Geffers wegen der Kürze der Zeit nur die Hauptpunkte hin-
gestellt und diese scharf ins Auge gefafst, wogegen Ahrens drin-
gend bittet , die Sache nicht übers Knie zu brechen.
Die letzte Sitzung wird deshalb auf den Antrag von Kohl-
rausch eine halbe Stunde früher angesetzt und die Fortsetzung die-
ser Debatte auf die Tagesordnung gesetzt.
Vierte Sitzung am 2. October.
Nachdem der Vorsitzende ermahnt, dafs sich jeder der möglich-
sten Kürze betteifsige , fordert er Ahrens auf, die übrigen Thesen
im ganzen vorzutragen.
Ahrens: In der sechsten Thesis habe er zwei seines früheren
Entwurfes zusammengezogen.
Siebente Thesis. Die Beschäftigung mit der griechi-
470 Verhandlungen der paeda^ojischen Section
sehen Litterat ur kann (abgesehn von etwaigen votberei-
te n d e n U e b u n g e n ) n a t u r g e lu ä r.s mit keinem andern S c h r i f t-
steller als mit Homer begonnen werden.
Achte The.sis- Dem entsprechend hat a n c h der E i e m e n^-
tarnnter rieht zunächst nicht die attische, sondern die
homerische Formenlehre ins Auge zu fafsen.
Er sei der Sache scharf auf den Leih gegangen, jedoch nicht wei-
ter vorgeschritten. Ist der angegebene Weg zweckmäfsig, dann werde
man fragen müfsen, wie ist er zu gehen? Dazu miifse er am Ende
sein eignes Buch em[)fehlen. Deshalb habe er es für angemefsen er-
achtet, hierbei einen Abschitt zu machen.
Die Erörterung geht zunächst zur sechsten Thesis über, deren
ersten Satz Ahrens genau motiviert. Er erkenne zwei wesentlich
geschiedene Massen der griechischen Schnllitteratur. Eine bedeutende
Kluft zwischen diesen beiden Theilen ist durch den peloponrtesischen
Krieg gebildet, wo zugleich durch die Sophistik die ganze geistige
Richtung nachtheilig afficiert wurde. Die ältere Masse gehöre der
Zeit vor dem peloponnesischen Kriege an: Homer, die Lyriker, Tra-
giker, also das poetische, auch Herodot, der nach Inhalt und Dar-
stellung ein epischer Dichter in Prosa ist. Zu der Jüngern Masse ge-
hören Thnkydides, Piaton, Xenophon , Demosthenes, die alle dem
vierten Jahrluindert angehören, alle echte Prosaiker und zugleich At-
tiker sind. Erhebliche Unterschiede zwischen beiden Massen fallen in
die Augen. Hier ist alles prosaisch, dort poetisch; hier ist reine atti-
sche Prosa, dort grofse Manigfaltigkeit in der epischen,- der lyrischen
Sprache mit ihren künstlichen Dialekten, endlich in der poetischen
Sprache der Tragiker, die bedeutende Elemente der epischen und der
altern Sprache enthält, aber nicht attisch ist: hier also Einfachheit
des Dialekts, dort Manigfaltigkeit, hier jüngere, dort ältere Sprache:
hier herscht der Verstand, die Speculation vor, dort die Phantasie,
das Gefühl. Warum lege ich einen Werth auf diese Trennung? Das
wird sofort klar durch einen Blick auf die lateinische Schnllitteratur.
Diese nmfafst einen viel geringeren Zeitraum, selbst von Plautus bis
Tacitus sind höchstens 3üü Jahre, die griechische erstreckt sich über
mindestens 6ü0 Jahre- In der lateinischen Litteratur sind keine Dia-
lekte, sondern die einzige römische Sprache, und in dieser kaum ein
Gegensatz von älterer und jüngerer, der überhaupt nicht sehr grofs
ist. Es ist ferner kein Gegensatz zwischen prosaischer und poetischer
Litteratur; die erstere ist das wesentliche, denn der Charakter des
Volkes ist ein prosaischer, praktischer; Poesie ist nur schöner Zier-
rat. In der Prosa bildet wieder ein Schriftsteller den Mittelpunkt.
Dies Verhältnis verlangt natürlich auch eine ganz andere Art der Be-
handlung.
Beide Massen der griechischen Schnllitteratur sind also getrennt;
beide müfsen mit gleicher Gründlichkeit behandelt werden. Dies sei
in älteren Zeiten nicht geschehn, gescheite auch jetzt nicht. Sonst
kannte man nur die prosaische Litteratur, man lernte Griechisch, lun
schreiben und sprechen zu lernen; auf die Dichter verwendete man
geringere Sorgfalt. In neuern Zeiten ist die Ansicht verbreitet, dals
die attische Litteratur und Prosa vorzugsweise den Gegenstand des
Unterrichts bilden miifse; ja man hat, wie den Cicero, so Xenophon
als Normalschriftsteller aufgestellt, weil er das reinste Attisch ge-
schrieben hat (was beiläufig nicht richtig ist). Die ganze Schulein-
richtung bestätige dies, in der % der Zeit für die Prosa, % für die
Poesie bestimmt werde. Wir sind nun in der Lage beide Massen
gleich gründlich betreihen zu köunen, und müfsen es auch tliiin, Dals
eine genaue Bekanntschaft mit Homer und der homerischen Sprache
bei der Pliilolon^cn-Versammliino; zu fiülliiiffcn. 471
<lie Grundlage sei, werde wolil keinen AVIderspnieli fmdeii, iii<le.ssen
hescbäitiffe mau .si<li damit iiiclit so viel, als er iür notlivveiidif; er-
achte. Wenn es übrij^ens heilst, dafs sich die liesehüftif^iiHj^ mit der
griechischen Ijitteratiir auf die oben {genannten Schriftsteller be/ielm
solle, so heilst das nicht, dafs >vir vorher kein anderes Griecliiscii
treiben dürfen. Die Lectiire eines Elementarbuches ist noch keine
Beschäftij^ung mit griechischer Litterat ur.
Geffers macht den Vorschlag, die einzelnen Punkte In der Ord-
nung zu behandeln, in welcher sie Von dem Proponeiiten aufgestellt
seien, also zuerst die Forderung gleich gründlicher Behandlung beider
Theiie der 8chullitteratur.
Rost: Ihm sei es zweifelhaft, ob Ahrens etwas neues beabsich-
tige oder nur das auch bisher beobachtete mit Schärfe und princip-
gemäfs darlege. Handle es sich um eine frühzeitige Leetüre des
Homer, so sei das nicht neu: schon jetzt würden die Schüler zur
rechten Zeit und in dem rechten Umfange in den Homer eingeführt.
In Gotha beginne der Unterricht in der vierten Classe von oben mit
Einübung der Formenlehre an kurzen Sätzen; in der dritten Classe
seien drei Stunden für die Leetüre der Odyssee bestimmt, auf die in
der 2- Classe mit einem zweijährigen Cursus die llias folge. Die ho-
merische Sprachform als Grundlage der griechischen Formenlehre zu
nehmen, das sei vollkommen neu, werde sich aber praktisch schwer-
lich bewähren. Bei besonderer Tüchtigkeit der Lehrer und bei gu-
ten Köpfen der Schüler sind gute Erfolge möglich; Ahrens werde es
erreichen. Wollten wir es probieren, so dürfte es wohl nur wenigen
gelingen. Die Simplicität der attischen P'ormen ist dem Schüler zu-
gänglicher, die Manigfaltigkelt der homerischen erschwert die Sache.
Münscher! Er für seine Person sei für die bisherige Praxis,
aber er wolle wohl etwas für Ahrens sagen. Wie in historischer Ent-
wicklung bei den Griechen sich die Sache gemacht, so solle es auch
dem Schüler vorgeführt werden, die Schüler sollen eben so durch die
griechische Sprache und Litteratur geführt werden, wie der liebe
Gott das griechische Volk geführt habe. Zunä( hst wünsche er nur
eine kurze Antwort, ob sich dies zunächst nur auf die Entwicklung
der Ideen oder auch auf die Formen in ihrer genetischen Entwicklung
beziehen solle.
Ahrens: Er müfse in seinem und im Interesse der Sache drin-
gend wünschen, dafs die Reihenfolge festgehalten werde. Rost habe
bereits vorgegriffen. Auf Münschers BVage wolle er nur sagen, dafs
der historische Gang gar nicht beobachtet werden solle. Das würde
eben so verkehrt sein , als wenn man das Lateini:iche mit Plautus an-
fangen wollte.
Classe n geht auf den eigentlichen Gegenstand tiefer ein. Ihm
erscheint die Theilung der Litteratur in zwei Massen höchst bedenk-
lich; zwischen den Tragikern und Homer ist ein gröfserer Abstand
als zwischen den Tragikern und der prosaischen Litteratur. Nicht
der peloponnesische Krieg ist der Entscheidungspuukt , sondern die
Perserkriege, seit denen das geistige Leben in Athen sich zusammen-
drängt und hier alle Strahlen des griechischen Geistes sich concen-
trieren. Der peloponnesische ist eine Zeit der Krisis, die natürlich
gutes und böses zu Tage fördert. Piaton und Demosthenes gehören
zu den edelsten und schönsten Erscheinungen in der Entwicklung
Griechenlands; zwischen Platon und Sophokles ist ein inniger Zusam-
menhang. Die innere Harmonie der Formen ist das Rand zwischen
der prosaischen und der poetischen Litteratur. Wie ein glänzender
Hintergrund steht Homer da; seine Gedichte in steter Geläufigkeit
zu erhalten, darin sind wir einig. Die Odjssee ganz, die llias zum
472 Verhandlungen der paedagoglsdien Sectlon
gi-öfsten Tliell gelesen zu sehen, dahin mufs unser Streben geheit.
J^lnen andern Dialekt als den attischen bei der Erlernung der Spra-
che zu Grunde zu legen ist schon darum bedenklich, weil *j^ der Lit-
teratiir in attischer Sprache geschrieben ist. Eine Entscheidung der
Controverse ist nur von der Erfahrung zu erwarten und zwar von
einem Lehrer, der beide Wege eine Reihe von Jahren hindurch ver-
folgt hat. Die zweite Thesis gebe nur ein schönes Ideal in einem
Ziele, das wir absolut doch nicht erreichen.
Geffers: Der Widerspruch gegen die vorgenommene Theilung
der Litteratur scheine ihm wenig begründet. Homer sei der iMittel-
punkt, ihm sei besonderer Fleii's zu widmen, aber mit ihm stünden
auch die Tragiker im engsten Zusammenhange. Deshalb erscheine
ihm die Theilung nicht so schroff.
Ahrens: Mit Classen stehe er gar nirht im Widerspruche. Dafs
aber seine Scheidung in Prosa und Poesie nicht die natürlichste sei,
davon sei er noch nicht überzeugt. Zunächst biete sich die Frage
nach der Sprache dar. Es sei eine sehr verbreitete Meinung, dafs
die Tragiker attisch geschrieben haben und dafs die attische Prosa
auch die Sprache der Tragiker lehre. Das ist ein Irthum. Der gro-
fse Unterschied ist besonders in Krügers Grammatik hervorgetreten.
Die Scheidung ist jedesfalls da, mag man sie auch für mehr oder we-
niger bedeutend halten. Eine Brücke stelle er gar nicht in Abrede;
denn Eiiripides stehe im Geist und auch in der Sprache halb auf der
andern Seite. Bisher hat das attisch- prosaische Element im Unter-
richte das Uebergewicht gehabt; warum hat man für die andere Seite
nicht dasselbe gethanV Ungerecht sei seine B^rderung nicht.
Münscher erinnert, dafs auf seine Frage nicht geantwortet sei;
er müfse also annehmen, dafs sie bejaht werde. Ahrens hat die-
selbe ganz allgemein verstanden und darum auch so geantwortet; in
Bezug auf das Griechische will er sich die Begründung aufsparen.
Münscher: Der gemachte Vorschlag hat eine schöne Seite, kann
aber aus principiellen Gründen nicht angenommen werden. Wollen
wir den griechischen Sprachunterricht nach Ahrens ordnen, um be-
fser in die griechischen Ideen einzuführen, so können wir wohl mit
Homer anfangen, aber es geht nicht weiter, sobald wir zu den
Lyrikern kommen. Selbst im Homer kann das schönste nicht in
der Tertia absolviert werden, das geht erst in der Prima. Sodann
soll der Gang der Sprachentwicklung festgehalten werden. Das ist
sehr schön und aulserordentlich bildend, aber grofse Bedenken stehen
dem Verfahren entgegen. Es würde dann die Sprache in liüfsigem
Zustande bei den Schülern bleiben und Festigkeit in den Formen
nicht erreicht werden. Man braucht nur daran zu denken, dasselbe
auf dem Gebiete des Lateinischen und Französischen versuchen zu
wollen, und wird die Unzuträglichkeit leicht einsehen. Was auf dem
Gebiete der Wifsenschaft vortrefflich ist, geht nicht sofort auch in
der Schulpraxis. Indessen wird hier das deutsche Sprachgebiet einen
Ausweg darbieten, auf dem man den historischen Gang auch in der
Schule verfolgen kann.
Ahrens: Auf solche Ansichten und Behauptungen könne er sich
noch nicht einlafsen, da es sich zunächst nur um die Behauptung
handle, dafs beide Massen der Litteratur gleich gründlich behandelt
werden müfsen, und um die gröfste Vertrautheit mit Homer.
Geffers: Im allgemeinen werde ja der Ansicht beigestimmt;
darüber sei wohl keine Meinungsverschiedenheit. Aber der Punkt sei
verfänglich. Wegen der Consequenzen werde er die FVage mit Nein
beantworten; denn dann müfse ja die homerische Sprache ebenso wie
bei der Pliiloloi,^en-VersaininUiiig- kii Göttingcri. 47-?
die attische in der Scliule eiiificüht werden, und das halte er weder
für nützlich noch zum Verständnis des Homer für nöthig.
Ahrens protestiert gegen den Verdacht, dafs er die Versamm-
lung captivieren oder gar eine versteckte List anwenden wolle, was
aber auch Cef fers gar nicht eingefallen ist zu sagen. Ist mein .Satz
richtig, repliciert Ahrens, so mufs er bejaht werden; auf die C'oiise-
quenzen dürfen wir nicht eingehen, noch weniger danach das Urtheil
abgeben wollen.
Professor Dr. CJ. Curtius aus Prag kehrt von dieser Abschwei-
fung zu dem wesentlichen der Hauptfrage zurück. Die Scheidung der
zwei Massen könne er nicht nach dem Proponcnten aulfafsen; wir
müsten vielmehr das gemeinschaftliche der beiden Hälften festhalten.
Das Attische ist offenbar überwiegend, im Attischen wird auch das
Homerische gelernt, wie umgekehrt im Homerischen das Attische. Die
Schreib- und andern Uebungen kommen beiden Dialekten zu gute.
Ahrens: Der gemeinschaftliche Mittelpunkt griechischer Litte-
ratur ist an ein r andern Stelle zu suchen. Der Quell des Geistes
dieser Litteratur, der Schlüfsel für alle Zweige derselben ist nicht im
Attischen zu finden. Dies ist nur eine einseitige Aeul'serung dessel-
ben. In der vollsten Vielseitigkeit finde er dies nur im Homer, der
der gemeinsame Schatz des ganzen helleni.-chen Volkes sei. Ganz rich-
tig sei , dafs aus Homer Attisches gelernt werde. Das spreche ja ge-
rade für seine Ansicht. Warum machen wir es nicht so ?
Geffers: Kaum läfst sich noch etwas neues über den Gegen-
stand sagen. Die Gemeinschaft iafse sich nicht verkennen; es könne
wohl zur Abstimmung geschritten werden.
Da schlägt Classen vor, im zweiten Alinea zu setzen ^Allen
Theilen der Schullitteratur — mufs' u. s. w. und Eckstein empfiehlt
diesen Verbefserungsantrag , weil er ihm wenigstens eine grofse Be-
ruhigung gewähre. So gern er es sähe, wenn er der Ahrensschen For
derung entsprechen könnte, so halte er doch die Ausführung in der
Schule für eine Unmöglichkeit: gleich gründliche Sorgfalt auf beide
Theile verwenden könne er nicht.
Professor Dr. Wittich aus Eisenach meint, der Widerspruch
gegen Ahrens rühre nur daher, dafs dieser die Kenntnis des homeri-
schen Dialekts der bisherigen Schulpraxis substituieren und dieselbe
vorausgehen lafsen wolle. Vielleicht sei auf Seite der Gegner nur
ein Misverständnis. Ahrens habe ja ein Elementarbuch mit einzelnen
Sätzen von jener Praxis zugestanden (Ahrens bestreitet, dafs dies
seine Ansicht sei; nach der Fafsung der Thesis würde es allerdings
erlaubt sein) und dann bleibe man bei der bisherigen Praxis, sofern
nur der poetischen Leetüre gleichviel Stunden zugestanden würden.
Ahrens: Die Schwierigkeit liege in den Worten '^ eine gleich
gründliche Sorgfalt.' Eckstein halte das nicht für möglich, und habe
sein Bedenken darin ganz kurz ausgesprochen. Stillschweigend ver-
stehe sich dabei 'soweit dies eben möglich ist'; aber auch das sei
nicht geschehn, neuerdings sogar weniger als in früherer Zeit. Wir
legen grofsen Werth auf griechische Scripta und das mit Recht für
die Befestigung in der Formenlehre. Für die dichterische Sprache
thun wir aber nichts ; da wird die Production gar nicht geübt. Sonst
habe man Verse gemacht, natürlich in der Sprache des Homer; das
erscheine ihm als ein wiclitiges Förderungsmittel.
Geffers führt den Schlufs der Debatte über diesen Punkt her-
bei und die Majorität genehmigt das zweite Alinea in der Fafsung:
'Allen Theilen der oben bezeichneten griechischen Schullitteratur und
ihrer Sprache mufs vom Schulunterrichte eine gleich gründliche Sorg-
falt gewidmet werden.'
^. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Hd. LXVII. Hft. 4. 31
474 Verhandlungen der paedagogischen Section
Mii »scher verlangt sofort eine Discussion der Frage, oh der
iirieeliisclie Unterricht mit dem homerischen Dialekte und der Lectiire
des Homer begonnen werden solle, und beantragt eine Erklärung, dal's
dies sich mit der Aufgabe der Schule nicht vertrage, dafs es princi-
piell für dieselbe nicht geeignet sei.
Ahrens, der sich anfangs weigert ferner als Referent zu fun-
gieren , will doch nicht eigensinnig erscheinen und fährt In der Be-
gründung fort. Münschers Ansicht fufse darauf, dafs er einen hi-
storischen Gang (Homer, Pindar, Tragiker u. s. w.) wolle eintre
ten lafsen , daran habe er nicht denken können noch wollen. Den hi-
storischen Gang streng einhalten zu wollen ist nicht möglich. Von
Homer läfst sich die Litteratur wegen der grofsen Schwierigkeiten
nicht weiter verfolgen. Beide Theile der LItteratur müfsen neben-
einander getrieben werden und die Endpunkte von beiden fallen in
die oberste Classe. Da ihn C lassen an die schwankenden Formen
der homerischen Sprache erinnert, so geht er sofort darauf ein, die
daraus befürchteten Gefahren zu beleuchten. Im Griechischen mufs
der Schüler verschiedene P'ormen und Dialekte kennen lernen, das Ist
gar nicht zu vermelden, auch kein Unglück. Fangen wir nun mit ei-
nem andern Dialekte an und gehen dann zur attischen Prosa über, so
ist es gerade sehr förderlich, wenn die Schüler Immer den Gegensatz
auffafsen ; die Formen prägen sich viel fester ein. Das habe sich Ihm
durch die Erfahrung bestätigt. Wie beim deutschen Unterrichte der
historische Gang der Sprache gezeigt werden solle, begreife er nicht,
man müste denn In Hessen In IH Gothlsch, In U Althochdeutsch, In
I Mittelhochdeutsch treiben (M uns eher berichtigt, dafs dies alles
blofs In der Prima gemacht werde). Dann wird der Gang allerdings
sehr rasch gemacht und dennoch macht der Schüler keine historische
Entwicklung durch, weil er sein Neuhochdeutsch zu jenem Unter-
richte bereits mitbringt. Im Deutschen seien 4 Perloden zu unter-
scheiden, im Griechischen nur 2, die ältere und die jüngere Sprache,
die homerische mit ihren Abzweigungen und die attische Prosa Im
vierten Jahrhundert. Danach ist es also hier viel leichter eine Idee
der Spraclientwickhing zu geben. Man mufs in der St'hule nicht nach
reinen Theorien gehen, sondern auf die historischen Verhältnisse Rück-
sicht iieluuen. Im Griechischen haben wir nun bereits die historische
Entwicklung in der Schule, weil Homer und die Attiker nothwendige
Schriftsteller sind , warum wollen wir also nicht den historischen
Gang verfolgen? Ursprünglich war das Griechische auch zum Ge-
brauche bestimmt, sowohl Schreiben als Sprechen wurde erzielt, was
bei der Analogie des Lateinischen ganz natürlich war, das sich als
halb - lebendig Immer erhalten hatte. Aber ebenso war es auch mit
dem Griechischen In dem byzantinischen Reiche und bei der ■noivrj ist
es im wesentlichen geblieben.
Classen verweist nochmals auf die vielen verschiedenen Formen
<les homerischen Dialekts, die aber Ahrens In so grol'ser Ausdehnung
nicht zugibt, weil sie naturgemäfs auseinander entstanden sind. Im
Atticismus gebe es auch Doppelformen und wir gehen selbst künstlich
auf contrahierte und nichtcontrahierte Formen zurück. Es komme
nur darauf an, die Formenlehre ordentlich zu docieren.
Münscher will sich für die neue Theorie bedanken und lieber
die historische Theorie an dem Deutschen festhalten; das Schwanken
bringe Gefahr, mit etwas festem und bleibendem müfse begonnen
werden.
Dr. G. Wolff aus Berlin meint, dafs auch bei dem jetzigen Ver-
fahren die historische Entwicklung nicht abgeschnitten werde; der
bei (1(M- riiilologcn-Versainmliin!? zu Göllinucn. 475
Schüler lei'iie (lic;<e!he freilich f^pätcr, aber auf einem bequemem und
sicherern Wege.
Geffers: Was Ahrens über die Tradition des griecliisclien Un-
terrichts gesa{];t hat, ist falsch. J)er Grund des bisherigen Verfah-
rens liegt in der Bedeutung der attischen Litteratur, die keine ein-
seitige, sondern die eigentliche Hlüte ist. Durch einen sichern, na-
türlichen Takt geleitet hat man den bisherigen Gang bei dem Unter-
richte festgehalten.
Doch die Zeit drängte zum Schlufse. Vor der Abstimmung trägt
Ahrens an auf eine Pirklärung, dahin lautend, dafs die kSaclie noch
nicht genügend durchsprechen sei und darum noch kein Urtiieil abge-
geben werden könne. Die Abstimmung über diesen praejudicielien
Antrag war zweifelhaft, bei der Zählung ergaben sich '2'2 .Stimmen
dafür und 21 dagegen, welche die Sache als bekannt genug durch die
Schriften von Ahrens betrachteten. Nach diesem Resultat war es
auch nicht räthlich , über die sechste Thesis im ganzen abzustimmen.
Geffers ergreift zum Schlufse das Wort: Gern hätte er die Er-
örterung noch weiter geführt, aber die Zeit sei abgelaufen. Aber
auch so wolle er seine Freude über die Besprechung dieses Gegen-
standes aussprechen und darin eine grofse Uefriedigung finden, weil
ja gerade der griechische Unterricht vielfache Angrill'e erfahren habe.
Wir mül'sen das Palladium, das wir in ihm besitzen, festhalten und
ihn immer eifriger betreiben. Ahrens gebühre besonderer Dank, denn
sein Vortrag werde einen grofsen Einflufs auf die Verbefserung und
Belebung dieses Unterrichts ausüben. Der Versammlung sage er herz-
lichen Dank für die Nachsicht, welche sie seiner Leitung habe anoe-
deihen lafsen, und er schliefse dieselbe mit dem Wunsche, dafs wir uns
alle im nächsten Jahre zu Altenburg wieder treifen mögen.
Auf Classens Antrag erhebt sich die Versammlung, um dem
Praesidenten und dem Secretär für ihre Mühwaltung ihre Anerkennung
zu bezeugen.
Halle. Dr. Fr. Au!r. Eckstein.
P r o g- r a m 111 e n s c li a 11.
[Fortsetzung.]
Wir besprechen jetzt solche Programmabhandlungen , welche sich
auf deutsche Litteratur, Sprache und Unterricht beziehn, und schüefsen
daran einige, welche geschichtliche Partieen und Geographie zum Ge-
genstande haben.
Da der Gandersheimer Nonne Hroswitha, wenn schon sie sich
nicht der deutschen Sprache bedient, immer mit Recht eine Stelle in
der deutschen Litteratur eingeräumt worden ist, so erwähnen wir zu-
erst die Uebersetzung , welche von ihrem Gedichte: Geschichte Oddos
des Grossen Hr. Rect. Prof. Nobbe in den Programmen der Nicolai-
schule zu Leipzig von 1851 und 1852 herausgegeben hat. Durch die-
selbe wird jenes Heldengedicht eben so bekannt gemacht, wie durch
Bendixens Arbeit die dramatischen Werke derselben Verfafserin (s.
Bd. LX S. 221), was um so dankenswerther ist, als das lateinische
Original wenigen zugänglich und in manchen Partieen schwer ver-
ständlich ist. Die Uebersetzung liest sich leicht und gibt von dem
Originale ein deutliches Bild. Durch Nachweisungen aus gleichzeiti-
gen und anderen Quellen und neueren Darstellungen, so wie am
31*
470 Programmenscliau.
.Schlurse durch Bemerkungen über die Sprache, Prusodik und Metrik
der Hroswltha hat der Hr. Verf. das verdienstliche seiner Arbeit noch
wesentlich erhöht. Einen nicht unwichtigen Beitrag zur mittelhoch-
deutschen Litteratur hat Hr. Dir. Dr. H.Knebel in dem Programm
des Friedrich- Wilhelms -Gymn. zu Köln von 1852 geliefert. Durch
Zufall war er in den Besitz eines Pergamentblattes gekommen, das
ein Fragment des IJilhclm von Orlens von Rudolf von Ems enthielt,
mit ungemeiner Sorgfalt ohne alle Rasui-en und Correcturen , aber
auch ohne alle Interpunctionszeichen. Weil es ihm nun klar ward, dafs
man das Werk den übrigen defselben Dichters nicht so weit nachge-
setzt haben würde, wenn man dasselbe in der reineren Gestalt, wie
sie jenes Handschriftenfragment bietet, vor sich gehabt hätte, so enl-
schloi's er sich dasselbe abdrucken zu lafsen. Da es ihm zugleich
möglich war die auf der Bonner Universität befindliche, ehemals zur
Bibliothek in Blankenhain gehörige Handschrift, welche, wenn sie
auch weniger als die v. Lassbergische sich zur Grundlage einer kriti-
schen Textes eignet, doch der Heidelberger und Casseler weit voizu-
zlehen ist, und eine Papierhandschrift in Cöln zu vergleichen, so
fügte er die Varianten dieser hinzu und lieferte so eine Arbeit, wel-
che für einen künftigen Herausgeber des Gedichts eben so viel er-
munternde Aufforderung, als Weg zeigende Winke bietet. — Tirols
jfntheil an der poetischen Nationallittcratur im Mittelalter hat Hr.
Tgn. Zingerle im Programm des k. k, Staatsgymn. zu Insbrnck 1851
(20 S. 4) behandelt. Wenn auch tiefere Kenner, wie z. B. der Ref.
in der Ztschr. für die österr. Gymnasien 1852 1 Hft. S. 45 f. an die-
ser Abhandlung vieles auszusetzen finden werden , so glauben wir doch
dieselbe mit gutem Gewil'sen empfehlen und den Hrn. Verf. zur Fort-
setzung seiner Studien ermuntern zu dürfen. Wir stützen die Em-
pfehlung auf die trotz der skizzenartigen Darstellung doch sich
kund gebende Frische und Lebendigkeit der Auffafsung und das rich-
tige klare Urtheil, so wie darauf, dafs sie manche Notiz enthält, wel-
che man sonst nur mit Mühe erlangen dürfte. Die Dichter, welche
Tirol erzengte, werden in chronologischer Folge aufgezählt, ihre Fa-
milienverhältnisse und Schicksale erörtert und ihre Werke unter Mit-
thellung von Proben beschrieben und beurtheilt. Dabei fehlt es nicht
an Blicken auf andere gleichzeitige Dichter und die Zustände der ge-
sammten deutschen Litteratur, so wie denn auch die Beweise für den
Antheil, welchen auch in anderer Hinsicht Tirol an der literarischen
Bildung des grofsen Gesammtvaterlandes genommen, und die Ursachen,
welche in dem südlichsten Gebirgslande so reges Geistesleben hervor-
riefen, nicht übergangen sind. Den Inhalt werden wir am besten
«lurch die Nennung der behandelten Dichter anschaulich machen: Leu-
told von Sehen (oder Seven), Waltram von Gresten, Geltar, Neune,
Rubeln Havvard, Walter von Metz, Friedrich von Sonnenburg, der
vielgewanderte letzte Minnesinger Oswald von Wolkenstein, defsen
Bedeutsamkeit für seine Zeit in den Litteraturgeschichten noch nicht
hinlänglich gewürdigt scheint, Sendlinger, Conrad (nicht Hans, wie
f)el Gervinus) Vintler, denen sich endlich die Volkslieder anschliefsen.
In Beziehung zu der eben erwähnten Abhandlung steht das Programm
desselben Staatsgymnasiums von ]852, indem es auch einen Antheil
Tirols an der deutschen Litteratur zur Anschauung bringt. Hr. Gym-
nasiallehrer Dr. med. Ad. PI c hier veröffentlicht hier nemllch das
mittelalterliche Schauspiel: Liidits de ascerisione domini (17 S. 4). Es
gehört dies zu den im Sterzinger Archiv von A. Jäger aufgefunde-
nen Schauspielen, welche dem Hrn. Herausgeber zu seiner mit Unter-
stützung der k. k. Akademie der Wifsenschaften erschienenen Schrift:
'Ueber das Drama des Mittelalters in Tirol' (Innsbruck 1850) Ver-
l'rogTamincii.scIiaii. 477
aiiiarsiinft {;egebcii. iMuls sclion an im<l für sich jede dcrnrllfie (inhe.
v\illkoiiiiiit!ii sein, ncil .sie eine nocli iinmer ni<lit f;eiiiif; Jinffieliellte
Seite des Geisteslebens im Mittelalter in ein deiitliclieres I^iciit setzt,
so verdient es namentlich das hier vollstiindi^ mit{;etlieilte Stück, da
es in Gedanken nnd .Sj>rache und in der Kinlachlieit der Anlage ei{;en-
thiiinliche Vorzüge besitzt. Der llr. Herausgeber hat zwar die Ortho-
graphie, wo sie allen Sprachgesetzen zuwider, geändert, scheint
sonst aber die Handschrift ganz getreu wiedergegeben zu hatten, we-
nigstens ist dem Ref. manches beim Durchlesen als Schreibfehler er-
schienen. — Recht i;iterersant ist die Abhandlung (VAcr 6'«(7/<e,v v/rA»7-
Icis, welche Dr. Klein im Programm des Gymnasiums zu Kmmerich,
I8ö() (19 S. 4) geli<'fert hat. Nachdem zuerst haiipisächlich aus Goe-
thes Briefen, besonders aus denen an Schiller, die Veranlafsuug, welche
den Dichter zur Achilleis getrieben, die Vorarbeiten, die er zu der-
selben gemacht, und die Art wie, nebst den Umständen, unter welchen
das Fragment gearbeitet ward, erörtert sind, entwirft der Hr. Verf.
mit geschickter Hand einen doppelten Plan, den Goethe befolgt haben
könne, wofür er natürlich die im ersten Buche niedergelegten Motive
nnd Aeufserungen des Dichters selbst als Angelpunkte benützt und
festhält. In einem dritten Abschnitt gibt er dann als Gründe, uarum
das Gedicht unvollendet geblieben an I) Vergreifung in der Wahl des
Stoffes, ^2) die Erkenntnis der Unnachahmlichkeit und Unerreichbar-
keit der llias, 3) den erneuerten Zug des Dichters zum Drama, na-
mentlich die Entwerfnng der natürlichen Tochter, 4) das Arbeiten
nach kritisch-theoretischen Grundsätzen, endlich 5) die vor der Aus-
führung gemachte IMittbeilung des Plans und Entwurfs , die dem Dich-
ter jedesmal das Fertigmachen verleitet habe. — Einem andern neu-
ern Dichter ist die Abhandlung im Programm des Gjninasiums zu
Brandenburg an der H. IHÖ'2 gewidmet, Stendener: Zur Jicur-
thciluiig von L. Vhlunds Dichtungen. Zwar ist ein grofser Theil
der Arbeit wegen indes eingetretener Versetzung des Verf. in ein an-
deres Amt skizzenhaft und unausgeführt geblieben, indes wird sie von
Schülern und sonstigen Verehrern des Dichters mit Interefse und
Nutzen gelesen werden. Die Hauptabsicht, denselben als einen de ut-
schen Dichter darzustellen, kann man als recht wohl erreicht ansehn.
Sehr glücklich werden die Stolfe, welche der Dichter zn Gegenstän-
den seiner Dichtung gewählt, in viei- concentrische Kreise gebracht,
deren gemeinsamen Mittelpunkt der heilige Heerd des Vaterhauses bil
det. Den innersten und ersten Kreis nehmen die Findrü<-ke der un-
mittelbaren Heimat ein, den zweiten die würtembergischen Gedichte,
den dritten, den reichhaltigsten, die den deutschen Heldensagen ent-
nommenen (Siegfrieds Sciuvert, der Rosengarten, der Schenk von
Ijimburg u. s. w.), die frei aus dem Volksleben geschöpften oder doch
aus deutschem Geiste geschaffenen, wie der gute Kamerad, der Ab-
schied, der Wirthin Töchterlein u. s. w. und die irgend einen Stan-
descharakter als Titel tragenden: .Täger, Schäfer, Hirte u. s. w,, den
vierten endlich die Gedichte ans nordischen und englischen Ueberlie-
fernngen. Auch die spanischen Romanzenlieder werden mit Uhlands
poetischer Natur in Zusammenhang gesetzt, weil die Völker, denen
sie angehören, romanisierte Germanen sind und überhaupt seit der
Völkerwanderung die schroffen Gegensätze zwischen den Völkern des
Abendlands fehlten, im Ritterthume al)er nnd in dem Bewiifstsein der
gemeinsamen alleinwahren Religion ein grofses gemeinsames Leben und
Streben gegeben war. Was in diesen äufsersten Kreis nicht hinein-
pafst, das betrachtet der Hr. Verf. entweder als der reinen gegen
alle Nationalität gleichgültigen Gedankenlyrik angehörig, wie zum
Theil die Sonette und Ottaven , theils als neutral, z. B. der antiken
478 Programmenscluui.
Welt, dem Gemelngute aller modernen Völker, entnommen. Die Ge-
dichte letzterer Art sind übrigens so gering an Zalil und so wenig
hervorstechend, dafs sie bei der Charakteristik des Dichters füglich
l)ei Seite gelafsen werden können. Aber nicht allein an den Stollen
weist der Hr. Verf. Uhlands deutsche Natur nach , sondern auch in
der Darstellung und Färbung, in der Staffage und in einzelnen Zügen,
in der Sprache, die öfters selbst durch den Wortlaut an deutsche
Volkslieder und ältere deutsche Poesie erinnere, und sucht den Lesern
die Einsicht näher zu bringen, worin die Festigkeit, Frische und
Klarheit begründet seien, die sie selbst schon an Uhland gefunden
und lieb gewonnen. — Die an die deutsche Nationallitteratur sich an-
knüpfenden paedagogischen und methodischen Fragen erörtert Dir. P.
F. Zingerle im Programm des Gymn. zu Meran am Schlufse des
Schuljahrs 185"2: Ucber die Zulässigkeit und Behandlung der Ge-
schichte der deutschen Nationallitteratur an den Gymnasien (10 S. 4).
Obgleich wir gegen manches "vom katholischen Standpunkte aus ge-
äufsertes Einwendungen zu machen hätten, so müfsen wir doch den
Eifer und Ernst des Hrn. Verf., so wie seine klare und durchdachte
Entwicklung und seine Kenntnisse anerkennen. Allerdings erfal'st er
nicht den Gegenstand in der Tiefe und erschöpft ihn auch nicht, son-
dern bekämpft nur einzelne Vornrtheile, Einwendungen und Befürch-
tungen, welche man gegen die Einführung der deutschen Litteraturge-
schichte als besondereu Lehrgegenstandes geltend gemacht hat, und
zeigt, wie namentlich die letzteren beseitigt werden können. Dafs
ein Gegenstand bildende Kraft besitzt und recht gelehrt grofsen und
vielseitigen Nutzen stiften kann, beweist noch nichts für seine Zu-
läfsigkeit im Gymnasium, da von jeder Wifsensihaft jenes sich be-
haupten läfst, es mufs seine Nothwendigkeit zu der in jener Anstalt
zu erzielenden Bildung bewiesen werden. Wenn deshalb der zweite
Satz des Hrn. Verf., dafs der Unterricht in der Geschichte der deut-
schen Nationallitteratur eben so berechtigt sei, wie der in jeder Ge-
schichte und namentlich in der vaterländischen , auch an und für sich
richtig ist, so beweist er doch nicht genug, weil man — denn zuge-
ben wird man wohl die Nothwendigkeit einer Kenntnis der vaterlän-
dischen Geschichte — dann seine Verbindung mit der letzteren , nicht
seine Abgesondertheit fordern mufs. Es kommt alles darauf an, wel-
che Kenntnis der vaterländischen Litteratur gefordert wird und wie
weit zu derselben Litteraturgeschichte erforderlich ist. Da nun einer-
seits nur das durch eigne Anschauung und Studium gewonnene in der
Gymnasialbildung Werth hat , andererseits dazu nur das dienen kann,
was selbst schon erkannt, mit dem zu kennenden in erkennbarem Zu-
sammenhange steht, so kann der Unterricht in der deutschen Littera-
turgeschichte nur den Zweck haben, das durch Leetüre gewonnene
zusammen zu fafsen, zu ordnen und unter sich, so wie mit dem an-
dersher bekannten in Beziehung zu setzen, so dafs allerdings die Ver-
ordnung des österreichischen Unterrichtsministeriums, wodurch in der
obersten Klafse das durch Leetüre in den drei vorhergehenden be-
kannt gewordene in eine Uebersicht zu bringen gefordert wird, als
das richtige treffend bezeichnet werden mufs. Deshalb können wir
es auch nicht billigen, wenn der Hr. Verf. in dem, was er über Äle-
thodik sagt, die Gegenüberstellung abweichender Urtheile empfiehlt,
da diese nur dann geistig und selbst sittlich bildende Kraft haben
kann, wenn der Schüler die Berechtigung oder die Haltlosigkeit zu
erkennen und das Urtheil mit dem beurtheilten zu vergleichen ver-
mag. Und wenn derselbe die Leetüre althochdeutscher Dichtungen
in neuhochdeutscher Uebersetzung gehandhabt wil'sen will, so können
wir davon keinen andern Nutzen sehen, als wenn Proben aus den
Prograinincnscliaii. 471>
allen Grieclieii nn<l Koiikm'ii in liclx-rsol/imficii vorgele^^L \ver<lcii, IkicIi
stens Aneiftniiiifi des Iiilialts, iii<-lit, Ki-mitiiis des LiU<"rii(iir\v<>rks. Doch
«las verinirstc, soll dein Hrn. ^"(M■f. nicht, zmu Voi'umle ficrciclion , dii
CS aurscrliall) seiner Aljsiclü, laji. J)er zuletzt ciuälinte Pnnkt l'iilirt
uns zu l{es|)reT-hiinf; eines anderen \\ i<;liti<i<'n l'rojiraniiiis : C) I a w s k y :
FjV. Maltli. /', 33 — / /, ](), rti/s dem f>olhisc/icn Tcjctc ins ISv.uImch-
(leutschc iibcrtrnfrcn mit einleitenden Vorbemerkungen (33 S. 4. Ijissa
1852). Der Hr. Verf. lej^t seU)st auf die Vorhenierknngen mehr Ge-
wicht, als auf den eif;entli<heM (iegensand, der denn aiKrh nur drei
Seiten einnimmt, Mohei allerdings zu hemerkeii ist, dal's der Druck
i\es Glossars we^en des l^aumes und der Kosten unterbleiben muste.
Wir unters(^lieiden die Leistunf;en rücksichtlich der Kenntnis <les Deut-
schen von denen dir die Methodik des Unterrichts. In ersterer }lin-
sicht finden ^^ir viele wichtige ljemerkun;:en (wir verweisen auf die über
''Schilder'' und "'Schilde' S. JS, über das Part. fut. |)ass., worüber die
schon in der Zeitsclir. für d. (r.-W. ].SJ() von dem Hrn. Verf. dar<;ele<rte
Ansicht wiederholt und ausgeführt wird, S. ]| f., über J)erivafion und
Composition S. 19, über die lateinische Wurzel (»ar, worauf auch
sepelio zurückgeführt wird, S. 21, und so noch viele andere). Die iiu
zweiten Theile der Vorbemerkungen v. S. 15 an gegebene Entwicklung
einiger Grundgesetze der deutscheu Sprachen ist recht geeignet den
Unkundigen in die Sache einzuführen, auch die Zusammenstellung des
gothischen Textes mit der neuhochdeutschen Uebersetzung nebst den
untergesetzten sprachlichen Bemerkungen kann Ref. nur als eine tüch
tige Leistung bezeichnen, indes überlal'.-en wir dies denen, welche des
Fachs kundiger sind als wir, und halten nns nur an die methodische
und paedagogische Frage. Des Hrn. Verf. Ansicht ist die, dafs das
Studium der altdeutschen Dialekte in das Gymnasium eingeführt wer-
den müi'se, weil ohne die Kenntnis jener die gegenwärtige Sprache
nicht zu begreifen und zu erklären, und ein gründliches Studium der
deutschen Literatur unmöglich sei, jenes Studium habe aber mit dem
Gothischen zu beginnen, weil auf dies liei allen gründlichen Erklärun-
gen zurückgegangen werden müfse. Ref. hat seine Ansichten über
diesen Gegenstand Bd. LVJII, S. 331 f. ausgesprochen. ])ie dort
geäufserte Befürchtung, dafs dadurch andere Lehrfächer beeinträch-
tigt werden würden, besteht im wesentlichen auch jetzt noch bei ihm,
indes sieht er sich genöthigt, möglichen IVIisverständnissen vorzubeu-
gen. Dafs die Ueberfüllung mit Lehrstunden und Lehrgegenständeii
und die dadurch l^ewirkte Verdrängung des Sell)studiunis durch An-
häufung von Wifsen einer der Hauptmängel unserer gegenwärtigen
Gymnasien sei und für die Bildung die naiditheiligsten Folgen habe,
ist eine Wahrnehmung, welche sicli immer weiter verbreitet und immer
lautere nnd entschiedene Aussprache findet. Wer es mit der Jugend gut
meint, darf dieser Stimme sein Ohr nicht verschliefsen , mufs viel-
mehr mit allen Kräften dahin arbeiten, dafs ein richtigeres Princip
an die Stelle des bisher geltenden gesetzt werde. Wenn daher ein
neuer Gegenstand des Studiums für das Gymnasium nicht allein em-
pfohlen, sondern gefordert wird, so ist die Frage wohl eine berech-
tigte: ob eine neue Beorderung an die Kräfte der Schüler gestellt wer-
den dürfe , wenn die übrigen alle bleiben und festgehalten werden,
um so berechtigter bei einem Gegenstande, der so ausgedehnt werden
kann, dafs sogar besondere schriftliche Arbeiten darin als Forderung
erscheinen (vgl. die Frage in der Zeitschr. f. d. Gymn.-AV. VIT, S,
89), und deshalb müfsen wir von jedem Lehrer, welcher eine derartige
Forderung stellt, verlangen entweder, dafs er zeigt welche P'ächer
wegzulafsen sind, damit an ihre Stelle der neue Unterricht als frucht-
barer und bildender treten könne, oder dafs er den Nachweis liefert,
48p Programmenschaa.
■wie ohne eine erhöhte Anstrengung der Kräfte der geforderte Zweek
erreicht werden könne. Indes können wir beide Forderungen nach-
sehn, wenn die Nothwendigkeit eines Unterrichts mit ganz überzeu
gender Gewisheit dargethan wird, weil dann von selbst die Noth\>en
digkeit der Eriiiäfsigung anderer Forderungen oder der gänzlichen Be-
seitigung anderer Fächer einleuchtet, und so sehn wir denn auch in
dein vorliegenden Falle davon ab und beschränken uns auf die Frage,
ob und wie weit Unterricht in den altern deutschen Dialekten im
Gymnasium nothwendig ist. Dafs diese nicht aus gleichem Grunde
und in gleicher Weise auf den Gymnasien getrieben werden können,
wie die alten klassischen Sprachen wir reden hier nur von sprach-
licher Bildung in engerem Sinne — ist so einleuchtend, dafs darüber
gar nicht weiter gesprochen Averden daif, und es kann deshalb nur die
Frage sein, ob zu dem, was der Schüler in Hinsicht auf seine Mut-
ters|)rache erreichen soll und mufs, die Kenntnis der älteren Ent-
wicklungsstufen unumgänglich nothwendig ist. Ref. ist von der Wich-
tigkeit der historischen Sprachforschung und Grammatik durch und
durch überzeugt und räumt ihr deshalb einen gebührenden Einflufs
auf Schule und Unterricht ein. Aber der Zweck der Gynuiasialbil-
dung schliefst die Einsicht in den historischen Entwicklungsgang der
Sprache aus. Da in derselben nur das Werth und Kraft hat, was
durch eigene Anschauung und Uebung gewonnen und angeeignet wird,
jene Einsicht aber auf diesem Wege und in so kurzer Zeit nicht er-
reicht werden kann, so ist eine solche Forderung als übermäfsig so-
fort abzuweisen, wenn man nicht blofses Gedächtnis- wifsen mit Ein
sieht verwechselt. Dafs die Fertigkeit im Gebrauche der IMutter-
sprache, welche von dem Abiturienten gefordert werden mufs (vgl.
unsere Bemerkungen a. a. O. S. 329), ohne Zurückgehn auf die älte-
ren deutschen Dialekte erreichbar ist, wird durch die Erfahrung aufser
allen Zweifel gesetzt. Es kann Jemand selbst INIeister der Darstel-
lung in der Muttersprache sein, ohne ihre historische Entwicklung
zu kennen, und dieselbe richtig verstehn und brauchen, ohne erklären
zu können, wie diese oder jene Form entstanden und geworden. Es
ist z. B. an und für sich gleichgiltig, ob man weifs, dafs ^ich darf
eigentlich ein Praeteritum war, da es die jetzige Sprache als Praesens
behandelt. Ref. hätte deshalb auch gewünscht, dafs sich der Hr.
Verf. nicht auf die Römer berufen hätte, um uns die historische
Kenntnis unserer S])rache zu empfehlen , da jene sich gar nicht ge-
schämt haben, ihre Unkenntnis der alten axamenta einzugestehn (Hör.
Ep. H, I, i^G; Quint. [, 6, 40). Dafs der Schüler alle Formen er-
klären könne, diese Forderung wird auch in den übrigen Sprachen
nicht erfüllt und nicht gestellt. Oder geht man im lateinischen Un-
terrichte auf die alte Sprache zurück, bezeichnet man nicht Reste
derselben schlechthin als Ueberbleibsel , ohne auf das Gesetz der Ent-
wicklung hinzuweisen, begnügt man sich nicht damit den Sprachge-
brauch nachzuweisen ohne ihn zu erklären? Und betraclitet man im
griechis<dien nicht den attischen Dialekt als den Kern und Mittelpunkt
(vgl. Bd. LXV S. 84) und wenn man auch auf Homer zurückgeht,
werden die Mittelglieder und die Gesetze, nach welchen die Umwand-
lung der Formen vor sich gegangen, im Unterrichte gezeigt und dar-
gelegt? Man hat dies wohl hier und da gefordert, aber die Praxis
hat sich mit Recht dagegen gestemmt. Also P^inslcht in den histori-
schen Entwicklungsgang der Sprache ist an und für sieh eine For-
derung, die auf dem Gymnasium nicht erfüllt werden kann, und sie
ist nicht nöthig , um das zu erreichen, was in Bezug auf das Neuhoch-
deutsche gefordert werden mufs. Damit ist eben so wenig abgewie-
sen, dafs die Ergebnisse der historischen Spra( hforschung in dem
grammatischen Unterrichte als riclitenil und bedingend freliiihreiule
Beriicic.sichtigung finden, als der [Jnterriclit in den älteren deutschen
Sprachen vom (Jymnasium ausgeschlofsen, nur ein Zweck, um deswil-
len er empfohlen wird, ist damit geliiui^net , bei allen paedagogischen
Gegenständen ist aber der Zweck, um dessen willen eine Sache ge-
trieben wird, mafsgebend für die Methode. Ks gibt zwei andere
Gründe, welche das Studium der altern deutschen Dialekte für das
Gymnasium wünschenswerth, ja fast nothwendig machen, üer erste
ist die Kenntnis der deutsclien liitleratur. Wenn die Behauptung auf-
gestellt worden ist, die griechischen und römischen Schriftsteller,
stehen uns näher, als die Dichter des deutschen Alittelalters, so hat
man damit etwas sehr wahres getrollVn; denn factisch haben auf un-
sere gegenwärtige Bildung die alten Klassiker mehr EinHufs geübt,
als die deutschen Dichter des Mittelalters, und es ist demnach nicht
den Schulen, wie der Hr. Verf. zu tliun geneigt ist, ein Vorwurf
daraus zu machen , wenn sie die letztern vernachläisigten. Aber wir
haben uns zu besinnen begonnen. Das Wiederaufleben jener herrli-
chen Blüteperiode unseres Volkes vor unserer Anschauung ist mit
Recht als eine Nothwendigkeit erkannt worden , nicht allein damit
unser Nationalbewulstsein durch die lebendige Erinnerung einer
grofsen V^ergangenheit gestärkt und gekräftigt werde, sondern auch
damit die ureignen herrlichen Eigenschaften des Volksgeistes in uns
wieder Wurzel und Gedeihen finden. Längst hat dies Bedürfnis An-
erkennung gefunden, längst hat man zu seiner Befriedigung die Schu-
len als das geeignetste Mittel in Anspruch genommen, aber nachdem
man sich erst auf den Weg des todten Wiisens in der Litteraturge-
schichte verirrt, ist man nun endlich auf das paedagogisch einzig
richtige Princip zurückgekommen, dafs Lesung der Dichter selbst das
einzige Mittel sei, das fruchtbare und befriedigende Bekanntschaft
mit jeuer Vergangenheit unseres Volkes herbeiführen könne. Wir wei-
sen die Rücksichten auf den praktischen und wifsenschaftlichen Beruf
des Theologen und des Juristen zurück, weil diese nie für die Gym-
nasien mafsgebend sein können und dürfen, aber unsere ganze Bildung
erheischt jene Wiedererweckung. Von der Ansicht , in der einmal be-
fangen gewesen zu sein Ref. jetzt bereut, dafs man blofs Proben von
jenen Dichtern vorzulegen brauche, ist man wohl jetzt allgemein zu-
rückgekommen. Auch bei ihnen ist ja die Form so wesentlich, dafs
man nur mit ihr und durch sie eine wahre Kenntnis jener Dichter ge-
winnen kann, um nicht von dem sittlichen Nachtheil zu sprechen,
den der Glaube an ein Verstehen, wo davon nicht die Rede sein kann,
bringt. Zunächst wäre damit nur die Nothwendigkeit der Beschäfti-
gung mit der mittelhochdeutschen Sprache gegeben, denn, was man
auch sagen mag, die älteren Erzeugnisse der deutschen Litteratur ha-
ben mehr ein geschichtliches, als ein unmittelbar bildendes Interesse.
Es tritt aber ein zweiter Grund hinzu. Die Sprachwifsenschaft ist in
unseren Tagen auf eine Weise ausgebildet worden, dafs sie der Schule
nicht fern stehend bleiben kann. Indem wir dies aussprechen, stellen wir
uns keineswegs auf den Standpunkt derer, welche die Anfänge jeder
Wifsenschaft, welche für unser Leben Bedeutung gewonnen hat, auf
das Gymnasium bringen wollen, sondern wir halten uns daran, dafs
die Sprache als Bildungsmittel anerkannt ist, und zwar weil sie die
eigenste und unmittelbarste sinnlich wahrnehmbare Schöpfung des
Geistes ist. Dafs dieselbe etwas gewordenes und gebildetes ist, kann
dem, welcher sich mit Sprache beschäftigt, nicht unbewufst bleiben,
dafs aber bei der Bildung derselben nicht Willkür, sondern Gesetz
obgewaltet hat, das hat erst die neuere Wifsenschaft in helles Licht
gesetzt. Soll und darf nun davon eine Anschauung dem wifsenschaft-
482 Progframmeiiscliau.
lieh Gebildeten fehlen? inul wo kann eine solche belser gewonnen
werden, als an der Mntterspraciie ? Wir ver!anf2,en also nicht Einsicht
in den historischen Entwicklungsgang der »Sprache, wir verlangen
nicht Vorbildnng des künftigen Sprachforschers, nein, nur eine An-
schauung von Entwicklungsstufen, welche die Muttersprache gehabt
hat, ehe sie zu ihrer gegenwärtigen Gestalt gelangt ist, und dadurch
ein JJewufstsein von der schöpferischen Kraft und Thätigkeit des Gei-
stes. Dafs dabei das iVIittelliociideutsche nicht ausreicht, sondern auf
das Althochdeutsche und Gothische zurückgegangen werden müfse, da-
rüber sind wir mit dem Hrn. Verf. Verf, und mit R. v. ilaumer ein-
verstanden, eben so wie darüber, dafs dieser Unterricht erst in der
obersten Stufe des Gymnasiums statt finden könne und dürfe. Wir
stimmen aber um so mehr dafür, als man dann dem grammatischen
Unterrichte in den unteren Classen eine Gestalt geben kann oder zu
geben bereitwilliger sein wird, die den Forderungen einer gesunden
Paedagogik entspricht. Wie steht es nun mit der Uefürciitung, wel-
che wir vorausgestellt hatten? Werden wir nicht unseren Grundsätzen
und Principien untreu, indem wir der Einführung eines neuen Unter-
i-ichts im Gymnasium das Wort reden? Wir finden allerdings darin
eine nm so dringendere Aufforderung den Sprachstudien in den obern
Classen einen freieren Raum zu gewähren, in der That aber ist auch
die Zeit für ihn gegeben, wenn man die viele Theorie, Poetik, Rhe-
thorik, Stilistik, und die Litteraturgeschichte als abgeschlolsenen
Lehrgegenstand, wie sie jetzt auf den Lectionsplänen figurieren, hin-
auswirft und an ihre Stelle diesen Unterricht setzt, wofür R. v. Rau-
mer in seinem von uns öfter erwähnten Aufsatze so treffiithe Winke
gibt. Freilich wird aber auch hier rechte Methode eine Hauj)tsache
bilden. Man vergefse ja nicht, dafs es hier nicht auf Fertigkeit und
Aneignung einer fremden Sprache abgesehn sei , sondern nur auf an-
schauende Vergleichnng früherer Entwicklungsstufen der Mutterspra-
che mit der gegenwärtigen. Wird der Unterricht auf rechte Weise
ertheilt, dann wird auch die liefürchtung einer Abziehung und Ab-
lenkung der Schüler A'on dem eigentlichen Mittelpunkte seiner Thätig-
keit, dem Studium der Alten, als grundlos widerlegt werden. Ref.
ist also mit dem Hrn. Verf. in den wesentlichsten Punkten einver-
standen und, wo er seinen Ansichten entgegengetreten ist, hat er dies
mit der Absicht gethan, die Sache selbst durch Abscheidung von nicht
lialtbarem zu fördern.
Den auf deutsclie Sprache und Litteratur sich beziehenden Pro-
grammabhandlungen schliefsen wir an: Beda Piringer: Ucbcr JVc-
sen lind licdcutung der Poesie, Kremsmünster 1851 (20 S. gr. 4).
Die Abhandlung ist mit viel Geist und grofser Belesenheit geschrie-
ben , wenn schon die letztere öfter zu Anbringung eines Citates ver-
leitet, wo ein solches überflüfsig oder nicht ganz trelfend ist. Das
Wesen und der Ursprung der Poesie werden im ganzen richtig er-
kannt und nur etwas zu eng auf die Auffafsung von gegebenem be-
schränkt. Nicht ganz genügend finden wir auch die Nachweisung im
Leben ganzer Völker, da hier namentlich das Heidenthum fast als eine
ganz natürliclie Bildungsstufe , nicht als eine P>ntfremdung von Gott,
als Verlust <1er wahren Erkenntnis und falscher vergeblicher Versucii
sie wieder zu finden erscheint. Trotzdem können wir die Abhandlung
nur loben und empfehlen und mögen auf dns berührte uui so weniger
Gewicht legen, als die Sache auf dem beschränkten Räume zu er-
schöpfen als unmöglic'h erscheint.
Wir lafsen einige Programme geschichtlichen Inhalts folgen: Die
Vcbcrsicht der staatlichen Gestaltung Europas seit dem Uvlerga7if>e
des ircslrUmischcn Reiches bis gegen die MiKc des 7. Jahrhunderts.
l'rüi>ramiucnscliiiii. 4'<,'J
Von Prof. Dr. K. S. Sieb er (Salzburg 1852. JI S. gr. 4) ist <]arauf
berechnet den 8ohülorn anscliaiilich die Vollmer, weiche im Besitze der
einzelnen Länder Kiiropas in der f;;enannten Zeit einander ablösten
oder sich behaupteten, vorzuführen und erfüllt diesen Zweck recht
gut, hat auch den Vorzug vor manchem Jjehrbuch, dafs auf die sla-
vischen und übrigen östlichen Völker, besonders unter IJenutzung
Schaü'ariks, mehr Rücksicht genommen ist. Zu einer klaren Anschauung
der Völkerwanderung werden freilich die Schüler dabei niciit gelangen,
da der Zeitraum zu eng begrenzt und der Zweck nur auf die einzelnen
Länder gerichtet ist. Von den Veranlafsungen der einzelnen Wande-
rungen und deren Zusammenhang konnte da natürlich k<>ine Rede sein.
Wifsenschaftlichen VVerth müfsen wir zuerkennen der Abhandlung des
Oberl. Pieier: Bruno I, Erzb'tscliof von C'öln (Progr. d. Gymn. zu
Arnsberg liSöl. 38 S. 4). Die allgemein anerkannte Bedeutsamkeit der
Regierung Ottos I und der vielseitige tliätige Antheil, den Bruno an
den verwickelten Angelegenheiten genommen, lafsen den Gegenstand als
einer besondern Darstellung würdig erkennen, und um so mehr als die
Wirksamkeit eines Mannes sich nur dann recht begreifen läfst, wenn
alle Züge derselben zusammengestellt werden und daraus die Grundzüge
seines Charakters hervorspringen. Der Hr. Verf. hat zu dem Gegenstande
jene Liebe mitgebracht, welche zur tüchtigen Behandlung nothwendig
ist (dieselbe erscheint zuweilen eher etwas zu grofs, wie wenn Bruno
954 als der eigentliche Retter des Reichs dargestellt wird, als wel-
cher doch immer Otto selbst gelten mufs, so hoch man auch die Ver-
dienste des Bruders zu stellen hat). Gewifsenhafte und vorsichtige
Benutzung der Quellen verleiht, verbunden mit einer fliefsenden und
lebendigen Trockenheit wie Ueppigkeit gleich verschmähenden Dar-
stellung, der Schrift die beste Empfehlung. Dafs der Hr. Verf. man-
ches speciellere seine Heimat betreffende ausführlicher behandelt (z.
B. die Geschichte von Soest) , erscheint als ganz natürlich. Bei der
Darstellung des kirchlichen wird allerdings der protestantische Leser
manches anders fafsen und zurechtlegen, doch stört dies den Eindruck
um so weniger, als der Hr. Verf. sich immer streng auf die alleinige
Darstellung der Thatsachen beschränkt. — Bekanntlich hat man die
Fällung der heiligen Eiche durch Bonifacius, welche Willibald (Pertz
Mon. H) als bei dem Orte Gaesmere vorgefallen eizählt, nach dem
Dorfe Geismar verlegt und den bei Heiligenstadt liegenden Staufen-
oder Hülfensberg damit in Verbindung gebracht, indem man gesagt,
derselbe habe seinen Namen von dem durch den Apostel der Deutschen
gestürzten Götzen Stuffo und einer Aeul'serung Karls des Gr. über die
That, dafs dabei nur Gott geholfen. In dem Progr. v. Heiligenstadt
1852 nun hat Gymnasiallehrer H. Wald mann {Kirchen geschichtliche
Untersuchungen. I. Der Hülfensberg rind Geismar. 51 S. 4) diesem
Gegenstande eine kritische Untersuchung geAvidmet, die im wesent-
lichen mit Wolf (krit. Abhandlung über den Hülfensberg. Göttingen
1808) das gleiche Resultat gewinnt. Es wird nämlich ausführlich und
überzeugend dargethan, dafs der Hülfensberg bis 1350 kein W'allfahrts-
ort war, kein älterer Schriftsteller von demselben etwas weifs, und
erst spätere, ziemlich unkritisciie Schriftsteller die oben berührte Ge-
staltung der Erzählung haben, dafs von einem deutschen Gotte Stulfo
nirgends etwas sonst vorkommt und er wahrscheinlich unter die vie-
len aus neuern Namen erdichteten altdeutschen Götter gehöre, der
Name Staufenberg aber wahrscheinlich von einem vorbeifliefsenden
Gewäfser herrührt. Sehr interessant ist die Nachricht, dafs seit dem
14. Jahrhundert in ganz Norddeutschland namentlich bei Pestfällen ein
christlicher Heiliger 'Sente Huipe oder Hülpe (Hilfe)' verehrt wurde,
auf den jedesfalls der Name Hülfensberg zurückzuführen ist. Freilich
484 Prooframmenschau.
bedarf dieser Märtyrer, wie auch die heilige WUnefortis, und das
Kruzifix zu Lucca, Suiite Hulpe genannt, noch einer aufklärenden
Untersucluing, indes wird an dem Resultate wenig geändert werden
können. Wo aber jener von Willibald erwähnte Ort Gaesmere zu
suchen sei , dies ist allerdings eine weitere Aufgabe der F^or-
schung. Uebrigens bietet die Abhandlung, in der man nur hier
und da eine geglättetere Sprache wünschen möchte, auch man-
che nicht unmittelbar zum Gegenstande gehörige , aber zur Ver-
gleichung herbeigezogene Notiz und gibt von umfänglichen und griind-
lichea Studien das beste Zeugnis. — An etwas' specieli iocales
knüpft allgemein interessante Resultate an: Witz s che 1: Ucbvr den
Sommcr^cwinn in FAsenach (Programm 185'2. 14 S. 4), über welche
Abhandlung wir nach dem Berichte eines geehrten Mitarbeiters refe-
rieren: 'Das noch immer in Eisenach und Umgegend am Sonntage Lae-
tare gefeierte Volksfest, 'der Sommergewinn' genannt, gehört nach
des Hrn. Verf. Untersuchungen zwar der im Mittelalter fast allgemei-
nen Sitte der Feier des Frühlingsanfangs an (darüber werden inter-
essante Erörterungen angestellt), erscheint aber identisch mit dem in
Dresden, Meifsen, Gera, Jena, einigen Schwarzburgischen Orten und
Frankenhausen bis zu Ende des vorigen Jahrhunderts gefeierten 'Tod-
austragen % welches durch die in Böhmen, Schlesien und der Lausitz
bestehenden Gebräuche, sich als aus der slavischen Sitte mit dem
Anfange des Jahres (im März) zugleich das Andenken der verstorbe-
nen zu feiern entstanden herausstellt. Der Hr. Verf. ist denn über-
zeugt, dal's auch der Sommergewinn zu Eisenacli slavischen Ursprungs
und unmittelbar durch Slaven selbst dahin gebracht worden sei. Die
Abhandlung bietet demnach einen sehr wichtigen Beitrag für die Er-
forschung der vaterländischen Urgeschichte und der altdeutschen
Volksfeste und man mufs wünschen, dafs die alterthumsforschenden
Vereine der Osthälfte Deutschlands auf diese solide Arbeit Rücksicht
nehmen und die hier begonnene Sammlung derjenigen Orte, an denen
das behandelte Fest früher gefeiert wurde oder noch jetzt gefeiert
wird, vervollständigen, um sodann weitere Untersuchungen über die
slavischen Colonien im Herzen Deutschlands und über den Eintiufs des
Slaventhnms auf die germanischen Stämme anzuknüpfen.' — Auch
über ein ferneres, einen speciellen Gegenstand der deutschen Geschichte
angehendes Programm, K ölst er: Von den Schlössern und üöftcn des
alten DU hmar sehen. Erster Theil. (Meldorf 1852. 29 S. 4. Der
zweite Theil soll dem Vernehmen nach im nächsten Programm folgen)
berichten wir nach einer uns zugegangenen Mittheilung: 'Der Hr.
Verf. hebt zuerst hervor die Wichtigkeit und Bedeutung Aleldorfs als
Haupt[)unktes des alten Dithmarschens , wozu es seine Lage auf einer
Geestinsel in der Nähe der Wafserstrafse besonders geeignet machte.
Den Namen Dithmarschen leitet er im Gegensatze zu Waitz (Gesch.
Schleswig-Holst. I S. 40) von den grofsen Niederungen in seinem In-
nern ab, da das deutsche Wort mari, meri (nach einer brieflichen
Mittheilung von Prof. Müllenhof in Kiel) nicht die ursprüngliche Be-
deutung 'Meer' habe, sondern nur Meer, insofern es flaches Ufer-
land bedeute, daher auch Sumpf, so dafs der alte Landesname
Thiodmari oder Diotmeri so viel als grolse IMarsch, Volksmarsch. Die
Beschatlenheit des Landes rechtfertigt diese Namensherleitung, da sich
fünf ungeheure Niederungen oder Wiesenländereien in demselben be-
finden, von denen drei gegen 12(K)0 Morgen, die beiden übrigen nicht
viel weniger enthalten. Diese beiden letzten, zugleich die Grenzdi-
stricte Dithmarschens, werden nun in dem folgenden Theile der Ab-
handlung näher beleuchtet, so wie an die zwischen den 5 Niederun-
gen in Gestalt einer Reihe von Halbinseln liegende Geest interessante
Proffranimcnscliaii. 485
Bemerkungen über das alte Kiderbolte imd die früher so reichen und
ninfafseiiden Waldungen in ein/eliieii Tlieilen des Ländchens ange-
knüpft. Zn diesen ursprünglichen IJe.standtheilen kam nun seit dem
11. Jahrhundert noch die Marsch, zuerst in einer Urkunde von 1140
erwähnt. Die zum Schutz derselben erbauten Deiche entstanden viel-
leicht gleichzeitig, wenn sie gleich erst im Jahre 12S7 zum erstenmal
erwähnt werden. Die («estalt der Marsch verdeutlicht der Aufsen-
«ieich (der Abhandlung ist eine Karte Dithmarschens beigegeben), nur
war er wohl ausgedehnter als heutzutage, im Winter ein Tummelplatz
der Seevögel, im Sommer eine vortreftiiciie Weide für die zahlreichen
Heerden der Einwohner. Um Walser zu erhalten muste man Cister-
nen graben, welche man zinn Schutz gegen Ueberschwemmung durch
die Sturmfluthen mit einem Deiche umgab. Diese Deiche wurden s|)ä-
ter höher und stärker angelegt, Häuser darauf erbaut und so fingen
die Marschen an den Menschen zu Wohnsitzen zu dienen. Solche
Steilen hiefsen Wurthen, gleichsam inselartige Punkte für die An-
lage von Dörfern in ältester Zeit. Immer meiir wuchs die Zahl die-
ser Wurthen, immer mehr deren Bevölkerung. Der Hr. Verf. weist
nun die Richtung des Deiches, der von einem Wurth zum andern ge-
schlagen wurtle, um sie miteinander zu verbinden, näher nach. Dith-
marschen wurde nach dieser Schilderung von Holstein im Osten gänz-
lich getrennt, die Walserstrafse bildete seinen bequemsten Communi-
cationsweg , so dafs es nahe lag, es mit den am andern Eibufer lie-
genden Elbinseln zn einer Grafschaft der beiden Eibgestade zu ver-
binden, deren Hauptstadt Stade Avar. Darauf geht der Hr. Verf. zu
den Regierungssitzen oder Burgen über, deren es drei gab, Burg,
Stelle und Lunden. Die Böckeinburg wird zuerst 1032 erwähnt zur
Zeit des Einfalls des Obotritenfursten Gottschalk. Näheres ist über
ihre Gründung nicht bekannt. Die Gegend , in welcher sie lag , war
damals reich an Waldungen, der Ort selbst stark befestigt. Nach
dem Erlöschen des Grafenhauses kam das erledigte Lehen an das Erz-
stift zu Bremen , dessen Erzbischof der Bruder des letzten Grafen war,
indes setzte Heinrich der Löwe einen Grafen Reinh(dd über das Land,
welcher die Stellerburg (Burg Stelle) erbaute. Der dithmarsische
Adel zerstörte diese wieder. Während der Fehden nach dem Sturze
Heinrichs des Löwen machte der Erzbischof Siegfried von Bremen das
Recht seines Erzstifts wiederum geltend. Die Dithmarschen aber, von
den Erzbischöfen bald bedrückt, warfen sich 1187 dem Bischof Wal-
demar von Schleswig in die Arme, musten sich aber nach dessen Sturze
der harten Herschaft des Erzbischofs wieder beugen, bis um 1200 das
Land dem dänischen Könige Waldemar II unterthan wurde. Dieser
gründete zur Abwehr deutscher AngriiTe eine Burg, zu Lin genannt.
Dies ist ohne Zweifel der noch jetzt blühende Flecken Lunden in der
Nähe der Eider, dessen Lage sich zur Anlegung einer Burg ganz vor-
trefflich eignete. Bald aber verschwand die neue Anlage sogleich mit
dem Sturze Waidemars des Siegers und dessen Gefangenschaft in der
blutigen Entsc-heidungsschlacht bei Bornhövede, wo ihn die Dithmar-
schen verlielsen. Nun wurde die Herschaft des Erzstifts wieder her-
gestellt und zum Segen für das Land dessen Beamte aus den Landes-
kindern genommen. Vögte standen fortan an der Spitze der Verwal-
tung, daneben ein deputierter Rath (coiisulcs) und die Gemeinde (uni-
versitas terrae Ditmarsiae). Die Verhandlungen waren Öffentlich und
standen unter der Controle des Volks. Der Vogt, anfänglich einer,
war ein angesehener Mann; später waren ihrer fünf. Ueber die dem
Vogte zustehenden Befugnisse fehlt es an zuverläfsigen Nachrichten,
doch gewis ist, dafs er in Angelegenheiten und Verhandlungen mit
auswärtigen Fürsten das Land vertrat. Die ritterbürtigen Geschlech-
486 Programmenschau.
ter waren im Lande zahlreich, wurden aber durch innere Unruhen
und auswärtige Kämpfe sehr vermindert. Die Stadgevere, der Rath,
wurde aus den angesehensten Familien genommen, wahrscheinlich 48
an der Zahl. Schliefsllch bespricht der Hr. Verf. noch die Distrlcts-
eintheilung des Landes. Es gab fünf Districte, D öffte genannt, oder
nach dem im dithmarsischen Landrechte üblichen Ausdrucke Duffte
(in der Wilstermarsch noch jetzt Duchte, dort meist von geringem
Umfang, so dafs mehrere Dorfschaften in der Regel einen Ducht bil-
den). Obgleich noch manche Unsicherheit dabei obwaltet, so ist doch
die Zahl fünf, als der der Vögte ganz entsprechend , nicht zu bezwei-
feln. Der Fortsetzung der interessanten Abhandlung sehen wir mit
Verlangen entgegen.'' Der am '2b. März gefeierte I50ste Jahrestag der
Besitzergreifung in der Grafschaft IMörs und Stadt Crefeld durch die
Krone Preufsen hat dem Rector der hohem Stadtschule zu Crefeld
Dr. A. Rein Veranlassung gegeben in der Einladungsschrift zur Schul-
feier zu veröffentlichen: Urkunde Hermanns, Grafen von Neuenar
und Mlirs, über die Markt- und Stadtrechte von Crefeld nebst den
Vergleichungs- und Bestätigungsurkunden der Kaiser Karl IV und
Maximilian 11 aus den Jahren 1361, 1373, 1570 und lö7J. Das Ori-
ginal der hier mitgetheilten Urkunde befindet sich in dem städtischen
Archive in Crefeld. Hr. R. hat sie mit den im Archive zu Düsseldorf
befindlichen lateinischen Originalurkiiuden des Kaisers Karl IV ver-
gliciien und eine sehr getreue Uebersetzung des lateinischen Textes
und einige zweckmäl'sige Anmerkungen hinzugefügt. Für die Ge-
schichte des deutschen Städtewesens ist die Gabe nicht ohne Werth.
— Als sehr interessant bezeichnen wir: Tirols Antkeil am venedigi-
schen Krieg zur Zeit Kaiser Maximilians vom Jahre 1507 — 1517. Ur-
kundlich dargestellt \o\\ Prof. Th. Mairhofer (Programm, ßrixen
]85"2. 43 S. 8). Zu Gebote stunden dabei eine in der Bibliothek des
Stifts Neustift sich befindende Chronik des Jörg Kirchmayr von
Ragen (1522—1553 Hofrichter von Neustift. 88 Blätter Folio) und
das überaus reichhaltige fürstbischöfliche Hofarchiv zu Bx'ixen. Der
Hr. Herausgeber verfährt so, dafs er den betreuenden Abschnitt aus
Kirchmayrs Chronik abdruckt und in Anmerkungen aus dem Archiv
Erläuterungen und Ergänzungen dazu gibt. So weit wir die Sache
beurtheilen können, ist der Abdruck jener ein buchstäblich genauer,
mindestens sind manche offenbare Schreibfehler nicht berichtigt. Der
Stil kann von der damals herschenden Unbeholfenheit Zeugnis geben.
Für die Geschichte haben die Mittheilungen unbezweifelten Werth
und wird niemand, welcher jene so verwickelte und freilich durch ihre
Resultate so niederschlagende Zeit gründlich kennen und beurtheilen
will, dieselben ohne wesentliche Förderung benützen. Ganz besonders
interessant ist dem Ref. die seinem Wifsen nach noch nirgends so ge-
gebene Rede des Kaiser Maximilian an die aufrührerischen Söldner
(^ des Ich warhaft geschrifte gesehen.' S. 38 f.). Aus den Anmerkun-
gen wird man namentlich recht inne, woraus eigentlich der Jammer
der Zeit in politischer Hinsicht hervorgieng, aus der Unmöglichkeit
bei den noch bestehenden Formen und Verhältnissen des Mittelalters
den neuen Anforderungen zu genügen , und wie dadurch nicht blofs in
den Verhältnissen der hohen, sondern auch der niedern der beste
Wille und das ehrenhafteste Bestreben gehemmt ward. Wenn auch
der Gegenstand nicht mit den grofsen Weltbegebenheiten in Verbin-
dung steht, erwähnen wir doch hier der Biographie: Marx Weiser,
Sladtpfleger der freien Reiehsstadt Augsburg , welche in dem Pro-
gramm der Kreisgewerbschnle für Schwaben und Neuburg 1852 Hr.
M. Schätzler veröffentlicht hat (15 S. 4). Das vielseitige Wirken
des mit eben so vieler Grazie und Eleganz der Darstellung, wie mit
ProgTammenscIiati. 4^7
ernstem .sitlli<-liem Stiebea aii.sp,erii.steteii Mamies, welclier den Ge-
.scliiclitsforsclipiii und AlteitluiinsrrciiMdcüi (sclion «lurcli die Her;uis<;abc
der Peuün^erisehen Tafel) wtdil liekannt ist, der CJegeiiwart lebendig
vorzuführen, war {;ewis verdienstlich, je seltener in unserer Zeit der-
gleichen Männer, die in wichtigen j)olitisclien und andern Geschäften
und Aeintern die aufopferungsfällige Begeisterung für die Wifsenschaf-
ten und Künste zu wahren wifsen , zu finden sind und je mehr unsere
Zeit des Vorhaltes bedarf, dafs durch gründliche Alterthumsstudien
die beste Vorbereitung für ein vielseitiges thätiges und jiraktisches
Wirken geboten werde. Der Hr. Verf. der vorliegenden Sihrift hat
seine Aufgabe recht gut erfüllt und manches in den frühern liiogra-
phien von Melchior Adam und Arnold erhaltene irthümliche aus Veiths
Bibliotheca Augustana berichtigt.
Wir schliefsen hieran zwei auf Geographie bezügliche Programme.
Der Abhandlung: Altgricchcnland ^ chorographiscfi darf^cstcllt. Vom
Oberl. Dr. Pfefferkorn (im Programm von Königsberg in d. N.
1852. l-i S. 4. Die Fortsetzung wird versprochen. Die mitgetheil-
ten ,^§. handeln: 1) Name; 2) Lage, Gröfse, Grenzen; 3) Boden und
Gebirge; 4) Meer, Meerbusen, Meerengen; 5) Landseen, Flüfse, Ka-
näle, Quellen; 6) Klima und natürliche Produkte) wollen wir Fleifs
nicht absprechen, können derselben aber keinen Werth zuschreiben.
Neben manchen unsichern und unhaltbaren Behauptungen wird der Ge-
lehrte nichts finden, was ihm nicht schon anderswoher bekannt wäre,
für den Schüler aber findet sich einerseits manches überflüfsige , an-
dererseits aber mangelt die Uebersichtüchkeit. Die allgemeine Erd-
kunde, von dem Gymnasiallehrer Dommerich im Progr. des Gym-
nasiums zu Hanau 1852 verölTentlicht (67 S. 8), nennen wir nur ohne
eingehende Beurtheilung, da sie ein Theil eines gröfsern Werks ^Lehr-
buch der vergleichenden Erdkunde in drei Lehrstufeu' ist, welches
eine besondere ausführlichere Bespi-echung finden wird. R. D.
Auszüge aus Zeitschriften.
Göttin nischc gelehrte Anzeigen, unter der Aufsieht der Königli-
chen Gesellschuft der Jfissenschaften. Jahrgang 1852. Nr. 12. 13.
Alb recht Weber: indische Studien. 2r Bd. Is und 2s Heft (Berlin
1851), sehr empfehlende Anzeige von Th. Benfey. = Nr. 20. 2L
George Dennis: the cities and cenieteries of Etruria, 2 Voll. (Lon
don 1848) und G. Dennis: die Städte und Begräbnisplätze Etruriens,
deutsch von N. N. W. Meifsner, le Abth. (Leipzig 1852), aner-
kennende Anz. von Fr. Wiesel er. — Nr. 24. 25. T. Beranke:
Lehrbuch der höhern Mathematik (Hannover 1851), Anz. von Schnu-
se. — Nr. 28. 29. I. Ph. Fletcher: narrative of a two years' re-
sidence at Niniveh and travels in Mesopotamia, Assyria and Syria,
second edition (London 1850), tadelnde Anz. von H. E(wald). —
Nr. 33 — 35. Monumenti antichi inediti posseduti da Raffaele Barone, ne-
goziante di antichitä, con brevi diluzidazioni di Giulio Minervini.
Vol. |)rimo (Neapel 1850), anerkennende Anz. von Fr. Wieseler. —
Nr. 36. H. Brugsch: inscriptio Rosettana hieroglyphica (Berlin
1851), tadelnde Anz. von Uhlemann. — Nr. 43. Scolies inedites sur
Hippocrate, publiees d' apres deux manuscrits du Vatican et suivies
de remarques sur les Lexiques hippocratiques de Bacchius et d' Epi-
cles, par Ch. Daremberg (Paris 1852), eingehende Anz. von F.
488 Auszüge aus Zeitschriften.
W. S(chneiclewin)- — Nr. 44—46. H. M. Melford: gemeiniiütz-
liches englisch -deutsches phraseologisches Handwörterbuch der engl.
Haupt-, Zeit- und Eigenschaftswörter (Leipzig 1802) , Selbstanzeige
des Verf. — Nr. 47. H. Brugsch: Sammlung demotisch-griechischer
Eigennamen aegyptischer Privatleute (Berlin 1851), empfehlende Anz.
von Uhlemann. — Nr. 49. W. C. Folwer: englisch grammar. The
english language in its elements and forms. With a history of its
origin and development (New- York 183]), anerkennende Anz. von Mel-
ford. — Nr. 51. J. F. W. Zimmer: the german teacher or the ele-
ments of german grammar, second edition (Heidelberg 1851), lobende
Anz. von Melford. — Nr. 52 — 57. Zeitschrift fiir vergleichende
Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griech. und Latein,
von Th. Aufrecht und A. Kuhn, Ir Bd. 3s und 4s Heft (Berlin
1851), eingehende Anz. von T h. Benfey. — Nr. 60. W. S. W. Vaux:
Nineveh and Persepolis, an historical sketch of ancient Assyria and
Persia, with an account of the recent researches in those countries
(London 1851), tadelnde Anz. von H. E(wald). — Nr. 61. Horae
Belgicae studio atque opera Hoffmanni F alle rs 1 eb e n s is. P.
Vni: Loverkens (altniederländische Lieder herausgeg. von H. v. F.),
anerkennende Anz. von Ellissen. — Nr. 80 — 85. H. L. Ahrens:
griechische F'ormenlehre des homer. und attischen Dialekts (Göttingen
1852), eingehende und anerkennende Anz. von L. Lange. — Nr. 87.
A. Weifs: Handbuch der Trigonometrie (Fürth 1851), Anz. von
Sehn US e, die Weitläuftigkeit tadelnd. — E. S. Unger: die Geo-
metrie des Euklid und das Wesen derselben erläutert durch eine
Sammlung von Aufgaben etc. (Leipzig 1851), anerkennende Anz., die
Breite tadelnd. — Nr. 91. Chr. H. Nagel: geometrische Analysis
(Ulm 1850), lobende Anz. von Schnuse. — Nr. 100 — 102. R. H.
Lotze: medicinische Psychologie oder Physiologie der Seele (Leip-
zig 1852), Selbstanzeige. — Nr. 104. C. A. F. Brückner: Leben
des M. Tullius Cicero. Ir Thl.: das bürgerliche und Privatleben des
Cic. (Göttingen 1852), anerkennende Anz. von L..n, mit besonderer
Hervorhebung des unparteiischen Standpunktes in der Beurtheilung
Ciceros. — Nr. 111. Reineke Vos. Mit Einleitung, Anmerkungen und
Wörterbuch von Hoffmann v. Fal I e rsleb en. 2e Ausg. (Breslau
1851), kurze Anz. von W. M(üller). — Nr. 112. Scheffler: der
Situationscalcul (Braunschweig 1851), Anz. von Schnuse. — Nr.
113. 114. M. W. Heffter: Geschichte der lateinischen Sprache
(Brandenburg 1852), eingehende durchweg tadelnde Anz. von L. Lan-
ge. — Nr. 115. Rothmann: das Theatergebäude zu Athen (Torgau
1852) und Donaldson: the theatre of the Greeks (London 1849),
Anz. von Fr. Wie sei er, der die erstgenannte Arbeit als höchst unge-
nügend bezeichnet, dem Verf. der zweiten bei aller Mangelhaftigkeit
der Arbeit die Anerkennung eines wifsenschaftlichen Strebens zollt.
— Nr. 116. 117. Kenrich: ancient Egypt under the Pharaohs (Lon-
don 1850), Poole: horae Aegyptiacae (London 1851), Lesueur:
Chronologie des rois d' Egypte (Paris 1848), Anz. von H. E(wald).
— Nr. 118. J19. Bruch: Welsheitslehre der Hebraeer (Strafsburg
1851), Anz. von Elster. — Nr. 119. Mnemosyne, tijdschrift voor
classische litteratuur onder redactie van Kiehl, Mehler, Naber.
le deel. le stuk (Leiden 1852), Anz. von L. Lange. — Nr. 120-123.
Keim: die Reformation der Reichsstadt Ulm (Stuttgart 1851), Anz.
von W. Di eckhoff. — Nr. 126. 127. Gaupp: deutsche Stadtrechte
des Mittelalters (Breslau 1851), Anz. von Härder. — Nr. 132—134.
Willing: allgemeine Zahlenlehre (Berlin 1851), Anz. von Schnuse.
— Nr. 135. A. L. Pleibel: Handbuch der Elementargeometrie (Stutt-
gart 1852), Anz. von Schnuse. — Nr. 136—139. H. Berg haus:
Auszüge aus Zeilsclirifteti. 489
physikalischer Tfandatlas. 7e u. 8e Al)tli. (Gotha IHJI), Aiiz. von Kie-
pert. — Nr. 140—143. Iheriiig: Geist des römischen Rechts. IrThi.
(Leipzig 1852), Anz. von R u d ol f El v ers. — Nr. J43. R. I.ep-
sius: Briefe aus Aegypten, Aethiopien und der Halbinsel des Sinai
(Berlin J8j2), Anz. von H. K(wald). — Hartman n: Leitfaden für
den geographischen Unterricht in höhern Lehranstalten (Osnahriick
1852), tadelnde Anz. von Wappaeus. — Nr. J44 — 146. Th. Hen-
fey: vollständige Grammatik der Sanskritsprache (Leipzig ]852),
Selbstanz. — Nr. 148 — 150. Overbeck: Gallerie heroischer Bild-
werke. Is und 2s Heft (Halle 1852), anerkennende Anz. von Fr.
Wiese 1er. — Nr. 151. Die Teubnersche neue Sammlung griechi-
scher und lateinischer Classiker, lobende Anz. von K. VV. S(chnei-
dewin). — Nr. 152 — 154. W. Riistow und H. Köchly: Geschichte
des griechischen Kriegswesens (Aarau 1852), anerkennende Anz. von
L. Lange. — Nr. J54. Synesii Cyrenaei quae extant opera omnia ed.
Krabinger. Tom. J (Landshut J850), Anz. von Holz hausen. —
Nr. 155. Grel I e t-Dumazeau: le barreau Romain. Recherches et
etudes sur le barreau de Rome, depuis son origine jusqu' ä Justinien
et particulierement au tenips de Ciceron (Moulins et Paris 1851), Anz.
von El Vers. — Nr. 156 — 258. Dienger: Grundziige der algebrai-
schen Analysis (Carlsruhe 1851), Anz. von Schnuse. — Nr. 160—162.
G. Waitz: Schleswig- Holsteins Geschichte in 3 Büchern. Ir Bd.
2n Bdes le Hälfte (Göttingen 185L 52), Selbstanzeige des Verf. —
Nr. 164- J 66. H. Ritter: Geschichte der Philosophie, llr Tbl. (Ham-
burg 1852), Selbstanzeige des Verf. — Nr. 168—171. A. Haacke:
Beiträge zu einer Neugestaltung der griech. Grammatik. Is und 2s
Heft (Nordhausen 1850. 52), Anz. von L. Lange, der die gewandte
und scharfe Polemik gegen die bisherige Praxis grammatischer Dar-
stellung anerkennt, die positive Auffafsung der Sprache und die dar-
aus resultierende Methode für ungenügend erklärt. — Nr. 181 — 183.
Buckman and C H. Newmarch: illustrations of the remains of
Roman art in Cirencester, the ancient Corinium. 2. ed. (Cirencester
1850), gedrängte Inhaltsanzeige, das Werk als werthvoll bezeichnend.
— Nr. 188 — 190. J. Sommerbrodt: de Aeschyli re scenica, p. I et
11 (Liegnitz 1848. 51), Anz. von Fr. Wieseler, der den Takt in
der Auswahl des vorhandenen anerkennt, die eigne Forschung sei
schwächer. — Nr. 203. Fr. Bopp: vergleichende Grammatik des
Sanskrit, Zend, Griechischen, Lateinischen u. s. w. (Berlin 1833 — 52),
kurze Inhaltsanzeige von T h. Benfey.
Nachrichten von der G. A. Universität und der Kiinigl. Gesell-
schaft der Wissenschaften zu Göttingen 1852. Nr. 5 enth. einen
Aufsatz des Prof. Schneidewin über den cod. Mutinensis A des
Theognis, jetzt in Paris befindlich, und dessen Benutzung bei einer
Elegie des Dichters. — Nr. 6 eine Mittheilung des Prof. Fr. Wie-
seler über eine vollständige Handschrift und bevorstehende neue Aus-
gabe der Homilien des Clemens. — Nr. 7 einen Aufsatz des Srhul-
rath G. F. Grotefend über eine merkwürdige Nachschrift einiger
Backsteine aus Kujjundshik, und des Prof. Schneidewin: Profanes
aus des Bischofs Hippolytos Aiqsgscov ilsyxos.
Schul- und Personalnachrichten, statistische und andere
Mittheilungen.
Anclam. Am Gymnasium ist der Schulamtscand. A. L. J. Mül-
ler als ordentl. Lehrer berufen und bestätigt worden.
iV. Jahrb. f. PMl. u. Paed. Bd. LXVH. Hft. 4. 32
490 Schul - und Personalnaclirichten,
Bi-AKKENBURG AM Harz. S. Bd. LXV S, 437. Schülerzahl am
.Schluls des Schuljahres 1852—1853: 61 (I: 12, II: 9, III: 20, IV: 20).
Mit dem Maturitätszeugnis abgegangen 3. Veränderungen im Lehrer-
personal kamen nicht vor.
Breslau. Professor Dr. Low ig in Zürich ist zum ordentlichen
Professor der Chemie und Director des chemischen Laboratoriums an
die hiesige Universität berufen.
CösLiN. Am Gymnasium erhielt der Oberlehrer Dr. Friedr. H.
Hen nicke den Titel Professor, der Lehrer Dr. Baumgardt den
Titel Oberlehrer.
Dresden. In dem Lehrercollegium der Kreuzschule [s. Bd.
LXV S. 219 f.] trat im Schuljahre 1852 — 1853 keine Veränderung ein.
Schulamtscand. G. Mosen war von Ostern bis Weihnachten 1852 mit
Probelectionen beschäftigt. Im Herbst 1852 wurden 4, Ostern 1853
24 Primaner mit dem Zeugnis der Reife für die Universität entlafsen.
Die Schülerzahl betrug im März 1853: 311 (I: 30, IP: 28, IP: 28,
III^: 44, IIl'-: 46, IV": 58, IV»: 42, V^ : I7, V": 18). — Ueber das
Vitzthum s che Ges chlech t sgy mna si um und die damit verei-
nigte Blochmann-ßezzenbergersche Erziehungsanstalt
s. Bd. LXVI S. 101. Aufser der das. S. 325 berichteten kam keine
Veränderung im Lehrercollegium vor. Die Zahl der Zöglinge betrug
im März 1852: 108; davon gehörten zum Vitzthumschen Geschlechts-
gymn. 18, zur Blochmann-Bezzenbergerschen Erziehungsanstalt 90, dar-
unter 42 Ganz- und 48 Halbpensionäre, auf die 9 Classen in folgen-
der Weise vertheilt: Gymnasium I: 15, II*»: 11, III: 12, IV: 25; Real-
gymn.: I: 3, 11: 5, III: 9; Progymn. I: 16, 11": 8, 11»*: 4.
Glückstadt. Zu dem, was Bd. LXVI S. 325 über die dasige Gc-
lehrtenschule gegeben ist, tragen wir nach: Das Lehrercollegium be-
steht aus dem Rector Prof. Hörn, Conr. Lucht, Subr. Petersen,
Collab. Dr. Harri es, Dr. Keck, den Lehrern Kram er, Meins,
Granse und dem Gesanglehrer Jantzen. Erfreulich ist neben vol-
ler Berücksichtigung des classischen Unterrichts auch die sorgfältige
Vertretung einerseits der neueren Sprachen, welche für Tertia und
Secunda auch in Parallelstunden neben dem ordentlichen Unterrichte
in denselben gelehrt werden (vom Subr., Collab. und Lehrer Kramer),
andererseits der Naturwifsenschaften (vom Conr. und Lehrer Meins
gelehrt).
Halle. Zum Director der Frankeschen Stiftungen und des Wai-
senhauses ist der bisherige Director des College fraufais zu Berlin,
Dr. G. Kr am er, ernannt worden.
Kiel. Die hiesige Gelehrtenschule hat Ostern 1852 kein Programm
ausgegeben. Das Lehrercollegium besteht aus dem Rector Prof. Lucht,
Conr. Dr. Wittrock, Subr. Dr. Müller, Collabor. Dr. Jessen,
Dr. Struve, Jungclaufsen, Brünning, Scharenberg, dem
Lehrer der franz. Sprache Schwob-Dolle und dem Zeichenlehrer
Voll per ding. Turnunterricht wird nicht ertheilt. Die Anstalt hat
im Winter 1852 — 53 in 6 Classen 170 Schüler, obgleich in der Stadt
mehrere Privatanstalten bestehn (I: 11, II: 13, IIP: 36, IIP: 41, IV:
39, V: 30). In Parallelstunden wird für diejenigen, Avelche nicht stu-
dieren wollen, aufserordentlicher Unterricht im Englischen, Franzö-
sischen und in der Mathematik ertheilt. Der Unterricht im Dänischen
ist nach Verfügung des holsteinischen Ministeriums mit je 2 Stunden
für die obern Classen in den Lectionsplan wieder aufgenommen worden.
Kurhessen. Folgende zwei Verordnungen sind neuerdings publi-
ciert worden. I. Der evangelische Religionsunterricht an den Gym-
statistische und andere Millheilungen. 491
nasieii ist dtililn einziiricliteii , dafs 1) auf der uiitera Stufe des Un-
terrichts die biblische Geschiclite nach dem {geschichtlich -kirchlichen
Gange der Verheifsung (Cl. VI und V) und <ler evangelische Landes-
katechisiuus (Cl. IV) erklärt und eingeübt, aiilserdeui eine niemoriale
Kenntnis der Hauptsprüche der heiligen Schrift und einer hinreichen-
den Anzahl von Kernliedern der evangelischen Kirche erzielt werde,
2) auf der obern Stufe Lesung der heiligen Schrift des alten Testa-
ments (Cl. III) und des neuen Test., namentlich der vier Kvangelien,
der Apostelgeschiciite und des Römerbriefs (Cl. II) stattfinde und (Cl.
I) Geschichte des Reiches Gottes alten und neuen Bundes und Sym-
bolik gelehrt werde, die systematische Behandlung der Glaubens- und
Sittenlehre aber aus dem Gymnasialunterrichte entfernt bleibe. Hin
sichtlich der Religionsübungen wird angeordnet, dafs 1) das tägliche
Morgengebet nur von erprobten Lehrern geistlichen Standes abgehal-
ten oder, wo dies nicht ausführbar ist, als Morgengebet lediglich das
Gebet des Herrn gesprochen werden soll, 2) in der wöchentlichen
Schlufsbetstunde (Hora) alle Lehrvorträge gänzlich wegfallen, dagegen
die Gebete den kirchlichen Zeiten angeschlofsen und 3) in dem Cho-
ralgesangunterricht der Gymnasien nur die Kernlieder der evangeli-
schen Kirche eingeübt und gebrau( ht werden sollen. If. Der evange-
lische Religionsunterricht an den Gymnasien ist entweder von ordi-
nierten Pfarrern oder von ordnungsmäfsig geprüften und admittierten
Candidaten der Theologie zu ertheilen, von letzteren jedoch nur, so-
fern der Superintendent der Dioecese sie für diesen Unterricht be-
fähigt erklärt und in kirchliche Pflicht nimmt. Die kirchliche Ver-
pflichtung derjenigen gegenwärtig in Function stehenden evangelischen
Religionslehrer an Gymnasien, welche die kirchliche Weihe noch nicht
erhalten, ist alsbald durch den betreffenden Superintendenten in der
Kirche und in Gegenwart des betreffenden Gymnasialdirectors , so wie
der übrigen Lehrer des Gymnasiums dahin vorzunehmen , dafs die ge-
dachten Lehrer sich verpflichten, dem evangelischen Bekenntnisse nach
Mafsgabe der hessischen Kirchenordnung von 1657 gemäfs zu lehren
und zu leben.
Magdeburg. Am Paedagogium zum Kloster U. L. Fr. ist der pro-
visorisch beschäftigte Candidat Dr. R. J. Krause definitiv als Hilfs-
lehrer angestellt worden.
Meldorf. Ueber das dasige Gymnasium berichten wir jetzt ge
nauer , als es Bd. LXVI S. 326 geschehen. Die in den letzten Jahren
vielfachen Veränderungen im Lehrercollegium ausgesetzte Anstalt erfreut
sich nunmehr eines festern und ruhigem Bestandes desselben. Der bishe-
rige Conrector Dr. K o Ister wurde zum Rector, der Lehrer an der See-
cadettenanstalt in Kiel , Dr. Prien, zum Conrector ernannt und beide
durch den Prof. Nitzsch als Regierungsmitglied am 1. Juni 1861 in
ihre Aemter eingeführt. Am 18. Sept. wurden die bisher nur consti-
tiiierten Lehrer Jansen und Büng zu resp. sechsten und siebenten
Lehrern ernannt. Zugleich hörten die in mehreren Classen combinier-
ten Stunden auf, mit Ausnahme des Schreibens, Rechnens und Zeich-
nens. Die Tertia wurde Ostern 1851 im Griechischen in zwei Coetus
getheilt, dasselbefand mit der Quarta im Lateinischen um Mich, des-
selben Jahres statt. Der Unterricht im Englischen und Französischen
wurde erweitert, desgleichen der naturwifsenschaftliche Unterricht in
Prima, während der geographische in Secunda wegfallen muste. Den
Singunterricht ertheilte Hr. Piening, den Turnunterricht Hr. La-
demann. Das ganze Lehrercollegium bestand aus folgenden ordent-
lichen Lehrern, Rector Dr. Kolster, Conrector Dr. Prien, Sub-
rector Dr. Vechtmann, CoUaborator Dr. Hansen, fünfter Lehrer
32*
492 Schul- und Personalnachrichten,
Dr. Delff, sechster Lehrer Jansen, siebenter Lehrer Büng. Im
Laufe des Jahres 1851 — 52 hatte der frühere Rector zu Husum, Dr.
Schutt, die Meidorfer Schule, an welcher derselbe seit seinem ge-
zwungenen Aufenthalte in Holstein längere Zeit unterrichtet hatte,
verlafsen, um die interimistische Verwaltung des erledigten Rectorates
an der Gelehrtenschule zu Plön zu übernehmen.
MÜNCHEN. Dr. Conrad Hof mann von Bamberg ist zum aufser-
ordentlichen Professor bei der philosophischen Facultät der dasigen
Hochschule für das Fach der altdeutschen Sprache und Litteratur er-
nannt worden.
Oesterreich. Von den in dem Kaiserstaate erlafsenen den höhern
Unterricht betreffenden Verordnungen erwähnen wir folgende: 1) Er-
lafs des k. k. Ministeriums des Cultus und Unterrichts vom 16. Mai
1852. Die Prüfung der aus dem Schuljahre 1851 eingegangenen Jah-
resberichte hatte vielfach eine verfehlte Richtung in der Behandlung
der Muttersprache herausgestellt: ungebührliche Ausdehnung der Theo-
rie der Stilgattungen und der Litteraturgeschichte, zu grofses Detail
von Theorien aus der neuesten Sprachwifsenschaft , besonders rück-
sichtlich der Wahl der Aufgaben F''ehlgrifFe (rhetorische und poetische
Künsteleien, Uebungen im Entwerfen von Tropen und Figuren, Ab-
fafsung von Oden mit vorgezeichnetem Versmafse, Nachahmungs-
versuche von Dramen, Uebertragung prosaischer Stellen in die ge-
bundene Rede und dergl., theoretische Abhandlungen mit zu abstrac-
ter Richtung, wodurch zu leicht Eigendünkel und leeres Geschwätz
erzielt wird, im Gegensatze davon Themen, welche durch naheliegende
unlautere Beziehungen zur Verweichlichung der Phantasie führen, Dis-
cussionen über Persönlichkeiten und Ereignisse, die nach irgendeiner
Richtung hin geeignet sind, die Vorstellungen und die Gefühle der
.Jugend zu beirren und zu verleiten). Die Schulbehörden werden an-
gewiesen auf die Durchführung und Einhaltung der im Organisations-
entwurf enthaltenen Bestimmungen streng zu sehn und auf Festhaltung
des Zweckes der schriftlichen Aufgaben (Belehrung und Anregung zu
einem klaren und bestimmten Denken, Erstarkung der reinen Phanta-
sie, Aneignung der Reinheit der Sprache und eines guten Stils) hin-
zuwirken. 2) Erlafs des Ministeriums vom 17. Mai 1852. Das Verhält-
nis der Mathematik und Physik im Obergymnasium hat vielfache
Schwierigkeiten in der Ausführung gefunden. Man hat vorgeschlagen
in V und VI systematische Naturgeschichte und in gelegentlicher Vei'-
bindung mit ihr die itix Organisationsentwurfe der VIII. Classe zuge-
wiesenen Disciplinen , VIT und VIII Physik, wie sie der Organisa-
tionsentwurf für VI und VII festgestellt. Da dieser Pl&n grofse Vor-
theile bietet, ohne den Gesamtlehrplan zu stören, aber ihm das Be-
denken entgegensteht, ob aus dem Untergymnasium genug Kenntnisse
zu dem Unterrichte mitgebracht werden, so werden die Schulbehörden
veranlafst , mit sachverständigen Männern Erörterungen darüber an-
zustellen und die eingehenden motivierten Gutachten bis Ende Juni
einzusenden. 3) Erlafs des Ministeriums vom 9. Juni 1852. Der Ge-
brauch des Handbuchs der Statistik des österr. Kaiserstaates v. Vinc.
Prasch. Brunn 1852, in der VHI. Gymnasialclasse wird gestattet.
4) Erlafs des Ministeriums vom 31. Aug. 1852. Es wird die Verthei-
lung der Lehrgegenstände, wonach in jeder Classe so viele Lehrer
unterrichten als Lehrfächer gelehrt werden, als dem erziehlichen
Zwecke nachtheilig streng gerügt und für das Untergymnasium un-
bedingt gefordert, dafs ein Lehrer in einer Classe mehrere Lehrfächer
habe und die ganze oder doch den gröfsten Theil seiner Thätigkeit
einer Classe widme; auch für das Obergymnasium wird möglichst an-
nähernd die Verwirklichung dieses Princips verlangt. Den Directoren
statistische und andere Mittlieilungen. 49.'?
wini zur Ptiicht gemaclit, durcli zweckmäfsiges Hospitiere» und JJe-
.s|)recliuiigeii über die tlal)ei erlialteneu Krgebiiisse, worüber Protolvollc
■/AI iübreu, auf den Gang des Unterrichts und da.s Cedeibn des Gym-
nasiums hinzuwirken, dagegen die Kanzlei- und Schreibgeschäfte zwar
in Ordnung zu erhalten, doch auf das nothwendige zu beschränken.
5) Erlafs des iMinisteriuujs vom 2. Sept. 1W32. Ks wird an den Gym-
nasien, wo sich das Bedürfnis herausstellt, die Errichtung eines Vor-
bereitungscurses, in der 9 — 10 Stunden auf Rechnen und die Mutter-
sprache zu verwenden, der Unterricht von zwei Gymnasiallehrern zu
ertheilen und von den Schülern zu honorieren sei, unter der Leitung
und in Verbindung mit der Direction des Gynuias. gestattet. 6) Die
griech. Grammatik von G. Curtius wird zur Einführung vornherein
für zuläl'sig erklärt. Erlafs des Ministeriums vom 5. Sept. 1852. —
Jm Schuljahre 1851 — 52 wurden für das Gymnasiallehramt geprüft
durch die Prüfungscommission zu Wien 45 (darunter 17 für Latein,
und Griech., 12 für Geogr. und Gesch., 6 für Mathem. und Physik,
die übrigen für andere Lehrfächer, 1 mosaischer Religion. Bei 4 war
die Unterrichtssprache nur Italienisch), vor der Prüfungscoramission
in Innsbruck 22, vor der zu Lemberg 10. Die überwiegende Zahl ist
für nichtphilologische Lehrfächer.
Petersburg. Die evangelische Schule bei der St. Annenkirche ist
der bei der St. Peterskirche in jeder Hinsicht gleichgestellt worden
und hat daher die vollen Rechte eines Gymnasiums zuertheilt erhalten.
RAsTE^cuRG. Als Hilfslehrer am Gymnasium wurde der Schul-
amtscand. O. Fabricius angestellt.
Sa-az. Das k. k. Gymnasium, welches mit dem Schulj. 1852 die
7. Classe zu eröffnen in Begriff war, hatte folgende Lehrer (Chor-
herrn des Praemonstratenserstifts Strahow in Prag): Director AI. Do-
stal, Religionsl. M. Opitz, Th. Lischka, Dr. Leon. Skuczek,
V. Strach, E. Kaiser, O. Müchel, A. Neuz-il, Nebenlehrer F.
VV. Lhotsky.
Königreich Sachsen. Der bisherige Minister des Cultus und des
öffentlichen Unterrichts Freiherr v. Beust ist nach definitiver Ue-
bernahme des Ministeriums des Innern von der Leitung jenes Depar-
tements entbunden und an seiner Stelle der bisherige Staatsminister
a. D. Dr. v. Falkenstein zum Minister des Cultus und des öffent-
lichen Unterrichts ernannt worden. Der erste Rath im genannten Mi-
nisterium, Geh. Kirchenrath Dr. Hübet, wurde unter unveränderter
Beibehaltung seiner bisherigen Stellung und Verleihung des Titels Ge-
heimer Rath zum Praesidenten des evangelichen Landesconsistoriums
ernannt.
Salzwedel. Zum Director des Gymnasiums wurde der bisherige
Oberlehrer am Gymnasium zu Halberstadt Prof. Dr. Jordan gewählt
und erhielt als solcher die königl. Bestätigung.
Schleswig. Zum erstenmal seit 1850 ist Mich. 1852 wieder ein
Programm erschienen. Dasselbe enthält eine Abhandlung: Ucitrü^c
zur neusten Geschichte der Domschule vom Rector Junge 1 a u fsen.
S. 1 — 25. Vor dem Ausbruch der Erhebung der Herzogthümer zählte
die Schule 135 Schüler (nicht 138, wie S. 16 steht; vergl. S. 42), in
den folgenden Zeiten nahm diese Zahl rasch ab, so dafs Ostern 1848
einige Wochen nach den Märzereignissen sich nur noch 90 vorfanden.
Das kurz vorher von Christian VllI erlafsene neue Regulativ konnte
unter den damaligen Verhältnissen nicht ins Leben treten; dies ge-
schah erst Michaelis 1848. Die von den holsteinischen Ständen bean-
tragten Verbefserungen waren in demselben vollständig gewährt. An
deren Aufführung knüpft Hr. Jungclaufsen folgende Bemerkung: ''Gleich-
wohl und als ob das Regulativ gar nicht vorhanden gewesen wäre, er-
494 Schul- und Personalnachrichlen,
folgten bald Versammlungen der Lehrer der Gymnasien u. s. w. Die
Versammlung der Gymnasiallehrer wurde zu Rendsburg am 30. Sept.
1848 gehalten.' Jedesfalls hätte er seine eigne Betheiligung dabei nicht
verschweigen sollen. Derselbe nahm Theil , und zwar als Altersprae-
sident, bekleidete diese Stelle bis zuletzt und stimmte für die Absen-
dung einer Deputation an die in Rendsburg anwesende provisorische
Regierung. In Folge der Idstädter Schlacht wurden 5 Lehrer, Subr.
Siefert, Collaborator Dr. Hudeman, fünfter Lehrer Dr. Gleifs,
Dr. Burmeister und Lehrer Kirchhof abgesetzt (die Bemerkungen
darüber im Programm wären wohl befser weggeblieben). Es waren
noch 3 Lehrer übrig, der Rector J u n gc la u f sen, Conr. Dr. Hen-
richsen und der 6. Lehrer Grünfeld, welche 27 Schüler in zum
Theil combinierten Stunden unterrichteten. Erst Mich. J851 wurden
folgende Lehrer neu ernannt: der Subrect. Listow, der Collab. Bor-
ries, beide Dänen, der 5. Lehrer Lorenzen, in Dänemark erzogen,
der 7. Lehrer Lorenz, ein Holsteiner, der Seminarist Jes Nielsen
Schmidt, gleichfalls dänisch gebildet. Gleichzeitig war die Schü-
lerzahl im Wachsen begriffen, Ostern 1852 auf 37, Mich, auf 44 ge-
stiegen (6 Primaner, 4 Secundaner, 7 Obertertianer, 5 Untertertianer,
12 Quartaner, 10 Quintaner). Gegenwärtig soll sie sich auf 72 be-
laufen. Während der Sommerferien starb Collab. Borries auf einer
Reise nach England, am 1. Sept. 1851 der Sem. Schmidt, an des-
sen Stelle abermals ein Däne, Preysz aus Odensee, rückte, während
im Laufe dieses Semesters (seit Erscheinen des Programms) Hr. J o -
hannsen als 9. Lehrer die neu eingerichtete Vorbereitungsciasse über-
nahm. Auch ist der 5. Lehrer in die 4., der 7. in die 5. Stelle ein-
gerückt. Vergefsen ist im Programm, dafs der von der provisorischen
Regierung zum Conrector ernannte Dr. Henrichsen im Jahre 1850
abgesetzt , aber sofort wieder constituiert wurde und bis heute con-
stituiert geblieben ist. Wenn die Schule schon 1848 aufser durch den
Krieg noch dadurch manche Schüler verlor, dafs eine Privatrealschule in
Schleswig errichtet wurde, wie der Verf. S. 18 berichtet, so geben
wir dies zu, aber falsch ist, dafs dieselbe durch Privatunterzeichnun-
gen zu Stande gekommen, 'nachdem sie in Bürgerversammlungen auf
das lebhafteste als eine durchaus zeitgemäfse Errungenschaft für hö-
here Bürgerbildung empfohlen war.' Die Realschule trat Ostern 1848
ins Leben, nachdem sie bereits während des ganzen Winters, aber
nicht in damals noch nicht existierenden Bürgerversammlungen, be-
sprochen und ihre Einrichtung gesichert war. Die geschickte Direc-
tion der letztern Anstalt (Fischer aus Braunschweig) trägt zu dem
Flore derselben (200 Schüler) eben so sehr bei, wie der Mangel an
Vertrauen gegen die dänischen Lehrer am Gymnasium in der deutsch
gesinnten Stadt die geringe Schülerzahl dieses erklärlich macht. Bei
den Gnadenbezeugungen, welche der Domschule zu Theil geworden,
übergeht Hr. J., dafs er im Jahre 1851 mit dem Ritterkreuz des Da-
nebrogordens belohnt worden ist. Aus dem Lectionsberichte erhellt,
dafs 1) die dänische Sprache sehr bevorzugt wird. 2 St. in I, 2 in
II, 2 in III A, 2 in HIB, 3 in IV, wozu nach dem Lectionsplane die-
ses Winters , der dem Ref. vorliegt , noch 3 in V kommen. Man be-
ginnt also in der untersten Classe sogleich mit zwei fremden Sprachen,
der lateinischen und der dänischen und thut mehr, als das Regulativ
von 1848 gesetzlich bestimmt. 2) Der deutsche Unterricht wird er-
theilt in I in 2 St., in II 2, in HI 2, in IV 3, in V 2, das Regula-
tiv schreibt aber, wenn wir nicht irren, in den obersten Classen 2,
in den mittlem 3, in den untern 4 Stunden vor. 3) in IV und V wird
kein Unterricht in den Naturwifsenschaften ertheilt. In der dem Ref.
vorliegenden Lectionstabelle für den Winter 1852 — 53 finden wir —
statistische und andere Mittheilungen. 495
und dies loben wir — zwar in den untern Classen naturhistorischen
Unterricht, aber der latein. Unterricht in IV wird darnach in 6 Stun-
den ertheilt und zwar in 4 Stunden Parall., wie ausdrücklich dabei
steht, in 2 Stunden aufserdem und nicht 'parallel', und zwar sind
letztere Exercitienstunden. Wir erlauben uns die Krage: Sind jene
4 Stunden nur für einzelne Schüler und ist dies der B'all, wie können
dann die Exercitienstunden für alle bestimmt sein? Der Parallelun-
terricht für die französische Sprache ist weggefallen, (Eingesandt.)
SCHWEiDNiTZ. Nachdem das im J. 1708 in Folge des Altranstädter
Friedens vor der hiesigen Stadt in einer der Vorstädte errichtete Gym-
aasialgebäude baufällig geworden war, und da die zunehmende Schü-
lerzahl einen blofsen Umbau nicht angemessen erscheinen liefs, so
wurde von der städtischen Behörde der Platz zu einem neuen im In-
nern der Stadt angekauft und nach beendeten Vorarbeiten am Geburts-
tage des Königs, 15. Oct. 1852, unter Theilnahme aller Behörden, in
Beisein des abgeordneten Consistorial- und Schulraths Menzel, mit
den angemessenen Feierlichkeiten der Grundstein gelegt. — Im vor-
ausgegangenen Schuljahre hat das LehrercoUegium keine Veränderung
erlitten. Das Gymnasium zählte 256 Schüler und entliefs 2 Abitur.
SoNDEUSHAUSEN. Nachdem der Director des fürstl. Gymnasiums
Dr. F. Gerber nach 54jähr. Amtsthätigkeit emeritiert worden war,
trat in seine Stelle der bisherige zweite Lehrer Prof. Dr. W^. Kie-
ser. Die CoUaboratoren Dr. Hartmann und Irmisch wurden zu
Oberlehrern ernannt und die Lehrer W. Kühn und Wankel von
dem Gymnasium zu Arnstadt an das hiesige versetzt.
SoRAU. An das Gymnasium ward der Candidat des höhern Schul-
amts F. G. Scoppewer als Lehrer berufen.
Spalato. Der Lehrkörper des k. k. Gymnasiums zählte im Schulj.
1851 die ordentlichen Lehrer: Weltpr. G. Franceschi (Director),
Weltpr. M. Ivcevich, Dr. G. Pangrazzi, Franc. Petter,
Weltpr. L. Scariza, Weltpr. Dr. D. Silvan, L. Svillovich (seit-
dem zum Oberlehrer befördert, s. Bd. LXVI S. 213), die Supplenten:
V. Benevoli, Dr. Nie. Cattini (Cattanj , zum wirkt. Lehrer er-
hoben, s. Bd. LXV S. 441), Ordensgeistl. B. Maroevich, G. Po-
liteo, den Nebenlehrer G. Rossi.
Stanislawow. Lehrkörper des k. k. Obergymnasiums am Schlufse
des Schulj. 1851: ordentl. Lehrer: Job. Pi^tkowski (Director), Er.
Strzeleski, Ant. Bielikowicz (Religiosl. lat. Kit.), Ign. Za-
walkiewicz, Frz. Konzer (an das Tarnopoler Gymn. versetzt),
Const. V. Stupnicki (s. Bd. LXV S. 441), den Supplenten: B. v.
Ilnicki (Religionslehrer griech. Rit., vertreten bei einer Erkrankung
durch Ant. Deputjowicz, s. übrigens Bd. LXV S. 441), St. Wa-
remski, J. Schmettauer, Cl. Hauptmann, Joh. Noire, den
Nebenlehrern J. Markt, AI. Krug, J. Pfister.
Tarnow. Der Lehrkörper des k. k. Gymnasiums bestand am
Schlufse des Schulj. 1851 aus dem Dir. L. Handschuh (s. Bochnia
Bd. LXVII S. 235), Dr. W. Sacher, Dr. Frz. Nowotny, Dr. L.
Klemensiewicz, L. Petri, Br. v. Trzaskowsky, Andr. Os-
kar d, den Supplenten: P. J. Chowanici, P. V. v. fcubiewski,
St. Sobieski, AI. Kosminski (seitdem zum ordentl. Lehrer beför-
dert, Bd. LXV S. 214), Theoph. Bayli, Mark. Uniszewski,
Ign. Kulisseky. Der Bd. LXV S 441 erwähnte zum wirkt. Leh-
rer beförderte Supplent Rodecki ist nach dem Schlufse des Schulj.
von Bochnia nach Tarnow versetzt worden.
Temesvar. Am k. k. Gymnasium lehrten während des Schulj.
1851 folgende Professoren, sämmtlich geistl. Standes: Schulrath J.
Mannhardt (Director), Dr. J. Nacht igal, J. Duchon, A. Kor-
496 Todesfälle.
b o n 1 1 s , E. L e c h II e r , Frz. H a r 1 1 , E. P o 1 e s z n I , M. K r o m m e r,
St. Giefswein, an dessen Stelle im 2. Sem. A. Pex trat, Dr. K.
Bammer, L. Ernyosy, J. Prifach, G. Nikolits (Religioslehrer
für die nichtun. Griechen), P. Poperzku (romän.) und D. Tyrol
(serbisch).
Tuschen. An dem k. k. kat ho lis ch en Gymnasium lehrten wäh-
rend des Schulj. J851 die ordentl. Lehrer: Fz. Jiudolowski (Dir.),
B. Nitsche, Fl. Lukas, Dr. J. E. Blaha, J. Jiitta (Weltpriest.)
und die Supplenten: L. Sobetzky, E. Janota, Dr. F. Peche
(später zum ordentl. Lehrer befördert, s. Bd. LXV S. 441), A. Jn-
dra, Dr. J. Fischer, Th. Pantke, Frz. Danel (Weltpriester)
und die Nebenlehrer Frz. Wruhl und J. Wanke; am k. k. evan-
gelische n Gymnasium, das durch allerhöchste Entschlielsung vom
9. Juni 1850 als eine öffentliche Lehranstalt in die PJrhaltung des
Staates gestellt ist, die evangeljschen Gymnasialephoren und Prediger
G. H. Klapsia und A n d r. Zlik und die Gymnasiallehrer: H. L.
Sittig, E. Plucar, P. Kaisar, 'J. Kukutsch und K. Gasda.
TuKGAU. Am Gymnasium ward der Cand. des höhern Schulamts
Dr. C G. DöUen als ordentlicher Lehrer angestellt.
TrutsT. Am k. k. Gymnasium lehrten im Schulj. 1851 die or-
dentl. Lehrer: Steph. Viditz (Director), Joh. Marufsig, A.
Stimpel, Dr. J. Loser, M. Galant (Religionslehrer), Fl. Gre-
gor itsch, B. Beende, Frz. Foytzik, die Supplenten: Dr. Frz.
de Fiori (Prof. an der k. k. Handels- und nautischen Akademie),
Dr. A. Elschnigg (zum wirklichen Lehrer befördert , s. LXV S. 442),
W. Leitgeb, P. Picciola, A. Teutschl und die Nebenlehrer J.
Shemerl und K. Kr aufs.
Zwickau. Aus dem Collegium des dasigen Gymnasiums sind aus-
geschieden der Sextus Dr. Klitzsch, um sich der Musik, für welche
er bisher schon unter dem Namen Em. Kronach thätig gewesen, aus-
schliefslich zu widmen, und der ordentliche Lehrer Dr. Ed. Bauer,
um das Pfarramt zu Rübenau anzutreten.
Todesfälle.
Am 28. Oct. 1852 starb zu Breslau der Oberlehrer am Priedrichs-
Gymnasium V. E. Tobisch.
An demselben Tage zu Lauban der Oberlehrer Wicher.
Am 4. März 1853 zu Berlin der gröfste Geognost des Jahrhunderts
Leopold von Buch (geb. 26. April 1774).
Am 7. März zu Rom der Legationsrath A. K estner, Vicepraesident
des archaeologischen Instituts, Verfafser der ''Römischen Studien'
(Berlin 1850).
Am 12. März zu Paris der berühmte Chemiker und Decan der medici-
nischen Facultät , Professor Dr. Mathieu Josef Orfila (geb.
27. April 1783 in Mahon auf der Insel Minorca).
Geordnete Uebersiclit
aller auf dem Gebiete der classischen
ALTERTHUMSWISSENSCHAFT
wie der alleren und neueren
SPRACHWISSENSCHAFT
vom Juli bis December 1852
in Dcutscliland und dem Ausland neu erschienenen Bücher.
Besonderer Abdrucli aus der
BIBLIOTHECA PHILOLOGICA
von
Ludwig Ruprecht.
Da wir das seither im Deceinberheft der Jahrbücher gegebene
bibliographische Verzeichniss in der Folge gedenken wegfallen zu
lassen, so liefern wir als Ersatz dafür halbjährlich diese Ueber-
sicht als unentgeltliche Beilage.
DIE REDACTION.
Inhalt.
Classische Alterthumsfrissenschaft.
I. Zeitschriften. Gemischte Schriften pag. 39
II. Griechische und Römische Geographie, Geschichte,
Culturgeschichte und Antiquitäten — 40
III. Archaeologie und Epigraphik. Mythologie — 44
IV. Griechische und lateinische Literaturgesch. Philosophie. . — 47
V. Lexicographie , Griechische u. Latein. Grammatik. Metrik — 49
Griechische Classiker. Erklärungrsschriften.
I. Classiker — 53
II. Erklärungsschriften — 57
liateinische Classiker. Erklärung-sschriften.
I. Classiker — 60
II. Erklärungsschriften — 63
Sprachwissenschaft.
I. Zeitschriften. Philosophische u. vergleichende Grammatik.
Allgemeine Schriften — 65
II. Ost- und nordasiatische Sprachen — 66
III. Westasiatische Sprachen — 68
IV. Afrikanische Sprachen — 69
V. Amerikanische und oceanische Sprachen — 70
VI. Türkisch. Ungarisch — 70
VII. Slavische Sprachen — 70
VIII. Keltisch . _ 71
IX. Germanische Sprachen.
1. Deutsch — 72
2. Angelsächsisch und Englisch — 78
3. Altniederländisch. Holländisch. Flamländisch ... — 84
4. Altnordisch. Schwedisch — 84
X. Romanische Sprachen.
1. Französisch — 85
2. Italienisch — 92
3. Spanisch — 94
4. Portugiesisch , ... — 94
5. Rhaetoromanisch — 94
6. Provenzalisch und Altfranzösisch — 95
XI. Wörter- und Conversations-Bücher, welche mehrere Spra-
chen umfassen — 95
1)111.1, .Icr l»iclcrii-!iMlicn lliii.. nml.diiMli.
(W. FK. KAESINER.)
Classische Altertliuniswissenschaft.
I. Zeitschriften. Gemischte Schriften.
Esercitazioni filologiche. Nr. 7. Strcnna pel nuovo anno 1851. 16.
Modena. 54 Xr.
Ftriiria, l\ studj di filologia di lettcratura di pubblica islruzione c di
belle arli Tanno primo per 1852. T. II. 12 Fase. p. anno. gr. 8. Flo-
renz. Abonnements -Preis 10 fl. 48 Xr.
Overijsselsche Almanak voor Oudheid en Lelleren. Deventer, J.
de Lange. lYa fl.
Philolog'iis. Zeitschrift f. das klass. Altcrlhura. Hrsg. v. F. W.
Schneidewin. 7. Jahrg. 4 Hfte. gr. 8. Gtltingen, Dieterich.
n. 5 4.
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des
Deutschen, Griechischen u. Lateinischen hrsg. v. Privatdoc. Dr. S i m.
Thdr. Aufrecht u. Gymn.-Lehr. Dr. Ada Ib. Kuhn. 2. Jahrg. 2.
u. 3. Hft. gr. 8. ©.81—240, Berlin, Dümmler's Verl. ä Hft. n.% •#•
.4rchaeoIo§:isehe und numismatische Zeitschriften siehe bei n.4r-
chaeologie,« allgemein sprachwissenschaftliche bei »Sprach-
wissenschaft.«
NB. Die übrigen Zeitschriften sind schon im ersten Hefte dieses
Jahrganges aufgeführt.
Abhandliing'en der philosoph. -philologischen Classe . der Königl.
Bayer. Akademie der Wissenschaften. VL Bd. 3. Abth. In der Reihe
der Denkschriften der XXVU. Bd. gr. 4. IX S. u. S. 513— G87. Mün-
chen, (Franz) geh. n. 2 4. (3 fl. 36 Xr. rh.)
— philologische u. historische, d. K. Akademie der Wissenschaften zu
Berlin. Aus d. J. 1851. gr. 4. III u. 790 S. m. 11 Sleintaf. in gr. 4.
u. qu. Fol. Berlin, (Dümmler.) geh. n. 8V3 4'
BakluSi, Joh. , scholica hypomnemata. Vol. iV\ 334 S. 8. Leyden,
Brill. 3 fl. 30 Xr.
Berichte über die Verhandlungen der Königl. Sachs. Gesellschaft der
Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch -historische Classe. Jahrg.
1852. I u. IL Hft. gr.8. S.71-99 mit 6 Taf. Leipzig, Weidmann.
ä Hft. n. V, ^.
Bibliotheca philologica od. alpbabet. Verzcichniss derjenigen Gram-
matiken, Wörterbücher, Chresloinalhien , Lesebücher und anderer
Werke, welche zum Studium der griechischen u. laleinischen Sprache
gehören, u. vom J. 1750, zum Theil auch früher, bis zur Mitte des
J. 1852 in Deutschland erschienen sind. Hrsg. v. Wil h. En gel m a n n.
Nebst e. syslemat. Ucbersicht. 3. umgearb. u, verb. Aufl. gr. 8. VI u.
236 S. Leipzig, W. Engclmann. geh. n. 1 ^.
Bulletin de la classe des sciences historiqucs, philologiques et polili-
ques de Tacademie imperiale des sciences de St.-Petersbourg. Tome X.
24 Nrs. m. Kpfrn. gr. 4. St.-Pelersbourg. Leipzig, Voss. n. 3 4-.
40 Class. Altertliumswlss. I. Zeitschriften. Gem. Schriften.
Cobet, C. G., alloculio ad cornmililoncs qua lecliones de liticris graecis
et antiquilatibus romanis in aoademia Lugduiio-Balava a. 1852 — 1853
habendas die 21. m. Sept. 1852 auspicalus est. gr. 8. 18 S. Lugduni
Bat., Brill. geh. 6 ngt
Denkschriften der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Philoso-
phisch-historische Classe. III. Bd. Fol. VI. u. 378 S. m. 2 lilhochrom.
u. 2 lilh. Taf, Wien, (Braumüller.) geh„ 7 4 (I— III.: n. 30% ^.}
Hulakovskj, Joan. M. , abbreviatiirae yocabulorum , usitatae in
scripluris praecipue latiiiis medii aevi, tum eliam slavicis et germa—
nicis , coUectae , et ad potiorem usum archivariorum , diplomatarum,
bibliothecariorum , aliorumque vetustatis indagalorum editae. Et. s. t. :
SrbEi'irjuiujen ü. Söörtern, roie jic ücrjiujüc^ in lattin. ^'lanbfc^tiftm b. WH-
tdaUcrS oorEommcn , in. beigefügten flnre. u. bcutfj^en bcrj}!. (St^riftjiiijcn. 4.
XV u. 88 lit^. <B. fxaii, (9?ciireutter.) gel). n. i\^ ^.
^ttitnatin , 5)ir. ^Hof. Dr. ^uinr. , fotl man bei bem llutcrricfite bcr ctjrips
liefen ^ugenb bie ®i$riftficUtr b. {)eibni[c^en Sltterttjumö beibet)altcn ei. 'ocx-
werfcn? ©efproc^cn bei ©ele^cnljeit bet ©(^lujjfeicr b. f. SfKjenäumS am 29.
3uü 1852. gr. 8. 12 ©. Siiffelborf, (Sn^iM u. Sufc^. gc^. 2V2 ngt
liübker, Gymn.-Dir. Dr. Frdr. , gesammelte Schriften zur Philologie
u. Paedagogik. gr. 8. X u. 424 S. Halle, Buchh. d. Waisenhauses,
geh. 2 ^.
Jflahne^ Guil. Leonard., miscellanea latinitatis. Pars II. gr. 8. 98 S.
Lugduni Bat., Brill. geh. n. 2/5 ■4'-
jüelangres greco-romains tircs du bulletin historico-philologique de
l'academie imperiale des sciences de St.-Petersbourg. Tome I. 2. Livr.
Avec une planche lith. in 4. Lex.-8. HI u. 83-192 S. Sl.-Peters-
bourg. Leipzic , Voss. geh. n.n. V2 4- (1-2.: n. n. */g »^.)
— russes tires du bulletin historico-philologique de l'academie impe-
riale des sciences de St.-Pelersbourg. Tome 1 u. II. 2. Livr. Lex.-B.
III u. 1—217 S. Ebd. geh. n n. 14 ität. (1-11,2.: n.n. 3 4. 281131.)
JHemoircs de la sociele imperiale d'archeulogie de St.-Petersbourg.
Publies sous les auspices de la societe par B. de Köhne. Nr. XVI —
XVIIi. [Vol. VI. 3Nrs.] Annec 1852. gr.8. iNr. 16. 172 S. m. 15 Ku-
pfertaf. in lmp.-4. St.-Pelersbourg. Berlin, Mittler et fils. geh. n. 4»^.
Miscellanea philologica et paedagogica. Ediderunt gymnasiorum Ba-
tavorum doctores societate conjuncti. Nova series. Fase. II. gr.8.
VI II u. 282 S. Amslelodami, Müller, geh. ä n. 1 ^t. 26 n(>r.
fSiUe^f Dr. ©ufl. , gerbinanb (S)ott[)elf |ianb na^ feinem ßebcn unb SBirtcn
bargcpeUt. gjebfl STufuigni ouS abriefen ü. .gicljnc , 6aru8 , ^"»affow , ©. .^tx-
mann u. Sf. u. bcr ©rabrcbe b. ©el). Äirdienrat^ö Si^warj. gr. 8. IV u.
100 ©. 3ena, ©oebereiner. gel). _ _ n. 161131.
Sitznng-sberichte der kaiscrl. Akademie der Wissenschaften. Phi-
losophisch-historische Classe. VII. Bd. [Jahrg. 1851]. 3-5. Hft. Mit
3 lith. Taf. in gr.8 u. qu. gr. 4. S. 357 — 850. Lex.-8. Wien, (Brau-
müller.) n. 2 ^.
— dieselben. VIII. Bd. [Jahrg. 1852]. 5 Hefte. Mit 3 Taf. IV u.
618 S. Lex.-8. Ebd. n. 2V3 4.
Ißevjeid^nifl ber im ©ebietc ber ^übagogi! u. ^tljUoIogic, (M)X- u. ©c^uU
biic^cr jcber Slrt) tom 3uti bis ©eptbr. 1852 neu crf(^ienenen S^üdjer. gr. 8.
14 ©. aScrlin, JDaüib'S S5. pro 3al)rg. t». 6 |)fin. baar n. V3 ^.
II. Griechische und Römische Geog^raphie, Geschichte,
Culturgcschichte und Antiquitäten.
(Geographie.)
Bevan 1, W. L, , a Manual of Ancient Geography , for the Use of
Schools. 12mo. pp. 160, clolh. 2 S. 6 d.
Class. Altertliumswiss. — II. Grlccli. u. Röui. Gcogr. etc. 41
Bormann, Lehr. Dr. Albert, alllatinischo Chorograpbie u. Sliidtege-
schichle. Mit 1 litli. (jhaiie in Fol. u. 3 lilh. Plänen, gr. 8. XII u.
263 S. Halle, Pfeiler, geh. n. 2 4.
.Cookesley, (he Uev. W. G. , explanalory Iudex lo the Maps of An-
cient Alhens. Post 8vo. clolij. 5 S.
Curtiiis, Prof. Ernst, Pcloponnesos. Eine hislorisch - geograph. Be-
schreibung der Halbinsel. 2. Bd. Mit 21 lilh. u. iheils illum. Karten
in 8. u. 4. u. eingedr. llolzsclin, gr. 8. NU u. G39 S. Gotha, J.Per-
thes. In engl. Einb. n. 4^/3 4. (cpllt. n. 8 «f.)
Cavedoni, C., dell' anlica Wa Roniana che da Modena melleva ad
Osliglia passando par Colicaria nclle vicinanze di Mirandola. 9 S. 8.
Modena.
Gaisberg^er^ Chorherr Schulralh Prof. Jos., Ovilaba u. die damit in
nächster Verbindung stehenden römischen Allerthümer. Mit 4 lith.
Abbildgn. [Aus d. 3. B. d. Denkschriften der k. Akad. d. Wiss. ab-
gedr.] Fol. 20 S. Wien , (Braumüller.) geh. n. 1 ^. 6 g^^,
llolle^ L. , historisch-geographischer Scliulwandallas zur Alten, Mitt-
lern u. Neuen Geschichte. 1. Abth.: Alle Geschichte. Nr. 6. u. li. ä
4 lith. u. illum. Bl. in Imp.-Fol. Woifenbültel . Holle, ä Nr. % 4;
auf Leinwand u. in Mappe n. 1% •«^•
lubalt: 6. GallU nelst Bclliaitc. GallU >or Cüsar's Zeit. 11. Das Röraieclie
Keich in &ciaor grünsten Att«<lc]iuiing,
nioltke, Adjutaule Barone di, carla topografica di Roma e dei suoi
contorni fino alla distauza di 10 miglia l'uori le niura, indicante tutti
i siti ed edifizj moderni ed i ruderi anlichi i>i esislenti. Eseguita
coli' appoggio delle osservazioni astronomiche e per mezzo della
mensola delineata sulla proporzione di 1 : 25000. 2 Blätter in Kpfrst.
Imp.-Fol. Berlin, Schropp et Co. n. 4 4-
Oettingfer, Dr. Ludvv. , die Vorstellungen der alten Griechen und
Römer über die Erde als Himmelskörper. 116 S. 4. Fest-Progr.
Freiburg i. B.
Plan nouveau de Pompej par Sl d'Alo^. Fol. Neapel. 2 fl.
Raonl-Bochette, sur la lopographie d'Athenes. 4. Paris.
Reichard, Chrn. Theoph. , orbis terrarum antiquus post auctoris obi—
tum in usum juventulis denuo descriplus ab Alberto Forbigero.
Editio V. Fase, 111 et IV. Fol. 8 BI. in Kpfrst. Norimbergae, Campe
et fil. ä 6 ngc. (21 Xr. rh.) ; color. ä 9 nst. (30 Xr. rh.)
Bing*, Max. de, memoire sur les etablissements romains du Rhin et
du Danube, principalement dans le sud-ouest de l'Allemagne. Tom. I.
• . 23 B. 8. Paris, Treutlel et Würtz.
Schuberth's, J., kleiner Atlas der alten Welt, nebst e. Abriss der
biblischen Geographie vom Oberlehr. H. Peter s en. 22 S. 12. 2. Aufl.
qu. Fol. 4 in Kpfr. gest. u. illum. BI. Hamburg, Schuberlh et Co.
geh. ... . ^- Vz ^^
Smith i, H. E. , reliquiae Isurlanae; the remains of the roman Isurium
(now Aldborough, near Boroughbridge , Yorkshire) illuslraled. With
37 plates, royal 4. London. 25 S.; col'd, 42 S.
Stark, Prof. Dr. K. B. , Forschungen zur Geschichte u. Alterthums-
kunde d. hellenistischen Orients. Mit 2 in Kpfr. gest. u. lilh. artist.
Taf. in gr.8. u. qu. gr. 4. A. u. d. T.: Gaza u. die philistäische Küste.
Eine Monographie, gr. 8. XVI u. 648 S. Jena, Mauke, geh. 3 4.
(Geschichte und Cultur geschieht e.)
9C«|lilt9, 3. S. Sleftor, om ©racc^cr^lpprorcu. (Stt f)ifJorifft utfajit tiU gtjm:
nafioUimgbommö tjcnp. 35®. 4. ©pmn. :^ ^^rcjv. ©tcd^olm, SZorficbt
u. (Söncr.
42 Class. Alteitbumswiss. — IL Gricch. ii. Rom. Gcogr. etc.
Boeckh, A., de honeslo et ulili apud yeteres. 8 S. 4. Ind. schol.
Berlin.
SButif^ar^lt, 3ac., bic 3cit eonfiantinS tcS ©rofcn. gr.S. Vlil u. 512 ©.
ffiafel, ©cl;ireiöt)aii[tr. get). n. IVz^. (2 fl. 42 Xx. x\).).
Capellmann, AI., de Scipionibus commenlalionis parlicula. 12 S.
gr. 4. Gjmn.-Pr. Düsseldorf. 1841.
Friedländer, L. , über den Kunstsinn der Römer in der Kaiserzeit.
40 S. 8. Königsberg.
<3V0U, ©fo. , ©cfc^idjte ©ricd;cnlnnte. 9ta^ ttr 2. Sfufl. aitS b. Gn^l.
übirtr. ü. Dr. 9L 2^. 58. 5« eigner. 2. a?i). 2. 5fbt^l. gr. 8. XX ©. u.
©.337-648. ßeipäig, ^\)t gct). 2% 4. (l-ll, 2.: 11V+ »f.)
Caumpach, Jobs. v. , die Zeilrechnung der Babj-lonier u. Ass^rer,
- Nebst Excursen u. e. Zeiltafel, gr. 8. XVI u. 170 S. m. 5 Tab. in qu.
gr. 4. Heidelberg, J. C. B. Älohr. geh, n. IVg 4'. (2 fl. rh.)
Beitz, Aem., de polilico Graeciae statu inde ab Achaici foederis in-
lerilu usque ad Vespasianum Auguslum. 32 S. 8. Diss, acad. Strasb.
Hermann , Prof. Dr. C. Fr. , defensio dispulationis de Graeciae post
caplam Corinthum condilione. 22 S. 4. Progr. Göttingen.
History of the roman enipire froin ihe time of J. Caesar to ihat of
\ ilellius. By Dr. T. .\rnold and other learned raen. Ulustrated from
designs by E. E. Sarge nt. 8. London, IOV2 S.
•Snste, Th., histoire grecque. T. I. 95 S. gr, 18. Bruxelles. 15 ngr.
^tetfCf •&., iai 2(ltcrt(jum in [i-iiun ^lauptmoincntin bar^rpdlt. (Sine Striae
Ijiflor. 5[uffa|e t. Sßoedi) , S-aljtmaiin , 5:)roi;[m k. gr.S. XI u. 631 <S.
a?nSlau, S'rcivfnbt 11. ©ranicr. grf). 2V4 »f-
BLratz, Prof., Abhandlung über die Brücken des Xerxes, Herod. 7, 33f.
15 S. 4. Gymn. -Progr. Stuttgart.
JKiebnhr, B. G,, Lectures on Ancienl Ilistory, from the Earliest Times
to the Taking of Alexandria by Octavianus; comprising the Ilislory
of the Asiatic Nations, the Egyplians, Greeks, Älacedonians , and Car-
ihaginians. Translated from the Gerniau Edilion by Dr. Leonard
Schmitz; -\vith Additions and Corrections from his own Notes. 3 vols.
8vo pp. 1366, clolh. 31 S. 6 d.
jniflller, Otto, de tempore quo bellum Peloponnesiacum inilium ceperil.
Parlicula commenlalionis de slrategis Atheniensium scriptae. 41 S. 8.
Dr.- diss. Marburg.
Pütz, W., Grundriss der Geographie u. Geschichte der allen, milllern
u. neuern Zeit f. die obcrn Klassen höherer Lehranstalten. 1. Bd.:
Das Allerlhum, 7. verb. u. \erm. Aufl. gr. 8. XU u. 433 S. Coblcnz,
Boedeker. geh. n. Ve »^•
Biedel, Dr. H. , algemeene geschicdenis Tan de volken en slalen der
oudhcid, hunne zeden, slaalsleven, beschaving, kunslen en lilteraluur.
6e deel niet eeu algemeen register. 672 S. gr. 8. Groningen, W.
Tan Boekereu. 7^/2 fl,
— kort bcgrip der oude hislorie, 3de sluk. Romeinsch kcizerrijk van
Tiborius tot op Arcadius en Honorius. 207 S. gr. 8. Ibid. 2 fl.
Scalig^er, Jos., 'Oi.vf(:iiadwp uy^yijnqrj. Prolegomena de Olympiadum
recensu universa et de auclore ejus Jos. Scaligero scripta praemisit,
notas tum Mauricii Ditlrichii tum suas, Teteruni scriptorum locis , et
Scaligeriani hujus opuscuii et tolius fere hisloriae anliquac foulibus,
inslruclas subiecit, denique indices Olympionicarum, Archonluni, scri-
plorum locuplelissimos addidit Dr. Et al d. Seh ei bei. gr. 4. LXXXVTI
u. 232 S. Berolini, G. Reimer, geh, 3 4.
&^tiiftU, ^Hof. Sf., 3al;vbiict)n- bfr 9U^niifd)m ©cfdjidjtc, i\ bcn fiii^i-jlm
(Sajfu bis jitm llntiTtiangt' b. UH'flröm. 9trid;cß mit crlüiit. Sfninctfiingcn
VIlI. .f^ft. 2?cm 3. 30 ü. &)t. bis 476 n. 6l;r. 4. ©,477 — 663. 9;örb=
tiiigen, 2?ccf. 1\^^. (2 fl. 24 Ar rl;.) (cpit. i 4. 8 ngt. — 7 fl. 39ir.tt).)
Class. Altcrtliumswiss. — II. Grlccli. u. Köm. Gco{fr. de. '43
iSStttcie, ®i;mii. = 2f!)r. Dr. 8ubli\, (yrjüljlimjjm auö bcr alten ©rf^idjte in
.' biot)röp(;ifd)cr J^crin. 2. Sljl. Sf. u. t. X.: iSxY\[)limicn auö brr rcniifdjcn
. ©ffdjic^tc. 8. VIII u. 214 ®. Dlbniburo, etalluuj. ^tl). ä n. ^/^ nf.
Sternborg:, P. Chr., Ucilrägc zur alloslcn rhoinisclicn Gcschichlo ».
zur richtigen Auslegung des Fiorus , Tacilus, ISuclonius u. Ausonius.
2. Aull. 8. IV u. 68 S. Trier, Braun, geh. Vj «!*•
Inhalt: tjljcr <lie Entstolmiig v. Mainz, Itonn ii. Culn. Die f^agc r. Bingen ii. der
Uüikziig d. Trierers Tulor im J. 71 n. C.lir.
Yoclkcl, II., de Chaucorum nomine scdibusquc ac rebus geslis. 69 S.
8. Dr.-diss. Berlin.
Tömcl, Prof. Dr. J. Th., quo tempore bellum Peloponncsiacum Oni-
tum sit. 8 S. 4. (jynin.-Progr. Frankfurt a. M.
SSSerntdFe, Dbtrldjr. Dr. S., tie (Scfd)id}te brr 2Bdt jiinad)^ f. bü5 irciblidjc
(SJcfc^lcc^t bcarb. 1.21;l.: Me ©cf(^id)te b. ?lltirtt}umö. l'tT.--8. Vlll u. 703
®. 2?erlin , Sf. 3)imcfcr. ^t\). n. 2 ^f. 24 iißr. 5 in m^i &]\i\ 0. 3% 4.
(Antiquitäten.)
9(ifntC<l^t, ^Hof. 3. a?cnfbift, bcr rcmifd/c enint. 9 e. ijr. 4. yrosjr. bc8
S^iTffian. ©pinn. 5ßiin.
Becker., Dr. Jac. Aloys, de Romanorum ccnsura scenica. Accedunt
variae de Didascaliis Terentianis quacsliones partim chronologicae
partim criticae. Ex programm. gymnas. Magont. descripf. gr.4. III u.
40 S. Magontiaci, a Zabern. geh. n. 12 ngr. (40 Xr. rh.}
Bojesen, Dr. E. F., handboek der romeinscbe antiquiteiten. Naar de
hoogd. vert. van Dr. J. H o f f a , bewerkt door II. C. iVl i c h a e 1 i s. 3e dr.
217 S. 8. Haarlem, Krusemann. fl. 2, 15.
Boebbelin, A., de auxiliis sociorum ac Latin! nominis. Fasel. 28 S.
8. Dr.-diss. Berlin.
drosser, W., de spectione et nuntiatione dissertatio. 30 S. 8. Breslau.
Helfreich, Fr., üb. Erziehung u. Unterricht bei den alten Römern
(Fortsetzung). 15 S. 4. Gjmn.-Pr. Zweibrücken.
J.asaulx, Ernst v., zur Geschichte v. Philosophie der Ehe bei den
Griechen. Aus d. Abhandlungen d. k. bay-r. Akad. d. W. I. Cl, VII. Bd.
I. Ablh. gr.4. 108 S. München, (Franz), geh. n. 1 ^'.
IVIarx, Dr., ossa temporibus Honiericis esse diis cblata. 14 S. 4.
Gjmn.-Progr. Coesfeld.
S92entt^ Dr. CSatI, über bie römifd)in ^rcoinjiaUSonbtagc Gin SBcilra^ jur
©taatSi u. 3tr^tS>]cfct)ic^tc. 5fbiiibr. auö bnn yrocjramm b. ©pninafiumS
}u 9tiu^ ecm 3.1852. jjr. 4. 16(2. ilcin u. 9icu^, gdjironn. flc(;. n. Ve ^•
Niemeyer, C. , de equilibus Rotnanis. 94 S. 4. Dr.-diss. Greifswald.
Richard, II., de servis apud Ilomerum. 52 S. 8. Dr.-diss. Berlin.
Rubino, J. C. Fr., disputalio de augurum et pontificum apud veleres
Romanos numero. 20 S. 4. Progr. Marburg,
Schönbeck, Dr., de potestate tribunicia particula 17 S. 4. Gjmn,-
Progr, Bromberg.
)U^, yrof. (i()r. S^'f)ccp^il, yritiataUfrtl;ümcr ci. UMffinfifjciftlicfic?, rcliijic;
ffS u, t)äu6lid)cö 8cbcn bcr Stcnur. Sin 2ft)v= u. .fianbbud) f. Stubircnbc
u. 5nttrtl;umSfrcunbc. 2. Sfiiösj. gr. 8. XXX u. 7Ü0 <S. SxntUxu^e, ©rccö.
flft;- , . n. IV3 .f (2 fr. r^.)
Tophoff, Oberlehrer Dr. , de lege Valeria Iloralia , prima Publilia,
Ilortensia 23 S. 4. Gj'mn.- Progr. Paderborn.
H'alter, Ferd., storia dcl dirillo di Roma sino ai tempj di Giustiniano.
N'ülgarizz. d'all Avo Em. Bollati. Vol. I. p. 2. 16. Turin. IV2 fl.
Zell, Prof. C. , de mixto rerum publicarum genere Graecorum et Ro-
mauorum scriptorum sententiis illustralo. 17 S. 4. Progr. Heidelberg.
44
Class. Alterthumswiss. — III. Archacol. u. Epigr. etc. ^
Zumpt, Prof. C. G. , über die bauliche Einrichtung des römischen
Wohnhauses. 2. Aufl. Alit 1 lilh. Taf. in qu. gr. 4. gr. 8. 29 S.
Berlin , Diimmler's Verl. geh. n. V5 o^.
III. AicIiaeolo{fic und Epigrapliik. Mythologie.
Aiinales de l'Academie d'Archeologie de Belgique. Tome IX. 1852;
paraissant par livraisons trimeslrielles. 8. Antwerpen. 4 »fi. 10 ngc
— de la Sociele archeologique de Namur. Tome 11. le et 2e livr. avec
planches. Namur. 2 o»^.
Annali dell' Instituto di corrispondenza archeologica per Tanne 1851.
Vol. XXllI.
British Archaeological Association, Journal of ihe, established 1843.
8vo. pp. 464, 44 plates, 79 woodcuts. 31 S. 6 d.
Bulletin de l'lnslitut archeologique licgeois. Tome I, livr. 1. XXII u.
121 S. 8. Lüllich. I 4. 10 ngc
Jahrbücher des Vereins v. Alterlhumsfreundcn im Rheinlande. XVIII.
9. Jahrg. 2. Hfl. Mit 3 lilh. Taf. u. 1 Karle in 8., 4. u. Fol. gr. 8.
267 S. Bonn, Marcus. ä n. IV2 «?• (2 fl. 42 Xr. rh.)
Beviic de la numismatique beige, publice sous les auspices de la
sociele numismalique, par R. Chalon, L. de Cosler et Chr. Piot,
He Serie, lome II, 1852; 4 livr. par an avec planches. Bruxelles. 5»^.
Archaeologie.
QC^^tl^ungen o. SOIainjcr Sntcrtljiimcrn. Wit (Srflänunjcn \)x&q. ü. bem
ajmin jur (ärforfdiuns) im rljdn. ©t#ict)tc u. Sntctt(;iinur. II. |)ft. : ©c^trcrt
fc(6 SibcruiS. gr. 4. 33 @. m. 2 (gtcintnf. III. |)ft. : Urbcr t. befonbcre ®at-
tiing t). ©cironbnabeln au6 beutfc^cn ®rdbcrn beS V'. u. IV^ 3al)rt). 9?ad);
trag Sil "- (Sc^tvfvt bfö Sibfriiiö. 3nip.= 4. 26 ©. 111. 1 Iitt)oc^rcm. u. l
lit(). Saf. auf c^ituf. fc^. ^J^ainj, (ü. Babtxn.) ä n. 1 «^. (1 fl. 45 Kt.xi).)
Alcssandro e Bucefalo., bassorilievo Pompejano scavato nel 1849.
Riflet^sioni archeologico-milico-sloriche con parallelo di Alessandro e
Romolo per Dom. de Guidobaldi de' ßaroni di S. Egidio. 336 S. 8.
Neapel. 5 fl. 15 Xr.
Aloe, Slanisl. , les ruines de Pompei, avec un plan tres-exact et la
reslauralion des monumeas publics de celte ville. 16. Neapel.
2 fl. 42 Xr.
— nouveau plan de Pompei. Fol. Neapel. 2 fl.
Beaulieu, antiquiles des eaux minerales de Vichy, Plombi^res, Bains
et Niederbronn. 8. Paris.
Blacliburn, John, Nineveh; ils Rise and Ruin. New edilion, 12mo.
pp. 180, clolh, 2 S.
Bononii^ Joseph, the Palaces of Nineveh and the Buried Cities of Ihe
East: a Narralive of Lajard and ßolla's Discoveries at Khorsabad and
Nimroud. 8vo. pp. 422, clolh. 6 S.
f&vtti^et, Äflrl, bie SettoniE bcr ^cUciien. 2. 23b. 2. Stbtt;. SOTit 24Äpfrtaf.
in ßv. gol. or. 4. 2. u. 3. S3iid; : Soiüea in. ein[d)Iu^ ber STttifd) ^Sonifc^en
SBcifc. 5lovintl;iafa , 128 ©.5 4. Surf} : J)cr |)eUenifc^e Scnipcl in feiner
giaumanlage f. äwtdt bcö SiullnB. ©.217—413. ^■»otsbam, 5iiegere S3er(.
3n 5J}appe. n. QVj 4-, (<^P"- "• 19 4-)
Canina, Luigi Cav., gli edificj di Roma antica cognili per alcune im-
porlanli reliquie descrilti e dimonslrali nell' inlera loro architetlura.
Vol. III e IV. Imp.-fol. Roma. compl. H2 fl.
Delesse^ A., Unlersuchungen üb. den rolhen Porphyr der Allen u. üb.
den rolhen egypiischen Syenit. In's Deutsche überlr. v. G. Leon-
hard. Mit 1 color. Taf. in Slahlsl. gr. 8. 32 S. Stuttgart, J. B.
Müller, geh. V+ 4-
Glass. Altcrthumswiss. — III. Arcliacol. ii. Kpigr. etc. 45
Erbkam, G., über den Gräber- und Tempelbau der allen Aegypter,
' Ein Vortrag bcarb. f. die Versammlung deulscber Architekten in
Braunschweig im Mai 1852. gr. 8. 46 S. Berlin, Ernst et Korn,
geh. % 4-
Garrncci, P. Raf. , inlorno alla leggenda Vespasiano III. et Figlio
.! scrilta sul collo di un anfora recentamenle scavata in Pompej. 8.
Neapel. 30 Xr.
Gerhard, Ed., auserlesene griechische Vascnbilder, hauptsächlich
ctruskischen Fundoris. 36-38. Hft., zugleich als 1—3. Hft. der Va-
senbilder griech. Alltagslebens. Taf. CCXLI-CCLVIll. in Farbendr.
lmp.-4. 4. Tbl. S. 1— 24. Berlin, G. Reimer. ä n, 2 «f*.
Heller, Prof. B. K,, arcbäologisch-artisliscbe Millhcilungen m. 22 Plat-
ten üb. die Ausgrabungen auf der Akropolis zu Alben 1835, 36 u. 37.
qu. Fol. iV u. 7 S. m. 22 Steinlaf. , wovon 5 in Tondr. Nürnberg,
Bauer et Raspe, carl. n. 4% «^.
Jäg:er, Albert, über Leistungen auf dem Gebiete der Alterthumsfor-
schung in Tirol. Aus d. Sitzungsber. 1851 d. k. Akad. d. Wiss. Lex.-8.
13 S. mit 2 Steinlaf. in qu. gr. 4. Wien, (Braumüller.) geh. n. Vj »f .
Röhler's, H. K. E., gesammelte Schriften. Im Auftrage der Kaiserl.
Akademie der Wissenschaften hrsg. v. Lu d o I f S te p ha n i. 4. Bd.
A. u. d. T. : Kleine Abhandlung zur Gemmen-Kunde. 1. Tbl. Mit 2
lilh. Taf. in 4. u. qu. Fol. Lex. -8. VII u. 238 S. St. Petersburg.
Leipzig, Voss. geh. n. n. l"/. «f. (1 — 4.: n. n. 10 »f. 1 ngc)
liardi, Franc, de, indicazioni slorico-arcbeologico-artistische utile ad
un forestiero in Adra, cillä del regno Lomb. Venelo. Con 11 lav.,
ed uno ritratto. gr. 8. Venedig. 4 fl.
Eiepsius, C. R., Denkmäler aus Aegypten und Aelhiopien nach den
Zeichnungen der v. Sr. M. dem Könige v. Preussen Friedrich Wil-
helm iV. nach diesen Ländern gesendeten u. in den J. 1842 — 1845
ausgeführten wissenschafll. Expedilion auf Befehl Sr. M. des Königs
hrsg. u. erläutert. Tafeln. 25 — 32. Lfg. Imp.-Fol. 80 Steinlaf. in
Bunt- u. Tondr. Berlin, Nicolai. ä haar n. n. 5 «^.
mincrvini, G., illustrazione di un vaso Ruvese del real Museo Borb.
Memoria Iclta nclla reale Acc. Ercolanese. Con 2 lav. ine. 4. Neapel. 2 fr.
JMiiSUineci, Prof. Mar., opcre archeologiche ed artistiche. 3 Vol. con
9 tav. ine. 8. Calania. 1845 — 51.
Normand, Charles, nouveau parallele des ordres d'archilecture des
Grecs, des Romains et des auteurs modernes. 6 Bog. fol. mit 63 Ta-
feln. Paris, Normand alne. 42 fr.
Qtuandt, v. , u, Hofralh Dr. Heinr. Schulz, Boschreibung der im
neuen Miltelgebäude d. Pohlbofs befindl. Kunst - Gegenstände , m. e.
Vorwort d. Sammlers, Slaatsministers v. Lindenau. 2. Ablh. gr. 8.
96S.m. 1 Steinlaf. Altenburg, (Schnuphase.) carl. n. V.^ »f . (cpit. n. Vz»^.)
Ctuaranta, Bern. Cav., de' funerali di Archemoro rappresentati sopra
un vaso Greco dipinlo che si conserva nel reale museo Borbonico.
Con 3 tav. intagl. 4. Neapel. 5 11. 15 Xr.
Ross, Ludw. , das Theseion u. der Tempel des Ares in .Athen. Eine
archaeologisch-topograph. Abhandlung. Umgearb. u. erweitert aus d.
Griech. Mit 1 lilh. Plane d. Marktes in lmp.-4. gr. 8. XVI u. 72 S.
Halle , Pfeffer, geh. n. 24 iigt
Rucea, Giac, memoria su l'lpogeo dell' anfitealro Puleolano. 4.
Neapel. IV2 fl.
<B^nttmann, ©., bas Si'6m\\iie Zxux II. bie llmjf.jrnb md) bm erijcbniffm
bcr bie't)crioen giiiibc. 8. VIII u. 88©. Sricr, «in^.^ gclj. V.. 4- (36ifr.rf;.)
Seidl, J. G. , Fortsetzung der Beiträge zu e. Chronik der archäologi-
schen Funde in der österreichischen Monarchie. Aus d. Sitzungsber.
1852 d. k. Akad. d. Wiss. Lex.-8. 13 S. Wien, (Braumüller.) geh.
n. 4 ngc (cplt. n. 22 ugt)
4C Class. Altcrtliuniswiss. — III. Archaeol. u. Epigr. etc.
Stark, Prof. Dr., archäologische Studien zu o. Revision v. Müllers
Handbuch der Archäologie. Abdr. aus der Zeilschr. f. d. Alterlhumsw.
gr. 8. IV u. 105 S. Wetzlar, ilalhgebcr. geh. i/^ ^rfi.
Siudien, hjperboreisch- römische, f. Archäologie. Mit Beiträgen v.
K.O.Müller, Th. Panofka etc. Hrsg. v. Ed. G e r ha rd. 2. Thl. A. u.
d. T.: Archäologischer Nachlass aus Rom. Von Ed. Gerhard u.
dessen Freunden, gr.8. IX u. 322 S. Berlin, G. Reimer, geh. IV3 »f .
Teissier-Roland, le doct. Jules, histoire des eaus de Nimes et de
l'aqueduc romain du Gard. Tome III. 1186S. 8. Nimes, Ballivel.
Thisted, V., et Brev fra Pompeji. 24 S. 8. Schulprogramni. Aarhus.
Torteroli , P. Mon. , monumenti di piltura , scullura e archiletlura
della cillä di Savona. 4o con figure in fol. Savona. Fase. 18. 19.
ä 1 fl. 24 Xr.
natter, M. , une cxcursion gnoslique en Italic. 40 S. gr.8. geh. mit
12 littograph. Tafeln. Sirassburg, Berger-Levrault. n. 18 n^x.
^iptt, ^\o\. Dr. ^., übt-r fcm c^rif^Uc^cii SSilbcrfreiö. Wü einer Saf. in
©teintr. in gol. IV. u. 66 ®. gr. 8. fficrlin, SBifijauM luib ©nibcn. Qt^.
n. % 4.
(Numismatik.)
Dcscripiion de la colleclion de medailles, en or, grecques, romaines,
byzantines et visigolhes, recueillies p. J. P. Me j n a er t s, de Louvain.
VIII u. 140S. 8. mit Tafeln. Gent. 2 «|'. 20 njc
Grässc, Dr. J. G.Th., Handbuch der alten Numismatik v. den ältesten
Zeiten bis zur Zerstörung d. röm. Reichs. 3 — 7. Lfg. gr.8. 15Taf. in
Congrevcdr. ni. 15 Bl. Erklärung. Leipzig, E.Schäfer, geh. h n. V2 «f'.
I^uynes, II.de, numismalique et inscriplions cvpriotes. TVg Bog. gr. 4.
mit 12 Tafeln. Paris, Impr. de Plön.
niittheilung'en der Gesellschaft f. vaterländische Alterthümer in Basel.
V. Hft. gr.4. Basel, Bahnmaier. n. 28 n^t (1 (1. 36 Xr. rh.)
Inhalt: Der Münzrcind t. ReieLoDslein Iiesclirielien t. Dr. Willi. Visclicr, nebst
c. liiirien Anli. üb. röm. Bronzen aus Wallenbiirg. Mit 2 litb. Taf. in gr. 4. u.
Fol. IV 11. .54 S.
I^ibiljan, Priester P. Clemens, Beschreibung v. XVII noch unedirten
Münzen der Armenisch -Rubenischen Dynastie in Kilikien. Mit Ab-
hildgn. auf 3 Sleintaf. Aus d. Sitzungsbcr. 1852 d. k. Akad. d. Wiss.
Lcx.-8. 28 S. Wien, (Braumüller.) geh. n. Vj «f.
Epigraphik.
Vouchcronii, Car., inscriplioncs perpetuis animadversionibus auxit
Th om. Vallauri US. Accedit vita Car. Boucheronii. 8 maj. Aug.
Taurinorum. 1850. 1 fl. 45 Xr.
CaTCdoni, Abb. Celcst., annotazioni al corpus inscriptionum graeca-
rum che si pubblica dalla R. Accademia di Berlino. gr. 8. Modena.
1 fl. 48 Xr.
Fusco, Gius. Mar., di alcune iscrizioni di Pozzuoli e sue vicinanze.
Fol. con 4 tavole incise. Neapel. 6 fl.
Gervasio, Agost. , sopra una iscrizione Puteolana de' Luccei osserva-
zione con una appendice su' pretori e i diltalori municipali lette nella
Reale Accad. Ercolanese. Con 1 tav. ine. 4. Ebd. 3 fl.
— sopra una iscrizione Sipontina osscrvazioni. 2. ediz. 4. Ebd.
Garriicci, P. Raf., suU' epoca c sui frainmenti della iscrizione deir
anfiteatro Puteolano. Memoria. Con tavole incise. 8. Ebd. 45 Xr.
— intorno ad alcune iscrizioni autiche di Salerno. Illuslrazioni. Con
1 lav. lilogr. 8. Ebd. , 45 Xr.
— interne ad una iscrizione Osca recentamenle scavata in Ponipej.
Brovi osservazioni. Con 1 lav. lilogr. 4. Ebd. 1 fl.
Glass. Alterlhumswiss. — IV. Gr. u. lat. Litteratiirgescli. 47
l<e^is Rubiiac pars supcrsles. Ad fidcm aoris Parmensis exeniplo
lith. exprimcndam iiiravil Prof. Fr id. U i t s c h e 1 i u s. gr. 8. III u.
IGS. m. 1 Steinlaf. in Imp.-Fol. Berlin, Trautwcin'sche B. geh. n. 1 ^,
JMinervini., G. , iuterpretazione di nna cpigrafe Osca scavata ullima-
mcnte in Pompej. Memoria lelta alla reale Accad. Ercolanese, 2. Seit.
I8J1. Con una lavola ine. 4. Neapel. IVa fl.
QLuaranta, Bern. Cav., inlorno ad un' osca iscrizione iiicisa nel cippo
disoUeralo a Pompei nel Agosto, 1851. 82 S. 4. m. 1 Tal". Neapel. 311.
Rilsrhl, Prof. Frid. , liluhis ÄIumniianiLs ad fideni lapidis V'alicani
exemplo lilhographo expressus alcjne enarralus. 4. Will S. m. 1 Steinlaf.
Beroliui , libr. 1 raulwein. geh. n. % ot^'.
— monuinenta epigraphica Iria. Ad archelyporum fidcm exemplis lilh.
expressa commcntariisque grammalicls inlustrata. gr. 4. 56 S. m. 3
Sleinlaf. Ebd. geh. n. \% «^.
Zell^ Geh. Hofralh Prof. Carl, Handbuch der römischen Epigraphik.
2. Tbl. A. u. d. T. : Anleitung zur Kenntniss der römischen Inschriften,
gr. 8. XIV u. 385 S. m. 3 Steintaf. in gr. 4. Heidelberg , K. Winter,
geh. ä n. 2 »f. 8 ngr (3 fl. 54 Xr. rh.)
(Mythologie.)
DorfinüHer, C. F., über die Grundidee des Gottes Hermes. Erste
Ablh. 40 S. 4. Gymn.-Progr. Augsburg.
f&e^, Dr. g^. , über bie 3cuß-3bee in iljrcr centralen (Stellung jum Ijetlen.
©ötterfrcife. 23©. 4. ®pmn. = «Pr. COTünif)cn..
Figrnrski, J., die Götter des homerischen Zeitalters und deren CuUus.
23 S. 4. Progr. d. Marien -Gymn. Posen.
X^aut^, 3of., bie ©ebiirt ber 9}Jinerpa auf ber SoSpianif^fn ©c^ale. 28 <B. 4.
©tjmn.i^^r. iDJiindjcn.
JHinck^witz , Jobs., illustrirtes Taschenwörterbuch der Mythologie.
3 — 12. Lfg. 16. S. 113 — 579. m. eingedr. Hoizschn. Leipzig, Arnold.
geh. ä n. 4 ngr
Rivola, Bacchus und Penlheus. Gymn.-Progr. Bruchsal.
Schoeinann, Prof. Dr. Geo. Frid., de Cupidine cosmogonico disser-
tatio. gr. 4. 26 S. Gryphiae , libr. Kochiana. geh. 9 ngt
— dissertatio de Typhoeo Hesiodeo. 28 S. 4. Index schol. Ebd.
(S:|)i^eir, ßef)r. 3af., S?Jt)t[;olci3ie ber ©riechen, JRömer, Sfeijt;ptcr, \i. ber beut«
f^en u. norbifc^en SSölferj nebfl r. ©rläuterj]. ber in ber Äunfi am tjäufiqften
toortommcnben atlcgor. S)arftelluni]en. 2 S;f)le gr. 8. (Srfurt, Äörner. gel).
n. I9V2 W
StoII, Gymn.-Conrector Heinr. Wilh., Handbuch der Religion u. My-
thologie der Griechen u. Kömer. Für Gymnasien. Mit 12 lilh. Taf.
Abbildgn. 2. verb. u. verm. Aufl, 8. VIH u. 327 S. Leipzig, Teubner.
geh. 1 ^.
IV. Griechische und lateinische Litteraturg^eschichle.
Philosophie.
Anton, W. , quaestionis de origine libelli Tir^l ^n'/r'ci ylanot xitl (fvotroq
inscripli , qui vuigo Timaeo Locro Iribuitur. Part. I. 48 S. 8. Dr.-diss.
Berlin.
Botzon, L., quaeslionum mimicarum specinien. 36 S. 8. Dr.-diss, Ibid.
Browne, U. W. , a Hislory of Classical Literalure. 2 vols. 8vo, clolh,
reduced to 21 S.
Chassang", A., de corrupta post Ciceronem a declamatoribus eio-
quentia disserlalio. 6 B. 8. Paris, Durand.
48 Class. Altertliiiinswlss. — IV. Gr. ii. lat. Lltteraturgescli.
Damien, A., de C. Julil Vicioris arte rhelor. tlispul. lOVzBog. 8. Ebd.
Elsperg-or, Dr. Chr., commenlatio de satira Lucilii. 21 S. 4. Gymn.-
Progr. Ansbach.
Grotemeyer, H., de L. Auii tragoediis. 60 S. 8. Dr.-diss. Münster.
Haenel^ de epigrammatis Graeci historid. Spec. I. 23 S. 4. Progr. d.
St. Elisabet.-Gjnm. Breslau.
Hermann, Prof. Dr. Car. Frdr. , dispiitatio de Thrasyllo grammatico et
malhematico. Praefatio indicis scholarum in academia Geo. Ang. ha-
bendarum. gr. 4. 18 S. Gottingae, (Dieterich.j geh. n. 4 ngu
^inbcmanil, *Prof. 3. i^., üicr ?[bliaiibliiinjcn üb. bie rcUijiöSjfittlic^e Södt;
flnfd)auuiuj bcS |)crobot , 2:()iici)bibc6 u. Ä"cncp()ou u. bcn *pragmati6miiö beö
^olpbiuS. 8. 94 ©. Berlin, (Sacrtiicr. gct)- n. %^'
Eiitzing-cr, J. , de Thalcta poeta. 12 S. 4. Gjmn.-Pr. Essen.
IWitzsch, Gregor Wilh. , die Sagenpoesie der Griechen kritisch darge-
stellt. Drei Bücher. l.Ablh. gr.8. I.Buch: Die Homerische Kunst-
epopöe in nationaler Theorie. VII U.294S. Braunschweig, Schwetschke
et Sohn. geh. IV2 *f •
Peterinann, Dr., über die Satire des Ennius, 23 u, 20 S. 4. Zwei
Gymn.-Programnie. Hirschberg.
Pierron, A., histoire de la littörature romaine. 28 Bog. 12. Paris,
Hachette. 4 fr.
Rhoiisopoiiliis, Athanas. Serg. , de Zamoixide secunduin veterum au-
ctoritatem. Dissertatio graece scripta, gr.8. 48 S. Goltingae, Van-
denhoeck et Ruprecht in Coinm. geh n. Yj -i^.
Roseng-ren, A. Fr., de argenlea , quae dicitur, littcrarum latinarum
aetate aphorismi. ISS. 8. Upsala , Wahlslröm et C.
&Uttntt, 3. ®-, 33oetl;iu5, bcr Ic^tc giönur. (£ciu Scben, fein cl^rifili^fß
2?ftcnntnip, [ein 9iad}nit)in. 4(3 @. 4. föiimn.^^Hogr. eidiflätt.
Weber, Dir. Carol. Frid. , Dissertatio de latine scriptis quae Graeci
veteres in linguam suam transtulerunt. 4. 275 S. Cassellis, Fischer,
geh. n. SVsxJ^.
?8c(f , Sfrc^ibiaf. 6nrl, yiatonS ^n;itofppI)ic im mm^ iljrcr ijmftif^fn (gntn^irf;
Uui;]. gr.8. X[ 11. 270 ©. ©tuttgort, ^^Jäcfcn. flf[). iV^ 4- (2 ft- 42 Jr. r(j.)
Deiischlc, Dr. Jul. , die platonische Sprachphilosophie. 4. (Vll! u.
83 S.) Marburg, Elwert. geh. % 4. (1 fl. 12 Xr. rh.)
Deuting'er, Prof. Dr. M. , Grundlinien e. positiven Philosophie, als
Torläufiger Versuch e. Zurückl'uhrung aller Theile der Philosophie auf
christl. Principien. 7. Thl. A. u. d. T. : Geschichte der Philosophie.
1. Bd.: Geschichte der griech. Philosophie. 1. Abth. : Die griech.
Philosophie v. ihren Anfängen bis SoKrales. gr. 8. LVI u. 464 S.
Regensburg, Manz. geh. 24. (3 n. 12 Xr. rh.j (I — Vll.: W ^.
2&%när..-17fl. 36 Xr. rh.)
CiOettling:, Prof. G. , addilamentuni ad symbola Pythagorica. 6 S. 4.
Ind. schol. Jenensiiim.
Mvt^i^matf ^H"v- G'^-, fcct j?ampf bc6 ^piato um bie rcligil^fcn 11. fittlid;cn
^rincii-nfn b. ©taatSlcbcnS. (?ine ®ratulaticnffd;rift. gr. 8. III u. 99 ®.
Scipjig, Scubncr. cje(). V2 4-
Renan, E , de philosophia peripatetica apud Syros commentatio hislo-
rica. 5 Bog. 8. Paris, Durand.
Saal, Dr. N , de Aristonc Chio et Hcrillo Carlhaginiensis toicis, com-
mentatio. Pars I.: De Arislonis Chii vita, scriptis et doclrina. gr. 4.
38 S. Coloniae, (J. et W. Boisscree). geh. n. V3 »^•
Trendelenbiirg', Prof. Dr. Frider. Adolph., Elementa logices Aristo-
teleac. In usum scholarum ex Arislolele excerpsit convertit illustravit.
Editio IV. relractalior. 8. XVI u. Jj9 S. ßerolini , G. Belhge.
n. I7V2 W
Class. AUeilliuinswlss. — V. Lexicogi-. Gr. u. Lat. Gramm. 49
Zellcr, Dr. Ed., die Pliilosopliie der Griechen. Eine Untersuchung
üb. Charakter, Gang u. Ilaiiplniotnenle ilirer Entwickelung. 3. Thl,:
Die nacharisloleiische Philosophie. 2. Halllo. gr. 8. XII S. u. S.
453—983. Tiib., L.F.Fues. 2Vä xf . (4 fl. 3üXr.rh.] (1-111,2. OVe 4')
V. Lcxlcograplile. Grleclilsclie und lateinische Grammatik.
MctiiK.
(Lex i CO g ra ph i e.)
Anflrei%s, E. A., LL. D., a copious and ci ilical Lalin-Englisch lexicon,
founded on thc larger German Lexicon of Dr. William Freund. New
edition, royal 8 vo. pp. 1089, cloth. 2t 8.
^ettmtV, i5o[laboxatox Dr. ßavl, fflocatutlnvium f. bi'ii (jrit'd;ifd)fn (glemen;
tnrunterridit. Du-bfl ^lufijnbtu ju iiiiuiM. u. fd)viftl. Uttniiiijeti ii. e. bcutfd)fn
Söortrcgiflcv. 8. VIII u. 120 ©. Siraiinfc^aH'i^ , (gdiroctfc^fe u. (3o()n.
cart. _ _ n. Vs ;^.
Döderlein's Handbook of Laiin Synonymes. Translated from the
German by ihe Rev. H. H. A r n old. 2d edil. I2mo. pp. 206, cloth. 4 s.
Finckh , Prof. Dr. C. E. , iSachlräge und Derichligungen zu W. Pape's
Handwörterbuch der griechischen Sprache. 17 S. 4. Gymn.-Pr.
Heilbronn.
Georgres., K. E., handwoordenhook der Lat. laal, voor bijzondcr en
schoolgebruik. Naar de lOe hoogd. uitgave voor Nederl. bewerkt door
Mr. J. A. S chn e i t h e r. le afl. 80 S. Lex. 8 in 2 Col. Groningen,
Erven E. M. van Uolhuis Hoitscma. 90 c.
Ing:erslev, C. F., de vocibus et locis quibusdam scriptorum Lalinorum
in lexicis plerisque non salis rede explicatis. Part. H. 18 S. 8.
Schulprogranim. Kolding.
Ml0^, ^"*rof. 9tciii[)ctb , -^laiu'^nH^rti'rbud) ter latcinifi^cn S'pvadjc. Unter OTit;
wni<i. D. @i)inn.=Sir. Dr. ßübfcr u. Dr. |)u bemann \)x^. 7 u. 88ft]. :
Denique — Hytanis. 8c!i: = 8. 1. Sb. XIV <B. u. ®. 249 — 1718.
J8raunfd)roci9 , SScflcrmann. get). ä n. 16 ngc
lieopold, Dr. E. F., Lexicon graeco-latinum manuale ex optimis libris
concinnatum. Altera editio slercot. emendalior et locupletior. 16.
VI u. 895 S. Lipsiae, C. Tauchnilz. geh. IVs >#•
fJUam^f^P'^n, Dr. garl, S)ciitfd):®rird}ifd)cS |)anb»rbrti'r()ud) net'fl c. 23evjeic^=
nijj ber bcmcrfcnSirert^fflen (5:ii)cnnanu'n. ©tcr.^Sfugij. gr. 8. VI u. 531 ®.
Ccipjig, 23. 3:aud)ni<5 jun. gcf). 1% ^•
Riddle, Rev. J. Esmond M. A., a copious and crilica! Latin -English
lexicon; founded on the German -Latin Diclionary of Dr. William
Freund. 2d edit. 4to. pp. 1408, clolh. 31 s. 6d.
Yocabolario universale latino-italiano e ilaliano-latino compilato c
disposto da Ant. Bazzarini. Opera riveduta per cura de! C a v.
Toram. Vallauri. gr.4o, Fase. 12—15. Turin. a 50 kr.
(Griechische Grammatik.)
Ahrens, Dr. Henry L, , an elemcnlary greek reader, from Homer. Ed.
Th o mas Kerchcvcr A rn old, W. A. 12. 3 s.
Aken, Grundzüge der Lehre vom Tempus und Modus im Griechischen
IL Modi. 35 S. 4. Gymn.-Pr. Güstrow.
fSaumtein, ©emin.=®pI;oru8 5ffi., überfic^tUc^e SufammcnflcUung bcr ülegeln
üb. ben ©ebrauc^ bev Sempora, bct SJlobi u. ber Siegationcn im ©riec^ifdjcn
flr. 8. 34 @. .f>cilbronn, ßanbl;crr. Qe\). 6 iigt (21ifr. xl).)
fSeUetmann, ®i)mn.=S5ir. Dr. grbr., s)rie4)ifc^t' ®d)ulgrammatif jitr ©rler:
nung b. S[ttifd)en ©ialectö, ncbfl c. ßeffbuc^e. gr. 8. VHI u, 379 @. fön--
lin, görflncr. gel;. u. 27 Vg ngr.
50 Class. Altci'thumswiss. — V. Lexicogr. Gr. u. lat. Gramm.
Blackic , J. S. , the pronunciation of greek acccnt and quantity ; a
philological inquiry. 8. Edinburgh. 3 s, 3 d.
f&lume, ©oni^err ©9mn.=S)ir. Dr.SBilt). ^am., Utbunöcn im Ucberfc^en au8
bem ©cutfc^eti in baS ®ricd;ifc^e jut ffiefcfligunö i" ^fr grii-d). gormenk^rc.
2. srbtf). 3. »erb. SfuS^. 8. IV u. 163 ©. ©tralfunb, 2vf\kx. ^/z 4-
Burnoufi) J. L. , melhode pour etudior la langue grecque. 50e ed.
22V2 Bog. 8. Paris, Delalain. 3 fr.
(^UirtiUS/ -yrof. Dr. ©co., 9vicct)i[rf)e ©c^ulcjranimatif. gr. 8. XII u. 312
©. ^proij, 6i-,lüe"S Serl. cjd;. 21 iigr.
Fritsch, Oberlehrer Dr., Probe einer Bearbeitung der griechischen
und lateinischen Adverbien vom sprachvergleichenden Standpunkte aus.
16 S. 4. Gjmn.-Progr. Wetzlar.
Giraudcau, le P. Bonav., introduction ä la langue grecque. Nouvelle
ed. 12 Bog. 12. Lyon, Pelagaud.
Ilaache, Dr. Aug., Beiträge zu e. neugestaltung der griechischen gram-
niatik. 2. Hfl A. u. d. T. : Der gebrauch der gencra d. griech. ver-
bums, gr. 8. Ylllu. 80 8. Nordhausen, Büchting. V2 «^- (1-2.: 27 ngr)
^alm, Slcctcr ^.Tof. Siaxl, Gkinnitarbud) tiT örkdjif^m (Styinclcgic, in SPd=
[pit'k'u äUm Ucbcrfcf^cn au& bcm 5)cutfd;ni ins ©vicdjifc^c. 1. Gurfuö.: 2)ü6
Sternen u. rcgrlmii^. Scrbum auf ot 5. in'vb. Sfufl. 5f. u. b. S'. : Sfnkitmii]
3uni lkbcr[f|cn aus bnn J^cutfdjtn ing ©ricd;ifd)c. S^c6 1. ob. cti;nicki].
S[;tS. 1. GurfuS. 5. ücrb. Sluft. gr. 8. VIII u. 160 (2. a}?ünd)cn, 8in=
baucr. gel;. V2 xf . (48 i"r. xl).)
MtinnitlQtV , Dr. U. , bie grirdjifdjc Skcfntk'(;rc für Sfnfünger. 16 ©. 8.
^Bamberg, Suc^ncr. gel;. 9 na,i (18 Kx.)
fi-ühncr, R., greek grammar. Translatcd bj Edwards and Taylor. 12-
New-York.
liOberli, C. Aug., pathologiae graeci sermonis elementa. Pars prior
qua cont. dissertationes de proslhesi et aphaeresi, de syncope, de pa-
rectasi, de metathesi, de parathesi et scriptiua hyphen. gr. 8. ^ III
u. 67U S. Regiomontii Boruss. Borntraeger fratres. n. 3 »^ 18 ngt
Pluijers, Dr. W. G., leerboek der Grieksche taal, hooldzakelijk van
het attische taaleigen, voor scholen. 362 S. gr. 8. Amsterdam, Sulpke.
3V2 fl.
(^d^cttfl/ (Si)mn.--M)x. Dr. fvarl , gnfd)ifd)fS (5-knimtarbud} f. bic 3. u. 4.
(ilüffe tcr ©pninaficn b. of^errcid). ÄaifcrftüQtcS. SZod; bcr ©rannnntit beß
^xc\. (Surtiuö bcavb. gv. 8. VlI. u. 138 ©. ^^rag, (SalvcS: SScrl. gel).
9 ngc
Schmidt, Dir., über das Plusquamperfeclum. 34 S. 4. Gymn.-
Progr. Bielfeld.
Schraut, Dir., zum Organismus der Sprache, mit bes. Rücksicht auf
die griech. Sprache. Gymn.-Progr. Rastatt.
Zief^lcr, Dir. Dr., de diversis quibus Graeci et Roniani in dicendo usi
sunt brevitatis generibus, 32 S. 4. Gymn.-Progr. Lissa.
(Lateinische Grammatik.)
Arnold, Thom.Kerchever, a Practical Introduction to Latin Prose Com-
position. 9th edition, Part I, 8vo. pp. 220, cloth. 6s. 6d.
ferset, @pmn.-9lfct. Dr., lateinifd)e ©rammatiE f. bcn Unterrid;! auf ©pms
naficn. 2. »erb. Sfufl. gr. 8. VIII u. 279 ©. gcüc, gflpaun=Jt(irloSra.
flil- . . , Ve^.
— Dr. Fr. , de nominum quantitate. 26 S. 4. Gymn.-Progr. Gotha.
SBlume/ ®t)mn.-S)ir. ^rof. Dr. 3Bil(). .f^rni. , Sel)r = (iurfuö bcr ßatcinifc^cn
©pradjc ob. botipünb. ßatcin. (Stcinmtarbud;. 3 STfjk. 1. S^., jum Ikbcrff^cn
au8 bem Satein. in baS S5eutfd)e. 10.' fcl;r t?crb. u. fiart berm. Slufl. gr. 8.
VIII u. 76 (S. yotSbam, Siicgcrs 2?erl. Vs 4.
Class. Altei'lliumswiss. — V.LcxIcogi*. Gr. u.Lal. Gramm. 51
mtume, ©t)mn. = 2)ir. ^^rof. Dr. 2BiU). .^crm., ßf{)r={Surfii6 bcr lat. ©prai^c
ob. üoÜpanb. lat. (flciiicutarbucf). 3 St)Ie. 3. Sljl., iücld}cr ia& grommotifc^e
fciifum f, untere Glaffcn eut(;ält. 3. Sfiifl. 5f. u. b. S.: Älcinc Inteiiiifdje
©c^ulgronimatiü, ob. furjqffafite gormciilclirc ber lotein. (Sprache. 3. -Sfufl.
ör.8. VIII u. 112 ©. '^'»otSbam, giicjicre OJetl. Vj nf*.
IBv^det/ ©iipcrint. ^aflot C^[)rn. ©leb., fleine latcinifdjc ©rammatif m. lei^:
tcn öcctioncn f. Slnfiinger. ^fufö »fiic biirdjgef. u. ücr'o. ü. ©pmn. --^Hof.
Dr. 8ubn?. ginmSljorn. 27. uerb. u. üerm. Drig.sSfuft. Siicucr unücriinb.
Sfbbr. flr. 8. VI u. 266 ©. Seipjic], «Böget. n. Vs «1^-
SBurd^ntrd, ®pmn. = J)ir. ^rof. 3. g. 5B., latcinifcf)c ©djuliiramniafie f. ^ie
unteren ©pmnafial = Älaffen. 5?ebft Uct)nnii6tH'ifpifIcn jum Ueberfe^cn in6 Ca;
teinifdie u. e. Sefebudjc. 6. ?fufl. 8. IV u. 404 ©. iJcipjig, °0. ®d;ul§f.
(ift;. % 4-
&t(enH, ®t)m. = ©ir. Dr. grbr., Iatcinifd)e6 ßefebud) f. bic unterficn J\lnjTen
ber ©i;mnafiien. 12. reo., untjeriinb. STujT. 8. VIII u. 2.54 <3. ÄcnigS;
berg, (Sebr. löorntriiger. n. Vz «^•
^n^lmann , @t)mn.=?,el)r. 8or. , SdjuJgrammatit bj;r latcinifdjrn eprad)e.
gr. 8. VI u. 337 ©. SRündjen, ßinbaucr. n. 28 113t
^elbtfanf^, gelij: <Bch&\i., Iateinifd}f8 UrbungSbuc^ jur ©inübung ber ^^cx:
menlel)re u. ber crjli'n fijntatt. Siegeln nebfl leidsten äufammentjangenben 8c;
[epücfen f. 2(nfanger. 6in Srn()ang ju ber latein. Sdjulgramnnitif. 4. 5fujT.
gr. 8. IV u. 225 ©. .fjeibelberg, 3. ©rooS' SJerl. gc(;. n. ISngt (1 fl.rb.)
— lotcinifdic (3d;ut9rammatif f. @i;mnn[icn u. l;ö()cre ."Pürgcrfd^ulen. 4. Stuft,
gr. 8. XIV u. 394 ©. ©bb. gcf;. n. 28 nji; (1 fl. 36 fr. rf).)
^ivn^üfttv, ©pmn. :^rof. Dr. 6. ®., 5[)?aterialifn ,?uni Ueberfe^en auS bem
S)eutfc^cn in'6 Sotctnifdje auf ben @runb vorausgegangener Scctüre latein.
^Hofaiter f. bie entfprcc^enben S?ilbungSftufcn ber ©pmnafien bearb. 1. .f>ft. :
®ie Sieben bcS gicero f. S^ejotaruS u. ?Jlilo bilben bie ©runblage. 8. XX
u. 80 ®. SJ^aiuj , Äunje. n. 9 iijt (30 Xr. r(j.)
— baffclbe. 2, |)ft.: ©ie (Samnitcnfriege nad) ber J)arftellung beß Sioiuö
Siuti) VII -X bilben bie ©runblage. 8. XX u. 128 ®. dbb.
n. I3V2 njt (45 Xx. xi).)
^ettmdttn, ©l)mn.:^)rof. S}Jid;., oereinjelte S^eitriige jur Äcnntnifi ber nuiper;
gültigen lateinifc^en §}rofa. -yrogrcnun. gr. 4. 27®. Ailingen, (gricbric^.)
gel;. n. n. 6 iigc
^ilte^vanb, ^rcb. -9fle!tor, fleineS >&iilfsbudj f. ben Unterricht im Sateinifc^en
in ©tabtf^ulen. ©cm 58ebürfnip foldjer Sctiulcn angepapt. 8. 30©. troffen,
IRange. gel). n. 2 113c
0^99» ©. |)il., 5Bortlct)rc ber latcinifdjen ©prad>c f. ©d}ulen. gr. 8. VIII u.
14^ @. gjbrblingen, fficrf. gel;. 12 iigt (42 ,^r. rl).) 5 ^artiepr. bei ISgjrpl.
9 Hat (30 Kx. r^.)
$plf etr 3., u. ®. SDtecf l^off, ©i;mn.:8el)rer, STufgaben juni Ueberfe^cn aus
bem Seutf^en inS ßateinifd)c u. anß bem 8ateinifd)en ins ^icutfdje, e. lieber:
fe^ungSbu^ ju Äiflemafer'S latein. (Spradjlel)re. 3. Perb. 2fufl. gr. 8. IV u.
332 ©. SJJünper, 3:i;eiffing. HVz ngr
^Ol^ei;, ©. 8., Ucbungepiicfe jum Uebcrfc^en auS bem S)eutfd)en in baB
8ateinifc^e f. bie mittleren (Elfiffen ber ©clel;rten = ©c^ulen in 3 (Surfen mit
STnmerfungen. 2 Sfbttilgn. SSorübungen u. 1 (SurfuS. — 2. u. 3. (SurfuS.
4. Perm. u. »erb. STuft. gr.8. XIV u. 340©. ©tuttgart, S3ccf u. gränfel.
flft). ä V2 4. (48 Kx. xl).)
^Utlffei!, 8et)r. ©ujl., praftif^eS ^ülfsbu^ lux ß-inübung ber lateinifd;en
gormentc^re. 3m Sfnfdjluf an ben gewöf)nl. ©ang ber latein. ©rammatif
bearb. 2, (Sitrfu?. 5D]it f. furjen gormenleljre u. e. Sefebuc^e. gr.8. VI u.
151 ©. S3raunfd)tteig , ©c^wetfc^Ee u. @ol)n. cart. 18 ngr (cplt. 24 ngt)
JRifttmüfet^^ lateinifc^e ©prac^letjre f. bie unteren u. mittleren Älaffcn ber
©pmnafien, burc^auö umgearb, p. ©t)nin. = 8el)r. @eo. 5)iecfl}off. S)er
©pra^lcljre 7., ber Umarbeitg. 3. perb. u. Perm. Sfufl. gr.8. VIII u. 232©.
JWünfier, Stjeifrmg. 12% ngc
52 Class. Alterlbumswiss. — V. Lcxlcog^r. Gr. u, Lat. Gramm.
Xcititl^U^, ^'*rof., a^erfud) riiicr Sßegrünbimg bcr gracjcfülc in In bcutfcfjcn
iinb Intcinifdjen (^prad)c. 32 ©. 4. ©pmn.-^rojn. 23ambcrij.
IHoIIo H. M. , latijnsche spraakkunst yoor eerstbeginnenden. 2e druk.
236 S. 8. Amsterdam, v. Hampen. II/2 11.
SStU^t, <Stbaü., fldnc liitcinifc^c ©c^ulgrömmotif f. bte untcvfifu 61af[cn bcr
©tiibicnanftaltcn. STuSjug auS bcr gröf crcn ®d)ul{jrammatif. gr. 8. IV u.
278©. StfgenSburcj , S^lanj. gc^. l^Va ngr. (54 Xr. t^.)
mäQCU^aä), ^^rcf. Dr. 6arl grbr., lafcinifrfjc ©tiliftiE f. 5)cutfd)f. _ Gin
fprac^ocrtilcidn'nber Scrfiid). 2. gro^cntljcilö mtiijcarb. Sliifl. gr. 8. XXXIV
u. 613 (3. Siürnbcrg, ©cigcr. gct). 3»^, (5 f(. rf).)
— Uebungen d. lateinischen Stils ra. Kommentaren u. Hinweisungen auf
grammat. u. Stilist. Werke, l.u. 3. Hft. 3. Aufl. u. 2. Hfl. 2. uragearb.
Aufl. Für reifere Gymnasialschüler, gr. 8. XXVIII u. 423 S. Nürn-
berg, J. L. Schräg. ä n. 12 !igr (36 Xr. rh.)
^Utfd^e, ©ijmn.^yrof. Dr. (Sari Gb. , latdiiiCdje OranmiatiE f. untere inib
mittlere ©pmnofialclufftn fo iric f. (jtHjerc iBürgcr; 11. 91cal[djulcn. 3um fdi-
I;ufc r. fiufeimH'ife fcrtfdjreitenbcn i?c()rgangc6 ouggcnrb. u. 111. c. reichen SfuS^
ira()l clafy. 2?cifpiele iH'rfe^cn. 8. 5tufi. gr. 8. XXXII ii. 334 ©. 3cna,
9}]Qufc. gct). % «T-
Scholz, Herrn., exempla sermonis lalini ex Cordcrii Erasmiquc collo-
quiis et Terentii comoediis deprompla tironum in usum collegit, an-
notatiunculas et verborum primae partis indicem adjunxit. gr. 8. IV u.
118 S. Gueterslohae, Bertelsmann, geh. n. Vj »^.;
ohne Wörterbuch n. 9 ngr
&(l[f9tte, 6. 23., gctjrlnic^ bcr lntcinifd}cn ©praiic m. 3at)Iriid)en fotrct)! latcin.
aU beiitfc^en lleberfc|uiig6aufgaben jitr (Sinübung bcr einulncn graninict.
^Htnfte lt. bcigcgebctifn jiifaninicnbuitgcnbcn latcin. u. bfut[d)en llcbungSflücfcn
iicbfl c. bcppcltcn SBörtcrucrjcic^nifyc. gr. 8. V u. 294 2". i?eipäig, JllinE=
t)arbt. gc^. V5 «#•
@d^Ul§, Dtto, ©t^ulgrammatif bcr latcinifi^cn ©prai^c. 14. fcrb. Sfufl. 8.
IV u. 363 ©. C"»öüf/ ^nä)l). b. ©aircn(;aii[c§. I2V2 ngc
©ciÖcnfiÜcfetJ'S, tpcil. ©t;mn.=3:;ir. Dr. S. i\ f., Glcmcntarbud) bcr latcini=
fdien Spradjc. LSlbtl). 9. SlufL, forgfültig burdnjcfcben u. enreitcrt r. ©pnin.;
£)'ir. -yrcf. 3. g. SB. ffiurdjarb. gr. 8. VI u. 202©. 9J]ünper, SBunbcr;
mann. V2 ^f .
— baffclbe. 2. Stbtf). 3. Sfiifl. gänjlid) nmgcarb. P. ©>;mn.=3:)ir. ^^rcf. 3. g. So.
a3urd)arb. gr. 8. 400 ©. dbt. % #.
©etjffert, ©pmn.^^-^rof. Dr. 5W. 8., Palaestra Ciceroniana. 50?ate^rialicn
äu latcin. ©tilübuniie» f- bic oberjlc 2?ilbunii6fiufe bcr ©pninaficn. 3. 'burc^s
ßcfel;. 2lufl. gr. 12. XVI u. 328©. S^ranbcnburg, SJiüUtr. gel), 1 «f. 3%na;c
GibtVti, SOI., latcinif($c ©djulgramnmtif. gür bic iintcrn Älaffcn bcarb,
9fcu bcarb. u. f. bic mittlem yvlajTen envcitcrt l\ ©t;mn.r5::ir. Dr. SO?. SO?ci=
ring. 9. ücrb. 5fufl. , m. c. S:Blirtcrt>crjeid)ni(Tc ju ben latcin. a3eifpielen bcr
©^ntaji- f. bic untern j^laffen. gr. 8. VI u. 328©. S3onn, S^alniit n. % 4.
&pic^ , @i;mn.=5-^rof. gr. , Hebung^bud) jum llcberfc^cn anß bem ßatcinifdien
in'6 i£)cutf($c u. auS bem Sculfdicn in'6 Satcinifcbe f. bic unterflcn ©l)mna:
fialflaffcn bcarb. 1. STbtb.: f. ©cjrta [Octatja]. 6. ücrb. u. ücrm. 5fufl. 8.
84 ©. @[fen , Sabccfcr. ' 1/4 ^.
Weideinann, Rector Dr. C. A. , lateinisches Lesebuch f. die obern
Classen der Realschulen , enth. e. Auswahl v. Leseslücken aus röm.
Classikern nebst Einleitgn u. erläut. Anmerkungen, gr. 8. X u. 406 S.
Jena, Frommann. geh. IV5 «§'•
VS&eUtV, ©pinn.^yrcf. Dr. ©., lotcinifdjcß i?cfcbuc^ anS ßiüiuS, f. bic Ouarta
bcr ©t;mnafien u. bic cntfpred)enbcn itlaffcu bcr Sicalfc^ulcn. 8. VIII u.
239 ©. .fnlbburgl;au[cn, Äcjyelring'fc^e ^o\b. gel;. n. 18 nof.
Gricch. Classikcr. Erklärung^sscliriftcn. — I. Glasslker. 53
(Metrik.)
Arnold, T. K., Anticleplic Gradus, foundod on Quicheral's Thesaurus
Poclicus LiiifjiuK Latinsp. 8vo. pp. 543, clolh. 12 8.
^Vi^iäfC, (^»11111. = ?fl;r. Dr. ?ii. 5^., profobifcfic dl((\tln u. SfnttJcifiing jum
ä*fr?bau , }iinäcl)fl f. tic latcin. ^'prndjf, tubfl ^Jfnliaiuu'n üb. äriccf}. ^^rofobie
u. dJldxa. flr. 8. 38 ©. infM, -0. gril}fcl)r. ' qA). n. Vp -4.
Horinann, (lodofr. , opitomc doclrinae inolricao. Editio IH. rccognila.
gr. 8. XWI u. 318 S. Lipsiat", M Flcisclior. geh. 2 «|*.
Slastf^r's, ihe, Latin Vorse-IJook: Leing a Collection of Latin Prose
Fahles turned into Verse; wilh an English Iraiislalion , intended as a
help towards Original Composilion. 12mo. pp. 52, cloth. 4 s.
Ciuicherati, L. , traile de versiücation laline. I2e M. 18 Bog. 12.
Paris, Hachctie. 3 fr.
Griechische Classilier. Eridäruiigsschriften.
I. Classiker.
Arschyli tragoediac. Recensuit Godofr. Hermannus. II Tomi.
gr. 8. XVII u. 1128 S. m. Porlr. in Stahlst. Lipsiae. Weidmann,
geh. n. 6% .#.
— .Agamemno. Recens. P.A. Pa]Icj. Editio auctior et emendatior. 8.
Camhridge. A^^, s.
■ — les Euinenides tragedie d', expliqiiee lilteralement et traduite en fran-
cais etc. p. E. Emil Escourrou. 3V2 Bog. 12. Carcassonne, Impr.
de Laban.
— Prometheus vinctus cum scholiis Mediceis. In usum praelectionum
curavit A. Meineke. gr. 8. XII u. 59 S. Berolini, Nicolai, geh. ^^f.
— ffiBcrfe. ©ricdjifct) in. inctrifdicr lli'ticrfe|iing u. prüfcnbcn 11. crflürcnbcn
5funifrhinjcn ü. 3. ?f. -f>artung. 1. 93bc^n.: ^romctfjcuS. gr. 12. 176 S.
Scipjiij, SB. gnofliimnn. gc(). V2 «f.
Alciplironis rhetoris epistolae. Recensuit, cum Bergleri integris,
Meinekii, Wagneri, aliorum selectis suisque annotationibus ed., indices
adjecit E. E.Seiler, gr. 8. XL VI u. 494 S. Lipsiae, Hinrichs. geh.
Appiani Alexandrini historia romana ab Im man. Bekkero recognita.
Vol. prius. 8. VI u. 442 S. Lipsiae, Teubner. geh. 27 n^c
Arisioteles^s Statslacre i ordnet og forkortet Fremslilling efter hans
Boger ora Staten og med opiysende Anmärkninger of E. Bojesen.
158 S. 8. Koppenhagen, Reitzel. 1 Rbd.
Katrachoinyoinackia Homero vulgo attrihuta. Textum ad fidem
codd. recensuit varietalem lectionis adjecit prolegomena critica scripsit
Dr. Aug. Baumeister, gr. 8- III u. 79 S. Gotlingae , Dieterich.
geh. n. 12 iigt
Bibliothcca graeca curantihus Fried. Ja c obs et Val. C hr. Fr. Rost.
B. Scriptoruni orationis pedoslris vol. VIll. sect. Jl. Et. s. t.: Xe-
nophontis opera omnia recensita et commentariis instructa. Vol. III.
cont. Cyri miuoris expeditionem. Recensuit et explicavit Dr. Raph.
Kühner. Sect. IL Addiia est tab. geographica lith. in qu. gr. 4. gr.8.
XLIII S. u. S. 345 — 641. Gothae, Hennings, geh.
Subscr.-Pr. n. 2/3 «^-l Ladenpr. I ^.
— Vol. XL sect. III. Et s. t.: Piatonis opera omnia. Recensuit et
contmentariis instruxit (iodofr. Stallbaum. Vol. I. Sect. III. cont.
Symposium. Editio III. auctior et emendatior. gr. 8. LXXIX u.
230 S. Ibid. geh. 27 ngt
54 Grlech. Classiker. Erklärungsschriften. — 1. Classikcr.
fSitttiOt^tf, ^Er grie^ifdicn u. rbmifc^en ßlaffifet. enttialtcub bas ©c^önPe
ou6 bcufclbm in bcutfd)cr Ucbcrtraflun^. 7 — 22. SSbdjn. 32. 2. S^l. ®.
97 _ 480, 3. Sf)t. 311 ©., 4. St)!. 651 ©. u. 2. 2fbt^. l. Stjl. @. 1— 176.
ffierliit u. COTaijbcbur^, ©jrpcbitien b. eiaffiffr. gcf). ä n. IV4 ngt
Collectio librorum juris graeco-romani ineditorum. Ecloga Leonis et
Constantini, epanagoge Basilii Leonis et Alexandri. Edidit Carol. Ed.
Zachariae aLingenthal. gr. 8. IV u. 235 S. Lipsiae, Barth, geh.
IV2 ^.
Deinosthenes, ausgewählte Reden. Erklärt v. Ant. Westermann.
3. Bdchn.: [XXIII. Rede gogeu Arislokratcs. LIV. Rede gegen Ka-
non. LV'II. Rede gegen Eubulides.] gr. 8. 161 S. Leipzig, Weid-
mann, geh. y. »f. (1—3.: 1 «^. 7 nji;.)
— discours sur la couronne. Nouvelle edition, avoc analyse et noles
p. N. Landois. 10 Bog. 18. Paris, Dezobry et Magdelcine.
— Texte grec, avec un choix de notes p. Valton. 2V2 Bog. 12. Pa-
ris, Dezobry et E. Magdelcine.
— les Olynthiennes , publiees avec des argumenls et |des noles p. A.
Materne. 3 Bogen. 12. Paris, Hachette.
Xii^tev, grie^ifdic, in neuen nutrifc^cn Ucbcrfe^unjfn, ^x&q. ü. 5-^räIat
e. 9?. 0. Ofianbcv u. Obcr=(Sonfifl.= 11. etiibicnrött; ©. «Sc^roab. 46.— 51.
sBbcI)n. 16. (Stuttgart, mi^Ut. grf). ä V^ 4. (24 Xt. x\).)
^nljalt: 46 u. 47. 9lr i flo pb an e§ SBerfe. 3m alten SBer^mafe überf. ü. Dr.
6. g. Bd)ni^tx. 2. 11. 3. SBbcbn.: ®ic gröfcbe. — Sie 5lcl)arner.
— 48 u. 49. Suripibeg SBcrfc. SCRctrifd? überf. ii. m. ^Inmertgn. begleitet
b. ^'»fr. ©ufi. Subroig. 14. 11. 15. SBbtbn. gleftra. 2)ie Sroerjnnen. —
®ic (Scbufeflebcnbcn. — 50 u. 51. ?lriflo pb an cg 9Berfe. ^m alten SBer^ma^
überf. ü. Dr.S. g. ed}ni|er. 4. u. 5. ffibdin. Sic .Ofiiter. — Sie SSeJpcn.
£uclid., the First Two Books of the Elements of Euclid. Printed chiefly
according of the Text of Simson, with additional Figures, Notes, Ex-
planalions, and Deductions. By Nich.Pocock. 8. pp. 128, cloth, 4s. 6d.
&Utipibt^^ 5Bcrfe ®riecl)ifc^ m. nictrifc^cr Ucbcrfclung 11. prüfcnbcn u. tx-
tlürcnben Sfnmerfunijcn p. 3. Sf. Wartung. 15. Sßbc^n.: ilpElcp. gr. 12.
116 ®. ßeipäig, SB. engelmann. gel). n. V3 4-
— 16. ffib^n.: Srnbromad)c. gr. 12. 170 ©. Qbt. gel;. V2 -^•
— 17.23bcbn.: gifjtfcS. gr. 12, 158©. ©bb. gel;. V2 #• (1 — 17.: ll^engt)
— Hecube. Texte grec, avec argumenls et notes p. Roger. 5 Bog.
12. Paris, Dezobry et Magdeleine.
— Hecuba; with English Notes. By the Rev. T. K. Arnold. 12mo.
pp. 86, cloth. 3 s.
— Iphigenie ä Aulis. Texte grec avec argumenls et notes p. Stieve-
nart. 6Vz Bog- 12. Paris, Dezobry et Magdeleine.
— Troades ed. Dr. A, Kirchhoff, gr 8. 84 S. Berolini, Herlz.
geh. n. 16 ngc
Uansing*, Dr., Versuch einer lat. metrischen Uebersetzung des ersten
Chorgesanges des Sophokleischen Aias. 4. Gymn.-Progr. Lüneburg.
Ilelferich, Prof., das Gebet des Krates, Erste Lief. 8. Gymn.-Progr,
Karlsruhe.
llerodofos. Erklärt v. B. IL Lhardy, 2. Bdchn.: Buch 3. u, 4. gr. 8.
IV u. 240 S. Leipzig, Weidmann, geh. V2 «f- (1-2.: 1 *f . 3 ngt)
Homer's Uiade. Erklärt v. J. U. Fäsi. 2. B, gr. 8. 430 S. Leip-
zig, Weidmann, geh. (ä) Vg 4'
— Iliadis libri I — VTIL Juxla Wolfianam et Heynianam edd. latinas
nolas ex Heynii commentario plerumque desumptas addidit L. Qui-
chcrat. 8. B. 12. Paris, Hachette.
— SliaS jroifAcnjfitig in ^yxc\a überf. u. m. f. Sfnlcitiing jiim ©ebraiic^ Per;
fct)cn ü. Äarl grenjcl. 2. ®tcr.=2fbbrucf. 1. u. 2. 23bcf)n. ®cfang 1 — 12.
gr. 16. LXXVI 11. 453 ©. öeipjig, (3. ma\)ex. grl)._ n. 2/3 4.
— Iliade , chants I ä IV. Texte gree, avec un choix de notes p. N.
Theil. 5 Bogen. 12. Paris, Dezobry et E. Magdeleine,
Griech. Classikci". Erkläruiig-ssclaiflcn. — I. Classiker. 55
^Omtt, 3Iia8 im SSerömaf bcr Urfcfjrift übfrf. D. 3)ir. ^rof. 6. ffiicbafd).
SlJJit e. Site(bilbc u. brti (S'cfncii nacf) J^'^Tiia»" i" ä^untbr. l(i. II u.
593©. etuttg., gjlf^lcr. 3n engl, (f tut. tn. ©olbfd;. IV2 4- (2fl. 30 Ir.rt;.)
-'— 2Berfc. ^^rofnifd) übcrf. ■0. 3. St. 3 a 11 p e r. 3ütiö. 3. mh. 2fufl. 2 55bd)n.
•« SDlit 1 litl;. Äarte in ()oc^ 4. 8. ^.^rag, (Salürß 'Bed. gel;. l'/g -^f^.
'*i^ 3. S^bct))!.: Ob^ffce. 1 u. 2. .f)ft. 3. tcrb. Vfufl. 8. XI®. 11. ®. 1— 48.
•''. (Sbb. gflj. ä n. 4 n.ic
"i^ 3ftiabc6 trc forpe iPogcr, oeetfattc og i fortfattcbc ?rninärfningfr cplpfJc af
•' fjr. «01. Sugge. 1. -f)cft. 7 Sorgen. 8. 5?crgm, Wftjfv. 48 ed)il.
■*i- fllifidc et l'Odj'ssee, i'r.Tdiiclion nouvolle suivic (l'uri cssay d'cncy—
''^' clopödio liom^riqiic p. P. (iiiiircl. 2c ed. 27V/2 Bop. 12. Paris,
Locou. 3V2 fr.
^Ofe^p^ttö, (5Iat>iu6, bic jübifdjfn 5ritfrt(;ümcr, übcrf. u. ni. JfnmnPgn. in-v;
[ff)fii ü. yrof. Dr. f. sDJ artin. 1. 33. gr. 12. IV it. G68 ©. .fibtn,
ä^ndjcni. gr(). n. 1 ^f. 26 n(\t
EiUCiani Sanicsalonsls opora. Ex rcrognilione Car. Jacobitz. \ ol. I.
II Partes et Vol. II. II Partes. 8. Lipsiae, Tcubncr. geh. A Pars 9 njc
I Inlialt. I, t. De Kouuiio s. vi(a I.iK'iaiii. I'roiiicllieiis es in \<-rl>i8. IVIgriniii>. Jii<li-
^'' ciiim »ocaliiim. Tiinoii. Ilalryon. l*romo(]ious 8. Caiicasiis. Dconim flialogi. I)ia-
'. log' mar'"'. Morluoriini dialogi. Mcnippiis h. iieryonianlia. XVl S. ii. S. l — '204.
I, '2. Charon s. contomplnnlcs. De saeriGciis. Vitariiiii aiirlio. PUrator s. rciiti-
scrnlrs. Cataplns s. tyranniis. De mprredc roniliielis. Apologia. Pro lapsti ia sa-
liilanito. IIcrmotiinii8. Ilorniluiiis s. Acüon. Zriixis a. Anlioeliiis. Ilarmoniiles.
Sevilla S.'20') 410. 11,1. Q.iomodo lilsloiia conacril.cniU sll. Ver.ic liisloriac
üb. I. clll. TyranniciiU. Aliillcalus. l'Iialaris prior et aller. Alevandcr (.. I'seiido-
manlis. De sallalionc. Leiiplianes. Eiiiiiieiiiis. De astrologia. Demonaclis vila.
XVI S. II. S. l — '206. II, '2. Aniores. Iinagines. I'ro iinaginihiis. Toxari«.
l^iiciiis s. asiiiiis. «Inpiler runfulatiiH. Jupiter tragoediLS. Soniiiiiiin s. GalJiiti. Jea-
lomenippiis. S. '207 — 4'21.
Oracula Slbyllina ad fidcm coud. mscr. quolqiiot exstant recensuit,
practextis prolegomenis illustravil, versioiie germanica iiistruxit, anno-
taliones crilicas et rerum iridicem adjecll Prof. Ür. Jos. Ilen r. P' ri e d-
lieb. Et. 8. t. : Die Sibylh'nisthen Weissagungen vollständig gesam-
melt, nach neuer Handschriften- Vergleiohung, m. krit. Commenlare u,
metr. deutscher Uebersetzung hrsg. gr. 8. LXXXV u. 355 S. Leip-
zig, T. O. Weigol. geh. n. 2V5 4'.
Philonis Judaei opera omnia ad librorum optimorum fidein edita.
Ed.ster. Tom.V. 16. Lipsiae, C.Tauchnilz. geh. ä '/^x^.; Velinp. ;\ '/+ v/'.
Inhalt: De mcrcede merelricis. De speeialiliiiA IrgiliiiB lili. II. De «^eplenario. De
iesto ropliini. De pareiitiliiis eolendis. De sprcialilius legibus lib. III. et IV. | De
juilicc et de eoneiipiseentia.J De jitslitia et de constitutione s. crealione prii.eipiini.
De trihiia virtotibiis [de forlitudine, de biimanitale s. earitale, de jiociiiteiiti.i]. De
praemiis et poenig. De exseürationibiis. De nobililate. Quod oinniii prnbus Über
g. (pioJ libcr sit ((uisijuis virtuti stndct. De vita coiilemplativa. 340 S.
Plaionis opera omnia. Recognovcrunt J o. G e o. Baiterus, J o.
Casp. Oreliius, Aug. (iuil. Winckelmannus. Vol. V. Et, s. t. :
Piatonis Eulbydcmus et Protagoras. Iteruin ed. J oa n. G c o. ßailerus,
^' gr. 16. XVI u. 1 12 S. Tiirici, Meyer et Zeller. geh. V4. ^. (27 Xr. rh.)
— dialogi sccundum Thrasylll telralogias dispositi. Ex recognitione
Car. Frid. Hcrmanni. ^'ol, IV. et V. 8. LX u. 897 S. Lipsiae,
Teubner. geh. A \'2 4- (I — V.: 2 4. 12 iijjr)
Hieraus einzeln:
— Nr. 11.: Rei publicae libri deccm. 8. 318 S. Ibid. geh. iSVeHäi:.
— Nr. 12.: Tiniacus et Crilias cum libello vuigo Fimaeo Locro ascriplo
de anima rnundi ; accedit inccrti Minos s. de lege. 8. 137 S, liiid.
geh. 6 n;in
— Nr. 13.: Legum libri duodocim. Accedit Philippi Opunlii Epinomis.
8. 442 S. Ibid. geh. 12 ii^i:
5C Gricch. Classiker. Eikläiuiigssclii-iften. — I. Classiker.
^latütt^S SBcrfc, ©vicdjifc^ u. S)eut[d; m. frit. u. cvflar. Sfiimerfqn. 2. Sil;!.:
^n)abDn. 3. ücrb. u. ücrni. Sfufl. gr. 12. XXXVl u, 211 ®. ßfipjig ,
So. endclmaun. fld;. 3/^ ^.
— Kriton, udgivet og med Anmärkninger oplyst a[ Fr. M. Bugge. 8.
Bergen, Beyer. 28 s.
— dialogues biographiques et moraux. Traduclion nouvelle, avec des
argiiments et une esquisse siir la philosophie platonicienne; p. Schwalbö.
2e Serie. 15 Bog. 18. Paris, Charpeiilier. SVz fr-
— il Pedro, il Prolagora et l'Ippia maggiore. Tradotli da Bart.
Prieri. gr. 8 Turin. 4 fl.
— fämmtlid)c SBcrfc. Ucbcrf. ü. .g>i er o n. SDlüll c r, m. ginUitungen begleitet
». Ä arl ©tcinl)art. 3. 33b. gr. 8. VH u. 722 @. ßcipäig, Sßxoä=
t)nuö. get). ä n. 3 «$.
Plntarchi vitae parallelae. Recognovit Car. Sintenis. Vol. I. 8.
X u. 4G1 S. Lipsiao, Teubner. geh. Vz «$•
Hieraus einzeln:
— Nr. 1. Thesei et Uomuli, Ljcurgi et Numae, Solonis et Publicolae.
8. 218 S. Ibid. geh. % ^
— Nr. 2. Themislociis et Caniilli, Periciis et Fabü Maximi, AIcibiadis
et Coriolani. 8. 243 S. Ibid. geh. y^ ^.
— Biographien der Gracchen. Griechisch m. gramniat. u. histor. Er-
klärung zum Schulgol)rauch, so wie fiir die Privatlectüre der obern
Gymnalsialclassen v. Gyinn.-Lehr. Dr. Ludw. Stacke, gr. 8. IV u.
99 S. Leipzig, Schvvickcrl. geh. i/a ^,
— Sulla, secundum editionem Coraii. Seleclas alioruni suasqu« notas
adjecit Ad. Reg nie r. 4 Bog. 12. Paris, Hachelte. 1 fr.
— vie d' Alexandre. Texte grec , avec nolice , sommaires et notes p.
Em. Lefranc. 5 Bog. 12. Paris, Lecoffre.
— yie d' Alexandre. Texte grec, avec un choix de notes en fran^ais
p. V. Legenty. 6 Bog. 12. Paris, Dezobry et Magdeleine. 1 fr.
Poetae lyrici graeci. Recensuit Thdr. Bergk. Editio altera. Fase,
prior, gr. 8. S. 1 — 400. LIpsiae, Reichenbach. geh. 2 »^.
Poetariim Iragicorum graecorum fragmenta cd. Prof. Dr. Frider.
Guil. Wagner. Vol. 1. Et s. t. : Aeschyli et Sophoclis per-
ditarum fabularuni fragmenta. gr. 8. XII u. 509 S. Vratislaviae,
Trewendt et Granier. geh. 3 ^. (I— III. cplt. 8 «^.)
SaphOi, Poesies. Fran^ais et allemand. — 5Mc ©cbi^te ber <Bap\)0.
granjl^fifd) u. bciitfd). Ucbcrf. D. SBill;. Saegcr. 8. 67 ®. SSerUiu
(©tubr'l'dK Qoxl'-fd.) gcf). n. Vz 4-
Scholia graeca in Aeschinem et Isocratem ex codd. aucta et emendata
ed. Guil. Dindorfius. gr. 8. XII u. 132 S. Osonii , (Parker,)
geh. n. n. IV5 o#.
— in Sophoclis tragoedias VII ex codicibus aucta et emendata. Vol.
II. Edidit G. Dindorfius. gr. 8. LH u. 4M S. Oxonii, (Parker)
geb. n. n. 2% 4-
Sophokles. Erklärt v. F, W. Seh n ei de w in. 1. Bdchn. : Aias.
Philokteies. 2. Aull. gr. 8. X u. 258 S. Leipzig, Weidmann.
geh. 16 113t
— explained, by F. W. Schneidewin. Part 4, Oedipus at Colonus,
with English Notes , translaled from ihe German , by the Rev. Henry
Browne, M. A. l2mo. pp. 164, cl. 4s.
-r- By W' u n d e r. Part 2 — Electra. 8vo. sewed. 3 s.
'^— Tragoedicn Griechisch m. kurzen teulschcn Anmerkgn. v. Gymn-
Prof. Dr. Glich. Carl Wilh. Schneider. 3- Bdchn. 2. verb. u.
verm. Ausg. A. u d. T. : Sophokles Aias. 2. vcrh. u vcrm. Ausg.
besorgt v. Dr. Aug Witzscbel. 8. X u, 114 S. Leipzig, Geu-
Iher, 16 ntjt
Griech. Clussilicr. Kryäruiijjsäclir. — 11. Erkluruiigssclir. 57
Sophociis. Ajax. Juxta Icxluin ürunckii elc. rccensuit et varias
lectioncs olc. addidit L. Quichcrat. 4 Bog. 12. Paris, HachoUc
— Oedipus Cülonciis, secundiiin edilioneni Jiuissonadii. N'arielalein
leclionis et annolaüoncm adj. L. de Sinn er. 7 Bog. 12. Paris,
Hachelle. 1 fr.
■ — Oedipe roi. Edition collalionni^e sur les iiioilleiirs Icxtes , avec des
notcs grammalicales etc. et los iniilalions de Seiiequc et de Voltaire,
par l'abbe Lavigerie. 4 15og. 12. Paris, Perisse freres.
QiOp^Oflc^^ ffiScrfr. 5[Rdri[d) übcrf., m. (finkifuiij u. Slnmcrfimgcn U. 3.
St. |)artunö. 9JIit bcm lit^. (^innibrif! u. e. -Srnfidit c. grk^. Sljcotcrö in
qu. 8. 16. XX u. 520 ©. ßcipjig, SB. (gngclmann. Sn cnal. (Sinb. in.
©olbfdjn. _ _ 1% 4
— theatre coniplet de, suivi des fragmenls de scs dramcs pcrdus. Tra-
duction eu vers frau^;ais p. Th. Guiard. 38 Bog. 8. Paris, Dezo-
bry et Magdeleino. TVz fr.
— Sroiifbifmc, oücrfat af 3t. 93. Sorp t). 2 JB. Äoppcntjapcn, ©djlrar^. 3 9tbl>.
Strabonis geographica. Recensuil commeDlario critico inslruxit Gusl.
Kram er. Vol. ill. gr. 8. IV u. 683 S. Berolini, Nicolai, geh.
4 4. (cplt. 11 ,#.)
— recognovit Aug. Meineke. Vol. I. 8. XV u, 396 S. Lipsiae,
Teubner geh. V2 4'
'^^uiptitit^* ®i'f^id;tc b. pflcponncfif^cn 5lricöö. ®ritcl)ifc^ u. bcutfc^ m.
trit. u. crtlar. Sfnuicrrunijfn. 311 8 a3iid;crn. 1.--3. 5Puc^. 12. 581 ©.
ödpjig , SB. (Jngclmann. gc^. ä Y2 4-
Xryphonis grainmatici Alexandrini fragnienta collegit et disposuit Di.
Arthur, de Velsen. Accedit Tryphonis observalio nf()l lov p nov
äuavvtjui x«* Tiov tptkovrai nunc primuni e cod. Vindobonensi edila.
gr. 8. V u. 108 S. Berolini, Nicolai, geh. % 4.
S3S«Iff, ^rof. Dr. £). 8. S}., cUi[fifd)fr .$^aueid)a^ bcr ^'»ocfie b. rcmifüjen u.
.f gric(^ij'^cn S(ltcrtt)uinö, in jatjlrcic^cn nuiflcvljaft übcrfr^tcii SfuSjücjm u. SJJiu
ftcrf^tUcn feiner luftn 35id)ter k. 2 S3i\ 4.— 14. ^fg, 16. VlII @. u. ©,
193—884. ©rinnna, SSerloiiS^Gompt. get). ä 2 ngr. (cplt. 1 ^. 26 ngt)
X.enopbon'8 Anabasis erläut. v. Dr. Kaph. Kühner. Mit e. zur
Erläuterg. der Anabasis gehörigen lilh. geograph. Karte in qu. gr. 4.
gr. 8. VIll u. 335 S. Gotha, Hennings, geh. 18 ngn
— Anabasis of; wilh English Notes, Critical and Explanatory. Bj Char-
les Anthon. To which are prefixed, A New Map of ihe Route of the
10,000, by Findlaj; and a Plan of the Batlle of Cunaxa. New edilion,
revised and correclcd, bj Dr. John Doran. 12nio. pp. 502, bound 7s. 6d.
IL Erkläiungsschriften.
Anton, H., doclrina de natura hominis ab Aristotele in scriptis ethici?
proposila. 37 S. 8. Dr.-diss. Berlin.
Bartsch, Gymn.-Lehr. Dr. Heinr., der Charakter der Mcdea des Eu
ripides. Nach der Tragödie gleiches Namens entwickelt. Abdr. aus
dem Programm d. Magdalenen- Gymnasiums zu Breslau. 4. 48 S.
Mainz, Faber. geh. n. V2 «ff*"-
f&ttQ, S./ noale ©prcgbcmärhiinöer fntjttcbe til en Scnimentar til .Yenop^ionö
|)ieron. 36 <B. 8. ^xo^x. Äoppcnljciijcn, CDfctropolitanfc^ule.
Bergk, Th., analecta lyrica. Part. II et III. 28 u. 38 S. 4. Zwei
akad. Programme. Marburg.
Birch, F. C. C. , Bidrag til Forklaringcn af Euripides's Iphigeneia i
Aulis. 88 S. 8. Progr. Koppenhagen , Ilorsens gelehrte Schule.
Bisschop , W. , annotationes crilicae ad Xenophontis Anabasin. IV
u. 106 S. 8. Inaug.-Diss, Lcyden, v. d. Hoek.
Brückner^ Prorector, de locis in Isocratis ad Nicoclem oratione pro-
pter ea, quae in oralione de antidosi ex illa referunlur, falso suspectis.
58 GriecL. Classiker. Eiklärungssclir. — II. Erklärung^ssclir.
Bücbsenschütz, ß., de hjmnis Orphicis. 37 S. 8. Dr.-diss. Berlin.
Caar, A. F. Tan de, obseivationes criticae in Plularchi yilava Dionis.
69 S. 8. Dr.-diss. Lej'den , Hazenberg.
Cadenbach., Prof, Dir., commentationum Sophoclearum specimen. [üb.
Stellen des Oed. rex.]. Gynin.-Progr. Heidelberg.
^apeUmann , ©ir. Dr. Sil., fcU bie iJtctüre bcS |)omer auf ©pmnalun mit
ber Dbpffcc ober mit bct 3Uabe beginiun? 15 'io. gr. 4. ^'»rocjr. bc6 S^e;
rcfian=(Si;mn. 5Bicu.
Crnsius, weil. Lyc.-Rector G. Gh., vollständiges Griechisch-Deutsches
Wörterbuch üb. die Gedichte des Homeros u. der Horaeriden, m. ste-
ter Rücksicht auf die Erläuterg. d. haust., religiösen, polit. u. krieger.
Zuslandes d. heroischen Zeilalters, nebst Erklärg. der schwierigsten
Stellen u. aller m_ytholog. u. geograph. Eigennamen. Zunächst f. den
Schulgebrauch ausgcarb. 4. vielfach verb. u. vcrm. Aufl. gr. 8. Xll
u. 491 S. Leipzig, Hahn. I2/3 4-
Ditg'es, Dir. Phil., quae insiot in llladc miliora. 22 S. 4. Gjmn.-
Progr. Emmerich.
Doederlein , Prof., specimina quaedara erudilionis. 7 S. 8. Fest-
schrift. München.
£ii^er, Dir. Dr. R., Bemerkungen zum Aias des Sophokles. 29 S. 4.
Gymn.-Progr. Oslrowo.
Fiedler, Prof. Dr., de Homero mulliscio atque naturae conscio. 16S.
gr. 4. Gj'mn.-Progr. Wesel.
Forberg:, Dir. E., über das zweite Capilel des ersten Buches des Thu-
cydides. 8 S. 4. Gymn.-Progr. Coburg.
Friedrich, Herodoli de Athenicnsium et Lacedaemoniorum ingenio
et moribus quae scntentia fueril. 19 S. 4. Gymn.-Progr. Zcrbst.
Goettling', Prof. C. , de epigrammate Callimacbi XIV. commenlatio.
10 S. 4. Progr. Jena.
— de epigrammate Phcrecydis Sjrii philosophi commentatio. HS. 4.
Progr. Jena.
Hccker, Dr. Alph. , commentationis criticae de anthologia graeca pars
prior, gr. 8. VIII u. 359 S. Lugduni Bat., Brill. geh. n. 2 «^.
Uekmeijer, F. A., specimen littcrarium inaugurale continens Philo—
ctelae Sophoclis enarralionem cum nonnuUorum locorum explicatione.
VIII u. 104 S. 8. Utrecht, van Heyningen.
Holm, A. , de ethicisPolilicorum Aristotelis principiis. 64 S. 8. Dr.-
diss. Berlin.
Kiang;e, Dr. Ludw. , das System der Syntax des Apollonios Dyskolos
dargestellt, gr. 8. III u. 44 S. Göttingen, Yandenhoeck et Ruprecht,
geh. _ n. V3_ 4-
liattinann, Dr. Jul , commentationis de poclarum Graecorum inprimis
Homeri comparationibus et imaginibus parlicula I. Programma gym-
nasii Gölling. 4. 26 S. Gottingae, (Vandenhoeck et Ruprecht.) geh.
n. V3 ^'
lieveqne, C. , quid Phidiae Plato debucrit dissert. 4 Bog. 8. Paris,
F. Didot.
&\^ttnnutt, 5f., bcS ©uripibeS 5'^önifT'''» »"^ \{}XiXi\ 3n{;alti', bann äjl^e:
tifc^m unb moralifd)m ©tt^attc. 19 ©. 4. ©t^mn.^^-^rogr. 8anb6()iit.
Zi^ttXifttin, ©., ©^afefpcare unb Sop()o61cö. Gin ©Eitrag jur ^^f)ilofcpl)ie
bcr ©e[c^i(^tf. 32 @. 8. Snaugural-Sfbl). «münd)cn.
liübker, Dir. Dr. Fr., die Sophokleische Theologie u. Ethik. 68 S.
4. Gymn.-Progr. Kiel.
i6uca$/ Äart SGBtlf). , gormentef)Vc b. ionifcbcn JDialcftcS im |)omcr, ncbfl f.
Stnt). ber oorjüglic^flcn bialcft. ©iflcntfjümlic^hitcn brS .f>erobot. llebfvfic^tlic^
bargcPcUt. 3. StuSg. gr. 12. XII u. 96 ®. S3onn, Sötbcr. gel), n. V3 4-
Mayer, Prof. Dr. Ph., Euripides, Racine und Göthe. 2. Abth. : über
d. taurische Iphigenia. Gymn.-Pr, Gera,
Griccli. Classikcr. Erkläruugssclir. — 11. Erkläriingsscbr. 59
JUeineke, Aug., vinüiciarum Strabouianarum über. gr. 8. XIII u.
200 S. Barolini, Nicolai, geh. IVj 4-
^eptV, ^xol Dr. (ixu\i .^1. 5v., botanifc^c ßrlautcrunsjen }u ©trnbcnß C^co;
örapt)if u. einem groanunt b. ©ifaQrd)o6. (*iti a3erfuc^. 8. VIII u. 114®.
Jiöint36bcrii, (iicbr. Soniträiicr. $1i'(]. "• ~Ö nar
ÄicRes, j. P., de Arislotelis politicorum libris. 148 S. Dr.-diss. Bonn.
Oxe, L., de Sophoclis Trachiiiiis. 20 S. 4. Gymn.-Progr. Kreuznach.
Rieder, Prof. J. E. , Abhandlung über den Sophokleischen Philoklet.
19 S. 4. Gymn.-Pr. Grälz.
Rigricr, Dir. Dr., ineietemata Nonniana. Part. III. 16 S. 4. Gymn.-
Progr. Potsdam.
Bott, J., de interpolalionibus Thcogoniae Hcsiodcae. 19 S. 4. Gymn.-
Progr. Eichstält.
Rucca, Giac, interprclazione di un luogo di Strabone. 4o. Neapel.
1 fl. 15 kr.
Scheibe, Prof. C. , cmendalionuni Lysiacarum fasciculus. 36 S. 4.
Gymn.-Progr, Neustrelilz.
Seherm, Dir. Prof., über Sophokles Antigene Vv. 904 — 913. 42 S.
gr. 8. Gymn.-Progr. Bruchsal.
Schilder, C, de rerum scriptoribus quibus Plutarchus in Theraislociis
vita perscribenda usus est. 30 S. 4. Gymn.-Progr. Leobschütz.
Schierlitz, Dr. W. S., annotalionum in Piatonis Phaedonem fasc. I.
12 S. 4. Gymn.-Progr. Slargard.
Schmidt, Gymn.-Dir. Ilerm., kritischer Commentar zu Plato's Phaedon.
2. Hälfte, gr. 8. iVu. 123S. Halle, Buchh. d. Waisenhauses, geh.
V2 ^. (cpit. iVe 4-)
— Dr. Mor., de Didymo Chalcentero vocabulorum interprete comment.
I. 26 S. 4. Gymn.-Progr. Oels.
Schmitt, Jo. Carol. , de secundo in Odyssea E. 1 — 42. deorum con-
cilio inlerpolato eoque cenlone commentalio. 8. 34 S. Friburgi
Brisg., Wagner, geh. V4. tf'
Schunck, Egon, de prooemio Thucydidis. 67 S. 8. Dr.-diss. Münster.
Sch^vanitz, Gynm.-Prof. Dr. Gust., die Mythen des Plato. Ein Vor-
trag gehalt. am 2. Febr. 1852. gr. 8. 43 S. Leipzig, Fr. F'leischer.
geh. 6 njt
Slntenis, C., manlissa observationum criticarum , (in Plut.) 7 S. 4.
Gymn.-Progr. Zerbst.
Thomas, Geo. Marl., Studien zu Thukydides. Aus den Abhandlungen
d. k. bayr. Akad. d. W. I, Gl. VI. Bd. 3. Abth. gr. 4. 50 S. Mün-
chen, (Franz), geh. n. % »^.
Tschackert, W., Herodot als Geograph. 10 S. 4. Gymn.-Progr.
Trzemeszno.
Zimmer, Dir. Fr., lecliones Theophrasteae. Part. II. 13S. 4. Progr.
des Friedr.-Gymn. Breslau.
llf inkelmann, Dr. K., Beiträge zur Kritik u. Erklärung der Antigone
des Sophokles, nebst einer Darlegung des Grundgedankens dieser Tra-
gödie. 52 S. 4. Gymn.-Progr. Salzwedel.
Itfittmann, C., annotationes ad Homerum. 19 S. 4. Gymn.-Progr.
Schweinfurt.
Zetxsche, Prof. J. G., quaestionum Theocritearum part. III, 27 S.
4. Gymn.-Pr. Altenburg.
60 Lateinische Classlker. Erklärungsschriften. — I. Classiker.
Lateinische Classil(er. EiMriingsscliriften.
I. ClassJker.
Attii, L., fragmenta postBothii aliorumque curas rursus collecta, dlspo-
sita , emendata a Fr. H. Gramer. Pars I. 71 S. 8. Dr. -diss.
Münster.
Caesaris, C. Julii, commentarü de belio gallico et civili. Für Schüler
zum öffenll. u. Privatgebrauch hrsg. v, G^'mn.-Prof. Dr. Albert D o-
berenz. 1. Bd. A. u. d. T. : Commentarü de hello gallico. 2. u. 3.
Heft,: Lib. 111 — VIII. Mit e. geograph., e. grammat. u. Wortregister.
gr.8. S. 73— 316. Leipzig, Teubner. 6 u. 9 ngc (l.Bd. cplt. n. %«#)."
— — Selectas aliorum suasque nolas adjecit A. Regnier. IßVzBog.
12. Paris, Hachette.
— Recensuit et illuslr. Prof. Gar. Ern. Schneider. Pars II. Faso.
2.: C. Julii Gaesaris commentariorum de hello gallico lib. VI.
conliaens. gr. 8. S, 185—321. Halis, libr. orphanolrophei. geh.
18 nsn (l-ll 2: 3 ,#.)
Ciceronis^ M. Tullii, scripta quae manserunt omnia. Recognovit Reinh.
Klotz. Partis II. vol. II. 8. XXVI u. 468 S. Lipsiae, Teubner.
geh. 18 ngt (I-II, 2.: 2 4. 6 ng:)
Hieraus einzeln :
""" IVr. 10.: Oraliones pro M. Tullio, pro M. Fonlejo , pro A. Caecina , »Ic iniprrio
Cn. Pompeji. 8. 8(5 S. 33/^ „gt
IVr. 11.: Orationes jiro A. Clueotio Avifo, de lege agraria Ires , pro C. Rabirio per-
daellionis reo. 8. 128 S. Q tjo];
— IVr. 12. : Orationes in li. Catiliiiam ijnaftuor, pro li. Alureaa, pro 1j. Flacco. 8. 114 S.
^_ Nr. 13. . Oralionis pro P. Sulla, pro A. I^icinio Arciiia poeta. 8. 42 S. 3^. IlCtC
— Nr. 14. . Orationes post reditiim in senala et post recliliim ad Qiiirites liabitac. de domo
sua, de Iiaraspicum response. 8. 98 S. ^/, ^,
— Gate Major and Laelius or De Senectute and De Amicitia : Latin,
wilh English Notes. By Rev. J. T. White. l2mo. pp. 197, cl. 3 s. 6 d.
— epistolae selectae. Choix de leltres familieres de Giceroii , publiees
aves des arguments et des notes p. E. Sommer. 47^ Bog. 12.
Paris , Hachette.
— Breve. Eiter Süpfle's Udvalg udgivne a S. Th. Kielseu. 394 S.
8. Koppenhagen. Philipsen. 1 Rbd. 72 Sk.
— Laelius sive de amicitia dialogus. Erklärt v. Dr. G. W. Nauck.
gr. 8. IX u. 68. Leipzig, Weidmann, geh. 6 ngt
— de legibus libri tres. Recensuit scripturae discrepanlia instruxit
enarravit Dr. G. F. F el d hu e gc 1 iu s. Vol. II. Gommentarium con-
tinens. gr.8. 340 S. Cizae, Webel. geh. n. l^/e 4'. (cpli.n.2%4.
— de officiis ad Marcum hlium libri III. Erklärt v. G. Fr. Unger.
gr. 8. 167 S. Leipzig, Weidmann, geh. 12 njt
— — D'apres les meilleurs textes, avec sommaires et notes p. Brunei.
8 Bog. 12. Paris, Dezobry et Magdeleinc.
— orationes tres de lege Agraria contra P. Servilium Rullum Tr. PI.
In usum scholarum recensuit J. L. Ussing. Xll u. 50 S. gr.8. geh.
Hauniae, GyldendaL 10 ngc
— ausgewählte Reden. Erklärt v. Karl Halm. 2 Bdchn. A. u. d. T.:
Gicero's Rede gegen Q. Gaecilius u. der Anklagerede gegen G. Verres
4. u. 5. Buch. Mit e. Karte v. Sicilien in Stahlst, gr.8. VIu.254S.
Leipzig, Weidmann, geh. 18 ngt. (2. 3. u. 5.: IV3 ^'.
— pro Sexlo Roscio Amcrino oratio. Edidit W.G. Gossrau. 8. IV
u. 112 S. Quedlinburg!, Franke, geh. 12 ngc
— Orations, literally translated by G. D. Yonge, M. A. Vol. 3, con-
taining Orations for bis Ilouse, Plancius, Scxlius, Goelius, Milo, Liga-
rius, etc. Square , pp. 500, cloth. 5 s^
LatciniscbcClassIlicr. ErMämnjysscliriften. — I.CIassikcr. Ol
Cornelii, Nepolis opera , quae siipcrsunt. Nouvelle 6d. avcc des som-
inaires et des notes p. Po ur mar in. 7 Bog. 12. Paris, Dezobry el
Magdeleiue.
Flori, Juli, epitomae de T. Livio bellorum omnium annoriim DCC
libri II. Recensuit et emendavit O l lo Jali n. gr. 8. XLIX u. 136S.
Lipsiae, Weidmann, geh. n. I ^.
Horaiius Flaccus, Q., sämmlliche Werke. 2. Thl. A. u. d. T. :
Satiren u. Episteln. Für den Schulgehrauch erklärt v. Obergymn.-Dir.
Dr. G. T. A. Krüger, gr. 8. VIII u. 321 S. Leipzig, Teubner.
geh. % 4-
Der 1. Till, ersclieint später.
•^Otatiud $Iaccu$% €l., SBcrfc. ßatcinifc^ m. nietr. Ucl'crfe^imj t). 3.
@. ©trobtmaun. 1. S^l.: Oben u. (fpobcn. Sf. u. b. S.: O. Jöora;
tiuS glaccuö' lt)rifd)e ©ebid)tt. ßateinifc^ m. tnctr. Ucbcrfe^g. , m. bcrid)=
titjtcm ©runbttTt, ncb(l bcn tric^tigflcn äkriantcn, c. ©iograpljic b. 3Did)tcr6,
fotvie ©inkit^n. , Sn^altSanijabcit u. Sfnnierfijn. ju ben einäflnm ©cfci(^tcn.
8. XXXII u. 454 ©. ßeipjii) , 2Ö. enödmann. gct). IV2 >^.
— ödes d', traduiles en vers p. Chrestien de Lihus. 22 Bog. 8.
Paris , Plön.
— (Batirm, iibcrf. it. erülärt bitrc^ S)ir. SBtl{). (Srnft SScber. 9?arf) bcS
S3erf. Sobe brSij. t). ^'»rof. SBill;. @i(jm. Seuffet. gr. 8. VII u. 508S.
(Stuttgart, SBc|Icr. gft). n. 2%^. (4f(. 30 Xx. rt).)
JiiTcnal, Persius, Sulpicia, and Lucilius, in English Prose, by thc Ilev.
L. Evans, M. A. etc. To which is addcd, Gifford's Metrical Version
of Juvenal and Persius. Post 8vo. pp. 532 , fronlispiece. 5 s.
Junilii Flagrii, T. Galli et Cnaudentii commentaria in Vergilii
eclogas et georgicorum libros, nunc primum ex codice Bernensi ed.
Dir.Dr. C.W. Müller. Part. II. 42 S. 4. Gymn.-Progr. Rudolsladt.
liivii Patavini , T., hisloriarum libri V — X. Mit erklär. Anmerkgn. t.
Gottl. Chr. Crusius, weil Rector. Fortgesetzt v. Gymn.-Lehr. Gusf.
Mü hl mann. 8. Hft. — Üb. IX. Cap.20 — Ende. gr.8. VI u. 74 S.
Hannover, Hahn. ^ Vs»^.
liUcreti Cari, T., de rerum natura libri sex. Recognovit Jac. Ber-
naysius. 8. XII u. 198 S. Lipsiae, Teubner. geh. 12 ngc
Idacrobii Ambrosii Theodosii v. c. et inl. opera quae supersunl. Ex-
cussis exemplaribus tarn manu exaratis quam typis descriptis emen-
davit: prolegoniena, apparatum crilicum , adnotaliones , cum aliorum
seleclas tum suas, indicesque adjecit Ludov. Janus Vol. II. Et. s. t.:
Macrobii salurnaliorum libri VII. gr.8. XX u. 743 S. Quedlinburgi,
Basse. 3V3 ^- ; Velinp. 4.^. (cpU. öVj^.; Veliup. 6V2 4-)
Ovidius Kaso, P. Ex rccognitione Rud. Mcrkelii. Tom.I. : A mo-
res. Epistulae. De medic. fac. Ars amat. Rcmcdia amoris. 8. XXII
u. 251 S. Lipsiae, Teubner. geh. ^/j 4'. (^V^^- '^"^^ W)
— Metamorphoseon ex recognilionc Rud.Merkelii delectus. 8. 148S.
Ibid. geh. Vs 4-
cUcr görinanblingarnc. .3 ^rofaiff jDfaicrfättniiuj, fron Spffan, Semfürb
mcb Originalfpiaht. prfta ScEm. 62 <B. 8. ©tciJt}olm, 2BqU.
©ubfcript. = 5)r. 20 ff.
— das 2. Buch der Metamorphosen, metrisch übersetzt v. J. Bor seht,
22 S. 4. Gymn.-Pr. Speyer.
— Heroides, Amours, Art of Love, etc. Lilerally translated into Eng-
lish Prose by Henry T. Rilev, B. A. (Forniing the 3d and conclud-
ing vol. of OvJd; with General Index to thc whole.) Post 8vo. pp.
552, cloth. 5 s.
Pervig-iliuin Veneris pristino uitori rcstitutum. gr. 8. 22 S. Lipsiae,
W. Engelmann. geh. n. Vg 4-
62 LalcInlscIieClasslker. Erklärung^ssclirlftcn. — I. Classikcr.
Phaedri fabularum Aesopiarum libri quinque. Ubgitcn til ©folcbrinj
meb 2fnmarfmn()cr af ß. D. ©^onning. 5 ffioij. 8. fficrgcn, gcilbcrg
cg ßanbmarf. 40 (2f.
— Fabulae Aesopicae coUectae. Ex recognilione Car. Halmii, 8.
.;, XIV u. 2l5 S. Lipsiae, Teubner. geh. y^ ^|J.
— los fabics de, lant anciennes que Celles publikes par Angelo Mai,
el los fables correspondentes de La Fontaine , avec nolice et notes p
F. Dübner. 5 Bog. 18. Paris, F. Didot.
Plauti, T. Macci , coraoediae. Ex recensione el cum apparatu crilico
Frid. Rit schcliii. Accedunt prolcgomona de rationibus criticis gram-
maticis prosodiacis mclricis emendationisPlautinae. Tom. II. Slichum,
Pseudulum, Menaechmos, Mostellariam conipleclens. Pars 4. : Moslel-
laria. gr. 8. XV^III u. 175 S. Bonnac, König, geh. ä n. 1 4*.
— Scholarum in usum rccensuit Frid. Ri t sehe 1 ins. Tom. li. Fase.
4. Moslellaria. gr. 8. 94 S. Ebd. geh. h n. % 4..
— literally translated inlo English Prose, wilh copious Notes, by H. T.
Riley, B. A. Post 8vo. complele in 2 toIs. post 8vo. clolh ä 5 s.
— Trinummus, übersetzt u. erklärt v. F. Osthelder. 1. Ablh. : Act.
1— IM. 26 S. 4. Gymn.-Progr. Speyer.
Plini Secundi, C, naturalis historiae libri XXXVII. Recensuit et
commentariis criticis indicibusque insiruxit Jiil. Still ig. Vol. II.
gr. 8. VII u. 401 S. Hamburgi et Golhae, Fr. et A. Perthes, geh.
Subscr.-Pr. a n. 3 «f-! Ladtnpr. a n. 4 «f'.
Poctartim aliquot Latinorum carmina selocta carminumve partes.
Scholarum causa scorsum describcnda, curavit J. N. Madvigi us. Denuo
edidit J. L. üssing. II u. 1I2S. gr. 8. geb. Hauniae, Gyldendal. ISiigi.
Kothcrti, Gymn -Dir, M., der kleine Livius. Für mittlere Gymnasial-
classen bearb. Ausg. m. Wörterbuch. Mit e. lith. Plane d. alten Roms.
8. 1. u. 2. Heft. Braunschweig, Weslermann. geh. n. 6 u. 8 1131;
Sallusii Crispi, C., Catilina et Jugurtba. Ilerum ed. el praefalus est
Dr. E. F. Bojesen. gr. 8. XLV u. 121 S. Havniae, Gyldendal.
geh. 18 ngr.
— de conjuratione Catilinae et de hello Jugurlhino libri ex historiarum
libris quinque deperdilis oraliones et epistolae. Erklärt v. Rud. Ja-
:;,• cobs. gr. 8. III u. 260S. Leipzig, V^eidmann. geh. 16 iigc
-■^ Latin; with English Notes. By Charles Meriyal e. Post 8vo. Cam-
bridge, pp. 260, cloth. 5 s.
— SatiUnarifcfje SScrfd^iiiöning 11. 3uj]urt^iiiifd)cr Äricg. ßatcinifd; m. beut;
fd)cr Ucbcrff^g., e. biOiirap^ifd}4jiflor. Sinlciti}. u. cvUiut. Sfnmcrftj. D. Sili'ir.
^au[d}ilb. 8. 393©. ßdpjin , aß. eiificlmann. gd;. _ % 4-
Sämling;: af graoske og lalinske Forfatteres Skrifter, ulgivne til Skolo-
brug ved en Forening af Skolemänd. Fjorde Bind: Cicero's Talen
• om Ponipcjuses Beskikkelse lil Härforer, af H. H. Lefo-
,._lii. 104 S. 8. Koppenhagen. 60 Sk.
'€?($me^ev, Dr. gtjr. S5?!, fcie brci Id^ten (?[fgirn bc§ 4. JBui^fS beS ^.^ropfr;
tiuö üLH'rfcfet iinb mit Sfiinirrfuntjcn ticrfcbm. 16©. 4. ©pnin ::5^roc3r. ^of.
Tacitus, Cornelius. Erklärt v. Dr. Karl Nipper de y. 2. Bd. Ab
excessu divi Augusli \I — XVI. Mit den Varianten der Florentiner
Handschrift u. der Rede dos Claudius, gr. 8. III u. 244 S. Leipzig,
Weidmann, geh. _ % 4. (1. 2 : IVg 4.)
— de vila el moribus Cn. Julii Agricolae über. Recensuit Fr. Carol,
Wex. 8. 32 S. Brunsvigae, Vieweg et fil. geh. 3y^ ngr
~ii. Nach kritisch berlchtiglcni Texte erklärt v. Fr. Carl Wex. 8. VI
-• 'u. 89 S. Ebd. geh. _ V3 «f-
'i^ Ad fidom codd. denuo collatorum recensuit et commentariis enar-
ravit Fr. Carol Wex. gr. 8, XII u. 338 S. Ibid. geh. n. 2V2 «?•
Trag:icorHin latinorum reliquiae; recensuit Otto Ribbeck. gr. 8.
XVII u. 442 S. Lipsiae, Teubner, geh. ^ n. 3 »f.
Lat. Class. Erhlärunjyssclirlftcn. — II. Erklärungssclir. 63
Tirg-ilii fflaronis, P., carmina. aSirgil'ä ©cbidjtc. Satcinifc^cr 3:f):t mit
bcutfdjm Sfnmcrtuujjcn. 93on Dr. SBiü;. JJrcunb. 2. ^cft: 5)er Sfcncibe
7—12, »itc^ lt. 3. ^eft: SBucoHca u. ©coraica. gr. 16. 297 (3. S3reölau,
item. ä Vs 4
— ad oplimor. libror. fidcm ed. pcrpelua et alioriim et sua adnotalione
illustravil disscrtalioriem de Virgilii vita et carniiiiibiis alque indicem
rerum locupletissirnum adjccit Albertus Forbiger. III Partes. Edi-
tio III. corrccta et aucla. gr. 8. Lipsiac, Iliiirichs. geh. öVz 4-
Inliült: I. liiicolica et Gcorgic« aftjiie ilisscriatin <le Virgilii Tita et cariniiiiliiis.
XXVIIl u. .'»04 S. II. Aenfidos !. I — VI. 6.',9 S. III. Aeaei.Ios I. VII —
XII. Carmina minora qiiac »ulgo Virgilio adscriliiinlur et imlcx rcrum •» coniiucn-
lario oiposilariiin. (JS8 S.
— Gedichte. Erklärt von Th. Lad ewig. 3. Bdchn.: Acneide, Buch
VII — XII. gr. 8. 240 S. m. 1 Karle in Kupfersl. Leipzig, Weid-
mann, geh. Vz 4- (cplt. IV3 4')
— Boucoliques de, Iraduites en vers fraucais par B. Rigaud. 4 Bog.
12. Paris, Belin.
— Oeuvres de, traduils en vers fran^ais: les Boucoliques, trad. p. le
Chevalier de Langeac, les Georgiques trad. p. J. Delille. 20 Bog.
18. Limoges et Paris, Ardant.
— — Traduction de R. Bin et, revue p. E. L6clusc. Tome I. 316
Bog. 12. Paris, Delalain. fr.
Tolckmar, Lehr. Dr. C. , Poemalia lalina. Aus der anlhologla latlna,
Virgilius , Martialis und Statins. Mit anmerkungen für schulen hrsg.
gr. 8. IX u. 138 S. Nordhausen, Förstemann. geh. Ya 4-
Erasmi Roterodami dcclamalio: Mo>(iia<; 'Eyxo'i/xiov, id est: Stulliliac
laus. Ad fidem edit. antiquae Frobenii. Figuris Holbenianis lign. ine.
ornata. Cum duabus Erasmi epislolis, ad Marl. Dorpium et ad Thom.
Morum. Accessit dialogus Epicureus. gr. 8. XL u. 233 S. m. 2 liih.
Portr. Lugduni Bai. (Roterodami, Baedeker.) cart. n. n. IV4 4-
II. Erklärungsschriften.
SBiffet^etf , Dr. 3ut. , t)ctl(ianbigc8 Sßortcrbuc^ ju bm gabeln bcö 9)()übni3.
4. Dcrm. u. ücrb. SfitSg. 8. IV u. 131 ©. .f)nnnoccr, .Oatjn. G^J^ my.
Brix, Dr., de Terentii libris mss. a Richardo Benlleio adhibitis. 16 S.
4. Gymn.-Progr. Brieg.
Knderlein , Fr. L. , commentationis de Bamberg, codice institulionum
Quinliliani manuscripto seclio quarta, undecimi libri caput tertium con-
tinens. 17 S. 4. Gymn.-Progr. Schweinfurt.
^eibftauit^, Sfl- ®f&- / }»t ©rfUinmg bf3 |)oraj. ©inlcitungcn in bie ein:
jclncn ©cbic^te ncbft erttürcnbcm Slcgijlcr bcr Gigcnnamcn. 2. fflb^n.: <Ba-
tirm u. Cfpi;1cln. qx. 8. VIII u. 176 ©. ^cibelbcrg, g. g. «Sinter, gcf).
n. 14 njjt (cplt. n. 1 0^.)
Forchhammer, J. N. G. , quaesliones crilicae de vcra commenlarios
de bcllis civili, Alexandrino , Africano, Hispaniensi emendandi ralione.
116 S. 8. Koppenhagen, (Reitzel). 64 Sk.
Frei, Prof. Dr. J., der Rechtsstreit zwischen P. Quinctius u. S. Naevius.
Eine Einleitung zu Cicero's Rede für P. Quinctius, mit besond. Rück-
sicht auf das Bedürfniss der Philologen bcarb. 4. 38 S. Zürich, Höhr.
geh. n. V3 4. (30 Xr. rh.)
^tt^mÜUtV, Dr. ^. 5B., btc mcfrtauifd;c ffieipfagimg in Cnjib'S 4. ©cloge.
29 ®. 4. ®9.nn.4>rDgv. 931ettcn.
64 Lat. Class. Erklärungsschrlftcn. — II. ErWärungssclir.
Friihe, Fr. X., die politische Ansicht des römischen Geschichtschrei-
bers Titus Livius. 52 S. gr. 8. Lyc.-Progr. Constanz.
Ciöttlingr« Prof. C. , de duabus Horatii odis commentalio. 8 S. 4.
Ind. schol. Jena.
Hag'elükcn, Oberlehrer Dr., de Horatii Flacci carminum elegantia.
8 S. 4. Gymn.-Progr. Münstereifel.
Halm, Carol. , analecta Tulliana. Fase. I. cont. lectiones varias ad li-
bros rhetoricos qui ad Herennium inscripti sunt ex codd. collectas cum
brevi adnotatione critica. hoch 4. X u. 58 S. Monachii , Lindauer.
geh. n. 8 nji:
Held, Dir. Dr. J. , annotationcs ad locos quosdam C. Cornelii Taciti
Annalium difficiliores. Gymn.-Progr. Schweidnitz.
^ofetf V- ß()fv ii^f'^ fi"ii)c corrupte ©teilen in ben «Schriften U& 6. Gorncs
Uuö SacituS. 28 <B. 4. ©ymn.^'^r. SD^Jündien.
Horkel, Dir. Prof. Dr. Joan. , analecta Horaliana. gr. 8. IH u. 152
S. Berolini, G. Reimer, geh. 2/3 <i^-
^üCOft , ©t)mn.:©ir. g-rbr., -öoraj unb feine grcunbe. 8. VII u. 215 ®.
.«Berlin, |)er|. gel). _ __ n. 26 ngr
Hohler, L E. , de T. Livii Patayini vila ac moribus. Fase. I. .31 S.
8. Dr. diss. Berlin.
Kreyssig", Prof. Dr. Jo. Theoph. , curae secundae ad T. LiTii historia-
rum reiiquias ex palimpsesto Toletano erutas. gr. 8. 22 S. Älisenae,
Klinkicht et fil. geh. n. Vg 4.
liörs, Dir. Dr. V., commentarii in P. Ovidii Nasonis Fastos partic. I.
19 S. 4. Gymn.-Progr. Trier.
Paldainns, F., quaestionum Sallustianarum specimen. 29 S. 8. Gymn.-
Progr. Dresden.
^etti , -^[^ofratl) Dr. 93. S'. ß- 1 ®ci" ober nicl)t fein, ober Ijintcr bem SBergt
tt)o^)nen and) ßcutc. (Sin polcmifdi^päbasjpi]. Kommentar über Horat. Sat. II,
1. 20. f. ©elet;rte unb Sii^itgelel^rtf. gr. 8. 30 ©. Sraunfc^weig, ©. 6.
®. gjJe^er sen. gel;. _ _ n. Vg .^.
Raphael, Psyche. 32 Compositionen nach dem Mährchen des Apu-
lejus. Gestochen v. Adf. Gnauth. 1. Lfg. 2. Hälfte, qu. Imp.-4.
2 Lith. Stuttgart, H. Köhler. ä n. 6 na,i (21 Xr. rh.)
Rapp, historisches Register zu Caesar. Fortsetzung und Schluss. S.
65 — 115. gr. 8. Gymn.-Progr. Offenburg.
Reinhard, Prof., de aliquot locorum in Cic. or. pro lege Manilia fide
historica. Gymn.-Progr. Freiburg im Breisgau.
Ritschi, Fr. Prof., de cantico Menaechmorum Plaullno (IV, 2). 4 S.
4. Ind. schol. Bonn.
— de cantico Mostellariae Plaulino (yt. 85 — 115.) 4 S. 4. Ind.
schol. ibid.
Schaeflfer, H. , de sententiarum nexu quo multi intcrpreles sex priora
libri III. carmina Horaliana jungi opinanlur. 30 S. 8. Dr.-diss.
Marburg.
&^tttitiCV, ^rof. 3. ©■ , jur Grfläriing f^u'ierigcr ©teilen in Sötituö §fgri;
cola. 3. Slbljanblung : Saß ^Hocmium. ©inlabtingSfc^rift b. ^erjgl. ©9m=
nafiumg ä" ßobur^- 4. 28 ©. Golnirg , (9iiemann.) gc^. d. 4 ngr.
Schriften, die, der römischen Feldmesser hrsg. und erläutert v. F.
Blume, K. Lach mann u. A. Rudorff 2. Bd.: Erläuterungen und
Indices. A. u d. T.: Erläuterungen zu den Schriften der röm. Feld-
messer Y. F. Blume, K. Lachmann, Th. M om m se n u. A. R u-
dorff. Indices t. E. Bursian. gr. 8. VIII u. 536 S. Berlin,
G. Reimer, geh. 2V2 «^. (cpit. 6% ^.)
Speng-el, Prof. Dr., specimen emcndationum in Corn. Tacitum. 18 S.
4. Festschrift.
Stanko, J., de Petri Viclorii commentariis originalibus incdilis in li-
brum IV. Acneidos. 15 S. 4. Gymn.-Pr. München.
Spracbwiss. — 1. Zcilsclu". Phllos. u. vcrgl. Grauiin. etc. G5
Stievenart^ de la psychologie de Scneque , ou Observations sur unc
lettre de ce philosophe ä Lucilius. 1 15og. 8. Nanci, (iriniblot.
Sprachwisseiiscliaft.
1. Zcitschriftcu. Philosopliisclie und vergleicLeude (iraiu-
luatik. Allgemeine Schriften.
9Cv(bit> für ta& Stubiiim tcr neueren S'prac^cn imb öittfroturcn. Unter bf=
fonberct 9JJitivirtuiitj i?. 9lcb. ^Mecfe u. .öeinr. öiel;cff i/x^. o. öubw. ^^er^
rig. 12.356. 4 .fifte. ^r. 8. 1. u. 2. .^^ft. 240 3. Sraunfc^treiö, SSe=
flermann. n. 2 Ȥ>.
9lot!ff Sibeffcift for SSibenff ab cg Sittcratiir, ubgiöct of (5t) r. S. S(. Sänge,
geinte SCargang, trebie .fn-fte. 304 ®. 8. (Sbriftiania , geilberg og 8anb=
inart. (S^iefe ieitfc^rift ift üorroiegenb pt)ilologi[c^ 5 fte erfc^cint in 4 ^-»eftcn
ia^tUd)). Jk •§. 42 5.
Zeitschrift für die Wissenschaft der Sprache. Hrsg. t. Prof. Dr.
Albert Hoefer. 3. Bd. 3. Hft. gr. 8. S. 257— 420. Greifswald,
Koch's Verl. n. 28 njt
— für Tergl. Sprachforschung, siehe unter «Class. Alterlhumswissenschaft.»
— für deutsches Alterthuin, siehe unter «Deutsche Sprache.»»
rsB. die übrigen Zeitschriften sind schon im ersten Hefte dieses Jahr-
ganges aufgeführt.
Boppi, Frz., vergleichende Grammatik des Sanskrit, Zend, Griechischen,
Lateinischen, Litthauischen, Altslawischen. Golhischen und Deutschen.
6. Ablh. 4. S. 1157-1511. Berlin, Dümmlcr's Verl. geh. n. 4V2 4'-
(cpit. n. 19V5 4.)
Bouvet, L. , comparaison du grcc et du latin arcc le flamand et les
autres idiomes de la Belgiqne, et avec rallemand et l'anglais. c. 800 S.
8. Gent. Tollsländig 3 4^. 4 ngc
Forster, the Rev. Chas , the One Primeval Language Iraccd experlmen-
tally through Ancient Inscriptions in Alphahelic Characters of Lost
Powers from the Four Continenls. Part 2. 8vo. pp. 306, cloth21 s.
&af>tUn^, -»ö. 6. V. b., SBfitriige jur Sprncfjenfunbc. 1—3. -^ft. gr. 8.
gcipjig , ä^roif ()nuö. ä n. 24 ngc
3nl)alt: 1. ©rammatif tcr 1)a']d--B\>xad)t. 48 S. 2. (i'rainmatif ber 350=
tüta=2prad;e. 64 B. 3. ©rammalit tiv itiriri=2prad^c. \!(u6 b. ^'»ortugief.
be§ P. 9)1 amia tili übcrf. 62 @.
Grimm, Wilh., zur gcschichle des reiuis. Gelesen in der königl. aka-
demie der Wissenschaften am 7. Äliirz 1850. gr. 4. 193 S. Berlin.
Göttingen , Dieterich. carL haar n. n. 2% «^.
— Jac. , über den Ursprung der spräche. Aus den Abhandlungen der
Königl. Akademie der Wissenschaften vom J. 1851. gr. 8. 56 S.
Berlin, Dümmler's Verl. geh. n. V2 4-
^Olfiei;^ Sliector Dr. 5B. .g>. , llrbiingepi'rff i't'fr bie erflen ©nuibbegriffe ber
©ranimatif, jiim ©ebrauctjc ber uiUcri^cn (Slaffe e. ©i^muafiiiniö. gr. 8. 59
<B. 9}?clborf. (»ntoiia, ed)liiter). geb. n. 12 ngc
Parrat, H. J. F. ancien prof. , principcs d'ölvmologie naiurellc bascs
sur Igs origines des langues semilico-sanscriles. Paris.
66 Sprachwiss. — I. Zeitsckr. Philos. u. vcrgl. Gramm, etc.
dta^f^lf ^^tof. ?OTor. , ©ruiibri^ lex ©rammotit te6 infco=curcpäif^m @pra^=
fl;flcmc6. 1. S?&. Sf. "• b. 3!.: ffier^jlcic^cnbc ©rammatif. (Sncipclopäbif^f
Srbtt). gr. 8. XII u. 256 <B. ©futUjart, Sotta. gd;. 1 4. (1 fl. 45 Jfr. t^.)
Steinthal ^ Privaldoc. Dr. H., die Entwicklung der Schrifl. Nebst e.
offenen Sendschreiben an Hrn. Prof. PoU. gr. 8. 113 S. Berlin,
Dümmler's Verl. geh. n. '/^ «^
SBatia in tem Sercic^e ber tjerglcic^nibcn Spra^forfc^ung. I. gr. 8. 26 (3.
5Bicn , Stcriiicfd u. (Siiitcniö in Somni. ge^. 3 ngc
fSSicnl^arg , Dr. 8ubolf, ba& ©c^eiinnif b. 5ßortf6. ©in Seitrag. gr. 12.
Xlll u. 230 (S. Iiamburg, STuf. gel;. 1 4, 3 näc
Catalog'US codicum manuscriplorum oricnlalium qui in Museo Britan-
nico asscrvanlur. Pars secunda, Codices Arabicos complectcns. Folio,
pp. 180, boards 14 s.
Catalog'ue des manuscrils et xylographes orientaux de la bibliolh^que
imperiale publique de St. Pelersbourg. hoch 4. XLIV u. 719 S. St.
Pelersbourg. (Francforl s. M. , J. ßaer.) geh. baar n. n. 10 ^.
@vä%C, 23ibUot[;eEar Dr. 3oI). ©co. 2!l;br. , üc^ibui) c. aügcmeinm ßitcriirge=
f^ic^tc aller bekannten Sclfcr bcr SBcU, uou bcr ältrf^cn biß auf bie neuere
Seit. 3. 53b. 1. STbtl;. ST. u. b. S.: 2)06 16. 3al;r^unbert in feinen
©c^riflflcUern unb iljrcn SBerfcn auf bcn terfc^icb. ©ebicten bcr ©iffcnfc^aften
u. fc^öncn Äiinflc litcrarljipotifii} bargefJcUt. 6. öfg. gr. 8. X <B. u. ®.
961 — 1283. ßdpjig, Sftnolb. gct). IV4 >^. (I— Hl, 1.: 32 4.)
— 3. ffib. 2. Sfbt^.: »a6 17. Satjrtjunbett. 1. ßfg. gr. 8. ©. 1 — 192.
ebb. gel). i ^. (I-Iil. 1. 2.: 33 ,f.)
Neale« Joannes M., Sequentiae ex Missalibus Germanicis, Anglicis, Gal-
licis, aliisquc medii aevi coUeclae. pp. 316, clolh 7 8.
91oii% D. M., Sketches of the Poelical Litteralure of the Pasl Half-Cen-
tury : in Six Lectures. 2d edit. l2mo. pp. 347, cloth 6 s.
ffftuntt, Uuicerfit.=23ibUotf)cfar ^'»rof. Dr. Ä^br. , ©efc^ic^te ber ßiteratur ber
©egcnivart. SSodcfungcn über bcutfc^c, franjof., engl., fpan., italien., fc^web.,
ban. , IjoUänb., cliim. , ruff. , poln. , böijm. u. ungar. öiteratur. S3on b. 3.
1789 bis jur neucpcn 3cit. 2. neu bearb. STufl. 8. XiV u. 896 ®.
ßcipäig, ©imion, geb. n. 2% «^.
II. Ost- und nordaslatlschc Sprachen.
Indisch. Keilschrift. Persisch. Aino-Sprache. Japanesisch. Chinesisch.
Kalmükisch. Dsanglun. Wotjakisch.
Ilessler, Dr. Franc. , commentarli et annotationes in Susrutae Ajurv^-
dam. Fase, prior, cont. Susrutae aelatem et nicdicinae systema. gr.
Lex.-8. IV u. 24 S. Erlangae, Enke. geh. n. % 4.
Jäska's Nirukta sammt den Nighantavas hrsg. und erläutert von Rud.
Roth. 3. Hft. Lcx.-8. 230 S. Göltingen, Dieterich. n. 2 4.
(1-3.: n. 5 4.)
Pouranas, les. Eludes sur Ics derniers monumenls de la litterature
sanscrite ; p. Felix Neve. 3V2 Bog. 8. Paris, Douniol.
^VO^nttO , 3o^. ©dtloff , SfnfangSgrünbe c. ©ramniatif bcr ^inbuilanif^cn
©prac^e. br. 8. 34 ©. S3crlin, 5Ö. ©c^ulfee in gomm. gel;, n. V3 4-
Badjatarang'i^ histoire des reis de Kachmir, traduile et coramentee
par A. Troyer, et publice aux frais de la sociele asialique. Tome
III. Traduclion, 6claircissements historiques et chronologiques relatifs
aux 7e et 8e livres. 46 V2 Bog. 8. Paris, au burcau de la Society
asiatique, rue Taranne, 12.
Spracliwlss. — II. Ost- und nordasiatische Sprachen. G7
Tetalapanca Visati, cinquo novellc Iiidianc. Tradotlc Icllcraimcntc
iD latino col tcstu Sanscrita a fronte preccdutc da una prcfazionc c
seguite da un commento grammaticale e (ilülogico su tutta la prima
novclla e da aicune note critiche ed illustrative sulle altrc. Vi si ag-
giunge in forma di appendice una versionc Italiana per B. M. B o r-
tolazzi. 8. Bassano. 2 fl. 24 Xr.
Weber, Doc. Dr. Albr. , akademische Vorlesungen über indische Lite-
raturgeschichte. Gehalten 'im Wintersemester iS'Vsz- gr. 8. VI u.
285 S. Berlin, Dümmler's Verl. geh. n. 2 «^.12 njc
SLiti^an^aTalicaritam, a chronicie of the family of Räja Krishna-
Chandra ofNavadvipa, Bengai. Edited and translated by W. Pertsch.
Lex.-8. XXIII u. 136 S. Ebendas. n. 2 ^.
Grotefend, Schulrath Dr. Geo. Frdr., Erläuterung der Keilinschriften
babylonischer Backsteine mit einigen andern Zugaben u. 1 Steindrtaf.
gr. 4. IV u. 31 S. Hannover, Hahn. geh. 1/2 njc
— die Tribulverzeichnisse des Obelisken aus Nimrud nebst Vorbemer-
kungen über den verschied. Ursprung u. Charakter der persischen u.
assyr. Keilschrift u. Zugaben über die babylon. Current- u. medische
Keilschrift. Mit 2 lilh. u. 2 gedr. Taf. in qu. gr. Fol. u. gr. 5. Aus
d. 5. Bd. der Abhandlungen der Königl. Gesellschaft d. Wiss. zu Göl-
tingen, gr. 4. 93 S. Göttingen, Dieterich. n. IVj «^.
Chodzko, Alex., grammaire persane, ou principes de l'iranien mo-
derne, accompagnös de fac-simile pour servir de modöles d'ecrituro
et de style. 14 Bog. 8. mit 5 Facs. Paris, Duprat. 10 fr.
Pfizmaier, Dr. Aug., Abhandlungen über die Aino-Sprache. gr. 8.
60 S. Wien, Gerold in Comm. geh, n. 16 njc
— kritische Durchsicht der von Dawidow verfasslen Wörtersammlung
aus der Sprache der Aino's. gr. 8. 183 S. Ebd. geh. n. 1 ■^.
— Beitrag zur Kenntniss der ältesten japanesischen Poesie, gr. 8. 36 S.
Ebd. geh. n. 12 ngt
— über einige Eigenschaften der japanesischen Volkspoesie. Lex.-8.
13 S. Ebd. geh. _ 6 ngc
— das Li-sao u. die neun Gesänge. Zwei chincs. Dichtungen aus dem
3. Jahrh. vor der christl. Zeitrechnung. Fol. 32 S. Ebd. geh. n. 16 ngt
^\»\^, •&• Sf-/ ©rnmmatit bcr ffiefl=£0]otn)cliftf)m b. i. Dirab cber Äalnuifi:
f^en ©pradjr. 4. IV u. 149 lit^. ©. mit litf)üi^rom. Sitct. 3:;oiiüuc:
fc^iiiflcn , C®t^»">^0- Öf^- baar 2% 4.
Schiefner, AnL, Ergänzungen u. Berichtigungen zu Schmidt's Ausgabe
des Dsanglun. lmp.-4. 95 S. St. Petersburg. Leipzig, Voss. geh.
n. n. IV3 ^.
H'iedemann, Gymn.-Oberlehrer F. J. , Grammatik der wotjakischen
Sprache nebst e. kleinen wotjakisch-deulschen und dcutsch-wotjak.
Wörterbuche, gr. 8. XLVI u. 390 S. Reval, (Kluge), geh. n. 2 ^.
68 Spracliwisscuschaft. — III. Wcstaslatisclic Sprachen.
III. Westaslatlsclie Sprachen.
Arabisch, Hebräisch. Punisch.
Abii'l-Jflahasin Ibn Tag-ri Bardii annales, quibus litulus est
e codd. mss. nunc primum arabice edili. Tomi I. partem I. ediderunt
Prof, Dr. T. G. J. Ju^'nboll et Dr. B. F. Matthes. gr. 8. 226 S.
Lugduni Bat., ßrill. geh. n. n. 3 «#•.
Bresnier, L. J. , anthologie arabe ölementaire. Choix de maximes et
de texles yaries la plupart inödils; accompagnes d'un vocabulaire arabe-
francais. 11 Bog. 18. 1.: Texte arabe. Paris, Hachette. 5 fr.
Description de l'Afrique par an geographe arabe anonyme du 6.
siücle de Thegire. Texte arabe publik pour la premiere fois par Prof.
Alfr. de Kremer. gr. 8. YII u. 83 S. mit lilhochrom. Titel. Vi-
enne, (ßraumüller). geh, n. 1% »f.
Doxy, Prof. R. P. A. , Nolices sur quelques raanuscrits arabes. gr. 8.
260 S. m. 1 Steinlaf. in 4. Leydcn 1847-51. geh. n. n. 1 4. 28 1131;
— scriptorum Arabum loci de Abbadidis nunc primum edili. Vol. II.
288 S. 4. Leiden, Brill.
Ilaji Khalfae lexicon bibliographicum et encyclopaedicnm. Ad codd.
Vindobonensium Parisiensium et Berolinensis fidem primum ed. laline
verlit et commcntario indicibusque inslruxil Prof. G u s t. Flügel.
Tom. VI. Literas Mim [Mofatehat-] — Ya complectens. Accedunt
additamenta tria lexici continuandi et supplendi caussa adjecta. gr. 4.
VJII u. 679 S. London. (Lipsiae, Brockhaus), geh. baar n. n. iGy^ »^.
Haminer-Purg'Stall, Jos. Frhr. t. , Literaturgeschichte der Araber.
Von ihrem Beginne bis zu Ende des 12. Jahrh. der Ilidschret. 1.
Ahth. : Die Zeit vor Muhammed und die ersten drei Jahrh. der Hid-
schret. 3. Bd. : Unter der Herrschaft der Beni Abbäs , vom ersten
Chalifcn Ebül Abbäs bis zum Tode des neunten Chalifen Wasik , d. i.
vom J, d. IL 132 [749] bis 232 [846]. 4. HI u. 985 S. Wien, (Ge-
rold), geh. n. 13% 4. (I, 1—3.: n. 22% ^.)
— über die Namen der Araber. Aus den Denkschr. der k. Akad. der
Wiss. Fol. 72 S, Wien, (Braumüller), geh. n. 24 ngc
Ibn-.4(IIiari (de Maroc), histoire de l'Afrique et de l'Espagne, intitulee
Al-baijano'1-Magrib, et fragments de la chronique d'Arib de Cordoue ;
le tout public et prßcede dune introduction et accompagne de notcs
et d'un glossaire, par R. P. A. Dozy. 2 vols, gr, 8. Leiden, Brill. 16 fl.
Ibn 'Akirs Commentar zur Alfijja des Ibn Mälik aus dem Arab. zum
ersten Male übers, v. Prof. Dr. Dieterici. gr. 8. XXVIII u. 408 S.
Berlin, Dümmler's Verl. geh. n, 4 »^.
Ibn Jubair (al-Kinani), Travels. Edited from a ms. in the univer-
sity library of Leyden, by William Wright. gr. 8. 398 S. Leyden,
Brill. geh. n. n. 3V3 4.
licxicon geographicum, cui litulus est,
c duobus codd. mss. arabice edilum. Fase. IV. exhibenlem literas
DAL— ZA, ed. Prof, Dr. T. G. J. Juynboll. gr. 8. III u. 146 S.
Lugduni Bat., Brill. geh. n. 1 4- ^ W- (I— IV.: n. n. 3 «#. 28 iiär.)
Ouvrag:es Arabrs, publies par R. P. A. Dozy. 5c et dcrniere li-
vraison, gr. 8. Leyden, Drill. 6 fl.
Spracliwisscnschaft. — III. Weslasiatisclic Sprachen. 09
Taberistancnsis sivc Abu D s c h a f c r i M o h a m m e d b c n D s c li c-
rir Etlaberi annales rogum et legaloiiim Dei. Kx cod. manu scri-
plo Berolinensi arabicc ed. et in laliiuiui Iraiislulil Prof. Joan. G o-
dofr. Ludov. Kosegarlen. Vol. III. gr. 4. H u. 251 S. Clry-
phisvaldiae, libr. Koch. geh. n. 5% 4'. (l — 3-= "• 19 ^.)
Cohen, Maleachi, Jad Maleachi. Inlroduclio melhodologica in Talmud
ejusque commcntatores. Denuo ed., texlum emendavit, praefalionem,
nolas et additamenla adjecil Ephraim Herz. 4. X u. 320 S. Bero-
lini , Adolf et soc. geh. baar n, ö^/g ^4*.
Fürst 1) Dr. Jul. , hebräisches u. chaldäisches Ilandwörlerbuch üb. das
Alle Testament. Mit e. Einleitg. e. kurze Geschichte der hebräischen
Lexicographie enthaltend. 2. Lfg. Lex.-8. S. 177 — 352. Leipzig, ß.
Tauchnitz jun. geh. h % »^.
Histoire des poetes de !a Syrie. 12 Bog. 8. Marseille, Impr. do
Bellonde.
^np^et, 3. 931., ljebr;iifd;e ßcfcfxbcl. 2. mi\ Sfufl. 12. 24 ®. ÄfliTd, 3.
©. Sucföarbt. gc[;. n. 2 n^t.
liCOnis Mutinensis examen tradilionis, duo inedita et paene incognita
opuscula compleclens, quae nunc primum edidil, annotationibus illu-
slravit, et examini submisit I s a a c. Reggio, Prof. et Rab. gr. 8.
XVni u. 2G9 S. Goriliae, (Paternolli.) geh. n. n. 1% ^.
S-ÖWen^eim , 8cf)r. .£>. 3. , erficr Unterricht jum Erlernen b. I;cbräifd}eu 8c:
frnS, mtifi c. furäcii Stuireifij. jiim ßcfeii in rotibin. ©dirift it. tcS Sübifd);
SDcutfdjen. 3ia(^ c. neuen SJtctljcbe beavb. (OTit e. äuirroort t». ^H'cb. Dr.
®. (Satomcn. 2. 5fiifl. 8. 45 (3. ^amburc), Sßcrcnbfctjn, cart. ^,'4 «^.
[iCotDOft^ , ßr. 3. S^. ,] 5fuö bcr brtirdifdjcn ©rammatif. ©ine ^Inleitiniij
juni ijrammat. ^ücrfiänbuiffc ber -Ofil. ©dirift. 3nnad)fl f. bcn ©cbraiic^ bcr
ifrocl. ©c^üler nn bcn ^ragcr t. f. (Sninnaficn u. -9lcol[d)uU'n. 8. 48 S'.
^Hag, (SqIde'ö 5>crl. (icl;. 12 n^jr.
Veth , beknopte Hebreeuwsche spraakkunst. 2e herziene cn vermeer-
derde druk. XXVIII u. 260 S. gr. 8. Amsterdam, P. N. van Kämpen. 3 fl.
lü'olf, J. Robert, a Practical Hebrew Grammar; wilh Progressive
Construclive Exercises lo everj Rule, and a Reading Book, Post 8vo.
pp. 2 IG, cl. 6 s.
C^toalb , S^mxx. , ©nt^iffcrun.^ bcr ncupunifc^cn 3nfc^rtftcn. JInS b. ©ctting.
cjct. 5{n}, 1852. (St."l72 biö 175 abjjcbr. 8. 32 ©. ©btthiöcn , S)ictc=
rid). gcl).^ 6 1131:.
Toison d'or de la langue phenicienne, par l'abbe F. Bourgade.
8 Bog. fol. u. 37 Tafeln. [Sammlung puuischer, zu Tunis gefundener
Inschriften]. Paris B. Duprat. 34 fr.
IV. AfrihaniscLe Sprachen.
(Aegjptisch. Koptisch.)
tti^Iemtintt ^ Dr. gjjar, i^^ quousque landem? bcr S^ampoUiouifdjrn (3d)ulc
u. bie Snf^rift ü. Slofctte bcUu^tct. gr. 8. 20 ©. Berlin , SHittlcr tmb
®ot)n. gel). n. Vg «^.
— quae, qualia, quanta! Sine SBcPiitigung bc6 quousque tandem? bcr
(S^ampollionifd^cn (Sdjulc. gr. 8. 15 S. (Sbb. gc^. n. 4 njjr,
Epistolac Novi Teslamenli coptice; ed. Lic. Dr. Paulus Boelti-
cher. Lex.-8. VI u. 284 S. Halae, Anton, geh. n. 4 »f.
70 Spracliw. — V. Amerlk. VI.Türh. Ungar. VIL Slav. Spr.
V. Amerikanische u. oceanischc Sprachen.
Grammar and dicllonary of the Dakota language. 4. London. 36 s.
Williams, William D.C.L., Archdeacon of Waiapu, Diclionary of the New
Zealand Language, and a concise Grammar; lo which is added a Se-
leclion of Colloquial Scnlenccs. 2d edit. (1852), 8vo. pp. 363, clolh. 89.
VI. Türkisch. Ungarisch.
Bianchi, T, X., le nouveau guide de la conversalion en francais et
turc. 2e ed. 23 Bog. 8. Paris, chez Boutaret. 15 fr.
^Iciitfftv, •&• %-i tfi^ üolKommcnc u. f^ncUe lürfifd)e ©clbfllcbrer. (Sine
gritubl. lt. lei^tfaft. SfnUitg., bie türf. ©pra^c in furjcr Seit ti)forflif^ u.
praftifd) Icfcn, fi^rcibcn u. fprct^cn 311 tmun. Sicbfl e. Srni). t?. StcbcnSartcn,
(Spri^roörtern, e. grcfen Shiewaf)! pcrfc^icb. ©efprädjc k. £)itrd)nu3 m. Qi-
naucr Scäci^ng. bcr S[uSfprad)c. 9ca^ bcn Porjüglic^flcn ClucUfn bcarb. 8.
VI lt. 146 ©. SBim, Sßcncbift. Qtl). ^ 1 «^. 6 njc
Hammer- Purg:stall, Frhr., Bericht üb. den zu Kairo im J. d. H.
1251 [1835] in 6 Fol.-Bdn. erschienenen türk. Commentar des Mesnewi
Dschelaleddin Rumi's. Aus d. Silzungsber. 1851 d. k. Akad. d. Wiss.
Lex.-8. 112 S. m. 1 Steintaf. Wien, (Braumüller.) geh. n. % »f.
f&aUaQt, 6arl, [33 Ic^,] praftifc^cr Se(;rgana jur f^nellen u. grünblii^en ©r=
Ictnung bcr unoarif^m ®prad)c, naij bcn jirccfma^igflcn neueren S}Jett)Dbcn,
torjügliA na^ bcr P. Sr()n l)r3g. 9}?it e. einlcit. SScrn^ort p. ^rof. Dr. gjJor.
sBaUofli. 2. Perm. u. Perb. STufl. flr. 8. VII u. 102 ®. ^efll), ©cibel.
ge(;. n. 12 ngt
ffttumtinn, ßc^r- ®- » ""'f^ praftifcfjcr 8c{)rmciflcr bcr ungürifcf)cn u. bmt=
f^cn ©prac^e, fott?ot;l f. Äinbcr u. Ovulen, al3 an6) f. ©rraa^fcne jum
©ctbfluntcrrid^te. Sine (gonimUtng P. ungar. u. beutft^cn Sßeifpiclcn, (Scfprü;
^en je., um bcibe ©prai^en in furjer 3cit ol;nc ©rammatif cb. 8cl)rcr k. er;
Urnen ju tonnen. 8. 192 <B. dbb. n. V3 4.
VII. Slavischc Sprachen.
Dobrowsk J 5 Prcsbyt. Dr. Jos., inslitulioncs linguae slavicae dialecti
veteris , quae quum apud Russos, Scrbos aliosquc rilus graeci , tum
apud Dalmatas, Glagolitas rilus lalini slavos in libris sacris obtinet.
Cum lab. aeri incisis IV. Edilio IL prelio viliori parabilis. gr. 8.
LXVIII u. 722 S. Vindobonae, Wenedikt. geh. 2 ^.
miklosich. Fr., vergleichende Grammatik der slavischen Sprachen.
1. Bd. A. u. d. T.: Vergleichende Lautlehre der slav. Sprachen. Von
der kaiserl. Akademie der Wissenschaften zu Wien gekrönte Preis-
schrift. gr. 8. XVI u. 518 S. Wien, Braumüller, geh. n. n. 42/3 4-
Schleicher, Prof., über v [-ov-, -cv-] vor den Casus-Endungen im
Slawischen. Aus den Sitzungsberichten 1852 d. k. Akad. d. Wiss.
abgedr. Lcx.-8. 19 S. Wien, Braumüller, geh. n. 4 iiät
Schleicher, Prof. Dr. Aug. , die Formenlehre der kirchenslawischen
Sprachwiss. — VII. Slavlschc Sprachen. 71
Sprache, erklärend u. vergleichend dargestellt, gr. 8. XXIII u. 376 S.
Bonn, König, geh. n. 2Vj o#
fStO^, Se^r. Dr. Sfug., neuer ßcl^rgana bcr rufftf^en ©prad^e. gür bcii
©c^uU, ^rioat= unb (3flbflitntcrrid)t m6) bcr giübertfon'fdien COTet{)obc üct;
faft. 2 S:()l. 8. »crlin, (5. ©d)itlfec-6 33ud}br. ßf^)- ^ "• % 4-
®l>lOtuioX0, S-/ ßcitfabeu juin crPcn Untcrrici^t in bcr ruffifc^cn ©pradjc f.
iDeutfc^f. gr. 8. 134 ©. m. 1 ©teintaf. Stcoal, .ftlugc. gel;, n. Vz 4-
Dahlmann, Piotr, nouveau dictionnairc de poche en languc polonaise
et frangaise. — Nowy slownik podreczny jezjka polskiego i francus-
kiego. 2 Voll. [Franfais-Polonais. — Czesc polsko-lrancuska.J 2
Edition, gr. 16. 1805 gcsp. S. od. ööVg B. Breslau, S. Schletter,
geh. iVö "
^ti^, 3. ^-i Glcmcntürtuid; jur prafti[d;en SrUrnung bcr polnifdjcn ©prac^c,
g-ür ©pmnaficn it. 9teolfd;uIcn ücarb. 2 S[btt;lgn. 2. ucrin. SfujT. gr. 8
XVI u. 261 ©. ffireSlau, Äcrn. gc(). 1 4
^VOttQOtfiU^, 6f)rpf). Sßlcflin, auSfiil}rIic^c8 3)eutfc^4^olnifcI)cö u. ^olnifci)
3)cutfc^c6 5Bi3rtcrlni4 1. ob. ©ciit[d)=poInifd)er Sf)t. in 3 8fgn. 3. fcfir tJcrm
u. Pcrb. STufl. 9?eu burc^gcfel). u. bebeutcnb f crm. x>. Dr. 3Ö. SB i; 3 j o
mierSfi. I. 8fg. Sf. u. b. 3^.: Dokladnj slownik niemiecko - polski
polsko-niemiecki. Tom. 1.: Niemiecko-polski. Wjdanie 3. Zeszyt. 1
gr. Lex.-8. ®. 1—320. Äßnigöbcrg, ©tbr. 53ornträgcr. gcf). 1 f^
Citaci kniha, ceskä, pro tridy vyssiho gymnasium. Od Prof. Dr. F. L.
Celakovskeho. 2. Vydäni. 8. Vlll u. 604 S. Prag, Calve's Verl.
geb. 27 ngt
Polyg^lotta kralodvorskeho rukopisn. Text v povodnim i obnovenem
pravopisu ; preklad: Rusky , serbsky, illyrsky , polsky, hornolu2icky,
vlasky , anglicky, nemecky; ukazky : dolnolu2ickeho , maloruskt^lio,
krajnskeho, francouzskeho i bolgarsk^ho. Vydani Väceslava IlanK v.
12. X u. 794 S. m. 1 Steintaf. Prag, (Kronberger.) geh. n. 2V4 4-
^evthtl^f^f ^einr., poUpänbigeß 2ct;rbiid) bcr bö^mijd)cn ©pradic f. S^ciitfc^c.
83crbunbcn m. praft. Scifpidcn, öcfcfiüdcn it. ©cfprcc^cn, m. bcfonb. .fMnblicf
auf militär. SluSbriiife. Scarb. nac^ ben PcrjüglidjPcn ClucUcn. 8. VI u.
288 ©. SBicn, SHJcnebift. gc(). 1 4.
Ristic , Jovan , die neuere Literatur der Serben. 8. 47 S. Berlin,
Schneider et Co. geh. V+ 4-
^^malet, 3. ®. , fUinc ©rammotif bcr fcrbifc^ = wcnbifd)cn ©prad)c in bcr
Dbcrlaufi^. — Mala serbska rycnica. 8. 50©. Snu^cn, ©djinalcr. gclj. Oiigt;
Tnk Stephanoi« lisch Karadsrhitsch , lesicon serbico-gernia-
nico-latinum. Lex.-8. XYI u. 862 S. Vindobonae. (Berolini , G.
Reimer.) geh. 6 g^.
^tö^lt«!^ / ^ub. ST., |>anbtrbrterbud) bcr ilirifc^cn it. bcutfc^cn ©proc^c.
2Jl\)[e. [3liri[d}=bcutf(^cr S'^l. — £)cutfc^=ilir. Zi)\.] Sf. u. b. S.: Recnik
ilirskoga i nemackoga jezika , sastavio ga Rud. V. Veselic. gr. 16.
1. Tbl. XI u. 570 S. Wien, Wenedikt. geh. 3 4.
VIII. Keltisch.
liCO, Heiar. , Ferienschriften. Vermischte abhandlungen zur geschichte
10
72 Sprachwiss. — IX. Germanische Spraclien.
der deutsclien u. keltischen spräche. 2. Hft. gr. 8. VI u. 325 S.
Halle, AnCon. iVj 4- 1. 2.: 2 4- 29 ngc
IX. Germanische Sprachen.
1. Deutsch.
Zeitschrift für deutsches Alterthum hrsg. v. Mo r. Haupt. IX. Bd.
1. Hft. gr. 8. S. 1-192. Leipzig, Weidmann. ä Hft. n. 1 ^.
(Litteraturgescbichte.)
fSatt^ei, Gart, in bcittf^e 9?ationaIlitcratur fccr ^Rcujcit m f. 9id^c t>. 83or«
Icfiiriijfn bargcficUt. 3. obcrmals flarf örrrn. u. ücrb. Sfiifl. gr. 8. XV, u.
583 @. ffirnunfd)ircii^, Scibrcrf. gdj. n. 1% «-f.j ijfb. n. n. 2 »f.
jBttUI^, ^^forrüicar ffi?ill). , ba6 Äirc^cnticb in feinet @efd)id)tc u. S3ebeiitiino|.
3ur S?deiic^tuni] bet ©cfangSbiic^Snotl} im ©rcptjfrjpgtf). Reffen. @ine SJcif-
[^rift f. bie ©rbilbeten in ber ©emcinbc. 8. XV u. 294 ©. grüntfurt
a. SK., 5Brönncr. ijctj. n. 27 ngt (l gl. 30 ifr. rfj.)
f&tii^ttd, Dr. 3. ©., bcr .^umorifl it. ©atirifcr 3o(;anncS SarißcuS. 20 ©.
4. ©i)mn.;5?r. 5f}jü„^f„.
iSrÜH^I, Dr. 3. Sf. 9}?or., ©cf^i^te ber fatfjolifc^en ßitcratur. 3n triUfd)-
biogropt). Umriflen. 3n 2 ffibn. ob. ca. 15 ßfgn. 1. S3b.: ©efc^id)tc bcr
fat^cl. ßiteratur ©eutfc^tanbS. 1. ßfg. gr. 8. <B. 1—80. ßcipjig, |)üb-'
ncr. öf^- n- Vs »#•
jSBud^tiet, Dr. 5S5iIb. , ßcfjrbiit^ bcr ®cfcf)irf)tc bcr bcutf^en 9?attonaUitcratur
nebfl e. Stbrif bcr bcutfd^cn Äunftgcfc^idjte aU 2fnt)ang. gär l;öl)crc ßcfjrans
palten u. bcn ©elbfliintcrridjt bcorb. gr. 8. XII u. 371 @. SUainj, %a=
ber. gc^- . . "• 27 ngt (1 gl. 24 3fr. rl) )
Diemer, Jos., kleine Beiträge zur älteren deutschen Sprache u. Litera-
tur. 1. Thl. Aus d. Sitzungsber. 1851 d. k. Akad. d. Wiss. Lex.-8.
t30S. m. 1. Steinlaf. in Tondr. Wien, (Braumüller), geh. n.%4-
^ÜtVinQ, Dr. ^f)einr., ©i*itIcr'S ©elbfld^arattcrijlif. diad) b. 25irf)tcr3 53ric5
fcn feit feinem 18. ßcbcn§jal;re bis jum lc|tcn enttrorfcn 16. Vill u. 518
©. ©tuttgart, .g>aUbcrgcr'fc^c StrlagSl). gel). 1 «^. (1 gl. 45 Xt. rlj.)
— ®d)illcr'6 ©türm; ii. Srangperiobe. @in S.n'itrflg jiir beutfc^cn ßitcraturgc*
fc^id}te. gr. 16. 334 ©. SBcimor, 3anfcn ii. Co. ge^. 1 ^.
^Ünktt p '&• / greunbcgbilbcr oiiS ©octljc'S ßcbcn. ©tubicn jum ßcbcn b.
©idjterS. gr. 8. XV u. 623 ©. ßeipjig, S^pf. gt^. 3% o^.
&^attt, ßubrt)., SorUfungcn üb. ©octlje'ö Torquato SafTo. Vorgetragen in
ber STiila bcr 23crncr:.f)cid;fc^iilc. fficrfiicb e. litternrifd):iif}()ct. ÄommcntarS f.
grcunbe b. 3)id)ttr8 ii. ^ö()cre ßkl;rcinftaUcn. gr. 8. VIII u. 314 ©. Sern,
gifdjer. getj. \% 4.
&tVtinQev, 3. 25., bie gricc^ifc^cn Glem-ntc in ©cbiUer'8 S3raiit oon 5D?e[=
ftna. 28 ©. 4. ®t;mn.=5)r. 9feuburg a. b. 5)onau.
Gödeke, Karl, das mittelalter. Darstellung der deutschen litcratur d.
miltelalters in literaturgeschichtl. Übersichten, einleilungen , inhaltsan-
gaben u. ausgewählten probestücken. 2. u. 3. Lfg. Lex.-8. S. 145 —
480. Hannover, Ehiermann. geh. h n. y^ 4-
Graf, Gymn.-Prof. Rainer, Zeittafeln zu Göthe's Leben u. Wirken, gr. 8.
87 S. Klngenfurt, (v. Kleinmajcr.) geh. n. 16 ngr.
^omhctQ, 3;inctte, ©cfdiidjtc bcr fc^L^ncn ßitcrcitur ber J)cut|'ctcn f. grauen,
gr. 8. XXIV 11. 618 ©. S)iifTfU^orf, ©d^cUcr. gel). 2 4.
^0^, ©tabtpfr. ©b. g-mil, ©ifd^ic^fc b. Äird)enlicb3 u. Äir^cngcfangS ber
djriftlicbcn , inSbcfonbcre ber beutfc^cn ft)angcl. .Kir^c. 1. 'S)aiipttl)cil: 35ic
!J)id)tcr II. ©änger. 1.93b. 2. t)crb. u. biircf;nui5 üevm. Sfiiff. gr. 8. XX
u. 400 ©. ©tuttgart, ä^elfer. ge^. 27 n^i (l gl. 30 ix. x^.)
Spiacbwiss. — IX. Germanische Sprachen. 73
StnütteU, fxeb. STuöM ©ffcljic^te bcr fc^öncn gitcrotur ber ©eutf^cn in. S3ci»
fpielcn. giir I;üf)cre 2!i3cl;tcrfd)ulcu ii. jum Selbfluiitcrric^te bcarb. Sn.-S.
XII u. 436 ®. 3?rc6lau, (Sra^, ä^artf) u. 60. Strl. gel;. 2 4. 12 ngu
J(Ut}^ Dr. .^cinr. , .Jinnblnic^ bcr bcutfc^cn 5)rc[a 0. 0ottfd}cb Inö auf bit
ncucfie 3iU. .»^nflorifdj gcorbncte (gnmniluiui i\ 'l'^iifltrilücfcn qu6 bcn üov^
jügliC^flcn yrofnifcru unter a3crüif|'it^t. aller ÖattuiuK" bcr profaifc^cn Sd)rctO=
art , ncbjl e. ljtcrarifd;=af^()ct. Äommcntar. 3. 2f b(l). : 8iterürifd}:äpi)cti(c^ev
Äcmmeiitar. 2 Xnilftcn. t;oc^ 4. 1. ^Oälftc S. 1-240 ob. 15 SB. 3üric^,
aj^fi^er u. Scücr. oel). 1% «f- (3 gl. rl).) cpit. i 4. ITVz "91^ — Sgl.r^.)
— ®tfc^id|te bcr beutfc^cn l'iteratiir m. ^'»rcbcii auö bcn 5öcr6cn bcr ccrjiujUc^--
(Icn ©c^riftflcUcr. ?t)ht üichn 3Uuflr. in ciii^cbr. .Doljfdjn. 6-9. üfq. gr.
ßcj:.=8. 1. S3b. ®. 321-576. üimu^, STeutncr. c\(i). ä 9 ngc
jßel^tnann , ®i;mn.;35ir. ^rof. Dr. Zsci). STuö. O. S , ©oct^e'ö eprad)e «.
il)r ®cift. ßr. 8. XIV u. 404 S. S3crlin , aUgfin. bcutfdjc öcrlaüe^^Srnflalt.
gc(). n. 1 »^ 24 n^t
Püning-, über das alisächsische Gedicht »der Heliand«. 29 S. 4. Gjnin.-
Progr. Recklinghausen.
^ii<^on, (Eon[\\i.--^aH) Sfrc^ibiat. ^rof. Dr. %. S(., Seitfobcn jur ©cftbit^te
bcr bcutfc^cn ßitcvatur. 10. »crm. Sfufl. gr. 8. XVI u. 235 ©. Berlin,
S^uncfer u. |)umblct. V2 *f •
Püfz, Oberlehrer \V., die Ueberreste deutscher Dichtung aus der Zeit
vor Einführung des Christenlhums. 31 S. 4. Progr. des kathol. Gymn.
Köln.
&aupe, @9mn.:©ubfonrcftor ©rnfl 3u(., bic (Sd)iücri®octt;c'fc^fn Xmtn, tXi
läutert. 8. XIII u. 328 ®. ßeipji.j, SBcbcr. gel). n. IV2 4.
&^9U, £>cfan ©lob. |)cinr. g-rbr., u. 3)iaf. Dr. Sraug. ^fcrb. ®d)oll, beut-
fd^e ßiteraturgefc^idjtc in S3ioiiropt}icn u. ^-^vobcn quS allen 3al)rl)unberten,
jur @elbflbclcl)rg. u. juin ©cbraud)c in l)bl)crcn Untcrridjtgonfialten. 2. 23b.
3. tjcrm. , bis jum 3. 1852 fortgcfübrte 5fufl. Sl. u. b. S.: ©c[c^id)tc bcr
tieubeutfd)cn ßiteratur in yrcbcn u. SBIograpljicn. gr. 8. XII u. 983 ©.
©tuttgart, ebner u. ©cubcrt. gel). 1 V2 «f. (2 gl. 24 i"r. r^.)
— Dr. Traug. Ferd. , Zeittafeln der A'aterländischen Literatur unter Ver-
glcichung m. den gleichlaufenden Regenten, Künstlern, ausländ. Schrift-
stellern u. Weltbegebenheiten, f. höhere Schulen u. zum Privatgebrauch
entworfen. 4. Nil u. 97 S. Schw. Hall, Nitzschke's Verl. geh.
27 ngt (1 Fl. 30 Xr. rh.)
&^ivaft, ©. , u. Ä. ^Itt^lfel, erflcr ??aiitrag ju bcm SBcgwcifcr burd) bic
ßitcratur bcr S)cutfc^cn. din ^anbbuä) f. ßaien. .f)rSg. d. Dr. Jtarl Ätü=
Pfd. gr. 8. VI u. 107 (2. ßtipjig, ©. 9JIai;cr. gel). n. ^/j «f.
^tmm, ÄoUab. Dr., baB 9?ibclungcnlicb noc^ ©arHcUung u. Sprache c. Urs
bilb bcutfc^cr ^■»oefic. gr. 8. VI u. 218 <S. S^aüt , Änapp'ö Sort.^a3.
gel,. n. IV« *^.
fSSe^et;^ 9?rof. Dr., ©co. , bic @cfd)ic^tc bcr bcutfd)cn ßitcratur nac^ iljrcr or^:
gan. (Sntaicfctung , in c. Icii^t iibcrfc^aulidjcn ©runbri^ bcarb. 4. bis auf
bic ©cgcnannt fortgcfiiljrtc «fuff. gr. 8. VIII u. 128 ®. ßcipjig, 9B. (in-
gelmann. gel). 12 ngc
SaSott^etm &tt ^onfectt, 35oc. Dr. gfjep. $r. e. , furjgcfaftc ©cfd)id)tc bcr
bcutfi^cn ßitcroiiir. Sccbfl c. Sfnl). : 23iil;ncnäUflänbe u. Sorfdjlüge jur ©er:;
bcfferung birfclbefi. 2. Sfuft. 12. X u. 215 <B. |)amburg, (gc{)ubert() u.
6c. gclj. % 4-
Zacher, Jul., die deutschen Sprichwörtersammlungen nebst Beiträgen
zur Charakteristik der Meusebachschen Bibliothek. Eine bibliograph.
Skizze, gr. 8. 55 S. Leipzig, T. O. Weigel. geh. % •^•
(Lexicographie.)
fStin^mtiet, ^ofrat^ Dr. (Fb., Glossarium diplomalicum jur ©rflörung
74 Sprachwiss. — IX. Germanische Sprachen.
fc^irierigcr, einer biptomat., ^iflor., fac^l., ob. 2Börtercrflärung bebürftiger ta=
teil!., l)oct)= n. bcfonbcrö nicbcrbeutfdjer SKörtcr u. gormcln, »dc^e fid) in
iJffcntl. u. yritaturfunben , Kapitularien , ©cfe^en k. b. gefammtcn beiitfcf)en
5iRittdaltcrg fiubcn. a}]it llnterflii|g. e. Siereinö t). ©dcljrten , auä arc^ioal.
u. gcbruiften Hudlen, u. mit bcn bcften literar. |>ilf6niittdn bearb., u. biirtii:
weg m. urfunbl. ÖdctjflcUen oerfc^tn. l. S5b. 1—5. .'gtft. [A— Azingen.]
gol. (S. 1 — 232. Hamburg u. ©ctf)a, gr. u. STnbr. ^Vrtb^cS. ä n. 1 ^
^etnut:^, S., »oUftünbigficS toerbcutfdjcnbeS u. crflürenbcS grcmbrnörtfr^aBud)
bcr bcutfdjen Schrift; u. Umganijgfprac^e m. fficjci^ncj. fcer ri^ticjcn STuS;
fpradie, ©ctonung k. bcr SBörter K. |)r8g. t?. ^. ^arbatfc^cr. 5—7.
ßfg. ))oi) 4, (3. 38.5—672. S3rini, 5öiniter. gel;. ä n. Vj «f.
Eberhard, ülaass u. J. G. Gruber, deutsche Synonymik. 4. Aufl.
durchgesehen, ergänzt u. vollendet v. Dr. Carl Herrn. Meyer. 1. Bd.
1—5. Lfg. 8. S. 1—320. Leipzig, Barth, geh. ä n. Ve 4.
^atfveau, Dr. e. ST., üoUfiänbigeS gremb= u. @a§=2Börterbu^. (Sin ^anb-
bit^ f. Si-bcfmann jur grfldrg. u. ßrlcic^terg. b. 2>crPc^en3 aller in bcn
SBiffenfcljaftcn, Äünflcn u. ©eircrben , in Leitungen , geric^tl. 85ert)(inMgn. jc.
wt\)x ober minbcr gebräud}l. ©c^riftfürjungen u. frcinben StuSbrücfc, in. Sßt=
äcidjng. bcr STbldtg., bcr 5{u6fprac^e u. bcr 35dong. bcrfdben. 3. Slufl. Perm,
u. Pcrti. wn ^>rof. (g. ©. ü. |)ieront)mi. 1. Stil. S(— 2. gr. 8. 480 <S.
S3crlin, fe". |)ei;mann. gel). 1 ^.
^temtt09ttttfnti^ nebft ©rflarung bcr in unfcrcr ©pra(^e pprfommenben
frembm SfuSbrücfe. 15. f^art ücrm. 2lufl. gr. 16. 412 ©. ßnpjig, O.
SÖiganb. ge^. Vz 4-
Grimm, Jac. , u. Wilh. Grimm, deutsches Wörterbuch. 2 — 4. Lfg.
Allverflucht— ausschreien, hoch 4. S. 241 — 960 od. ä 15 Bog. Leip-
zig, Weidmann, geh. ä n. ^/^ ^.
Heufler, R.L. v., ein botanischer Beitrag zum deutschen Sprachschatz.
Aus e. Sendschreiben an die Brüder Jak. u. W. Grimm, gr. 8. 38 S.
AVien, Gerold, geh. Vz »^•
^Offmann, 5Bill)., atlgemdneä grcmbiröttcrbuc^ jur Scrbeutfc^iing n. ©rflä»
rung ber in unfcrcr ©pracfje porfomnicnben frcmbcn Sfuebrüdc. SDlit 2(ngabe
it;rcr 5fbfiammung, STuSfpradje u. 23donung. 2 3;l)le. in 1 ffib. gr. 8. VII
u. 768 e. Sdpjig, 5Bcber. gel). u. 2 ^.
— üolIflünbigflcS SBcrtcrbuc^ bcr bcutfc^cn <Sprad)e, \vk ftc in bcr allgcm. Sites
ratur, bcr ^ocfic, bcn 2Bift'cnfd;aftcn k. gebrüud)lid) ifl, m. Sfngabe bcr Sfbs
flammung, ber Dtec^tfc^reibg. , ber 5öortfcrmcn jc. , iicbft e. turjcn Sprad)=
Id;re k. 8—12. ^ft. Se):.=8. 1. ffib. VIII <B. u. ®. 561—810. 2.5Bb.
<S. 1—160. Sdpjig, Gclbi^. ä V* «^.
ffti^ti^ , S^ir. g. @. , furjgcfüptc faufmünnifc^e 3!erminologie nebft bcr ä^ers
bcutfc^ung u. (S'rElürung ber im ^f>anbd, ©cwerbe u. gabrifbdriebe üblichen
gremb^SBi^rter. ^anbbuc^ f. .f)anbclSbcfliffcne übcvl)aupt , befonberS aber f.
|)anbd8-', ©eracrbe : u. 23ürgerf($ulcn. 8. 54®. SBien, SBatliS^auffer. gel). Sitjc
^atittt^, Dr. ©an. , iia^ bcutfd)e Süörterbui^ p. 3aEob ©rimm u. 2ßilt)dm
©rimm tritifd) beleuchtet. 8. 104®. Hamburg, ^offmann u. Sampc gc^. 12ngc
Q^XitXlvf^, üoUfianbigeS furjcrflärenbeS |)anbbud) ber grembtvörter , redete
in ber beutfc^cn ®c^rift= u. Umgangßfprat^e üorEommcn, nebj^ Stuefprac^e. 2.
Sfufl. 12. III u. 383 ®. |>amburg, ©^ubcrt^ u. Gomp. ge^. n. Vz 4-
SSSe^eV, 3-, neucfleS PoUpiinbigeS grembwbrterbuc^. Gntljalt üb. 13000 frcmbe
SBbrter u. SRcbcnSartcn , m. S(ngabe ber richtigen SCuSfpra^e u. (Sin S^^nf)^
u. SRac^fcfjlagcbu^ f. 3eitung6lcfer 2C. 6. 5(ufl. 32. 239 ®. Cueblinburg,
<Srnfl. gel). Vs 4-
SSSeigand , Dr. ^v-rbr. 8ubw. Äart , SBBrtcrbu^ ber bcutfc^en 3t)noni;men.
2. *2ru6g. mit «öcrbcffcrgn. u. neuen Sfrtifdn. 2. S8b.: ^— 9t. gr. 8. XII.
u. 594 ©. gjjainj, Äupferbcrg. cart. (a) 2 4. (3 gl. 30 Ir. rl;.)
f&ße^^, ©t)mn. = ^^rof. 3. 83. Sr. , praftifc^cS .f)anbwi5rterbuct) b. ©eutfdjen
©prac^gebrau^S, ent^.: a. bic (Srflarg. ber 3)cutfc^cn u. übl. grenibwörter 2c,
b. e. ^ufammcnpdlg. berjcnigen 9legdn , gegen n?rtc^e am mciflcn gefehlt }u
Sprachwiss. — IX. Germanische Spraclicii. 75
werben p[(ei)t, c bie bei ITbfafffl. ü. S3ricfen u. (Supptifcn öfträiic^l. ^oxma-
lien, lt. d. bie im bünjcrl. geben oorfpinmenben (Sefcf)aft6au[|'ä^e. 4. .f)ft.
flr. 8. ©. 453-680. SU'öenSburd, %\i^d. 12 ngt (30 A"r. r().)
— bafTelbe 5. ^ft. qx. 8. 2. ffib. ©. 1—124. (äbb. V+ 4. (24 Ä'r. rl;.)
1-5.: 1 4. 12 ngr — 2 gt. 12 Xx. rt;.)
SSSurm, ^rof. Dr., ,3ur S3eurtf;eihina b. beutfd)cu Sßörterbuc^ee f. 3af. u.
SBil^. (Srimm, äu^leic^ e. SJeitraß inx bciitfc^en «e);icoi)tapt)ie. 4. 34 ®.
SJlün^en, granj. Qt\). V3 •^.
(Grammatik.)
Ahn, Prof. Dr. F., a new, practica] and casy melhod of learning ihe
Gcrmau languagc. 1. Course. 3. Edition. 8. 86 S. Leipzig, Urock-
haus. geh. n. V, *^.
— nouvelle m^thode pratique et facile pour apprendrc la langue al-
lemande. III. Cours , rcnfermant des morceaux choisis de lilteraturo
allemande, faciles et gradues , et accompagnes de notes explicatives.
8. IV. u. 91 S. Leipzig, Brockhaus. n. 8 ngt 1 — 3.: n. 26 njr.
Bacharach, IL, grammaire allemande, ä l'usage des classes supericu-
res. 2e ed. 5 Bog. 12. Paris, Ilachette.
Bauer I, Cand. Frdr. , Grundzüge der neuhochdeutschen Grammatik f.
höhere Bildungsanstalten. 2. sehr verm., zum Theil gänzlich umge-
arb. Aud gr. 8. X. u. 136 S. Nördlingen, Beck. geh.
V2 ^. (45 Xr. rh.); Parliepr. bei 15 Expl. 12 113t (36 Xr. rh.)
Bonihoff, D., oefeningen ter vertaling in het Hoogduitsch. Een ver-
volg op alle Spraakkunsten van die taal. 186 S. 8. Nijniegen,
Thieme. "^1^ fl.
&ta%mann, «y. >&. ©., «eine beutfiie ®prad)let)re f. S3oIf6[c^uIcn. 4. Sfufl.
8. VI u. 149 ®. Berlin, ©. Slcimer. ^ n. Ve 4-
Grimm, Dr. Jac, deutsche grammatik. l.Thl.; 2. ausg. Unveränd.
abdr. gr. 8. XVI u. 1084 S. Göttingen, Dieterich. n. 4V2 «f •
— 2. Tbl Unreränd. Abdr. gr. 8. XII u. 1021 S. Ebd. n. 41/2 ^.
— über frauennamen aus blumen. Vorgelesen in der akadcmie am
12. Febr. 1852. gr. 4. 28 S. Berlin, Diimmler's Verl. geh. n. 12 ngt
&Utf>iev, 2)ir. Dr. Sfbf., beutfctc§ ©prac^bud) aU ©ninblage b. »crgteidjcnben
©pra^=Unterri^tS ent^. Sefefiüde in l)ocI)tcutfc^cr (Sprache u. in bcn beutfc^cn
S!}Junbarten , ncbfl jaf)lrci^en UebunaSaufjiabcn u. e. litt), illum. Sprad)türt=
(feen e. S)eutfc^lanb in qu. 4. ßey.^S. XI u. 252 ©. 2(uäöb. t». Scnifd; u.
©tage in 60mm. %e\). _ n._ Vs 4- (' Sl- 24 Xx. rf).)
Hahn, K. A. , althochdeutsche grammatik mit einigen leseslücken und
glossen. gr. 8. VIII u. 102 S. Prag, Calve's Verl. geh. 18 ngt
$einfiU$/ Dr. Z\)bx., neue ©prac^ = u. 9lcbcfd}ule bcv 3^eutfd)cn jum ©d}uU
u. ©elbflunterrid)t. 3 «8bc. 6. STufl. 8. Scipjii), (f. glcifdjcr. ßeb- ä % «f.
Sn^alt: 1. I^eorctifrfje bcutfdje Sprarf)lc^rc. (XV u. 344 <B.) 2. ^.^raftifrfjcS
ge^rbud) ber beutfd)en ®pracf)e. (Xlll u. 371 ®.). 3. 3:l)eoretifd) = pratti=
fc^f§ ßebrburf) ber S?efe= u. Söortraggfiinfl. (Vm u. 228 ®.)
^Ubt, ^a\iox ffiernl). ^xinr. x>. b., neiuc bcutfc^c ©prac^lctirc, äunäc^jl f. 3;üc^--
ters u. a^ürgerfc^ulen. SO^it e. STnf). fe(;lert)after 5fuffa|e, jur ri^tigen 2ln=
irenbg. ber gegebenen Siegeln tt. jur Scrmeibg. ber gcirc^ntic^flen @c^reib=
u. ©pra^fe^ler. lO.Slufl. 8. XII. u. 260©. ßübccf, D. 9tol;ben. gct). 18 ngt
SttUntt, 8., prottifc^er ße^rgang für ben beutfc^cn <Spra^imterric^t. (Sin
^f)anb; u. |)ülfsbud) für 8ft)rcr an gehobenen ffiottS= u. SSürgcrfc^ulen. 1.
S5b. 7. t»erb. STuft. ST. u. b. 3'.: S)ic '^mU, ©prec^::, u. ©d)reib=©(tule.
(Sine mcttjob. Sfnlcitung f. ßeljrer k. 7. »erb. u. ücrm. 5Cuf(. gr. 8. XVI
lt. 240 ®. (grfurt, Otto. gc^. n. 24 njc
— baffelbe. 3. »b. 6. terrn. Sfuff. Sf. «. b. S. : Änrjc beiitfc^e ©pradj^
te^re nac^ ben neuefirn @runbfä|en u. j?orfd)ungen 5 auSgeflattct mit S3ei[pic;
Icn aus unfern Älajftfern u. c. Ucbunggfclbc, fo roie mit einer Steige t). 2ßie=
ber^olungSfragen. 6in Ceitfabcn jum ©ebraut^e in ©cminaricn, -Stcalfc^ulen
76 Sprachwissenschaft. — IX. Germanische Sprachen.
u. oberen Älaffcii bev Sürijerfc^ulfn. 6. ücrb. u. üerm. Sfufl. gr. 8. XII
u. 144 ©. ebb. gel'- n. 8 ngt
^oUttig, ©c^ul--3nfp. G)., fitr3fr u. fa^litf)er Scttfabm f. ben Untcrridjt in
fccr brutfc^en ®prad;c. ^jr. 8. VI u. 54 ®. 3(xb^ , Äummer. cart. 6 ngc
;6titltttO^ 2e()r. |\, ©djulgrammatif bcr ncu^oc^beutfd)fn @prad}c f. bic mite:
rcn u. mittleren (Stoffen t)bberer lInterrid)t6anflaUcn, (Secunbarfdjuten k. 8.
VIII u. 136 @. grauenfclb, Serlagö^Sompt. gcf). n. 12 ngt (36 Kx. x\).)
S^al^n , Dr. e. ^r. g. , über bie fflebeutung beS StamcnS ber ©tübte 23erlin
u. göln. 8. 16 ®. »erlin, (S)iimmlcr"8 SSer!.) n. V« «#.
— über ben Urfprung unb bie fflcbeutung beS Spaniens ^reupcn. 8. 16 @.
ebb. _ n. Vs 4.
inüller, L., traitö de la construction allemandc et de la declinalsoa
des substantifs. 10 Bog. 8. Ha vre, Impr. de Lemale.
9Jcff, .^auptlc^r. SBill)., ber bcnfcnbe 9lcc^tfd;rcib[d)üler ober 86 ft^flemctifc^
geortnete Sfufgabcn jur ©rterniing bcr beutfc^en Sle^tfc^reibiing f. (Spulen u.
juni Sclbpunterric^te. 12. 60 <B. -^eibelbcrg, fanget u. Schmitt, cart.
4\/2 ngr (15 Xx. xl).)
Slep, -Cicinr., fteincö ^»iUfebu^ jitr Erlernung bcr bcutfctien ©prai^e f. Sfn;
füngcr. 16. X u. 36 <B. .^amburg , iBercnbfol;n. gtt;. 3 ngt
Ollendorff, H. G. , nuovo melodo per imparar' a leggere, scrivere e
parlare una lingua in sei mcsi. Animaeslramcnlo per imparar la lingua
tedesca si ad uso privato che ad inslruzione in scuole italiane pub-
bliche, accomodato e proveduto d'uua aggiunta sistematica dal Prof.
Gius. Frühauf. 8. IV, 10 u. 480 S. Frankfurt a. M., Jügel's Verl.
geb. IVg 4. (2 fl. 6 Xr. rh.)
üiaumev, 9tab. t?., ein SBort bcr Scrflänbigung über bic ©d/tift: 5)ie (Sm=
iüirfung beS 6()rijicntl)um8 auf bie altljodjbeutfi^e ©pradjc. gr. 8. 26 ®.
©rlangen, Slacfing. gc^. n. Vs «#• (18 Xx. r^.)
SRetfer, •§., hirjgcfafte beutf^e ©prac^Icljrr. S)ic ©rammotif in ffierbinbung
mit bem anati^t. ©prai$iintcrrid)te, nebfl c. Sfnlcitg. jum 9ttd}tfc^rcibcn u. jum
fi^riftl. ©ebanfcnüortragc. gür 95cIfSfci)iilen bearb. gr. 8. XII u. 114®.
©tiittgavt, ©cd u. gränfcl. gel;, n. 7 ngt (24 Kx. r(;.) ^artiepreiS bei 12
GTcnipl. n. Vg 4. (18 Xx. rl;.)
flUot^, Dr. ^axl, Ücinc ffieifrägc jiir baitfd}cn ©prac^;, @cfd)id;tö; u. Drt6=
fcrfdiitn.v 5.-8. ^\t. 8. COTündicn, (ginftcrlin.) ä n. Vj 4- (30 Ä"r. r^
^(i^ltffC^, 3. ^., Srnlcitiiiig jur Sfec^tfc^rcibiuig nac^ bcr L*autlct)rc. (Sin
nictt;c&. .^aiibbud) f. 8et)rcr an (flcnicntarfdjiilcn. 5tciie 5fu5g. ber 2. »erb. :c.
STufl. 8. Vm lt. 286 ©. ßcipjig, C?. Sx gjlnpcr. gel). V2 4-
^pi^et, Sc^r. Zat, bic (Elemente b. bcutfdjcn ©tyis. gür ©rf)iile u. .^au6
tl;corcti|'c^ u. prnftifr^ bearb. OTit 224 praft. Hebungen bcrctd)ert. 8. 196
©. 5Bicn, Tla\)cx u. go. gel;. n. 12 ngt
<^pta^fattt für ben fiufcnmafiigcn beutfc^cn ©prat^dlntcrrit^t in ©c^iulcn.
9 ä^cg. in gr. gol. Sippfiabt, 8ange, n. IV^ ^.
Vlcffetii<!^t , Eurje, bcr gvammatifdicn Sfbanberungcn ber fceutfdjcn 5ffiörtcr.
9?fbfl einigen 3ugabcn. 3. perb. 2(ufl. 12. IV u. 62 ©. ©tra^urg,
SEßwc. fflcrgcr-ScürauU u. ©obn. cart. Ve 4- (15 Xx. rf).)
IV^cinhoId, Karl, über deutsche Rechtschreibung. Abgedr. aus der
«Zeilschrift f. die österr. Gymnasien. 1852.« Hfl. 1. gr. 8. III u.
36 S. Wien, Gerold, geh. n. V3 4-
SStetfC; ©iv. itarl 5Bilt)., bcr cinfad)c ©a| in bcr bcutf^en ©prnc^e, f. dk^
mcntarfcf)ulcn bcarb. 5, pcrb. Sfuft. 8. IV u. 51 ©. granffurt a. b. D.,
-fioftmann. geb. n. Vs •»^•
SäSutr^t, giüinuinb Saf. , t[)ccretifd)=praftifd)e 5fnleitung jum ©ebraudje ber
©prad}tcnfUl}re. 6in |>anbbud^ für (?1cnicntarlc^rcr, ifcti^c üorivftrte fd)rci=
tcn unb fiel) Porbcrcitcnb mit bem ncueficn ©tanbpunttc ber bcutfc^cn ®prac^=
wiffenfc^aft bcfannt madjen wollen. 2. S^l.: aPcrtlt[)rc, SBortbilbung unb
9ted;tfc^rciblcljve. 6. Sfufl. gr. 8. XXIV u. 415 ©. Stuttgart, SJJiicfcn.
gf^. .,.,..:-.:..^ i-.: ,^i.:.^'l,i^ iu^ iii,u,d}/z 4. (2 fl. 30 Xx. xi).)
Sprachwissenschaft. — IX. Germanische Sprachen. 77
(Melrik).
fSflin^nti^, Dl-- 3of)5. , ßc^rbiidj btx tcutfdjm ^^rofobie u. COTctrif. Sflad)
neuen ®ninbfä^cn bcarb. jum ©tbraud) für UniocrrUatfU , ©tjmnuficn , SficaU
fc^uUn, ©eniinaricn, rric oud) jum eflb(luntcrrirf)t. 2. STuSö. gr. 8. VII[
u. 175 ©. ßtipjiij, 3:eubiur. ßct). Vz 4-
(Sprachdenkmäler).
Aihis und Prophilias. Weitere Bruchstücke, von Wilh. Grimm.
Gelesen in der Akademie der Wissenschaften zu IJerlin am 11. Miirz
1852. IG S. 4. geh. Göttingen, (Dieterich). 10 ngt
Bibliothek, der gesammlen deutschen National- Literatur. 1. Abth.
32. Bd. A. u. d. T.: Das Passional. Eine Legenden-Sammlung des
13. Jahrhunderts. Zum ersten Maie hrsg. n. m. e. Glossar versehen
T. Fr. Karl Köpke. gr. 8. XVI u. 820 S. Quedlinburg, Basse.
3% 4.; Velinp. i% 4.
— L Abth. 33. Bd. A. u. d. T.: Des Fürsten v. Rügen Wizläw's
des Vierten Sprüche und Lieder in niederdeutscher Sprache. Nebst
einigen kleinen niederdeutschen Gedichten: Herrn Eiken v. Rep-
göwe Klage, der Kranichs Hals und der Thiere Rath. Erläutert und
hrsg. V. Ludw. Ettmüller. gr. 8. 100 S. Ebd. % ^.; Velinp.
'/e-f- (1,1— 4b 5— 12. 13c— 33.11, 1-3. III, l.: 77 ^k; Velinp. 95.*$.)
Bnk^ dat, wichbelde recht. Das sächsische Weichbildrecht nach einer
Handschrift der königl. Bibliothek zu Berlin v, 1369 hrsg. v. Prof. Dr.
A. V. Daniels, gr. 8. VIII u. 71 S. Berlin, Th. Enslin. geh. n. 12ni|i:
Dichinng-en des deutschen Mittelalters. 8. Bd. A. u. d. T. : Hein-
rich v. Veldeke. Hrsg. v. Ludw. Ettmüller. gr. 8. XX u. 476
S. Leipzig, Göschen, geh. 1 4- (1~8-; '^ '^f- ^ W)
®tvmanitn^ Solfcrl^imincn , ©ammlutiij bcr bcutfc^cu 9}]imbartcn in X;idj=
tmujcn, ©agcn, 5}]ä[)rd}cn, 95olf81icbcrn k. .f>rSi3. ü. 3ol)f. 5JJatt!j. givs
menic^. 2. SBb. 9. ßfjj. ober 16. 8fi]. 4. ©. 657—736. Scrlin. ©djlc;
fin^crfc^e S3. gel;. ä n. Vz 4-
<BvOt^, ÄlaiiS, Ouicfborn. SSolfSlebcn in plattbfutft^cn ®ebid;tcn bitl)marfd)cr
gjlunfcart ncbft ©lofTar. SKit e. Sßor; u. giinrort com Dbcrconfifi.=9l. ^aüox
Dr. S^axmS in Äirl. 8. XIV u. 252 ®. |)amburo , 5)ert(;cS=33ef['cr unb
9[Raitfe. gct). n. 24 iijr.
Hag-en , Frdr. Heinr. v. d. , Nibelungen 22. Handschrift. Mit 1 lilh.
Schriftbilde, gr. 8. 16 S. Berlin, Dümmlcr's Verl. geh. n. 6 ngt
$eimat^$flänge* (Sine ©ommUing üon ©cMc^tm in ber SJ^unbart ber
5)cutfc^cn in 9tcrbböf)mcn n. ©c^Icfien. ■C'rßi]. ü. Dr. Sfnt. Sarifd). 16.
Vlll u. 100 S. Söirn. (ßnpjiij, -öübncr.) cart. n. 16 ngu
lleinKolein von Konstanz v. Frz. Pfeiffer, gr. 8. XVIII u.
150 S. Leipzig, T. O. Weigel. geh. n. 1 4.
|lepp<^^ H. , reliquiae interprelationis evangeliorum germanicae, 10 S.
4. Ind. lect. Marburg.
Stivdfett- tl» tcttgiöfc Siitbct ans bcm 12. bis 15. 3a()rt)unbcrt. 3;(}ci(5
Ufbfrfc|ungen lotrin. Äirc^cnt;t)mncn [in. bcm latcin. Scyt] , tljcilß Original:
lieber, Qu8 |)Qnfcfd.)riftcn bcr f. t. .f)cfbibliotI}eE ?ii SBicn jiim crficn 5D?ale
^rSg. 0. ©i;mn.4^rof. 3of. il'c[;rcin. gr. 8. XX u. 288 ©. gjabtrbcrn,
@d)5ningl). ge^. n. IV3 4
Eiiedcr Muskatblut's erster Druck besorgt von Dr. E. v. Groote.
gr. 8. XVIII u. 358 S. Cöln, Du Mont-Schauberg. geh. n. 1% 4.
mönnich, Dr. W. B. , Nibelungen- u. Kudrun-Lieder f. Schulen aus-
1! gewählt u. nebst Formenlehre, Wörterbuch u. einigen Golhischen u.
Allhochdeutschen Sprachproben hrsg. gr. 8. XI u. 232 S. Stuttgart,
5. G. Liesching. geh. n. 24 ngt (1 fl. 12 Xr. rh.)
&t^auipnU b. SDütteialtcrS. Sfuö .§anbf^riften t;r5g. u. creiärt ü. g. 3.
78 Sprachwissenschaft. — IX. Germanische Sprachen.
gjJone. 2 ffibe. Sf?a« Sfußg. flr. 8. XVIII u. 770 ©. £01annf)cim,
S3cn9{)einicr. gc£). 3 ■^.
&t!^nabtv^üpfttn, 150, aus t)cm ba^mfc^cn §od)tanbc. 3n 3 STOt^Ign.
12. 24 ®. SfugSburg, 3aquet. gct). 3 nijt (9 Xx. rl;.)
Terbrüderungrs-Buch, das, d. Stiftes S. Peter zu Salzburg aus dem
8. bis 13. Jahrh. mit Erläutergn, v. T h. G. v. Karajan. Mit 2 lilh.
Taf. Schriftproben. Imp.-Fol. LXX u. 64 S. Wien , Braumüller in
Comm. geh. n. 4 ■^.
SSßlHUtbtt, bcutfc^c. ©efnmmclt w. ®eo. ® d)etcr. 2. Stufl. 16. 412
@. mit l (Stüt)lfl. ßcipäiö, ®. SDlai;cr. Qe\). V+ ^.j in engl. dxnb. mit
©olbfc^n. 1 4.
^Olcfmar^ Dr. 2B. , jtriJlf (S{)orüIe in bcr Urform au& btm 1. 3a^tt). bcr
SlcformQtion. 8. 8 ®. .f)omberg. ((Eafyct,_3. ®. gucfljarbt.) n. 1 ngr.
Wackernag'el, Wilh., das Bischofs u. Dienstmannenrecht v. Basel in
deutscher Aufzeichnung d. XIII. Jahrhunderts, gr. 4. 43 S. Basel,
Schweighauser. geh. n. 18 ngt (1 fl. rb.)
2. Angelsächsische und englische Sprache.
a. Angelsächsisch.
Caedmon's des Angelsachsen biblische Dichtungen. Hrsg. v. K. W.
Bouterwek. 2. Thl. A. u. d. T. : Ein angelsächsisches Glossar v.
K. W. Bouterwck. gr. 8. XXV u. 393 S. Elberfeld, Bädeker.
geh. n. 2%^.; Velinp. n. 4 4. (cplt.: n. 4 ^.; Velinp. n. G 4.)
b. Englisch.
(Littcraturgeschichte.)
Boltz, Lehr. Dr. Aug., u. Gymn.-Lehr. Dr. Herrn. Franz, Handbuch
der englischen Literatur, Für Freunde der engl. Sprache u. höhere
Unterrichts - Anstalten bearb. 2 Thie. Lex.-8. Berlin , G. Reimer,
geh. ä 27V2 W
^lelittg, Srbr. SK., ©nglanb'ö f)iporifd}c Siteratur feit bcn legten fünf 3al)s
rni. SJJit e. complctircnbcn Slnf^Iup an bic fvü{)crcn ^fiträumc. ©iippl. ju
wSnglanb'S ©cfdjic^tgfc^rcibcr." gr. 8. 4d <B. Berlin, ^&crbig. gcf). IIV4 W
Guizot, Shakespeare et son temps, elude littöraire. 28 Bog. 8. Paris,
Didier. 5 fr.
ShaUespeare and bis Times. By M. Guizot. 8vo.pp. 432, cl. 14 s.
tSpicrSi, A., etude des prosaleurs anglais de la revolulion de 1688 et
du regne de la reine Anne, ranges par ordre chronologique. I2V2
Bog. 12. Paris, Baudry. 2Vz f«".
(Lexicographie.)
Boag*, J. , imperial lexicon of the english language. Vol. 1. Royal 8.
London. 18 s.
Craig:., J. , a diclionary of the english language. New edition. 2 vols.
Royal 8. London. 2 1. 2 s.
Dictionnaire general anglais-francais , nouvelleraent redige etc. p. A.
Spiers. 5c ed. 46 Bog. Lex.-8. Paris, Baudry. TVa fr.
FlH§reI , Dr. Felix , a practical diclionary of the english and german
languagcs in 2 parts. Part IL: German and english. — ^raftifd)c5
enölifc^=!DcutfcbcS imb S)attfc^:6-n9lifd)c6 SBörtcrbu* in 2 S^tn. S:t)I. IL:
S;cutfci;=6-nglif4 Scarb. imtcr «mitivirfö. tJon Gonfut Dr. 3. &. g lüget.
Sprachwissenschaft. — IX. Gerinanlschc Sprachen. 79
4. 8fö. ©c^lup. gr. 8. XXXII e. ti. ©. 721 — 1 184. ßcipjii^. ■'ganu
burfl, 5mcif?ner. flct). iv^ 4. (epit. 5 «f.)
James, \V illiam, a complclc diciionary ol' tlic cnglish and geiman lan-
guages for gcnoral usc. Compilcd wilh espi'cial regard to ihc cluci-
dation of modern lilcratnro ; the pronunciation and acconliia(ion after
ihe principles of Walker and Hcinsius. 6. Stcr. Edition. 2 Paris.
English and gcrman. — (ierman and english. ffioüftäubiijcß SBcrtcrlnirf)
ber cnj^lifdjcn ti. bcutfdjcn Sprad^e f. alle ©tüiibc. 6. (5tcr.:Sfii6(]. 2 Zi)k.
enolifci} u. ©cutfrf). — S^cutfd} 11. (fiisjlifc^ 8. X u. 879 S. "ßcipjiij, Sß.
3:aud}iii|. cjcl;. IV3 *^.
Webster, Noah, diciionary of the english language. New edition, re~
vised and enlarged , by Chauncy A. (iodrich. Royal 8. pp. 1289, cl. l6s.
Will, C. , diciionary of tlie english and german languages. Carcfully
correclcd and augincnted , the irregulär parls of the english verbs in-
serted in their proper places , together wilh a concise account of the
healhen deilies, etc. And a Supplement, cont. the varialions of ihe
german irregulär verbs, simple and Compound. 3. Sler. edition. gr. 16.
IV u. 980 S. Frankfort o. M., Brönner. geh. n. l ^. (1 fl. 48 Xr. rh.)
Williams, Frank, a new pocket-dictionary of the english and german
languages wilh a pronunciation of the english pari in german charac-
ters and nunierous american words and terms. 3. Ster.-edition. 2
Parts. English and German. — German and english. — ?icuc6 Xa^
fd)en;S[Börtt'rtnid) bcr ©iijjUfdjcn iinb Sciitfairn Spradjc ;c. 3. Stcr.^SfuSg.
2 Z^U. IG. VIII u. 682 ©. a3raun[d]trci^l , SBcftcrmann. c^el). 26 113:.;
ijfl). 1 S. 6 n^i;
(Grammatik und Unlerrichtsschriften).
5fI6«e«^t'«, Sfug. , cnalifd)cr ^oliiutfcfier, cbcr grünbl. 23elc()riiiuj, fcic rn^I.
(Spradjc nad) einer ki(^tfafl. unb fdjncllcn 9J?rt()cbc ohne Sdjrcr ju erlernen.
9?cbft e. "iini)., entf). prnct. STctijcn f. baS JPcbürfnip bcr JfuStranbcrcr. ß-iu
^ilfSbud) f. SCuSmanbcrcr naij Slmerifa u. ^fuflralien. 4. l'fufl., mit ben 33ir-
md)xc\n. ü. 5f. D. eben. 16. 238©. üem^, 9:Jatf[;e^. cart. 12 iiJii;
^mctifancv, ber neue, ober bie Äunft bie cnglifc^e (3prad}e oi)nc 2cl;rer in
fürjeflcr ^Jeit ju erlernen, dm treuer 3ffatf)>icber f. Sfugiranfccrcr na<b Sfme*
rifa K. »jr. 16. 120 <B. Störblingcn, ffiecf. qei). Ve »#. (18 Jr. r(;.)
fSa^fettfiUe , Sflfr. , cnglifc^cS ßcfebud) f. Sfiifünjicr. SlJJit (?rläuterun.jfn u.
c. ooUf^änb. SSi3rtcrbu^, ivorin bie 2fugfprad}c burd; bcutfc^c 23ud)fiabcn ijenaii
angegeben roirb. 3um ©(^uU u. ^ripatgcbraui^. gr. 8. XIII it. 192 ©.
Clbenbitrg, ©taUing. geb. V2 ^^
f8tf}ni^, 8c^r. Dr., English made easy. ^raflifc^er 8e(;rgang jur lcid)tcu
u. fd)ueUen (Erlernung ber engl, ©proc^c. 1. (SurfiiS. 7. ptrb. u. Perm. Sfiifl.
gr. 8. IV u. 140 @. SreMaa, Äern. geb. V3 4>.
^eVQ, ©• »an ben, praftifc^c englifc^c ©pradjlel)re f. ©djulcn ii. junt ©elbfl^
iintcrridjt. 6. pcrb. u. Perm. Sfuflagc, burc^gtlicnbö mit ber ?fu6fprat^c nad)
5Balfer Perfc()cn. 8. IV u. 342 ©. ^ambur>i, ©cliubert^ u. (Sl\ geb. I ^i.
— praftifdjer Seljrgang jur fc^ncüen u. leichten (Erlernung ber cnglifdjcn ©pradie.
^aäi Sfdn^ö Sctjrgnng beS granäbfifdien. I. GurfuS. 6. «fufl. gr. 8. IV
u. 139 ©. .f)amburg, Zf). Sftiemet}cr. gel;. 9 ngi;
— ©c^liiffel bajii. 1. (Surfu?. gr. 8. 32 <B. db^. gel). 6 ii.]r
fSibliOt^ef , Oülipaubigc faufnuinnifdie, im 33ereine mit 9[Jtcl)rcreu l)r6g. Pcii
Dr. gr. 21 (}n. 13. u. 14. §ft. SL u. b. S.: (Jnglifc^e -^iniibflötorrefpoür
tenj mit beigefügter llebcrfe^g. aller in ben 33riefen Porfommenben fdnvierigcn
SBÖrter u. StuSbrücfc Don Dr. g r. Slljn. 2. Perm. u. Perb. 5fufl. 8. V!I
u. 17.5 ®. Seipjtg, @. .0. 9J?(il)er. gel). V2 x^.
Bromby, C. II., History and (irammar of ihe english Language. 4lh
edil. l2mo. clolh 2 s. 6 d.
fSuv^^atbt, &. g., u. Dr. Z. 5OT. ^Oft, au§fiil)rli^e6 t(jeordi[d)=praffi:
U
CO Spracliwisscnscliaft — IX. Gcrinaiilsebc Sprachen.
fcf)f5 8c{)rbu^ bcr cnglij'djcn ©pradjc. 3n 2 23^11. 4. burd)i)r()ciibS üerb. ii.
pnvt uerm. Sfufl. 1. S?b- Sf. u. b. SE.: SIu6fül;rlidje tl)cor(tifd)--praftifd)c
emjlifd^E @prac^lcf)rc5 für oOcrc Älafffn u. reifere ©^ülcr. 4. burc^ijef;eiibe
uerb. u. fiarE Perm. Sfuf[. gr. 8. XII u. 431 @. ?cipjii), Sfmclana'6 SScrl.
gel;. 1% 4^.
&0nnS)t, 3amc6 , 8ef)r= ii. Scfebtid} bcr eiujlilc^cn ©pratt}c äitm ©cbrauc^ in
©c^ulcn iinb beim @cU'fluntcrrid)te. 1. ^i)\. 1(. u. b. SE. : ßctjrbui^ bcr
englifdien <5prad)e, iicbft Uebiiiiijcn jiim Uebcrfe^en crnS bem 5)eutfd)i'n in3
©nglifd}?. 8. VI it. 106 @. .^^cibtlbenj, t. SBinter. gc^. n. 8 iijc
— baffclbc. 2. 3!()I. Sf. u. b. S. : Lesebuch der englischen Sprache,
oder Muslerslücke zum Uebcrselzcn aus dem Englischen in's Deutsche
m. Worterklärungen. 8. VllI u. 245 S. Ebd. geh. n. 16 ngr
Croinbie, the Rev. Alex., the Etjmology and Syntax of English Lan-
guage explained and illustraled. 7lh edit. 8vo. pp. 311, clolh 7 s. 6 d.
S&alett/ Dr. 6. »an, SfuSjug fliiS ber cnglifd)cn gonnrnIet)rc. 2lnf)ang ju bem
l^curifi. ©tcmcntarbud^e. gr. 8. 16 ©. (S'rfurt, ffiillarct. n. 2 iigt
^elmetid^ev, uollflanbiger beutfc^-cnglifc^cr. (Sin praft. inilfJbud} jur leid);
teren Erlernung bcr cnglifc^en UnigangSfprndic junad^fi f. SriiSii''anbi'rer naä)
SRorbfimcrifa beflimmt. 16. IV u. 138 B. Hamburg , @. 2B. 9tiemet)cr.
gc(;. % 4.
iBfman, 5(. SB., ©ngelfE ©rammatif nteb ©frif=öfningar. 98 ®. 8. ©totf;
l)o\m, aSerfman. 1 9lbr.
^ttttiU, ®. , ßeljrbuc^ bcr cnglifd;cn ©pradic beficljcnb crnS e. Heiner @ram=
matif II. ßefeiibungen m. 3ntcrlincar;Ucbfrfc^ung u. 3eid}fn jiir Ici^tern @r=
Icrng. ber SfiiSlpradjc. 1. Sfbtf;.: ©raniniatif. 2. [c(;t ücrb. »fuf(. 12. XII
u. 188 ®. SQUiu^cn, ^franj. gel}. V3 4-
^CUct, S)ir. Dr. g. @., Excrcises on the genius of the english language.
@in ÜcbiingSbiic^ f. IjLUjcrc ©diulflaffcn u. jur fclbflänb gcrtbilbung nad;
gcnolfcnem Unterricht. 2. ücrb. u. Perm. Sfiift. 8. 286 ©. ßdpjig, 58aiim=
giirtner. ge(j. 18 uiju
— flebungebuc^ f. S)cutfc^=Gng(if($c -g)anbcl6=(5orrcfpcnben,v (S"inc ©annnlung
öon 20 ©crien über jnfammenbängcnbe ©efc^aftc. gr. 8. VII u. 176 <B.
ebb. ge^. ' % 4.
gtcf, -^-^vof. Dr. 2t>l). &)xr\. , tf)eorctifd)=praftifd)e SJntreifung jiir leichtern er=
lernung ber (Snglifd}cn ©pracbe. 1. 3:()I. 21. u. b. S;. : ^^raftifc^e ®ngli:
fdje ®prad)le^re für Seutfdje beiberlei ©cfc^lcd)t?. 9ui6 ber in 5Jteibinget'ö
fran^öf. ©ramnuitif befolgten ?JJttt)obe u. nad) ©tjeriban'ß u. 500(^^6 ©runbs
fä^en ber reinem ?{u6fprnd)e bcarb. 23. Sfufl. , befcrgt u. ni. bcr neuen Sfc=
ccntualion nad; -2SalFer§ ©runbfiil^en perfeljen ü. Dr. |)einr. giif. gr. 8.
XII u. 320 ®. m 1 Sab. in qu. gol. ©rlangeu , |)alm u. (gnfe. gel).
% ^. (1 fl. rl).)
— baffelbe. 2. %{){. §(. « b. <?.: englif(^e8 Sefebu*, ober aueerlefenc
©ammlung ü. Sluffä^en awB bcn beficn @nglifd)cn ®c^rift|leUern ni. richtiger
Sfccentuaticn jcbeö SBorteS unb barunter gcfc(5fer l'fuSfprac^e nac^ 5öalfcr u.
Sf. eine braud)bare Zugabe f. jcbe ©ngl. ©pradjletjre. 10. ganj umgcnrb.
Dcrm. u. perb. Sfufl. ü. Dr. |)einr. girf. gr. 8. XVI u. 304 @. ni. 1
%ah. in qu. g-ol. ©bb. gel). 1 -#• (1 ff- 30 .Yr. rb.)
Flaxnian, Rob. , handbook of english and gorman conversalion or
complete instruclion for Gcrmans and Englishmen who wish lo express
themselves correctly in bolh ihose languages, being at the same tinie
a vadcmecum for Iravcllers. 3. Edition, accentuated throughoul, re-
yised and cnlarged. — J^ianbbud) ber englifcben u. bnitfdjcn Gonoirfaticn^:
fprnc^e. 3. burd}güngig aeccntuirtc, pcrb. u. üerm. ?iuf[. 8. XX u. 416 (2.
etuttgart, 9leff. gclj. % 4- (1 fl. 12 Ir. rlj.)
^lügel, Dr. (S. «f., bir üd}te flcinc englanber [Sfinerifaner], ober bie Jtunfi,
bie engl. (Sprache in ad)t Xac\m c()ne ßel)rer ridjtig lefcn , fdjrciben u. fpre=
i^eii ju leinen. iPiit beigefügter Sfuefpradie. 3. Sfufl. 16. 128 ®. .g^ain=
bürg , *5ercnbfc^n. gel;. ' 6 ngp
Spiacliwissenschafl. — IX. Germaiiisclie Spracheu. 81
^ÖliitiQ, weit. @»;mn.=^rüf. Dr. 3-, Sff)rtuic^ bcr Enijlif^fn (Sprache. 2. 3;(j(.
6. verb. Sfiifl. ?(. tt. b. S. : 8fl;rbiidö [. bcii nifTcnfd}aftIic^m Untfrridjt in
fcer ciiijl. gprad^e mit vielen Ucbiinijöfiüdfn jiun Ufbfr[i'(}cn an6 bnn S^ciit-
fdjen in baö (Snsjlifdjf. 6. »erb. Siu6ij. tjr. 8. X\IV i'i. 25G <S>. Sn'ilin,
St), ©n^lin. jjf';- "• ^ •^'
fj^tänfel, ©., II. t«. g. ^unfl^artt, «fnttiülotjie encjlifcfier ^'»rofaificn b.
18. u. 19. 3ü()r(jiintcrtö. .Cfutfc^ bcarb. aiC- .^anbluid) jiun Uebcrfc(5cn inS
6-n(]1ifd}f. ?icbp f. 5fnl). mig bciitfdjni Älaffiffin. ?cciic SdiSi). 12. MM
lt. 284 ®. JBcrlin, Jlleniann. gel;. n. V5 --r^.
^tie&Iättder, Setjr. 53f. SS., prattifd)c§ Sctjrbud) bcr enijUfdjen ®prod)e in 3
S^ln. @ntl)aUcnb: S3oll|lüubii}c , leidjt fapl. (.yrainmatif m. ja^lreidjen Sßeis
fpielen :c. STuei^ciraljIte (Iljrcflcniattjie bcr üorjiujlid^ftni cnijl. (Slaffiter, nctfl
8ittcratiir=(Scfd)id)tc. SfuSfiUjrlidjer, olpljabctifd} gfovbncfcr 5iad}irnö bcr gc;
brauci)lid)f^cn faufmünu. S(u6biücfe it. ^^(jrnfm ncbg eni)l. u. beutfc^cr Gor:
refponbcnj it. e. pcUf^iinb. engl. 23uc^fiil;rung. gr. 8. XI u. 595 ©. Äö=
nigSberg, ©anitcr. gel). n. 2 »f.
Caspey, Privatdoc. Dr. Thom., englische Conversalions-Grammatik zum
Schul- u. Privaluulerricht. Nach c. originellen u. fassl. Methode be-
erb. 2. verb. u. verni. Aufl. 8. XI u. 350 S. Heidelberg, J. üroos'
Verl. geb. n. 28 näc (1 fl. 36 Xr. rh.)
&UV^C, (Sd)ulPorf^c{)cr @. , praftifdjcr ßrljrgang jur leidjten it. grünblidjcii
Grlcrnung bcr cnglifc^cn Spmdjc, c. elementar. Sprrd;; it. (2prad;fd}ulc 1.
(iiirfuö 8. 144 <S. .£)nmburg, ilittler. gel). n. 9 ngr.
^ebttp, 3. 'S*./ prat'tiffc srniMiSning til Ijurtig og grunbig at larc bet engclffc
©prcg. «Dbcrf. af 9.\ 8. gjcitfd}. 222®. 8. SScrgen, ©icrtfcn. 72 p.
— praftifc^er Sel)rgaiig jitr fdjnellcn , leichten uiib griinblic^cn Grlenutng ber
englifd)en (5prad)e, nad) Dr. g. Sfl}n"6 befannter 8el)rmett;obe unter ^nnjufii;
gitng einer Purjen ©rammatif. giir bic 3iigcnb , a\6 aud} jum @dbiliintcr=
richte für @rtrad)fcnc unb rcrjüglid) für ®d)ulen it. 8el)r=3npitute. 3. ücvb.
Sfufl. gr. 8. VIII it. 190 ©. gSini, COTanj. gel). 181131-.
Hoo^el, J. B., Vorschule des Englischen. Elemcnlarmelhodische An-
leitung zur engl. Sprache u. Grammatik, gr. 8. VI u. 192 S. Wien,
Gerold, geh. n. 1 ^f.
^Orita^, 2B. , furje ft)nfi"atifd)e 8ef)re bcr cnglifdjcn ?fu6fprad)c unter Sßc-
gritnbitng ber 9tcgctn u. SfuSnaljincn burd) bcn ©cbanfen. 8cf)rbui$ f. 8if)rer
u. ©djülcr. gr. 8. VI u. 44 @. 5.kgefQd (ffircmcn , Äü^tmann u. 60.)
gel). n. 8 iiäc
X:amf>Ctt, ^Mof. Dr. (S. 8. be, üoüflänbige tl)füretifd)=praftifc^c ©rammnti!
ber cnglif^fit (2'prad)e f. bcn bffcntl. u. §.>ripatuiitcrrid)t. 2)urc^ geeignete 93ei=
fpicle erläutert mit 5ttl}lrcid)en Uebungcn begleitet unb nat^ e. bur^ bicljiiljr.
erfnbrung beirül^rtcn ©nfiemc bcarb. 8. XX u. 496 ©. Seipjig , S?.
Sauc^nil jun. 3n engl. Ginb. n. 1% >^-
JTIanitiuSi, Dr. H. A. , inslruction and recrealion , a selection of eng-
lish literature, collccted and arranged under proper heads for the use
of schools and pri^ale-sludy. The 2. edition, enlarged wilh an accurale
vocabularj, by the same author. gr. 8. X u. 289 S. Dresden, Ad-
ler u. Dielze. geh. 1 »^.
S^antll^etmer, -*^. , the perfect Speaker ober pollftiinb. .g»anbbuc^ ber 3bio=
tiömen u. gd^anerigfeiten bcr 3)eutfd)fn unb ®nglifd)cn ©pradjc, mit leidjtcn
u. mobcrnen ©ngl. u. S)cutfct)en ©efpriidjcn. 3um @^uU u. ^'»ripatgebrau^e.
1. 2:i)l. 16. VI u. 146 @. 2?onn, ^icnrl) u. (folgen, gel). 12 n9v:(24A"r. rl;.)
9^ap, ST., Sarcbof i engclfer ©prafet. ©jette Upplagan. 217 <B. 8. ©tecf=
^olm, SRorjlcbt od) @bncr. 40 ff.
— Defningar for OcfuHTfattning ifran Swenffa tili (fngclf^a, mcb Sfnmurf;
uingar od) Drbbof. 2. Upplagan. 135 ©. 8. dbb. _ 32 ff.
Mösch, Teacher Ferd. , the principles of english grammar designed for
the use of schools as well as for private learners. 1. Part. — ^ie
82 Sprachwissenschaft. — IX. Gcrinau Ische Sprachen.
©runbji'uH' bcr cnglifdjcn <Spra^lff)rc , jum ©ebrau^c f. Schuten u. ^rioaU
Unterricht. 1. Stjl. 8. VI u. 122 ®. ©^weinfurt, ©ie^lcr. cart. 12 ngt
9,}^ttn&e, Dr. 6arl, erfter Unterricht im Gn^lif^cn. Gin praft. ßcljrsjanö bic^
fer (Sprache, mit [ortjfiilt. S3crü(ffic^t. ber SfuSfprac^c, jum (Schulunterricht u.
©clbflftubium l)xß^. 2. Sfbtlj. 3. ücrb. STufl. flr. 8. VI u. 177 ©. 8eip=
äii), Sfrnolb. gc^. ^ % ^.
Ollendorff, Dr. H. G., nouvelle raelhode pour apprendre h lire, ä
ecrire et ä parier une langue en six mois, appliquee ä l'anglai«. Ou-
vrage entierenient neuf, ä l'usage de tous les elablissements d'instruc-
tion publics et parliculiers, de Tun et de l'autre sexe. Nouvelle edi-
lion augmenlee du complement de la conjugaison des verbes anglais
par M. Etin Celle. 8. VI u. 480 S. Francfort s. M., Jügel's Verl.
cart. 1 ^.
— la m^me. 2. Partie de l'edilion ä bon marche cont. le complement
de Touvrage ä partir de la 48. le^on. 8. S. 327 — 480. Le raÄme.
cart. • V3 4'
— Clef de la nouvelle methode pour apprendre ä lire , k ecrire et ä
parier une langue en six mois, appliquee ä l'anglais. 8. V u. 149 S.
Le möme. cart. I2V2 W
Pope, P., dialogues , as an assistance in acquiring the art of speaking
the english language. Wilh notes. 2. edition. 60 S. 8. Koppen-
hagen, Gjldendal. 24 Sk.
^Ovi^, ^fr. Dr. 3o{). Ä^rt, ber englifc^e ®pracf)meifler ober bie Äunft, )\a6)
einer ganj neuen unb 3ebirmann üirflanblidjen i?e^r= u. Scrnart in ivcnigcn
9Bod)fn englifc^ ^n fprccfeen, ä"ii^^d)ft f. beut[(^e 5fii6ivanberer au6 b. S3aucrn=
unb (Sciperbjlanb. 2. »Tufl. 8. 116 <B. Grlangcn, ^'»alm u. fönte, gcf).
n. 8 ngr (24 Ir. rl;.)
SRo^ettfott, S., r.eucr Seljrgang ber engli[d}en ©pradje nac^ c. neuen pratt.,
anah}t. , tl)ccrct., fpnttjet. 5:)U'tl)obe. giir bcn ®ct)ul=, ^ritat; u. Selbftun=
tcrrii^t K. uüc^ bcr 6. Dvig.:S(ufl. jum ©ebrau^ für S)eutfd)e bearb. ü. Dr.
5fUi). Solt 2. u. 3. Sl)l 8. 332 ®. ffierlin, 6. ©c^ul|e'§ S^uc^br. gel;.
Ä n. V2 4-
Rog^d, Peter Mark, Thesaurus of English Words and Phrases, Clas-
sified and Arranged so as to Facilitate the Expression of Ideas and
Assist in Literarj Composition. 8vo. pp. 442, cloth 14 s.
Sadlcr, P., grammaire pratique de la langue anglaise. lOe ed. 18 Bog.
12. Paris, Truchy. 2^^ fr-
@<^Ottf 9, Set)r. Dr. ^. , cnglifdjeß Ucbung8= u. Sefebucf) f. ben erftcn (SurfuS
ober praft. Sljcit ju ber engl. ©rammatiE. 2. oerb. u. burcf) e. 2fnl). t). Ucs
bungen für bcn 2. (Surfuö Perm. Sfufl. gr. 8. VI u, 230 <3. fflreSlau,
Srewenbt ii. ©ranier. gel;. 1/2 »fs,
^itnott , öcuiS, 8cl;rbud) ber englifcften (gpradjc nnc^ 9lobertfon"ö 9J2etl)übc.
1. gurfuß. gut Slnfängcr. gr. 8. VIII u. 192 @. ßcip^ig, 33aumgärt:
ner. gel). _ V2 4'-
— Taschenbuch der Handelscorrcspondenz. Mit Anmerkgn. u. Wort-
erklärgn. zum Selbstunterricht, so wie f. Schulen u. Comptoire bearb.
In 2 Abthign. 1. Abth. : Die Handelscorrcspondenz in deutscher u.
englischer Sprache. 2 Thle. br. 8. Leipzig, Spamer. geh. ^Yj^ *^.
fS&^pte , 3., tl;coretifc^:praftifd)e Slnleitung jur fc^netlen (Erlernung ber cngli=
fc^en @prad)e in c. neuen unb fa^lid}eren S)arfieUung ber auf it)rc richtigen
unb einfac^l^en ©runbfä^e jurüdiefUbrten Siegeln mit crläuternben S?eifpiflen.
3n 2 S^ln. in 1 ©b. gr. 8. VIII u. 344 ©. Äöln, g. S. ©ifen. gel).
n. IV2 4.
fGßtittg, Dr., neuefle englifc^e ©prac^Uljre, ober fc^nellflc u. türjefle Slrt eng:
lifc^ ju lernen, gür (S(^ule u. |)auS. 1. 8el)rEurfuö. 8. 44 ®. jdopou 2
in qu. gr. 4. 3ena, (©cebereiner.) gel;. n. y, 4,
Sprachwissenschaft. — IX. GcrmaulscLc Sprachen. 83
(In Deulsohland gedruckte Ausgaben englischer Autoren).
ColIec<ion of british aulhors. Copyright edition for conlinenlal cir-
culalion. Vol. 223. 231-236. 238-250. gr. 16. Leipzig, B. Tauth-
nitz jun. ä n. Vz «f- Inhalt:
(Bill HCl-, Sir Eilw. I-yt(oii,) iiiy novcl , or varlctics iu eiiglUk lilc. Hv risislr«-
tiis Caxloii. Vol. III.
Die kons, eil., lileak liotisc. Vol. H. 5 >rS.
— Lotiscliold words. Vol. 13 — IG.
LcTCr, eil., the Daltons or tlirce ro.id.s in lifc 4 Vols.
(Marcli. , Mrs. ,) Eniilia Wjnaiiani. 'J Vols.
— • caülle Avon. '2 Vols.
Stowe, Harrict Becc:!icr , iinclc Tom's cabiii. Wilh n piet'acc cijiicsslj writlcii
for tliis eititioQ. — Vols.
(Tliackeray, %V. M.,) tlic bislory of Hciirv Eiliuonil E.sq. coloiicl in Ibe Ser-
vice of licr Maj. Q. Anne. Writtcn b> biinself. 2 Vols.
Warburion, Eliot, the crescent and tlic cross ; or roinance and realilics of ea-
stern Iravcl. 4 Vols.
Elze^ Karl, englischer Liederschatz aus englischen u. amerikanischen
Dichtern vorzugsweise d. XIX. Jahrhunderts. Mit Nachrichten üb. die
Verfasser. 2. verb. u. verm. Aufl. 8. XVI u. 452 S. Dessau, Katz.
In engl. Einb. IV2 4.
Hainblin , Thos., the lily of the valley. Poetry and prose. gr. 8. V
u. 105 S. Bremen, (Löning et Co.) geh. n. 18 ii^t
lilbrary., liltle english, or selection of the best modern writings ada-
pted for childhood and youth. Followed by a series of questions to
be answered by the pupil. By James M'Lean. Vol. 4.: Four of
my uncle's fireside tales, By Ben Hook, 16. 83 S. Leipzig, Baum-
; gärtner. geh. Ve 4-
— Vol. 5.: Twelve interesling lales by Roh. Hoist. 16. 119 S.
The same. geh. 6 ngt (1—5.: 1 «^ 4V2 ngr).
^Jtoove, Sf)om., u. 8orb iS^tOtt, ©ii^tuiijjcu. 3n ^cutfc^cr Ucbcrffluiuj m.
gegenübcrgtbrucftem Drigiual. 16. III. u. 107 @. öcipäig, S3rccfl)niiS gel).
n. 2/j 4'- in '■"fll- ©iiil'- 111- (äolbft^n. n. 24 iigr.
Percy, Stephen, Tales of the kings of England. 2 Bdchn. bis auf un-
sere Tage reichend. Mit Anmerkgn. v. W. Helm. gr. 10. 221 S.
Darmstadl, Beyerle. cart. n. V2 4- (^8 Xr. rh.) (cplt. 2772 iigt —
1 Fl. 33 Xr. rh.)
Rose, ihisUe and shamrock, the. A selection of english poe-
Iry, chiefly modern. By Ferd. Freiligrath. 16. XXVIII u. 638 S.
Stuttgart, Ed. Hallberger. In engl. Einb. m. Goldschn.
2 4. (3 Fl. 30 Xr. rh.)
^^af^peutt^^ bramatifc^c 3Bcrfc übcrf. ton 5fug. SffiiK;. t>. ©djlegel u.
ßubir. Xitd. 4. Octao=S£uSg. 6-12. S3b. 8. Scrlin, @. 3fteimcr.
gel). n. ä % 4. cplt. n. 6 ,^.
Sheridan, R. B., Ihe rivals. A comedy. SJJit 9Bcrt= u. ©ad)crflürun=
gen jum ©c^iil: u. »priüatgcbraud) l;rSg. ü. 9t eginalb SOiiller. 8. IV
u. 87 (3. Leipzig, Renger. geh. Y^ ^.
Xheatre, the modern english comic. With notcs in german by Dr.
A. Diezman. Serie IV. Vol. 11. and 12. 16. Leipsig, Härtung,
geb. ä 3V+ ngu
Inbalt: 11. Allow nie to apologize. A farce in one act. B\ J. P. W o 0 1 c r,
Esq. 32 S. 12.— rlutonic atlac'liincnls. An original farce in one act. By Bayle
Bernard. 39 S.
^'olff, Prof. Dr. O. L. B., Hausschatz englischer Poesie. Auswahl aus
den Werken der bedeutendsten englischen Dichter v. Chaucer bis auf
die neueste Zeit in chronolog. Ordnung begleitet v. biograph. u. lite-
rar, Einleitungen. Für Freunde engl. Literatur, wie f. Lehranstalten.
84 Spracliwlssenscliaft. — IX. Gcnnanlsclic Sprachen.
3. sehr vcrm. u. verb. Aufl. Hrsg. t. Dr. H. A. Manitius. gr. 8-
XXVIII u. 399 S. Leipzig, Coslenoble. geh. l ^.; geb. n. IV3 x^-
3. Altiiiederländlscli. Ilolländiscli. Flamländlscli.
Visscher , Prof. L. G., belmople geschiedenis der Nederlandsche Let-
lerkunde. 2e deel, le stuk. Utrecht, Dannenfelser en Doorman. 1 Fl.
Jonchbloet, W. J. A., geschiedenis der midden-nederlandsche dicht-
kunst. 2e deel, 478 S. gr. 8. Amsterdam, P. N. v. Kampen. Sub-
script.-Pr. 5 fl.
Cahour, A. , Balduinus van Conslantinopelen , kronyk van Belgie en
van Fraukrj-k in 1225. 348 S. 8. Tournai 15 113:.
Conscience, H., geschiedenis van Graef Hugo van Craenhove en van
zjnen vriend Abulfargus. Historische lafereelen uit de XlVe eeuw ;
niet vier plalen. 2. Ausg. 176 S. 12. Anvers. 20 iigi:
Schrant, J. M., Oud-Ne^rlandsch rijm en onrijni. 278 S. 8. Lei-
den, C. V. d. Hoek. IVzA. ,
Stroosnyder , Jan, vlaemschen dichter uit de 16e eeuw. Twee re- I
fereinen, belrekkelyk de geschiedenis van Leuven, heruitgegeven door
Edw. Van Ewen. 8. X u. 92 S. Löwen.
Werlicn , uilgegeven door de verceniging ter bevordering der oude
Nederlandsche letlerkunde, 5e jaarg. 4e afl. Jacob van Maarlanl,
Sinte Franciscus leven. Inleiding, verbeteringen , aanteekeningen ea j
woordenlijst. XII u. 99 S. gr. 8. Leiden, D. du Mortier en Zon. — 1
Subscr.-Pr. des Jahrg. ' fl. 8,22. 1
Bomhoffc, D,, nieuw groot woordenboek der nederlandsche taal. Vol-
gens de laatste en beste bronnen bewerkt. le afl. 48 S. gr, 8.
Voorburg, Broedelet. Ys fl.
Jünlderi, G. C. , nederlandsche spraakleer. Een Vervolg op de nederl.
spraakkuiist voor schoolgebruik. 375 S. Nijmegen, Thieme. 2% fl.
üipnttfelb, ?., ^anbbuc^ jur (Srlcrmiii^ bcv IjotlanDifdjcii J^anbcl5correfpon=
tfiij, nct'll bcn nötljigen Sfnnurhmtjcn u. (Sammlung ber gcbriuid^üc^flen
gormularc K. gr. 8. XVI u. 1'28 <S. iBrnmn,_ @(\BUx. gel}. ^ V2 4-
Iförterbuch , neues holländisch-deutsches, in möglichster Vollstän-
digkeit, bearb, v. e. Lehrer der deutschen u. holländ. Sprache, rev. u.
ergänzt durch Gymn.-Oberlehr. Dr. Ludw. Tross u. Prov. - Steuer-
Secr. Gfried. Orerman. Lex. -8. VIII u. 136U S. Emmerich,
Komen. geb. n. 3V3 4'
Heers, J. van, nederduitsche sprackleer, naer de beste bronnen be-
werku 237 S. 8. Anvers. 1 »f , 5 1131:
4. Altnordisch. Schwedisch.
Holmboe, Prof. Chr. Andr., det norske Sprog vajsentligste Ordfor-
raad, sammenlignet med Sanskrit og andre Sprog af samme Aet. Bi-
drag lil en norsk eljmologisk Ordbog. gr. 4. XX u. 496 S. Wien.
Leipzig, Kummer in Comm. geh. n. SVj »^
nöbiiis, Dr. Th. , über die ältere Isländische Sage. Eine Leipziger
Habilitationsschrift. 92 S. gr. 8.
&amUnQ(it lUgifua of eircnffa gcvii[frift^(2iUlftapit. gierte ©den. I^iift. 5.
Sprachwlssensoliaft. — X. ßoinanisclie Sprachen. 85
m lyörnfnjcnfn Scgenbarhim. 33(inb 1. .§. 5. (3. 705-917. 8. &cd^
l)olm, gtorf^cbt od; ©ßner. 2 Slbr. 1'2 ff.
fSvbbof l^fivcr ©tvcuffa ®praM. »Tf Sf. g. 3:)alin. 12. p^ 13. .Däftma.
®. 5'29— 624. 4. Stocfl^olm, *Sfcfmaii. ©ubfcriptionöprciS l JRbr.
&ttÖnt1>0VQ , ^- , ©UH-nff ©prafUira, iiub Sfffccnbc pa ©prnfcti^ -Oiporiffa
lUuH'cfliiiii upptajonbc afirni jjotiffan, foriinorffau od) fornfiiH'iiffau i 3nnfbrdfc
inrö be ©iinnffa ganbffnpSmalcii. XVI u. 196 ®. 8. ©todljclm, ^Oacj};
flröm. 1 3ibr. 24 ff.
@tt>ettffa ©prafdS Sncjar. itritift Srf(;anbling of 3. Gr. 3tt;bqivifl. g^örfie
Sanbct. (gortfättiiini] cd) @(ut.). ©. 305-509. 8. ©tcdijclm , SSccf-
mon. 2 3ibr.
X. Roinanlsclie Spraclien.
JOicj, S^'^i^-» 3^^'fi Qltromanifc^c ©tbi^tc bcrid)tii)t u. crfKirf. flv. 8. 58 ©.
S?onn, 5öcbcr. ijcl). Vz »^•
lleyse, Paul., studia romanensia. Particula I. Disserlalio inauguralis.
gr. 8. 48 S. Bcrolini, (Hertz.) geh. banr n. 8 1131
1. Französlscli.
(Litteralurgesehichle.)
Corneille and his Times. By M. Guizot. 8vo. pp. 484. cloth 14 s.
Geriisex, E. , histoire de la litterature franpaise du moyen äge, aux
temps modernes. 34V2 Bog. 8. Paris, Delalain. TYg fr.
Ijivct, Ch. L., 6ludes sur la litLeralurc frangaise ä l'epoque de Riche-
lieu et Mazarin. I. Bois-Robert. 3 Bog. 8- Paris, Techener.
Roche, A., les prosateurs franrais. Recueil de morceaux clioisis dans
les nieilleurs prosaleurs depuis l'origine de la litlerature franfaise jus-
qu'ä nos jours, avcc une nolice biographique et crilique sur chaquu
auteur. 3e ed. le partie. 10 Bog. 18. Paris, Borrani et Droz.
(Lexicographie.)
DicHonnairc classique de la langue francaise etc. Exlrait du grand
dictionnaire, p. Nap. Landais. Nouvelle ed. 38V2 Bog. 8. Paris,
Didier. 4 i'r.
— nouveau, franrais etc. p. George. 21 Bog. 18. Paris, Fourant. 2^''4 fr.
Jong'las, L., en C Vandevyver, nieuw vlaemsch-fransch zak-woor-
denboek, bevattende al de in beide lalen allgerneen aengenomen woor-
den. 12. 320 S. Gent. I8 n^u
niole, A., nouyeau dictionnaire francais-allemand et allemand-franfais
ä lusage de tous les etats. 2 Vols. II. Edition ster. A. s. le t.:
9?cuf6 SBörtcrbuc^ bcc frninöf. u. bcutfc^en ©pra^c jum ©cbraitd) f. alle
©tänbf. 2 Sljle. [g-raiijörtfd) ^bciitfc^. — ©ciitfc^ ^fraiijofd;.] 11, ©tcr.=
StuSg. gr. 8. X u. 1144 ©. öraunfc^wrig, Söeflcrmann. ge^.
2 ^.5 geb. 2V3 ^.
Planche, J., vocabulaire des latiiiismes de la langue frangaise emprun-
tes lilleralement de la langue laline. 2e ed. 8 Bog. Paris, Hachette.
^ice^, ®i)mn.=8c()r. Dr. garl, pelit vocabulaire. Äldiicö Bocabilbuc^ juin
2liiörofiibiijlcrncii f. sriifäiujrr in bcr franjüf. ©prad;c. 2. *.!fiifl. 8. 48 ©.
S?crün, .&crbi.j. c\d). 3 jiiji;
Poitcvin, P., dictionnaire de la langue frangaise. Glossaire raisonne
86 Sprachwissenschaft. — X. Romanische Sprachen.
de la langue ecrite et parl6e etc. Livr. 15—23. Lex.-8. Bruxelles.
Preis d. Lief. 5 njt
fücidttitv, SouiS, ncucflcg (s:omptcir=2c):icon ber teutfd)en u. franäofifc^fn
(gpradjc, entt). e. üoUf^ünb. Serminoloöic b. ^aiibclS, b. ©ccwcfenS u. in
9tcd)te m. (Srläuteruugcn. II. St;t. S)futf(^=franäb[i[^. 8. 254 ©. sjjürn;
Uxü, 8o|bccE. ge^. ä V2 4. (48 Jr. rt;.)
(Grammatik und Unterrichtsschriften.)
9Cbta^üm€, 5i. 6- 8., franff ©progtüre til ©fotfbnuj. 3. lltijaüc. 268 ®.
8. Äoppentiadcn, »f. %. .fioft. _ 1 9U'b. 32 ©f.
Ahn, F., Practica! and Easy Method of Learning the French Langua^c.
12mo cloth, 3 s. 6d.
9(lf}ttaftf ©t)mn.-5.>rof. Dr. %. X-». 3., franslftfdje ©rammatif nad) btr cal=
culircnbm 9JJct{)obc a\& Gntuncflung u. gcrtfe|unij [cincS Glcmeiitarlnid)f6 brr
fraiiäöf. @prad)c. gr. 8. IV. it. 224 ©. SÖ^ainj, t». äabcrn. jjcb.
% 4^. (54 Jr. rl;.)
Baiwir, J. J., nouvelle grammaire francaise, m^thodique, analysee et
raisonnee, fondee sur des principcs irrefragables et incontestables, ela-
blis par les auteurs Ics plus celcbres et par les meillcurs grammai-
ricns. gr. 8. X u. 739 S. Cologne, Bolb'g in Comm. geh. n. 1% >^.
Balsam, Conr. Chr. A., über den Gebrauch der Verneinungen im Fran-
zösischen. 16 S. 4. Progr. d. städt. (lymn. Liegnilz.
^avbicu^, ©t)mn. = ^'rof. -0., SfiitibarlmruS ber franjbfi[d)cn ©pradif, entt). :
bie beim granäöfifci^^Sprcc^m 11. ®d)rcibeu ü. S)cutfd}cn wie t». granjofeii
iinri^tiij gcbraud)tcn 5öbrtcr , SicbciiSartcu u. Sonpritctionm JC. 2. ßfji.
gr.S. ®. 129—256. granffurt a. «m., SSrönncr. gel;, ä n. löngt (54 .\'r. r^'.)
fSaUtn^atttn, ©tunn.^öetjr. 3., Gljrcftomatljic anS ber fronjcfifc^en Sittcratur
bcS 19. Salirt). f. bie ^-'^ri'"'^ "n ©pmnnfim u. ^o^crii S3tirijfrf(^ulen. 5fl§
Slnl;.: SffctiKn üb. bie bcbcutenbflen fran^bf. ©c^riftflcUcr b. 19 3rtt)rl;unbcrt3.
gr. 8. XII II. 299 ®. Soblfiij, |>ßlfcber. gc^. n. % «^
f&titut>ai^ , ß. Sf. , bie 5{nfang6{iriinbe ber frnn^bfifdjcn (Sprai^e f. bciitfd}c
Äinbcr. 1. (?ur[uS: SIu§fprad;c u. 8cfcn. 8. IV u. 64 @. Serlirt, 23ar-
tbct. cart. n. V« 4-
fSenttSt, ©i)mn.=8c()r. 5f(bert, fvanji^fifdic ©rammati! f. bie unteren ÄlafTcn
ü. ©Dmnafun u. giealfc^ulcn. 8. 'Vlll it. 128 ©'. ^otSbam, Dticgcffdic
33. geb. n. n. Vj ^f.
f&cvnbt , ßonrcctcr 3. 6. %. , franjöfifdic ©rammatiE u. Ucbunggbu^ f. Sfn=
fäusjcr. 8. IV. u. 70 ®. IPerlin, Siicolai. gel;. 6 iigu
Bescherelle, grammaire nationale ou grammaire de ^ oltaire, de Ra-
cine, de Bossuet etc., renfermant plus de cent mille exemples qui ser—
yent ä fonder les regles. 55 Bog. 8. Paris, Garnier freres. 8 fr.
ISt&IiOt^ef , ücUftdnbige faufmännifdje ^ im SBcrein mit 9}]cl)reren l)erait6ge:
geben üon Dr. g. STtjU. 1. u. 2. ^eft. 21. u. b. %.: 2?eiitfd)e ^»anbclSfor::
refponbenj m. franj. Ueberfe^ung aller in ben SPriefen üorfoniutcnben fd}aiievi=
gen Sßörter u. STuSbriicfe, ü. Dr. %. 21 ^n. 3. üerb. u. Perm. Slufl. 8. IV
lt. 198 3. öeipjig, (?. ^\ mawx'. V2 4.
f&OVt'xn^, 8. e., fvanof ©vommatif. Dttenbe llbgaüc. 210 ©. 8. S\cv-
pcnljagen, Sclbenfclbt. cart. BS Sf.
Büchner,, Karl, u. Frdr. Herrmann, Handbuch der neueren fran-
zösischen Sprache u. Literatur, od. Auswahl interessanter, chronolo-
gisch geordneter Stücke aus den besten neueren französ. Prosaisten
u. Dichtern, nebst Nachrichten v. den Verfassern u. ihren Werken.
Prosaischer Tbl. 4. Ausg. Neu bearb. u. hrsg. v. Prof. Frdr. Herr-
mann, gr. 8. XXVIH u. 608 S. Berlin, Duncker et Humblot. geh.
n. IV. 4-
CTaftreS, Dberlefir ©. S^. g. be, franjöfifdje Slnnierfungen jti 8. -fHrrig'S
Sprachwissenscliaft. — X. Romanische Spiaclicn. 87
STiifjatcn jiim Ueberfc^cn nuö bcm J)cutfdifn in taS i5ronjöfifrf;f. K IV
u. 39 ©. eibcrfilb, a^abcfcr. gd;. '/+ x^.
CoecItclberg:he-Du<aelo, CJiov. Louis de, tlid'orie compicte de la
prononciation d.^ la langne franrnisc, avec ses differentcs modificalions
dans l'ontroticn familior, le discoiirs d'apparat et les vers; fond^e sur
Ic bon nsage manifeste, les aiiloriiös les plus imposantes, et sur dos
prinripes feconds et incontcslables puisös dans la raison loglque, l'hl-
stoire et Ic gcnic de ia langue. 2 N oIs. Lcx.-8. X u. 478 S. Vienne,
(Leo.) geh. baar n. 'J'/, ^f.
Collmann, Gymn. - Lehr. Dr. K. , französisches Lesebuch. Zunächst
f. die obcrn Classen der (iymnasicn. gr. 8. \'IM u. 539 S. Marburg,
Elwcrl. geb. I 4. {{ Fl. 48 Xr. rb.).
C-Oursieri, Ed., manuel de la conversalion fran^aise et allemandc oti
instruclion complete pour ceux qni voulenl s'exprimcr correclement
et avec facilit6 dans les deu\ langues. Ouvrage servanl cn m6me
tomps de vade-mecum aux voyageurs. 12. Edition, revuc et augmcii-
lee. Avec unc preface par Ang. f. ewald. A. s. Ic t.: >f)anfclnicl) bcr
franjirfifdim u. bcutfctirn ßouücrfationefprarijc k. 12. rcrb. u. ferm. ?fufl.
8. XX XL 11. 463 (S. OTit b. Sfiifj.: Causeries Parisicnncs etc. Par
Prof. Dr. A. Pe schier. 5. Edition. XIV u. 110 S. etuttijarf, ??cff.
cji-f). _ _ % 4 (1 Sf. 12 Ir.jt).)
IPaudet, J., principe fondamental de la langue franfaise, pour servir d'in-
telligence ä Tclude de la grammaire. SVz Bog. 8. Paris, chez Tau-
leur, rue Monlniarlre, 32. 2 fr.
Degrang'CS, Edm., traite de corrcspondance commerciale. Traduit
du francais en allemand , avec texte en regard par C. FL Tcrne.
Preccd6 d'un avanl-propos de Fred. Noback. A. s. le l: granjL^fif^s
5^cutfdle .5antd6:(Jcmipcntfiij. ijr. 16. Vlli u. 755©: Üdpjis], O. ©U
gan&. gd;. n. ly, 4.^
in cni)l. ©inb. n. 1% ^
Detroit, Pastcur L. , möthode de leclurc franfaise par articulation et
pour l'usage ordinaire avec des morceaux choisis. 2. Edition. A. s.
Ic t.: grnnjöfifcficr 8cfcuntirrid)t \\<\6.) tcr ?nutirmctt)obc u sum gf\üiU;iil.
©cbraud) ni. ft;flcnintif(^ gccrbndcn 3t1rflü(fcn 2. «fufl. 8. XII u. 179®.
fvönijSbcVii, S^on'S Öfr(. gel). n. 8 iijjr.
Utibisc, Dr , a New Grammar of the Fronch Language. 2d edilion,
rimo. pp. 326, cloth. 4 s.
l'Kcbo de Paris. Eine Sammlung französ. Redensarten, welche im
geselligen Leben vorkommen, und die man täglich hören kann, wenn
man in Frankreich lebt. Nach M. Lepage f. Deutsche bearb. 3iif e.
aufs Neue vervollständigten Französisch-Deutschen Wörtcrbucbe über
die Wörter etc., welche in dem Werke vorkommen v. Dr. Ferd.
Fliessbach. 6. Aufl. 8. 252 S. Leipzig, Haendel. geh. % 4
Favre, Eug., et G. Fred. Reiss, manuel classique de la convcrsation
francaise et allemande. — .öanbtnic^ ter franjöfifdjcn u. bcutfdicn Um:
gnngefpradic. 12. 366 S. Geneve, Kessmann, geh, V2 *f>
^9tmtnlt^Vt , bie, bcr franjpfifd}cn Spradje. Ciinc nötfjige a?cii]abc 311 bm
S3üdiern f. 5f()n , Seibcnflirfcr u. (£inicn , Ijaiiptfädjlid) f. foldJc Sdiulanflal-
ten, in tcnm bicfc im ©cbroud) finb. 2. iinpcranb. Sfiifl. gr. 8. 15 S. 5f(=
tona, ?cmfu(}l 11. (5o. gef). 3 iigc
Fries, J. G. , phrasöologie franf aise-allemande, ou esprit de la conver-
salion dans les deux langues. 4. Edition , revue, corrigee et conside-
rablemont augmentee. — ^yranjoftfcli^bciitfc^c 5-'*l;raffol0ijie, cb. @igcnt[)üm=
lidjfdt bcr Conrcrfaticn in bdbcn ®prad)ni. 4. neu burdjgcfdi., Perm. u.
pcrb. Sfufl. 8. 186 S. CKülljaufcn im (?Ifap. granffurt ä. OT., S>m-
mtti&ji Scrt:». gr^. n. 16 i^r (56 Jfr. r^-.)
^Vinn^/ 8fl}f- 93^- 3., Uiif;tr ®cfpr;id)e f. ba§ gcfdlfi^aftlidje ßebm junger
ii:^äbd;en. 3iim Q5cbrau':^c in SL-diterfdjuIcn. 4. 2(ufl. »f. u. b. S.: Dia-
12
88 Sprachwisseiiscliaft. — X. Romanische Sprachen.
logues faciles pour la vie sociale de jeunes filles. 4. Edition. 8. 128
&tOVQ , Dr. 8v @(enifntar=©ramniatif bcr franäbfifd)cn ©protze , nebft ringt;
floc^tcncn 6onoer[atioii6=Uebuii9eii. ©ine praft. Stnldt^., bie franjöf. (gpröcfie
in furjcr 3fit ücr(^el)cn, [prec^cn u. [ct)rdbfn 511 lernen. 8. 314 @. (Sjfnf,
Äefmann. Qci). 7^ 4
©ifd^ig, ©t)mn.3^vof. 3of., neue gcnetifc^e 9}|ftf)obe. SerPoüfiänbigte u. ter:
cinfadjte franjofifc^c ©rammatit. (Sin ße^rbuc^ , bcf[en Siegeln fid^ oiif bie
bcflen ©d^riftflcUcr granfrei(^9 griinben : bcjliinmt jmn öffentl. u. ^^ripatiin=
terric^t. 2C. u. b. S.: Nouvelle melhode genelique. Grammaire fran-
faise, simplifiee , complele et cssentieilement pralique, ä l'usage des
Alleniands. 8. XXIV ii. 456 ©. SBien, ©crolb. gel). n. IV3 »f.
®ttt<i(tu, £)berlel)rer Dr., franjofifc^e Söcrter gcrmanifc^cn UrfpningcS. ^rcc
gr. b. griebr.=5Bill;. ec^ulc ja (Stettin.
&nÜQC, ßcljr. Dr. S. g., Uebungeaufgaben üb. eigentl;iimlid)c ffiJenbitngen bir
frciujijfifi^cn ©prndje b. geirbljnl. ficbenS, u. bie Stegein ber ©rammatif. 8.
VI. u. 122 ©. erfuTt. (peipjig, Söinter). ^ n. V5 4-
Cirnner, Fr., select specimens of german literature. Translated into
english by M. Thomas. Vol. 1. [Select specimens of german litera-
ture from nature and human life, a series of gradual exercises for
french translation. Published by Grüner, Eisenmann and Wil-
dermuth.l gr. 8. VIII u. 198 S. Stuttgart, Ebner et Seubert. geb.
n. 1 «f. (1 Fl. 36 Xr. rh.)
$aufc&tl&, ®t)mn.=©ir. Dr. (Srnj^ 3., Glemcntarbud) ber fronjöff^Kn Spradje
nnc^ ber calcuürcnben smetl;obc. 1. Äurfu5. 3. ^tufl. Qr. 8. 136 ®. ßcip»
}ig, Slenger. gel). 9 m]z
$ittett<ltt& , ßcl)r. 3. , ßeitfabcn beim Unterricht im i5''0"J'5fifc^en. fRai) ben
jeireiligen pfi;c^olog. a3ebiirfnifycn ber ©c^iiler pom 7. 3al)rc an georbnct.
1. ÄurfuS. 2. pore Perm. Sfiifl. gr. 8. 93 u. 4 lit^. <B. SO]aiuj, gober.
ge^. % 4. (27 Kx. rtj.)
— baffelbe. 5. u. 6. Äurfu6. Sf. u. b. S. : ^^rnftifdicr 8tt)rgang beim Unters
ri^t im gronjöftfc^cn f. bie SD^itteUlaffcn ber 9lfal[d)ulen, 11. ätinlidjen SfnftaU
ten. 2 Sljle. gr. 8. (Sbb. gel). ä % 4. (1 gl. 21 Xx. x\).)
— SfnU'itung jum ©ebraudje bcS Dbigen. 5. u. 6. ^eft: ©c^lüffel jitm 5. it.
6. Äurfu?. gr. 8. ä 43 ©. ©bb. ^^ .^f. (i8 Xx. xl).)
'^Ubae, 9lcltor 6., franjöfifc^e ©rammatit. ^tad) ber SDlet^cbe bcr Snterli;
ncariflcn bearb. 2. ücrb. u. Perm. STitfl. 8. XVI u. 432 ®. ffierlin,
SRicolai. getj. % 4.
JUi^ , 8ct>^- 3- ®- 1 nutl)obi[e^eö ßebr; u. ßefebud) jur grünblii^en (Sinfiiljrung
in bie franjbfifdjc ©pradje. UmfafCenb ©ronimatiE, grammat. Uebungen, 8cc=
tlire u. praft. Slntcitung jum ©pred^en u. ©c^rciben. gr. 8. XI II u. 355 ©.
ffiraunic^tvcig, SSietveg u. ©ot)n. gel). _ _ n. % j^.
l,ecturc dementaire et gradu6e ä l'usage des instituts d'educalion.
4 Edition revue, corrig6o et augmenlee. 8. VIII u. 109 S. Mayence,
Faber. geh. _ n. V, 4- (30 Xr. rh.)
I^homond, elemenls de la grammaire fran^aise. Revu et augmentö p.
Abel Robert. 5e ed. 13 Bog. 12. Paris, teuve Maire-Nyon. IVgfr.
liOhmann., Dr. C, der conversirende Franzose od. der sicherste Füh-
rer, die französ. Umgangs-Sprache, wie man sie in Frankreich spricht,
sich auf eine leichte Weise anzueignen. Abgefasst in 52 Abschnitten
m untergelegten Wörtern u. Redensarten etc. 2. verb. Ausg. hrsg. t.
Aug. Albrecht. 8. VI u. 20G S. Leipzig, C. L. Fritzsche. geh. Y2 .f-.
fiÜbe^inQ, ©9mn.=yrof. Dr. .^eint., fran}öfifd)eS öefcbiic^ f. untere 11. niitt;
lere ÄlajTcn. SJtit 2lnmcrEgn. u. e. üoUflünb. Söbrterbuc^e. 2. »erb. SfufT.
gr. 8. XII. u. 241 ©. SD^ainj, Äunje. V2 4-
^aittt, 5)ir. ß. ST., üereinfac^fe ßetjrrgjJet^obe ber franjöfifc^en ©pro^e, übcrf.
u. .^opm. gr. 8. 56 ©. mit 5 3:abeU. in quer gr. 4. ßeipjig, ^lerbig.
Sprachwissens chaft. — X. Ronianlschc Sprachen. 89
JUanuel, nouveau, de languc frant^aise ä I'usage des dlrangcr?. Par E.
de B. Avanipropos. 1. Livr.de la sörie. 8. 172 S. Gialz, (Üirn-
Löck u. Mühlfeilh.) geh. % .^.
michel, L, C, el J. J. Rapet, cours 6l6men(aire de languo frantaise.
4 vols. 4IV2 Bog. 12. Paris, Dezohry. SVz fr.
— — principes de granimaire franfaise. 4 Bog. 12. Ebd. '/^ fr.
9flxtli^f 8c(;r. SBilfj., C^-Icmentartnid} für bcn crfim Untfrrid)t in tcx franjöjx=
f^cn (Äpradjf }iim ©c^iiU u. ^'rioatflcOruiic^. 8. IV u. 226 <B. ßdpjig,
|)ebcnftrfit. gt^. V2 »^.
fSJtÜUet, 8c{)r. Dr. ,f>cnn. iikr. , neue Sfufgabcu jum Ucüirfc^fu an$ bcm
S)eutfc^m ii\8 graujöfifc^c. 3u bc6 -'gx^q. //i5rnnjofifd)cr (5jramina(if f. @i;m=
naftcn." 1. Sfbtt). : %üx bic mittleren ©ijmnafialflafl'in. gr. 8. IV u. 59
®. 3fna , SSJJaufe. gct). n. Vg "f.
IVoel el Chapsal, nouvelle gramniaire fraiifaisc sur un plan tres-
m^lhodiquc, avec de nombreux exercises d'orlhographe ; de synlaxe et
de ponclualion, tires de iios meillcurs auteurs, el distribues dans {'or-
dre des regles. Considerablement augmenlee en faveiir des Allemands
par Taillefer, 6. Edition revue avec soin par Charles Saigey
et Tai lief er. 1. Vol. Graininaire. 8. VI u. 224 S. Meissen,
Goedsche's B. geh. V2 "^.
— neue franjöfifd;e (iirammatif , wadj c. iiuf erf^ nut(;ob. yiane bearb. u. mit
ja^Ircic^cn auß bcn leilcn ©d)riftflcUfrn cntlclniten , unter bie SlcgcUi ütrtt)fil=
ten Ucbuiigcn jc. SnS J)cutfd}e überfc^t u. m. Sfnmcrfgn. u. äufäijcu beglris
tet 0. yrof. Dr. 3. edenflfin. ERcuc Sfuög. gr. 8. 336®. 3?rrlin,
(5. ^ei;mann. gc^. 24 ngc
— et de la Place, lefons fran^aiscs de lill6ralure el de morale.
5um @d)utgebraiid) burc^ aJJuftfrfii'irfe bcr neueren 3i'it fcrroUllaiibigt u. m.
fflaron'S ©efdjidite ber franjöf. ßiteratur u. e. SBbrterlnidje ücrfel}cn ton Dr.
^. 3. SBccEerS. 4. Sfufl. bearb. ü. ©pmn.^yrof. Dr. .geinr. Sübecfing.
gr. 8. XCVIII u. 440 ®. g}?ainj, 0. Sabern. gc(;. n. 1 4. (1 fl. 48fl.t^.)
Palsgrave, Jean, r^claircisscmcnt de la langue fran(:aisc, suivi de la
grammaire deGiles du Guez. Pubiies pour la premi^re fois en
France, par F. Gen in. ISSVg Bog. 4. mit 1 Facsimile. Paris, F.
Didot.
Pescliier, Prof. Dr. A. , causeries parisiennes. Recueil d'enlretiens
propres ä servir de modales aux elrangers qui vculent se former a la
conversalion frangaise. 5. Edition, revue et augmenlee de la Iraduc-
tion en allemand de tous les passages difflciles. 8. XIV u. 110 S.
Slullgart, Neff. geh. IIV4 ngc (36 Xr. rh.)
^eittfev, ßector Dr. Sf. ZI)., llebungSbud) jum Uel>erfe|en aus bem S)eutfd)cn
in iaö granjöfift^c für bie brei oberen Klaffen bcr Slealfc^ulcn. 8. IV u.
160 (S. ffircSlau, {TUr u. So.) grtj. V2 'f.
Ploeiz, Dr. C, cours gradue de langue fran^aise en six parties ä I'u-
sage des ecoles. 1. Partie. 3. Edition revue et corrigee. A. s. le l. :
Glementarbuc^ bcr franjtififdjeu @pract)e. SOJit befonb. SSerücEfidjt. ber 5fu6;
fprac^e nac^ ber flufcnircifc fcrtfdjreitcnbcn giJlctljobe bearb. 1. (SurfuS. 3.
»erb. Sfup. 8. Vlli u. 144 @. 95erlin , .gierbig. ge^. % 4.
— cours gradu6 de langue fran^aise en 6 parties. A I'usage des eco-
les. 2. Partie. 2. Edition revue et corrigee. A. s. le t. : (Slemcntar;
buc^ ber franjßfifd)en ®prad)c. 2. (SurfuS , ober üoHflänbige «Sc^uIgrammatiE
f. bie mittlere Untcrridjtcflufe. 9iacb ber [luftnireife fortfc^reitenten SO?etl)obe,
in unmittelbarem ^ufammcnljange mit jaljlreidjen franjcf. u. beutfc^cn Uebungö;
beifpielcn bearb. 2. oerb. «Infi. 8. X u. 288 ©. Qbb. ge^. V2 ^.
Poitevin, P., cours iheorique et pralique de langue franfaise (Gram-
maire complete). 437 S. 12. Brüssel. y^ ,^.
Riedel, Lehr. J., französisches I^'se- u. Corversations-Buihiein f. An-
fänger, in 2 .4btHgn. Mit den zu den .\ufgabcn gehörigen Wörtern.
90 Sprach Wissenschaft. — X. Romaiüsche Sprachen.
A. u. d. T. : Livres de leclures et de conversations francaises. 8. X
u. 119 S. Heidelberg, J. Groos' Verl. cart. n. Vj i^. (36 Xr. rh.)
&amtnlun^, fUiiu, Ictjrrndjcr ii. mcrali[d)cr Ui'bcrfc|itniigfiücfc anß bcm S)cut=
fcijcn ins isranjöfifclje. ST. ii. b. S. : Petit recueil de versions allemandes
inslruclives et morales. 18. 108 ®. ©ttaöhirg , Sö»rc. 5ßt:ri)cr:2corauU
u. eo()ii. carf _ _ Vs '^^
Sang:rain, C. , plan methodiquc ou manuel de la conjugaison des vcr-
bes frarifais. 1. Partie. A. s. le t.: 9J?ctt)obifi^er ©runbrif cbfr .f^nb-
Inic^ jur GonJKijQtion bcr franjöf. 3tittvßrtcr. 1. 3;l;l. 8. 126 ©. Ulm,
{p. Sbncr'fdie 5*.) n. 12 ngc
Süpile, Lyc.-Lehr. Dr. L. , französisches Lesebuch f. die unteren und
miltlercn Klassen der Gynmasien u. höheren Bürgerschulen. Mit einem
ausführl. erklärenden Wörterbuchc. gr. 8 Vlil u. 259 S. Heidel-
berg, J. Groos' Verl. n. % 4. (1 fl. 12 Xr. rh.)
UclfUnQ^ftÜ^e , praftifc^c, äum Ufbcrff^cu nad) ©cibenftücfcr'S 5ö]ct^cbc.
Sßon e. djcmalig. (Sd)aUct)rcr. Sf. u. t. S. : Exercices pratiques de tra-
duction d'apres la melhode de Seidenslücker. 12. Vll u. 130 S.
©traebuvg , Söire. SSerger^CcürauIt u. ®ot}n. cart. V^ ^.
Vanwesi, W., fransche spraekkunst, n)et opstellen ter verlaling. Naer
het hoogduitsch van Dr. F. Ahn. 12. 418 S. St. Trond. 16 ngc
fßitvt^, 6- Sv Si^aiff'» ©prafct tili bcp ©rommatif oc^ Sitteratur. ßiircbcE
für ■^ü'ixe ©Umcntarläroincrf. gürra bclcii: ®praht§ ©raniiiuitif , [ebnere
beim: ©prafetö Sitteratur. 2ü8 u. 347 ®. 8. ©tccftjolm, J^a.]Gflri?m.
3 9ltr. 8 [f.
S2@(t!f(ttnt 5-^rof. 3. Tl., cours de lillerature francaise, adople a la me-
lhode d'Ollendorff. (Sine flufcnwcife gcorbnetc StuSwat)! ü. ÜDh-ifirrf^iicfin
franjof. ^rofa u. ^■»ocfie b. 17., 18. 11. 19. 3at)rl)unbcrtS. STlö ^ifduic^ beim
Unterridjt in ber franjcf. ©pradjc mit bcfonb. ffictiicffi(^t. bcr franjcf. ©ram;
mati! nai^ OUenborff'ö 5?]ctt}cbe f. bcn ©djul- u. yrifat:©ibraiid] cin^erid)?
tet. 8. XX u. 523 @. granefurt a. 9Ji., 3HcU Seil. geb. ' 26V+ njc
(1 f(. 30 -fr. rlj.)
^anbt 2i}C.=yrof. Gmil, franjcfifdjc S5crf($ule entl). f. fleinc Sammlung leic^=
ter franjöf. ©ü^e mit beutfdjer Uibcrft^iuiij jum ßifcn u. Sfuöivcnbiijlcrnen f.
Sfnfüncjer. 8. IV u. 100 ©. ÄarlSrutjc, ©rco8. gd;. 9 113t (30 .l"r. rt).)
(In Deutschland gedruckte Ausgaben französischer Autoren.)
9Cli^tt>ti^t Pcn fran5Öfi[d)cn Sficaterftücfcn ber be^en neuem ©djriftfleller für
ben ©cbraitd) in ©pmnafien, tjl^fjrrn Sürgtr; u. So(^tcrfd)ulen bearb. m. er:
tUir. Stnuicrfgu. k. t>. Dr. 3ot). >f)clbmaun. 2. 23bd)n. : Michel et Chri-
stino par Scribe et Dupin. — Le charlatanisme par Scribe et
Mazeres. gr. 12. V u. 136 S. 9}lainä, Äupferberg, gel), ä V, «f-.
(36 Xx. rl).)
Kerquin, choix de leclures pour les enfants , ou recueil de contes,
d'anecdotes et de traits de vertu , choisis des raeilleurs auteurs. Mit
e. vollständig. AVörterbucbe versehen. 2. Aufl. 8. 348 S. Quedlin-
burg, Basse, geh. _ % ^.
Bibliotheque frangalse ou choix de livres interessants destines a la
jeunesse allemandc des deux sexes. Collection d'ouvrages fraufais,
recueillis par Charles Zoller. Serie IL Tome IL gr. 16. Stutt-
gart, Ed. Hallbcrger. geh. ä u. V, 4'. (36 Xr. rh.)
Inli:ilt. Quelques jouriices de rLcrmilc de la Cliaiissce d'Antin oii ohservatioiis siir
Ics moeurs el les usages frau^ais au commenceincot du XIX. siede, par Jotiif.
VI u. 161 S.
— petite , frangaise , ou choix des meilleurs ouvrages de la lillerature
moderne, a l'usage de la jeunesse, suivi d'un questionnaire par Mme.
A. Bree. [Lecture el conversation]. Vol. 2, 2e ed. 18 el 19. Leip-
zig, Baumgärlner. geh. ä Vg »f • Inlialt :
Sprachwissenschaft. — X. Homanische Spraclicu. 91
Contc, Miuc. Acli , U vciulangc oi« Ic ili^lile a <lil iioii , 8iii«i <lr rieiirclle. III
u. 10« S.
Flcsselles, Mmc. <lc, A<lile et Cliarlcs oii Ics cnfanln vcrliicux. III ii. U- S-
SaiiiUs, \. E. i\e, Ics Jcux oipliclins. ill ii. VU S.
Blanc, Louis, hisloirc de la revolulioii fiauvaise. Tome III. 8. X
u. 394 S. Loipzig, lirockhaus. geh. ä 1 «3*.
Castres de T'crsac, G. II. F. de, beautes de la lilleralure francaise
moderne, ou choix des morceaux les plus lomarquaLlcs qui sc liou-
vent dans les auleurs du premier et du second ordre des 17., 18. et
19. sieclcs. Accoinpagnces de nolices biographiques de. et preced6os
d'un resum6 de Thisloire de la lilleralure fran(,;aise depuis l'cpoquc la
plus reculce jusqu'ä Malherbe; ouvragc, consaciö aux ecoles superieu-
res d'Allemagne. 2. Edition. A. s. le t.: 23liit()cu aiiS fccm ©dnctc tiv
luufrn franjüf. ßiteratur :c. 2. SfuSij. gr. 8. XVI u. 383 ®. .f)ambur)i,
Mittler, ^d). Vz 4-
Chateaubriand, F., de I'avenir de la France. Opuscule extrail des
memoires d'oulrelorabe et prccede d'unc correspondance de Chateau-
briand avec la reine Horlense et le prince Louis-Napoleon. Avec des
notes par Ge orges Simler. 8. 85 S. Francfort s. le M., Auffarlh.
geh. n. 16 my.
Coitin , Mme. , Elisabeth ou les exiles de Siberic. Mit grammat. Be-
merkungen und e. Wörlerbuche hrsg. vom Gymn.-Subrector Dr. Ed.
Ho che. 2. verb. Aufl. 8. 115 S. Leipzig, E. Fleischer, geh. % »^.
Florian, Jean Pierre de, Numa Pompilius sccoud roi de llome. Äüt
grammat., hislorisch-gcograph. u. mylholog. Bemerkungen u. e. Wor-
terbuche neu hrsg. v. Gvmii.-Subreclor Dr. Ed. Ho che. 12. Aufl.
8. V u. 242 S. Ebd. geh. Vs -f •
— Fahles. 9JJit SBort= imb ©adjerflünuujcu jum ©c^uU u. ^Hiüatijcbrauri)
I)r6ö- ü- Si'fjr. Dr. gerb, -^autljal. 8. VI u. 162 ©. ßcipjii], Sifiigcr.
Frederic le Clrand , oeuvres. Tome XIX et XX. A. s. le t.: Cor-
respondance de Frederic II. roi de Prusse. Tome IV. et V. Lex.-8.
XLI u. 754 S. m. 1 lilh. Facs. in gr. 4. Berlin, Decker, geh. n. S'/j ^.
(I-XX.: n. 262/5 4.)
Ejacroix, E. , albura po6lique. Recueil de poesies fran^aises des au-
teurs modernes, suivi de quelques nolices biographiques. 8. XX u.
399 S. Dessau, Katz. In engl. Einb. IV2 ^•
liainartine, voyage en Orient 1832 — 1833. Auszug In 1 Bd. ni. er-
klärenden Noten, e. Wörterbuche u. e. Register. 6. verb. Aufl. Ster.-
Ausg. 8. VI u. 317 S. Leipzig, Baumgärtner. geh. 18 ngi.
Eiouis, J. , le nouveau Robinson ou les avenlures de Robinson racon-
tees par lui-meme et augmenlees d'un vocabulaire. Nouvelle edilion.
8. IV u. 316 S. Leipzig, Friese, geh. n. V, 4'.
JfBigfnet , histoire de Marie Stuart. Arrange ä l'usage des ecoles et
maisons d'edacalion par Mme. A. Bree. 8. VI u. 326 S. Leipzig,
Baumgärtner. geh. 18 ngc
Repertoire du the^tre frangais k Berlin. Nro. 357. 378—382. [2.
Serie 107. 128 — 132]. gr. 8. Berlin, Schlesingersche Buchh. geh.
Inhalt:
Atlgier, Em., Diane Draiuc en .J aclfs cu vers. 63 S. '■/, ,^,
Bajnrd et J^ e iii o i n c , la uiaisc de St. l'lotir. Comedic - vautlcTille en 1 acte
ae s. Ve #.
J.cuvcn, de, Bninsvick et Siraiidiii, Ic niol>ilier de Rosine. Coincdie-faiidc-
*ille en 1 acte. 24 S. y^ ^,
Mcicsville et Guillard, le inaicliani de joiuls d'enfant. ComcJic-iaudeiiile i'ii
1 «ele. 35 S. Vß *^.
r.osiei, Croc|iic-roulc. VaudoiHc en 1 acte. 24 S. Ve 4'
Scrihe ell.egoiivc, Adricnnc Licouueiir, coiucdic draiue cn .j actcs. 80 8. y, 4,
92 Spracliwisseuschaft. — X. RoinaniscLe Sprachen.
Saint-Pierre, Bernardin de, Paul et Virginie et la chaumiere iodienne.
Mit grammat. Erläulergn. u. Hinweisgn. auf die Sprachlehren v. Frings,
Hauschild, Hirzel, Mozin u. Sanguin , u. e. Wörlerbuche. 4. m. Ster.
gedr. Aufl. 8. III u. 172 S. Leipzig, Baumgärlner. geh. V4 »f.
Scribe, Eug., le verre d'eau , ou les effets et Ics causes. Comedie en
5 actes et en prose. Public par J. Louis. Avec des noles explica-
tives. 4. Edition. 16. 187 S. Leipzig, Friese, geh. ^\ »f.
— et C. Dclavig-ne, le diplomate. Mit erklär. Noten u. m. e. Wör-
terbuche versehen von Dr. J o h. Held mann. 16. 132 S. Leipzig,
Baumgärtner, geh. 6 ngu
Stael, Mme. la Baronne de, Corinne ou l'Itah'e. Auszug in 1 Bd. für
die ersten Classen höherer Lehranstalten. 4. m. c. vollständ. Wörter-
buche verm. Aufl. 8. XVI u. 205 S. Braunschweig, Westermann.
geh. 1/2 ^.
TJieätre fran^ais publie par C. Schulz. XIII. Serie. 1. — 4. Livr.
Bielefeld, Velhagen u. Klasing. 32. geh. h 2V2 W- Inhalt:
Aiigicr, E. , Diane, drjnie en ü acles et en ter«. 108 S.
Corneille, Horace. 84 S.
Goxlan, Leon, les robcn blanches , dramc en 2 acics. .54 S.
Sanileau, J., M.i<leinoisellc de la Scigliere. 114 S.
Chants et chansons populaires de la France. Paris, Impr. de Pillet
aine. (Cette ed. formera 84 livraisons illustrecs de vigneltes sur acier.
11 paraitra uno ou deux livr. par semaine. Prix de chaque livr. % fr.)
2. Italienisch.
Blanc, Prof. Dr. L. G. , vocabolario Dantesco ou dictionnaire eritiquo
et raisonne de la Divine Comedie de Dante Alighieri, gr. 8. IX u.
563 S. Leipsic, Barth, geh. 2V2 *f.
Droiiilhet de Sig-alas, le baron Paul, de l'art en Italie. Dante Ali-
ghieri et la Divine Comedie. 41 Bog. 8. Paris, F. Didot. 6 fr.
EiCOncavallo, Ruggiero, manuale Dantesco per gli studiosi della di-
vina commedia preceduto da un discorso del Sac. L, Trombacco.
18. Neapel, 1850.
IWarbone, Aless. , bibliografia Sicola sistematica o apparato metodico
alla storia letleraria della Sicilia. Vol. I. gr. 8. [Das ganze Werk
ist auf 4 Bände berechnet.] Palermo. 3^4 fl.
Nordmann, Jobs., Dante. Literar-hislorische Studien. I. Tbl. A. u.
d. T.: Dante's Zeitalter. 8. XV u. 190 S. Dresden, Kuotze. geh.
n. 24 nein
Torricelli, F. M. Conte, studj sul poema sacro di Dante Alighieri.
Fase. 1 10. con 10 lav. litogr. gr. 8. Neapel. 6 fl.
Bafiiii, Gius. , vocabolario milanese-italiano compilato per la Giovenlü
X u. 958 S. 8. Mailand.
Gherardini, Giov. , supplimento ä vccabolarj italiani. Vol. I. A. B.
862 S. Mailand. 18 L.
Olivieri, Gius., dizionario genovese-italiano. 16. Genua. 2 fl. 24 kr.
^OtttUi, ^rcf. Sac, er^änjiinaS^SfBörtcrbud} bct italitiiifdjm ©prarf)f. Sfl-
pt;abctifd) gccrbiutc (Srflaruiuj i(X in (Schrift u. Sfusfprac^e nur wm\c\ t)cn
cinanbcr abircid}mbcn italicn. Sruöbriirfe pfrfc^icb. S^ibcutungj lubft alp^abet.
Sfnt). jener italicn. SBcrtcr, welche bei ganj gleicher Drtt)09rapt)ie, aber bei iicr_:
[c^icb. Betonung e. abircid)enbe 2?ebciitunij annel^men. 2. STuSg. gr. 8. IX
u. 131 ®. SBien, SöaUiSljaiiffcr. ße^. '/, ^
Sprachwisscnscliaft. — X. Romanisclic Spraclien. 93
Tommaseo, Nie, nuovo dizionario dei sinonimi della lingua Italiann.
Ediz. nuoYa. «r. 8. Mailand. Fase. 1 — 9. ^45 kr.
XiCteUi, 8uii)i, italifnifd)cr Zxxdjkx ober bex fdineUc tfjfcretif^cpraft. italifn.
©pradjmfiflfr für ycrfoiun jcbfS @tanbe5 u. 2UtcrS. 5. ücrb. u. tubcufcnb
»crm. Sfufl. 2f. u. b. 3:.: 'Der berebte atalinier, ober tjriinbl. u. Uic^tfaßl.
»ilnlfitj. bic italicu. (Spracf}c in 8 Sagen, rt^nc Oilfc c. ßctircrö, gut Ufcn,
fprcdjcn u. fdjrcibcn ja lernen. Stcbft c. 2fn(j. ü. l;iifl. 9tcben6avtin k. SRac^
ben anerfannt bef^cn Onellen bcrtrb. 5. ücrb. u. bebcutenb vcrm. STufl. 16.
VIII u. 136 ©. aßicn, Söcncbift. Qti). 9 ngt
Intronai, Nicolö, nuoTa coirispondenza morcanlile. Coii nole pella
traduzione tedesca. gr. 8. IV u. 292 S. N'ieiina , Tendier et Co.
geh. 1 4. 12 njc
^iiippi ©omin. 2Int., auSfü^rlidje t^ccrcti[i^=praftifd;c itaUenifdje eprarfjlcljrc
für ben bffcntl. u. ^Viüat=Unterrid)t. 14. bebcutenb Dcrm. Driginalanft., mit
fad)ijcmä^er ^inttjfifij. auf bic analtjt. ©rfUirgn. bcr gcrmcnlcljre. 23earb. ü.
aSob. aMiil. 3et ö^- 8. iV u. 404 ©. ^Jürnberg, So^bect. gct;.
1 4. (1 fl. 45 .?r. r().)
— yrof. ^. Sf. be, praftifd}cr Sefjnjang jur [rijncllcn, u. icd) i)rünbüd)cn Sr=
lernung bcr itatienifdjcn Spradje, nad) Dr. g. Sfljn'S befanntcr Seljrmct[)cbf,
gür bie ^xu]<:nb , als aud) jum <Selb(^untcrrid}te für ©rirad)fene u. torjügli^
f. (Spulen u. Sef)r:3nf^itutc. 1. (5urfu8. 10. burd;au5 »erb. u. t>crm. Sfufl.
gr. 8. IV u. 216 ©. «Kien , d^^anj. gel). 18 ngc
— neues fc^nelllet)renbe3 eicmentar-2?uc^ f. ben crfien Untcrridjt in bcr itaUc=
lüften (Spraye. '^c^i) einer rein praft. SOlettjobe, bie in türjef^cr 3fit 3um
©prc^cn füljrt. $\m ®ebraud)e an Unter=Diealfd}uIen bearb. 3m beut[d)cn
S(;cilc reü. ü. SSicebir. ^'»rcf. 3 of. 2{ loi S 2) itf d) einer. 2. ©enicfler. gr.
8. IV u. 140 e. Söien, ©crolb. gc{;. ä 12 ngt
Fornasari-Verce, Prof. A. J. de, Cours lh6orique et pralique de la
languc italienne, simplißee et redutle h ses vraLs piincipes. 5. Edi-
tion revue et corrigee. 2 Livrs. gr. 8. 1. Lfg. S. 1 — 256. Vienne,
Manz. geh. l »^. 18 ngt
— t^eoretifc^=praftif(^c Sfnieitung jur ©rtcrnung bcr italicnifdjen ©pracbe in
f. neuen u. faflic^eren ©arfieUung bcr auf i(;rc richtigen u. einfac^flen ©runb;
fä^c jurüc!gcfü(;rtcn Siegeln. 16. nad; ben beflcn neueren ©ramniatifern n^c^
fentlid) crgiinjtc u. nerb. , m. e. neuen Sefebudjc au3 claff. ©c^riftflcUern jum
©c^ulgebraud) üerfet). 2fuf[. gr. 8. VI u. 432 ©. ©bb. gel;. IVz 4.
— ?luSTOat)l italicnifd)cr ^>rofa au8 bcr neueften Sitcratur. gür STnfangcr je=
bc3 STltcrS, als Italien, ßcfeübung für S)cutfc^c, u. als Ucbcrfe|ungSübung ins
5)cutfc^e für Stalicncr, ncbfl a3ejeid)nung bcr Setonung jc. 2. Sfufl. gr. 8.
VII u. 177 <B. aSicn, ßcdjncr. gel;. n. 28 ngt
Nannucci, Vinc. , teorica dei nomi della lingua ilaliana. T. 1. gr. 8.
Florenz. ^ _ lOVj fl.
Nota, Alberto, lo sposo di provlncia. Commedia in 5 alti. %'üx 3ln=
fiinger iebcS SflterS, als italicn. öcfcübung für S)cutjd)c, u. als Ueberfc^ungJ;
Übung inS ©eutfc^e f. Italiener, ncbfl 53e3cid)nung bcr S3etonung , fcljr x>i:>\l-
[lanbig m. beutfdjen ©rfliirungS^S'fctcn k. cingerid)tet u. brSg. t». 4^rof. Sf. 3.
eblcn üon gornafüri^aScrce. 2. 2Utf[. gr. 8. II u. 93 ®. SBicn,
Scc^ner. gel). n. 12^/3 ngt
Petrarca, Franc, la Griselda yolgarizzata. Novella inedita tratta da
un codice Kiccardiano dei sec. XIV. con note e tavola di aicunc voci
niancanti al vocabolario. gr. 8. Florenz. 28 kr.
Rampini, J., a Grammar of ihe Italian Languagc. 12mo. Edinh.
pp. 190, clolh 3 s. 6 d.
Rampoldi, Giov. , i proverbi e le seutcnzc prorerbiali. Raccolta. 3a
ediz. 24. Mailand. IV2 fl.
94 Sprachwissenschaft. — X. Romanische Sprachen,
Sliüjter, Dir., Italiaansche verlaal-oefeningen. 120 S. 8. Amsterdam,
Hassels. ^ l^/^ fr.
Soave, Franc, Novelle morali. Nuova edizione riveduta, ed arricchila
di nole ledesche. 8. 220 S. Vienna , Tendier et Co. geh. Vz 4*-
3. Spanisch.
BJjiccionario de la rinia de la lengua caslellana ; per una sociodad de
lilcratos. I6V3 Bog- 12. Paris, Kosa.
— de sinonimos de la lengua castellana; por don Pedro Maria de
Olive. 2. ed. 2814 Bog. 8. Paris , Boix.
— de sinonimos de la lengua castellana, por una sociedad de lilteralos.
24V3 Bog. 12. Paris, Rosa, Bouret.
Diciionnairc franfais-espagnol et espagnol-francais , abrege du dict.
de M. Lopez; par E. Orrit. Precede d'un precis de g-ammaire
espagnole p. D. E. de O c h oa. 13 Bog. 32. Paris, Hingray.
Kennedy, James, the Älodern Poets and Poelry of Spain. 8vo. pp.
422, ckuh 16 s.
Uliinch-BSellsjip^Jjausen, Frhr. Eligius v., über die älteren Sammlun-
gen spanischer Dramen. 4. 85 S. Wien, (Braumüllcr.) geh. n. 1 *^'.
^VC^t, Dr. aSict. , ©ro.mmatif bfr [pnnifd)cii ®prad}c. 2 S'[)tc. in 1 SSb-
2tx.-'S. a^rcmiu, Ü)d6lcv. c\d). IV2 4*-
2nl)alt: 1. 3)ie goniicnltfirc 11. SIBortbilbung, in. e. Sinleitg. üb. ©efcf)icl)te
n. G^cirnftcr bcr fpan. Sprache ncbfl ben ©riinb.^ücien bcS homance castoi-
lano. XLiV u. 68 ®. 2. Spanifd)e nnb bciitfdje Ikbungf-anfgobcn, bie
®V)ntaj: n. Corrcfponbenj. vni u. 248 <B.
Salva, Don Vincente, compendio de la grammatica casiellana. 5. ed.
3 Bog. 18. Paris, Garnier freres.
^i^noVf (3(0., (Scfd)id)te bcr fd}?ncn ßitcratnr in (Spanien. J)cut[cl^ m. 3n=
fäljcn l^r^ö- P. SJtf Ol. .^einr. 3uliii6. 2 S3bf. gr. 8. XLll u. 1557 ®.
ßcip5ig, ffirccftjaug. q(\). n. 9 4'-
Triend, J., Spaansche spraakkunst, met opslellen, lees- cn vertaaloe-
feningen. 312 S. gr. 8. Kampen, K. v. Hülst.- 3 (1.
4. Portnjyicsisch.
Consiancio, F. S., nouveau dictionnaire portatif des langues franpaiso
et porlugaise. 8e ed. 36 Bog. 16. Paris, Rey et Beihalte. 8 Ir.
5. Rhactoromanisch.
(Baviid), C'tP/ vjrammotifclie '^in-incnlffKe bcr bcutfdjcn unb rljatcrcmanifdini
Spvndji- für bie rcmani[d}cn 2d)uU'u tyrautninbcnö ncbft e. Stellage über bic
rl)ätcri.nnan. ©rannnntif im äH-fonbcrn unb einigen groben ouß ber aitcflen
Tbätoroman. Vrcfa u. %Ve[ic. gr. 8. VlII ii. 218 ©. ß^nr, .&i^. i]d).
n. % xT. (l f[- 24 A-r. ü).)
Taschen-\N"örlcrbuch der rhaetoromanischeu Sprache in Graubiin-
den, besonders der Oberllinder u. Engadiner Dialekte, nach dem Ober-
länder zusammengestellt und etvmologisch geordnet. Neue Ausg. mit
Nachtrag, gr. 16. XL u, 203 S. Chur, (Hilz.) geh. n. 1 «f. 18 n.y:
ßctttu &c ^app , (Selbtoplan Sfnbr., SfnUitung jur (Srlernung ber rcmani=
fdjen epvadjc. gr. 12. 254 S. ^Jefd^cn, g.irodjaf.ea. gel;. n. y^ ^'.
Sprachwlss. — XI. Wörter- u. Goiivcrsationsbüchcrctc. 95
6. Provciizallscli und Allfrauzösiscli.
Pocsies bcarnaies, 77 chanls b^arnais, classes p. E. Vignancour
dans Uli ordre chionologique, avec notices sur Ics auteurs ; suivi d'une
etude de ridionic böarnais p. Hatoulet. 2e ed 24 Bog. mit 18 Ta-
feln. Pau, Vignancour.
Puigrg-ari , P. , grainmaire Catalane-franfaise. ä I'usage des Frangais
obliges ou curieux de connaitre le Calalan, des linguistes et des ama-
teurs de la langue romane. 6 Bog. 12. Perpignan , Alzine.
Werke, die, der Troubadours, in provenzalischer Sprache, nach den
Handschriften der Pariser Nalionalbililiothek, Hrsg. v. Dr. C. A. F.
Mahn. 4. Bd. 8. X u. 255 S. Berlin, Dümmler's Verl. geh
an. 2 4.
NB. Der 2. und 3. Bd. erscheinen später.
Amis et Ainiles u. Jourdains de Blaivies. Zwei allfranzös. Helden-
gedichte d. kerling. Sagenkreises. Nach der Pariser Handschrift zum
ersten Male hrsg. v. Dr. Conr. Hofmann. gr. 8. XX u. 242 S.
Erlangen, Blaesing. geh. n. 2% »^.
Uofinann, Dr. Conr., über ein Fragment des Guillaume d'Orenge.
gr. 4. 63 S. München, Franz in Comm. geh. n. 24 nju
— Nachträge und Berichtigungen dazu. gr. 4. 7 S. Ebd. geh. n. 4 iigr.
XI. Wörter- und Conversatiousbüclier, welche mehrere
Sprachen umfassen.
^OUttin , Prof. Sart, atlgemcincr ©d)Uif[el ^iir faufmaniüfd}cii Gorrcfpoiibni^,
ober praft. Sfntcituus) jum nierfantit. S3rieffit;l in brci ©prac^cn. (Sine rcid]=
l)alt. ©ainmlitng bcutfc^er, franjöf. u. cncjl. Orig.^Sriefe [ncbfl e. beutfdjcu
Üeber[e|g. ber franjöflft^ u. engUfcf) abgcfaften] über e. ^Reihenfolge P. ©c^
f(^aften jc. 4. gänjlii^ umgearb. u. anfefjnli^ penn. Sfiifl. gr. 8. VI u.
246 @. ©tuttgart, ©toppani. ge(;. 27 ngr (1 fl. 30 Kr. tl).
&ifpVä^e, aUgemcine, in oier ©prac^en: S)eutfd) , granjSfifd), ©nglifd; itnb
3talicnif(^. — Nouveau guide de conversations modernes en allemand,
francais, anglais et ilalien. gr 16. IX u. 199 <B. ßeipjig, £). 5S>iganb.
9ct). _ n. % 4.
Jost, S. , grammaire polj'glolte ou tableaux synopliques compares des
langues fran^aise, allemande, ilalienne, espagnole et hebraique, accom-
pagnes de la prononcialion figuröe et d'annotations philologiqucs,
exegetiques et archeologiques. 2e 6d. Paris, chez l'auleur, rue Ros-
sini 28. 5 fr.
$and'^e$ifl>n för Ofwerfüttningar fran ©wenffa tili 2:i;fea, granffa oi)
ßngelffa (SpvaEen , nieb Sfffeenbe pa (Slementar=8äro)iH'rfen§ 23el;of Utgifan-t
of 6. 9i. Oel;rlanber. 1. ^a\M: St-S3lomffaft. 66©. 8. ©tccf=
l)olm, .&äggjTtröm. 16 ff.
SRetff, 6f). ^i)-, t?ier neuefle ^araaeUSBi^rterbü^cr ber 9Jufrifd;en, fyranjöfifc^en,
©eutfd)en u. ©nglifdien ©prad)e, jum ©ebrau^e für bic niff. Siigenb, nudj
ben SBörterbü^ern ber Siuff. STcabemie, ber ^Jranjöf. Slcabemie, fo rote bencii
p. Sfbelimg, .^einftuö, 3ol;nfon, SBebflcr u. ST. bearh. 1. 3:(;l.: 3luf|ifd)e3
ffiJBrterbu^. ©rflärung ber 9tiifT. SBörter bur^ baS gran^öfifc^e, X)eutfd;e
unb ©nglifi^e. 5leue Sfuft. br. 8. LXXX u. 832 ©. 6arlSrur;e ti. ©t.
^etcraburg. (ßcipjig , Äßf)ler). gcf). n. 2% ^.
^tttadlOtt'X^e^ifon för SDcfrocrfättningar fran ©wenffan tili Zi)\ia,
granfta 0^ (Sngelffa ©prafen af 6. 9?. Del)rtflnber od; D. e. 8eff=
Icr. 1. oc^ 2. .Ruftet. ST— ©öbbärarc. ©. 1-96. 4. ©torfl;olm, >g>ägg:.-
\ixM. ©iibfcr.^^r. ä 24 ff.
NEUE
JAHRBÜCHER
FÜR
PHILOLOGIE MD PAEDAGOGIK.
Begründet
von
M. Johann Christian Jahn.
Gegenwärtig herausgegeben
von
Reinhold Klotz Rudolph Dietsch
Professor in Leipzig Professor iu Grimma
und
Alfred Fleckeisen
Gymnasiallehrer in Dresden.
Siebenundsechzigster Band. Viertes Heft.
Ausgegeben am 6. April 1853.
Inhalt
non des siebenundsechzigsten Bandes mertem Hefte.
Seite
Kritische Beurtheilungen 361—461
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie. — Von Dr.
M. Sengebusch, zu Berlin. Zweiter Theil 361 — 416
Müller und Steinhart: Piatons sämmtliche Werke. Erster
und zweiter Band. — \onJ)r. Fr. Susemihl zu Greifswald.
(Schluss.) 417-437
Sillig: Plini histor. nat. Vol. J. IL V. — Von Prof.
L. V. Jan zu Schweinfurt 437 — 461
Verhandlungen der paedagogisclien Section-bei der Philologen-
Versammlung zu Göttingen. Amtliche Protokolle, mit-
getheilt vom Dir. Dr. Fr. Eckstein zu Halle. . . . 461—475
Programmenschau. Von Prof. Dr. jR. Dietsch za. Grimma. . 475 — 487
Nobbe: Hroswitha Geschichte Oddos des Gr 475—476
Knebel: Fragment des Wilhelm von Orlens. ..... 476
Zingerle : Tirols Antheil an der poetischen Nationallittera-
tur des Mittelalters 476
Pichler: Das mittelalterliche Schauspiel: Ludus de ascen-
sione domini 476 — 477
Klein: Ueber Goethe's Achilleis 477
Steudener: Zur Beurtheilung von L. Uhlands Dichtungen. 477 — 478
Zingerle: Ueber die Zulässigkeit und Behandlung der
Geschichte der deutschen Nationallitteratur 478—479
Olawsky: Ev. Matth. V, 33— VI, 16, aus dem gothischen
Texte ins Neuhochdeutsche übertragen, mit einleitenden
Vorbemerkungen 479—482
Riringer: Ueber Wesen und Bedeutung der Poesie. . . 482
Sieber: Uebersicht der staatlichen Gestaltung Europa's seit
dem Unterg. d. westr. R. bis gegen Mitte d. 7. Jahrh. . 482—483
Pieler: Bruno I. Erzbischof von Köln 483
Waldmann: Der Hülfensberg und Geismar 483 — 484
Witzschel: Der Sommergewinn 484
Kolster: Von den Schlössern u.Döften des alten Dithmarschen. 484—486
Rein : Urkunde v. Crefeld 486
Mairhofer : Tirols Antheil am venedigischen Kriege. . . 486
Schätzler: Marx Welser 486—487
Pfefferkorn: Altgriechenland, chorographisch. .... 487
Dommerich: Die allgemeine Erdkunde 487
Seite
Auszüge aus Zeitschriften. Göttingische gelehrte Anzeigen.
Jahrg. 1852. Nr. 12 u. 13 487—489
Schul- und Personalnachrichten, statistische und andere
Mittheilungen 489—494
Anclani S. 489. Blankenburg a. H. 490. Breslau 490. Cöslin
490. Dresden 490. Halle 490. Kiel 490. Kurhessen 490.
Magdeburg 491. Meldorf 491. München 492. Oester-
reich 492. Petersburg 493. Rastenburg 493. Saaz 493.
Königr. Sachsen 493. Salzwedel 493. Schleswig 493 —
495. Schweidnitz 495. Sondershausen 495. Sorau 495.
Spalato 495. Stanislawow 495. Tarnow 495. Temesvar
495. Teschen 494. Torgau 494. Triest 494. Zwickau 494.
Todesfälle 494
Leipzig,
Druck und Verlag von B. G. Teabner.
1§53.
Kritische Beurtheilungen').
SchoUa in Sophorlis iragoedias septcm ex codicihus aucta et emen-
data. Volumen II. Edidit G. Dindorjius. Oxonii MDCCCLII.
LH und 414 S. gr. 8.
Volumen secunduni, insofern Elmsleys Oxforder Ausgabe der
alten Scliolien als volunien prinunn gilt. Zu diesem soll vorliegender
Band ein Supplement bilden, quo ^ sagt Hr. üindorf p. IV, complexus
sum quae vel desiderari in Elmsleü editione vel uUliter accedere ei
posse Tider entur.
Vor allen Dingen bat Hr. D. für eine neue ganz zuverläfsige Ver-
gleicbung des Laurentianus Sorge getragen. Uaraus bat sieb ergeben,
dafs Elmsley trotz seiner grofsen Akribie docb einzelnes versebn und
übersebn bat. Nanienllicb bat er die von spaterer Hand nacbgetrage-
nen Scbolien von denen der ersten Hand nicbt gescbieden, bat die
Lemmata nicbt durcbgiingig treu naeb dem Codex gegeben, mitunter
aucb sieb geirrt in den Abbreviaturen. Indes mul's Ref. gestebn, dafs
eben die von Dindorf gegebenen, nirgend wesentlicben ßericbtigun-
gen dem trefilicben Elmsley das scbönste Zeugnis gewifsenbaflesler
Sorgfalt ausstellen. Aucb Cobet bat die Scbolien an wichtigern Stel-
len aufs genauste verglichen und zwar mit Bruncks Texte: fast nir-
gend kommt eine Kleinigkeit vor, die Elmsley nbersehn hätte. Wo
aber, da findet sich bei Dindorf keine Berichtigung Elmsleys. Nacii
Cobet hat Laur. z. ß. im ersten Verse des Dichters Scholl. 0. C. 1375
oQwvxi X o|v, nach Elmsl. Dind. oqavxi y oS,v: gleich darauf tyv(o
eTtucpt'jGag , nicht lyvco nacp.^ endlich XT?/jita (J i , nicht y.xt'iiiaö lv.
Nächst dem Laur. gebührt der zweite Platz dem Laur. G, wel-
cher ehedem der Abbalia Florent. angehörig jetzt in der Bibl. Laurent.
Medicea als 2725 aufbewahrt wird. Dieser in der Teubnerschen Aus-
gabe von 1825 mit F bezeichnete Codex umfafst vier Tragoedien:
Aias , Elekira , Oedipus Rex , Pbiloktet, mit den alten Scbolien. Die
Untersuchung bat gezeigt, dafs die Scbolien selbständigen Werth ha-
ben, da sie aus einem dem Laur. sehr ähnlichen Codex, gewis aber
nicbt aus jenem selbst getlofsen sein müfsen Denn G hat Scbolien,
welche im Laur. nicht stehn ; aufserdem bat er manches reiner und
unversehrter erhalten. Darin stimmt er oft mit den vom Suidas in sein
Lexikon aufgenommenen Scbolien, ?a/, sagt Hr. D., Suidam lihru usnm
esse nunc pateat, qiti similis fuerit ei, ex quo G originem duxil.
*) Der im vorigen Hefte für die.ses angekündigte Schlufs der Re-
cen.sion von Lauer.s Geschichte der homerischen Poesie kann wegen
plötzlicher Erkrankung unsers geehrten Mitarbeiters erst in einem der
nächsten Hefte erscheinen. Die Red.
IS. Jahrb. f. P/iil. u. Paed. Ärf. LXVU. Hß.ö. 33
498 üindorf: Scholia in Sophoclis tragoedias.
Ohne noch die Schol. G zu kennen hatte unterz. für den Text des
Dichters wie für die Scholien das gleiche Resultat gewonnen. Suidas
niufs den archetypus Laur. vor Augen gehabt haben , welcher in man-
chen Einzelheiten vollständiger und fehlerfreier war als Laur. Die
mit diesem aus gleicher Quelle entlehnten Bücher (Flor. G und Pal.
obenan) stimmen daher meist mit der man. pr. des Laur. Die m. sec.
hat nemlicb nicht, wie behauptet ist, den Text nach einer andern
Handschrift berichtigt, sondern auf gut Glück nachgebefsert. Uebri-
gens ist es erfreulich, dafs Ilr. D. nunmehr von der ganz unhaltbaren
Vorstellung wird zurückkommen müfsen, als sei der Laur. der Stamm-
vater aller Handschriften des Sophokles. Denn diese Annahme liegt
der Dindorfschen Unterscheidung zwischen codex (L) und apographa
zu Grunde. Sondern dem Laur. mit seiner Sippschaft, unter denen
wieder ein grofser Unterschied zu beobachten ist, steht der Paris. A
als ebenbürtiger, selbständiger Zeuge zur Seite. Auch darauf will
ich mit einem Worte hinweisen, dafs in den Anführungen des Suidas
merkwürdigerweise ein Theil der Bücher mit der man. pr. des Laur.
stimmt, ein Theil nicht. Ich wähle zum Belege 0. R. 13, wo Par. A
und codex A des Suidas das richtige ^■yj xaroinreiQav erhalten ha-
ben, während Laur. und die libri rell. Suidae ftr) ov xar. bieten.
Gleich Vs. 18 haben die Ausgaben des Suidas mit Par. A und Laur.
von zweiter Hand oi 6i t 7jt&icov, dagegen Laur. pr. und bei Suidas
cod. A OL di & rj'id'icov, worin das wahre oTde d r^&iav zu Tage
liegt, welchem der Pal. mit ol öh ö ifL&icov am nächsten kommt.
Der Codex G, welcher die im Eingange des Aias im Laur. viel-
fach beschädigten Worte der Scholien vollständig erhalten hat, ist
insofern nicht so ungefälscht wie Laur., als er manche Zusätze von
Jüngern Grammatikern zu den alten Scholien hinzugefügt hat, nament-
lich von Jo. Tzetzes. Doch sind dergleichen auf den ersten Blick zu
erkennen.
Von untergeordnetem Werth sind ein paar andere Florentiner
Handschriften, F und H. Jener, Bibl. Laur. plut. XXVIII, 2j, der
nur die drei ersten Stücke hat, stimmt in einigem guten mit G; H,
plut. XXXII, 40, enthält ganz das nemliche. Bringen diese Bücher
nichts sachlich neues und werthvolles, so dienen sie doch dazu, den
Text der Scholl. LG hin und wieder von Schreibfehlern zu reinigen.
Aus beiden ist öfter das echte von Dindorf hergestellt.
Eine zweite Classe von Handschriften enthält nur Excerpte aus
den alten Scholien. Obenan Paris. A (Nr. 2712). Die alten Scholien,
die dieser Codex von allen sieben Stücken enthält, stimmen mit denen
im Laur., wie die von Dindorf als Specimen vorgelegten Scholien zur
Antigone zeigen. Manche Glossen sind dem Paris. A eigen ; möglich,
dafs der dem Schreiber vorliegende Urcodex die Scholien hin und
wieder vollständiger bot als Laur. Mitunter sind die Lesarten des
Paris. A beachtenswerth. So hat er in dem Verse des Anakreon (fr.
78 Bergk) zu Ant. 134
fi£Xai.Lq}vXlaj öaqpva %k(x}QC( z iXcäa. tavraXt^oi
Dindorf; Scholia in Sophoclis tragoedias. 499
statt xavxtcW^si. Der ^^'ullscll sclioiiit angcmelscncr. Ucbrig-ens war
der Codex bekannllicli schon von andern zu Kallie gezogen und na-
mentlich sind die Glossen zum üed. Col. von Hrunck milgetiieilt.
Ganz unherücksiciiligt gelai'sen hat llr. 1). den Irellliciien Palat.
40 von den ersten drei Sliicken. iJekannIlich verdanken wir Prof.
Kayser in Heidelberg eine Collation desselben, die nichts zu wün-
schen übrig lälst. Aufser Excerpten der allen Schollen bietet aucii
dieser, mit Lanr. pr. nah verv>andle Codex manche gute Glosse: dal's
man mit Hilfe derselben in den alten Scbolien Verbefserungen ma-
chen kann, bat Kef. Pbilol. 111, 658 an einem treifenden Beispiele
gezeigt. Ja, Pal. hat auch varr. lectt., die Laur. und dessen Genofsen
übergangen haben. So z. B. El. 66
()3g j(ßjt<- inav'/^iü T?/gJc Tr]g (pijfijjg ctTto
öedo^noT i'/^&QOLg aßzQOv (og Xafiil^eiv l'rt,
yQ. ösö VTiora. Mag das immerhin eine Conjeclur eines Grammati-
kers sein, niemand wird leugnen, dafs sie scbarfsiunig ist und Schein
bat. Mindestens ist sie nicht schlechter als die meisten der im I.aur
verzeichneten yQ. Aus dem Laur. selbst kann übrigens auch der
Pal. nicht geflofsen sein, so nah er ihm nach Abstammung und an
Werth steht.
Eine zweite Schicht von Schollen bilden die von byzantinischen
Grammatikern herrührenden zu den drei ersten Stücken, namentlich
von M. Moschopulos und Thomas Magister, welche Brunck
nsjch Pariser und einem Augsburger Codex berichtigt als Paralipo-
mena Schollorum abdrucken liefs. Dindorf hat die von Hermann oft
zu Ralh gezogenen beiden Leipziger Handschriften benutzt und daraus
manches gebefsert und ergänzt, was Brunck in seinen Büchern nicht
vorgefunden oder übergangen hat. Dankbar müfsen wir dem Hrn.
Herausgeber dafür sein, dafs er die zahllosen kleinen Abweichungen
in der Fafsung der Scbolien in die Spreu geworfen hat. Gleichfalls
bat er recht getban, die zahllosen Interlinearglossen, welche zum
Frommen der Anfanger \N'ort mit Wort wiedergeben, als völlig werth-
los bei Seite zu lafsen. Diese neuern Scbolien wurden in der byzan-
tinischen Schulpraxis vielfällig variiert, contrahiert und dilatiert.
liecht anschaulich zeigt dieses Hr. D. p. X — XVIIl , wo er aus drei
codd. Ambrosianis die Scbolien zu den ersten fünfzig Versen des
Aias hat abdrucken lafsen. Nur ein Nimmersatt könnte wünschen, noch
mehr der Art aufgetischt zu bekommen. Endlich müfsen wir auch
das billigen, dafs Hr. D. wie ehedem Brunck die Excerpte Johnsons
aus einem cod. Baroccianus , so wie die Purgolds aus dem ganz jun-
gen cod. lenensis verschmäht hat. Es überläuft einen beifs und kalt,
wenn man das eine Schol. zu El. 449 ansieht, welches Dindorf p.
XVIII f. als Probe vorlegt.
Ist nun auch der wirkliche Ertrag für das Verständnis des Dich-
ters aus diesen Scbolien ein sehr mäfsiger, so verdient doch eine
sorgfältige Erneuerung derselben den Dank der Freunde des Dichters.
Weit wertbvüller freilich ist der Commentar des Demetrios Tri-
33*
500 Dindorf: Scholia in Sophoclis tragoedias.
klinios aus dem Ende des 14 oder Anfange des 15 Jahrlninderfs,
Die grofsen Verdiensie dieses einsichtsvollen und scharfblickenden
31annes sind oft auf die empörendste Weise verkannt worden. Daran
sind seine wahnschaffencn Begriffe von den lyrischen Jlafsen und die
in Folge derselben begangenen argen Willkürlichkeiten in der Ein-
richtung der Chorgesänge schuld. Sieht man, wie billig, davon ab
und bringt die armselige Zeit des Mannes in Rechnung, so darf man
dreist behaupten, dafs aufser den alten Scholiasten niemand so viel
für Erklärung des Sophokles gethan hat als Triklinios. Noch jetzt
llndet man oft bei ihm allein das riciitige, wahrend seine vornehmen
Tadler auf Irwegen gehn. Ref. ist es eine Freude gewesen, den ge-
wöhnlich verkannten Ehrenmann von Hrn. D. befser gewürdigt zu
sehen. Er sagt p. XX: Quae Tridinius ipse ad interpretanda poetae
verba attulit, etsi cum anliquiorum doctiorumque grammaticorum
commentariis comparari non possunt, nmltum tarnen praestant inani-
bus et a proposito saepe plane alienis aliorutn grammaticorum By-
zantinorum afinofationibus et passim reconditiorem verboriim sensum
dextre aperiunt. Der Text des Triklinios beruht auf Vorarbeiten
anderer Byzantiner, wie Elmsley zum 0. C. 7 p. 86 zeigt. Es läfst
sich sehr wahrscheinlich machen, dafs namentlich Thomas Magister die
Hände im Spiel hatte. Was nun Triklinios aus den alten Schollen, die
in seinem Code.x hie und da vielleicht vollständiger waren, vgl. Her-
mann zu 0. R. 153 und sonst, abgeschrieben hat, ist von Brunck und
Dindorf nicht wiederholt worden. Auch seine gänzlich verkehrten
metrischen Schemata verdienten es, ignoriert zu werden.
So viel vorläufig von den verschiedenen Sammlungen der Scho-
llen. Für den ßtog Zoq)oy.XEOvg ^ welcher im Laur. jetzt fehlt und
wahrscheinlich nie in demselben vorhanden gewesen ist — auch ein
Beweis, dafs Par. A aus anderer Quelle stammt — , hat Hr. D. vier
Handschriften gehabt: Par. AFGR (Riccardianus 34), wozu die von
Brunck benutzten Pariser BCT und der lenensis kommen. Die ge-
wöhnlich sehr vernachläfsigten 'l^TtoiJ'JCjEig, für welche bisher nur jün-
gere Handschriften mit Ausnahme des Par. A zu Rathe gezogen waren,
erscheinen hier zum erstenmale nach Laur. vielfältig verbefsert. Nur
enthält der Codex die vitod^eGig zum Aias nicht. Leider stand unferz.
Hrn. Dindorfs Buch noch nicht zu Gebote, als er der hiesigen Socie-
lät der Wifsenschaften seine Abhandlung über die Hypothesen der
drei Tragiker vorlegte. Er glaubte der erste zu sein, der den Laur.,
welchen Elmsley nur für vitöd-. 0. C. benutzt hatte, und Par. A voll-
ständig zu Rathe ziehn und danach die Hypothesen berichtigen konnte.
Hätte Dindorfs Bearbeitung vorgelegen, so hätte manches in der Ab-
handlung kürzer gefafsl werden können. Uebrigens sind wir unab-
hängig mehrfach in Verbefserungen zusammengetroffen, wie z. B.
in der Beseitigung des Zalovanog nv&ayoQeLog, dem nach Laur. eine
gewöhnlich mit der des Aristophanes von Byzanz zusammengeworfene
Hypolhesis zur Antigone gehört. Der TIvd-ayoqeLog ist, wie wir beide
gefunden haben, nur aus der Misdeutung der Abbreviatur von vno-
Diiulurf; Scliolia in Sopliociis Irafjocdias. ÖOl
TT
^■eöic ( ) entsfanden. Unser Zusammenlrelfcn wie die Verscliicden-
heilen der Ansicht hahe ich in den Nachträgen zu meiner Abhandlung
angegeben, weshalb icli hier niclil weiter auf diesen Absclinilt des
Buches eingehn mag. Hr. Dindorf halle aufserdem noch die codd.
AFGIl» und die Florentiner z/0 (vgl. die Prael'. der Teuhnerschen
Ausgabe von 1820), welche indes von geringer Bedeutung sind. Dal's
die VTto&ioeig t'ixi.ieTQOi zu Sophokles und Arislophaues den Namen
des Aristoplianes von ßyzanz inil Unrecht tragen, gibt Hr. ü. A. Nauck
zu: doch vcrricthen die versus de PliHoctefa durch ihre metrischen
Liccnzeii einen Jüngern Verfafser als das Argumentum des Oed. Ke.v,
welches in der Thal vor allen übrigen durch Gewandlhcil und reine
Form sich hervorlluit. Aufgefallen ist Ref., dafs Dindorf nicht über-
all hier das auführl und sich zu Nutze macht, was er selbst 1825 aus
den drei Florentiner Handschriften milgelheilt hatte. So sucht man
hier vergeblich nach den Zusätzen des G oder P iu der Hypothesis
des Pliilokletes p. XLVIl ed. Teubner. , woraus doch eine nicht unbe-
deutende Bereicherung sich gewinnen läfst, wie Hef. in seiner Abhand-
lung gezeigt hat.
Kehren wir zu Dindorfs Praefatio zurück, so füllen p. XXIH —
LH Excerpte aus G. Wollfs Buche de Scholiis Laurenlianis , denen
nur wenige kleine Zusätze beigefügt sind. Gut ist es, dafs Hr. D.
p. XXXIV darauf aufmerksam macht, wie die von WollT vcrfochtene
Ansicht, dafs Didymos der Haupiredacleur unserer Scholicnsammlung
sei, bereits von K. Lehrs in diesen Jahrb. 1828 Bd. VII S. 141 IF. vorge-
tragen und durch überzeugende Gründe gestützt war. Jetzt hat sich
zu den acht namcntliciicn Anführungen des Didymos noch eine im G
zu Ai. 83 eingefunden, welche im Laur. obliltcriert scheint: /tidviiog
öijixst-ovrcii rrju (pQaGLv ^ ctXX ovöe ft-jj tJ)/ uiXag.^ Eine andere An-
führung des Didymos in den Scholl. 0. C. 763, über welche die Ge-
lehrten irrig genrlhcilt liaben, Hr. D. geschwiegen hat, verdient eine
kurze Besprechung. Zu den Worten des Te.xtes
xL xavxu TtciQa Ka(ie ösvtcQov &ek£ig
sXetv
lautet das Scliolion: IleLQcc ßuQvxövag avccyvcoGxiov nHqa, ov ne-
QcöTicofiii'cog. ourcd /liöv^og. Und Laur. hat demnach TtsiQcii, (sie). Ni-
hil conducibile inde extricarc potui , bemerkt Elmsley. Hermann fol-
gert, Didymos möge gelesen haben xi xrjöe Tcdqa X(vft£ oder xi xavxa;
TtSLQa xßjui Kxl. G. AN'olff p. 229 führt Hermanns Conjeclur an, ohne
selbst ein Urtheil abzugeben. Sehe ich recht, so verlangte Didymos
■jtiLQCi als zweite Person von miQa^ai ^ statt TteiQU von miQfh^iai.
Seltsam genug, da jene Form niciit existiert. Bei Homer II. ü, 590.
4.33 ist riiLQu feste Uebcrlieferung, wie auch Oed. Col. 774. Aber
die freilich stark verderbten Scholl. Odyss. A, 221 zeigen, dafs die
Grammaüker zwischen da^iva und öafxva schwankten und für letzteres
sich auf TteiQa II. ß, 390 beriefen. Ingleichen 11. S-, 199 wte (ji nuv-
xag Au^va u%Qiva.xovg lasen die einen 8u^iva wie Ttei^a ^ die andern,
502 Dindorf: Scholia in Sophoclis tragoedias.
wie Aristarclios, Saixvc: >Yie övva, incGra^ Lobeck Phryn. p. 359 f.
Sollte nun nicht etwa Didymos das umg-ekehrle gesagt haben, nsioa,
nicht TiciQa, so bleibt nichts übrig als anzunehmen, dafs die Renii-
niscenzen aus der homerischen Sprache ihm zu unrechter Stunde ge-
kommen sind. Da ich einmal das Schol. Od. A, 221 erwähnt habe, so
sei erinnert, dafs Porson so wenig wie Buttmann in den lückenhaften
Worten: o de Aö'KOckoivLxijg Gvveda^iva, t] rov öufivürai, (\. öa-
(.tvocßcii) cuTtoKOTCrj '/.xX. erkannt haben, dafs der Grammatiker die
Stelle der Ilias S*, 199 zur Vergleichung herbeigezogen hatte. Daher
ist Ov ncivzag daf.tva oder öai.ivä zu verbefsern.
Gehen wir nunmehr zum ßiog über, so fällt es unangenehm auf,
dafs Hr. D., welcher eben gegen Lehrs gerecht gewesen ist, gegen
Hrn. Westermann ein Unrecht begangen hat. Er hat gänzlich igno-
riert, dafs die vita Soph. von dem genannten Gelehrten in seinen
BioyQcccpoi eine sehr sorgfältige Bearbeitung erfahren hat. Wester-
niann hat mit Benutzung einer genauen CoUation des Par. A die alte
Uecension von der Revision des Thomas Magister, der sich freilich in
den Schranken der Bläfsigung gehalten hat, geschieden. Für Hrn. D.
ist diese Ausgabe gar nicht vorhanden gewesen: sein lei/ehafur passt
daher auf Brunck, meistens nicht auf Westermann. Zieht man ab was
sich bereits bei diesem gebefsert findet, so verbleibt für Hrn. D. ein
gar kleiner Best ohne Belang.
Nur ein paar Bemerkungen. S, 2, 8 Ttokka iKaivovQyrjaev iv xoig
aycbat^ TtQKvov (lev Kaxakvaag xrjv VTtoKQLöiv xov rcoit^xov 6ta xrjv
idiav f-icKQOcpcovtaiK näXcd yciQ jcat o non]xr]g VTTexQLvsxo' avxovg öe
xovg lOQcvrag noiijöag czvxl öcoöeKd nevxE'Uccide'/.a xcd rov xqlxov vno-
XQurjv l^evoev. So Westermann und Dindorf. Aber schon das Ein-
stimmen der guten Bücher in avxog 6s '/.cd xovg %. führt auf eine
befsere Fafsung der Sätze: naXai yaq y.al o ■Jtoi,i]xy]g vtvskqlvsxo kv-
Tog- xovg ds xoQEvxccg kxX. , so dafs das TtoXXa iKat-vovQytjöev durch
TTQÜxov [A,EV %axaXv6ag , xovg ds ^OQSvxag itoirjßag näher erläutert
wird. Dann ist hinter 7tEvxEY.c(LÖcy.a zu inferpungicren und %cd — £^£1'-
QEv als selbständiger Satz zu fafsen. Uebrigens hat avxog schon Beer
in seiner vortreftlichcn Schrift ^über die Zahl der Schauspieler bei
Aristophanes' S. 6 empfohlen, ohne im übrigen zu befriedigen. Er
erinnert an Arist. Bhet. III, 1 vTtSKQivovTO avxol xag XQaycpdicug oi
TtOLiixcil xo TXQcbxov. • — S. 3, 10 hat Dindorf mit Meineke geschrieben:
E6y£ %cd xrjv xov "AXxcovog ieq(0(5vv\]v ^ og rjQcog rjv j.iexa Aay.XrjTXLOV
Ttaga Xelqcovi xoacpEig, lÖQVi'&slg vtto locpävxog xov vtov fiExa X}jV
xsXsvxiqv. Diese vielbesprochenen Worte bilden den Text einer um-
fafsenden Untersuchung, welche zu Dorpat 1850 unter dem Titel er-
schienen ist: De Sophocle medici herois sacerdote disquisitionis de-
Jineatio. Parlicvla l. Sa'f'psit Cor. P micker ins. Dort werden
S. 41 fi". die verschiedenen Ansichten der neueren Gelehrten über die
Stelle zusammengestellt und geprüft: über Alkon, Erechtheus'' Sohn,
hatte schon Paul. Leopardns Emendatt. 1. VI c. 6 die Zeugnisse ge-
sammelt, womit noch zu vergleichen was Ph. Wagner de lunio Phi-
Dindorf: ScUolia in Sophociis tra^oedias. &0d
largyro II p. 12 naclig^etrageii hat. Der gelehrte Dorpatische Forschör
gelangt aacli citidriiigender Prüfung der inanigt'achea Sagen vom Al-
kon, der als ein Seilenstück zum Aristaios zu betrachten ist, zu dem
Ergebnis, welches er S. 2i in die Worte zusaraTianfurst : Fuit Alcon,
qui Atkenis in medici numinis hotiore ac loco h'ihitus est, natura
sua her OS Feretrius, arquipotens, ex Herculis Alexicaci, qui apud
Alkenienses celeberrimo templo ul validissimus pesfäentiae propul-
salor colebatur , specie quisi expressus, cum Aesculapio autem ea-
dem fere ratione cotiiunctus , qu^t cognominis Alexanor apud Tita-
nios. üeberraschend ist die sinnreiche, überaus geschickt ausge-
schmückte Muthmafsung, dafs Lucian Scyth. 1 — 3 auf denselben Heil-
heros sich beziehe. Lucian schildert ein Denkmal, halbverfallen, un-
weit der Dipylos auf dam Wege zur Akademie, also auch nach Kolo-
nos. Zu Lucians Zeit iiielt man die Statue für die des Ssi/og latqog^
eines der Asklepiaden, welchen man im ßjgian des p3lopontiesischen
Krieges wegen seiner Hill'leistungen zur Zeit der Pest gevveiht habe.
Als man den Zusammenhang der Heilkunde, als einer andringende
Pfeile oder Monstra zurücktreibenden Kraft, und der ßogenkunst nicht
mehr kannte, deutete man die Statue auf einen Skythen Toxaris. lo-
phon scheint eine Statue des Vaters in priesterlichem Schmuck nach
dessen Tode gestiftet zu haben. Wunderlich ist der Zusatz, der zu
diesen Worten in einer ehemals Jos. Scaliger, dann Ger. lo. Vossius
angehörigen Ausgabe des H. Stephanus von 156S, die sich jetzt in
Leiden befindet, am Rande vermerkt ist, ungewis ob von Scaligers
Hand: ^sza vrju Tskevvriv PqSov. Was damit gemeint sein könne,
vermag ich nicht zu enträlhseln. Man sucht wohl am natürlichsten
die Bezeichnung des Locals darin, wo die Statue aufgestellt worden,
etwa 0alr]Qo£, da Alkon Vater des Phaleros heifst. — S. 4, 4 Uycou
tr}v (irj oiKOva ccv oiKiav iv ös^toi slßiovn i^ew^Sai vermuthet
Dindorf mit Hrn. Bergk einen Eigennamen, etwa Mixcovog oinLav.
Scaliger conjiciert am Rande xriv [loi oiKOvaav iu ös^iä oiniav d(S-
lOvxL. — S. 4, 7 (peQSTat öe nal Tta^a jtolkoig ^ TtQog xov vtov
yevo^iivrj avrcp öinrj itoxi. So Dindorf statt (paivsxai. Ebenso hatte
Ref. geschrieben Einl. zum 0. C. S. 30. — S. 6,1 lesen wir nach
Bergks Conjectur ^6|3(ai' ds gofj(>iv. Indes ist doch die Lesart kei-
neswegs unumstöfslich gewis , worüber ich auf die sorgfältige Erör-
terung meines Freundes E. v. Leutsch verweise Philol. I, 131 f., der
auch über S. 7, 4 lavLKov xiva andere Ansichten aufstellt. Ueber
Lobon von Argos habe ich in den Beiträgen zu den Poett. lyr. S. 118
gesprochen.
Nachdem Hr. D. den Artikel des Suidas über Sophokles, die
Stelle aus Athenaeus XIII, 604 und die Epigramme auf den Dichter der
Vita hat folgen lafsen, kommen die Tjto&ißstg an die Reihe, woran
dann der eigentliche Kern des Bandes, G. Üindorfii annotationes
ad scholia relera sich anschliefst, von S. 31 — 1.33. Diese bringen
504 Dindorf; SchoUa in Sophoclis tragoddias.
des neuen und brauchbaren so viel, dafs niemand, welcher mit Sopho-
kles ernstlicher sich beschäftigt, dieselben entbehren kann. Nur hätte
Hr. D. noch viel sorgfältiger in der Sammlung der seit Elmsley von
vielen Gelehrten gelegentlich gemachten Conjecturen und Emendatio-
nen sein können. Sehen wir auch von zerstreuten Beiträgen ab, was
Herausgeber in ihren Noten geleistet haben, sollte doch billigerweise
beachtet sein. Aber nirgend findet man z. B. auf Neue R icksicht ge-
nommen, der in seinen Anmerkungen gar nicht selten die Schollen gut
berichtigt; auch Ellendts Beiträge im Lexicon Soph. sind unbeachtet
geblieben. Aber ungeachtet dieser Unvollständigkeit sagen wir Hrn.
D. für seine mühevolle Arbeit aufrichtigsten Dank. Jetzt erfährt man,
dafs G viele kleine Berichtigungen der Kritiker, namentlich des Jan.
Laskaris in der Romana von 1518 bestätigt: inzwischen ist doch Laur.
der Hanptcodex, während G im ganzen weit flüchtiger geschrieben
scheint. Wir begleiten Hrn. D. durch seine Anmerkungen, heben
beispielsweise gutes heraus und tragen über einige schwierige Stel-
len unsere Ansichten in der Kürze vor.
Gleich zu 0. R. 8 lautet das Scholion bei Elmsley: 'O näai
xkeivog: t] Ttädi, xoig iTtui]Sev^a(jiv rj VTto navvoav. Allein Laur.
hat deutlich STtixsvy^adLv , EG iTtivay^aaiv. Dindorf bemerkt, jenes
lafse sich halten. Aber tj vtco nävtav ist lediglich eine Befserung
Elmsleys. Laur. hat ^ VTt\avoi? , worin Dübner das richtige r/ vTta-
Kovßriou av&Qca^toig erkannt hat. Die Alten zweifelten also hier wie
an andern Stellen des Dichters, ob 7tcc6i Neutrum oder Masculinum
sei. Schon der Schreiber des G verkannte die Ligatur, wenn er
schrieb i] itaGiv av&QcoTtoig. — 0. R. 54 to näv roxi klvSvvov, (prj-
gLv^ el ah (p&avEi. Ich dächte elg 6s cpd'lvet. — 58 ovx slg xtiv
TlXiKiav roßovTov rocoTtatdeg, mg äv ccq^o^ov ißti na cpikocpQOuov-
(livco T^d-si. Richtig Neue Zaov a^fio^ov. — Zu den Worten des
Dichters 296
w firj 'ort ÖQäuTi xaQßog, ovo aTtog cpoßsl
lesen wir bei Elmsley /O fir] x6 k'^you dsöoiKcag^ ovös xov loyou q)o-
ßstxat. rj ovöe b Xoyog (poßov avväi iuvld-exai.. Laskaris hat, wie jetzt
sicher ist, alles hinzugesetzt von cpoßeixai, an, welches sich weder
in LG noch bei Suidas findet. Dindorf heifst die Interpolation entfer-
nen. Allein wem wird es glaubhaft scheinen, dafs der alte Erklä-
rer sich eine solche Ellipse gestattet habe? Vielmehr war von die-
sem ein tragischer Trimeter desselben Sinnes als Parallele beigeschrie-
ben. Dieser lautete:
O firj öedotKcog xovqyov, ov8s xov koyov.
Dergleichen Verse finden sich in den Schollen öfter. So hat Wolflf
zu El. 1437 einen solchen nachgewiesen :
Dindorf: Scholia in Sophoclis tragoedias. 505
£1^ Tc5 XciXeiv öei firjös firjxvvsiv [rov] koyov
und Dindorf zu El. 691
TaÜT ev ftiK rig riycovi^ed" rjfiiQct. —
Zu 380 liefert G ein neues Scholion : TtXovrov kiyu rr]v öo^av , rvQav-
viSa rrp> ßaöLleiav xcd rixinjv to cany^a t% ZcpLyyög. i']yovv xiyviiv
6i rjg k'kvGs TO ai'viyi-ici z'iig 2!g)i.yyog. — Zu 391 to ()e ovoi.ia rov Qa-
ip(oöov yM& 'Ot.u]QOv 7] jitfO' Oj.ir}oov riv. Seltsam : ich hatte vermu-
thet, ursprünglich habe gestanden rov QaTpiodov ov xaO 'Ofirjoov,
d. h. ist unhomerisch, nachdem aber ov erloschen, sei ij fttO' "Ofit]-
Qov und jjv hinzugefügt. Jetzt belehrt uns Dindorf, dafs G ij ft£^'
"Oii}]Qov gar nicht hat, aber hinter rjv beifügt ave'/oovLasv ovv o -S'o-
q)0KXrjg. Daher würde ich jetzt entschieden wie oben angegeben
schreiben. Da Suidas s. v. Qarpcoöla h ntcr i]v noch ctv zusetzt, so
sieht Hr. D, darin noch einen Best jener A>'orte uveyo. ovv o -S., Avel-
che G hat. — Ein gutes Scholion hat G zu 411 : öi]Xor 6u( tc5i^ y.aKav
ayavaxreiv i(pvßQL^E6Q-ai ttjv ri%v}]v^ anEcpvye de ro ttsqI avrov ol-
(ovl^s6&ar (poQnxov yuQ. Dagegen dürfte das Scholion zu 733 tcsqI
/iavliSa' itaQcc ro avXiGd'fjvai TijQecc raig oval aöeXcpctg TIooKvr]
Kcd 0iXoi.ujXcc rj Ttcxga ro öiavXovg TtoXXovg k'yeiv Gvvdevdoog yaQ b
roTtog den Tzetzes verralhen. — Zu 750 hat G das vom Suidas erhal-
tene, im L ausgefallene Scholion mit dem Verse aus den Aiy^iaXari-
öag' eTteiGa (saTtsioa^ ßcaccg KvXr/.og aars öevrega. — Zu 775, wo
man liest : OeQSKvöi]g cptjöl MiöovGav Elvca r^]v IloXvßov yvvcdy.a,
&vyar£QC( de OoOiXoyov rov aöeXcpeiov findet sich bei D. nichts
bemerkt. Dafs rov^AXq)£i.ov zu schreiben sei, habe ich Phil. IV, 754
erinnert. Ebendort S. 752 ist das Scholion zu 899 besprochen, auf
welches ich jetzt aber zurückkommen mufs. Zu den Worten des
Dichters ovo ig rov AßaiGt, vaov
ovöe xav OXvjxmav
bemerken die Schollen: ^Aßcd ronog ylvyJag, evd-a isqov eßriv 'AnoX-
Xavog. 7] öia räv 2^ci^icov, ort Kcd izet ^avrevovraL, cog zal Tllvöa-
Qog' 7] STtl rcov Ttavr-jyvQSCov^ OTt y.cd rav rotovrcov acpi^oiica, ei jit?)
TßVTC (paveQ<X)Q-(ö6LV. Für einleuchtend sehe ich an, dafs \ov 7] Ölu,
wo ein neues Scholion anfängt, mindestens das Lemma zciv^OXv^iTtUiv^
wahrscheinlich aber noch mehr ausgefallen ist. Diese Annahme wird
jetzt durch G bestätigt, der hinter 'AnöXXavog das Scholion zu 901
einschiebt, dann aber unpassend fortfährt kuI äXXcog. rj dia rdiv Grj-
fieicov 0X1 y.al iyei navrevovrca , cog nal IJivSaQog ^ ij ircl xmv Ttccvr]-
yvQetov. r/ OTi yal %xX. Folglich that Böckh unrecht, wenn er aus den
Worten folgerte, die Erwähnung der lamiden, die er in ölu xav Za-
^icov glücklich erkannte, gehe auf Abae in Phokis, und wenn er dem-
zufolge die Berufung auf Pindar unter die Bruchstücke des Dichters
setzte. Freilich folgt darin sowohl Hr. D., der einfach Böckhs Worte
abdrucken läfst, als trotz der Erinnerung im Philol. a. a. 0. Hr. Bergk
auch in der zweiten Ausgabe der Lyriker Pind. fr. ine. 256. Vielmehr
deutete der Schol. wegen der lamiden und ihrer Pyromantik in Olym-
pia auf die sechste olympische Ode. Aus L und G erhellt, dafs in
506 Dilldorf: Scholia in Sophoclis tragoedias.
dem Urcodex irgend welche Verwirrung- stattgefunden haben nuifs :
Böckhs öicc T(äv 'laiiiöcov ist so für sich auf keinen Fall richtig , ob-
wohl die Abkürzung im L und die Lesart des H rj öicc aajXLcov auf die
lamiden führt. Bleiben die Worte lückenhaft, so ist doch der Sinn
klar. Die Alten gaben freie Hand, ob man bei Olympia an die dort
von den lamiden ertheilten Orakel oder an die olympischen Festspiele
denken wolle. Die Lesart des G rj öia xav 6)]ii£lcov verrälh den Inter-
polator: in öia scheint die Spur von ^la, vergl. Triklin, , durchzu-
blicken. ■ — Zu 911 kommt im G ein vortreffliches Scholion zum Vor-
schein : it,iQ%ezca loyMörrj övGcpOQOvvtog rov Oiöinoöog y,ca LKtrevei
xov uvia (sie) AnoXkava OTtojg XvGlv xlvcc xmv y.uxEypvxav uvxri
TtaQaöxrj. el de cpait] xig , nag rj ttqo ß^ay^ing loiSoQoviiivr] , ovxdog ös
■KOL xax' ccQ%ag i'^nev ini xo 6iciGvQei.v X7]v fiavxLxrjv ekeivco iciQii,£ö^c(L
ßovXo^iiv)]^ tiviy.ci övöcpoqovvxa oqk ^ inl xov AnoXXava y.axacpEvyet.
7] KCil elg xi]v övva^iv rov &£ov. i^fpcdvEL 6s o Xöyog' l'xi yuQ ot övG-
ösßij XLva q)d'E'y'E,aiiEV0L Oftcog ev xoig at.nj'/^avotg inl xovg &EOvg naxa-
cpEvyovGLV. Ohne Frage ist für xov avia AnoXXcova zu schreiben
ayvisa oder ayviä. Auch das übrige ist nicht ganz in Ordnung, doch
die anoqlci und XvGig verstandlich. — Zu 1307 bemerkt llr. D. tref-
fend, dafs das Schol. dreierlei Erklärungen gebe; entweder nov ißrlv
7] (p&oyytj , tjxtg ögjoÖQCc jxoi öiunixaxaL ; oder nov ißxlv 7] q)&oyyri, i^g
q)£QO^EVi]g axovG); oder ohne Frage anEitriq [lov t] cpcovr']. Vergl. die
ähnliche Erläuterung Dindorfs zu 656 über ivayij und iv äyEi. —
Das Scholion, welches G gleich hinter dem zu 1454 hat und womit
die Schollen des Codex zum 0. R. abbrechen, gehört zu 1502, was
bemerkt sein sollte.
Im Scholion zu 0. C. -iS, wo die Mutter der Erinyen nach Istros
Evcovv(ir] heifst, räth Hr. D. EvQvi'o^rj herzustellen, wie in dem
Verse aus der epimenideischen Theogonie bei Tzetzes Lycophr. 406
y^^axo ö EvQvvonTjv ^aXe^riv ÄQOvog ayy,vXo^'y]xig^
statt Evoi'vi-irjv. Es konnte auf Schömann zu Aesch. Eum. S. 60 f. ver-
wiesen werden, welcher indes zwischen EvQvvö^ir] und Evvo^ii] die
Wahl läfst. Auffallend, dafs in den Scholl. Aeschin. p. 25, 35 ed.
Turic. gleichfalls Evavv^i] verschrieben ist. — 0. C. 100 Kqaxrig
asv ovv 0 'A&i]vcdog xu ixi] a^niXiva xüv t,vXix>v ndvxa vijCpaXia cpipl
TtgoöayoQEVEG&cxi. Ein Athener Krates ist nicht bekannt und ohne
Frage ist der Pergamener zu verstehn. Richtig A. Hecker Philol. V,428
KQcerrjg (ihv ovv vn 'A&rjvaioiv %xX. — • 281. Sequüur sclioliasta
scripturam corniplam cptaxog avoGiOV ßQoxav , ^vv olg — , ctiius ah-
surditatem demünstravi in annotatione resliluta vera lectione (paxog
ccvoGlov. xaö' ovv '6,vv£lg — . So dreist dieses klingt, so bleibt die
von Hrn. D. getroffene Aenderung, die er in seinen neuern Ausgaben
gar in den Text gesetzt hat, eine starke Interpolation. Die Ausleger
sind uneinig, wie '^vv olg zu verstehn sei. Hermann will mit den Scho-
lien ^vv olg auf die Götter beziehn, während Reisig es für das Neu-
trum nimmt und proinde erklärt, welches wohl des Beweises be-
dürfte; Bake fafst es: quarum corjitationum auctorilate ne commütas.
Dindorl': Scholia iii Sophoclis Iragoedias. 507
ut .... llcnnaiin.s Krkliiriiiig, ^velchc in F. J. Wilkcs Coiiiccll. in
Ocd. Col. Berlin 1840 als cl>\as besonderes vorgctraj^en wird, schei-
tert an der unslallliarien Verbindung- Q'Eovg y.al AD'rjvag xaXvTtrsiv.
Insofern halle Hr. 1). ein Ueciit gegen die conlorlae expUcaliones zu
protestieren. >>'enn er aber meint, E,vv olg , das nur diis faveiitlbus
vel adinvanlilms bcdeulen könne, sei hier nicht passend, so hat er
sich durch die verkehrte Interpunclion der Ausgaben und die falsche
Beziehung von '^vv olg vom rechten ablenken lalsen. Daher die eben
so kühne wie verfehlte Conjeclur. Nichts richtiger als die Lesart der
Bücher : ^vi» oig heilst im Einklänge mit den G ö 11 er n , um de-
ren Ehrung sich ja die ganze Rede des Oedipus dreht, d. h. gleich
wie sie, die mich schützen, nimm du dich meiner an. Statt aber
'£,vv olg unmittelbar an ^vov [xs Kay.cpvkaGGe anzuschliefsen, wird der
rhetorischen Steigerung zu Liebe der Gegensatz eingeschoben, fit]
KulvTtrE — vitTjQBrav , ccXXcc qvov (xs. In Prosa würde etwa ^vv olg
Qvov ,a£ fujöh y.cdvtprig .... gesagt sein. Folglich bedurfte es nur
der Vertauschung des störenden Punctums hinter vTttj^ercov mit einem
Komma. — 330 löia^ovrcog öe eItcsv (og eavrrjg rqixiig Q'iyyuvsi^ et
(ifj aga TtQog xo Öv ß a& kicx (^dvöa&Xcai Trikl.) V7ti]vti]}iei> (leg. aTtrjV-
Ti]KEvy Hr. D. vermulhet ö i(jci& Xia c, wie der Schol. 328 in sei-
nem Texte gelesen zu haben scheine, was nach Elmsley wahrschein-
lich auch Laur. von erster Hand hatte. Trotzdem mufs ich entschie-
den an övadd-Xiai und der in meiner Ausgabe gegebenen Erklärung
festhalten. Sehr möglich, dafs schon alte Grammatiker Anstofs nah-
men an dem ana'^ EiQtji.ievov övöad-ktog, welches K. Fr. Hermann
im Rhein. 3Ius. von W'eicker und Ritschi II, 601 ff. geradezu verwerf-
lich findet. Ich habe in der Ausg. an das homerische öv(ja^[X0Q0g er-
innert und füge jetzt noch aus Empedokles Vs. 14 ed. Karsten 6v6-
di'olßoghe'i, welches Näke de Choerilo p. 164 ohne Grund in ro ölg
avokßog verwandeln wollte. Anderes ähnlicher Art s. bei Lobeck Pa-
tholog. I, 194. Döderlein Ilom. Gloss. I, 78, welcher Sva^lEyrig dar-
nach erklärt. So wird auch M. Haupt seine Lesart Horat. Carm. III,
14, 11 verslanden wifsen wollen :
vos^ 0 pueri et puellae
iam virurn expertae , male ino m inatis
parcite verbis.
In unserer Volkssprache kommt ähnlicher Pleonasmus vor, z. B. bö-
ser Unstreit. — In dem Schol. zu 489 vermufhete K. Fr. H.
in der Allgem. Schulzeitung II. 1833 S. 477 für xo öe rtov EVTCcaQLÖäv
yivog vielmehr die Nennung einer bestimmten gens sacerdotalis, etwa
Ev-JtvQiöav. Indes scheint von den Hesychiden bestimmt die Rede
auch schon in diesen W^orten, wonach jene zu den Eupatriden zählten.
— Schol. 668 war die Interpunction zu berichtigen: ■)] diaxQißr] rov
%0Q0V TtQog xo iyKa)[.iiov xijg xcogag avxov xov l^og^oxliovg , inl xo
i'öiov aTtavxcovxog yaQay.xniQLGxLy.ov^ xo yXacpvQov y.al coölkov p-E-
Xog. Ob nicht vielmehr Kcd jHfAwd^iXov? — Für die Stelle des Phi-
lochoros zu 1047 waren die eingehenden Bemerkungen H. Sauppes
508 Dindorf: Scholia in Soplioclis tragcedias.
Jen. AUgem. Litteraturzeitg. 1845 Nr. 60 S. 237 nicht zu übersclin. —
10Ö9 TT] V leua> ixitqctv t] xov ^iyaXecov löcpov, a örj n£Qi%(ÖQia
(pcißlv £lv<xL. Triklinios tTniMqia , Brunck mit Zustiirunung- üiiidorfs
TCEQixcoQa. Ich hatte veniiutiict nktjßLOxcoga. — Zu 1248 erfahren wir,
dafs das Bruchstück aus Acschylos' Ileliaden nicht im L fehlt, wie
Elmsley angibt. Folglich hat nicht, wie man geglaubt hat, Triklinios
an dieser Stelle vollständigere Schollen gehabt.
Antigone 15 acp ov TtenlBVY.uG t,v "EXXrjvsg. Dadurch wird
(pQOvöog AQyeicov ßxQccrog umschrieben. Merkwürdigerweise hat
noch niemand bemerkt, dafs necpevyaöiv zu schreiben ist. — 20 war
es nicht nölhig, das handschriftliche o yioX^og mit o KO'/^Xog zu ver-
tauschen, wie schon von Lehrs erinnert ist, der auf Schiifer zu Schol.
Ap. hh. III, 859 verweist. — In den Versen des Kalliniachos zu Vs. 80
schreibt Hr. D. mit Buttmann Mytliol. II, 124 (nicht 274) richtig
ayQaÖE xoi, (Par. A ccyQaöixm) und vergleicht für die vom Apollonios
Dyskolos bezeugte Form äy^aös Hesychios s. v. ^^livaöe, cog
ayQCiöe. Auch 'Sllivaöe wird kein anderer als Kalliniachos gebraucht
haben. Schwerlich würde ein älterer Dichter sich die Freiheit ge-
staltet haben, nach trügerischer Analogie von alade^ ol'rMÖe, qvyaöe
(von oT^, 9^i^b) zu bilden ciyQaös und SllevaSe, wie von äyQg , SlXrjv,
statt SlXcPOi'de^ ^XevujvÖe. — 100 war ÄKXLg] ''Avxl xov axxLV nicht
beizubehalten, sondern mit Laur. anxivog herzustellen. Denn der
Schol. will nicht sagen, ccKxig sei für die plebejische Form aKxiv ge-
setzt, sondern er verkannte die Parathcsis anxlg^ xo näXXcavov cpag
und nahm den Nominativ für den Genetiv^ Das geht hervor aus dem
Schol. zu demselben Verse : xo öe iS,))g' w xijg ay.xivog xov rjXtov (pcog^
xo (pavlv ij^iiv üxX. — 292 H ^ExacpoQcc ano xav vnol^vyibiv xtov fiYi
ßovXo^evcov VTTO xov ^vyov elvaf xavxa, (pi^ßlv, vn i/ieivcov ttqux-
XEXcaxcov fiij ß ovXoi.tEV03v Xad-Qa öaXEvOca xfjv -yjfiExeQav aQXtjV.
Brunck strich das zweite (a.'^. Allein xav (X)] ßovXojjLEvcov ist wohl aus
der frühern Zeile durch Versehn wiederholt. Vielleicht xäv ^rii<xva-
IxEvav oder iii]§o^ev(ov. — 535 tj anaQvr] Eivat ivio^orog; Vortreff-
lich Neue Eiöivai. — Trach. 670 Mird aus Laur. das Scholion nach-
getragen: ov di'] XI XMV 6(ov HganXEt: xovxo Kdx iQcoxrjacv. ov^evekcc
(OV aTxJoxaXyMg öcoqojv tcj HgaxXEi a&vuEig;
^^'eit reicher ist der Gewinn aus den neu eröffneten Hilfs-
quellen für die Schollen zum Aias , welche nicht blofs manig-
fach bcfser gestaltet, sondern auch bereichert werden. So wird
das im Laur. verstümmelte Scholion zu 27 durch F so hergestellt:
ciTio xov al'iiaxog. '1] Ttoi^vtav ETtiaxaraig xolg kvölv ovk ei'aßE
yaQ vj ^yi&}]vä av&Qconov ccveXelv. Gut bemerkt Schol. G zu 45 Tti&a-
vov xov ÖEÖLorog xo TTQoGconov coGxs nXslovag EQCoxyjdELg ano xov OdvG-
6Ecog yiyvEGQ-cci. Zu 340 FG : OQCi noßa EE,ioQ-Ev inifpEQEi xij xQaywöCa
TiaQ-^l 0 noirjxrjg, cocTrs nal iTtl xa Ttaiöl aycovtäv xtjv TEnixijOöav. Zu
1161 G: üitEiGLV 0 MEviXciog nal xoxe o X^Q^^S UQCoyog cov xov Tev-
HQOv xa TtQog xrjv xdcprjv inixi^dEia XEyei, wie in demselben Codex eine
ähnliche TtaQSTCiyQacpi^ zu 815: TtQOEX&oov aig xo OQog (x}]v eQrjfiov?)
Dindorf: Scholia in Soplioclis Iragoedias. 509
ro ^^(fog ry yrj n^oos^eißag tpO'i'yysrai ttqoq invrov. Zu 554 l)cmcrkt
Hr. D., dafs die Annahme, Epaplirodilos habe über Sophokles ge-
schrieben , auf einem Misversländnis beruht. Zu 581, 3 fügt G den auch
von Suidas in seinem Exemplare vorgefundenen Vers aus Sophokles"'
Uoiixiveg : ov
Xoyco yaQ ekxog ovSev ol n xv^etu,
wo Hr. D. olöc( nco y^uvov schreibt, zum Theil mit Suidas, vergl. fr.
Sopii. 483. — Zu 596 konnte wohl der Vermulhung 0. Müllers Kl.
Sehr. I, 535 gedacht werden, dafs statt Gvy^kY.'ki.xui nicht (Svyv.i%\zi-
6xai, sondern EL6%exvKXijruL zu schreiben sei. Freilich verlangte dann
das Scholion zu 615 ölcc ro GvyKSKXsLKivccL iavrov eine und zwar starke
Aenderung. — Bei 609 war nicht zu übersehn, dafs Lobeck für o fiij
nXaväiisvog vermuthet 6 iiniiad'e^o^isvog. — In dem Scholion zu 695:
rj aXinXayKXE avxi xov ^eyaXocpoJve ev xy lOQsia, cog aXißQo^e, hat
der alte vortreflliche Rector Jäger von Meldorf glücklich eine andere
Lesart aXixXayKxe erralhen, auf welche die Erklärung auch Neue ge-
führt hat. Letzterer verbefsert auch zu 784 richtig eöeLös in iöirjös,
aKKciXovvxeg in ixxccXovvxai. Ref. selbst will nur noch auf eine kleine
Verwirrung in dem Schol. zu 1185 und 1186 hinweisen. Zum ersten
Verse, wo nur der Sinn umschrieben wird, wird hinzugesetzt: xov-
riaxt xav xaxa TtoXe^iov fioxd-cjv, ohne dafs man sieht, worauf sich
die Erklärung beziehe. Der Codex G läfst die Worte deshalb wohl
weg. Aber sie gehören zum folgenden Verse: noXvTtXdyxxcov] ku&o
noXXa nXavcojxE&a ev aXXoöaTtij ' TtoXenLxcov. Vor letzterem Worte
füge man obige Worte ein.
El. 539 Aa^ßavovxaL xLvsg xov Tcoirjxov. Richtig Heyne Apol-
lod. p. 289 ErciXa [xßavovxai. Eine gute Bemerkung kommt in GH
zu 604 vor : tiqoxsqov ^ev ngog xov xoqov eItve tteqI xPjg y.a&oöov
OqeGxov vvv öe TtQog xo avEXEiv ryv vTtoipiav qiyjßlv etcqccGGov av.
Zu 702 wird ^vycorav durch a^vycov erklärt, wofür G. Wolfi" ev^v-
ytöv wollte. Mir scheint wahrscheinlicher di^vycov. —
Auf ausführliche Indices zu den alten Schollen , der Biographie
und den Hypothesen folgen die Zl^oXia vEioxEqa ^ darauf die des Tri-
klinios nebst den Icctiones edilionis Ttirtiebianae, schliefslich eine
genaue Beschreibung der beiden Dresdener Handschriften und ihrer
Schollen. Den Schlufs macht wiederum der Index Graecus in Scho-
lia recentiora.
Eine Bemerkung möge uns noch gestattet sein, die sich auf Joan-
nes Tzetzes bezieht, welcher dem Codex G zufolge auch an einigen
Dramen des Sophokles sich versucht hat. Er sagt in Cramers Anecdd.
Oxonn. III, 337 zu dem Verse, worin er Pratinas allein als Satyrdich-
ter namhaft machen zu können versichert, in einer spätem Randbe-
merkung: xovro eItcov 7}7tax}]iiEvog xoig i^rjyovfiivoig EvQinidjjv xal
^ocpoxXia yQCix\)Ci6t.v ovx(a' xo ÖQa^ia xo rijg ^AXxrjGriöog EvQiTtlöov
xal 0 Ogißxyg xal rj SocpoxXiovg ^HXekxqü xal oöa xoiavxa, ßaxvQixcc
siGi xal ov xgayiKa • ktco Gv^cpoQcav yaq xal daxQvav slg yccQav
xccxavxooöi. Die Worte xolg iE,i]yov^ivoig EvQiTtiSrjv xal ZocpoxXsu
510 G. Curlius: griechische Schulgramniatik,
soll ja niemand so verstehn, als habe Tzelzes etwa Scholien zum So-
phokles vor sich gehabt, aus denen er dergleichen Behauptungen ent-
lehnen konnte. In der ganz ähnlichen Palinodie seines frühem Irthums
Prolegg. in Aristoph. (11. Keil Rhein. Mus. VI, 116) nennt er seine
Verführer oC rgaymag ßißXovg i'^yjyrjöai.isi/oi. Sondern der eitle Prah-
ler kannte weiter nichts als das Scholion zum Orestes 1686 und aus
diesem allein ist seine Weisheit geholt, nur mit einem Unterschiede-
Denn während der alte Grammatiker zum Euripides bemerkt: xai
biioioig (wie in der Alkesiis) xal iv Tvqol So(po7,Xiovg avayvoiQiG^oq
■HttXtt xo riXog yLverai, setzte Tzetzes an die Stelle der ihm fremden
Tyro, die er obenein in der handschriftlichen Verschreibung iv rvQoi.g
nicht ahnen mochte, von den drei ihm genauer bekannten Dramen
(Aias, Oedipus Rex, Elektra) dasjenige, in welchem ein freudiger
avayvcoQißi-iog gegen Ende stattfindet. Ein einigermafsen vernünftiger
Mensch würde nie diesen Aberwitz gemacht haben, die Elektra des
Sophokles zu den Schauspielen von satyrhaftem Charakter zu rechnen.
Hätte er noch die euripideische gewählt !
Göltingen. F. W. Schneidewin.
Griechische Schulgrammatik von Dr. Georg Curtius, k. k. ordentl.
Professor der classischen Philologie an der Prager Universität.
Prag 1852. Verlag der J. G. Calveschen Buchhandlung. F. Temps-
ky. X und 311 S. gr. 8.
Schon der Name des Verfafsers bürgt dafür, dafs wir es hier
nicht mit einer jener Dutzendarbeiten auf dem Felde der Schulgram-
matiken zu thun haben, die alljährlich auf den Markt gebracht werden.
Wenn Hr. Prof. Curtius durch den Gangseiner sprachwifsenschaft-
lichen Studien vorzugsweise befähigt war, mit sicherm Urlheil die
feststehenden Resultate der vergleichenden Sprachwifsenschaft in das
populäre Gewand einer Schulgrammalik zu kleiden, so hat er ande-
rerseits auch die paedagogischen Anforderungen, die man an ein für
den Unterricht bestimmtes Schulbuch zu stellen berechtigt ist, nicht
aus den Augen gelafsen. Eigne und fremde paedagogische Erfahrun-
gen, mehr noch ein angeborner praktischer Takt, der sich auch in
den rein wifsenschaftlichen Arbeiten des Verf. ausspricht, sind ihm
dabei auf das vortheilliafteste zu stallen gekommen. In den Augen
praktischer Schulmänner wird es den Werth dieser Grammatik nur er-
höhn, dafs sich die Wifsenschaftlichkeit nirgends auf Kosten der Pra-
xis breit macht. Blan sieht, dafs dem Verf. die Anforderungen der
Praxis die oberste Richtschnur gewesen sind; die ^^'ifsenschaftlichkeit
ist überall nur die stillschweigende, selbstverständliche Voraussetzung,
der solide Unterbau, der zAvar nicht in die Augen zu fallen bestimmt
ist, der aber das wohnliche Gebäude stützt und zusammenhält. Der
Verf. spricht S. IV der Vorrede die Befürchtung aus, dafs er vielen
zu viel, einigen zu wenig von den sichern Ergebnissen der verglei-
G. Cni'tius : griechische Schulgrammalik. 511
chciulcii Sprachwifsoiischaft aufgenommen zu Iial)cn scheinen würde.
Uiese Bct'iircliliin}^- liäll lief, für grundlos; denn obwohl in einzelnen
Fällen sich über das mehr oder weniger rechten liefse, so mufs doch,
wenn man das ganze dieser Schulgrammalik beurlheilt, das Urlheil
dahin ausfallen, dafs im ganzen das richtige Mafs beobachtet ist. Es
ist hier wesenllich zu unterscheiden zwischen dem Standpunkte des
Schülers und dem des Lehrers. Für jenen ist gewis nicht zu wenig
gegeben, aber ebenso gewis auch nicht zu viel, wenn man überhaupt
dem Schüler mehr als Paradigmen zum Auswendiglernen in die Hand
geben will. Für den Lehrer wäre allerdings, wenn man voraussetzen
wollte, dafs derselbe sein Griechisch erst aus der Schulgrammatik,
nach derer unterrichten soll, lernte, zu wenig gegeben. Aber von
dem Lehrer soll man, so gut wie er mehr grammatischen Stoff be-
herschen mnfs, als in dieser Schulgrammalik gegeben ist, ebensowohl
auch dieselbe Wifscnschaftlichkeit voraussetzen, die die Grundlage
dieser Grammatik bildet. Er soll durch wifsenschafdiche Sprachstu-
dien in Stand gesetzt sein, zwischen den Zeilen einer solchen Gram-
matik zu lesen, und mit eigner freier Arbeit den in der Grammatik
niedergelegten und richtig disponierten Stoff flüfsig und lebendig ma-
chen können. HolTenllich ist die Zeit nicht fern, wo die Mehrzahl der
Lehrer das können wird, und jedesfalls heifsen wir eine Schulgram-
matik, die an den Lehrer die stillschweigende Voraussetzung sprach-
wifsenschaftlicher Studien macht, als ein erfreuliches Zeichen der Zeit
willkommen.
Sehr mit Recht hat der Verf. das etwaige Bedürfnis der Lehrer
dem praktischen Bedürfnisse des Schülers nachgestellt, während noch
K.W. Krüger seine Grammatik sowohl für Schüler als für Lehrer
berechnete, wovon freilich die Folge war, dafs er später trotz seiner
entschiedenen Verwahrungen gegen Elemenlargranimatiken (Vorrede S.
IV. VI) einen Auszug aus seiner Schulgrammatik zu veranstalten sich
veranlafst sah. Die Curtiussche Schulgrammatik ist in Wahrheit eine
Schulgrammalik, die den Schüler durch die ganze Schule begleiten
soll und kann. Sie enthält zwar nicht viel mehr Stoff als die Küh-
nersche Elementargrammalik; aber letztere würde auch bei einiger
Erweiterung der Syntax in der That für die ganze Schule ausreichen ;
und ebenso wird es die vorliegende Grammatik, vorausgesetzt dafs
der Lehrer bei der Leetüre griechischer Schriftsteller einzelne Beson-
derheiten, die in der Grammatik nicht ausgeführt sind, selbständig
und mit Anknüpfung an das in der Grammatik gegebene darzustellen
weifs. Dabei ist die Grammatik für den Anfang keineswegs zu schwer,
obwohl nicht der Gang des Unterrichts durch abgetheilte Pensa oder
ähnliche Hilfsmittel vorgezeichnet, sondern auch in dieser Beziehung
Vertrauen auf die Selbständigkeit des Lehrers gesetzt ist. Für die Ein-
übung der in der Grammatik selbst gegebenen Regeln hat der Verf.
durch eine Anzahl deutscher und griechischer Uebungsstücke gesorgt,
die als Anhang S. 242 — 283 stehn. Da er indessen selbst diese Auf-
gaben für die vollständige Einübung der Grammatik nicht ganz aus-
512 G. Curtius: griechische Schulgrammatik.
reichend hält, und inzwischen die in der Vorrede vcrheifscncn, an die
Curtiussche Grammatik sich anschliefsenden Uebungsaulgaben von
K. Schenk 1 (Griechisches Elementarbuch für die 3te und ite Ciasso
der Gymnasien der üsterr. Kaiserstaats. Prag 1852) erschienen sind,
so schliel'sen wir jene Aufgaben ganz von unserer ßeurtheilung aus.
Auch insofern ist die Grammatik auf das Bedürfnis der ganzen
Schule berechnet, als sie neben dem altischen Dialekte, der überall
in der Formenlehre den Mittelpunkt bildet, zugleich die hauptsäch-
lichsten Eigenthümlichkeiten der andern Dialekte, namentlich des epi-
schen und ionischen Dialekts , in fortlaufenden Noten unter dem Texte
behandelt. Es erscheint dies jedesfalls praktischer als ein Gesammt-
anhang über sämmtliche Dialekte, da der Schüler, wenn er auf die
Dialekte eingehn mufs, mit einem Blicke das zur Anknüpfung nölhige
Material übersehn kann. Nur in der Syntax ist von jener parallelen
Darstellungsweise Abstand genommen , und es sind vielmehr die Ei-
genthümlichkeiten der homerischen Syntax im Texte selbst dargestellt,
was durchaus Billigung verdient, da die syntaktischen Erscheinungen
nur im Zusammenhange selbst begriffen werden können, und ein Ge-
genüberstellen abweichender homerischer Constructionen unter dem
Texte nicht genügt haben würde jenen Zusammenhang klar zu machen.
Dafs übrigens der Verf. den attischen Dialekt zum Mittelpunkt seiner
Darstellung der Laut- und Formenlehre gewählt hat, wird vom prak-
tischen Standpunkte aus gewis allgemeinen Beifall finden ; denn es ist
so einmal Usus geworden, und der Usus hat nicht blofs in der Sprache
sondern auch in der Schulpraxis sein gutes Recht, abgesehn davon,
dafs dieser Usus durch innere Gründe hinlänglich gerechtfertigt ist,
während der Versuch die homerische Formenlehre zum Ausgangs-
punkte des Elementarunterrichts zu machen *), so geistreich er durch-
geführt und mit so gutem wifsenschaftlichen Rüstzeug er ausgestattet
ist, doch eben nur als ein zuläfsiger paedagogischer Versuch, nicht
aber als eine äufserlich und innerlich bewährte Methode angesehn
werden kann. \^'ie in der Wahl des attischen Dialekts zum Mittel-
punkte der Darstellung, so hat der Verf. auch rücksichtlich der Ter-
minologie sich strenger an das hergebrachte gehalten , als der Verf.
der homerischen Formenlehre, ohne darum die Richtigkeit der Dar-
stellung des sprachlichen Thatbestandes den oft falschen Gesichts-
punkten entlehnten Terminis, die aber eben deshalb zu leeren Namen
werden, aufzuopfern. Uebrigens hat der V'^erf. hie und da neue T&r-
mini erfunden oder eingeführt, aber dabei in der Regel die Beschrän-
kung sich auferlegt, nur solche Ausdrücke zu wählen, die noch
nicht anderweitig verwendet waren, und nur für solche Sachen,
an denen nicht schon ein älterer traditioneller Name zu fest zu haften
*) Ahrens: Griechische B'ormenlehre des Homerischen und Atti-
schen Dialekts. Göttingeu lSj2. Vergl. des Ref. Anzeige in den
Götting. gel. Anz. 1852. St. 80 — 85 [und die Anzeigen von Ca pell -
mann und Curtius in diesen NJahrb. Bd. LXVl S. 348 ff. und Bd.
LXVII S. 3 ff.]
G. Curlius : griecliisclie Schulgramnialik. 51.'J
schien. Dabei liat or die Namen so gowälill, dafs sie eine aiindeslens
andeutende Ciiarakterisieriuig der Saclie enlliulten; so z. li. unter-
scheidet er iivilja und i(pi]ia als s i g m a t i s c h e n und s u p p I e l o r i -
sehen Aorist; so classiliciert er die Släniuie dritter Ueclinalion als
CO nsonan tische, vocalische, elidierende, olFenbar eine weit
passendere Grundlage für die Darstellung der dritten Dedinalion, als
Avenn man sie in gewöhnliche, conlrahierte und synko|(iertc eintheilt.
Zuweilen möchte man allerdings andere Namen gewühlt sehen; z. B.
würde lief. «, £, o im Gegensatz zu i, v lieber als starre Vocale,
letztere als flüfsige bezeichnet sehn, während der Verf. hier hart
und weich einander entgegensetzt. Ich maciic diese Ausstellung nicht
deshalb , weil ich das Wesen des Gegensatzes, das sich schwerlich
durch zwei Epitheta geben läfst, durch jene Ausdrücke glaubte befser
bezeichnet zu haben, sondern lediglich aus dem Grunde, weil die
Termini hart und weich schon für die Classification der Consonanten
vorweggenommen sind, und es mir zur Verhütung von Confusion wichtig
scheint, dem Schüler nicht dieselben Termini für wesentlich verschie-
dene Dinge zuzumuthen. So z. B. würde der Begrilf dessen, was man
unter Genus beim Verbum versteht, ohne Zweifel den Schülern viel
leichter klar werden, wenn man dafür eine andere nicht mit der No-
minalterminologie collidierende Bezeichnung hätte, wie ja denn die
griechischen Grammatiker hier keineswegs yevog, sondern öiad'eöig
sagen. Sollte man dafür nicht jetzt noch Status Verbi einführen
können? Gegen die Anwendung der Ausdrücke stark und schwach,
die der Verf. in der Verballehre zur Unterscheidung der beiden Ao-
riste und der beiden Perfecta gebraucht, habe ich mich schon an einem
andern Orte *) erklär*. Sie trelTen das Wesen der Sache doch nicht,
wie schon daraus hervorgeht, dafs die S. VI der Vorrede gegebene
Definition der beiden Ausdrücke an irQamjv zu Schanden wird, und
sie bringen in den verschiedenen Sprachen, die der Schüler lernt, ver-
schieden augewendet nur Unklarheit und Begriffsverwirrung hervor.
Die Formenlehre (S. 1 — 153) enthält in 13 Capifeln (leider fehlt
ein den Ueberblick über die Anordnung erleichternder Conspectus)
die Lehre von der Schrift, von den Lauten, von den Lautverbindungen
und Lautveränderungen , von der Silbenabtheilung und der Quantität,
von der Betonung, von der Declination der Nomina, vom Adjectiv,
vom Pronomen, vom Zahlwort, von der Conjugation auf oj, von der
auf ft£, von den unregelmäfsigen Verben, von der A\'ortbildung. In
der Formenlehre zeigt sich die eigentliche Stärke des Buchs. Könnte
man auch wünschen, dafs der Verf. sich in der Disposition der Haupt-
materien nicht so streng an die hergebrachte Ordnung gehalten, son-
*) Götting. gel. Anz. 1852 S. 827. 836 gegen Ahrens, der übri-
gens die Ausdrücke aufser beim Perfect auch zur Bezeichnung des Ge-
gensatzes der Praesentia der a- und fl^-Conjugation gebraucht, und
ganz consequent dahin kommt, den Aor. II timov für eine schwa-
che Form zu erklären im Gegensatz gegen f'czrjv,
m. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVII. Hfl. ö. 34
514 G. Curlius: griechische Schulgrammatik.
dem z. B. die Wortbildung- vor die Flexionslchrc gestellt hätte, wel-
cher Stellung die praktischen Uücksichlen ebenso wenig entgegenstan-
den als der der Lautlehre (s. Vorr. S. IV. V), so ist doch innerhalb
der einzelnen Capitel die Richtigkeit der Disposition, die Hervorhe-
bung des wesentlichen und wichtigsten, die verständliche Kürze der
Darstellung sehr anerkennenswerth. Man überzeugt sich davon am
leichtesten, wenn man einzelne Abschnitte mit den entsprechenden
Darstellungen anderer Lehrbücher vergleicht. So ist mir namentlich
die Vergleichung der Darstellung der Erscheinungen am Laute ^■, einer
31aterie die früher noch nicht in griechische Grammatiken aufgenom-
men war, bei Ahrens (S. 183 — 185) und bei Curtius (S. 17) für die
Grammatik des letztern ein Beweis der allersirengslen Rücksichtnahme
auf das Bedürfnis der Schüler gewesen.
Nur selten hat diese der Verf. verlafsen, und hie und da haben
sich selbst nicht praecise Ausdrücke eingeschlichen. Ich rechne dahin
z. B. §. 31: 'Die Consonanten werden zweitens nach dem Grade, in
welchem sie ohne Hilfe eines Vocals hörbar sind, d. i. ihrer Art nach
eingelheilt in stumme {mutete^ und tönende (semivucales)' Wenn es
noch umgekehrt hiefse: Die Consonanten werden ihrer Art nach, d. h.
u. s. w., so könnte man sich die Dellnition des Artunterschiedes ge-
fallen lafsen, während so die Identificierung der Begrilfe Grad und
Art nothwendig Anstofs erregen mufs, abgesehn davon, dafs kaun»
von einem Grade der Hör b ark e i t gesprochen werden kann.
Warum der Verf. »5^. 43 bei dem Wechsel der drei Vocale «, f, o
behauptet, dafs f in der Regel der ursprünglichere Vocal sei, vermag
ich nicht einzusehn, da jedesfalls immer « der ursprünglichste Laut ist,
und das Factum des Wechsels zwischen £ und a im Verhältnis des
Praesens zum Aoristus II sich ebenso gut für die Praxis darstellen
liefs , wenn §. 257 gesagt wäre: 'statt des aus cc entstandenen £ des
Verbalstammes tritt das ältere a im starken Aorist wieder hervor.'
Ueberhaupt glaube ich nicht, dafs es zu weit gegangen wäre, selbst
nicht für den Schüler, wenn der Verf. gleich §. 25 das geschichtliche
Verhältnis der Läute £ o zu a, nq ca zu ä angedeutet hätte; zumal da
dann sowohl bei der A-Declination der Wechsel zwischen a. und y]
§. 115. 116 fafslicher, als auch die Identität der A- und 0-Declinatiou
'Jj. 134 klarer werden würde, als durch Angabe der übereinstimmen-
den und abw eichenden Einzelheiten. Auch hätte sich dann der Gene-
tiv vEdviov als ein Uebertritt in die 0-DecIination erklären lafsen, den
anzunehmen jedesfalls gerathener ist, als die §. 122 angenommene
Verwandlung des ä zu £, die ohne Ersatz der Quantität durch a (üo ^=
£0)) ihr bedenkliches hat.
Bei der dritten Declinalion, deren Darstellung ebenso compendiös
als plan ist, und deren Eintlieilung in consonantische , vocalische und
elidierende Stämme ich schon erwähnt habe, hätte ich unter die voca-
lischen Stämme nur die i- und i;-Stämme, so wie die diphthongisclien
gestellt, dagegen das, was dort als 0-Stämme bezeichnet ist, mit den
elidierenden Stämmen vereinigt. Denn läfst sich auch die eigentliche
0. Curtius: griechische Scliulgramnialik. 515
BeschafFciihoit jener 0-Stiiinmc wifseiiscliafllich nicht 7,11 völliger Klar-
heit bringen, so ist doch Tür eine Anzahl der dazu gerechnclen Stäm-
me die Elision gevvis , z. 1}. für aidwg , »^wg, deren g oiine Zweifel
thematisch ist, und für ij^io und ähnliche; daher >\ar es wifsenschaft-
lich mindestens ebenso gerechtfertigt, etwaiye nicht elidierende Stäm-
me mit den wirklich elidierenden zu vereinigen, als elidierende mit
den vocalischen. Praktisch aber scheint einleuchtend zu sein, dafs
die sogenannten 0-Stämme durch die Darstellung der t- und v-Stämme
nichts gewinnen, während es den Schüler verwirren kann, wenn er,
der eben eine 0-Declination kennen gelernt hat, nun 0-Slämme in.
einer andern Declination wicderlindet.
Bei der 3Iotion der Adjecliva liegt die richtige Erklärung der
Entstehung des femininalen Ausgangs via aus dem masculinen ot-
(§. 188) dem Schüler allerdings zu fern, als dafs sie hätte gegeben
werden können, nicht so aber meiner Meinung nach die der Endung
ovGct aus ovtia. Denn es brauchte ja nur an §. 60 angeknüpft und
aus der Neigung des r zum Uebergange in 6 vor i die Verwandlung
des na zn 6a erklärt zu w erden , w ährend Curtius geradezu aa als
Form des femininalen Sufiixes aufstellt und nun ov6a aus oviaa
erklärt.
Bei der Comparation hätte eine Ilinweisuiig auf die Identität des
Bildungsprincips der adjectivischen Sleigerungsformen, der Ordinal-
zahlen und der Possessivpronomina *) gewis nicht die Fafsungskraft
der Schüler überstiegen und nur dazu gedient, das eine durch das an-
dere zu befestigen, zumal wenn der Verf. die Zahlwörter unmittelbar
auf die Adjectiva hätte folgen lafsen , statt sie durch das Pronomen
davon zu trennen. Jene Identität ist in der That merkwürdig genug,
und ich glaube darin auch einen Fingerzeig für die richtige Erklärung
der Form ßeXrlcov gefunden zu haben. Dieses ist sicher nicht aus einem
Stamme ßeXto^ wie der Verf. angibt (S. 62), mit lov gebildet, son-
dern aus einem Stamme ßsX, der durch die homerischen Formen ßik-
teQog, ßik-ratog erwiesen wird, mit Suffix tiov. Dieses rlov findet
sich nun sonst zwar nirgends als Comparalivsuffix; es ist aber höchst
wahrscheinlich mit Suff, tija verwandt, das in skr. trilija^ dvitija
als Ordinalsuffix erscheint {ler-tius ; vergl. auch vnxiog, TtSQiaaog für
neQtriog, propi-tius), und neben welchem auch ija ohne f in turija
vorkommt. Will man noch weiter gehn und auf die Analogie der Pos-
sessivpronomina ■ijuireQog , viiireQog^ rioster , vesler ^ einen Schlufs
stützen, so ist wohl auch das im Skr. Possessivpronomina bildende
Suffix ija, z. B. madlja, tvadija mit jenem ija von turija identisch
und also das Prototyp zu dem Comparativsuffixe ijaiis sowohl, als zu
*) Nicht blofs TjfiszSQog ktX. stehn in dieser Analogie, sondern
auch ohne Zweifel ifiös, ßög; denn das Suffix 0, durch das sie aus
dem Pronominalthema abgeleitet werden, kehrt bei den Ordinalzahlen
in 6y(io-os , im Skr. bei den höheren Zahlen (z. B. ekada^a) öfter
wieder.
34*
516 G. Curlius: griechische Schulgranimalik.
dem Ordinalsuflixe tiju ^ und rt'cov verhielte sich zu ioav nicht anders
als tija zu ija und Iura zu ra. Was den Stamm ßs\ anbelrilTt, so
möchte ich darin am liebsten die Wurzelform des Verbs ßovkoLiai
(/5oA-o,ußi s. Butlmann Lexil. I, 28 und vergl. latein. nolo^ pel-le) er-
kennen, aus der ßeXieQog ähnlich gebildet wäre wie cpiQxeoog aus
g)£Qa}. Wäre hiergegen von Seilen der Bedeutung nichts einzuwen-
den, so könnte man kcoicov in ähnlicher Weise mit dem Verbum Aaw
in Verbindung setzen. Diese losgerifsenen Trümmer sprachlicher Bil-
dung laden verführerisch zu Erklärungsversuchen ein; so erinnere
ich mich nicht, irgendwo einen Stamm von fxeiav angegeben gesehn
zu iiaben; sollte dasselbe aus dem adjectivisch gefafsten Begrilfe der
Negation /iir/ erklärt werden können? Wegen des Uebergangs von tji
zu £t könnte gleich nksimv verglichen werden, dessen Verwandtschaft
mit Wurzel nla (TtijATcXavai.) und also auch wohl in weiterer Instanz
mit TcoXvg klar ist, das aber zunächst gewis auf einer Form TrXtj be-
ruht, dem Thema zu dem accusativischen Adverb nXtjv. Der Stamm
QU, aus dem ^acov gebildet ist, ist wohl identisch mit skr. rä-s^ lat.
re-s; in dem i subscr. von ^cidiog mag man einen Nachklang des in
die Declination von ras eingedrungenen j erkennen; jedesfalls ist ^a-
öiog gebildet wie Cva-öiov, und die Wurzel rä dürfte nichts anderes
als facere bedeutet haben, daher ^ordiog =: faeilis. Für die Ablei-
tung des Comparativs unmittelbar aus qa vergleiche man auch ^äd^viiog.
Bei Curtius ist jr^coiro^ richtig mit virazog zusammengestellt. Aber
warum hat Curtius nicht zu iöiaxog als Grundform iE, gesetzt, was
doch so wenig bezweifelt werden kann, wie im Lateinischen die Zu-
sammengehörigkeit von ex und exterior^ exlremus, und für den Schü-
ler mindestens ebenso verständlich ist wie die Ableitung des vnccrog
von vtcIq ^ statt deren ich aber lieber vnaxog von vtc6 abgeleitet ge-
sehn hätte , was zwar auf den ersten Blick sehr paradox erscheinen
mag, aber jedesfalls nicht schwerer ist, als die entschieden nicht ab-
zuleugnende Thatsache der Verbindung von vno und vniq, sub mit
super ^ vpa m\l vpari. Denn ohne Zweifel ist vtÜq eben ein adver-
bialischer Comparativ zu vnö.
\Mr gehn zum Verbum über. Wie das Verbum das Meisterstück
der Sprache ist, so sollte die Behandlung des Verbums die Meister-
schaft des Grammatikers zeigen. Und allerdings kann man hier die
Darstellung des Verbums für die gelungenste Partie des Buches an-
sehn. Hier ist kein wesentliclier Vorzug der frühern Darstellungen
aufgegeben, keine anstöfsige neue Terminologie (abgesehn von stark
und schwach) eingeführt, und doch sind die Resultate der ^vifsen-
schaftlichen Forschung nicht allein zur Geltung gebracht, sondern in
einer Weise, dafs sie in der That zur Vereinfachung dienen. Ref.
freut sich, die Schwierigkeiten der Darstellung des Verbums durch
eine Vereinigung der bisherigen Behandlun^sweise mit den neuen
Aufschlüfsen wifsenschaftlicher Forschung, die er schon in seiner Kri-
tik der Ahrensschen Formenlehre für nothwendig erklärte, in so prak-
tischer Weise überwunden zu sehn. Zunächst hat der Verf. die Ein-
G. Ciirliiis: f,n-iccliisclic Scliulgraminalik. ')i7
Hieilmijr der Conjiifi^alioii in Conjiij!:. auf« iitnl /.<i hcibelialleti. Sodaim
hal er kein (jesaiiiiiil|)aracJi)^ma <,^e)^el)eri, sondern die einzelnen Teni-
p usstänime nacheinander darj^cslelll. Diese Tenipnsstämine en(sj)re-
clien den Alirenssclien Fornialionssysfcmen, und wenn Cnrlins nur 7,
Ahrens aber 12 Systeme zählt, so läuft diese scheinbare Discrepanz
nur darauf hinaus, dafs Ahrens die im Acliv und Medium vorkommen-
den doppelt zählt. In der Conjugalion auf ^i wird natürlich nur der
Praesensstamm und der starke Aorislstamm (Aor. 11) behandelt, weil
darin allein die Verba auf fit abweichen. In der Conjugalion auf w
wird aber zunächst der Praesensstamm dargestellt, woran sich sofort
die wegen des Imperfecis nöthigen Hemerkungen über das Augment
und die Darstellung der Vcrba conlracla anschliefst, die ja nur im
Praesensstamme abweichen. Da aber der Praesensstamm aus dem Ver-
balstamme in anderer Weise abgeleitet wird als die übrigen Tempus-
stämmc, indem für jeden dieser eine durchgreifende, nur secundärcn
Unterschieden unterworfene Tenipusbildung da ist, während der
Praesensstamm durch mehrfache, nicht eigentlich lempusbildendc Mittel
aus dem Verbalstamme abgeleitet wird, so stellt der Verf. diese Ver-
schiedenheiten des Praesensstanim(!S §. 245- — 253 dar, wodurch zu-
gleich für die übrigen sechs Tempusslämme die Möglichkeit gewonnen
wird, vom reinen Verbalstamme auszugehn. Nach der Verschieden-
heit der Praesensbildung nimmt der Verf. vier Classen von Verben an:
in der ersten Classe ist der Praesensstamm dem Verbalstamme gleich,
in der zweiten der Vocal des Verbalstammes gedehnt, in der dritten
der Auslaut des Verbalstammes durch r verstärkt, in der vierten mit
i versetzt. Damit ist freilich die Möglichkeit der verschiedenen Prae-
sensbildungen nicht erschöpft; in der jUi-Conjugation werden wieder
zwei Classen unterscliieden, und zuletzt noch diejenigen, deren Ana-
logie weniger weit ausgedehnt ist, unter den unregclmäfsigen Verben
auf CO als Eintheilungsgrund dieser benutzt. Nach dem Praesensslans-
me aber werden zunächst die übrigen Tempusstämme behandelt, und
bei jedem derselben die secundären Verschiedenheilen der Bildung, zu
denen der Auslaut der Stämme Veranlafsung gibt, dargestellt. So
kommt also auch die Eintheilung der Verba nach den Kennlauten da,
MO sie hingehört, zu ihrem Rechte, während, wenn man sie zum Ober-
einlheiliingsgrunde wählt, man entweder zu \N icderholungen gezwun-
gen ist, oder aber den Zusammenhang der Bildung eines und desselben
Tempusslammes, namentlich des Futurs und Aorislus I, zerreifst. Letz-
terer Zusammenhang ist aber nicht allein wifsenschaftlich werthvoller,
sondern ohne Zweifel auch praktisch wichtiger, da die Verschieden-
heilen des sigmalischen und contrahierlen Futurums z. B. sich deut-
licher herausstellen und also auch leichler und sicherer aufgefafst
werden, wenn sie so, wie in der Curtiusschen Grammatik, nebenein-
ander stehn.
Soll ich an der Behandlung des Verbums einzelnes aussetzen, was
mir falsch oder unnöthig erscheint, so ist es zunächst die Bezeichnung
des Infinitivs als Modus, die weder durch die Wifsenschaft noch durch
518 G. Curtius: griechische Schulgranimalik.
das praktische Interesse geboten sein kann und auch auf die syntakti-
sche Darstellung des Infinitivs nicht ohne nachtheiligen Einilufs ge-
hlieben ist. — In §. 233 Anm. 2 ist eine äufserliche Erklärung der
Entstehung der Formen Ivsig, kvti aus AvcGi, Xvixi der richtigen vor-
gezogen. Ich meine, der Schüler wird leichter begreifen, dafs xi in
ÖL übergellt, und aus eai dritter Person mit Verlust des ö u entsteht,
zumal da für diese Vorgänge an Lautlehre §. 60. 61 angeknüpft wer-
den kann. Befser vielleicht wäre es noch ohne alle Erklärung zu sa-
gen: 'aus £CJi wird eig, aus exi wird h.' — Bei der Darstellung des
Augments konnte wohl mit einem erklärenden AVorte auf die Aspira-
tion des Augments in tro^tav, mvdavov und ähnl. hingewiesen werden,
da die Erscheinung selbst dem Schüler Schwierigkeiten macht und
nicht leicht aufgefafst zu werden pflegt. — Dafs beim Aor. I die For-
men 'iXvöa und 'icpt]va passend als sigmalische und suppletorische
Form unterschieden werden, ist schon bemerkt. Hierbei mag es mir
gestattet sein, eine Bemerkung über die Bildung der zweiten Person
Sing. Imper. kv6ov hinzuzufügen. Curtius sagt, es tritt an XvGct v
an, wodurch « zu o verdumpft; und das ist allerdings die Erklärung,
die man auch wifsenscbaftlich für die richtige hält (s. Pott: etymol.
Forsch, 11, 307. Giese: aeol. Dial. S. 110. Curtius: sprachvergl. Beitr.
I, 347; etwas anders Bopp: vergl. Gramm. §. 727). Aber diese Er-
klärung hat ihr bedenkliches, weil die zweite Person des Imperativs
sonst mehr ein Streben nacii Verkürzung als nach Verlängerung, mehr
nach hellen als nach dumpfen Lauten zeigt, und der liebergang von
Ca in aov durch die Analogie des Verhältnisses von fteO'a zu fteO'ov
nicht vollständig geschützt wird, weil eben für Ave?« nicht das Bedürf-
nis der Unterscheidung von einer andern Form vorlag. Sollte man Xv-
60V etwa als Vocativ des Part. Fut. Xvatav auffafsen dürfen? Zwar
kommen Vocative von Participien seilen vor, und lauten, wo sie vor-
kommen, mit dem Nominativ überein. Aber das schliefst nicht aus,
dafs in ältester Zeit die Vocativbildung der Participia regelrecht den
Stammvocal zeigte, und dafs eine solche Bildung sich, für einen be-
stimmten Gebrauch qualificiert, festsetzte. Dafs Participia in der That
zum Ausdruck des Befehls qualificiert sind, beweist das deutsche
'aufgesefsen', das lateinische r/?««-wmo , aina-mim; dafs das grie-
chische Futurum auch sonst nahe an das Gebiet des Imperativs heran-
streift, beweisen ovK STtiOQKrjösig 'du sollst nicht falsch schwören',
und das fragende ov n£Qi,i.isvetg; d. h. 'warte doch', sowie auch der
Gebrauch des Indic. Futuri in Relativsätzen. Dafs Vocativ und Impe-
rativ auf den getrennten Gebieten des Nomens und Verbums die sich
am meisten entsprechenden, so zu sagen correlative Erscheinungen
sind, ist bekannt. Wäre diese Annahme richtig, so würde sich unge-
sucht eine Erklärung für die Eigenthümlichkeit darbieten , dafs (ii?/ mit
yQuil^ov nicht verbunden, sondern durch y,rj ygatjjrjg ersetzt wird. War
auch die Erinnerung an die wahre Bedeutung von ygailtov nicht mehr
lebendig, so blieb doch instinctmäfsig das Gefühl für die Unverträg-
lichkeil der prohibitiven Negation und des imperativischen Part. Fut.
G. Curlius: <,niccliistlio Scliulgraminalik. oH)
Dafs der Grund nidil im Tempus als solchem gesucht werden darf, bc-
\> eisen Stellen wie Od. w, •i4H: öv dh jtit) lokou iv&eo d^vfio)^ während,
wenn Arislopli. Tliesm. 877 ^uj il>EvGuv sagt, hieraus nur gefolgerl
werden kann, dafs hei dieser, wie es scheint, geläuligen Formel (s.
Frilzsche zu der Stelle) die Unverträglichkeit nicht mehr gefühlt
wurde. "NN'cnn aber für den Singular die Formel (^uj yfjäilJtjg üblich
geworden war, so begreift sich leicht, dafs diese Analogie auch die
3tc Person, sowie auch den Plural und das Medium mit erfafsle, ohne
dafs in diesen Formen ein innerer Zwang dazu lag. Uebrigcns ist auch
in der That ju,?/ mit der 3ten Pers, lm|)cr. Aor. häullger, s. Matlhiac
griech. Gramm. S. J157. Auch eine andere Eigenlhümlichkeif der grie-
chischen Sprache erklärt sich, jene Bedeutung von der Form Ivciov
vorausgesetzt, mindestens ebenso leicht, wie wenn man sie geradezu
als 2te Person des Imperativs fafst*), ich meine das Idiom oldd' 6
noitiGov^ in welchem der fulurische Charakter durch die parallele Wen-
dung mit der 2fen Person Indic. Fut., z. B, Eur. Med. 600 otcrö'' cug jitf-
r£vt,ei Kcd eog^coze^a (pavei. Cycl. 131 ol(i& nvv 6 öfjciösig und durch
den imperalivischen Charakter des Indic. Fut. in Relativsätzen wie
eöo^s reo öijfico TQiaxovza ävö^ag ikia&at^ dt rovg TtaxQiovg vo^ovg
'^vyyQuil.iovö i^ yM'& ovg noXiT ev 6ov6 1^ so wie des Partie. Fut.
in Ausdrücken wie nifiTrco ae kl^ovra bestätigt wird. Zwar sollte man
hier eigentlich oiö& o ÖQaacoi' erwarten, so dafs das Participium bei
oiöa praedicativ zu erklären wäre nach Analogie von oida •O'injTog cöv,
und es ist denkbar , dafs allerdings eigentlich öquöcov gemeint war,
dafür aber ÖQciöov sich einschlich, weil das Griechische einen Impe-
rativ im Kclalivsatze auch sonst kennt. Zur Gewisheit würde die vor-
getragene Ansicht sich in dem Falle erheben, wenn die Form auf oi/
sich auf die sigmatischen Aoriste beschränkte; das thut sie allerdings
nicht; aber war einmal kvGov in die imperalivische Function einge-
treten, so schien es auch formell mit dem Aorist dergestalt zusam-
menzuhängen, dafs eine analoge Bildung von ä^yeikov aus ip/yetka
keine Schwierigkeit hatte. Gleichwohl würde es sich vielleicht ver-
lohnen, das statistische Verhältnis des Vorkommens von Formen wie
ayyeikov zu dem von Formen wie ÖQaGov zu ermitteln.
Bei der Beduplication ist §. 274, 4 l'QQicpK erklärt als entstanden
durch die Heduplicationssilbe i^, die durch 3Ietathesis aus ^£ entstan-
den sei. Ich zweille ob durch diese wifsenschafilich falsche Erklä-
rung dem Schüler die Sache klarer wird als durch die richtige, dafs
die Keduplication bei Wurzeln mit q wie bei Wurzeln mit Doppel-
*) So noch kürzlich J. Grimm In Aufrecht und Kuhn.s Zeitsclir.
J, 144. Ich verkenne den Werth der beigebrachten Analogien aus dem
Ahd. und Mhd. nicht, mache aber darauf aufinerk.sam , dals bei mei-
ner AufFafsnng sich die Be.schränkung des griech. Gebrauchs .sowohl
auf ntad' o al.s auf den Singular .„nirjenv erklärt. Im IMIid. kommt
nemlicb besonders oft vor: ich saf>^c dir waz du itto: im Griech. niciit
Ityw 601 o noi'rjaov. Denn hier müste, wenn meine Auffafsung richtig
ist, noirjaovTi stehn.
520 G. Cmtiiis: g^riccliisclie Sclmlgrammatik.
consonaiiten aus blofsem £ bestellt, hinter welchem das anlautende q
nach <!§. 62 verdoppelt ist.
In der Conjugation auf ftt sind zwei Classen von Verben unter-
schieden: die, welche im Praesens die Endungen unmittelbar an den
Stamm anknüpfen, und die, welche zwischen Stamm und Endung vv
einschieben. Die erste Classe weicht im Praesens und Aoristus II von
der Conj. auf co ab, die zweite nur im Praesens. Die erste Classe
hätte noch weiter eingetheilt werden können in Anknüpfung an die
Eintheilung der Praesensstämme der V^erba auf co in §. 245 ff. nach
dem Praesensbildungsunterschiede in unverstärkte Praesensbildungen
und reduplicierte Praesensbildungen; eine Unterscheidung die der
Verf. vielleicht nicht zum Vortheil der Schüler durch die äufserlichere
Eintheilung nach den Kcnnlaulen a, £, i, 6 ersetzt hat, die allerdings
bei den Verben der zweiten Classe auf vv^i ganz an ihrer Stelle ist.
Denn offenbar mufs auch dem Schüler die DilTerenz zwischen qpjj.ut
und mehr noch aya^ai einerseits und andererseits i'örjjfit fühlbarer
werden als das gemeinschaftliche, während umgekehrt das gemein-
schaftliche von l'ijfii., i'(jri}^i, rL'&)]jxi.y öi'cJcöftt wichtiger ist als die ohne-
hin deutliche Discrepanz zwischen t?//Lti und (p}]fiL. Aufserdem ent-
halten die Classen auf s, i, 6 nur je 2 Verba , deretwegen besondere
Classen zu machen sich kaum verlohnt.
Bei den unregelmäfsigen Verben unterscheidet der Verf. in An-
knüpfung an die 4 Classen der ersten llauptconjugation als 5te, 6te, 7te
und 8le Classe die Nasalclasse, Inchoativciasse, E Classe und Misch-
classe. Bei der Inchoativclasse, deren Bezeichnung kaum a potiore
richtig ist, halte ich eine Aussonderung der zugleich reduplicierenden
Verba für praktisch , während sie Curtius unter die nach Kennlauten
geordneten Stämme verlheilt hat. Dann hätte auch die besondere
Anomalie von ÖLÖaGvico, die darin besteht, dafs es die in den übrigen
Verben nur am Praesensstämme sich zeigende Reduplication in die
Tempusbildung hineinnimmt, erklärt werden können, während jetzt
ÖLÖäozoo nur mit akvG-Kco und XciGKCo wegen Unterdrückung des K-Lau-
tes vor öKCO zusammengestellt ist, eine Zusammenstellung, zu der
man, wie ich meine, bei (5i()a(75{M nicht einmal berechtigt ist. Denn
da öiddaKco schon darin unregelmäfsig ist, dafs es die Heduplication
in der Tempusbildung behauptet, so ist es leichter auch die Beibe-
haltung des öK in der Tempusbildung anzunehmen ( öidd^co = 6i-
daöjcdco), als einen Stamm öaK oder dcdax, der den homerischen For-
men iöurjv x%X. gegenüber nicht berechtigt ist, wenigstens gewis nicht
für die Praesensbildung 8LÖa6y.vi.
Die Lehre von der AN'orlbildung ist überaus übersichtlich und
praecis gehalten. Der Verf. verlangt mit Hecht, dafs auch diese beim
Schulunterrichte berücksichtigt werde. Es kann keinem Zweifel un-
terliegen, dafs durch Kenntnis der geläufigsten Wortformationsarten
dem Schüler in manchen Fällen der Gebrauch des Lexikons erspart
wird; nnd beim Unterrichte würde es gewis zu empfehlen sein, wenn
selbst durch noch reichhaltigere Beispiele ein rationelles Auswendig-
G. Curlius: griechische Schulgrammalik. 521
lernen von Vocabeln oder eine Befestigung der schon geläufig gewor-
denen befördert würde. Hei der Darstellung der Suflixe zur Bildung
von Adjectiven hülle übrigens im Interesse der Praxis der Unterschied
zwischen aq'i - lY.og und Tr^ax - Ttxoj,' hervorgehoben werden uiüfscn,
da der Schüler nicht begreifen wird, wie Ttgaar - ly.og durch Suffix
Ko mit Bindevocal i aus dem Verbalstamme von n^doGco, d. i. nQay,
abgeleitet sein könne.
\>'eniger gelungen als die Formenlehre ist die Syntax im gan-
zen, obwolil sie auf verhältnismäfsig geringem Haume (S. 154 — 241)
das für den Schülerstandpunkt nötbige Material cnihält, und vielfache
Vorzüge vor andern Grammatiken in der Darstellung des einzelnen
keineswegs verkannt werdtm sollen. Es w ill uns nemlich scheinen, als
ob der Verf. durch seine wifsenschafllich allerdings vollständig gerecht-
fertigte Opposition gegen den Beckerschen Schematismus sich habe
verleiten lafsen, den wirklichen praktischen Werth mancher Becker-
schen Kategorien zu gering anzuschlagen. Wenigstens möchten wir
in einer Schulgrammatik wenn auch wohl eine Eintheilung des Stoffes
nach attributivem und objectivem Satzverhältnisse, so doch nicht eine
propaedeutische Darlegung der Begriffe Subject, Praedicat, Attribut,
adverbiale Bestimmung, Übject entbehren. Freilich kann man erwar-
ten, dafs diese Begrilfe aus dem deutschen und lateinischen Sprach-
unterrichte schon bekannt sind, wenn der griechische Unterricht be-
ginnt. Aber die \\ irklicbkeit gestaltet sich bei den verschiedenen
Sprachen innerhalb der Grenzen jener logischen Begriffe verschieden,
und die Erklärung des griechischen Sprachgebrauches rgircdog 7]X&e
z. B. aus der Kategorie des Praedicatsbegrilfs wird dem Schüler nicht
von selbst einfallen, auch wenn er von dem Praedicatsbcgriffe eine
ziemlich klare Vorstellung hat. Ref. erinnert sich nicht, den ange-
deuteten Sprachgebrauch in der Syntax der Curtiusschen Grammatik
überhaupt nur erw ahnt gefunden zu haben. Bei einer Darlegung der
verschiedenen Erscheinungen des attributiven Satzverhällnisses w ürde
dem Schüler ohne Zweifel z. B. das Verständnis des Farticips, wobei
Curtius ein attributives, appositives und praedicatives Particip unter-
scheidet, wesentlich erleichtert werden. Ueberhaupt hätten die Er-
scheinungen am nominalen Praedicat, die zunächst in Beziehung auf
das Subject des einfachen Salzes entwickelt sich in die verschiede-
nen Sphaeren der Verwendung des Substantivs erstrecken, wohl auch
aus praktischen Gründen eine zusammenfafsende Darstellung verdient.
Ref. ist weit davon entfernt, sich zum Vertheidiger der Becker-
schen Schematismen aufwerfen zu wollen. Alle sind wifsenschafllich
entweder falsch oder einseitig, und praktischen Werth haben nur
Avenige. Diese wenigen hätten aber auch benutzt werden sollen, zu-
mal da das Gerippe einer Satzlehre nach Beckerschem Schematismus
immer noch befser ist als der Mangel jeder Satzlehre, den wir in
der That weder wifsenschafllich noch praktisch gerechtfertigt finden
können. Statt durch die historische Sprachforschung sich über den
Beckerschen Standpunkt zu erheben, ist der Verf. im Anschlufs an
522 G. Curtius: griechische Schiilgrammatik.
Butlniann, 3Iadvig, Krüger auf den vorbeckerschen Slandpuiikt
zurückgetreten, und gibt im >vesenllichen nur eine auf die S yntax
bezügliche Darstellung des Gebrauches der einzelnen Uedetheile,
nicht aber diese Sy ntaxi s selbst. Dafs dem so ist, wird schon eine
Aufzählung der Capitel der Syntax lehren, die der Reihe nach von
Numerus und Genus, vom Artikel, von den Casus, von den Praeposi-
(ioncn, vom Pronomen, von den Arten des Verbums, von den Tem-
poribus, von den Jlodis , vom Infinitiv, vom Parlicip, von einigen
Eigenlhümlichkeilen der Relativsätze, von den Frage-
sätzen, von den Negationen, von den Partikeln, handeln. Abge-
sehn von den beiden durch den Druck hervorgehobenen Capileln wird
ex professo nirgends über den Satz gehandelt, sondern die Kennt-
nis der wichtigsten Gesetze der Satzbildung wird vorausgesetzt, die
Eigenthümlichkeiten der untergeordneten Sätze werden bei Gelegen-
heit der Modi dargestellt. Schon Haase hat die principielle Schei-
dung einer Bedeutungs- und Gebrauclislehre der Redelheile von der
eigentlichen Syntax für wifsenschafilich nothwendig erklärt, und ich
zweille nicht, dafs sie auch praktisch von den vorlheilliafteslen Fol-
gen für den Unterricht sein würde. Welchen Standpunkt man bei
Darstellung der Salzlehre einzunehmen hat, kann jemand, der in den
Grundsätzen der historischen Grammatik zu Hause ist, nicht zweifel-
haft sein. Man mufs auch hier von der Verschiedenheit der Salz for-
men ausgehn. Man wird also zunäciist einfachen und zusammenge-
setzten Satz unterscheiden. Im einfachen Satze sind die nolhwendigen
Bestandlheile des Satzes und die Form, die ihre syntaktische Zusam-
mengehörigkeit bezeichnet, ich meine die Congruenz auseinander-
zusetzen. Die Congruenz wird aber von Curtius nirgends behandelt,
sondern stets vorausgesetzt; die einzelnen Aeufserungen des Gesetzes
der Congruenz , sowie die scheinbaren \^'idersprüche gegen dasselbe
finden sich an verschiedenen Stellen zerstreut. Beim zusammenge-
setzten Salze dürfte eine Darstellung der Paralaxis und ihres Ver-
hältnisses zur Unterordnung (schon um der Leetüre Homers willen)
keineswegs aufser dem Gebiete der Schulgrammatik liegen, und eine
Classificierung der untergeordneten Sätze nach dem Unterschiede der
Bedeutung dürfte praktisch ebenso wichtig sein wie die doch nicht
zutreffende Einllieilung der Conjunclionen in declarative, temporale,
causale, folgernde, finale, hypothetische, concessive (S. 234 — 239),
in der man allenfalls einen Ersatz für die Classificierung der unterge-
ordneten Sätze sehn kann. Hätte der Verf. eine solche Satzlehre be-
liebt, so hätte darin das praktisch werthvolle der Beckerschcn Kate-
gorien Platz finden können, und manche Bemerkung, die sich jetzt in
dem Zusammenhange, in den sie gebracht ist, etwas wunderlich aus-
nimmt, würde in einem Iciirrcicheren Zusammenhange erscheinen. So
ist z. B. , um nur eins zu erwähnen, der Gebrauch y-cä ^loi, xov vlov
iini, a jtt£jit«i>)/3t£ trjv xi%v)]v unter dem Accusativ behandelt (§. 397},
inmitten der Consiructionen ßkänxfo XLvä ünA cpavyoy xiva ^ Avährend
doch olTenbar das dem Schüler in jenem Salze auffällige nicht aus der
G. Curliiis: griechisclic Schulgrammalik. 528
Natur des Acciisalivs oder aus der ßeschalTcnheit des Verbs ktysiv,
sondern aus dem Verhältnisse des Haupt- und Nebensatzes zu erklä-
ren ist. Würde jener Satz bei einer Besprccliung' dieses Verliällnisses
erwähnt, so würde das griechische Idiom, das Subjcct des Neben-
satzes zum Object des Hauptsatzes zu machen, mit den andern ver-
wandten Fällen zusammengestellt in ein viel helleres Licht treten. Als
Gegensatz dazu würde ebendaselbst auch der Gebrauch o nari^Q^ ov
^ovou ei'%ofiiv ßoij&ov, amjv zu erwähnen gewesen sein, den Curlius
unzweckmälsig als eine umgekehrte Altracliou bezeichnet §. 602, und
aus dem jedesfalls nicht der an dieser Stelle damit verknüpfte Ge-
brauch von den Casus obliqui der Wendung ovöelg oOTig ov erklärt
werden kann.
Bei vielen ähnlichen Ausstellungen, die sich aus dem genannten
Gesichtspunkte machen liefsen, versieht es sich aber von selbst, dafs
manche Partien, eben die, welche von jenem Gesichtspunkte nicht
nahe berührt werden , sowohl im ganzen als im einzelnen vortrefflich
behandelt sind. Als das gelungenste ist mir die Behandlung der Tem-
pora erschienen (S. 187 — 194), in der wifsenschaftliche Richtigkeit
und praktische Uebersichtlichkeit ohne gegenseitige Concessionen sich
durchdringen. Weit weniger gelungen ist die allerdings auch weit
schwierigere Darstellung der Casus. Da der Verf. in andern Partien
sich nicht durch die spätere Seltenheit des historisch ursprünglich-
sten Gebrauchs abschrecken läfst, diesen an die Spitze seiner Dar-
stellung zu stellen, wie er z. B. beim Artikel mit Recht von dem de-
monstrativen \>'erthe desselben bei Homer ausgeht, so ist nicht zu
begreifen, warum er die localen Gebrauchsweisen der Casus gleich-
sam als Anomalien vom regelmäfsigen Casusgebrauch unter dem un-
passenden Ausdrucke Moserer Genetiv', 'loserer Dativ' ans Ende
stellt. Denn die locale Grundbedeutung der obliquen Casus ist, wenn
man sie nur nicht, wie Härtung und Kühner, mit einseitiger
Consequenz zu scharf ausspitzt, aufser Zweifel, und mufs auch von
Curtius nachträglich bei der Lehre von den Praepositionen anerkannt
werden (§. 447). Zwar hat nun Curtius das entgegengesetzte Extrem
zu scharf gefafster geistiger oder causaler Grundbedeutungen eben-
falls vermieden , aber er ist dadurch zu gänzlich unfafsbaren Defini-
tionen der Casus gekommen, denen wir selbst vom praktischen Stand-
punkte aus die einseitigsten localen Definitionen vorziehn Avürden.
Was soll sich der Schüler z. B. dabei denken, wenn er hört §. 429:
'der Dativ bezeichnet im allgemeinen die Person oder Sache, welche
zu einer Thätigkeit in einer entfernteren Beziehung steht' oder §. 407
*der Genetiv bezeichnet im allgemeinen den Gegenstand, der mit ei-
nem andern zusammengehört.' Ich bin überzeugt, dafs sich eine zu-
sammenhängendere und praktischere Darstellung gewinnen liefse,
wenn man für den Dativ die Doppelbedeulung wo, wohin, für den
Genetiv die Doppelbedeutung wo, woher zu Grunde gelegt hätte,
Dafs man dazu sprachhistorisch Recht hat, kann dem Verf. am aller-
wenigsten entgehn , wenn er sich der Thatsache erinnert, dafs der
524 G. Curlius: griechische Schulgrammatik.
griechische Daliv dem skr. Localiv, Dativ, Instrumentalis, der grie-
chische Genetiv dem skr. Genetiv und Ablativ entspricht. Es ist hier
nicht der Ort, die Beweiskraft dieser Thalsache auseinanderzusetzen.
Ich bemerke nur, dafs der sociativ instrumentale Gebrauch des Da-
tivs als eine Entwicklung aus dem Wo -Verhältnisse (wobei, wo-
mit) angesehn werden mufs , und dafs der attributive Gebrauch des
Genetivs sich aus der adverbialen Grundbedeutung auch für den
Schüler erklären läfst durch Hinweisung auf den attributiven Gebrauch
anderer Adverbia, z. B. oi rore äv&Qconoi. ol' acpt ßoeg (§. 432 Anm.),
Erscheinungen, zwischen denen nur der Unterschied stattfindet, dafs
die Erhebung des adverbialen Dativs zum Attribut etwas seltenes,
dagegen die Erhebung des Genetivs dazu etwas häufiges ist. Beim
Genetiv ist eben dies der Endpunkt der historischen Entwicklung des
Casusgebrauches. Auch dieser Gegenstand konnte in einer Lehre von
der Form des einfachen Satzes bei Gelegenheit der Erweiterungen
desselben zusammenfafsend dargestellt werden.
Von Einzelheiten halte ich für geradezu falsch die Verbindung
des Gebrauchs : o OikiTtnog Ttevzay.oölovg litnlccg l'kaßev ayrolg roig
OTtloLg mit dem Daliv der Art und Weise, und verstehe auch nicht,
wie jener Dativ dem Schüler durch die Analogie von ßia, l'^^'w klar
werden soll. Er ist vielmehr ein Rest des ursprünglich viel weiter
ausgedehnten sociativen Gebrauchs, den für die entwickelte Sprache
allerdings die Praeposilion avv übernommen hat, der sich aber gerade
für Substantive mit praedicativem avrog erhalten hat wegen des den
Gegensatz zwischen den beiden zu verbindenden Gegenständen scharf
genug markierenden avrog.
In Beziehung auf den Accusativ tadle ich nicht, dafs der Verf.
bei diesem Casus nicht von der Grundbedeutung wohin ausgeht, son-
dern ihn als Objectscasus bezeichnet. Denn für den Accusativ ist in
der That der Gegensatz, in dem er zum Subjectscasus steht, sowohl
das wichtigste in der entwickelten Spraclie, als das ursprüngliche in
der historischen Entwicklung. Bei dieser ist vorzugsweise darauf zu
achten, wie der Begriff des Objects in der Sprache selbst allmählich
sich umgestaltet, und zwar verengert, wodurch Accusative, die ihre
Entstehung dem ursprünglich weiteren Objecfsbegriffe verdanken,
wenn sie durch die Kraft des Usus sich behaupten, den Schein der
Adverbialität annehmen, und für die Sprache selbst wieder ein An-
knüpfungspunkt zu weiterem Ausbau des adverbialen Gebrauchs der
Accusativform werden. Daneben ist aber zu beachten, wie der Ob-
jectsbegriff, an Verben von rein räumlichem Charakter mit möglichst
sinnlichen Objecten entwickelt, sich durch Uebertragung auf Verben
geistiger Thätigkeit immer mehr vergeistigt, ein Process,in dem die
geschichtliche Entwicklung des Accusativs mit der der beiden an-
dern Casus obliqui übereinstimmt. Es kann natürlich nicht die Rede
davon sein, dafs dieser Entwicklungsgang dem Schüler vorgeführt
werden sollte; aber wer ihn vor Augen hat, wird auch in einer Schul-
grammatik manches folgerichtiger dargestellt wünschen. So würde
G. Ciirliiis: griechische Schulgrammalik. 525
ich statt der Definition des Accusalivs, 'svoiuuh er 'der Casus des Ob-
jects ist, und daher im allgemeinen den Gegenstand bezeichnet, auf
welchen eine Thätigkeit übergeht oder sich bezieht'
lieber gleich das Wesen des Objects in die Passivität gesetzt haben.
Das passive Object ist aber ein dreifaches ; l) des Ziels ; 2) des Weges ;
3) des in Bewegung gesetzten Gegenstandes.
Ad 1) ist das rein locale Object im allgemeinen nur noch in der
dichterischen Sprache lebendig geblieben, z. B. §. 40(i tov Öh nXiog
ovQai'ov i'xst, wo der Acc. keineswegs den Ort bezeichnet, nach
welchem hin die Handlung gerichtet ist, sondern welcher im
Gegensatz gegen das die Thätigkeit ausübende, aclive Subject die
Thätigkeit passiv in sich aufnimmt, von dem thätigen Subject erreicht
wird. Dagegen ist die übertragene Anwendung dieses Zielobjects im
einzelnen vielfach lebendig geblieben, z. B. der Acc. der Person bei
kiyco xLvci naxov. Die Abverbialisierung dieses Objects führte znm
Gebrauch des Accusalivs mit Praeposilionen.
Ad 2) ist der Accusativ der räumlichen und zeitlichen Ausdeh-
nung zu erwähnen (s. §. 405 und die §. 400 falsch gestellten Wen-
dungen odov tQio^ai^ Ttlico d'dkcfaciav) , der kaum noch als Object
von dem Sprachbewustsein gefühlt, zu vielen adverbiellen Gebrauchs-
weisen auf dem Wege der Uebertragung Veranlafsung gab, namentlich
zu dem sog. Acc. der nähern Bestimmung, daneben aber auch zu prae-
positionellen Verbindungen.
Ad 3) sind endlich neben einigen adverbiellen Auswüchsen die
meisten wirklichen Objectsaccusative, namentlich der Accusativ des
geschalTenen und des veränderten Objects entwickelt.
Der Verf. unterscheidet statt dessen ein ä u fs e r e s und ein i n n e-
res Object, und wenn auch das innere Object scharf genug begrenzt
ist, weil es nur einem Theile des Gebiets des sub 3) genannten Accu-
sativs des erzeugten Objects entspricht, so ist das Gebiet des äufse-
ren Objects dafür um so unbegrenzter, woher auch zu erklären ist,
dafs der Verf., auf eine sachgemäfs gliedernde Einlheilung dieses Ge-
bietes verzichtend, sich begnügt hat, einige Kategorien von Verben
hervorzuheben, durch deren transitiven Gebrauch sich die griechische
Sprache von andern Sprachen unterscheide. Dies eklektische Ver-
fahren kann ich übrigens nicht billigen; denn soll der Schüler eine
klare Vorstellung von der Ausdehnung des Accusalivgebrauchs ha-
ben , so mufs er diesen w enigstens im Gerippe vollständig übersehn
können, da nicht zu erwarten ist, dafs er von dem der deutschen
Sprache mit der griechischen gemeinsamen Accusativgebrauche eine
deutliche Vorstellung gegenwärtig hat.
Was endlich den Nominativ betrifft, so versteht es sich von selbst,
dafs der Verf. die unglückliche Fafsung: Hm Nominativ steht das
Subject des Satzes und alles was sich auf das Subject be-
zieht' vermieden haben würde, wenn er in der Lehre vom einfachen
Satze das Verhältnis des nominalen Praedicats und des daraus ent-
stehenden Attributs zum Subject auseinandergesetzt hätte.
526 G. Curtius: griechische Schulgrammalik.
Zu dem Abschnitte über die Praepositionen sei nur noch die Be-
merkung erlaubt, dal's bei ag c. acc. nicht hätte auf §. 631 verwiesen
werden dürfen, weil dadurch die öleinung erweckt werden kann, als
ob die Praep. cog mit der Conj. wg ein und dasselbe Wort wäre. Das
ist aber durchaus nicht der Fall, sondern ag ut ist vom Relativstamme 6g
ja; ag ad ist vom Demonstrativslamme 6 sa; die praepositionale Ver-
bindung des rog mit dem Acc. ist vorbereitet durch die locale Bedeu-
tung AMC, die sich bei aös (s. Hom, II. £, 392'^'Hgoaiarf , n^o^o)^ aöe,
das trotz Aristarch local zu fafsen ist) erhalten hat, während ag wie
ovrcog sich für modalen Gebrauch fixiert hat.
Doch es ist ein undankbares Geschäft, zu tadeln, wo die Rich-
tigkeit des Tadels erst durch die Ausführung des befseren vollständig
begründet werden kann. Ich enthalte mich daher weiterer Ausstellun-
gen im einzelnen, die ich namentlich noch an der Darstellung des
Mediums und des Infinitivs zu machen hätte, da das gesagte zu einer
Charakteristik der Curtiusschen Syntax ausreichen wird. Dafs das in
derselben gebotene Material im ganzen für den Standpunkt der Schule
ausreichen wird, habe ich schon bemerkt. Nur zu billigen ist es, dafs
Curtius nfcht mehr Beispiele anführt, als absolut nöthig sind, einen
Gebrauch klar zu machen, und dafs er, Krügers Vorgang folgend,
die Angabe der Stellen der Schriftsteller, aus denen sie genommen
sind, unterläfst. Zum Schlufs erlaube ich mir den Wunsch gegen den
geehrten Verf. auszusprechen, er möge bei einer gewis bald nöthigen
zweiten Auflage sein vorzüglichstes Augenmerk auf die Syntax rich-
ten, und dabei die von mir gemachten Bemerkungen, die nicht aus
tadelsüchtigem Recensenteneifer, sondern aus dem Wunsche, die Gram-
matik des Verf. in allen Theilen gleich vollendet zu sehn, entsprun-
gen sind, der Beachtung für würdig halten.
Göttingen. Ludwig Lange.
Studien zu Thnhydides. Von Georg Martin Thomas. Aus den Ab-
handlungen der k. bayr. Akademie der W. J. Cl. VI. Bd. III. Ab-
theilg. München 1852. Verlag der k. Akademie, in Commission
bei Franz. 50 S. gr. 4.
Diese Schrift handelt über Thukyd. VI c. 20 — 40. In mehreren
Absätzen folgt der Verf. referierend dem Gedankengange der thuky-
dideischen Entwicklung; dann geht er prüfend jedesmal nach einem
Abschnitte auf einzelne Stellen des Historikers ein. Wer sich ernst-
lich mit dem Thukydides beschäftigt hat und weifs, wie viel da noch
trotz der vortrefilichen Arbeiten deutscher und englischer Philologen
im einzelnen zu thun übrig ist, der greift begierig nach einer neuen
Erscheinung, die irgend wie Erwartung zu erregen geeignet ist. So
gieng es Ref. mit der vorliegenden Schrift, und wenn er auch ge-
Thomas: Studien zu Thukydides. 527
wünscht halte, dafs der Verf. aufser den behandelten noch manche
andere Stelle, der er auf seinem XN'ege l)eg-ej,rnete, mit in seine
Untersuchung- gezogen hätte, dagegen bei manchen der behandelten
Stellen der Ansicht des Verf. nicht völlig beistimmen kann, so bekennt
er doch gern, dafs er das l>uch durchaus nicht unbefriedigt aus der
Hand legt. Es ist die Untersuchung mit der Schärfe und Umsicht ge-
führt, die den Leser bald erkennen läfst, dafs er eine wackere Arbeit
vor sich habe. So linden wir denn das eigne Bekenntnis des Verf.,
wie er seine Arbeit selbst ansieht und wie er dieselbe von Sludienge-
nofsen aufgenommen wünscht, bestätigt, wenn er S. 40 sagt: *Sie (diese
Untersuchungen) sind nicht schnell hingeworfen, sondern nach strenger
Erwägung zu strenger Prüfung angeboten.' Es ist daher nicht meine Ab-
sicht, einen summarischen Ueberblick zu geben, sondern näher eingehend
der Untersuchung zu folgen und hier und da meine abweichende Ansicht
hinzustellen. Dabei setze ich mit Sicherheit voraus, dafs dem verehr-
ten Verf. eine solche Art der Beurtheilung die wüuschenswertheste sei.
Cap. 17, 2 sagt Alkibiades, um das Gelingen der von ihm eifrig
angeralhenen sicilischen Expedition seinen Mitbürgern möglichst wahr-
scheinlieh zu machen, von den sicilischen Städten: öx^ocg re yaQ ^uft-
filüTOig nokvavÖQOvGiv ai TtoXeig xort ^aöiag siovGi. xmv jiokiTSicöv rag
fieraßolag aal iTtLÖo%äg. Gegen diese Behauptung sind, wie auch Hr.
'fh. darauf hinweist S. 7, die Worte des abmahnenden Nikias cap.
20, 1 gerichtet: enl yaq noXag, Mg iyco «kojJ aiß&civofiai, ^ikko^ev
iivat fA^eyalag nal ov& vmjxoovg aXXi^kcov ovze öeofiivag ^leTaßoXrjg^
7] av in ßiaiov xig öovXsLag aOfisvog ig Qaco ^erccGraGiv iwQoir]^ ovo
UV Tiiv 0Qit]v x}]v TjiiEriQav elxoTcog ccvx EkEV'&£(}iccg TtQoGde^aixivag
to xe nXrj&og ^ cog iv [iia vrißcp, noXkag xag'EXX^jviöag. Wie Hr. Th.
S. 6, so hat auch Ref. derjenigen Auffafsung vorliegender Stelle nie
beistimmen können, die bei Imm. Bekker zu Grunde zu liegen scheint,
wenn dieser Gelehrte lieber lesen möchte: ovös öeo^ivccg . . . ovx av
xrjv (xqyriv xtjv 'tj^exsQuv TtQOßös^ajxsvag. Ich möchte das Verhältnis der
Glieder dieses Gedankenkörpers so fafsen : der ganze Satz ist d r e i f a c h
gegliedert. Die Beschaffenheit der sicilischen Städte, wodurch die-
selben dem athenischen Eroberungsgelüste grofse Schwierigkeit mach-
ten, wird nemlich in drei Momenten auseinandergelegt: l) ihrem äufsern
Verhältnis nach werden sie f^syaXat genannt, d. h. die Macht der Staa-
ten für sich ist beträchtlich ; 2) ihrem innern Verhältnis nach , was als
ein festes, in sich sicheres bezeichnet und in negativer Form seiner
doppelten Beziehung nach dargestellt wird, a) als eine befreundete
Gegenseitigkeit der einzelnen sicilischen Städte untereinander, d. h.
es findet keine Beeinträchtigung von Seiten des einen Staates gegen
die Freiheit des andern statt (ov& vnrjKoovg aXX^Xcav), b) der eigne
innere (politische) Zustand jedes einzelnen Staates ist so beschaffen,
dafs er sich einer kräftigen Einigung der Bürger erfreut, weswegen
nicht zu erwarten ist, dafs eine Partei politisch unzufriedener zum
Umsturz bereit, dem äufsern Feinde (Athener) in die Hände arbeiten
werde {ovxe öeofievag (xexaßoXijg, tj av i% ßiaiov xig öovXdag äa^ievog
528 Thomas: Studien zu Thukydides.
ig Qaco fi£raara6iv %coQottj). An dieses zweite Praedicat, welches
zweilheilig negativ durch ovre — ovre auseinandergelegt dem ^eya-
Xag gegenüber gleichsam die intensive Kraft bezeichnet, schliefst
sich: oijd' av xif\v a^mv xy\v rjfietiQav eixoTcog avx iXev&SQiag jrpoö-
de'^aiiivag: logisch haben diese Worte die Geltung einer negativen Fol-
gerung ' die (also) auch nicht unsere llerschaft, wie sich erwarten
läfst (fixoTwj), bei sich zulafsen werden.' Ich möchte lieber TtQOß-
öe'^o^ivag lesen. Als 3. Moment in der Beschaffenheit der Städte, wo-
durch die Eroberung schwierig sei, erscheint die grofse Anzahl der-
selben (to t£ TtXijd-og, cog iv ^la vij6(p, noXkag rag EiXrjviöag). Diese
letzten Worte TtoXkag x. 'EH., über welche Hr. Th, S. 6 ff. spricht,
könnten nach Kruger ' als Glosseni eingeschlichen sein.' 3Iir scheint
dies stark hervorgehobene Praedicat der Städte, dafs sie gerade hel-
lenische sind, darin begründet zu sein, weil Nikias dadurch auf
die griechische Kriegsausstattung und Rüstung derselben hinweisen
will, insofern sie dadurch den Athenern mehr im Kampfe gewachsen
waren als bei unvollkommener barbarischer Bewaffnung. Wie denn
auch diese Seite des Feindes in dem zunächst folgenden seine weitere
Erörterung findet (§. 2 nal TcaQeöKavaß^ivat xoig nciaiv o^ioioxQOTttog
fidXiöxa rrj 'r](i£xiQa övva^si). Es liegt mithin meiner Erklärung nach
in diesem xag 'EXhjviöag nur eine Entgegnung gegen die Behauptung
des Alkibiades c. 17 §. 2 kciI ovöelg — ovre xa txsqI xo Gwfia OTcXotg
i^rjQxvxai ovxs xa iv rrj %(OQa kxX. — Cap. 20 fin. ZvQaxoöLOLg öe
Kai ccTto ßaQßaQcov xivav aTtuQp] iöcpeQSxai, so die Vulgata, bei wel-
cher Arnold, Bekker und Krüger sich beruhigen. Hr. Th. stellt die
ursprüngliche Lesart her: an aQxV? (psQSxai, was vollkommen
unsere Zustimmung hat. Der Unterschied zwischen diesen für Ab-
gaben feststehenden Ausdrücken: (fiQEiv — cpoQog und EiOcpigsiv — eiü-
cpOQa: erstere für Steuern von Bundesgenofsen, letztere für die der
Bürger, ist so sicher, dafs man sich der Beweisstellen enthalten kann.
Um so mehr raufs es auffallen , dafs man so lange das £l6(psQexac der
Vulgata hier, wo offenbar Abgaben der Bundesgenofsen bezeichnet
werden, unangetastet stehn liefs. an aQpiS erklärt Hr. Th. richtig
'von Alters her', ohne dafs man gerade im strengsten Sinne dabei
'den ersten Beginn' zu denken hat. — Für weniger nothwendig halte
ich es, wenn S. 10 der Vorschlag gemacht wird cap. 21 §. 1 statt eiitSQ
ßovX6it£&a ä'^iov xrjg diavolag dgav, wie die befsern Handschriften
geben, zu lesen ä'^tov xt xijg öiavoiag. Ich halte diese Conjectur um
so weniger für nöthig, wenn ich Stellen damit vergleiche wie IV, 50, 2
£1 ovv ßovXovxai ßacplg Xiystv kxX. — Weit wichtiger ist, was wir
S. 12 über die Worte am Ende des cap. 21 lesen. Nikias sagt nemlich:
avx6&£v de TtaQaOKEvrj a^ioxQea indvai, {du) yvovxag, oxi ^eXXoiiev
%XeIv noXv XE ano xijg riiiExiqag avxcov xal ovk iv o^oim ßxqaxEvao-
liEvoi, aal OVK iv xoCg rrjös VTDjxooig 'E,vniiayoi i^X^EXE im xwa. Bis-
her hat man das zweite nai in Kai ovx iv xoig xijdE axX. durchaus auf
iv TCO o/xot'co (Herrn, ad Viger. p. 772) beziehn wollen ; Göller und
Krüger wollen aal ai, andere tilgen blofs ovk. Hr. Th. dagegen läfst
Thomas: Sludicn zu Thiikydidcs. 529
mit dem zweite» ««/das zweite Satzglied beginnen, was sich an das
vorhergehende Özl anschliefst, und übersetzt; *gleicli von hier aus mii-
fsen wir . . . abgehn, in Erwägung, dafs wir eine Fahrt vorhaben . . .
und dafs ihr nicht bei euren Vasallen als Bundesgenofsen jemanden
angreifen würdet, sondern' u. s. \v. Nur das ^IQ-exe kann ich
mir nicht, wie es aus der Uebersctzung des Hrn. Th. hervorzugehn
scheint, in hypothetischer Abhängigkeit denken, und es würde auch
sprachlich so nicht gefal'st werden dürfen, sondern der Schriftsteller
versetzt sich vorgreifend schon in die Zeit ihrer Operationen in Sici-
lien,W'0 er dann in der ersten Person sagen würde: 'tjX'&o^sv. Ich
möchte daher im Zusammenhange mit dem vorhergehenden Gedanken;
nicht mit einer mangelhaften Ausstattung dürfen wir gegen einen sol-
chen Feind zu Felde ziehn, so übersetzen: ^sondern gleich von hier
aus (im Gegensatz zu der fraglichen Hilfe ihrer dortigen Bundesge-
nofsen) müfsen wir mit hinlänglicher Ausrüstung anrücken (^inuvai
nicht 'abgehn' wie Hr. Th. übersetzt), überzeugt, dafs wir eine
Fahrt vorhaben weit von unserm Lande und namentlich zu einem Feld-
zuge, den wir unter ungleichen Verhältnissen führen werden, nnd
(bedenkend, dafs ihr dann) nicht hier bei euren unterworfenen Bun-
desgenofsen einen Angriff gegen jemand machtet, sondern in ein durch-
aus fremdes Land' u. s. w. — Sehr annehmbar ist ferner die Verbefse-
rung, welche S. 14 vorgeschlagen wird, statt des jedesfalls ungefü-
gigen (cap. 22, 2) {Sozet XQi)vai 'ij^ag ay£i.v) xov öe xal avro&er'
Gixov iv oXkccGi y.xX. zu lesen xav ös ■Kai avx6&£v. Dies xav 6s als
partitiver Genetiv bezieht sich dann auf den allgemeinen Begriff t«
iTtixvjöeLa , der vorhergeht und dessen Unterarten angegeben werden.
— Wir gehn zu cap. 31 §. 3 und 4 über, einer Stelle, die unserer
Meinung nach von dem Verf. S. 19, 20 ff. vortrefflich beleuchtet ist.
Um Raum zu ersparen, setzen wir nicht den ganzen Satzcomplex hier-
her. Gleich den ersten Worten ovxog öe o 6x6kog cog ^Qoviog xe iöo-
[lEvog Kai Kax a^cpoxega kxX. fehlt das Verbum. Meislentheils wollen
die Erklärer aus aQ^i'j&ijöav , was kurz vorhergeht, ein mQ^rj&r] er-
gänzen ; Krüger und Classen zu Jacobs' Attika S. 183 nehmen eine
durch die vielen eingeschobenen Participien entstandene Anakolulhie
an, so dafs Krüger erst §. 6 mit den Worten nai 6 öxoXog ■ — nsQißo^]-
xog iyivExo die Erzählung wieder einlenken läfst in den regelmäfsigen
Gang des Satzes. Hr. Th. meint nun S. 20, Thukydides habe entweder
im Sinne gehabt zu schreiben ovxog de o ßxoXog i^rjQxvd'^] cog XQOviog
x£ iöofi. ymI 'iCax uiicpöx. oder der ganze §. 2 sei als Parenthese anzu-
sehen, so dafs der Zusammenhang nach der Parenthese ungestört fort-
gehe. Aehnliche Stellen, wo nach einer parenthetisch zu fafsenden
Einschiebung der Gedanke in seiner Continuierlichkeit fortgesetzt wird,
sind hei unserm Schriftsteller häufig. So hätte Hr. Th. hinweisen
können in demselben Buche auf cap. 69, wo durch b'ficog 6e ovk av
oio[ievot — avxETcyeöav angeknüpft wird an aTtgoööoyrixoi, fiev — fer-
ner auf cap. 64, 1. Auf diese Weise gewinnen wir nun an unserer
Stelle aus dem vorhergehenden TtaQaöKEvfj yccQ avxyj — iyivsxo zu
J\. Ja/irb.f. Phil, u. Paed. Bd. LXVII. Hß. 5. 35
530 Thomas: Stadien zu Thukydides.
vorliegenden Worten ovrog öe o özolog das syivzxo als Verbnm. Dazu
gibt Hr. Tli. folgende erklärende Uebersetzung: ■= Während, ^vill Thu-
kyd. sagen, die frühem der Zahl der Schiffe nach gleichen Expedi-
tionen nur auf eine kurze Fahrt berechnet und mit geringer Zu-
rüstung versehn waren, geschah hingegen dieser Kriegszug mit Rück-
sicht auf eine lauge Dauer und beiderseits an Schiffen und an Mann-
schaft wohl ausgestaltet, je nachdem man des einen oder des andern
(ou av öh]) bedurfte.' Was das ov betrifft, so halte ich es hier für
Localpronomen und übersetze ^ wo vorkommenden Falls es erforder-
lich ist' (ftVf xar« yriv eus yMzcc Q'uXaGaav). In den folgenden Wor-
ten wird jetzt von fast allen Herausgebern so geschrieben: xov fisv
ör](xo(}LOv ÖQa^j.iTjv . . . öidovrog aal vavg TraqciG'/jovxog . . . aal VTtrj-
QEßiag tavratg zag KQatiöTag , tcoi' de rQi,)jQdQ2'^^ STCicpoQag re rcQog
Tü5 £H ö}]ixo(jiov iiiö&cp öiöovtcov %rX. Heilmann war es, der von rich-
tigem Sprachtakt geleitet zuerst die Verbefserung rüv öh rQi7]Q.
statt des frühern tcov tQLrjQ. machte, um die nolhwendige Antithese
gegen rov ja-sv 6i](xo6lov zu gewinnen. Jetzt ist dies 6e handschriftlich
durch Ven. und in marg. Cl. (cf. Poppo) bestätigt. Nur Arnold und,
wie Hr. Tb. hätte hinzufügen können, Bekker edit. stereot. alt. hallen
an der frühern Lesart fest. Es ist wohl nicht zu rechtfertigen, wenn
man jetzt die handschriftlich begründete Heilmanusche Lesart wieder
aufgibt, zumal da das di unserer Ansicht nach wegen des Verhält-
nisses der beiden Begrilfe (rov ^sv ötj^oöIov dtöovrog: tcov öe
xqiy]Qa.Qiav diöövxfov) in diesem Satze durchaus nothwendig ist. Hr.
Th. unterwirft S. 21 ff. gegen Arnold die Lesart nochmals einer ge
nauen Prüfung mit Bezug auf die schon von Arnold angeführten Stel-
len II, 70, 2. III, 46, 2. IV, 69, 3 und V, 71, l, durch welche dieser
Gelehrte es zu rechtfertigen suchte, dafs auch hier dem ^ev in der
Protasis ein xe (inLcpoqag xe) in der Apodosis entsprechen könne. Wir
vermifsen hier, wo Ilr. Th. die von der seinigen abweichenden Er-
klärungsversuche anderer Gelehrten heranzieht, die Erwähnung Clas-
sens zu Attika S. 183, da doch derselbe abweichend von Arnold den
Gegensatz zu xov ^sv ömioolov beginnen läfst mit xki vnriqEGiag. Wir
müfsen es uns hier versagen, der guten Diatribe, welche der Verf.
über ^hv — xe anstellt, referierend und ergänzend zu folgen, wollen
es aber nicht unterlafsen unsere Zustimmung wenigstens auszusprechen.
Auch wenn das xav öl xQLt]Q. noch jetzt auf blofser Vermuthung be-
ruhte, so würde ich es unbedenklich doch aufnehmen, so sehr herscht
durch den ganzen Satz hindurch die antithetische Form 'zwischen den
beiden Factoren, wo von Flottenausrüstung die Rede ist: Staat und
Trierarch. Es finden sich viele Stellen, wo ein t£, welches auf fiev
folgt, unbedenklich in ös verändert werden mufs, vorausgesetzt dafs
die Stellung der Begrilfe gegeneinander nur eben antithetisch ge-
dacht werden kann. Krüger hat daher vollkommen Recht, Thuk. IV,
32, 2 xo'E,6xaL ö e zu schreiben. Allein was Arnold hauptsächlich be-
stimmte bei der alten Lesart zu bleiben, war, weil er meinte, vTfij-
QEöiag rag HQaxiorag könnte nur als von den Trierarchen her-
Thomas: Studien zu Tliukydidcs. 531
beigeschafFt an unserer Stelle gedacht werden, welclie aus Wetteifer
'jeder die besten Schillsleule zu erlialleu beuiiilit gewesen \\ären.'
So sieht auch Classen die Sache an a. a. 0. S. J84. Es kommt also
hier darauf an zu bestimmen, was für Tluik. • — denn bei Demosthenes
ist der ßegrilT schwankend — die vTtrjQsaiai (nicht vTceQiialat, Avie ir-
thümlich S. 25 unten gedruckt ist) sind. Hr. Th. gibt uns eine ebenso
gründliche als lichtvolle Auseinandersetzung über die Bemannung einer
Triere, S. 26 — 30. Demnach werden fulgeude Classen von Schiffs-
leuten unterschieden: 1) Seesoldaten, iTtcßarca, 2) Ruderer, vavrai^
igirai, üconijXdtai. , 3) Malrosen oder Seeleute (im engern Sinne)
VTtijQnat — V7f ijQiölaL — naufae. Zu diesen gehört der nvßeQvijrrjg,
der iieX8v6tr]g u. a. Als Collectivum würde vn)]QEaCca den 'Inbegriff der
eigentlichen Schiffsmannschaft, der wirklichen Seeleute' bedeuten.
Dafs man sich bei vTtijQSöta an unserer Stelle nicht mit Göller und
Poppo 'Dienstleute der Matrosen' denken kann, dazu zwingt schon
der Umstand, dafs ihnen ebenso wie rolg 'Q'QavLTCiig rcZv vavrtav Zu-
lage an Lohn von den Trierarchen gegeben wurde. Ebenso wenig kann
man mit Krüger darunter 'die übrige lUidermannschaft' verstehn, da
ja die VTOjQSöiai durch den Ausdruck rotg Q-Qavlxcag xcov vavrav xal
xaig vTtijQSöLaig genau von den Ruderern, deren erste und vorzüglich-
ste Classe die •d-gavirai, waren, als gesondert gedacht erscheinen.
Kurz: es waren Leute vom Staate zu nicht unwichtigen Diensten, z. B.
als Aufseher über das Rudervolk, dem Trierarchen gestellt. Daher
erwähnt Thuk. einmal die Sorgfalt des Staates tüchtige Leute (ynjjQeaiag
zag ngariörag) herheizaschsWcn ^ und dann die besondere Beachtung
derselben von Seiten der Trierarchen, welche ihnen nebst den -d-QU-
vuaig Zulage an Lohn gaben. — Anstöfsig ist die Verbindung des
rlg exaGrog in dem Satze cap. 31 § 4: co rtg enaörog 7CQ06ezai'Q"r}.
Krüger hält das äyMözog für Glossem, weil er mit Recht sagt, erkenne
wohl e'xaarog rtg, aber nicht rlg exaörog. Hr. Th. schlägt vor zu
schreiben a elg aKccörog nQoßexayß'i]. Zu den Stellen, welche der Verf.
anführt, um diese dem Thuk. geläufige Ausdrucksweise zu belegen,
will ich nur hinzufügen VIH, 89 fin., welche der gegenwärtigen ganz
entspricht; rjyavL'^aro ovv slg eKaöxog cwxog TTQoixog nqooxaxyjg xov
ÖTj^iov yEveG'öai. — ■ §. 6 kccI o Gxolog ovi rjGGov xoX^rjg xs ^a^ßsi,
%a.l o'ipecog XafjLTtQoxTjXi. TCSQißoijxog iyivexo 'rj GxQaxicig TiQog ovg in^E-
GCiv VTCEQßolr] aal oxl ^iyLGxog ijöi] öidnXovg ano xfjg OLKEcag aal inl
^EylGxt] ilnlöi. tcov ^eUcvxcov TtQog xa VTtagy^ovxci ETtE^iELQTi^)] über-
setzt Hr. Tb.: 'und fürwahr diese Flotte wurde nicht minder durch die
Kühnheit des Wagnisses und die Pracht des Anblicks weithin geprie-
sen als durch die Ueberlegenheit der Streitkräftemassen derer, wel-
chen der Angriff galt.' Ref. weicht von dieser Erklärung ab. Statt
GxqaxLcig lese ich GxQuxEiag und fürchte nicht, dafs man mir diese Cor-
rectur als eine grofse Willkür verargen wird, wenn man bedenkt, wie
häufig gerade bei Thuk. da, wo der Begriff des Abstractums (gxqu-
TEici) unerläfslich ist, die Handschriften doch das Concretum GxqatLa
35*
532 Thomas: Studien zu Tliukydides.
und umgekehrt bieten. Ferner fafse ich die Worte unl ori niyiGrog
'tjd}j dianlovg aito rrjg OLKslag Kai inl ^syiöri] eXTTiöt kxX. nur als Ep-
exegesis des einen BegrilTs, der durch den Worlcomplex GrQareiag
TtQog ovg STCyeaav vTtSQßohj ausgedrückt ist. Daher libersetze ich : ' und
diese Rüstung wurde nicht weniger durch das stauncnswerthe des Wag-
nisses und durch den Glanz des Anblicks weit gerühmt als wegen des
aufserordentlichen der Unternehmung gegen wen sie zogen, einestheils
weil sie ja (i'jöi], lieber möchte ich mit ßekker 6rj) als die gröfste Fahrt
vom Heimatlande, anderntheils um die Verwirklichung der gröfsten Hoff-
nung auf künftige Stacht im Vergleich zu der gegenwärtigen unternom-
men wurde'; GtQareLag VTTSQßoh] ist 'der aufserordenlliche, die frü-
hern überbietende Kriegszug.' Diese GTQaretag vnsQßoXiq erhält ihre
nähere Bestimmung durch noog ovg imnsßav. II, 45 nal aoXig av >ca^^''
vneQpo kyiv aqexrig ^"^X ofioiOL aX/, oXiyto leiqovg XQL&eu^re, et vix
singulart, eximia virtute vestra id assequi poteritis, ut non dico Ulis
pares sed ut paulo inferiores indicemini. — Cap. 33 §. 6 geben
die besten Hdschr. nraicoaiv, andere den Aor. ntaicoaGiv. Es ist ganz
richtig, dafs Hr. Tb. auf die Verbindung dieses TtralcoGiv mit dem
Verbum des Hauptsatzes v.axaXsLTtovGiv hinweist; daher müfsen beide
Verba sich im gleichen Tempus entsprechen. — Cap. 34, 4 ist nicht
n£Qt tri ÜL^iXia zu ändern in mql xi\g 21i%i.Xicig^ wozu selbst Krüger
geneigt ist wegen des folgenden 7^ (tte^I) tot; iv.üvovg nsQai.cad'ijvat
KxX. Der Unterschied , den Hr. Th. S. 42 ff. angibt zwischen TtSQi xi-
vog iGxai 0 aycov y wodurch einfach (allgemeiner) der Gegenstand des
Kampfes, und neQi xtvi^ wobei der Gegenstand zugleich als Preis des
Kampfes gedacht wird, ist nicht anzuzweifeln und gar kein genügen-
der Grund, diese hier so sehr sich durch die genaue Unterscheidung
empfehlende Ausdrucksweise dem Thuk. abzusprechen. S. 44 wird
dem Leser nicht sogleich klar, was der Verf. eigentlich sagen will.
Er AvoUte wohl sagen: man kann auch — ohne die Praeposition ttsql
nochmals zu denken — das xov EKeivovg TTSQaLa&ijvat als objectiven
Genetiv fafsen, der sich in echt griechischer Weise unmittelbar an das
0 ayciv anschliefst und mit demselben eine Verbindung gleichsam zu
einem Begriff eingeht. — Die von Hrn. Th. S. 48 versuchte Verbefse-
rung der Stelle in der Rede des Athenagoras cap. 39, 2 und 40, 1
möchte wohl nicht unbedingte Billigung finden dürfen; dafs ein Ver-
derbnis darin steckt, ist auch des Ref. Ansicht. ■ — Doch wir brechen
hier ab und glauben, dafs der geehrte Hr. Verf. schon aus dem bisher
gesagten erkannt hat , dafs wir seinen Untersuchungen mit dem Inter-
esse gefolgt sind, welches jede gründliche Forschung verdient; und
ich spreche es gern aus, dafs ich in Hrn. Thomas einen 3Iann erkenne,
der seinen Thukydides versteht! Mit besonderm Interesse habe ich
aus zwei gelegentlichen Aeufserungen (S.34 und 36) geschlofsen, dafs
wir in der Ansicht über die Reden im Thukyd. übereinzustimmen schei-
nen; S. 34 heifst es nemlich in Bezug auf die Reden des Hermokrates
und Athenagoras: 'sie (die Reden) zeigen uns, dafs auch sie ein
Paedagogischer Turnunterricht. 533
k uns tgemäfs es Erzeugnis des Urhebers sind'; dann S. 36:
'die Wirkung dieser geliallenen oder vielmehr in diesem Geiste nach-
gedachten Rede ist verschiedener Art.'
Eutin. Ernst Hausdörffer.
Paedagogischer Turiuinteniclit mit BczAig auf die Spiesssche
Melliode und das Liiigsche System.
1) Zur paedagogischen Gymnastik. Von dem Gymnasiallehrer Hein-
rich Bigge. Coblenz 1851. 24 S. 4.
2) Das Schldturnefl nach Spiess. Neuntes Programm der Vorschule
und höhern Bürgerschule zu Oldenburg von Fr. Breier, Rector.
Oldenburg 1852. W. Berndt. 29 S. gr. 8.
3) Die gymnastischen Freiübungen nach dem System P. H. Lings
dargestellt von Hugo Rothstein. Mit 54 erläuternden Figuren.
Berlin 1853. Schröder, 127 S. 8.
Nachdem sich die Programnilifteratur in den dreifsiger und vier-
ziger Jahren auch über den Turnunterricht erstreckte, und die Ab-
handlungen von Strafs, Olawsky, Simon, Tägli chsb e c k,
Walther, Freier u. a. für die Einführung geregelter Leibesübun-
gen bei den Gelehrtenschulen von Bedeutung waren , so ist gegenwär-
tig diese Angelegenheit schon in ein anderes Stadium getreten, indem
man weniger die Würde und die Bedeutung der Gymnastik ins rechte
Licht zu setzen bemüht ist, als vielmehr den paedagogischen Gesichts-
punkt derselben scharf zu fal'sen und die rechte Turnunterrichts -Me-
thode zu ermitteln strebt. Es soll damit keineswegs gesagt sein, als
wäre es jetzt schon überflüfsig geworden , auf die Nolhwendigkeit
einer allgemeinen Einführung der Gymnastik bei den Gymnasien hin-
zuweisen, da ein Blick auf die Unterrichtspläne derselben uns bald
zeigen kann, wie noch bei vielen deutschen Gelehrtenschulen trotz der
fast von Jahr zu Jahr gesteigerten Forderungen an die geistige Aus-
bildung keineswegs auch der leiblichen Bildung und Kräftigung durch
ein so einfaches und bewährtes Mittel Vorschub geleistet worden ist.
Dennoch ist im allgemeinen schon viel geschehn, so weit es sich
um die quantitativen Verhältnisse des Schulturnwescns handelt. Nicht
so befriedigend sind die qualitativen Verhältnisse jenes Unterrichts-
zweiges, da sich immer mehr Stimmen vernehmen lafsen, welche
über die seitherige Betreibung des Turnens bei den Schulen den Stab
brechen und das alte Turnsystem als ungenügend und unhaltbar er-
kennen und darum verwerfen. An namhaften Gelehrlenschulen hat man
es mit dem Turnen auf verschiedene Weise angefangen, um es seiner
Bedeutung näher zu führen. Die Resultate waren jedoch nicht erheb-
lich, wie dies durch die Urtheile gewiegter Schulmänner, z. B. Schei-
berts. Breiers u. a. bestätigt wird. Namentlich liefert die gehalt-
reiche Schrift: 'Das Turnen mit besonderer Beziehung auf Meklenburg.
534 Paedagogischer Tunuiiiterricht.
Von Dr. H. Timm, Collaborator am Gymnasium zu Parchim. Neustre-
litz 1848' eben so zahlreiche als schlagende Beweise von der Unzu-
länglichkeit derjenigen Turneinrichlungen , die vorzugsweise von
Preusscn aus im Sinne der alten Jahnschcn Schule festgehalten wur-
den. Preussens Beispiel und Eintlufs tritt in der Geschichte des deut-
schen Turnwesens zu verschiedenen Malen als von grofser Bedeutung
in den Vordergrund. So war es auch der allgemeineren Verbreitung
des Turnens überaus förderlich, dafs Preussen im J, 1843 in dieser
Angelegenheit von neuem wieder richtig voranschritt. Es ist bekannt,
wie die preuss. Regierung einen berühmten Gelehrten, der dem Tur-
nen immer nahe gestanden, lediglich für Leitung des Turnwesens nach
Berlin berief, um die Verbreitung der Gymnastik als ein wesentliches
•Bildungselement bei allen preussischen Schulen zu fördern. Die vom
preuss. Unterrichtsministerium unterm 7. Febr. 1844 erlafsenen aus-
führlichen Verfügungen enthielten die wirksamsten Bestimmungen, wel-
che dem Turnen seine bedeutungsvolle Stellung im ganzen Erziehungs-
plane der öffentlichen Schulen zu sichern im Stande waren. Hr. Prof.
Mafsmann bereiste in der Folge einzelne preussische Provinzen im
Interesse der Turnanstallen , veröffentlichte auch einige das Turnen
betreffende litterarische Arbeiten , ohne dafs jedoch sein anregender
und entscheidender Einllufs bei Forlentwicklung dieser Angelegenheit
bemerkbar gewesen wäre. Alle preussischen Gymnasien und Realschu-
len hatten ihre Turnplätze erhalten, die an den Nachmittagen Mittwochs
und Sonnabends von sämmtlicben Schülern besucht wurden, um hier
unter der Leitung eines dafür gewonnenen und besonders honorierten
Lehrers das von L. Jahn im .1. 1811 begonnene Werk wo möglich
ganz genau nach der überlieferten Weise forttreiben zu lafsen. So
waren seit Dr. Mafsmanns Berufung zehn Jahre verflofsen , als der Un-
terrichtsminister Hr. v. Raum er unterm 18. Aug. 1851 eine weitere
Verfügung erliefs, Monach die unter Prof. Mafsmann stehende Bil-
dungsanstalt für Turnlehrer aufgelöst und dafür eine neue (in der
Kirschallee zu Berlin im grofsen Mafsstabe für 25000 Thlr. hergerich-
tete) eröffnet wurde. Die gedachte Ministerialverordnung spricht sich
unter anderm dahin aus: ^Die Gymnastik soll aus dem von ihr bis da-
hin innegehaltenen Stadium einer mehr oder weniger isoliert stehen-
den Uebung der Körperkräfte heraustreten, und unter angemefsener
Berücksichtigung des Lingschßn Systems auf rationellem Wege be-
trieben und für das Gesammtgebiet der Erziehung der männlichen Ju-
gend fruchtbarer zu machen gesucht werden.' Hier wird also
auch amtlich ausgesprochen, dafs der bis dahin gebräuchliche Turn-
unterricht der erzieherischen Fruchtbarkeit ermangelt habe. Die grö-
fsere Fruchtbarkeit des Lingschen Systems, auf das wir unten zurück-
kommen, wird sich nun zu erweisen haben. Hoffentlich wird darüber
nicht wieder ein volles Decennium verstreichen und die Zeit des Ex-
perimenlierens mit dem Turnen zu Nutz und Frommen unserer Jugend
bald ihr Ende erreicht haben. Die neuesten Erscheinungen auf dem
Gebiete dieses Erziehungszweiges berechtigen zu dieser Hoffnung.
Paedagogischer Turnunterricht. 53')
Wenn die alle Berliner Turnsclmle in Preussen neuerdings wie-
der ein Deceiiniiini Iiindurcli zur Geiüiii«? kam und in angedeuteter
>^'eise nicht hciriedigte, so niui's das füglich Wunder nehmen, da es
ihren Vertretern, z. 15. dem Prof. iMalsiiiann, heim Turnen vor allem auf
volle erzieherische liandhahuug der Sache angekommen ist.
Man \vird auch nicht >\egleugneu köiuicu, dai's die im Sinne Jahns um
das Jahr löi8 errichteten Turnauslallen Erziehungsanstalten im
vollsten Umfange gewesen sind und viel Segen gestiftet haben. K. v.
Raum er in seiner Gesch. der Paedagogik charakterisiert den Berliner
Turnplatz in folgender \>'eise: ' ^\ er damals an den Schranken jenes
ersten Turnplatzes in der Hasenhaide hei Berlin dem regen Treiben
der dort vereinigten Jugend, den eifrigen Uehungen und Gesängen,
dem eigenlhilmlichen kräftigen und traulichen NN alten ihres Lehrers
und Meisters, mitten unter ihnen zusah, muste sich wohl gestehn,
dafs eine sol che Er s ch ein ung auf dem Gebiete der Pae-
dagogik noch nicht dagewesen war', und gewis verdienten
solche Anerkennung auch alle nach dem Muster der Berliner gebildeten
Turnschulen. >Yarum genügten nun die Turneinrichtungen im allen
Stile in den vierziger Jahren nicht mehr? Man kann kurz darauf ant-
worten: weil man bei der ^^'iedereinführung des Turnens 1843 zu starr
an der Aulfafsungsweise von 1811 festhielt. Prof. Jlafsmann sagte bei
seiner Ankunft in Berlin: 'wir fangen da wieder an, wo wir das Tur-
nen im J. 1819 gelafsen', und das wäre für den Forlgang oder viel-
mehr Slillsland der Sache sehr bezeichnend. Man kann es denen nicht
verargen, welche Zeugen des ersten Aufblühens des Turnens und Ge-
nofsen jener ersten herlichen Turngemeinschafl gewesen waren, wenn
sie noch heute in jugendliclier Begeisterung für das erlebte schwär-
men und es mit achf'irigswerther Pietät auch gern wieder neu gestal-
ten möchten. Dafs jedoch in dieser A^ eise dem Tuinen selbst keines-
wegs gedient war, wenn es seine Mission als Erziehungs- und Unler-
richlsangelegenheit erfüllen sollte, hat uns seine neueste Geschichte
unzweifelhaft dargelegt. Die deutsche Turnkunst hatte bei ihrem er-
sten Auftreten hinsichtlich ihrer Zwecke bekanntlich etwas sehr hoch
gegrilTeo und war auch in ihren 3Iitteln viel zu wenig begrenzt und ,
weiter durchgebildet worden. Diese Mängel traten in den vierziger \
Jahren viel deutlicher hervor als damals, wo der alte Berliner Turn-
platz unter einer so ganz vorzüglich geeigneten Persönlichkeit wie
Ludw ig Jahn mit seinen tüchtigen Gehilfen unter dem treibenden
Einllufse aufserordentlicher Zeitverhältnisse vortreffliches leistete und
mit dem Turnen nach allen Seiten hin befriedigte. Die Turnanstalten
genügten schon weniger oder gar nicht, wo jene Praemissen wegfie-
len. Es half dann nichts, wenn man die Berliner Einrichtungen bis
ins Detail copierle ; die ganze Organisafion dieser Turnanstalten war
auch mehr für die Vereine erwachsener geeignet als für einen Schul-
verband.
Das Hinausziehn einer ganzen Schulgemeinde nach dem grund-
sätzlich möglichst weit von der Stadt und der Schule angelegten
536 Paedagogisclier Turnunterricht.
Turnplatze, das Umhertummeln von Schülern aller Alters- und Bil-
dungsstufen, konnte wederden turnerischen noch den erzieherischen
Anforderung-en genügen , so dafs Lehrer und Schüler auf die Dauer in
solchem Treiben keine Befriedigung fanden. Dem Sitz- und Stuben-
leben gegenüber sollten diese Leibesübungen ausdrücklich in Gottes
freier Natur getrieben werden und mit erheiternden Turnspielen
abwechseln. Naturleben und Turnen sind jedoch zwei verschiedene
Dinge, die allerdings beide von der Schulerziehung gleiche Berück-
sichtigung verdienen. Machte man sie beide auf einmal zum Zweck,
so wurde in der That nur eins auf Kosten des andern oder auch gar
keins erreicht. Die Erfahrung hat auch gezeigt, dafs das Turnen da-
bei immer den kürzern gezogen hat. Was die eigentlichen Turnübun-
gen anlangt, so brachte die Berliner Schule auch bei ihrer Restaura-
tion 1840 nur das alte, während eine Weiterführung der Turnmethode
und eine wifsenschaftliche Behandlung des Turnunterrichfsstoffes sich
als dringendes Bedürfnis geltend machten. Man halte noch denselben
Kreis von Uebnngen , für welche man nur Namen aber keine Gründe
wüste, weil weder Ausgangspunkt noch 3Iiltel- und Zielpunkt klar
hingestellt waren. Der nächstliegende Zweck des Turnens: ^plan-
mäfsige Aus- und Durchbildung der Bewegungsanlagen und Kräfte des
Leibes in den durch seine Organisation und seine Gesundheilsver-
hältnisse gezogenen Grenzen' wurde gar nicht selten als eine pedan-
tische Einengung der frischen und freien Turnkunst übersehn, so
dafs die ausgezeichneten Leistungen excellenter Turner auch beim
Turnunterrichte das einfache und wirklich bildende verdrängten.
Nicht mit Unrecht machte man der Berliner Schule den Vorwurf, dafs
auf ihren Turnplätzen das complicierte, das häfsliche und unnütze
dominiere, während doch das einfache, das nützliche und schöne vor-
hersehen müfse. In diesem Sinne ist die sogenannte alte Berliner
Turnschule neuerdings durch andere Bestrebungen vollständig über-
holt worden. Schon im J. 1843 war in Deutschland durch A. Spiefs
ein vollständig neues Turnsyslem begründet, welches den veralteten
Standpunkt mit einem neuen und höheren vertauscht hatte. Spiefs""
Bestrebungen für eine mit dem ganzen Erziehungs- und Bildungsgange
des vollen Schullebens im Einklang stehende turnerische Erziehung
liegen litterarisch in seiner ^Turnlehre. 4 Bände' und in seinem 'Turn-
buch für Schulen. 2 Bde. ' schon seit Jahren vor. Aus der Jahnschen
Schule hervorgegangen hat Spiefs doch die weit greifenden Zwecke
und Ideen Jahns getrennt von der so sehr nöthigen systematischen
Durchbildung des Turnunterrichts, so dafs es ihm nach jahrelangem
Streben recht wohl gelungen ist, ''aus dem Turnen, das sich seither
meist nur nolhdürftig als ein äufserlicher Anhang bei den Schulen
erhielt, ein wirkliches Schulturnen zu gestalten.' Was die Eigen-
thümlichkeit der Spiefsschen Unterrichtsmethode betrilTt, so können
wir uns hier auf den trefflichen Aufsatz dos Hrn. Rector Brei er in
diesen NJahrb. LXIV S. 391 — 404 beziehen, der davon eine sorgfäl-
tige Charakteristik entwirft. Es mögen hier noch einige Notizen über
Paedagogischer Turnunterricht. 537
die Organisation dos Turnwesens in Darms ladt folgen, wie sie
Sp. dort in seiner Slclhing als Assessor für Tiunangelctfenlieiten bei
iler Oberstudiendireclion praktisch dnrchgefiihrl lial. Diese seil dem
Sommer 18ö2 ins Lehen getretenen Hinrichtungen tragen saniml dem
Unterrichte das Gepräge der Eigenliiümlichkeit an sich und können
durchweg als normale bezeichnet werden. Es dürfte auch kaum
zu viel gesagt sein, wenn man die FCrölfnung der Darmstädler Turn-
anstall als eine Epoche in der Geschichte unseres deutschen Erzie-
hungs- und Schulturnwescns bezeichnet, wie uns iiberhaui)t die Spiefs- 4^
sehe Turnweise als die für unsere Schulen alier Kategorien a Hein J 'V
brauchbare erscheint.
Es kommt beim Schulturnen gar viel auch auf die äufseren
Einrichtungen an, die beim Spiefsschen Turnsystem wesentlich von
den seitherigen abweichen. Schon darin, dafs die neuerbaute Central-
lurnanslalt in Darmstadt nicht weit weg von der Stadt, sondern ganz
in der Nähe der Hauptschulen eingerichtet ist, liegt ein nicht unwe-
sentlicher Vorzug, da die Schüler zwischen oder nach den sonstigen >y)/
Schulstunden ohne viel Zeitverlust dem Bedürfnisse der leiblichen >'
Bewegung genügen können. Während die alle Berliner Schule dafür
die ganzen freien Nachmittage Mittwochs und Sonnabends in Beschlag
nahm, so haben in Darmsladt die Turnstunden ihre zweckmäfsige Ein-
ordnung an den vollen Schul- und Arbeitstagen gefunden, während
an jenen Nachmittagen auch die Turnanstalt ihre Thätigkeit einstellt.
Die Turnstunden sind auch olTenbar an den vollen Schultagen ange-
mefsener, und es ist gar nicht räthlich, der Jugend den Theil der
Zeit zu schmälern , der ihr noch zu freier-Verwendung nach persön- " [y
lieber Neigung und Ordnung des Familienlebens übrig bleibt.
Sehr wesentlicii ist sodann die Einrichtung des Turnhauses. Eine
Turnanslalt wäre immer zu beklagen , wenn sie keinen freien Platz
hätte, auf dem die Schüler in der schönen Jahreszeit ihr lustiges Spiel
treiben könnten. Ohne ein geeignetes Turnhaus dürfte aber der regel-
mäfsige Unterricht stets von Wilterungsverhältnissen so abhängig sein,
dafs durch Unregelmäfsigkeit seine Resultate stets zweifelhaft bleiben
würden. Das Darmstädter Turnhaus unterscheidet sich von den seit-
her beliebten aber unzweckmäfsigen Turnhallen dadurch, dafs es einen
heizbaren, mit Doppeldielcn belegten und 100 F. langen, 64 F. liefen,
16 F. hohen Saal enthält, der durch eine verschiebbare Dielenwand
in zwei gleich grofse Säle geschieden werden kann. Jeder dieser
Säle bietet hinreichenden Raum, um für Schulclassen von 50 — 60 Schü-
lern zu Ordnungs- und Freiübungen die freieste Bewegung zuzulafsen.
An der schmalen Seite beider Säle sind die nett hergerichleten und
sauber polierten Turngerälhe angebracht und so eingericiilet, dafs
auch hier eine grofse Zahl von Schülern zu gleicher Zeit beschäfligt
werden kann. Diese ganze Einrichtung entspricht der Forderung des
Hrn. Spiefs: ^dafs eine volle Schulclasse unausgesetzt und gleichzeitig
von einem Lehrer sowohl in den Freiübungen als auch in den Uebun-
gen an Geräthen zu unterweisen sei.' Es verlangt die Spiefssche
538 Paedagogischer Turnunterricht.
Turnvveise für die Turnstunde die Schüler einer Schuiclasse, weil
diese auf gleicher Stufe geistiger Ausbildung stehn und hier nicht
blofs gleiche Körperbewegung, sondern ebenso auch gleiche Geistes-
thätigkeit, Aufmerksamkeit, Nachdenken, schnelles AulTafsen, über-
haupt innere Betheiligung zu fordern ist. Bei unserer Anwesenheit
wurde die Anstalt vom Gymnasium, der Realschule, von einer höheren
Mädchenschule und einer Volks- Knaben- und Mädchenschule in der
"\>'eise benutzt, dafs jede einzelne Schuiclasse wöchentlich 2 mal das
Turnhaus auf je eine Stunde besucht. Der Unterricht wird durch Hrn.
Spiefs und einen bei der Centralturnansfalt noch besonders ange-
stellten Hilfslehrer, sowie durch einzelne Lehrer der Schulen selbst
ertheilt, die ihre Schüler auch im Turnen führen.
Der Unterricht selbst zeigte ebenso überraschende als befriedi-
gende Resultate. Es ist aus dem oben angezogenen Aufsatze .des Hrn.
R. Breier schon zu ersehn, wie Sp. ganz besondern Fleifs auf die
Frei- und Ordnungsübungen verwendet, wobei die Schüler angehalten
werden, von den einfachsten und kunstvollsten Leibesbewegungen
ohne Geräthe Gebrauch zu machen und sich in den manigfachsten
Ordnungen aufzustellen und zu bewegen. 3Iit diesen Ordnungs- und
Freiübungen hat Sp. der Turnkunst ganz neue Uebungsarten geschaffen,
und wir überzeugten uns bei seinem Unterrichte von der Wichtigkeit
und Schönheit dieser Uebungen , welche eine allseitige Leibesbildung
zum allseitigen Dienste des Geistes fördern und sich selbst als die
Grundübnngen im leiblichen Leben des Menschen herausstellen. Wie
der Schüler beim Sprachunterrichte allerlei Formen und Regeln zur
Anwendung bringt, so müfsen ilim auch beim Spiefsschen Turnunter-
richte die verschiedenen Bewegungsformen zu Gebote stehn, um da-
von sofort Gebrauch machen zu können. Spiefs Avendete bei seinem
Unterrichte w ohl über 300 überaus zweckmäfsige und anmuthige Gang-,
Lauf- und Ilüpfarten in Verbindung mit allerlei sonstigen Gliederbe-
wegungen an, die einer vielfachen Gestaltung fähig sind und ein An-
passen an das Bedürfnis der Geschlechter und der einzelnen Schul-
classen zulafsen, so dafs z. B. mit Rücksicht auf die geistige Fafsungs-
kraft und den Grad körperlicher Ausbildung mit den Gymnasialschü-
lern ein ganz anderer Unterrichtsstolf durchzuarbeiten ist als mit den
Knaben aus der Volksschule.
Wie Spiefs beim Schulturnen besonders darauf Bedacht nimmt,
die Ausführung der Leibesübungen in bestimmter Zeit zu verlangen
und dabei den Takt als ordnendes und belebendes Element zu be-
nutzen, so setzt er auch in geschickter Weise den Gesang in unmit-
telbare Verbindung mit den Turnübungen. So übte er Lieder im 2y_^,
3/^ oder '^ I ^ Takt ein und liefs sofort die dem Rhythmus entsprechen-
den Schrittweisen mit Gesang begleiten.
Besonders anziehend war der Unterricht mit Mädchen, indem
Spiefs auch hier durch langjährige Uebung zu erfreulichen Resultaten
gekommen ist. Nach dem früheren Betriebe des Turnens hielt man
dasselbe nicht ohne Grund für Mädchen nicht geeignet, während der
Big-ge: zur paedagogischen Gymnastik. 539
Spiefssche Mädchen -Tiirminterriclit bei der ersten Anschauung davon
überzeugt, dals hier einem dringenden Bedürfnisse genügt Merde,
welches viele Eltern durch einen ungehörigen und oft naciitheiligen
Tanzunterricht zu befriedigen suchten. Spiels hat beim Mädchentur-
nen vieles mit aufgenommen, was man sonst zur Tanzkunst rechnet;
sein Unterricht bleibt aber immer ein Turnunterricht, und zwar ein
erzieherischer.
Auch auf das Turnen an Gerälhcn weifs Spiefs das bildende der
Ausführung in bestimmter Zeit und im Khyllunus überzutragen. So
führte z. B. eine Abtheilung Hangelübungeti an dem Stangengerüst in
dem Rliythmus aus, den die ruhenden durch Gesang, Händeklatschen
oder mit Ilandklappern und Casfagnetfen ausdrückten. Die aesthetische
Seile des Turnens tritt bei allen Vorkommnissen der Spielsschen Me-
thode sehr deutlich hervor, und wenn in allem stets Ordnung,. Regel,
kunstvolle Leibes- und spannende Geistesthätigkeit sichtbar ist, so
geschieht es in einer Zusammenstellung, welche die Turnjugend ebenso
fefselt als erfreut. Kurz, alles was wir in Darmstadt saiien , war ein
wirklicher Turnunterricht, der seine nächstliegenden Zwecke in
umfafsendsfer Weise erreicht und seinem ganzen Zuschnitte nach die
allgemeinen Zwecke der ötrentlichen Schulen .wesentlich zu fördern
im Stande ist. Dabei schliefst die in Darmstadt nunmehr ins Leben
getretene eigenthümliche Turnschnle dasjenige nicht aus, worauf die
Berliner Schule so viel Gewicht legte. Auch hier reihen sich fröhli-
che Jugendsi)iele und erfrischende Auszüge in Wald und Feld an
das Tnrnleben der Schüler; sie erhalten aber erst ihre Bedeutung und
Veredlung durch einen solchen Turnunterricht, der mit der Erziehung
freier Leibesübung zugleich den Trieb leiblicher Thätigkeit geweckt
und geregelt hat. Erst Gesetz und dann Freiheit; so wird es auch
bei der leiblichen Ausbildung sein müfsen, wenn ihre erzieherischen
Resultate durch ein Gemisch beider nicht neutralisiert werden sollen.
Richten wir nach diesen Hindeutungen unser Augenmerk auf die
vorgestellten Schriften, so tritt auch in der Abhandlung des Hrn.
Bigge eine Ihizufriedenheit mit den seither bestehenden Turneinrich-
tungen hervor. Mit grofser Klarheit verbreitet sich der Verf. auf
S. 1 — 9 über die Gymnastik als eine paedagogische Nothwendigkeit,
Mobei er dieselbe als Mittel gegen physische Verweichlichung und Er-
schlaffung, als Erholung von geistiger Arbeit, als ein Schutzmittel
gegen sittliche Verkehrtheit und Verirrung, sowie als Moment für
Erziehung und Charakterbildung darstellt, dabei auch ihre nationale
Bedeutung in Anschlag bringt. Hr. B. legt dabei ebenso eine genaue
Kenntnis der Gymnastik nach ihren Mitteln und Wirkungen, als auch
eine Bekanntschaft mit dem Zustande unserer heutigen Gymnasial-
jugend, wie der Gymnasialverhältnisse überhaupt, an den Tag, wes-
halb es ihm auch recht wohl gelungen ist, die Nothwendigkeit der
Gymnastik für die Gymnasien nachzuweisen.
Die gröfsere Hälfte der Abhandlung verbreitet sich sodann über
das didaktische des Turnens und verwandte Beziehungen, Zu diesem
540 Bigge: zur paedagogischen Gymnastik.
Zwecke stellt der Verf. zunächst die Berliner Schule, die Spiefs-
sche Schule und die schwedische Gymnastik als die drei selb-
ständigen Richtungen hin, welche das Turnen gegenwärtig in Deutsch-
land genommen hat. Neben den Vorzügen werden auch die Mängel
dieser drei Systeme dargelegt. Wir stimmen mit Hrn. B. vollstän-
dig in dem überein, was er über die Mängel der Berliner Schule
und über die schwedische Gymnastik sagt, mufsen ihm aber wider-
sprechen, wenn er S. 12 behauptet: 'Das System von Spiefs, in star-
rer Consequenz durchgeführt, wird zum dürren pedantischen Sche-
matismus, welcher mit seiner Förmlichkeit das frische, freie Jugend-
leben zu ertödten droht.' Zu solch einem Urtheile kann nach unserer
Meinung nur derjenige kommen, welcher die Spiefssche Turnlehre
nach ihrer umfafsenden und abstracten tiieoretischen Darstellung in
Büchern, namentlich in den 4 Theilen der 'Turnlehre' kennen lernte.
Hier wird vielen so manches als grau erscheinen, was beim lebendi-
gen Unterrichte im schönsten Grün prangt. Beim Spiefsschen Turn-
unterrichte kommt es nicht blofs darauf an, dafs die Uebungen über-
/ haupt gelrieben, sondern vornehmlich auch wie sie beim Unterrichte
>,* behandelt werden. Wer z. B. die Freiübungen nach dem 1. Theile
p der Spiefsschen Turnlehre so durchüben liefse, wie sie dort beschrie-
ben sind , würde allerdings einen solchen Turnunterricht herstellen,
der nach Hrn. B. das frische, freie Jugendleben zu ertödten im Stande
wäre. Hr. B. würde sein Urtheil gewis schon anders gestalten , wenn
er mit dem rechten Sinne an das Spiefssche 'Turnbuch für Schulen'
gienge, wovon seit dem Drucke vorstehender Abhandlung auch der
zweite Theil erschienen ist, der vorzugsweise den Turnunterrichts-
sloff für Gymnasialschüler enthält. Noch mehr aber würde er sich
durch Autopsie von der Unrichtigkeit seines Urtheils über die Spiefs-
sche Turnweise überzeugen, wenn es ihm möglich wäre, einmal riiein-
aufwärls zu steuern und Spiefs selbst auf seinem Arbeitsfelde in
Darmstadl zu sehn.
Von dem Avechselseitigen Einflufse der 3 bezeichneten Systeme
hofft der Verf. eine heilsame Reform des gymnastischen Unterrichts,
und spricht sich für die Nothwendigkeit einer Aenderung des seither
üblichen Verfahrens in 2 Punkten aus:
1) Die Betriebsweise der Gymnastik mufs zweckmäfsiger einge-
richtet werden durch eine der natürlichen Entwicklung der Jugend
mehr angemefsene Vertheilung und Organisation des Uebungsstoffes.
2) Der Umfang unserer paedagogischen Gymnastik ist im ganzen
zu beschränken, das Mafs der Anforderungen möglichst herabzusetzen.
Demnach bezeichnet der Verf. im Gegensatze zu dem gemeinschafl-
liclicn Turnen aller Gymnasialclassen im Sinne der Berliner Schule
und dem C 1 a ss en turnen nach Sjjiefs einen Mittelweg, indem er auch
beim Turnen eine Einlheilung nach Ober-, Mittel- und Unlergymnasium
festgehalten wifsen will. Für ein Gymnasium mit schwach besuchten
Classen möchte eine solche Einrichtung ganz zweckmäfsig sein. Wo
sich jedoch in einer Classe allein etwa 30 Schüler befinden, ist das
Bigge: zur pnedagogischcn Gymnastik. 541
Classenlurnen iiacli Spiefs iiiiinor vorzuziclicn. Hr. Bigge weist auf
die Eigenlliiiniliohkcilcu seiner 3 Tnrnsliil'eii in anlliropologisclier Be-
ziehung hin, und ordnet jeder derselben die ihr zukommenden gym-
nastischen l'ehnngen zu, wobei er fast durehweg das rcehle getrof-
fen hat. Wenn der Verl". S. 16 das Schaukeln verwirft, weil es einen
bedenklichen Sexualreiz hervorbringe, so kann damit nur das Sitz-
schaukeln gemeint sein , da die von Spiefs zuerst eingeführte Ilang-
und Slemmschaukel mit den daran vorzunehmenden überaus zweck-
mäfsigen Uebungen derlei Bedenken durchaus nicht rege macht. Die
Sitzschaukeln sind auch unseres Wifscns noch nicht in den Bereich
der Turnkunst gezogen worden. Auch sehn wir keine Gründe für die
Behauptung des Hrn. B. : Mas gefährliche Schwebereck mufs ganz be-
seitigt werden.' In der Schrift von Prof. Vögel i 'Leibesübungen
nach Clias' könnte sich der Verf von der Zweckmafsigkeit dieser
Vorrichtung, namentlich für Hangelühungen, überzeugen. Eher möch-
ten wir die gewöhnlichen Recke von den SchuUurnplätzen verbannen,
da sie Gelegenheit zu den ebenso unschönen als nutzlosen und ge-
fährlichen Schwenkereien mit den sogenannten Umschwüngen oder
Wellen geben. Zweckniäfsig wäre es, wie auch Rothstein schon ge-
than, die Reckstangen so einzurichten, dafs sie auf der unteren Seite
nicht abgerundet sind, um sie für die wohllhätigen Hangübungen,
nicht aber für die unnöthigen Umschwünge brauchbar zu machen.
Was die Wendungen, Schwenkungen, Märsche u. s. w. anlangt,
so empfiehlt Hr. Bigge dafür das preussische Exercier- Reglement,
wie dies auch vom Dr. Langbein zu Stettin in einem besondern
Schriftchen: 'Militärische Uebungen für Schülerturnplätze' geschehn
ist. Mit dem preuss. Exercier -Reglement wird zwar ein ähnlicher
Zweck verfolgt, wie mit den Ordnungsübungen im turnerischen Sinne;
indessen müfsen die letzteren doch in ihrer Zusammenstellung einen
wesentlich andern Zuschnitt für den Unterricht erhalten, beson-
ders da sie in steter Verbindung mit den Freiübungen zur Anwendung
kommen. Das bildende und bildsame der Spiefsschen 'Ordnungsübun-
gen', die übrigens auf das bei deutschen Heeren gebräuchliche Rück-
sicht genommen haben, ist vom paedagogischen Turnlehrer unbedingt
einem eigentlichen, bestimmt ausgeprägten Zwecken dienenden Exer-
cier-Reglement vorzuziehn.
In dem übrigen Theile der Abhandlung spricht der Verf. von den
Nachtheilen einer zu weit getriebenen Gymnastik und geht dann zu
einer kritisierenden Betrachtung der in Preussen bestehenden Vor-
schriften hinsichtlich des Turnens bei den Gymnasien über. Der Verf.
spricht sich S. 17 zu Gunsten der Fecht Übungen in den obern
Classen der Gymnasien aus. Unseres Wifsens sind die Fechtübungen
für die preuss. Gymnasialschüler gesetzlich untersagt, vornehmlich we-
gen des sich leicht daran knüpfenden burschikosen Wesens u. s. w.
Für die Zwecke des Turnens wären jedoch die Uebungen im Stofs-
fechten sehr zu empfehlen; man brauchte sie ja auch nur für dieje-
nigen Schüler der oberen Classen zu gestatten, die turnerisch tüchtig
542 Breier: das Schulturnen nach Spiefs.
durchgebildet sind und in ihrem sonstigen Wesen eine gewisse Reife
bekunden.
Sehr beherzigenswerth ist es, was Ilr. B. weiter über die Nach-
theile einer zu weit getriebenen Gymnaslik, über gymnastische Aus-
bildung der Lehrer, über die rechte Zeit fürs Turnen (er spricht sich
auch gegen die Verwendung der freien Naclimittage Mittwochs und
Sonnabends aus), über das obligatorische der Gymnastik u. s. w. sagt.
Wenn der Verf. seine gut geschriebene Abhandlung mit den Worten
schliefst: 'Die Gymnastik mufs im Geiste einer vernünftigen Erziehung
sich gestalten und mit der Schule in den engsten Bund treten , Avenn
sie vor Entartung bewahrt bleiben und wahren Segen bringen solF,
so leitet uns dieser Schlufs zum Programm des Hrn. Rector
Brei er über, der das schon gefunden hat, was Hr. Bigge noch sucht,
obgleich es diesem näher lag als jenem. Hr. Breier weist in gedach-
ter Schulschrift nach, dafs Spiefs es ist, der das Problem gelöst
und aus dem Turnen, das bis dahin an den Schulen als ein kümmer-
licher Anhang vegetierte, ein wahres Schulturnen gemacht habe.
'Spiefs' sagt Br. Miat diesem spröden Stoffe, den man nur durch künst-
liche Zuthaten und mühsame Hilfen in Bewegung setzen konnte, Geist
und Leben verliehn ; er hat die starre iTIasse in Flufs gebracht , dem
todten Leichnam eine Seele eingehaucht, und was bis dahin ein Arca-
num zunflmäfsiger Jleister schien, zu einem Gemeingut der Paedago-
gik umgeschaffen, was hinfort keinem fremd bleiben darf, der den
Namen eines Jugendlehrers mit Recht tragen will.' — ■\^'enn je einem
Schulmanne ein competentes Urlheil in Sachen des paedagogischen
Turnwesens zuzutrauen ist, so trilft dies gewis vor allem beim Hrn.
R. Breier zu, der in drei hintereinander folgenden Programmen Mas
Turnen an den öffentlichen Schulen' zum Gegenstande seiner Unter-
suchungen und Betrachtungen machte und unter den Schulrectoren
kaum noch einen neben sich haben dürfte, der so wie er auch in praxi
unermüdlich thätig war, das Turnen in der zweckmäfsigsten Gestal-
tung seinem Ziele näher zu führen.
Hr. Breier hat uns in diesen Blättern bereits mitgetheilt, wie ihm
das Spiefssche Turnen erst durch Anschauung klar geworden ist, weil in
dieser Sache allerdings ein einmaliges Sehen oft mehr wirkt als lange
Beschreibungen. Sprach Hr. Br. in dem angezogenen Aufsatze die
gewonnene Ueberzeugung aus, so werden in vorliegendem schon
selbstgemachte Erfahrungen niedergelegt. Was der Verf. mit sei-
nen Collegen an der höhern Bürgerschule 1851 bei Spiefs gesehn, das
hatten sie am Schlufse des Schuljahrs 1852 zum Theil und mit gutem
Erfolge angewendet. In der vorliegenden Schulschrift finden wir Hrn.
Rector Breier als Turnlehrer der L und II. Classe der
h ö h e r n B ü r g e r s c h u 1 e , w i e der III. der Vorschule m i t w ö-
chentlich 6 Stunden Turnunterricht aufgeführt. Mit ihm
haben sich aber auch seine Collegen, die Lehrer Reil, Munder loh,
Krüger und Thöl, des Turnunterrichtes in den übrigen Classen an-
genommen, damit auf diese Weise das neue Turnleben, wozu in Ol-
Dreier: das Schulturnen nach Spiefs. 543
denburg' durch Meislers Hand ein so schöner Grund gelegt war, weiter
ausgebildet und in weitem Kreisen forteulwickelt werde.
Schon in der kurzen Zeil halle llr. Br. mit seinen Collegen sich
je mehr und mehr von dem crzieiienden Einllui'se dos Turnens über-
zeugt und in diesem Gegenstände, wie ihn Spiefs geschairen, den lau-
tersten Quell der Zucht, der Ordnung und reinen Jugendfreude ge-
funden. Eine Prüfung im Schullurnen mit Schülern von 9 — 10 und von
14 — 17 Jahren konnte im Heisein des Grofs- und Erbgrofsherzogs und
der ol)ern Schulbebürden sciion eine Anschauung von der in Olden-
burg eingeführten neuen Turnweise geben.
Nächst der Abhandlung des Kectors über das ' Schulturnen nach
Spiefs' erhält die vorliegende Schulschrift ihr Interesse noch dadurch,
dafs die erwähnten vier Lehrer darin nach den gemachten Erfahrungen
ihr Gutachten über den Spiefsschen Turnunterricht abgeben. Aus die-
sen von Hrn. Br. im Auszuge mitgelheillen Gutachten läfst sich am
besten die Eigenlhümlichkoit des Schulturnens, wie dessen Beziehun-
gen zu Unterricht und Erziehung ersehn. Mit Ausführlichkeit verbrei-
tet sich namentlich der Lehrer Miinderloh über den Spiefsschen Turn-
unterricht, indem er (S. 16 — 23) die neue mit der allen Methode ver-
gleicht und speciell folgende Sätze erörtert: ' l) Zunächst unterschei-
det sich das neue Turnen schon dadurch scharf von dem alten, dafs
bei ersterem in der Regel alle Schüler unausgesetzt und gleichzeitig
vom Lehrer beschäftigt werden, und zwar in der Weise, dafs alle
dieselbe Uebung machen, was beim alten Turnen nicht der Fall ist,
2) Der seitherige Turnunterricht verlangt nur die aufgegebene Uebung,
ohne die Ausführung derselben in bestimmter Weise an Ort und Zeit
zu binden; das neue Turnen dagegen begrenzt die Ausführung der
Uebungen nach Raum und Zeit. 3) Das alte Turnen isoliert, das neue
Turnen verbindet sowohl die Schüler als die Uebungen. 4) Das neue
Turnen dient nicht blofs zu körperlicher Ausbildung, es beschäftigt
auch auf ausgezeichnete Weise den Geist, schärft das Nachdenken, ge-
wöhnt an stetige Aufmerksamkeit, fafst überhaupt den ganzen innern
Menschen.' Nächst diesen Hauptsätzen werden in den übrigen gutacht-
lichen Aeufserungen viele einzelne Lichtseiten der neuen Turnme-
thode zur Sprache gebracht, worauf wir hier nur hindeuten können.
Solche Beispiele einer wirklichen erzieherischen Thätigkeit, wie
sie sich hier in dem Oldenburger Lehrercollegium darbietet, sind na-
mentlich bei öffentlichen Schulen noch neu und selten ; aufser in Darm-
stadt ist uns ähnliches nur noch an der Musterschule zu Frankfurt a. M.
vorgekommen. Hoffentlich werden solche Beispiele in Zukunft zum
Wohle unserer Jugend nicht mehr als Raritäten dastehn. Ganz pas-
send hat Hr. Br. seiner Arbeit den Ausspruch Luthers: ^Es ist eine
ernste und grofse Sache, die Christo und aller Welt viel anliegt, dafs
wir dem jungen Volk rathen und helfen; damit ist dann auch uns und
allen gerathen und geholfen' als Motto vorgestellt, und damit recht
wohl die Thätigkeit solcher Schulmänner bezeichnet, die aus Liebe
zur Jugend auch Turnlehrer wurden. Hr. Br. hat nächst eigener Be-
544 Rothsfein: die gymnastischen Freiühungen nach Ling.
thätigung für die in Rede stehende Sache das Verdienst, die Schnl-
müiiner mit grofser ßeredtsamkeit und Wärme auf die Spiefssche Turn-
unterrichtsmetliode hingewiesen zu haben, was jedesfalls zu einer
Weilern Ausdehnung eines rationellen Schulturnens beitragen wird.
Er hat das Schulturnen nach Spiefs als eine unschätzbare Bereicherung
und Ergänzung des Schullebens kennen gelernt und es steht zu hoffen,
dafs mit ihm noch viele Schulmänner der Sache näher treten, damit
die von ihm citierten Worte Spiefs': * Es ist unsere tiefste Ueberzeu-
gung, dafs gerade das Turnleben, wie es der Turnunterricht in Schu-
len zu erziehn hat, der Gegenstand ist, welcher die ernsteste Beach-
tung aller derer verdient, die ein Herz für die Wohlfahrt der Jugend
haben und das heilsame einer nmfafsendern und sorgfältigem Erzie-
hungsweise derselben in ihrer Bedeutung für das öffentliche Leben er-
kennen. Vor allem sind es die Schulmänner und Lehrer, die sich mit
dem Gedanken vertraut zu machen haben, dafs gerade sie es sind,
welche der Schule auch das Turnen zu gewähren haben. Ihnen liegt
es ob, mit jugendlichem Geiste selber Hand anzulegen beim Turnun-
terrichte, der, wie aller Unterricht, im rechten Geiste nur von sol-
chen gegeben werden kann, die dem gesammten Entwicklungsgange
der Schüler im Schulleben nahe stehn und vertraut sind mit der Kunst
des Lehrers, von solchen, die überhaupt Erzieher von Beruf sind'
damit diese Worte im Schulleben ihre praktischen Beziehungen erhalten.
INun hätten wir eigentlich alles schon gesagt und angedeutet, was
in Bezug auf eine für Schulen brauchbare Unterrichtsmelhode
im Turnen vorzubringen wäre. Es bleiben uns aber noch die 'gym-
nastischen Freiübungen nach dem System Lings' übrig,
die auch für Gymnasien bestimmt sind, da ihr Verf. S. 113 — 115 den
Entwurf eines Unterrichtsplanes für einen jährigen Cursus eines sechs-
classigen Gymnasiums gibt. Da bei den preussischen Gymnasien die
Gymnastik unter angemefsener Berücksichtigung des
Lingschen Systems getrieben werden soll, so gibt uns vorlie-
gende Schrift Veranlafsung, unser Augenmerk auch hier auf dasselbe
zu richten.
Das gymnastische System des Schweden Pehr Henrik Ling
hat sich bei uns in Deutschland factisch geltend gemacht in der königl.
Centralturnansfalt zu Berlin, welche in dem ehemaligen Artillerie-
hauptmann Rothstein, einem eifrigen Anhänger Lings, ihren Unter-
richtsdirector erhalten hat. Hr. Rothstein hat die ' Gymnastik nach dem
System des schwedischen Gymnasiarchen P. H. Ling' in vier Ab-
schnitten, welche die paedagogische , die Heil- und Wehrgymnastik
enthalten, theoretisch bearbeitet, und wird noch in zwei Abschnitten
die aesthetische Gymnastik und die Organisation derselben im Staate
folgen lafsen. In diesem Werke ist dasjenige zur vollständigen wifsen-
schaftlichen Darstellung gebracht worden, was von Ling und seinen
Schülern nur in Bruchstücken und Grundzügen hinterlafsen worden
war. Darnach hat sich die schwedische Turnkunst der deutschen ge-
genüber eine rationelle genannt und jene als eine empirische
liollisloiii : tlic iryiHiiasliscIic;!! Fi-ci(li)iiriocii iiiuli Liii^. .34')
verworfen, ja sogar ihre Unlerdriirkuiig- verlangt, weil sie über ihre
Millel und Zwecke volLsländig im unklaren gehliehen sei. Inw iel'ern
solche Vorwiirl'e gegründet sein könnten , haben wir schon oben an-
gedenlel. Ilr. llolhstein trat als Vcrlreler der schwedischen Turn-
schule in heriige Opposition zu der sogcnannlen Berliner Schule, die
allerdings ihren Schwerpunkt in vielerlei andere Dinge, nur nicht in
eine syslenialische, rationelle Durchbildung ihrer Mittel gelegt hatte.
Das Lingsche System erkannte in seiner paedagogisciien (iymnastik
den Rlenschenorganisnius als Ausgangspunkt und Ziel, als den Grund-
gedanken aller Gymnastik, w eshalb die gymnastischen Kinw irUiingen
auch nur solche sein dürlen , welche die Bildung oder Umbildung des
menschlichen Organismus zu fördern im Stande sind. Ling schuf dar-
nach eine Lehre von den Körperbewegungen in Uebereinstinimnng mit
den Gesetzen, welche der menschliche Organismus zeigt. Nach seiner
Lehre waren nur durchdachte, auf Ziel und Ausgangspunkt bezo-
gene Turnübungen zuläfsig, während jedes planlose Turnen streng
ausgeschlol'sen wurde.
That es nun auf der einen Seile wirklich Nolh, in den Betrieb
der Turnübungen ein gut Theil ratio zu bringen, so will es uns doch
bedünken , als sei man in das andere Extrem verfallen, indem man die
Turnkunst in dem Bestreben einer wilsenschaftlichen Begründung zn
einer 'abstracten Muskellogik' erhob. Ein solches mathematisches
Berechnen der Leibesübungen müste aber dem ganzen Betriebe der-
selben einen beengenden schwerfälligen Charakter verleihn, der un-
sern deutschen Turnschülern schwerlich zusagen dürfte. Man hat
darum auch keine grofsen Hoffnungen gehegt, dafs für die Schu-
len aus dem Lingschen System bedeutende Früchte erwachsen wür-
den. Ob sich die schwedische Turnjugend bei gedachtem Turn-
system wohl fühlt, ist demBef. noch von keiner Seite bestätigt worden;
was wir darüber in allgemeinen Andeutungen gehört , rührt meist von
Aerzten, nicht von Schulmännern her. Hr. Bothstein wirft auch in
vorliegendem Werke (S. 107) der deutschen Turnkunst * leere Endlo-
sigkeit' vor, weil diese ihre praktischen Hebungen nach Zweck und
Wirkung nicht begrenze und motiviere. Leicht kann man dem Anklä-
ger diesen Vorwurf zurückgeben, insofern er bei der wifsenschaft-
lichen Begründung der Gymnastik ganz unbewust bis zur Uebertrei-
bung universalistisch verfährt und in das "^System der Gymnastik' Or-
gano-Mechanik, Diaetetik, Anatomie, Physiologie, Aesthetik u. dergl.
hineinträgt, so dafs das Turnen vor lauter Wifsenschaftlichkeit fast gar
nicht zur praktischen Einwirkung und unterrichllichen Gestaltung ge-
langen kann. Ein solches wifsenschaftliches Conglomerat w äre nur df^n
von Bedeutung, wenn ihm lebenskräftige frische Sprofsen entkeimten,
was im vorliegenden Falle eine mit dem Schulleben und der Gesammt-
entwicklung deutscher Erziehung und deutschen Lebens im organi-
schen Zusammenhang stehende praktische Turnkunst wäre. Die Turn-
kunst ist ein Gegenstand praktischer Art, und so sehr man die bisher
übersehene wifsenschaftliche Bpi«rung derselben als eine wesentliche
iV. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVII. Hß. 5. 36
546 Rothsfein; die gymnaslischen Freiiibniigen nach Ling.
Seite des Turnens anzuerkennen hat, so macht das doch nicht seinen
ganzen Begriff aus. ^lufs man dem paedagogischen Theile der schwe-
dischen Gymnastik seinen theoretischen Grundsätzen nach viel gutes
zugestehn, so ist in Betreff des praktischen Nutzens dieser gymnasti-
schen Bewegungslehre noch viel zu wünschen übrig. In diesem Sinne
haben auch die * gymnastischen Freiübungen' des Hrn. Hauptmann
Rothstein nicht die Bedeutung, wonach ihr Verf. alles bei uns schon
vorhandene dieser Art negieren könnte. Auch jene vornehme Ueber-
hebung der schwedischen Gymnastik über die deutsche Turnkunst mufs
uns nach Einsicht des vorliegenden als unmotiviert erscheinen.
Wir haben unter ^Freiübungen' diejenigen Turnübungen zu ver-
stehn, welche ohne Benutzung von Geräthen und Gerüsten ausgeführt
werden. Man ist gewohnt, A. Spiefs als den Schöpfer dieser nütz-
lichen Turnart zu betrachten, und auf sie bezieht sich vorzugsweise,
was Rector Breier mit seinen Collegen als das bildende und bildsame
des Spiefsschen Unterrichtsmaterials rühmt. Hier hat man die Eigen-
schaften eines Turnunterrichts entdeckt, wie ihn die Schule als solche
nothwendig fordern mufs. Diesen Spiefsschen Freiübungen gegenüber
tragen die Rothsteinschen einen ganz andern Charakter an sich, der
von einer militärischen gemefsenen Commandoförmlichkeit und von
einem kalten wifsenschaftlichen Rigorismus nicht frei zu sprechen ist,
während sich Spiefs durch jene methodische und paedagogische An-
weisung auszeichnet, mit welcher er durch eine sorgfältige und über-
aus sinnige Durcharbeitung seines Lehrobjects dem Jugendleben näher
getreten ist. Man merkt es den Rothsteinschen Freiübungen sogleich
an, dafs ihr Verf. auf dem Wege der Wifsenschaft und Reflexion zu
ihnen gelangt ist, während sie sich bei Spiefs aus dem wirklichen Un-
terrichte selbst gestaltet und darum hier ein lebendigeres frischeres
Gepräge erhalten haben.
'Was aus dem Leben frisch hervorgesprungen,
Wird wie das Leben selber auch ergreifen.'
Auch hier beginnt Hr. Rothstein mit wifsenschaftlichen Deductionen
über das physische und psychische des Menschen, über Raum- und Zeit-
formen u. s. w., und gelangt nach Aufzählung der Betriebsregeln zu den
eigentlichen Uebungen, welche sich zunächst auf die einfachsten Glie-
derbewegungen am Ort beschränken, denen die zusammengesetzten und
die Körperw endungen folgen. Ob beim Unterrichte Ausdrücke wie die
hier gebrauchten Miumpfwendstellung, Halbstreckschlufsschrittstellung'
u. s. w. zweckmäfsig sind, möchten wir wohl bezweifeln. Dieser er-
sten Abiheilung folgen die Bewegungen von der Stelle (S. 44—60)
nsdii Gang-, Lauf- und Springübungen geordnet, während die "^ Gang-
und Laufübungen unter Beobachtung besonderer Raum- und Zeitfor-
men' die gröfsere Hälfte dieses Abschnitts ausmachen. Gegen die
Spiefssche und sogar gegen die alte GutsMuthsche Bearbeitung ist
dieser Theil des Rothsteinschen Werkes nur dürftig ausgefallen. Das-
selbe gilt auch von den "^ Gang- und Laufübungen unter Beobachtung
besonderer Raum- und Zeitfiguren', obgleich sich dabei einiges neue
Uolhstein ; die gymiiasUscheii Freiübungen nach Ling. 547
und brauchbare, z. B. der Hüpilauf, Kettendurchzug, Trabanten- und
Webelauf, Uadgaiig u. s. w. vorüudct. Diese kunstvollen Bewegun-
gen einer gröl'sern Turuerablheilung stellen sich so üiinlich wie unsere
gesellschafllichen Touren- und Coulrelänze dar, und sind für den Ord-
nungssinn der tlieilnehnicndeu, wie für gefällige leibliche Gebahrduug
und Uebung ganz besonders geeignet und im Stande, die aesthetische
Seite des Turnens hervortreten zu lafsen. Spiefs hat diese gemein-
samen, oft sehr complicierten rhythmischen Bewegungen der ganzen
Turncrschaar sehr passend Mleigeu' genannt, während die Bewegung
der einzelnen oder einzelner Beihenkörper unter ^Tanz' verslanden
wird. Im Reigen erhalten die Freiübungen ihren Gipfel- und Ilöhen-
punkt. Gewähren nun die Spicfsschen Freiübungen eine viel freiere
und allseitigcre turnerische Durchbildung als die Bothsteinschen , so
stehn auch die Spiefsschen Beigen weit über dem, was uns hier von
ähnlichem dieser Art geboten wird. Der Abschnitt ^Beigen und
Tanz^ in dem schon 1851 erschienenen II. Theile des Schulturnbuchs
von Spiefs (S. 334 — 404) bietet ungleich mehr und befseres als die
schwedische Turnschule. Ueberhaupt tritt gerade in diesen beiden
ersten Abschnitten des Bothsteinschen Werkes die Armuth und das
unlebendige der schwedischen Gymnastik recht deutlich hervor gegen
die Allseitigkeit und Genialität der Spiefsschen Frei- und Ordnungs-
übungen.
Hätte somit in den gedachten Turnarten die schwedische Gymna-
stik vom deutschen Turnen sehr viel noch zu lernen, so raüfsen wir
das Verhältnis einigermafsen umkehren in Bezug auf den folgenden
Abschnitt "^Bewegungen mit Stützungen' (S. 61 — 86). Hier
tritt die schwedische Gymnastik mit einer Eigenthümlichkeit auf und
bietet Uebungen, welche so von der deutschen Turnkunst noch nicht
angewendet wurden.
Bei diesen Stützübungen (slüd) treten nemlich zwei Turner in
Wechselthätigkeit zueinander. Indem z. B. der eine die Arme zum
Stofs nach oben angezogen hat, erfafst der andere hinter ihm stehende
von aufsen die Handgelenke des ersten und leistet ihm bei dem Be-
mühen, die Arme langsam nach oben zu strecken, angemefsenen Wi-
derstand. Von beiden Seiten wird dadurch eine Kraftanstrengung er-
forderlich, doch so, dafs der Widerstand des einen stets in dem rech-
ten Verhältnisse zur Kraftaufwenduug des andern steht, indem dabei
durchaus kein Ueberwinden einer Kraft beabsichtigt wird. Neber. der
Ausbildung des feinen Gefühl^ür Regelung der eignen und fremden
Bewegung kommen vornehmlixb die physiologischen Wirkungen die-
ser Stützübungen in Anschlag. Während unsere Turnkunst meist nur
die willkürlichen Muskeln des menschlichen Körpers durch active Be-
wegungen in Anspruch nahm, so wendet die schwedische Gymnastik
auch diese Stützübungen oder duplicierle Bewegungen an, wodurch
eine Einwirkung nicht blofs auf Muskeln, sondern auch auf das seh-
nige und elastische Gewebe in allen übrigen Körperlheilen und dabei
namentlich auf Puls- und Blutadern, auf Nerven u. s. w. ermöglicht
36*
548 Rothslein : die gymnastischen Freiübungen nach Ling.
wird. Daher ist man durch solche Uebiingen im Stande, sehr bestimmt
auf die Blulgefäfse, die Nerven, die Eingeweide u. s. w. , und zwar
die Ernährung derselben hemmend oder befordernd, einzuwirken. Die
schwedische Gymnastik gibt diesen dupliciertcn Bewegungen besonders
als arteriellen einen Vorzug vor den blol's acliven, da man durch
dieselben in allen nur möglichen Richtungen das Muskelgewebe zur
Contraclion bringen, durch sie auch nur allein das ganze Gefiifssystem
desselben erregen kann. Auf diese Erscheinung gründet sich beson-
ders die Anwendung der Gymnastik für Heilzwecke, und bezeichnend
ist es, dafs die schwedische Gymnastik wider die ursprüngliche Ab-
sicht ihres Gründers vorzugsweise auf dem Felde der Heilkunde an
Terrain gewinnt *).
Rothstein theilt zwar mit Ling das System der schwedischen Gym-
nastik in vier Theile, welche die paedagogische, militärische, medi-
cinische und aesthetische Gymnastik umfal'sen sollten. Lings Schüler
sind jedoch davon bedeutend abgewichen; namentlich kennt de Ron
nur eine Gymnastik, und der gegenwärtige Director der Stockholmer
Centralturnanslalt, Prof. Branting, nimmt nur eine medicini-
sche Gymnastik an, die alle übrigen Theile umfafst. Dieser Umstand
ist bei Entscheidung der Frage: ob die schwedische Gymnastik in ihrer
praktischen Durchführung von unscrn Schulen zur nutzbaren An-
wendung gebracht werden könne, nicht ohne Bedeutung.
Wenn Hr. ßigge in seiner oben angeführten Abhandlung (S. 12)
sagt: * Namentlich Averden die Stödübungen der schwedischen Turn-
schule als zu umständlich, zeitraubend und höchstens unter erw^achse-
nen möglich, auf Schulturnplätzen wohl schwerlich Eingang finden',
so können wir dem nach unsern Erfahrungen widersprechen. Für die
Jüngern Alter dürften die Stützübungen allerdings weniger geeignet
sein, während sie sich für die Schüler der obern Gymnasialclassen als
ganz passend und zweckmäfsig crw^eisen werden. Die vorliegende
Schrift bietet eine Auswahl von 14 Beispielen einfacher Stützübungen
und von 11 Beispielen mit doppelter Stützung, wovon mehrere, z. B.
der Hochsprung, der Stützumschwung, die Lasthebe u. s. w. für ge-
übte Turner leicht ausführbar sind und sich gewis auch auf unsern
Schulturnplätzen einbürgern werden. Die '^ Ringeübu n gen' (S.
87 — 94) sind mit der der schwedischen Schule eignen Vorsicht und
Genauigkeit behandelt, welche gerade hier ganz an ihrer Stelle sind,
um diesen nicht unwichtigen Theil der gymnastischen Uebungen in der
rechten Weise zur Darstellung zu bringen. Die 'Elementarübungen
aus der a es the tischen Gymnastik' (S. 95 — 103) sind sehr mager
ausgefallen und wir stimmen mit Dr. Timm in der Behauptung überein,
dafs die Aufstellung der aesthetischen Gymnastik als einer Hauptart als
*) Wir verweisen hier auf die wichtige Schrift: Die Heil-Gym-
:tik oder die Kunst der Leibesübungen angewandt zur Heilung von
Krankheiten nach dem System des Schweden Ling und seiner Schule,
von Dr. A. C. Neu mann. Berlin 1852. gr. 8.
iias
Hullislein: die <>yniiiaslisclica Freiübungen nadi Litig-. .')41)
verfelilt zu hczeiclmen ist. Insofern die gunze Gymnastik den nienseli-
lielien Organismus zur üarslellung- seiner naliirliclien Einlieit hring^en
will und überall Solle Hainionie' Jeder IJewegutiff fordern mufs,
kann das aesllielisciie Eleiiionl nur einen mehr oder \\eniger liervorlre-
teuden (jcsiclilspunkl , aber keine Art abgelien, wenn anders niclil die
Darstellungen eines Schauspielers auch als ein JJestandlheil der ölfenl-
lielien Erziehung gellen sollen. Doch miiisen wir unser Urlheil noch
so lange zuriickhallen, bis llr. liolhstein in dem zuniichsl erscheinen-
den Bande seines Hauptwerks die aeslhelische Gymnasük als ein Gan-
zes vorgelegt haben wird.
Die Sclilursi)emerkungea verbreiten sich über den Werlh und die
Anwendung der Freiübungen, über die Betriebsrcgeln und den curso-
rischen Fortgang der Ucbungcn; zuletzt folgen noch '6'2 Uebungszettcl,
von denen jeder diejenigen Uebungcn nmfafst, die in einer üebungs-
stunde durchzunehmen sind. Wie der gymnastische Arzt zur Beseiti-
gung von körperlichen Uebeln die besondern Uebungen genau vor-
schreibt, so sind solche Turnrecepte auch hier für den paedagogischen
Turnlehrer gegeben. Wenn jeder verständige Turnlehrer für die
Turnstunde seine Uebungen so einrichten wird, dafs eine richtige
Folge derselben und eine zwcckmäfsige Combinalion der gymnasti-
schen Bewegungen im Interesse der Diaetetik eintritt, so will uns das
von der schwedischen Turnschule beliebte rcglcmentarische Abturnen
von Uebungszetteln doch gar zu commandoförmlich erscheinen, so dafs
wir auch hierin etwas unfreies und unlebendiges erblicken. Die Turn-
schüler möchten unser Mitleid verdienen., welche solche Uebungszettcl,
wie sie hier S. 119 — 127 geboten werden, nach der ausdrücklichen
Forderung (S. 118) für einige oder mehrere Uebnngstage immer zu
wiederholen hiitten. Ein solches stabiles Abiurnen mit alleiniger
Berücksichtigung des diaetetischen Zweckes kann weder der Natur des
gymnastischen Schulunterrichts, noch einer hier durchaus zu fordern-
den lebendigen Unterrichtsgestaltung entsprechen.
In dem Unterrichtsplane für ein mittel stark besuchtes Gymnasium
sind für die Classen Prima und Sccunda ganz passend Wurfübungen,
sow ie Uebungen im Degen- und Spiefsfechten angeordnet. Auch Spiele
sind für die untern Classen empfohlen , obgleich das Werk keine
Turnspiele enthält, die am geeignetsten in Gesellschaft der Freiübun-
gen aufzuführen Avaren. Es wäre überhaupt interessant gewesen,
einige gymnastische Spiele der schwedischen Turnschule kennen zu
lernen.
Nach Spiefs'' Vorgange sagt Hr. R. S. 115: ^ Bei Zusammenzie-
hungen der Classen würden die Uebungen noch in der Art zu arrangie-
ren sein, dafs der eine Theil der übenden die Bewegungen vornimmt,
der andere die letztern mit Gesang begleitet, wozu natürlich, Com-
positionen benutzt werden müfsen, deren musikalischer Rhythmus dem
Rhythmus der Bewegungen entspricht.' Nach Durchsicht der 'gymna-
stischen Freiübungen' ist dem Ref. jedoch nicht klar geworden, wo
550 Rotlistein : die gymnastischen Freiübungen nach Ling.
der Gesang passend anzubringen wäre, denn die von Hrn. Rothstein
zu diesem Zwecke bezeichneten Uebungen im Marschieren, im Lauf
und lliipflauf reichen dazu keineswegs liin. Anders ist das bei Spiefs,
der seinen scliönen Schrittweisen und Gangarten eine solche Gestal-
iung gegeben hat, dafs sie bakl in V* ^ V4 ' V4 ' Vs ' Vs Takt mit
verschiedener Betonung bald des 1., 2., 3. Viertels oder Achtels aus-
geführt werden. Dazu linden sich die geeigneten Lieder fast von
selbst, und viele der Spiefsschen Turnübungen kann man füglich Lie-
der ohne Worte nennen, wie Spiefs in der That schon bekannte Lie-
der von seinen Turnschülern öfter durch Uebungen oder mit den
llandklappern, Castagnetten u. s. w. ohne Gesang darstellen läfst.
Diese Anführungen mögen hinreichen, um auf das Werk von
Hothstein aufmerksam zu machen, das von dem einmal eingenomme-
nen Standpunkte aus mit ebenso viel Geschick als Einsicht bearbeitet
worden ist. Dem llrn. Verf. müfsen Ernst, Eifer und Hingebung für
die Sache gew is in vollem Blafsc zuerkannt werden , obgleich ihn ein
übermäfsiges Eingenommenseiu für das schwedische Turnen leicht un-
gerecht werden läfst gegen deutsches Turnwesen. Dieser Umstand
nöthigte auch den Ref. zu einem Parallelisieren der ' gymnastischen
Freiübungen nach Ling' mit schon vorhandener deutscher Arbeit. Das
deutsche Turnen hat denn doch tiefere Wurzeln und Stämme, als dafs
es so ohne weiteres mit schwedischer Hilfe als unnützes Unkraut aus-
gcrifsen und weggeworfen werden könnte. Das Werk wird übrigens
denen, welche sich damit begnügen, dem Turnen vorwiegend eine
physiologisch- anatomische oder sogenannte diaetetische Grundlage zu
geben und sich davon reiche Früchte versprechen, eine willkommene
praktische Anleitung geben. Für diejenigen Lehrer und Erzieher aber,
welche mit Spiefs beim Turnen ' den Leib als die Form und Schale be-
trachten, in welcher das Wesen unserer vollen Persönlichkeit sich
aus- und eingeslaltet zum ganzen Menschen für irdischen und himm-
lischen Dienst und Zweck zugleich', wird das Rothsteinsche Werk
nur eine untergeordnete Bedeutung haben, wenn schon einzelnes Be-
achtung verdient. Sehr treffend charakterisiert Dr. Timm die in vor-
stehender Abhandlung berührten Richtungen auf dem Gebiete des Turn-
wesens mit den Worten: 'Jahn begriff das Turnen vorzugsweise als
Spiel, und den Turnplatz als den Tummelplatz der Jugend; Ling als
VVifsenschaft, und den Turnplatz als eine Lehranstalt; in Spiefs
sehn Avir das beginnende Bemühn, diese einzelnen Seiten zur Einheit in
Theorie und Praxis zu bringen; und die fortwährende Aufgabe der
Sache bleibt es, in allseitiger Gewahrung ihrer Momente den ganzen
Kreis ihrer Beziehungen zu Leben und Bildung aufzufafsen.' So hoffen
wir denn, dafs mit Dr. Timm sich noch recht viele Schulmänner davon
überzeugen: wie im Gegensatze zu dem alten in seiner Fortbildung
sich immer mehr der Schule entfremdenden Turnen nun von A. Spiefs
durch die so nöthige paedagogische und methodische Behandlung der
Sache eine engere Verbindung des Turnens mit der Schule wieder
hergestellt ist, wobei die von der schwedischen Turnschulc so nach-
Woepkc: l''algcl)rü (f Omar AlkhayyAiui. 551
(Irucklich botoulcii diaolctisclicii Giuiulsälzc keineswegs ausgeschlorsen
werden.
Dresden. M. Kloss.
Valgebrc cP Omar Alkhayyämi ^ publice, traduite et accompagnee
d'extraits de maiiuscrits inedits, par F. jyocpcke, Docteur agrege
ä I'universite de Bonn, Membrc de la societe Asiatique de Paris.
Paris, Benjamin Duprat, libraire de Tlnstitut. 1851. XX, 128 und
Ol' S. 8.
Erst in der neuesten Zeit ist es Matliematikern , die der arabi-
schen Sprache gar nicht oder nur sehr wenig kundig sind und daher
nicht direct aus den Quellen schöpfen können, möglich geworden,
sich mit den wichtigsten arabischen Autoritäten bekannter zu ma-
chen und zugleich von der gesamniteu Entwicklung der Mathematik
bei den Arabern ein anschauliches Bild zu erhalten; und es war wahr-
lich hohe Zeil, dafs einige Vorurtheile und irrige Ansichten, die sich
selbst in den berühmtesten Werken, die die Geschichte der arabischen
Geometrie und Algebra behandeln, vorfinden, endlich gründlich be-
seitigt wurden. Man schenkte z. B. den Arabern nur als Uebersetzern
der Griechen einige Aufmerksamkeit und zweifelte daran, bei ihnen
viel originelles und von der griechischen Bildung abweichendes, über-
haupt eine wesentliche Fortentwicklung der Wifsenschaft zu finden.
Diese und eine Jlenge verwandter Irtbümcr stellen die in den letzten
Jahrzehnten herausgekommenen, allein brauchbaren Uebersetzungen
der arabischen Originale mehr und mehr ab; die altern lateinischen
Uebersetzungen des 12ten und 13ten Jahrhunderts, welche überdies
nur weniges umfafsen, sind dazu nicht geeignet, da sie zu viel Unge-
nauigkeiten enthalten. Leider sind die Gesanimlresultate dieser neuen
Studien noch nirgends mit genügender Vollständigkeit gesammelt.
Man findet vieles in Zeitschriften zerstreut, und nur etwa Chasles""
Geschichte der Geometrie (Uebersetzung von Sohncke S. 561 flg.)^
so wie Nesselmanns Geschichte der Algebra (besonders im 2ten Ca-
pitel) gewähren einen freilich noch lange nicht genügenden Ueber-
blick. Es ist daher im Interesse dieser wichtigen Partie der Geschichte
der Mathematik sehr zu wünschen, dafs alle die dunkeln Lücken der-
selben bald mit solcher allseitigen Befähigung ausgefüllt werden möch-
ten, wie sie Hr. Woepke bei der Ausgabe des Omar Alkhayyämi be-
wiesen hat. Diesen neuern matliematisch-philologischen Forschungen
möchte es denn auch bald gelingen, das Verhältnis klar zu bestim-
men, in welchem die arabische Mathematik zur indischen steht, für
welche Colebrookes Werk von gröfster Wichtigkeit ist.
Die verdienstvolle Arbeit des Hrn. Dr. V/oepke zerfällt in vier
Theile: Vorwort, Uebersetzung, Zusätze und Urtext. Das Vorwoit
U^
552 Woepckc : ralgebre irOniiu- AlUhayyami.
«libt zunächst einige historische Vorbemerkungen über die drei von
ihm benutzten Manuscriple. Für das beste erklärt er den mit A be-
zeichneten Codex, Nr. 1136 der Bibliothequc nationale, obgleich der-
selbe grofsentheils keine diakritischen Punkte hat. Diese zeigt der
Codex B (Nr. 1104 der Bibl. nat. j , der aber noch nicht die Hälfte des
Textes enthält und überdies zum Tlieil ganz unleserlich geworden ist.
Auf dieses Fragment hat schon Lcdillot (Nolices et extraits des manu-
scrits de la Bibliolhcque royale. Tome XIII p. 130 ff.) hingewiesen
und Hr. Woepcke selbst in Crelles Journ. f. Matli. XL S. 160—172.
Aufserdem benutzte Hr. W. noch eine sehr brauchbare Leidener
Handschrift (C) und zu den Zusätzen noch einige andere Pariser und
Leidener Manuscripte. Die scharfe und genaue Kritik des Textes,
welche einige Male allen drei Handschriften zum Trotz Correcluren
vnrniiii!r:t -Jüd erst durch dieselben die SeWeise klar und verständlich
macht, so wie die der modernen Terminologie angepasste Ueher-
setzung, ferner die in den Anmerkungen tleifsig durchgeführte Um-
schreibung der Formeln und Gleichungen in Buchstaben , endlich die
zur geometrischen Consiruction der Gleichungen gezeichneten Figu-
ren, welche neben der arithmetischen Lösung consequent die geome-
trische geben — alles dies beweist, dafs Hr. \V. den vorliegenden
schwierigen Stoff nicht nur beherscht, sondern tiefer in das Wesen
der arabischen Mathematik eingedrungen ist als irgend einer seiner
Vorgänger.
Das Vorwort theilt aufser den Notizen über die Manuscriple die
wenigen bekannten Data über Alkhayyämis Leben vollständig mit und
macht uns mit seiner Jlethode, so wie mit den Besnltaten seiner For-
schungen bekannt. Die Anordnung seines Werkes selbst ist in der
Kürze folgende: eine Einleitung gibt die Definitionen der wichtig-
sten algebraischen Grundbegriffe mit häufig eingemischten Anrufun-
gen des Höchsten. Eine systematische Gleichungstabelle macht dann
den Anfang des eigentlichen Werks; hierbei werden zugleich alle
die speciellen Fälle hervorgehoben, welche bereits frühere Alge-
braisten behandelt liaben. Es folgen dann binome Gleichungen und
trinome Glciclumgen des zweiten Grades mit fortwährender Hinwei-
sung auf euklideische Theoreme. Wenn Diophantos nur von einem
Wurzelwerth quadratischer Gleichungen spricht, so weifs dagegen
Alkhayyämi nicht allein, dafs es deren mehrere geben kann, son-
dern er behandelt auch die positiven Wurzehverthe mit vollkommener
Genauigkeit. Besonders interessant sind auch die Theoreme, welche
er der Construction der Gleichungen des dritten Grades voranstellt.
Diese selbst sind für Trinome und Quadrinome behandelt. Den Schlufs
bilden Gleichungen mit Bruchformen , in w eichen statt der Unbekann-
ten selbst deren reciproker Werth erscheint, und Zusätze Alkhayyä-
mis, welche an a\ ichtigen Notizen für die Geschichte der arabischen
Mathematik reich sind.
So weit Alkhayyämi. Der Verf. gibt aber noch 5 Fragmente aus
andern arabischen Mathematikern und zwar sowohl die Uebersetzung,
WoepcUc: [''alifcbrc (rOmar Alkhuyyaiui. 553
als auch an dicsolhc angeknüpfte Abliandlung'en. Das crslc enthält
ein Memoire (flbn Ailiaiiham, c\;st-ä-dire du Cliaikh Ahoül IIa(jan
Ben Allia^an Ben Alhailliam siir ia sectiun d^Ine lij>ne eniployee par
Ariliimcde dans le seooud livre. Es ist der 5te Lehrsatz des 2ten Bu-
ches der Ahhan(liiin<>- über Kugel und Cyliuder. Archiniedes stellt
sicli hier bekanntlich die Aufifabe, eine Kugel so von einer Ebene
schneiden zu lafsen, dai's die beiden Sef,''mcnle ein beslininites Ver-
hältnis erhallen, eine Aufgabe, die zu der kubischen Gleichung-
X"* + a'-^b = ex* führt, wenn man eine Linie, auf der zwei Punkte
gegeben sind, zu Hilfe ruft. Auch das zweite Frag-ment beschäftigt
sicii mit diesem Problem. Das dritte, wahrscheinlich ein Auszug
aus einer Abhandlung Algcuhis, zeigt, dafs bei der gleichzeitigen
Construction zweier Gleichungen zwischen x und y mit Hilfe des
Durchschnitts zweier Kegel der Fall, wo sich beide berühren, ge-
nauer erörtert wird als bei Alkhayyami, indem die zwischen den
Coefficienten der Gleichung für diesen Fall eintretenden Relationen
entwickelt werden. Da Alkh.s Methodik nicht zur Construction der
biquadratischen Gleichungen ausreicht, so hat Hr. W. im 4ten Zu-
sätze gezeigt, dafs die Araber dies nicht nur in speciellen Fällen lei-
steten, sondern derartige Probleme auch auf ihren algebraischen Aus-
druck brachten, so dafs man wirklich in aller Strenge ßehaupten
kann, dafs sie biquadratische Glcichnngen mittelst des Durchschnitts
zweier Kegelflächen construierten. Auch einzelne Gleichungen höherer
Grade construierten sie wahrscheinlich mit Hilfe der ihnen aus grie-
chischen Werken bekannten Curven höherer Grade. Das letzte Frag-
ment gibt einen Auszug einer arabischen Abhandlung über die Drei-
Iheilung des Winkels — bekanntlich zugleich mit dem bekannten de-
lischen Problem von Plato bis Vieta ein geometrisches Hauptproblem.
Zugleich aber führt es mehrere Auflösungen, welche die Araber für
dasselbe gefunden, mit einer solchen Genauigkeit und Belesenheit
durch, dafs wir zum Schlufs nochmals erklären müfsen, dafs jeder
Mathematiker, welcher sich für die Geschichte seiner Wifsenschaft
interessiert, aus dieser Monographie ein deutlicheres Bild von der ara-
bischen Mathematik gegen das Ende des Uten Jahrhunderts*) gewin-
nen wird, als durch alle die vereinzelten und zum Theil ganz unzu-
verläfsigen Notizen , welche sich in den historischen Schriften über
Mathematik vorfinden.
Die äufsere Ausstattung ist zu loben , die Zahl der Druckfehler
sehr gering.
Dessau. C. Bötlger.
*) Alkhayyami nahm an der Berechnung und Einführung der ge
laiischen Aera Theil, welche vom seldschuckischen Hofe aiisgieng (15.
März 1079, vgl. Montucla: Hist. des math. ^d. nouv. t. I p. 387).
554 Boltz II. Franz: Handbuch der englischen Litteratur.
Handbuch der englischen Literatur. Für Freunde der englischen
Sprache und höhere Unterrichtsanstalten*) bearbeitet von Dr.
A. Boltz, Lehrer der modernen Sprachen und der Handelswifsen-
schaften an der Handelsschule**), und Dr, H. Franz, Lehrer der
englischen Sprache und Literatur am königl. franz. Gymnasium
und an der Handeisschule. Ir Theil. Die Prosaiker. 2r Theil.
Die Dichter. Berlin, Verlag von G. Reimer. 1852. XV und 416;
XII und 429 S. Lex. 8.
Dieses Handbuch beabsichtigt, eine wohlgeordnete Uebersicht
der gesammten englischen Litteratur, von ihren ersten
Anfängen bis auf die neueste Zeit zu geben. Einer so ge-
waltigen Aufgabe auf so beschränktem Räume einigerinafsen zu genü-
gen, setzt eine tiefe und umfafsende, nur durch langjährige Studien
erreichbare Kenntnis der betreffenden Litteratur voraus , wenigstens
eine solche, aus welcher bescheiden auftretende ältere Sammlungen
ähnlicher Art, z. B. die von Ideler und Nolte, Dr. Herrig hervorge-
gangen sind, und jedesfalls eine etwas gröfsere, als der im poetischen
Theile häufig abgeschriebene Daniel Scrymgeour in seiner Poetry and
Poets of Britain zu Markte bringt. Die Herren Verf. konnten etwa
sagen, dafs sie, anstatt eine Masse Lesestücke aus ihnen der Mehrzahl
nach unbekannten Autoren planlos zusammenzuraffen, vieles bereits
von andern, z. B. Dr. Herrig umsichtig ausgewählte Material abge-
schrieben und dazu noch einige Stücke selbständig ausgewählt und
von einer übergrofsen Anzahl von Autoren so viele Bruchstücke ge-
geben hätten, dafs dies alles zugleich mit einigen oft fast nur aus
langen Citaten zusammengesetzten Einleitungen und fragmentarischen
Notizen jeden Freund der englischen Sprache zunächst abslöfst, aber
recht ausdauernde und häufig zwischen den Zeilen lesende Freunde zu
einigen Ideen über die einzelnen Epochen der englischen Litteratur
und über die fortschreitende Entwicklung der Sprache anregen kann.
Damit wäre denn freilich zugleich der unfertige und unselbständige
Charakter des ganzen Buches, so wie dessen sehr fragliche Brauch-
barkeit zu Gymnasialzwecken genügend bezeichnet worden.
Der erste Band beginnt mit einer ' Gesbichte (sie!) der Sprache',
d. h. einigen Andeutungen und Winken, welche zum Studium dieser
Geschichte anregen sollen; denn viel mehr kann auf einem Druckbo-
gen doch nicht geboten werden. Es heifst gleich zu Anfang: ^Die
englische Sprache , ein geniales Gemisch (?) der verschiedenartigsten
*) Diese ungewöhnliche Hintansetzung der höhern Unterrichtsan-
stalten , die, wie es fast scheinen könnte, mit der englischen Sprache
nicht befreundet sind, zeigt nicht blofs der Titel, sondern, wie bald
dargethan werden soll, das ganze Werk.
**) Nemlich zu Berlin. Auf dem Titel des zweiten Bandes heilst
Dr. A. Boltz Lehrer der russischen Sprache an der königl. Kriegs-
schule.
Boltz u. Franz: II;ui(ll)iicli der oii«^liscIicn liitlcraliir. 555
Idiome, bietet in iliroi; gcgemvürliyeii Gestalt ein sclieinhar willkür-
lich durcheinander gcworienes Gebilde dar, das an Regellosigkeit
und schönlieilswidrigen Sprach- und Salzformen seines Gleichen nicht
findet. Und doch ist es ein Leichtes (,) dieses bunte Gewirr zur rein-
sten Harmonie, diese anscheinende Willkür zur vollendetsten Hegel-
mäl'sigkeil zurückzuführen , wenn wir zunächst ihre historische Bildung
und Entwicklung in Betracht ziehen und sodann in den Bau derselben,
in ihrer gegenwärtigen Gestalt, einen liefern Blick werfen. ' Es ist
wahr, dafs die englische Sprache den Streit ihrer heterogenen Ele-
mente dadurch geschlichtet hat, dafs sie sich auf höchst einfache For-
men beschränkte; wo weisen denn aber die Verfafscr jene * reinste
Harmonie und vollendetste Begelmäfsigkeit ' nach? Sagen sie doch
später selbst, dafs die englische Sprache schliefslich immer mehr an
grammatischer und syntaktischer (?) Schönheit eingebüfst habe, dafs
sich die verschiedenen Glieder eines Satzes, so zu sagen, von einan-
der abstemmen (??), statt sich harmonisch zu einem schönen Gan-
zen zu gestalten und zu verbinden. Wo bleibt aber da die reinste
Harmonie? Die englische Sprache hat gewis manchen hohen Vorzug,
— Einfachheit der Formen , grofse Afünität mit andern Sprachen,
Kraft und Energie des Ausdrucks, Entschiedenheit im prosaischen und
poetischen Ausdruck u. s. w. — aber die reinste Harmonie dürfte
schwer nachzuweisen sein. Auch erschien uns, um noch auf einige
Einzelheilen dieser Geschichte einzugehn, die Behauptung unbegrün-
det, dafs es im ersten Jahrhundert nach der Eroberung kaum irgend
welche Autoren in der englischen Sprache gegeben habe und dafs wir
von denen, die vor Chaucer schrieben und deren Schriften erhalten
sind, jedes Zeugnisses des Beifalls ihrer Zeitgenofsen und ihrer Nach-
folger entbehren. Diese Negation ist etwas stark, wird aber durch
eine sehr sichere Behauptung (zu Anfang des ersten Abschnitts der
zweiten Periode) noch überboten: ^ diese Epoche (1558—1649) ist
unstreitig eine der schönsten, wenn nicht die grofsartigste in der
Geschichte der ganzen menschlichen Erkenntnis; denn nie und nirgend
ist eine ähnliche anzutreffen, die ihr ebenbürtig zur Seite gestellt
werden dürfte. ' Das ist mehr als Enthusiasmus, und schon den En-
thusiasmus lieben wir nicht in einem Handbuche, in welches kurz und
bündig ausgesprochene, aus vollständiger Sachkenntnis hervorgegan-
gene Urlheile gehören.
Vom Ormulum wird S. 12 der Einleitung gesagt, dafs nur ein-
zelne Auszüge daraus gedruckt worden seien; seitdem ist erschienen:
The Ormulum, now first edited from the original manuscript in Ihe
Bodleian wilh notes and a glossary by Robert Meadows White. D. D.
2 Voll. Oxford 1852, ■ — Ebenso ungenügend wie das Ormulum wird
S. 16 Robert oder, wie er richtiger heifst, William Langlaude bespro-
chen. Gegen das Ende dieser Einleitung erwähnen die Verff. die von
J. Grimm (Ueber den Ursprung der Sprache) ausgesprochene Behaup-
tung, dafs die englische Sprache befähigt sei, sich zu einer Univer-
salsprache aller Nationen zu erheben, und fügen bescheiden hinzu:
556 Boltz II. Franz : Handbuch der englischen Litteratur.
Sväre sie nnr nicht so schwer auszusprechen!' Soll dieser Einwand
J. Grimms Behauptung entkräften? Gerade die Aussprache steht ihr in
dieser Beziehung nicht im Wege; denn die Accenluation folgt sehr
einfachen Gesetzen und die Unreinheit ihrer Vocallaute ist zur Ver-
mittlung dieser Laute bei verschiedenen Nationen nicht ungeeignet,
wie dies die Sprache der Nordamerikaner beweist. Zum Schlufs heilst
es: 'Hingegen soll es ihr, nach dem Urtheile mchrer Kenner, an
allen den Nuancen des Ausdrucks der feinern, gesellschaftlichen
Beziehungen fehlen, für welche die französische Sprache so viele Be-
nennungen aufzuweisen hat.' Wir wollten uns getrauen, diesen Zwei-
fel mit Hilfe eines einzigen Bulwerschen Romans zu beseitigen, wenn
wir nicht aus eigner Erfahrung wüsten, dafs es nirgends eine so
feine und unverbrüchliche sprachliche Etikette gibt, als in der hohen
Aristokratie der Engländer.
Auf diese Geschichte der Sprache folgt eine ebenso unvollstän-
dige Geschichte der englischen Prosa als Kunstproduct (der Hrn. VerlT.,
die dies alles auf zwei Seiten in einer Nufs geben). Etwas reichhal-
tiger sind die Vorbemerkungen zu den einzelnen Perioden (für die
Prosa 5, für die Poesie 4, mit einigen Unterabiheilungen), aber ruhig
und klar ausgearbeitet sind auch diese nicht, sondern, wie schon
gesagt wurde, eine Mosaik von Citaten aus dem Edinburgh Review,
Scrymgeour, selbst aus der Storia crilica della poesia Inglese des
Grafen Giuseppe Pecchio, und alles dies unübersetzt. Bel'ser passt diese
fragmentarische Form für die Rückblicke und Uebersichtstabellen, wel-
che die Verff. am Schlufse der bedeutenderen Perioden geben, um
manchen Autor, von dem aus Mangel an Raum keine Probestücke ge-
geben werden konnten, auf diese Weise seiner Bedeutung nach ein-
zureihen und in der Kürze zu besprechen. Es würde dem Buche nur
dienlich sein, wenn hierkin noch mehrere verwiesen würden, denn
es ist befser, Charakterbilder einer kleinern Anzahl gut auszuzeich-
nen, als mulfa zu geben. Die Auswahl der Lesestücke selbst ist übri-
gens für viele Namen nicht neu; besonders Dr. L. Herrigs select
specimens of the national literature of England sind ungebühr-
lich stark benutzt, wie wir leicht nachweisen könnten. Die kurzen
Biographien und Charakteristiken der einzelnen Schriftsteller erhöhen
zwar die Brauchbarkeit des Werks, aber auch hier vermifsen wir ein
selbständiges Urlheil und einen sichern Standpunkt. Bei Chaucer hätte
E. Fiedlers Uebersetzung der Canterbnry - Erzählungen erwähnt
werden können, da dieselbe eine reichhaltige Einleitung zu Chaucers
Leben und Wirken enthält. Desselben Schriftstellers Geschichte der
volksthümlichen schottischen Liederdichtung war bei den schottischen
Dichtern zu erwähnen. Für die Dichter der letzten Periode sind, na-
mentlich in der Uebersichtstabelle, wie leicht nachzuweisen ist, die
Nachrichten über die Verff. , welche den Anhang des englischen Lie-
derschatzes von Dr. R. Elze*) bilden, vielfach wörllich bunulzt,
*) Dieses von uns im Bd. LXV S. 170 ff. dieser NJahrb. bespro-
üettmer: Vocahiilarium l'iir den js^riccli. Elementaruiiterricht. 557
während doch dieses Biiclis nur S. 410 hei Geiegcnheil der amerika-
nischen üicliter und Üichlerinnen gedacht wird. Ein solclies Verfah-
ren ist ehenso verwerllich, als der Ahdruck vieler interessanten und
sorgtaltig ausgewählten Leseslücke aus Dr. Herrigs verdienstvoller
Sammlung. Auch können wir es nur tadeln, dafs die fragmentarische
und tumultuarisclie Form des ganzen ßuclies sich sogar auf mafsig
lange Gedichte erstreckt, deren Harmonie durch Excerpieren und
Weglafsen geradezu zerstört wird. Man sehe z. B. was von dem sin-
nigen Gedichte A. Tennysons 'Godiva' iii)rig gehliehen ist!
Die Zahl der Druckfehler ist niclit unhedeiitcnd und das Ver-
sprechen, dieselhen am Ende des 2n Theils anzugeben, nicht gelöst.
S. 7 Z. 15 V. u. steht halte für hatten; S. 22, 5 v. o. bowide für
bouide; S. 24, 9 v. o. Fischer für Fisher ; S. 33, 3 v. u. 1807 für 1607.
Von Raleigh ist gesagt, dafs er seine History of the world 1552,
also in seinem Gehurtsjahre, pnhliciert habe; S. 39, 13 v. u. 1778 für
1578, ebenso S. 40 unten 1780 für 1580; S. 41 Macauhj für Macaulay
u. s. w. Im zweiten Bande S. 403 Mrs Joanna Baillie für Miss J. B.;
S. 408 und 415 Mary Ann Brown für Browne u. s. w.
Die äufsere Ausstattung ist der des Wolffschen Hausschatzes,
dessen zweite Autlage, da hinten ein paar Bogen angeheftet worden
sind, nunmehr die vielfach ergänzte und erweiterte dritte genannt
wird, sehr ähnlich.
Dessau. C. Bötiger.
Kürzere Anzeigen.
Vocabnlarmm für den griechischen Elementarunterricht. Nebst
Aufgaben zu mündlichen und schriftlichen Uebungen und einem
deutschen Wortregister. Von Dr. Carl Dettmer, Collaborator am
Catbarlneum zu Lübeck. Braunschweig, C. A. Schwetschke u.
Sohn. 1852. VIII u. 120 S. 8.
Das früher gewöhnliche Vocabellernen in den Schulen findet be-
kanntlich nur noch in sehr beschränktem Mafse statt. Nur die im
jedesmaligen Lesestücke vorkommenden Wörter müfsen in der Regel
dem Gedächtnis eingeprägt werden. Dies hat den Nachtheil , dafs
dem Schüler gerade eine Menge derjenigen Wörter, welche Gegen-
stände des gewöhnlichen Lebens betreffen und deren Benennung in
der fremden Sprache deshalb dem jungen Menschen am interessante-
sten ist , unbekannt bleiben. Döderlein machte mit richtigem prakti-
schen Takte durch sein Vocabulai-ium für den lateinischen Ele-
mentarunterricht und die dazu gehörigen Erläuterungen auf diesen
chene Buch ist so eben in einer zweiten wii-klich verbefserten und ver-
mehrten Auflage erschienen.
558 Fritzsche: prosodische Regeln und Anweisung zum Versbau.
Uebelstand aufmerksam und Hr. Dettmer liefert uns hier etwas ähn-
liches für das Griechische, sagt aber in der Vorrede (S. III):
«■gegen eine etymologische Anordnung, wie sie Döderlein für das La-
teinische befolgt hat, schienen gewichtige Gründe zu reden; doch ist,
um auch dies Bedürfnis nicht unberücksichtigt zu lafsen, in Abschn.
VII ein etymologischer Index gegeben worden, der sich zu Wieder-
holungen im ganzen und zu Nachweisen im einzelnen, namentlich in
Bezug auf Wortbildung und Zusammensetzung wird gebrauchen lafsen,
und dem ein Verzeichnis gleich oder ähnlich lautender Wörter bei-
gefügt ist.' Wir halten nun gerade diesen Theil der Arbelt für den
nützlichsten und vorzüglichsten , weil dem Schüler nicht früh genug
klar werden kann, dafs z. B. Wörter wie (pQijv, cpqovuv , q^qövrjotg
u. s. w. oder Tt'xrav, rtKvov, tüV.o?, zozivg zu einem Stamme gehören,
denn dieses übt nicht nur oft den Scharfsinn , sondern befördert auch
gar sehr das Verständnis dieser Worte und erleichtert eben dadurch die
sogenannte Praeparation. Weniger einverstanden bin ich aber eben
deshalb mit der Anordnung des ganzen nach den Wörterclassen, weil
eine solche bunte Zusammenstellung der verschiedenartigsten Begriffe
und Dinge das Lernen und. Behalten des gelernten ungemein er-
schwert und der Nutzen davon, dafs der Schüler weifs, alle diese
Wörter gehören der ersten, die der zweiten Declination u. s. w. an,
ein sehr unbedeutender ist, da der Schüler dies ohnedem leicht aus
den Endungen erkennt. Eher würde ich mich mit einer Zusammen-
stellung nach Art des bekannten alten Orbis pictus einverstehn. Etwas
anders ist es mit den in Abschnitten IV — VI enthaltenen Adverbien,
Praepositionen und Conjunctionen ; deren Zusammenstellung zum Aus-
wendiglernen kann für den Unterricht nicht anders als erspriefslich
sein. Die Aufgaben zum Uebersetzen ins Griechische erstrecken sich
nur über die beiden ersten Declinationen ; doch möchte gerade die
Einübung derselben als der leichtesten nicht eines solchen Aufwands
an Zeit bedürfen. Man sieht hieraus, das Buch enthält manches gute
und brauchbare, doch auch ebenso manches, was der erfahrene Schul-
mann weniger billigen kann.
Freiberg. Bcnscler.
Prosodische Regeln und Anweisung zum Versbau^ zunächst für
die lateinische Sprache, nebst Anhängen über griechische Pro-
sodie und Metra. Von Dr. R. W. Fritzsche, ordentl. Lehrer
am Gymnasium zu St. Nicolai in Leipzig. Leipzig, Hermann
Fritzsche. 1852. 38 S. 8.
Dieses kleine Schriftchen enthält eine übersichtliche Zusammen-
stellung der prosodischen Regeln der lateinischen Sprache und unter-
scheidet sich eben durch seine leichtere Uebersichtlichkeit von dem,
was die Grammatiken in dieser Hinsicht enthalten. Die Anweisung
zum Versbau enthält namentlich einzelne Beispiele zum Auswendig-
lernen so -wie einige Aufgaben. Ein kurzer Anhang für Schüler der
Böhme 11. Mühlmann: historische Chrestomathie. 559
obern Classeii gibt das allcrnothwendlfr.ste über den griechischen Vers-
bau. Da das Ganze nicht mehr als S'/^ Druckbogen unifafst, so ist
seine Einführung als Hilfsbüchlein für den prosodisch-inetrischen Un-
terricht in den Schulen leicht zu ermöglichen.
Freiberg. Benseier.
D}\ B. IL Böhme's historische Chrestomathie ans den lateini-
schen Schriftstellern zur cursorischen und statarischen Leetüre
für die mittlem Classen der Gymnasien. Eine synchronistische
Darstellung der alten Geschichte, insbesondere der Griechischen
und Römischen. Dritte Auflage, nach den vorzüglichsten Ausga-
ben der lateinischen Schriftsteller verbefsert und durch gramma
tische und lexicalische Anmerkungen erläutert von Dr. Gustav
Mühlmann. Leipzig, Wöller. 1851. IV u. 207 S. 8.
Der Zweck dieser bekannten, hier in der dritten Ausgabe vor
uns liegenden Chrestomathie ist, wie ihn der verstorbene Verfafser
selbst angab, solchen Schülern zur Leetüre zu dienen, welche bereits
in den grammatischen Formen geübt sind und demnach schon leichtere
Sätze aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt haben. Doch
sollte sie sich auch nebenbei für die freie häusliche Beschäftigung der
etwas reiferen Jugend eignen und cursorisch gelesen werden können.
Es sind zu diesem Behufe Stücke aus Justin , Curtius, Vellejus Pater-
culus, Cicero, Plinius Naturgeschichte, Hygin, Tacitus , Valerius
Maximus, Aurelius Victor, Gellius, Eutrop, Florus, Livius , Cornelius
Nepos, Quintilian, Caesar und Sueton so zusammengestellt, dafs sie
eine Darstellung der alten Geschichte abgeben. Wer nun freilich
glaubt, dafs auch schon auf dieser Stufe der Bildung der Stil des
Schülers nicht durch das Latein verschiedener Culturperioden der la-
teinischen Sprache irre geführt werden dürfe, mufs eine solche bunte
Zusammenstellung von kürzern oder längern Stücken aus den ver-
schiedensten Schriftstellern verwerfen. Referent ist jedoch nicht die-
ser Ansicht, weil er überhaupt als Zweck des Lateinlernens nicht die
Bildung eines guten lateinischen Stils anerkennen kann, mag auch
diese Ansicht mehrere Jahrhunderte lang die herschende gewesen sein.
Ihm erscheint nach den jetzt obwaltenden Verhältnissen dieses Ziel
als ein gänzlich verfehltes, und auch ohne eine 'Umkehr der Wifsen-
schaften ' gar nicht mehr zu erreichendes , w ie es denn auch schon
früher bei einem viel grÖfsern Aufwand an Zeit dafür doch nur in
äufserst seltnen Fällen erreicht worden ist. Und insofern ist er ganz
damit einverstanden , dafs das Regulativ für die Gelehrtenschulen im
Königreich Sachsen diese Chrestomathie den Schulen empfiehlt. Nur
läfst sich, wie ich glaube und wie ich es in meinen Musterstücken lateini-
scher Prosa auch praktisch versucht habe, noch ein Schritt weiter gehn,
so dafs dann nicht der zufällige Umstand, dafs gerade der oder jener
lateinische Schriftsteller blofs das Stückchen griechische oder römische
Geschichte erzählt, die Aufnahme desselben entscheidet, sondern der
560 Volckmar: poematia Latina.
innere Werth oder der interessante Gegenstand und seine Wichtig-
keit für den Ideenkreis des Schülers überhaupt die Auswahl be-
stimmt; kurz hier dieselben Gründe gelten, wie sie bei den Chresto-
mathien in den neuern Sprachen zum Theil schon längst gegolten
haben.
Was aber den Commentar betrifft, so hat sich hier Hr. Mühlmann
durch Weglafsung der früher beigegebenen geographischen und ge-
schichtlichen Erläuterungen und durch Beifügung anderer, welche mehr
grammatischer und erklärender Art sind, ein wesentliches Verdienst
um dieses Schulbuch erworben. Uns sind dieselben gröfstentheils sehr
zweckmäfsig und richtig für die angegebene Bildungsstufe der Schü-
ler berechnet vorgekoaunen. Auch können wir versichern, dafs durch
dieselben weder die Thätigkeit des Schülers noch die des Lehrers über-
flüfsig gemacht wird. Dafs der Text und die Interpunction gleich-
falls verbefsert worden sind, bedarf wohl nicht erst der Versicherung.
Und so hoffen wir, dafs sich dieses Buch in seiner verbefserten
Gestalt nicht nur die alten Freunde erhalten, sondern auch neue dazu
erwerben werde.
Freiberg. Benseier.
PoemaUa Latina. Aus der Anthologia Latina, Virgilius , Martialis
und Statins. Mit anmerkungen für schulen herausgegeben von
Dr. C. Volckmar , lehrer an dem k. paedagogium zu Ilfeld. Nord-
haiisen, Förstemann. 1852. IX u. 137 S. 8.
Hr. Volckmar sagt in der Vorrede: 'die in diesem bändchen ent-
haltenen gedichte sind bis jetzt für die schulen fast gar nicht be-
nutzt, da sich die poetischen Chrestomathien in der regel auf CatuU,
TibuU, Properz und Ovid beschränken. Durch meine Zusammenstel-
lung und bearbeltung derselben habe ich also nicht etwas überflüfsi-
ges gethan , wenn nämlich die gedichte selbst verdienen, in den höhern
classen der gymnasien zugelafsen zu werden. Davon bin ich aber
vollkommen überzeugt; gehören sie doch ohne frage zu dem besten,
was die poetische literatur der Römer uns bietet.' Diese Behauptun-
gen können wir aber nicht so unbedingt unterschreiben. Was den
Martial anbetrifft, so hat schon die für die mittlem Classen von
Gymnasien berechnete Chrestomathie von Morstadt eine ziemliche An-
zahl von dessen Gedichten aufgenommen, und gerade für die Knaben die-
ser Classen eignen sich diese witzigen Spiele des Verstandes mehr als
für die Jünglinge der obern Classen, wo die erwachende Phantasie
von den würdigern und erhabnem Schöpfungen der Dichtkunst ge-
nährt und geleitet werden soll. Es nehmen nun aber die Sinngedichte
des Martial hiervon 137 Seiten nicht weniger als 110 Seiten ein, in-
dem 267 derselben aufgenommen sind. Von den 38 kleinen Gedichten
aus der latein. Anthologie sind einige recht gefällig und anmuthig,
andere aber, wie z. B. gleich die zwei ersten, enthalten auch nicht
die leiseste Spur von Poesie und sind nichts als einfache Inschriften,
i Holzapfel : über Erziehung und Unterricht in Frankreicli. 561
wie sie jeder Kirchhof noch heute in Masse aufweist. Sie sind nur
als älteste Denkmäler der latein. Sprache für den Sprachforscher in-
teressant. — Aui'ser diesen finden sich dann noch 2 («"ediclite des Pa-
pinius Statius (Villa Tihurtina Manlii Vopisci und Villa Surrentiiia
Pollii Felicis) und die zwei bekannten des Virgil : Copa und Moretum
in der Sammlung. Die letztern sind den Schülern, die sich ja ge-
wöhnlich im Besitz einer Gesammtausgabe des Virgil befinden, schon
jetzt leicht zugänglich gewesen. Und so können wir allerdings diese
Chrestomathie für den angegebenen Zweck der Leetüre in den höiiern
Classen der Gymnasien nicht empfehlen, weil wir von dem, was sich
zur poetischen Leetüre des Jünglingsalters eigne, andere Ansiciiten
haben; wohl aber können wir den Hrn. Verf. im Literesse der Wil'sen-
schaft auffordern, den vollständigen Martial mit einem Commentar,
wie der hier gegebene ist, herauszugeben. Er wird damit eine den
Freunden des Martial (und Ref. rechnet sich zu diesen) längst fühl-
bare Lücke in der philologischen Litteratur ausfüllen.
Freiberg. Bcnseler.
Mittheilungen über Erz>iehung und Unterricht in Franhreich
von Dr. R. Holzapfel, Director d. höhern Gewerb- und Handels-
schule zu Magdeburg. Magdeburg 1853. VI u. 215 S. 8.
Ist es an und für sich interessant, die bei einem fremden Volke
in Bezug auf Erziehung und Unterricht herschenden Ansichten und
bestehenden Einrichtungen kennen zu lernen, weil sie, wie Erzeug-
nisse, so wiederum Grundlagen des inneren und äulseren Lebens des
Volkes sind, ist es schon an und für sich nützlich, wie jede vater-
ländische Einrichtung, so des eignen Volkes Erziehungswesen im Zu-
sammenhalten mit dem eines andern zu prüfen, so wird dies zur un-
abweisbaren Nothwendigkeit, wenn, wie in unseren Tagen so häufig
geschieht, Eigenschaften der Fremden uns als Muster vorgehalten und
daran die Forderung, gleiche unserem heranwachsenden Geschlechte
mittelst des Unterrichts anzubilden geknüpft wird''). Diesen Erwä-
*) Wie gedankenlos dies geschieht, davon gibt die Bd. LXVII
S. 54 erwähnte Auslafsung einer deutschen Zeitschrift Zeugnis. In
einem solchen Vorkommnisse, wie das ist, welches zu jener Tirade
Veranlal'sung gegeben, kann man zunächst Pflichtversäumnis der Be-
amten sehn, weiter gehend fragen, ob deren Ausbildung genügend sei,
man kann ferner den Mangel industrieller Aufmerksamkeit und Rüh-
rigkeit rügen, da des eignen Vaterlandes Schätze unbenutzt liegen ge-
blieben, aber nein! die Gymnasien und die alten Sprachen müfsen
herhalten. Und wenn nun gerade bei dem Volke, aus welchem der
Entdecker des Kohleneisensteins herstammt, die Realien von dem Gym-
nasialunterricht fast gänzlich ausgeschlofsen sind , — ein gewifsen-
hafter Mann mufs doch erst prüfen, auf welche Weise jener Auslän-
der seine geognostischen Kenntnisse erworben hat — wie dann? Wir
müfsen einen andern Gymnasialunterricht einführen, damit in Zukunft
nicht Bergbeamte und Gewerbsthätige etwas überschn , was ein Aus-
N. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVII. Hft. 5. 37
562 Holzapfel: über Erziehung und Unterricht in Frankreich.
gungen haben wir denn in neuester Zeit manches litterarische Erzeug-
nis zu verdanken, von dem praktische Wirkungen nicht ausbleiben
werden. Wiese's eben so erquickende und felselnde, wie belehrende
und anregende Schrift über die englischen Schulen wird hoffentlich
niemandem, dem es mit unserem höheren Schulwesen Ernst ist, un-
bekannt sein. Ueber das Erziehungswesen Frankreichs besitzen wir
das durch Reichhaltigkeit, wie durch AHseitigkeit und Unparteilich-
keit der Darstellung und Beurtheilung musterhafte Werk von Hahn
(das Unterrichtswesen in Frankreich mit einer Geschichte der Pariser
Universität. Breslau 1848). Da einerseits der grofse Umfang dessel-
ben dem , welcher nur einen Zweig des grofsen Ganzen genauer stu-
dieren will, manche Schwierigkeiten bietet, andererseits seit seinem
Erscheinen manches neue geschehn oder vorbereitet ist, so verdient
es dankbare Anerkennung, dafs Hr. Dr. Holzapfel über den mitt-
lem Unterricht eine besondere Schrift herausgegeben und in dieselbe
die früher in der Zeitschrift für das Gymnasialwesen und im Pro-
gramme seiner Anstalt 1852 veröffentlichten Aufsätze erweitert und
umgearbeitet aufgenommen hat. Die Darstellung , durch Klarheit und
Lebendigkeit ausgezeichnet , gibt überall für die in der Vorrede ge
gebene Versicherung, dafs sie sich auf Originalquellen und eigene An-
schauung stütze, Zeugnis. Den Inhalt und den Gang derselben wird
man aus folgendem Verzeichnisse kennen lernen: Universität. Behör-
den. Unterrichtsanstalten. Gymnasien (S. 12 — 49). 1) paedagogischer
Charakter. 2) Patronatsverhältnisse. 3) innere Einrichtung. 4) Unter-
richtsmethode. 5) Concurs. 6) Disciplin. Der Gymnasiallehrer (S. 49 —
86). 1) Das Personal. 2) Prüfungen: a) Baccalaureusprüfung, b) Li-
centlatenprüfung, c) agregation, d) Fähigkeitsprüfung. 3) Besoldun-
gen. Die Realstudien (S. 86—113). Das Seminar für Gymnasialleh-
rer (S. 113 — 135). Geistliche Schulen. Das Seminar für geistliche
Gymnasiallehrer (S. 135 — 169). Die realistische Hochschule (S. 1C9 —
187. Die eigentlichen Fachschulen, wie die so ausgezeichnete poly-
technische Schule finden auch Berücksichtigung, ohne dafs ihnen be-
sondere Abschnitte gewidmet sind). In Anhängen werden 1) gekrönte
Concursarbeiten, 2) die Namen der Chefs des Unterrichtswesens seit
1808 und 3) die neuesten Veränderungen (die Vorrede trägt das Datum
14. Sept. 1852) beigefügt. Weniger Werth legen wir darauf, dafs wir
das Seminar für Gymnasiallehrer nicht durch die Realstudien von den
vorhergehenden Abschnitten getrennt zu sehn wünschten , wichtiger
erscheint uns die Bemerkung, dafs der Entwicklungsgang des ganzen
deutlicher erkannt werden würde, wenn alles auf ihn EInflufs übende
an einer Stelle berücksichtigt wäre, während jetzt manches, was in
den ersten Abschnitten gesagt Ist, erst durch das später bei den geist-
lichen Schulen beigebrachte volle Beleuchtung empfängt; indes ver-
länder findet. Mit dieser Logik scheut man sich in Deutschland nicht
gegen eine Jahrhunderte hindurch bestehende Einrichtung der Väter
aufzutreten! —
Holzapfel: über Erzielmng und Unforriolit in Frankreich. 503
ringern derartige Beiiierkmigon den Wertli der Selirift niciit. Wenn
wir mm liier einen ßlicic in die Zustände «le.s franzü.sisclien Volkes er-
öffnet finden, wenn wir die Hinderung, welche der durch das parla-
mentarische System gebotene beständige Wechsel der Regierung jeder
schnelleren, gedeihlicheren, consequenteren Verbefserung entgegen-
stellte, betrachten, wenn wir den Sinn für Häuslichkeit und Ge-
müthlichkeit auch in der Erziehung vennifsen, die Disciplin auf Mis-
trauen gegründet, den Schüler ängstlich, ja peinlich überwachend und
dem Lehrer in der Wahl und Anwendung der Strafen und Krzieliungs •
mittel nur wenig Freiheit gewährend , den Ehrgeiz als das mächtigste
Mittel fast allein ins Auge gefafst, alles auf Ruhm, Clauz und Schein
vor der Welt berechnet. Abrichtung statt tüchtiger wifsenschaftllclier
Bildung, allenthalben Uniformität statt freier geistiger Bewegung und
Berücksichtigung der Individualität, schwächliche Nachsicht für die
Nichterreichung der gesteckten Ziele und Vernachläfsigung selbst des
nothwendigen in den wichtigsten Dingen, wie z. B. in Bezug auf
Lehrerbildung, wahrnehmen, mögen wir wohl uns glücklich preisen
und Gott danken für das, was wir vor den Franzosen voraus haben,
aber vergefsen wir dabei nur der Demuth nicht und hüten wir uns,
wie in politischen Dingen, so auch in diesen den Franzosen mehr oder
weniger bewust nachzuahmen! Mögen wir, um zunächst dies anzu-
führen, nach der Darstellung im vorliegenden Werke beherzigen,
welch unheilbarer Rifs in ein Volk kommt , wo das rechte Verhältnis
zwischen Kirche und Staat gewaltsam gelöst ist, welche unselige Wir-
kung entsteht, wenn die Schulen des Staats von der Kirche getrennt
mit ihr nur noch in äufserlichem , schwachem Zusammenhang stehn.
Gern hätten wir darüber bestimmtes zu erfahren gewünscht, ob denn
in Frankreich gar keine ausschlielslich protestantische, wenigstens
Privatgymnasien bestehn und wie sich solrhe zu den übrigen des Lan-
des verhalten. Aufserdem findet sich vieles, was auf Fragen in un-
serem Erziehungs- und Unterrichtswesen zurückführt, und, wenn wir
nicht falsche und einseitige Handhabung dem Grundsatze selbst als
Nachtheil aufbürden, doch auch manche gesunde und richtige Ansicht
und Maxime. Wenn wir in der vorliegenden Schrift nachgewiesen
finden, wie in BVankreich die Erziehung im Hause viel seltner ist, als
die in Pensionaten und Alumneen, so wird uns dies zum Nachdenken
auffordern über die auch bei uns nach dem Vorgange Englands ge-
äufserte Ansicht, dafs die Errichtung solcher in weit gröl'serer Zahl
forderlich und heilsam sein werde, und die Beobachtung der dar-
aus in Frankreich hervorgehenden Folgen — neben charaktervoller
Entwicklung Mangel an Gemüth und Pietät — wird uns einerseits
vor Verirrung über gewisse Grenzen hinaus warnen und zu Erhaltung
der natürlichen Bande ermahnen, andererseits aber zeigen, wie viel
zur Charakterbildung das Versetzen in eine fremde, abgeschlofsene,
die Erwerbung einer das Herz befriedigenden Stellung durch eigene
Kraft fordernde Welt beitragen kann. Auch in Frankreich hat sich
das Bedürfnis gezeigt, den für das bürgerliche Leben umfafsendere
37*
564 Holzapfel : über Erziehung und Unterricht in Frankreich.
Kenntnis und höhere Ausbildung suchenden jungen Leuten Gelegen-
heit zu Erwerbung solcher zu geben, auch dort hat man es wegen der
Kosten vortlieilhaft gefunden, statt besondere Anstalten zu errichten,
mit den Gymnasien dieselben ersetzende Einrichtungen zu verbinden,
man hat auch dort einen gemeinschaftlichen Unterbau für beide Rich-
tungen nicht allein für möglich, sondern sogar für räthlich gehalten,
aber wichtig ist, dafs man dann eine gänzlichje innere Trennung (en-
seignement special) angenommen. Die Wiedervereinigung in der Spitze
ist nur dort möglich, wie sich bald ergeben wird. Rücksichtlich der
eigentlichen Gymnasialbildung stellt sich schon dadurch, noch mehr
aber durch die übrige Darstellung heraus, dafs die Franzosen das
Wesen derselben hauptsächlich und viel ausscliliefslicher als wir in
das Studium der alten classischen Sprachen setzen. Dafs die in neue-
ster Zeit erfolgten heftigen Angriffe auf die Lesung der heidnischen
Schriftsteller nicht den Nutzen und die Unersetzbarkeit der Sprach-
studien in Zweifel ziehn , sondern aus ganz andern Gründen hervor-
gehn, ist bekannt (vgl. Bd. LXVII H. 1). Da nun auch in der ei-
gentlichen Gymnasialbildung die Forderung realer Kenntnisse, beson-
ders in den Naturwifsenschaften anerkannt wird, so ist interessant
die von der bei uns gewöhnlichen ganz abweichende Einrichtung (et-
was ähnliches waren die in mehreren süddeutschen Ländern bestehen-
den philosophischen Curse, deren Absolvierung vor dem eigentlichen
Fachstudium gefordert wurde), wonach, nachdem 5 Jahre hindurch
fast ausschliefslich die alten Sprachen getrieben sind, in einem sechs-
ten unter Fallenlafsen jener das Studium auf Mathematik und Natur-
wifsenschaften gewendet wird. Es mufs dies um so mehr unser Nach-
denken erregen, als bei uns gegen das bunte Nebeneinander so vieler
Lehrgegenstände gegründete Klagen erhoben worden sind und man
sich vielfach über Mittel dem Uebel abzuhelfen berathen hat. Von
dem Vorschlage eines ähnlichen Verfahrens, wie das in Frankreich
ist, erinnert sich Ref. nicht etwas vernommen zuhaben, aber der des
entgegengesetzten ist mehrfach gethan worden (s. Bd. LXV S. 90).
Wie viel wahres darin enthalten sei, dafs bei gereifterem Geiste und
geübteren Kräften in kürzerer Zeit in den Realien sichrere und tüch-
tigere Leistungen erzielt werden, namentlich für das, was nicht Sache
des Gedächtnisses ist, und wie viel namentlich die höhere formale
Bildung dazu beitrage, wird wohl schwerlich jemand verkennen, und
wenn wir uns auch nicht gegen unser System entscheiden dürfen, so
wird doch die Frage beherzigenswerth bleiben, ob wir nicht man-
ches zu früh betreiben und zu früh erreichen zu können glauben. Dafs
die Franzosen übrigens in den Realien weniger fordern und manche
Fächer, wie z. B. die Geschichte und politische Geographie (s. S.
106 f. über das enseignement special. In den eigentlichen Gymnasial-
classen ist es kaum anders. Dafs wir den vor allem der alten und
der vaterländischen Geschichte ertheilten Vorzug dabei nicht mei-
nen, versteht sich wohl von selbst) sehr vernachläfsigen, wird viel-
leicht benutzt werden, um uns von neuem auf den Grundsatz der
Holzapfel; über Erzioliiuiu iiiid L'iileniolit in Frimkrcich. oö.')
Engläiuler, welche bekanntlich auf die zwingende Macht des Lebens
und der späteren Verhältnisse ein solches Gewicht legen, dafs sie die
Hinführung im Unterrichte desiialb für unnöthig halten, hinzuweisen;
indes werden die in Frankreich zu beobachtenden Folgen , die her-
gehende Unwil'senheit in der (Jeograpiiie und der Mangel echter histo-
rischer Bildung (einzelne Ausnaiinien beweisen nichts, aber das S. 107
von Michelet angeführte spricht hinlänglich dafür) uns zeigen, dafs
nicht überall dasselbe gleichen Erfolg hat, und uns die Frage vorle-
gen , ob wir wohl denselben, wie die Engländer, zu erwarten hätten.
Was die Unterrichtsmethode betrifft, so legen die Franzosen auf das
Docieren so geringen VVerth, dafs das Geschäft des Unterrichts für den
Lehrer fast ganz allein in Controle und Beurtheilung der Arbeiten der
Schüler besteht. Dafs dasselbe noch in England gilt, dasselbe auch
in der älteren Zeit in unsern Gymnasien bestand , wenn schon viel-
leicht in beschränkterem IMafse, ist bekannt. Wenn wir nun auch
weit entfernt sind, die Durchführung jenes Grundsatzes für möglich
und räthlich zu halten, so ist doch die Frage zu beantworten, ob
wir nicht zu grofsem Nachtheile uns von ihm zu sehr abgewandt ha-
ben , ob wir nicht auf den Vortrag des Lehrers ein zu grofses, auf
die Arbeit des Schülers, d. h. nicht auf das Repetieren, sondern auf
die Vorarbeit , auf das selbständige Aneignen, ein zu geringes Gewicht
legen. Gewichtige Stimmen in unserer paedagogischen Litteratur ha-
ben darauf hingewiesen und die Frage mul's wohl als eine brennende
bezeichnet werden. Rücksichtlich des LTnterrichts in den alten Spra-
chen (S. 33 — 37) sehen die Franzosen beim Lesen der Schriftsteller
mehr auf Aneignung des Inhalts, weniger auf allseitiges Beleuchten
und Begreifen in etymologischer, syntaktischer und stilistischer Hin-
sicht, suchen mehr die Sprache zum unbewusten Besitz zu bringen
und halten deshalb viel auf Auswendiglernen, vielfältige Exercitien,
Arbeiten und metrische Uebungen. Der Kreis der gelesenen Schrift-
steller ist weit umfafsender als bei uns (S. 24), dagegen scheint um-
fänglichere Bekanntschaft und gröfsere Vertrautheit mit einzelnen
weit weniger Augenmerk zu sein. Findet sich dabei auch manches
entschieden tadelnswerthe, wie z. B. dafs selbst stetes Fortschreiten
vom leichteren zum schwereren nicht genug beobachtet Avird (S. 35 f.),
so wird man doch auf anderes zur Bekräftigung von Forderungen,
welche man auch bei uns gestellt hat, hinweisen. Es ist hier nicht
der Ort die hier einschlagenden Fragen zu erörtern, aber auf eins
miifs Ref. diejenigen, welche etwa davon Gebrauch machen sollten,
aufmerksam machen, dafs dem französischen Geiste die Richtung auf
die Tiefe, welche einen eigenthümlichen Vorzug des unsrigen bildet,
mangelt, und dafs wir demnach darin fehlen können, jener Richtung
zu viel und zu früh nachzugeben, aber derselben im Unterrichte ge-
wis Rechnung tragen müfsen. In Bezug auf das, was der Hr. Verf.
S. 34 sagt: <^unsere Extemporalien sind nicht üblich, insofern man un-
ter Extemporalien die Uebungen versteht, bei denen in der Mutter-
sprache gegebene Dictate sogleich in der fremden niedergeschrieben
566 Holzapfel : über Erziehung und Unterricht in Frankreich.
werden' bemerkt Ref., dafs jene Uebungen auch in Deutschland nur
selten sind und die meisten den Namen nicht im eigentlichen Sinne
verdienen. Wenn derselbe S. 36 sich dahin äufsert, die grofse Sorg-
falt und der grofse Zeitaufwand für metrische Uebungen sei zu ent-
schuldigen durch die aufserordentlichen Schwierigkeiten, welche die
Auffafsung der Quantitätsverhältnisse für den Franzosen habe, und* in
der Note hinzufügt, dafs er zwar weit entfernt sei jenen Uebungen
jeden Nutzen abzusprechen, aber sich nicht überzeugen könne, dafs
die Ausbeute in richtigem Verhältnisse stehe zu der aufgewandten
Kraft und Zeit, welche sich ohne Zweifel im Interesse der classi-
schen Studien zweckmäfsiger verwenden lafse, so glaubt Ref., der
übrigens die von manchen empfohlene Ausdehnung jener Uebungen
selbst beschränkt wünscht (s. Bd. LXVI S. 180), dafs so entschieden
verwerfende Urtheiie nicht gefällt werden würden, wenn man recht
erwöge, wie jene Uebungen dafür, den Schüler mit dem Wesen dich-
terischer Sprache und Auffafsung vertraut zu machen, förderlicher
sind als Erklärung und Auseinandersetzung. S. 39 rühmt der Hr.
Verf. — und die Aussprüche anderer stimmen damit nberein — die
grofse Gewandtheit im französischen Stile, welche durchgängig die
jungen Leute der oberen Classen besitzen, und es ist deshalb gewis
lehrreich, die Art und Weise, wie dies Resultat erzielt wird, kennen
zu lernen, zumal da die Schriftsprache — denn dafs auf deren Er-
lernung es allein ankommt, hat R. v. Raum er in K. v. Raumers Ge-
schichte der Paedagogik III, 2, durch den überhaupt die Methodik des
deutschen Unterrichts in ein neues Stadium eingetreten ist, trefflich
gezeigt, — in Frankreich von der Volkssprache wohl eben so scharf
geschieden ist als bei uns, und demnach ihre Erlernung, wenn schon
man gröfsere Gewandtheit in der B'orm den Franzosen als Charakter-
eigenthümlichkeit zugestehn mufs , gewis dieselben Schwierigkeiten
hat. Wenn nun dort jenes Ziel ohne eigentlichen theoretischen Un-
terricht in der französischen Grammatik und ohne die Existenz freier
Aufsätze aufser in den obersten Classen (S. 37 — 39), durch fleifsiges
Lesen, Erklären (über die Art desselben wünschten wir allerdings tie-
fere Aufschlüfse) und Auswendiglernen der Musterschriftsteller und da-
durch, dafs man von vornherein beim Uebersetzen der alten Schriftsteller
auf einen scharf bezeichnenden und doch schönen Ausdruck streng hält,
erreicht wird, sollte dies nicht für uns zur Entscheidung der schwleri-
rigen Frage wegen des deutschen Unterrichts etwas beitragen können?
Interessant ist für den Ref. auch die Notiz gewesen, dafs die Fran-
zosen von neueren Sprachen nur deutsch und englisch, nie eine roma-
nische in den Schulen lehren, weil der dafür anzugebende Grund,
dafs sie jene Sprachen als der Muttersprache ferner stehend für bil-
dender halten, ein Licht wirft auf die Forderung vieler in Deutsch-
land, das französische in den Gymnasien durch das englische zu er-
setzen. Diese Bemerkungen, welche sich dem Ref. bei der Leetüre
aufdrängten, werden genügen, den Werth der vorliegenden Schrift
ZU bezeichnen. Dictsch.
Giinllicr: (Ins Sclmlvvesoii im protesliinlisclicii Staate. .107
Das Schulwesen im proleslnvlisclien Slaale. Vorträge für Gebil-
dete von Dr. Frdr. Joarh. aünther. Klboifeld 1852. 559 S. 12.
Der Verf. des vorlien;ondeii Buches ist den Lesern dieser Zeit-
schrift durch seine frühere Sclirift ü!)er den deutsciicn Unterricht und
dnrch seine Aufsätze über das preussische Cymnasialwesen in den letz-
ten dreifsig Jaliren im 'Janus' wohlbekannt. Ein Mann von Geist,
mit Knerf>ie und Schärfe des Denkens bef^abt, dabei wiilensstark nacii
Verwirklichung der erkannten Wahrheiten strebend und rücksichtslos
die Dinge, wie sie ihm erscheinen, bezeichnend, hat er sich durch
Blofsstellung verkehrter Richtungen unbestreitbare Verdienste erwor-
ben, wenn auch dieselben weniger offen, vielmehr durch das allmäh-
liche Geltendwerden gleicher oder verwandter Ansichten und Gedanken
anerkannt worden sind. Freilich hat er sich, wie jeder energische
Geist, der was er hat und ist nur sich selbst zu verdanken hat, vor
gewissen Einseitigkeiten nicht bewahren können und deshalb sind seine
aufbauenden Vorschläge weniger praktisch. Mit dem allmählichen Um -
und Ausbilden, mit der Berücksichtigung der gegebenen Verhältnisse,
mit einem Rechnungtragen gegen das factisch bestehende und einem
möglichen Bewahren des darin enthaltenen guten kann sich ein sol-
cher Mann nicht befafsen. Er zeigt die Schäden von dem was ist und
wie es sein sollte; darum, wie es so werden kann und soll, beküm-
mert er sich weniger. Auch das vorliegende Buch gibt davon Zeug-
nis. Wir finden in demselben so viel richtiges und wahres scharf
und klar herausgestellt, dafs wir uns desselben herzlichst freuen und
eine wesentliche und nachhaltende Anregung empfinden, dagegen doch
auch wieder so vieles einseitige und bedenkliche, dafs wir nach
dessen Ausscheidung ringen. Dem Zwecke unserer Zeitschrift gemäfs
beschränken wir uns auf das, was im 10 — 13. Vortrage S. 217 — 313
von den Gymnasien gesagt ist, und können dies um so leichter, als
hier gerade die Principien, von welchen der Hr. Verf. sonst ausgeht,
und die uns allerdings zu einer weitläufigen Discussion veranlafsen
müsten, wie z. B. schon der einzige Ausdruck 'protestantischer Staat',
am wenigsten als mafsgebend in Betracht kommen. Auch werden wir
uns nicht an die Form halten und den etwaigen Mangel an logischer
Consequenz hier und da herausstellen — in Vorträgen ist ja hier
ohnehin ein anderer Mafsstab als sonst anzulegen — , sondern bespre-
chen nur den Inhalt. Zuerst freut es uns, dafs wir den Begriff des
Gymnasiums als einer Vorbereitungsanstalt zum wifsenschaftlichen
Studium richtig erkannt und bestimmt dargestellt, damit aber auch
zugleich jenes hohle Reden von allgemeiner Bildung (der Verf. er-
kennt nur Berufsschulen an) abgeschnitten und der Realschule ihre
rechte Stellung angewiesen finden. Wir theilen vollkommen das Be-
streben, das Festhalten und die strenge Durchführung dieser Bestim-
mung als nothwendig darzulegen und das Paciscieren mit dem Realis-
mus in seiner Halbheit und Gefährlichkeit nachzuweisen, aber dennoch
sind wir mit der Begründung der Beorderung weniger zufrieden. Na-
568 Günther: das Schulwesen im protestantischen Staate.
mentlich genügt uns der Beweis dafür, dafs das Studium der Alten
das nothweiidige, weil wirksamste Mittel zu der Bildung ist, welche
das Gymnasium geben soll, nicht. Gründet man diesen, wie der Hr-
Verf. nach anderen thut, darauf, dafs Alterthum, Christenthum und
Germanenthum die Factoren sind, aus welchen unsere moderne Bildung
erwachsen , so springt die Nothwendigkeit des so viel Zeit und Kraft
erfordernden Studiums der Alten selbst nicht in die Augen; stellt man
ihn darauf, dafs der wahrhaft wifsenschaftliche Mann die Quellen und
den Grund der Wahrheiten seiner Wifsenschaft und deren Entwick-
lung selbständig urtheilend erkennen müfse , so wird man, so sehr
sich Ref. freut, hier dieselben an das Gymnasium gewiesen zu sehn,
für die Älediciner die Nothwendigkeit weniger einsehn, und selbst für
Theologen und Juristen etwas anderes, als die eigentlichen alten Clas-
siker fordern; beruft man sich darauf, dafs klare Auffafsung, Aneig-
nung und Darstellung fremden geistigen Eigenthums eine nothwendige
Bedingung des wifsenschaftlichen Studiums sei, so bleibt immer die
Frage nicht zurückgewiesen, warum nicht an den Neueren dasselbe
gewonnen werden solle. Keines von diesen Momenten ist an und für
sich zwingend, und dennoch keins unbedeutsam. Sie legen aber erst
in ihrer Gesammtheit ein verdoppelndes Gewicht zu dem, dessen Hin-
zutreten das eigentlich entscheidende ist, zu der Uebung der Kräfte
und der Zucht des Geistes, welche erfahrungsmäfsig eben so wie
nach theoretisch unumstöfslichen Grundsätzen durch das Studium der
Alten in ihrer ursprünglichen Form, wie in gleichem Mafse durch kein
anderes gegeben werden. Das haben unsere Vorfahren erkannt; denn
unter der sapientia und eloquentia, welche Sturm zu der pietas hin-
zufügte, ist nichts anders zu verstehn, als jene Befähigung, Erstar-
kung und Züchtigung des Geistes, und gerade dieses Moment mufs
den gebildeten gegenüber am meisten geltend gemacht werden, weil
es das Wesen des Gymnasiums bedingt; darauf müfsen die Lehrerund
Leiter der Anstalten immer wieder hingewiesen werden , weil ohne
klares Bewustsein darüber ihre Arbeit eine theilweise vergebliche
sein mufs. Dies also hätten wir von dem Hrn. Verf. mehr berücksich-
tigt gewünscht. Wenn nun derselbe auf Vereinfachung des Lehrplans
und Concentration der Kraft auf dieses eine Studium dringt, so hat
dies nicht nur unseren ungetheilten Beifall, sondern wir begrüfsen ihn
als einen willkommenen Mitstreiter, gleichwohl aber müfsen wir auch
hier manches von uns zurückweisen. Die Ansicht über das Progym-
nasium theiien wir ganz. Auch wir wünschen nicht gemeinsamen Un-
terbau für Gymnasium und Realschule, nehmen für jenes schon einen
frühzeitigen bestimmt eigenthümlichen Weg in Anspruch, geben aber
sehr gern zu, dafs hier in den Vorstufen viel gemeinsames statt finde,
ohne jedoch auf die Möglichkeit erst späterer Entscheidung für einen
bestimmten Beruf ein grofses Gewicht zu legen. Für die drei oberen
Classen stellt der Hr. Verf. unter Voraussetzung eines zweijährigen
Cursus S. 265 folgenden Lectionsplan auf.
Günther: das Schulwesen im protestantischen Staate. 569
Std. Montag. Diiistag. Mittwoch. Donnerstag. Freitag. Sonnabend.
7 — 8 Religion. Religion. Religion. Deutsch. Deutsch. Deutsch.
8 — 9 Latein. Latein. Latein. Latein. Latein. Latein.
9 — 10 Griech. Griech. Griech. Griecli. Griech. Griech.
10 — 11 Deutsch. Deutsch. NcuereSjjr. Latein. Latein. Latein.
Wir halten es allerdings nicht für bedeutungslos, dal's der Hr. Verf.
sich nicht begnügt, nur die Zahl der wöchentlichen Lehrstunden für
die einzelnen Fächer zu bezeichnen, sondern auch denselben eine be-
stimmte Zeit und Folge vorschreibt, legen indes darauf kein Gewicht,
weil nach allem, was wir von ihm gelesen, wir überzeugt sind, dafs
er auch hierin individuellen Verhältnissen Rechnung getragen wifsen
will. Hier erscheinen denn nun ganze Lehrfächer, die jetzt auf den
Lectionsplänen sich breit machen, gestrichen: die Mathematik, weil
sie sich nur als Wifsenschaft lehren lafse , Wifsenschaft aber nicht
auf die Schule gehöre, in Folge davon und aus andern Gründen auch
die Naturwifsenschaften, Geschichte, weil davon genug durch die
Leetüre der Alten gelernt werde, der wirkliche Unterricht aber, wenn
die Geschichte nicht als Wifsenschaft gelehrt werden dürfe, entweder
mehr Gedächtnisquälerei sei oder Geschichten aus der Geschichte gebe,
aus ähnlichen Gründen die Geographie, der philosophischen Propae-
deutik gedenken wir nicht, weil hierüber die Meinungen sehr ver-
schieden sind. Wie können nun wir, die wir doch auch für Verein-
fachung des Lectionsplans gesprochen, die wir daraufdringen, für
das selbstthätige Studieren der Alten Zeit und zwar fast alle Zeit zu
gewinnen, damit nicht einverstanden sein? Zuerst bringt der Hr.
Verf., wie uns scheint, das, was er officiell hinausgeworfen, doch
durch ein Hinterthürchen wieder hinein. Denn in den deutschen Stun-
den soll der Schüler reden, wie es S. 264- heifst: 'Der Schüler lerne
also in freier Rede früher gelerntes wiederholen , selbst gewähltes
mittheilen, die Arbeit seiner Neigung — sei es Mathematik, Physik,
Astronomie oder sonst was — vorlegen, über seine vom Lehrer vor-
geschriebene Leetüre öffentlich Auskunft geben, von seiner Privat-
lectüre Bericht erstatten, Auszüge aus Büchern geben, Erklärungen
classischer Stellen liefern, lerne zerstreutes ordnen, fernliegendes
verknüpfen, ähnliches vergleichen, das Für und Wider erwägen, das
schönste aus Geschichte, Geographie u. s. w. auf Geheifs oder aus
sich aussuchen und vortragen.' Heifst dies nicht die Sache im Stu-
dium lafsen, und nur einen andern Weg einschlagen, welcher der in-
dividuellen Neigung mehr Raum läfst ? Und ist denn zweitens nicht
hierin ein Bedürfnis nach Kenntnis jener Fächer anerkannt? Trifft
endlich nicht drittens der Tadel vielmehr die verkehrte Methode, den
abusus, als den usus? Damit sind wir ganz einverstanden, dafs jene
Dinge nicht als Wlfsenschaften gelehrt werden dürfen, dafs der Wille
praktische Bedürfnisse dadurch zu befriedigen unendlichen Schaden
gestiftet hat, aber gleichwohl halten wir dafür, dafs sie betrieben
werden sollen , freilich nur in rechter Weise. Wir müfsen jedoch
etwas weiter ausholen. Ed ist etwas sehr schönes und blendendes.
570 Günther: das Schiihvesen im prolestanlisclien Staate.
dafs der Individualität freier Spielraum gegeben werden müfse, wenn
man nur nicht so oft dabei vergkfse, dafs die zu erziehende Jugend
erst zur Individualität gebildet werden soll. Nicht jeder Neigung
oder Abneigung des Knaben ist nachzugeben, um so weniger als die-
selbe häufig nur Scheu vor Anstrengung oder unbewustes , wo nicht
unsittliches Gefallenfinden ist. Bei aller Verschiedenheit der Anlagen
und Kräfte ferner ist doch der gänzliche Mangel daran für irgend eine
bestimmte Sache gewis nur eine höchst seltene Ausnahme und wo sich
ein solcher zeigt, gewis auch keine genügende Bildung im ganzen zu
erwarten. Erweckung, Bethätigung, Uebung der vorhandenen Kraft,
mag ihr Mafs noch so gering sein, ist Pflicht. Endlich ist ja der
Zwang, weil er die eigne Lust überwinden und den eignen Willen
unter ein Gebot gefangen zu geben lehrt, für die sittlich- religiöse
Erziehung ein unerläfsliches Moment und dies darf vom Lernen nicht
ausgeschlofsen sein, um so weniger, als ja der gröfste Theil des Han-
delns für den Knaben im Lernen besteht. Also aus dem Grunde, dafs
die Liebe für jene Fächer nicht bei allen gleich vorhanden sei, darf
man sie nicht ausschliefsen, das Recht der Individualität fordert nur,
dafs man nicht von allen das gleiche fordere, mindestens nicht in
gleicher Zeit und auf gleiche Weise; denn selbst so weit darf es nicht
ausgedehnt werden, dafs man nicht ein bestimmt begrenztes Mafs für
alle als Endziel aufzustellen hätte. Doch hier werden wir mit dem
Hrn. Verf. leicht übereinkommen, da er ja dem Lehrer nachläfst, dem
Schüler Aufgaben zu stellen , die das Studium jener Lehrfächer be-
treffen, aber die Hauptdifferenz besteht darin, dafs er uns dem Selbst-
studium einen zu grofsen Raum und zu grofsen Werth beizulegen
scheint. Anhaltende Selbstthätigkeit, Erarbeitung aus eigner Kraft,
Vertiefung in einen Gegenstand sind Grundbedingungen der wahrhaft
innerlichen und kernhaften Geistesbildung, allein man kann auch in
der Ausführung des daraus sich ergebenden paedagogischen Grund-
satzes zu weit gehen, einmal indem man zu früh und zu umfafsendes
Selbststudium fordert, und sodann indem man dem Unterrichte zu we-
nig Geltung beilegt und denselben nur auf Aufgaben und Anleitung,
Prüfung und Beurtheilung beschränkt. Auf die Jugend übt die leben-
di"-e Persönlichkeit einen noch viel tieferen und nachhaltigeren Ein-
flufs aus, als auf die späteren Altersstufen. Das gesprochene Wort
ergreift sie mächtiger, als das geschriebene. Die Anschauung, wie
der Lehrer den Gegenstand erfafst , wie er ihn mit Liebe und Hinge-
bung studiert hat, wie er ihn beherscht, wirkt bei dem Schüler in
einer von vielen, namentlich solchen, deren eigner Bildungsgang die
Erfahrung davon ausgeschlofsen , nicht genug erkannten und gewür-
digten Weise. Und so entsteht denn uns gegen des Hrn. Verf. Vor-
schlag das doppelte Bedenken, dafs einmal dem Schüler zu früh und
zu umfängliches Selbststudium zugemuthet, sodann aber der kalte
Buchstab und das Lesen zu sehr an die Stelle des AVortes und des
Anschauens einer Persönlichkeit gesetzt werde. Die in den untern
Classen gewonnenen Kenntnisse, z. B. in der Mathematik, geben nicht
Günther: das Schulwesen im protestantischen Staate. 571
die Befähigung selbständig darin vorwärts zu schreiten, und Unter-
richt wird sicherer, schneller und weiter führen. Dazu kommt, dafs
Mathematik sich für ein früheres Alter gar nicht eignet, ja wegen
ihrer Kiiiseitigkeit sogar s<hii(llich wird. Das Re<;hnen und die soge-
nannte geometrische Kornieiilehre verhalten sich zur Mathematik, wie
Illuminieren zur Malerei. Docii wir müfseu zweierlei nachweisen, einmal,
dafs jene Gegenstände im Gymnasium nicht fehlen dürfen, und sodann,
wie sie betrieben werden müfseu, um dessen eigentlichem Zwecke nicht
hinderlich zu werden. Ein Bedürfnis davon erkennt der Hr. Verf.
selbst an, wir aber machen eine Nothwendigkeit geltend für die Ma-
thematik. Diese gründen wir nicht darauf, dafs sie die Grundlage
für die Naturwifsenschaften ist — denn als solche gehört sie nicht
in das Gymnasium, wo sie ohnehin nicht so weit getrieben werden
kann, dafs sie jene Aufgabe erfüllte — sondern auf das, wodurch sie
eben jene Grundlage ist, dafs sie eine Weise und Art des mensch-
lichen Denkens bildet, die innerlich nothw endig und dem Geiste ur-
eigen, aber von allen anderen wesentlich verschieden, für sich einsei-
tig, aber doch zu vielen Dingen förderlich ist. Aufserdem bietet sie
durch ihre verstandesmäfsige Folgerichtigkeit ein gutes Zuchtmittei
für den Geist, indem sie alles halbwahre, unerwiesene oder doch
nicht in sich selbst unleugbare, alles unverknüpfte und unvermittelte
zurückweisen lehrt und einen Pfad von Stufe zu Stufe ohne Sprung
zu ermefsen zwingt. Hält man dies als die Ursache fest, um deren
willen allein sie gelehrt wird, so wird man einerseits in derselben
weder ein zu umfafsendes Mals als Ziel setzen, vielmehr sich mit viel
wenigeren Theilen begnügen, als jetzt, andererseits aber in einer sol-
chen Methode lehren, für welche die Uebung des Geistes die alleinige
Rücksicht bleibt, demnach nicht viele Stunden und noch weniger
Fleifs des Schülers aufser den Lectionen in Anspruch nehmen. Dann
wird auch die so oft gehörte Klage über Abneigung der Schüler gegen
den Gegenstand schwinden, weil dieselben nicht so schnell weiterge-
führt und In dem vorhergehenden sicherer, leichter fortschreiten, und
durch die Uebung der Kraft Lust und Liebe gewinnen werden. Mit
den Naturwifsenschaften verhält es sich etwas anders, indem sie mehr
unmittelbar praktisches Literesse haben. Dafs aber auch sie eine be-
stimmte Uebung des Denkens , des Schliefsens von der Erscheinung
auf das Gesetz, bieten, ist eben so offenbar, wie dafs diese Uebung zu
besitzen, ein Theil der wifsenschaftlichen Vorbildung ist. Die Gym-
nasien haben aber von jedem System, von jedem abgeschlofsenen Gan-
zen vollständig zu abstrahieren, sie haben nur die einfachsten auf ma-
thematische Grundlagen zurückzuführenden Gesetze nachzuweisen und
nur auf die Wirkungen der verborgenen Kräfte der Natur Rücksicht
zu nehmen , alles dies aber mit steter Rücksicht auf die Uebung und
Bethätigung der Geisteskraft. Am besten wird Physik mit der Mathema-
tik in Zusammenhang gesetzt und so zugleich die Anwendung dieser
gezeigt werden. Die Gesetze des Falls lafsen sich z. B. an die Pro-
portionslehre, die vom Parallelogramm der Kräfte an die Lehre von
572 Günther: das Schulwesen im protestantischen Staate.
<len Parallelogrammen u. s. w. anknüpfen, für anderes, wie z. B.
Electricität und Magnetismus, werden wenige aufserordentliche Stunden
ausreichen. Wird die Sache in dieser Weise betrieben, wird nament-
lich das beachtet, dafs der Schüler in der Stunde alles fafsen und behal-
ten könne, so wird gewis mehr gewonnen, als wenn man ihm zumuthet,
ans eigner Wahl oder nach gestellter Aufgabe ganze Partien — wie
wenige stehn aufser allem Zusammenhange mit anderen! — durch und
zu verarbeiten. Wird übrigens bei dem vom Hrn. Verf. vorgeschla-
genen Verfahren nicht oft die Nothwendigkeit für den Lehrer eintre-
ten, ganze Partien selbst zu erläutern? Für die Geschichte wird der
Hr. Verf. wohl die Nothwendigkeit, dafs ein allgemeiner Umrifs, durch
die Hauptbegebenheiten als Endpunkte bezeichnet, in dem Gedächt-
nis treu bewahrt vorhanden sei, anerkennen. Denn etwas derartiges
verlangt er in den untern Classen und will in den oberen davon Re-
petitionen. Dafs und wie nun aber der Geschichtsunterricht nicht
todtes Wifsen, sondern Bildung bewirke, darüber dürfen wir wohl
auf Campe's gediegene Leistungen verweisen. Der recht getriebene Ge-
schichtsunterricht wird die classischen Studijsji nur fördern und sich
eng an sie anschliefsen, zugleich aber auch deutschen Ausdruck und
Darstellung in einer Weise üben, dafs wir uns vollkommen berechtigt
glauben, wenn wir 2 von den 5 deutschen Stunden des Hrn. Verf.
ihm zuweisen. Die Geographie brauchen wir nicht zu berücksichtigen,
da sie allgemein in den oberen Classen, zum Theil sogar in den un-
teren, nur mit der Geschichte in Verbindung gesetzt wird. Wenn wir
so einige Unterrichtsstunden mehr herausbekommen als der Hr. Verf.,
so sind wir doch andererseits der Ueberzeugung , dafs wir an Zeit für
die classischen Studien dabei ersparen, weil wir dem Schüler den Weg
zu gewissen nothwendigen Uebungen und Kenntnissen erleichtern. Es
tritt aber noch ein anderes Moment hinzu. Der Hr. Verf. scheint uns
nemlrch auf das Reden ein gar zu grofses Gewicht zu legen. Was
schon Pythagoras erkannt, als er seinen Schülern Schweigen aufer-
legte, dies sollten wir in unserer Paedagogik nie aus den Augen ver-
lieren. So lange die Philosophen noch wie Pythagoras waren , stand
es um Griechenland befser, mit den Sophisten tritt der Verfall ein,
und der ähnliche Vorgang hat sich in Rom wiederholt. Wir schei-
nen uns auf dem Wege zu befinden, die rhetorische Befähigung bei
unserer Bildung zur Hauptsache zu machen und es thut uns weh, dem
Hrn. Verf. auch auf demselben zu begegnen. Es ist etwas ganz an-
deres, wenn man den Schüler zwingt auf Fragen und Aufforderung
zusammenhangende Auskunft zu geben, als wenn man ihn veranJafst,
vieles sogleich mit dem Gedanken zu thun, darüber Vortrag zu hal-
ten. Dies letztere führt nothwendig die Jugend zur Erhebung über
die ihr gebührende bescheidene Stellung hinaus und wird nicht ein-
mal der rechten gediegenen Beredtsamkeit förderlich sein. Ist der
stilus optimus dicendi magister, so wollen wir doch auch die schrift-
liche Uebung zur Hauptsache machen und als solche behalten. Un-
sere Jugend greift schon ohnehin gern zu dem , was erst den erwach-
Günther : das Schulwesen im protestantischen Staate. 573
senen gebührt. Stellen wir hier lieber einen Damm entgegen, als dafs
wir die Neigung entrelseln. Am allerwenigsten vermögen wir dem
Hrn. Verf. in Bezug auf die neueren Sprachen beizustimmen. Eine
Stunde Avöchentlich und in Tertia französisch, in Secunda italienisch,
in Prima englisch! Ist da nicht eine gröfsere Ueberhäufung, als je ge-
fordert worden? Dann sollte man nach unserer innersten Ueberzeugung
lieber die Sache ganz hinauswerfen. Was der Hr. Verf. über die Me-
thodik der alten Sprachen sagt, enthält vieles gute, z. B. das Drin-
gen auf umfängliche Leetüre, Beseitigung der rationellen Grammatik
und rein philologischen Erklärung, indes, wir sprechen es ganz offen
aus, zeigt doch auch vieles, dafs er nicht tiefe Studien im Alter-
thume selbst gemacht hat und als Lehrer darin wohl nur geringe Erfah-
rung besitzt. Manches ist doch gar oberflächlich hingestellt. Geht er
doch so weit, den Schülern geradezu den Gebrauch einer Uebersetzung
zur Pflicht zu machen. Das, was der Hr. Verf. über Censuren und
Prüfungen, über das Abiturientenexamen, über die Beaufsichtigung
durch den Staat sagt, enthält sehr viel beachtenswerthes, indes wird
sich manches nach unseren Bemerkungen von selbst modificieren müs-
sen. Nur in Bezug auf den Religionsunterricht nüifsen wir noch die
Bemerkung machen , dafs er zwar echte Christlichkeit im Gymnasium
will, aber bis zu dem Begriffe der Kirche noch nicht hindurch ge-
drungen ist. Sein Standpunkt scheint ein modificierter, der Augs-
burgischen Confession sich zuwendender unionistischer zu sein.
So weit wir Hrn. Dr. Günther kennen, glauben wir, dafs offene
Entgegnung ihm nur lieb und angenehm ist. Wenn die Anerkennung,
welche wir seinem Streben und seinem Wirken gezollt, für ihn etwas
wohlthuendes sein kann, so wird für ihn auch unser Widerspruch
nicht verletzenden Stachel haben. Wir betrachten ihn als einen wa-
ckern Streiter gegen viele eingerifsene Schäden und gesellen uns ihm
in manchem zum Genofsen bei, doch möchten wir uns gern vor dem
Stellen auf die Spitze und dem Uebertreiben hüten. Dietsch.
Lehrbuch der Arithmetik und der Anfangsgi'ünde der Algebra.
Für Gymnasien und höhere Lehranstalten, so wie auch zum Selbst-
unterrichte. Von J. C. //. Ludoivieg , Artillerie- Capitän a. D.,
Oberlehrer der Mathematik und Physik an dem Gymnasium zu
Stade. Dritte verbefserte und bedeutend vermehrte Auflage. Han-
nover, 1852. Hahnsche Hofbuchhandlung. 384 S. 8.
Das vorstehende Werk enthält sieben Abschnitte. 'Erster Ab-
schnitt. Von den Grundoperationen der Arithmetik und deren näch-
sten Anwendungen.' Die Grundbegriffe sind genau abgegrenzt und
bestimmt gefafst. Die Einsicht in die Zahlenverhältnisse im allgemei-
nen und in das dekadische Zahlensystem insbesondere wird durch die
durchgeführte Behandlung der vier ersten Operationen in anderen
Zahlensystemen, z. B. in triadischen, tetradischen u. s. w. sehr ge-
574 Ludowieg: Lehrbuch der Arithmetik und Algebra.
fördert. Es ist die Reihe für die gebräuchliche Ordnung der ganzen
Zahlen :
Ci y" + c^ 2/"-' + + V2 2/' + %-i 2/° ,
worin die Basis y jede beliebige ganze Zahl bedeuten und der Coeffi-
cient c jeden Werth in ganzen Zahlen von 0 bis y — 1 erhalten kann,
so weit dies ohne allgemeine Zeichen möglich ist verallgemeinert dar-
gestellt. Die vier ersten Operationen sind in ganzen Zahlen, gemei-
nen Brüchen, Decimalbrüchen und in allgemeinen Zeichen ausführlich
behandelt. Als Anwendung sind im 7. Cap. des I. Abschn. die alige-
meinen Regeln für die Gleichungen des ersten Grades mit einer und
mehreren Unbekannten kurz angegeben. — 'Zweiter Abschnitt. Von
den Potenzen und damit in Verbindung stehenden Rechnungsarten.'
Die Form der Darstellung ist durchgängig anschaulich. Z. B. (Seite
144) 'Es sei (537)^ zu berechnen, so sind die einzelnen entsprechen-
den Produkte, mit dem beigefügten Schema, wonach ihre Berechnung
geschieht:
5* =2 51 nämlich a"^
2.5.3= 30 ~ '2ab
3* = 9 — 62
2. 53. 7= j742 — 2(a + 6)c
72 = I 4 9 — c2
(537)"^ = 2|8i8|3|6|9| — c« + 2a6 + 6^ + 2 (a + 6) c + c''
Da die Gleichung ax^-\- bx"^ + ex =: d angeführt, und ein Ca-
pitel überschrieben ist ' Gleichungen höherer Grade mit einer Unbe-
kannten im allgemeinen' so vermifst man hier, in Erwartung eines
mit den vorhergehenden übereinstimmenden Ganges , die Cardanische
Regel für die Auflösung der Gleichung z^ + dz + e := o , in welche
Form die Gleichung x^ + ax"^ + bx + c = o durch Einsetzung von
z — ia an Stelle des x umgewandelt werden kann. Zwischen dem
4. und 5. Cap. des II. Abschn. wäre dieser Gegenstand an geeigneter
Stelle behandelt worden. — 'Dritter Abschnitt. Von den Verhältnis-
sen, Proportionen und Progressionen.' Obgleich die Proportionen
neben den Gleichungen im allgemeinen keiner besondern Behandlung
bedürftig erscheinen können, so theilen Avir doch mit dem Verf. die
Ansicht derjenigen , welche eine von den Gleichungen abgesonderte
Darstellung der Lehre von den Proportionen für zweckmäl'sig erach-
ten. Um die Uebersicht über die Verthellung der Lehrobjecte in die-
sem Buche zu ermöglichen, folge noch der Inhalt der übrigen Ab-
schnitte. Jm vierten Abschnitte sind die Kettenbrüche und die unbe-
stimmten Gleichungen des ersten Grades behandelt. Der fünfte Ab-
schnitt enthält die Anwendung der Gleichungen und Proportionen auf
praktische Rechnungsarten. Als Anwendungen sind gegeben: 6 Aufga-
ben für Gleichungen des ersten Grades mit einer Unbekannten, 3
Aufgaben für Gleichungen des ersten Grades mit mehreren Unbekann-
ten, 6 diophantische Aufgaben, 3 Aufgaben für Gleichungen des zwei-
ten Grades, in Worten nebst Auflösungen, und folgende Rechnungs-
arten: Regeldetri, Reductionsrechnung, Alligationsrechnung, Berech-
Pope: Rechenbuch. — Knciso: arithniet. Aufgahenbiich. 575
ming der einfaclKMi Zinsen, der zn.sammenge.setzteu Zinsen und der
Jalirrenten.
Ref. {glaubt, daf.s dieses Buch sich namentlich zum Selbstunter-
richte in den ersten Anfängen des rechnenden Thelles der Mathematik
gut eigne.
D. A. D.
Rechenbuch für die unteren Classen der Gymnasien von Dr. Wil-
helm Fape, Professor am Berlinischen Gymnasium zum grauen
Kloster. Dritte Auflage. Berlin 1852. Ferd. Dümmlers Verlags-
buchhandlung. 200 S. 8.
Die Erklärungen und Regeln für das Rechnen mit ganzen Zahlen,
gemeinen Brüchen und Decimalbrüchen sind kurz, bestimmt und deut-
lich gegeben. Nach den Lehrsätzen und Beispielen von der Regel -
detri, welschen Praktik (alicpiote Theile), Zeitrechnung, Prucentrech
nung, Gesellschaftsrechnung und Kettenrechnung, folgen in einem be-
sondern Capitel noch einige Sätze aus der Lehre vom Potenzieren
und Radicieren. Dies Büchlein ist hauptsächlich wegen der vielen
darin enthaltenen mit Umsicht gewählten Beispiele zu empfehlen. Die
Auflösungen dazu sind nicht in diesem Buche enthalten, sondern in :
'Auflösungen der in dem Rechenbuche u. s. w. Berlin 183L'
D. ^. D.
Arithmetisches Aufgabenbuch. Besonders ein Hilfs-, Wlederholungs-
und Arbeitsbuch für die untersten Classen der Gymnasien, höheren
Classen der Bürgerschulen und anderen Unterrichtsanstalten. Von
G. C. Kneisc, Oberlehrer an der II. Bürgerschule für Knaben zu
Weimar. Jena 1833. Druck und Verlag von Friedrich Mauke.
134 S. 8.
Die Aufgaben, theils als Fragen zur Angabe der Regeln u. s. w.
theils als Uebungsbelspiele zur Ausrechnung aufgestellt, beziehen sich
auf die vier ersten Operationen und die einfache gerade Regeldetri mit
ganzen Zahlen und Brüchen. Eine greise Anzahl derselben enthält
zugleich Notizen aus der Geschichte, Geographie, Physik u. s. w. Durch
die Einkleidung der Aufgaben unterscheidet sich dieses Aufgabenbuch
von vielen anderen, und mag wohl vielleicht einzelnen Schülern, die
sonst am Rechnen kein Vergnügen finden , 'dadurch das Rechnen zu
einer angenehmen Beschäftigung machen.' Die Auflösungen der Auf-
gaben sind nicht in dem Aufgabenbuch zugleich enthalten.
D. y/. D.
1) Grundriss der Geographie und Geschichte der alten , mittlem
und neuern Zeit für die obern Classen höherer Lehranstalten.
Von Wilh. Pütz, Gymnasialoberlehrer. Purster Band. Das Alter-
thum. Siebente verbefserte und vermehrte Auflage. Coblenz 1852,
bei Carl Bädeker. XII u. 433 S. gr. 8.
576 Pütz: Gnindrifs der Geographie und Geschichte.
2) Grundriss der deutschen Geschichte mit geographischen Ueber-
sichteil für die mittlem Classen der Gymnasien und höhern Bür-
gerschulen. Von W. Pütz. Fünfte verbefserte Auflage. Mit 2 Kar-
ten. Coblenz 1852, bei Carl Bädeker. VIII u. 191 S. gr. 8.
Wenn hier über die vorstehend "verzeichneten neuen Auflagen ei-
niger der lange rühmlichst bekannten historischen Lehrbücher "von
Pütz berichtet wird, so kann es gar nicht die Absicht sein, auf deren
vorzügliche Brauchbarkeit beim Geschichtsunterrichte noch aufmerk-
sam zu machen. Dafs diese sich durch eine lange Reihe von Jahren
immer mehr bewährt hat, bezeugen nicht allein die rasch auf einan-
der folgenden neuen Auflagen der einzelnen Theile, welche jedes Jahr
nöthig werden, sondern auch die Einführung dieser Lehrbücher über
die Grenzen Deutschlands hinaus in mehreren europäischen Staaten
und sogar in Nordamerika. Bei jeder Auflage hat der innere Werth
dieser Lehrbücher, wie Referent aus langjährigem Gebrauch bezeugen
kann, noch immer zugenommen, indem der Hr. Verf. unabläfsig be-
müht ist, alles für seinen Zweck brauchbare aus den seither erschie-
nenen und erscheinenden neuen Forschungen sorgfältig zu benutzen,
so diese Lehrbücher auf dem jedesmaligen Standpunkte der Wifsen-
schaft zu erhalten und die Schüler der obern Classen mit diesem be-
kannt zu machen. Hiervon wird jeder, der diese Lehrbücher beim
Unterrichte gebraucht und selbst die historischen Wifsenschaften in
ihrem Fortschreiten verfolgt, vollkommen überzeugt sein. Besonders
enthalten die Lehrbücher für die obern Classen sehr viele, oft nur
kurz angedeutete Winke und Bemerkungen, welche gehörig benutzt
zu einem tiefern historischen Studium anregen können. Hiervon gibt
diese neue Auflage des Lehrbuchs für die obern Classen, worin die
neuesten Forschungen, besonders über den Orient, nicht minder aber
über andere Theile der alten Geschichte sorgfältig benutzt sind, ein
neues Zeugnis.
Der unter Nr. 2 angezeigte Grundrifs der deutschen Geschichte
ist, obgleich er schon in der fünften Auflage vorliegt, so viel mir
bekannt, in diesen Jahrbüchern noch gar nicht zur Sprache gekom-
men. Auch diese Schrift bedarf jetzt eigentlich keiner Empfelilung.
sie hat ihre Brauchbarkeit längst bewährt, und es soll hier nur darauf
aufmerksam gemacht werden, da sie bei ihrer Gründlichkeit, Klarheit
und praktischen inuern Einrichtung, wozu die vielen genealogischen
Tabellen, die angehängte Zeittafel und die 2 Karten gehören, zu
einem gründlichen Geschichtsstudium in den mittlem Classen als vor-
züglich zweckmäfsig befunden werden mufs. Ref. schliefst diese An-
zeige mit dem Wunsche, dafs diese Bücher zu immer gröfserer Be-
förderung eines gründlichen Geschichtsstudiums, wozu sie so sehr
geeignet sind, noch immer weitere Verbreitung finden mögen.
M. R.
Steireriliagen: die njoderneii IJerurssolnileii. j
Kleinere aurGymnasialpaedagogik hozüi^liclie Schriften.
Wir bef^iiiiien unsere gegenwärtige Anzeige mit solchen Schriften,
welche das Verhältnis des Gymnasiums zu anderen liöhern liildungs-
anstalten berühren. Die modernen Bcrufsschnlcn, eine Anhilunß; sich
auf einem Gebiete der I'itedugogik und Culttirpolitik zu orientieren,
auf welchem man die Trumontanc verloren hat, von A. Steffenha-
gen, Oberlehrer (83 S. 4, zuerst als Abhandlung zum Programm des
Friedrich -Franz -Gymnasiums, dann auch im Buchhandel, Parchini
I8j"2 Wehdemann , erschienen) ist in der Hauptsache eine Streitschrift
für die von dem Verf. schon früher aufgestellte Idee des sogenannten
Gesammtgymnasiunis (Zur Reform der deutschen Gymnasien. Berlin,
1848. S. diese NJahrb. Bd. LIII S. 421—26) und gegen die haupt
sächlich von Scheibert, der denn auch bereits in der Paedagog. Re-
vue Jahrg. XIV, Bd. XXXIII S. 124—28 der Schrift eine kurze Er-
wiederung hat zu Theil werden lafsen, vertretenen Ansichten über
das Wesen der höheren Bürgerschule insbesondere und der verschie-
denen Arten von Schulen überhaupt. Ref. erkennt gern an, dafs Hr.
St. seine Sache mit Gelehrsamkeit, Scharfsinn und Gewandtheit führt,
auch dafs seine Schrift wesentlich dazu beitragen mufs aus den be-
kämpften Ansichten manches unklare und übertriebene auszuscheiden
oder auf sein rechtes Mafs zurückzuführen, von anderem eine richti-
gere Auffafsung zu vermitteln, Misverständnisse und Uebersehn noth-
wendiger Dinge und gegebener Verhältnisse zu verhüten, allein abge-
sehn von dem oft gereizten und mit der ruhigen Klarheit wifsenschaft-
licher Erörterung nicht übereinstimmenden Tone, scheinen uns zwei
Hauptfehler begangen zu sein, das Ziehn von Consequenzen aus nur
zum Theil richtigen Principien und das Aburtheilen über Dinge, wel-
che der Hr. Verf. schwerlich aus eigenem tüchtigem Studium und An-
schauen kennt. Wenn er zum Beispiel bis zu dem Gothischen und
dem Sprachgebrauche der heiligen Schrift zurückgehend zu beweisen
sucht, man fafse das Wort "■ Beruf in ganz falscher Bedeutung auf
und damit, so wie mit der Bemerkung, dafs es allerdings gewifse
Dinge gebe, die aufserhalb eines bestimmten Berufes liegend docli all-
gemein seien, und dafs deshalb und weil das F'ach erst später gewählt
werde, alle Schulen nur allgemeine Bildung zu erstreben hätten, den
Satz umzustofsen meint, dafs alle Schulen nur Berufsschulen sein
könnten, so hat er dabei zuerst vergefsen , dafs für den Gebrauch
eines Wortes in unserer Zeit weder seine etymologische Bildung, noch
seine ursprüngliche Bedeutung, sondern einzig und allein die in der
Sprache allgemein gewordene feste und bestimmte Anwendung dessel ■
ben mafsgebend sein kann. Nun wird Niemand läugnen , dafs das
Wort ''Beruf' im Neuhochdeutschen nach feststehendem Sprachgebrau-
che unter anderem die Summe aller der besonderen Flüchten und Ver-
richtungen bedeutet, wodurch Jemand dem Ganzen zu dienen verbun-
den ist , gleichviel auf welche Weise er dazu gekommen ist diese Ver-
/V. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVII. Hft. 5. 38
578 Steffenhagen: die modernen Berufsschulen.
biiidlichkelt zu übernehmen. Wer unterscheidet nicht zwischen der
Pflicht des Christen das Seelenheil seines nächsten zu fördern und
dein Berufe des Geistlichen, zwischen der Pflicht des Bürgers zum
Wohle des Staates nach Kräften beizutragen und dem Berufe des Be
amten? Will man nicht nüchterne Verstandesmäfsigkeit als alleiniges
Gesetz der Sprache anerkennen, so wird man den nicht tadeln kön-
nen, welcher sagt: 'einen Beruf treiben', da der Begriff einer Thä-
tlgkeit darin liegt, dafs man es aber nicht gewöhnlich sagt, hat sei-
nen Grund darin, dafs man bei dem Worte mehr an die Pflicht, als
an deren Uebung und Erfüllung denkt. Das Wort Beruf ist aber un-
ter allen den verwandten das weiteste, weil die Grenzen seines Be-
grifl"s die Einordnung alles gleichartigen zulafsen. Es ist gewifs Nie-
mandem, der von Berufsschulen gesprochen hat, eingefallen, dabei
an engere und speciellere Berufskreise , nicht an die grofsen und aus-
gedehnten, unter welche als unter die Gattungen nach dem historisch
gewordenen Zustande unseres ganzen Lebens viele einzelne Arten sich
unterordnen, zu denken, es ist deshalb auch Niemandem eingefallen
zu läugnen, dafs alle Schulen Entwicklung und Uebung der geistigen
und seelischen Anlagen zum Zwecke haben, ja dafs die Berufsschulen
etwas anderes als die allgemeine Vorbildung zu dem künftigen Berufe
zu geben hätten, aber kein unbefangener wird auch läugnen, dafs
jeder Mensch in einem bestimmten Berufe zu wirken hat und um so
befser dem ganzen dient, je vollkommener er diesen erfüllt, eben so
wenig als dafs jeder Beruf aufser den besonderen zu ihm erforder-
lichen Kenntnissen und Eigenschaften einen verschiedenen Grad der
Uebung und Entwickelung der geistigen und seelischen Anlagen vor-
aussetzt. Wer nun aus der Erfahrung weifs, dafs wer allen dienen
will, keinem recht dient, dafs je zeitiger die Neigung und Anlage zu
einem bestimmten in der Jugend entwickelt wird, desto sicherer der
Erfolg ist, der wird gewis auch die Wahrheit des Satzes einsehn,
dafs jede Schule um so sicherer ihren Zweck erfüllen und ihr Ziel
erreichen wird, je entschiedener sie von vornherein den künftigen
allgemeinen Berufskreis ihrer Schüler zu ihrer Richtschnur nimmt.
Es ist uns fast unbegreiflich, wie Hr. St., der doch an einer Stelle
sich dahin ausspricht, dafs er eine Schule ganz nach den localen Be-
dürfnissen der Mehrzahl seiner Schüler (d. h. nach der Zeit, welche
die Mehrzahl derselben auf der Schule hinbringen wird) organisieren
würde, verkennen kann, wie diejenigen, welche die höheren Bürger-
schulen als Berufsschulen betrachtet wifsen wollen — Ref. gehört zu
denen, welche von den Gymnasien dafselbe behaupten — , gerade auf
demselben Principe, nur nicht einem speciell- localen , sondern dem
allgemein -staatlichen stehen, und, wie er ihnen den Vorwurf machen
kann, als beabsichtigten sie das Kastenwesen der Hindus bei uns auf-
zurichten, als ob sie einen Zwang in Betreff der Wahl der Bildung und
des Berufes auferlegt wifsen wollten. Wie die falsche Humanität zur
Barbarei, die falsche Freiheit zum Despotismus wird, so übt derje-
nige einen gröfseren Zwang aus, welcher für alle die gleiche Bildung
Steirenliagen: die modernen Berursschulen. 579
fordert, als der, welcher jedem die ^Entscheidung anheimstellt, aber
den bestimmten und individuellen Charakter jeder Anstalt zum Heil
und Frommen derer, für welche sie errichtet ist, aufrecht erhält.
Uebrigens erkennen wir nochmals an, dafs Hr. St. manches zur Be-
gründung jenei Ansicht aufgestellte als schief und unhaltbar nachge-
wiesen und so der Sache, welche er bekämpft , gedient hat. Ueber
seine Idee vom Gesammtgyinnasium mit ihm zu streiten, halten wir
für nutzlos theils nach den» bereits gesagten , theils weil eine gerechte
Würdigung des Alterthums und der auf dasselbe basierten Gymnasien
von ihm nicht zu erwarten steht. Denn wer schreiben kann: 'wenn
man an dessen Stelle nur die allerplatteste Phrase eines Terentius,
der doch in seinen unsauberen Witzen sich niemals über einen albernen
Bedientenspafs zu erheben vermag, — setzte' (S. 29) der kann oder will
nicht das Alterthum verstehn. Um aber diese Aeufserung nicht als
eine vereinzelte erscheinen, sondern das Verhältnis, in welchem der
Hr. Verf. zu den Gymnasien steht, näher erkennen zu lafsen , führen
wir noch folgende Stellen an: 'die Sprachgymnasien aber mögen bei
dieser Gelegenheit daran erinnert werden, dafs sie keine Vorberei-
tungsanstalten zur Universität als einer Fachanstalt sind; sie mö-
gen eingedenk sein, dafs, wenn es auch gar keine besonderen Fach-
anstalten gäbe, es doch immer noch Humanitätsanstalten geben müfste.
Ich habe übrigens nie begreifen können , wie die Vertreter dieser An-
stalten gerade in diesem Punkte so wenig Eitelkeit, an der es ihnen
doch sonst eben nicht mangelt, besefsen haben, um ihre Humanitäts-
anstalten zur dienenden Magd einer Fachanstalt herabwürdigen zu
lafsen.' Vielleicht ist es doch ein bischen Eitelkeit , dafs wir der Uni-
versität allein dienen zu können meinen. Wir wollen übrigens gern
in Demuth einem bestehenden concreten dienen, als einem abstracten
Ideal, wie Humanität; damit sind wir freier. Ferner: 'dafs aber un-
ser deutsches Sprachgymnasium, das selbst dieses Scheines entbehrt,
dem moderne Wifsenschaft und Kunst gerade so fremd sind, wie das
moderne Volksleben selber, dafs dies auf den abentheuerlichen Einfall
hat gerathen können, sich für eine Berufsanstalt auszugeben, das hat
mir fast wie ein Symptom von Altersschwäche vorkommen wollen'
(S. 95. So macht es die Jugend mit dem Alter. Was ihr nicht behagt,
ist Schwäche) und auf derselben Seite: 'Beide Anstalten sind zunächst
in thesi darüber einig, dafs der Jugend eine formale und zwar eine
harmonische Bildung gewährt werden müfse, obschon sie beide factisch
den Vorwurf verdienen, viel mehr für die Erwerbung gewisser positi-
ver Kenntnisse [also thun wohl die Gymnasien ihm für die Realien
genug oder zu viel] als für die Verwirklichung einer solchen wirklich
harmonischen Geistesbildung gethan zu haben. Dazu hat es bei den
Sprachgymnasien deren principieller Eigensinn und bei den Realgym-
nasien deren principlose Vielwifserei nicht kommen lafsen. Sieht man
nemlich bei den Sprachgymnasien ab von ihren Verheifsungen und be-
trachtet unbefangen ihr Treiben , so sollte man hiernach fast urthei-
len , sie hätten die Gewinnung einer harmonischen Bildung gar nie
38*
580 Vollbreclit: höhere Bürgerschulen, Gesammtgymnasien u. s. w.
für ihre Aufgabe gehalten, sondern rein und allein die Kenntnis des
Alterthums; denn nur durch solche Annahme würde man es sich er-
klären können, weshalb sie die auf heimathlicher Flur entsprofsenen
und mit heimathlicher Kost bisher genährten Pflanzen [Kost!] urplötz-
lich dem heimathlichen Boden entrückten [nach dem 9. Lebensjahre]
lim sie auf antike Stämme zu impfen [pfropfen ?T, in dem Vorurtheil
befangen , der dem Mutterbusen entrifsene Säugling [d. h. die bisher
mit heimathlicher Kost genährte Pflanze] werde kräftiger gedeihen,
wenn man ihn mit antiker Milch der fremden Amme nährte.' Genug
zur Charakteristik der Schrift für unsere Leser! Es mufs auch solche
Käuze geben! — Einen sehr erfreulichen Eindruck hat dagegen auf
den Ref. gemacht die Schrift vcm Subr. Vollbrecht: Höhere Bi'ir-
ß^erschulen , Gesammtgymnnsien vnd Gymnasien (Progr. Clausthal
]8')"2, 20 S. 4), weil sie ruhig und klar die Erscheinungen beleuchtet
und das sicherste Mittel, die Erfahrung, zu Rathe zieht. Durch ei-
nen historischen Ueberblick, bei dem wir nur zu erinnern finden, dal's
nicht die 1747 errichtete Hecker'sche Realschule in Berlin, sondern
das schon 1739 in Halle bestehende Realinstitut die älteste derartige
Anstalt ist, und durch statistische Nachrichten weist der Hr. Verf.
recht sicher nach, dafs die höheren Bürgerschulen mehr oder weniger
Gymnasien ohne classischen Unterricht oder auch mit Latein gewor-
den sind, dafs die bei weitem allergröfste Mehrzahl der sie besuchen-
den Schüler nur bis zum 15. Lebensjahre auf der Schule bleibt, die
obersten Classen sehr dürftig besucht sind , wenige den vollen Cnrsus
vollenden, dafs demnach ihr historisch gerechtfertigtes Princip kein
anderes sein könne, als solchen, welche nur bis zum 15. Lebensjahre
auf einer Schule bleiben, eine abgeschlofsene Bildung zu geben. Dem-
gemäfs und auf Grund der dort gemachten Erfahrungen, welche
durch die Statistik erwiesen werden, ertheilt er auch den in Hanno-
ver errichteten sogenannten Gesammtgymnasien den Rath , die Real-
schule von dem Gymnasium vollständig zu trennen , aber schon in
Quinta, und sie parallel nicht bis Serunda , sondern nur bis Tertia
auszudehnen , das Latein jedoch in diesen Schulen nicht wegzulafsen.
Dafs alle diejenigen, welche ohne studieren zu wollen, eine höhere
Bildung, als die bis zum 15. Lebensjahre erreichbare, wünschen, die-
selbe auf den Gymnasien finden können, wird dargethan, indem der
Segen, den die altclassische Bildung gewährt, nicht auf theoretischem
Wege, sondern sehr praktisch durch Urtheile von Männern, welche
sich durch ihre Leistungen in Realwifsenschaften ausgezeichnet haben,
erwiesen wird. Dafs aber auch noch factisch solche Jünglinge ihre
Bildung auf den Gymnasien suchen, legt der Hr. Verf. aufser ande-
ren durch das Beispiel von Elberfeld dar.
Mit dem Gymnasium allein beschäftigt sich die Abhandlung im
Programme von Güstrow 1852: G. C. H. Raspe: Ansichten über die
f^egenwärtige Aufgabe des Gymnasiums (29 enggedr. S. 4). Reiche
paedagogische Erfahrung, kernhafte Gesinnung, Klarheit der Gedan-
ken, eindringliche und lebendige, aber immer ungekünstelte und na-
Haspe: Ansichten üb. d. ^egcnwärlitie Aurs>al)e d. Gymnasinms. Tj^l
liirliclie Sj)raclie machen dieselbe zu einer sehr werllivollen , beleiiren-
«len und anreihenden Gabe, deren sor^^fäitif^e Leetüre Ref. allen, denen
e.s ernst ist, über die wichtiffsten Frafien der (Jyiiinasiaipaedagogik
zu sicheren Resultaten zu {ielanj^en, drinj^end empfiehlt. Besondere
Anerkennung verdient die Art und Weise, wie alle wichtigen auf dem
genannten C.'ebicte zur Erscheinung gekommenen Richtungen und An-
sichten, ohne Citate und Nennung von Namen, berücksichtigt, clia
rakterisiert und beleuchtet sind. Die Grundansicht ist in der Kürze
folgende: das Gymnasium hat sich von dem heillosen encyclopaedi-
schen Wesen loszumachen und in dem Studium der alten Sprachen
vorzugsweise seine Ziiglinge zu fördern, aufserdem aber auch alles
das, was zur allgemeinen höheren Menschenbildung erforderlich ist,
zu berücksichtigen, hierbei aber nur gründliches zu geben, also nicht
Verbreitung, sondern Beschränkung und Vertiefung nöthig. Der Hr.
Verf. begnügt sich natürlich nicht damit den Kreis der Lehrgegen-
stände zu bezeichnen , sondern geht auch auf die in den einzelnen an-
zuwendende Methodik ein. Statt die Gründe, womit er seine Ansich-
ten belegt und die widersprechenden abweist, auszuziehen, wollen wir
einige Punkte herausheben, über welche wir nicht mit ihm einver-
standen sind. Wenn derselbe S. 9 f. den Satz, dafs das Gymnasium
se'nen Zögling mit der nöthigen wifsenschaftlichen Vorbereitung für
die gelehrten Studien auszurüsten habe, bekämpft, so hat er aller-
dings dagegen die einzig und allein haltbaren Gründe, dafs Vorbe-
reitung für die künftige Fachbildung nicht gewährt werde und das
Gymnasium dann manche Unterrichtsgegenstände , wie z. B. Singen,
gar nicht aufzunehmen brauche, geltend gemacht, allein er erkennt
an, dafs der Begriff allgemeiner höherer Bildung ein so schwankender
und relativer sei, dafs ihn bestimmt und klar abzugrenzen wohl in
das Bereich der Unmöglichkeit falle. Weil aber, so lange ein nicht
alle möglichen Deutungen und willkürliche Ausdehnung ausschliefsen-
des Princip mangelt, der Streit über die Beschaffenheit und den Um-
fang der Gymnasialbildung zu keinem Abschlufse gelangen kann, so
scheint daraus die Nothwendigkeit zu folgen, statt des Begriffes
'höhere allgemeine Bildung' einen andern bestimmt begrenzten zu neh-
men. Das historisch gegebene hat gewis seine Geltung so lange, als
es nicht factisch durch ein anderes verdrängt ist. Nun haben die
deutschen Gymnasien ursprünglich die Bestimmung gehabt, Vorschu-
len für die Universitäten zu sein und noch jetzt gehn die Zöglinge,
welche den vollen Cursus derselben zurücklegen , mit höchst seltenen
Ausnahmen alle auf die Hochschule über. Warum also diese Bestim-
mung hinwegschaffen, zumal da wir mit ihr eine feste Grenze, wel-
che eben sowohl ein willkürliches Hinausgreifen unmöglich macht, wie
innerhalb ihrer selbst eine Abschliefsung zu erstreben zwingt, gewin-
nen? Nur mufs man dies Princip nicht falsch verstehn, dabei nicht
an die Vorbereitung für ein specielles Fach, sondern nur an die für
das wifsenschaftliche Studium überhaupt denken, worauf wir unten
noch einmal zurückkommen werden. Dafs darin auch die allgemeinen
582 Raspe: Ansichten üb. d. gegenwärtige Aufgabe d. Gymnasiums,
Kenntnisse nnd Fertigkeiten mit enthalten sind, welche zum Wirken
im Leben und im Dienste einer Wifsenschaft erforderlich und wün-
schenswerth sind, aber nicht erst neben und nach dem Studium der
Fachwifsenschaft, wenigstens nur mit gröfserer Schwierigkeit erwor-
ben werden können, ergibt sich leicht. Mit vollstem Rechte dringt
ferner der Hr. Verf. auf fleifsige und gründliche Betreibung lateini-
scher Stilübungen, hebt auch den öfters nicht genug beachteten
Nutzen der Uebersetzungen aus deutschen Klassikern gebührend her-
vor, spricht aber über die freien Aufsätze ein 'Fuimus Troes ! ' aus.
Warum Ref. dieselben aus paedagogischen Gründen nicht verdrängt
und welche Beschränkungen er dabei eingehalten wifsen will , hat er
Bd. LXII S. 327 (vgl. auch LVIII S. 318) auseinander gesetzt, und
den Grund, dafs wir wegen der vielen anderen Unterrichtsgegenstände
darauf verzichten müfsen , erkennen wir so lange nicht an, als nicht
erwiesen wird, dafs sie zu Erreichung des in den alten Sprachen zu
steckenden Zieles nicht erforderlich sind, weil damit ein Abgehn
von dem, was die Hauptsache im Gymnasium bilden soll, gegeben
wäre. Uebrigens sind wir überzeugt, dafs der Hr. Verf. doch über
kurz oder lang zu denselben zurückkehren wird. Da er nemlich bei
der Interpretation Lateinsprechen des Lehrers empfiehlt, so hat dies
doch wohl auch lateinische Repetition von Seiten des Schülers zu
Folge und die Interpretation wird sich doch nicht auf kurze einzelne
Bemerkungen beschränken , sondern auch zusammenhängende weitere
Krörterungen geben. Wenn nun bei allen anderen Unterrichtsgegen-
ständen um der Klarheit und Sicherheit der AufFafsung willen deut-
sche Aufsätze und Ausarbeitungen von ihm gefordert werden, wie
weit ist dann der Schritt dazu, solche auch in lateinischer Sprache
aus dem Kreise der bei der Leetüre der Alten zur Erörterung gekom-
menen Gegenstände zu verlangen? Mit vollem Rechte scheint uns wei-
ter der Hr. Verf. S. 19 bei Bestimmung der zu lesenden Schriftsteller
der Individualität einen ziemlich weiten Spielraum zu gestatten, aber
die lateinischen Dichter, namentlich den Horaz (von Vergil scheint er
befser zu denken, da er ihn nicht ausdrücklich erwähnt) nicht ganz
richtig zu würdigen. Sehn wir von dem nicht kurz abzumachenden
Streite über des Horatius Dichterwerth ab, so vertreten seine Oden
doch eine ganze Gattung der antiken Poesie, da das meiste, was die
Griechen darin geleistet, bis auf Bruchstücke verloren gegangen ist
und Pindar eine wesentliche verschiedene Gattung der lyrischen Poe-
sie repraesentiert. So erfreulich es aufserdem für uns war, den Hrn.
Verf. mit uns darüber einverstanden zu finden, dafs da wir Sopho-
kles haben , Euripides auf den Gymnasien höchstens einmal zur Ver-
gleichung beigezogen zu werden verdiene, so vermögen wir doch nicht
an die Möglichkeit zu glauben, dafs ein Versuch mit Aristophanes
gelingen werde, und möchten denselben, selbst wenn er irgendwo ge-
lingen sollte, doch noch nicht zur Nachahmung empfehlen. Wir stel-
len andere Anforderungen in Bezug auf Verständnis, als unsere Vor-
fahren, welche den grofsen unübertrefflichen Komiker auf den Schulen
Raspe: Ansiclileii üb. d. g^eg-cnwärligo Aufgabe d. Gymnasiums. 583
lasen (vgl. Kölineii: zur Gesch. des Dni.sbiirgor Gyimi. I S. 10). Eine
criix für die Gymnasien sind noch immer die neueren Sprachen. Ver-
mögen wir .sie nach dem von un.s fe.stgehaltenen Principe nicht al.s
facultntive Unterriciit.sgegenslände hinzustellen, so müfsen wir ande-
rerseits die Aufnahme zweier neuerer Sprachen unter die regelmäfsi-
gen Lehrfächer mit dem Hrn. Verf. geradezu für eine IJeherlastung
erklären und selbst da, wo die Zulafsung durch äufsere Umstände als
mehr gerechtfertigt erscheint, schwer zu vermeidende nachtheilige
Folgen besorgen. Gern entscheiden wir uns bei der Wahl einer mit
dem Hrn. Verf. für die französische, gestützt auf die aus dem vorher
S. 566 von uns gesagten erkennbaren Gründe, zur gründlicheren Be-
treibung derselben finden wir aber eine gröfsere Stundenzahl in den
oberen Classen weder räthlich — denn die Zahl der Unterrichts-
stunden ifl hier bereits so grofs , dafs zu der so nothwendigen an-
haltenden Beschäftigung mit einzelnen Gegenständen dem Schüler
kaum Zeit übrig bleibt, — noch zum Zwecke führend, weil in der
geringen ihm gewidmeten Zeit nicht die einzige Ursache des seltenen
Gedeihens des Unterrichts enthalten ist. Unserer Erfahrung nach lei-
det dieser Unterricht meistens dadurch, dafs Sicherheit in den Ele-
menten erst in einer Zeit erreicht werden soll, wo der Geist von an-
dern tieferen Beschäftigungen in Anspruch genommen ist, und des-
halb kommen wir immer wieder auf den von uns schon öfter vertre-
tenen Vorschlag zurück, diesen Gegenstand in den unteren Classen
mit mehr Stunden in AngriiT zu nehmen und hier nachhaltige gram-
matische Sicherheit und eine ziemliche Vocabelkenntnis als Ziel zu
erstreben, worauf in den oberen Classen zur Weiterführung zwei
Stunden ausreichen werden und der Unterricht eine solche Gestalt
annehmen kann , dals dabei den übrigen Gegenständen kein Eintrag
geschieht. Wenn der Hr. Verf. das Studium der altdeutschen Dia-
lekte vom Gymnasium fern gehalten wifsen will, so kann Ref. sich
durch seine Gründe nicht bewogen finden, von dem, was er Bd. LX. VII
S. 479 ff. darüber gesagt, zurückzutreten. Auch ist Ref. in Bezug
auf das, was vom Religionsunterrichte gesagt ist, nicht ganz einver-
standen, namentlich hat er ungern die Aeufserung S. 28 gelesen :
'Man darf denselben nicht dazu misbrauchen, um für irgend eine,
gleichviel welche, der gegenwärtigen Parteien in der protestantischen
Kirche zu recrutiren.' Werden die Kirche selbst und ihre treuen B«-
kenner von den Parteien ausgenommen, so wäre nichts einzuwenden,
aber mindestens liegt die Deutung nahe, als seien eben alle Glau-
bensansichten nur Parteien und nirgends die Wahrheit ganz und voll-
ständig. Doch wir brechen ab und fügen unserem besten Danke
nur noch den Wunsch bei, der Hr. Verf. möge ja .seine verdienstvolle
Arbeit zum Schlufse bringen. — Für unsere Leser wird nicht unin-
teressant sein von folgender Schrift Kenntnis zu erhalten: Nie. Guil.
Ljungberg: de linguae et litterarum latinarum studüs. I. Qua in
laude ponenda sit cognitio latinitatis (Commentatio academica. Up-
sala, 1853. 32 S. 8), da sie dafür Zeugnis gibt, dafs auch in Schwe-
584 Ljungberg: de lingiiae et litterarum lalinariun studiis.
den in Bezug auf das Studium der alten Spiaclien die gleichen Zwei-
Jel und Fragen erhoben worden sind, wie bei uns. Um dies zur An-
schauung zu bringen mülsen wir den Gang und die Resultate der Un-
tersuchung kurz darlegen. Der Hr. Verf. geht bei seiner Auseinan-
dersetzung ganz von philosophischen Principien, namentlich denen
ßostroems (diss. de notionibus religionis, sapientiae et virtutis. Up-
sala 1811) aus und zieht aus dem zwischen Sprache und Geist statt-
findenden Verhältnisse und dem Begriffe der Bildung und Vervoll-
kommnung des letzteren die Folgerung, dafs wir, wenn wir nicht
unsere Bildung aufser allen Zusammenhang mit der Vergangenheit
setzen und dadurch den empfindlichsten Verlust an Bildung erleiden
wollen, der Kenntnis der lateinischen Litteratur nicht entrathen kön-
nen, aber auch nicht der unmittelbaren Lesung der Schriftsteller
selbst, weil ihre Erklärung und Auffafsung nicht eine abgSschlofsene
sei noch jemals sein werde, Uebertragungen in die Muttersprache
nie, auch nicht in sachlicher Hinsicht, sie vollkommen wiedergeben
können, und endlich die Sprache an und für sich als Erzeugnis des
römischen Geistes kennenswerth sei. Mit Entschiedenheit aber ei'-
klärt er sich gegen den Gebrauch der lateinischen Sprache in wifsen-
schaftlichen Abhandlungen, weil dieselbe, schon an und für sich arm
in Vergleich mit der griechischen, für den erweiterten Kreis unserer
Vorstellungen nicht mehr ausreiche, eine Erweiterung aber und Wei-
terbildung aber sie nicht mehr als Sprache der Römer erscheinen las-
sen würde , beides uns ohnehin gar nicht mehr frei stehe [hier scheint
allerdings der Hr. Verf. etwas zu weit gegangen zu sein], auch schon
längst der Verkehr zwischen den neueren Völkern sich so ausgebildet
habe, dafs man des Lateinischen als Mediums der Mittheilung entra-
then könne. Dagegen empfiehlt er die Uebungen im Lateinschreiben
aufs dringendste , weil sie für das Verstehen der Sprache das wirk-
samste Mittel bildeten und das Denken wesentlich förderten. Für das
letztere macht er besonders auf die grofse Verschiedenheit von der
Muttersprache aufmerksam (in einer Anmerkung wird gesagt, dafs dies
Moment noch von Niemandem genug, annähernd nur von I. A. H a-
zel: Om läroverks fragorna, Stockholm, 1846, beachtet worden sei),
ferner darauf dafs sie als todte Sprache ganz bestimmte Grenzen und
gröfsere logische Schärfe als die griechische habe (dafs in der letzte-
ren in Schweden gar keine schriftlichen Uebungen angestellt würden,
wird in einer Anmerkung als nachtheilig beklagt); seien sie so weit
gediehn, dafs es sich um die Wahl der Worte und Ausdruckswelsen
handele , so nöthlgten sie auch zur schärfsten und klarsten Auffassung
der Begriffe und Gedanken. Die Schrift, welche demnach fast ganz zu
den von uns immer vertheidigten Resultaten führt, zeugt übrigens von
guter Fertigkeit im Lateinischschreiben selbst und von Bekanntschaft
mit der einschlägigen deutschen Litteratur*). Von einer anderen
*) Einen Dienst glauben wir Vielen zu erweisen , wenn wir hier
mittheilen, dafs Ljungberg in einer sich über sechs Selten erstrecken-
Stelzer; ein Wort über die alten Sprachen u. s. w. 585
Seite werden die iviassisclieii Studien beleuchtet in der Schrift: tJin
Wort über die alten Sprachen und den Einjluss der klassisclieyi Stu-
dien in politischer und religiöser Beziehung. Von Rector Dr. Stel-
zer (Progr. Hedingen, 1852. 39 S. 4). Eine Beleuchtung der Art war
gewis in unserer Zeit sehr zweckmäfsig, da es noch iiniuer Leute gibt,
welche die demokratischen und republikanischen Bestrebungen dem
classischen Unterricht in die Schuhe schieben, in religiöser Beziehung
aber namentlich von einem Theile des katholischen Klerus lautes Ge-
schrei gegen die Lesung der alten Heiden erhoben wird. Mit rechter
Wärme und Klarheit setzt der Hr. Verf. auseinander, dafs , wenn
schon die religiöse und politische Anschauungsweise der Alten von
der unsrigen ganz verschieden sei , dennoch darin an und für sich
nichts verführendes für die Jugend liege, sondern dies nur erst durch
falsche Behandlung hinein kommen könne. Wenn dabei ein Ueber-
blick über die gesammte s^atliche Entwicklung besonders Athens und
Roms gegeben wird, so wollen wir nicht über einzelnes, was wir an-
ders gefafst wünschten, rechten, sondern erlauben uns nur die Bemer-
kung, dafs, weil der Schüler schwerlich jenen Ueberblick aus den
Quellen selbst sich verschalfeu kann, daraus sich weiter nichts er-
gibt, als die Foi'derung das einzelne stets in Beziehung auf den ge-
sammten Gang der Geschichte zu setzen. Entschiedener hingestellt
gewünscht hätten wir die zweite daraus abzuleitende Folgerung, dafs
mit einer Auswahl des schönsten und besten aus dem Alterthuiue
durchaus nicht, sondern nur durch gründliche Einführung in das ganze
mit seinen Vorzügen und seinen Schwächen und Fehlern die Gefahr
einer Verführung vermieden werde, weshalb wir der Ansicht sind,
dafs die castigatae editiones den Zweck, den sie haben, geradezu ver-
fehlen. SchliefsHch läuft alles doch auf den Satz hinaus, dafs jede
ungründliche und oberflächliche Bildung und Kenntnis von der Wahr-
heit in jeder Beziehung abführt. Der wahre Christ wird nicht das
Studium des Alterthums als der christlichen Jugend gefährlich be-
kämpfen, sondern nur seine oberflächliche Betreibung, die Ueber-
schätzung und falsche Würdigung, Avährend er selbst mit der Leuchte
des Evangeliums am besten befähigt ist, das grofse und schöne darin
zu erkennen, zu ehren und zu gebrauchen. Uebrigens zollen wir der
Schrift des Hrn. Verf. freundlich Beifall. Weil mit dem eben berühr-
ten Gegenstand die Frage über die Christlichkeit der Gymnasien in
einigem Zusammenhange steht (s. Bd. J^XV, S. 73 u. 208 f.), so er-
wähnen wir: Pansch: Ueber christliche Gymnasialbildung (Eutin
den Anm. der Vorrede eine von der aller bisheriger Erklärer ab-
weichende Ansicht über die Stelle Plat. Phaedr. p. 275 — 78 Steph.
aufstellt, indem er die Meinung, Plato erkläre die schriftliche Dar-
stellung der Philosophie für unmöglich, verwirft und aufserdem, dafs
er den Zusammenhang und die Absicht des Dialogs anders fafst, tov
xov sldöxoq löyov ^ciovtu wori ifiipvxov (276 A) durch 'claram conseien-
tiam animi in rerum divinarum (s. idearum) cogitatione vcrsantis''
deutet.
586 Pansch: über christliche Gymnasialbildung".
1852. 20 S. 8), welche Schrift wir indes nur aus folgender Mitthei-
lung eines geehrten Mitarbeiters kennen: 'der Verf. vertheidigt in der
Einleitung kurz die Gymnasien ohne einen auf ihnen hervorgetretenen
Uebelstand in Abrede stellen zu wollen, den nemlich, dafs sie zwar
auf das Wifsen bedacht gewesen, aber die Erziehung vernachläfsigt,
die Charakterbildung verabsäumt haben; von dem Mangel daran aber
trage die Familienerziehung Torzugsweise mit die Schuld; eine Na-
tionalerziehung, eine laut ausgesprochene gerechte Forderung unserer
Zeit, "Verlange zunächst eine Charaktererziehung. Der Verf. geht
dann über zur Besprechung der Behauptung, dafs die Gymnasien unse-
rer Zeit unchristlich seien, und beantwortet diesen Punkt in An-
knüpfung an die darüber auf dem Kirchentage in Elberfeld (Sept.
1851) stattgefundenen Verhandlungen entschieden verneinend, so wie
er sich auch eben so bestimmt gegen die Errichtung sogenannter christ-
lichen Gymnasien erklärt.' Auf die Natuji,wifsenschaften übergehend
bringen wir zuerst ein Referat defselben geehrten Mitarbeiters über
Meins: Die Naturwissenschaften und das Gymnasium (Glückstadt
1852. 16 S.): 'Der Verf. geht aus von den Hauptansichten über den
Werth der Naturwifsenschaften. Einige wollen dieselben zum Grund
und Mittelpunkt aller Bildung machen, als Bildung der modernen Zeit,
eine Ansicht, welche nach des Verf. Ansicht nie zur aligemeinen Gel-
tung gelangen wird. Andere wollen ihnen gar keinen Platz unter den
eigentlichen Bildungsmittel einräumen, sie wollen nur Bildungsmittel,
welche formale Bildung geben, also die alten Sprachen. Auch diese
Ansicht wird verworfen. Es folgt nun eine Auseinandersetzung über
das Verhältnis der Naturwifsenschaften zum Gymnasium , da manche
jene lieber den Realschulen zuweisen wollen. Der Verf. erklärt sich
gegen diese Behauptung nicht weniger, als gegen die Realschulen
überhaupt, verweist kurz auf den Kampf der Gymnasien gegen letz-
tere Anstalten und wie die Gymnasien alles, was Bildungsmittel sein
kann, sich angeeignet haben. Dahin gehören auch die Naturwifsen-
schaften, für welche nach einem von Cicero mitgetheilten Bruchstücke
des Aristoteles schon die Alten entschieden Sinn hatten; nur dürfen
auf dem Gymnasium dieselben der Beschäftigung mit der antiken Lit-
teratur nicht hindernd in den Weg treten. Die Behauptung, dafs die
Naturwifsenschaften dies wirklich thäten , so wie dafs die Mathema-
tik als Hauptdisciplin derselben genüge, wird abgewiesen. Hinsicht-
lich des einzuschlagenden Weges soll man mit der Naturbeschreibung
anfangen und dem Knaben wirkliche Naturobjecte vor Augen stellen;
sie soll zugleich, wie es in Glückstadt geschieht, in Verbindung stehn
mit Geschichte und Geographie, so dafs diese Fächer nicht getrennt
werden (daher im Stundenverzeichnisse der untersten Classe 5 Stun-
den Realien stehen), zu welchem Zwecke das 'Lesebuch in Lebens-
bildern' gebraucht und empfohlen wird. Nachdem nun so der Verf.
nachzuweisen versucht hat, dafs die Naturwifsenschaften dem Prin-
cipe des Gymnasiums eine Anstalt für humane Bildung zu
sein nicht widersprechen, wendet er sich weiter zur Besprechung des
Meins: die Natiirwifsenschaflen und das Gymnasium. 587
Satzes, dafs sie als nothweiidipe Glieder in dem ganze» Organismus
und als vollkommen gleiclibereclitigt mit den übrigen Diseiplinen er-
scheinen. Ks folgt nun eine Beleuchtung der einzelnen Theile der
Naturwifsenschaften hinsichtlich ihres Verhältnisses zur Grundlegung
der Bildung und darnach ergibt sich zuvörderst folgende Rangordnung
der beiden Abtheiliingen , in der Naturbeschreibung die Mineralogie,
Botanik und Zoologie, in der Naturlehre die Physik, Chemie und
Physiologie. Die Naturbeschreibung hat es mit den Gegenständen
der Natur zu thun, welche sich bei jedem Schritte in gröfserer oder
geringerer Fülle und Manigfaltigkeit darbieten und des Knaben Auf-
merksamkeit in immer gesteigertem Maafse erregen, ja selbst auf den
folgenden Stufen stets ihren Werth behalten. Was die Naturlehre
betrifft, so kann dieselbe in ihren einzelnen Theilen nicht auf der un-
tersten Stufe gelehrt werden, da die Kräfte der Natur als solche sich
der Anschauung entzlehn; höchstens können einige allgemeine Eigen-
schaften der Körper betrachtet, die gewöhnlichsten Erscheinungen der
Physik erörtert werden; sie selbst eignet sich nur für die oberste
Stufe. Was die einzelnen Theile beider Gebiete anbelangt, so ver-
dient wohl aus dem der Naturbeschreibung die Mineralogie die ge-
ringste Berücksichtigung in der Schule, während die Botanik immer
ausführlicher betrachtet wird und es mit der Zoologie eben so ist;
aus dem Gebiete der Naturlehre läfst sich die Chemie wegen der we-
nigen Apparate und Stoffe, welche der Unterricht erfordert, recht an-
schaulich lehren, die Physiologie dagegen, so weit nicht einzelnes ans
derselben schon in der Botanik und Zoologie vorgekommen ist, kann
als besondere Disciplin auf der Schule nicht gelehrt werden. Damit
glaubt der Verf. im Umrisse das gegeben zu haben, was das Gymna-
sium in der zugemefsenen Zeit bei hinreichenden Lehrkräften und Lehr-
apparaten in den Naturwifsenschaften zu bieten im Stande ist.' Wenn
auch nicht den Gymnasien ausschliefslich gewidmet, so sie doch be-
rührend ist die Abhandlung im Programm der Realschule zu Kroto-
schin 1853: W. Bleich: lieber den naturg^eschichtlichen Unterricht
in den höheren allgemeinen Bildungs an stalten (28 S. 4). Da der
Hr. Verf. die Haupthindernisse aufzählt, welche dem genannten Un-
terrichte entgegen stehen, an Zahl elf, so entnehmen wir zuerst dar-
aus, dafs Zweck, Ziel und Methode noch so wenig feststehn, ja selbst
an zweckmäfsigen Lehrbüchern ein so grofser Mangel herrscht, dafs
man allerdings über den Nutzen seiner Betreibung recht bedenklich
werden nuifs und es dürfte daher, zumal da auch das vorher ange-
zeigte Programm nicht eigentlich die Sache principiell feststellt, nicht
unangemefsen sein, hier einige prüfende Bemerkungen über die Auf-
nahme und die Ausdehnung desselben in dem Gymnasium auszuspre-
chen. Von dem Nutzen, den das spätere Leben oder einzelne Wifsen-
schaften von ihm haben, kann natürlich keine Rede sein. So lange
nicht nachgewiesen wird , dafs und w ie weit Kenntnis der Natur zu
der principiell von dem Gymnasium zu fordernden Bildung gehört,
wird man sich gegen seine Aufnahme aussprechen müfsen. Man beruft
588 Bleich: naturgeschichtl. Unterricht in d. höh. Bildungsaiistalten.
sich zuerst auf die teleologische Wiikun«; des Unterrichts, und be-
hauptet, dafs der gebildete zu der seiner A\ürdigen Gotteserkennt-
nis die Natur kennen miifse. Dafür wird auch Luther angeführt:
'Wir sind jetzt in der Morgenröthe des künftigen Lebens; denn wir
fahen wieder an zu erlangen das Erkenntnis der Creaturen, das wir
verloren haben durch Adams Fall. Wir beginnen durch Gottes Gna-
den , seine herrlichen Werke und Wunder auch aus den Bäuinlein zu
erkennen, wenn wir bedenken, wie allmächtig und gütig Gott sei. In
seinen Creaturen erkennen wir die Macht seines Wortes, wie gewaltig
das sei. Da er sagte, er sprach, so stund es da. Auch in einem
Pfirsichkern: derselbige, obwohl seine Schale selir hart ist, doch mufs
sie sich zur rechten Zeit aufthun durch den sehr weichen Kern so
drinnen ist.'*) Man wird unschwer erkennen, dafs hier Luther nicht
von Kenntnis der Naturgeschichte und Naturlehre, sondern von der
durch den Glauben erleuchteten Betrachtung der Natur spricht. Eben
so wenig kann wohl auch der Beweis stringent geführt werden, dafs
man, um über das Verhältnis des Menschen zur Natur eine richtige
Ansicht zu haben , einen vollen Cursus in den Naturw ifsenschaften zu-
rückgelegt haben müfse. Auch das, was man von dem Nutzen für
formale Geistesbildung beigebracht hat, worauf sich auch Hr. Bleich
beruft, reicht nicht hin, die Nothwendigkeit des Unterrichts auf den
Gymnasien festzustellen, wie Hr. Raspe in der oben besprochenen
Schrift S. 12 ganz richtig bemerkt hat. Aber alle diese Gründe ent-
halten wahres und wenn auch keiner allein Kraft genug hat, so legen
sie doch zusammen ein nicht unbedeutendes Gewicht in die Wagschale
(S. d. Ref. Bemerkungen in diesen NJahrb. Supplem. Bd. XVI S. 142
folg.). Indes ist nicht zu verkennen, dafs damit noch nichts in Bezug
auf das Ziel und Mafs gewonnen ist, da sich jeder einzelne so weit
ausdehnen läfst, dafs man die ganze Naturwifsenschaft dem Gymna-
sien zuweisen könnte. Das einfachste und natürlichste dürfte vielleicht
folgendes sein. Wie die Erde der Wohnplatz, so ist die Natur die
Umgebung des Menschen. Mit demselben Rechte nun, mit welchem
man von dem gebildeten geographische Kenntnisse fordert , wird man
nothw endigerweise auch von ihm Kenntnisse in der Natur verlangen
müfsen , aber man wird auch durchaus nicht mehr zu verlangen das
Recht haben als das analoge Mafs mit dem , was man in der Geogra-
phie fordert. Wie man hier nur eine Uebersicht über die Erde und
ihre wichtigsten Verhältnisse begehrt, so kann man auch dort nur eine
Uebersicht über die Naturreiche fordern, und wie man dort nur die
bedeutendsten Länder und Völker berücksichtigt und nur die erheb-
lichsten charakteristischen Merkmale hervorhebt, so auch hier nur die
*) Diese Stelle führt z.B. an Schmidt: U e b e r die verschie-
denen Erziehungsmittel in der Denk-, der W o I 1 e n s - und
der Gefühlswelt. Cöthen 1852, eine Schrift, welche wir hier über-
gehn müfsen, weil sie sich ganz auf dem Gebiete der allgemeinen Pae-
dagogik bewegt.
Auszüge aus Zeilscliriflen. 589
Vvichitigsten Arten und die bedeutsamsten Kigenthiimlichkeiten. Wie
man dort als das Ziel setzen niuls die Fähigkeit sich in der Geogra-
phie mit den nötliigen Hilfsmitteln orientieren zu können, und zu die-
sem Zwecke an einigen besondern Theilen, namentlich am Vaterlande,
vielfältigere und eingehendere Hebungen vornehmen wird, so auch
wird man in der Naturbeschreibung die Fähigkeit die Natur der Kör-
per kennen zu lernen durch umständlichere Behandlung einzelner, na-
mentlich aus der unmittelbaren Umgebung genommener, zu erreichen
bestrebt zu sein. Damit ergibt sich auch, warnm man Hrn. Bleich in
der Forderung nicht beistimmen kann, dafs die Naturgeschichte auch
über die beiden obersten Classen der Gymnasien ausgedehnt werden
müfse. Dagegen wird man schon um des unzertrennlichen Zusammen-
hangs willen, der zwischen Erde und Natur besteht, die von Hrn. Meins
vorgeschlagene und bereits praktisch geübte und bewährt gefundene
Verbindung mit dem geographischen Unterrichte sehr zweckmäfsig be-
finden. Dieselbe ist leichter möglich, wenn man von System, wie man
doch mufs, in der Naturgeschichte ganz absieht, und ein wesentlicher
Zweck, die grofse und manigfaltige Menge der Geschöpfe in der Na-
tur zu zeigen und ihre Verbreitung nachzuweisen, läfst sich ja ohne
die Geographie gar nicht erreichen, während jeder gewis begreift,
dafs eines durch das andere Leben und Halt gewinnt. Den Einwand,
dafs es dazu vollends an geeigneten Lehrbüchern fehle, erkennen wir
um so weniger an , als ein Blick in die befseren neueren Lehrbücher
der Geographie lehrt, wie viel in dieselben aus Naturgeschichte und
Naturlehre hinübergeflofsen ist. Die Naturlehre in den oberen Clas-
sen gewinnt auch bei dieser Betrachtung der Sache festeren Halt, in-
dem sie als die au^ die Ursachen hinabsteigende Erklärung der auf
der Erde und in der Natur kennen gelernten Erscheinungen erscheint.
Dafs wir auch sie in engere Verbindung mit der Mathematik gesetzt
zu sehn wünschen, haben wir schon an einem anderen Orte ausgespro-
chen und beziehn uns jetzt noch auf das von uns Bd. LXV S. 88 f.
besprochene Programm von Arndt. R. Dietsch.
(Fortsetzung folgt.)
Auszüge aus Zeitschriften.
Zeitschrift für die Altcrihumswissenschaft herausgeg. von Ju-
lius Caesar *). X. Jahrgang 1852. F ün ftes Hef t [s. Bd. LXVI
S. 201 ff.]. Ueber das zehnte Buch der Antiquitates rerum divinarum
des M. Terentius Varro, ein Beitrag zur Untersuchung über die sa-
crale Bedeutung der scenischen Spiele in Rom, von Leopold Krah-
*) Prof. Dr. Th. Bergk hat laut Erklärung vom 2. October 1852
wegen seiner Uebersiedelung nach Freiburg im Breisgau die Mitre-
daction der obigen Zeitschrift niedergelegt.
590 Auszüge aus Zeitschriften.
ner (S. 385 — 412: Zusammenstellung der fast ausschliefslich bei Au-
gustin in polemischen Anführungen erhaltnen Stellen des genannten
Buches; dem Varro galten die scenischen Spiele als dramatische Auf-
führungen der Götterfabeln, welche Aufführungen von den Göttern
geboten waren und fort und fort als ein von denselben geforderter und
ihnen wohlgefälliger Dienst vollzogen wurden. Nachweis dafs die von
August. C. D. II, 4 unter dem Namen ferculum erwähnte scenische
Aufführung identisch sei mit der alten satura; über Accii patina bei
Tertuli. adv. Valent. c. 12, auch erwähnt bei Cic. ad fam. IX, 16, 7
als Ujrotarichi patina. Nach Entwicklung der varronischen Religions-
philosophie — man habe bei Varro wie bei Aristoteles zwischen exo
terischen und esoterischen Schriften zu unterscheiden — wird der
muthmafsliche Inhalt des lOten Buchs der Religionsalterthümer dar-
gelegt. Gelegentlich emendiert der Verf. die bei Tertuli. de spect.
c. 6 erhaltne Inschrift des Altars des Consus: Consus consilio, Mars
duello, Lares coilio potentes statt comitio). — Das Relief des Tho-
res von Mykenae, von C. Göttling (S. 407 f. : Berichtigung eines
Irthums in des Verf. ges. Abhdigen I S. 63). — Kritische Aehren-
lese, von F. W. Wagner (S. 412—414: zu Fragmenten des Sopho-
kles). — Reo. von Diogenes Laertius rec. C. G. Gebet etc. (Paris.
Didot 18j0), von Gottlieb Röper (S. 414—459: Schlufs der auf
S. 168 abgebrochenen Rec. Cobets Arbeit sei keine von Grund aus
neue, sondern, wie viele Vorzüge seine Ausgabe auch vor der Hüb-
nerschen haben möge, diese letztere sei doch das eigentliche Funda-
ment derselben gewesen und geblieben. Nach einem genauem Eingehn
auf die lateinische Uebersetzung und einer Untersuchung über den
Titel des Werkes und den Namen des Verfafsers, der richtiger Äa-
f'pTios Jioyivrjs als umgekehrt zu nennen sei, folgen Besprechungen
vieler einzelner Stellen, insbesondere aus der Vita des Thaies I §. 22
— 44. Beiläufig wird bei Cic. Acad. pr. II, 26, 82 duodetriginta emen-
diert statt duodeviginti), — Rec. von Fr. C. Theifs: Wörterbuch
zu Xenophons Anabasis, 3e Aufl. (Leipzig 1852), von Hartraann (S.
430 — 440: anerkennende Anzeige mit einigen Bemerkungen). — Col-
lectivanzeige von: P. H. Tregder: Handbuch der griech. und röm.
Litteraturgesch. bearbeitet von J. Hoffa (Marburg 1847), dasselbe
Werk bearb. von E. V o 1 1 b e h r (Braunschweig 1847) , E. Horrmann:
Leitfaden zur Gesch. der griech. und der röm. Litt. (Magdeburg 1849.
1851), E. Munk: Geschichte der griech. Litt. 2 Thle. (Berlin 1849.
1850), von Julius Caesar (S. 459 — 472: Charakteristik der ge-
nannten Werke mit manchen Bemerkungen über Einzelheiten. Treg-
ders Buch sei weniger eine Geschichte der Litteratur als eine Ueber-
sicht der wichtigern Schriftsteller nebst Angabe ihrer Lebensumstände
und ihrer litterarischen Thätigkeit; Horrmanns Leitfaden trage einen
mehr gelehrten und wifsenschaftlichen Charakter an sich ; Munks Buch
habe die Grenzen dessen überschritten , was Gegenstand der Littera-
turgesch. sei , indem er mehr eine Encyclopaedie der in seinen Ge-
sichtskreis gezogenen Schriftsteller gebe; namentlich bei der Geschichte
Auszüge aus Zeilschrifleu. 591
der Prosa habe der Verf. entweder seine eigentliche Aufgabe aus dem
Gesicht verloren oder sie mit dem Titel des Buchs nicht gehörig be-
zeichnet). — Verhandlungen gelehrter Gesellschaften, Auszüge aus
Zeilschriften (S. 473-480).
Sechstes Heft. Epigraphische Miscellen, von J. Becker (S.
481 — 495: Mercur bei den Arvernern (in der altgaliischen Sprache
Vasso Caleti); über die angebliche keltische Göttin Vagdavera (der
wahre Name sei Vagdavercustis oder Vagevercustis) ; über den an-
geblichen Mcrcurius Tourenus (die richtige Form dieses Beinamens
sei Toorencetanus oder Tourencetranus) ; zu einzelnen Inschriften). —
Grammatische Miscellen, von H. Paldamus (S. 495 — 503: Wechsel
der activen und passiven Bedeutung in Participien und Adjectiven der
latein. Sprache; res pro defectu rei; Wechsel der Singulare und Plurale
bei den latein. Schriftstellern). — Rec. vom Corpus paroemiographorum
Graetorum ed. E. L. a Leutsch, Tom. II (Gottingae 1851), von
F i n c k h (S. 505 — 518 : eingehende Berichterstattung mit Berichtigungen
und einigen Gegenbemerkungen). — Rec. von Sophokles erkl. von F.
W. Schneidewin, Is und 2s Bdchen (Leipz. 1849. 1851), von Gu-
stav Wolff (S. 518 — 540: Besprechung vieler Stellen aus Aias, Phi-
loktet und König Oedipus). — Rec. von J. F. Lauer: Geschichte
der homerischen Poesie (Berlin 1851), von Bäum lein (S. 540 — 555:
das Buch enthalte nicht sowohl eine Geschichte der homerischen Poe-
sie als vielmehr Materialien, Anfänge und Bruchstücke zu einer sol-
chen ; ausführlicher geht der Rec. ein auf die Frage über die Persön-
lichkeit eines Homer oder die Abfafsung von II. u. Od. in Dichter-
schulen und über die Composition der Gedichte). — Rec. von Phaedri
fabulae mit Anmerkungen versehn von J. Siebeiis (Leipzig 1851),
von Hartmann (S. 551 — 564: empfehlende Beurtheilung mit Bespre-
chung einzelner Stellen). — Rec. von O. Jahn: die Ficoronische Ci-
sta (Leipzig 1852), von H. A. Müller (S. 564—568: Darlegung der
Resultate der Jahnschen Untersuchung mit scharfer Gelfselung der von
Panofka befolgten Methode in der Erklärung der Zeichnung; es sei
letzterm 'die Virtuosität im archaeologischen Blindekuhspiel' nicht ab-
zusprechen). — Verhandlungen gelehrter Gesellschaften , bibliographi-
sche Uebersicht der neusten philologischen Litteratur (S. 569 — 576).
XL Jahrgang 1853. Erstes Heft. Der Thron des Apollon Amy-
klaios in Lakonien, nach Pausanias hergestellt und erläutert von Th.
Pyl (S. 1 — 44: Fortsetzung soll später folgen. Bis jetzt umfafst die
Abhandlung folgende Abschnitte: Von den schriftlichen Quellen für den
amyklaiischen Thron; von den gelehrten Arbeiten über denselben; von
Bathykles, dem Meister des amykl. Throns, und seinem Zeitalter (der-
selbe sei aus Magnesia am Maiandros in Karien gebürtig gewesen und
habe etwa um das Jahr 600 v. Chr. gelebt) ; von der Bildseule des
Apollon Amyklaios und dem Grabaltare des Hyakinthos; von der Um-
gebung und Aufstellung des amykl. Throns; von der Anlage desselben;
der Unterbau; der Oberbau des Throns. Ein Wiederherstellungsver-
such des Verf. ist auf einer lithograph. Tafel beigegeben). — Rec. von
592 Auszüge aus Zeitschriften.
K. Fr. Hermann: Lehrbuch der grlech. Antiquitäten, 3r Thl. 2e
Hälfte (Heidelberg 1852), Yon Chr. Petersen (S. 45—54: da eine
Empfehlung so überflüfsig als eine eingehende Kritik bei dem Reich-
thum des Inhaltes unmöglich sei, so werden nur einzelne Punkte be-
sprochen, besonders ausführlich über die zunftartigen Verbindungen
der Berufsgenofsen in Athen). — Reo, von M. W. Heffter: Ge-
schichte der latein. Sprache während ihrer Lebensdauer (Brandenburg
1852), von A. Dietrich (S. 54—67: nach Aufzählung vieler einzel-
nen Irthümer und Charakteristik des ganzen Buchs gelangt der Rec.
zu dem Gesammturtheil, dafs es keinem eine einigermafsen bestimmte
und befriedigende Einsicht in den Entwicklungsgang der latein. Spra-
che zu geben vermöge, mancher indes werde es wegen der vielen da-
rin zusammengestellten CItate wohl in einzelnen Fällen gebrauchen
können). — Rec. von Ciceros ausgew. Reden erkl. von K. Halm, 3s
Bdchen (Leipzig 1851), von Tisch er (S. 67—80: sehr lobende Be-
urtheilung mit Besprechung vieler einzelnen Stellen als "'unmafsgeb-
lichen Vorschlägen zu beliebiger Benutzung für die einstige zweite
Auflage des vortrefflichen Werkes'). — Rec. von H. Middendorf
und Fr. Grüter: lateinische Schulgrammatik für die mittlem und
obern Gymnasialclassen (Münster 1851), von Kölscher (S. 81 — 88'':
das Buch besitze mehrere wesentliche Vorzüge: die aufserordentlich
grofse Zahl classischer, passend ausgewählter Beispiele , systematische,
übersichtliche Anordnung, verständliche Fafsung der Regeln und sorg-
fältige Benutzung der einschlägigen neuern Schriften; Bemerkungen
im einzelnen). — Epigraphica , von F. Osann (S. 88'' — 88**: epigra-
phische Ausbeute der in der Nähe von Cirencester in England (dem
alten Corinium) veranstalteten Ausgrabungen). — Vermischte Bemer-
kungen, von P. Bötticher (S. 88**: ilsyi'a sei aus dem Armenischen
zu erklären und als ein auf dem elegn = ^aXufiog begleitetes Lied
zu fafsen. — Zu Anthol. Pal. XV, 25). — Programme der Gymnasien
der Provinz Westphalen 1851, von L. H. , Auszüge aus Zeitschriften
(S. 89—96).
Rheinisches Museum für Philologie herausgeg. von W elcker ,
Ritsckl, Bernays. Neue Folge. VIII. Jahrgang. Viertes Heft
[s. Bd. LXVI S. 204 ff.]. Zur Geschichte des Patronats über juristi-
sche Personen, von Eduard Philippi (einem laut Nachwort S. 530
im Mai v. J. auf der Rückreise aus Italien in Mailand verstorbenen
vielversprechenden jungen Gelehrten, S. 497 — 529: Geschichte des Pa-
tronats über Provinzen, Städte und Landgemeinden während der Kai-
serzeit; Nachweis dafs die mit kaiserlicher Bevollmächtigung gewähl-
ten patroni civitatum identisch waren mit den defensores civitatum ;
näheres über die Wahl (Cooptation), den Stand, die Befugnisse und
die Benennung der Patrone und Defensoren ; endlich Geschichte des
Patrociniums über das Landvolk). — Ueber die iambischen Tetrame-
Aiisz(ig"e aus Zeilscliriflen. 59'^
ter bei Tereutius, von Joseph Kranl's (S. j3l— 560: Unter.siichuiif;
über den Bau der katalektischen und akatalektischen iamb. Tetr. (Sep-
tenare und Octonare), in deren Verlauf der Verf. unterstützt durrli
Ritschis kritischen Apparat eine Anzahl Verse emendiert). — Ergän
zung zu Aristoteles' Poetik, von J. Bernays (S. 561 — 596: die von
Cramcr als Anhang des ersten Bandes seiner Pariser Anekdota aus einer
CoisUnianischen Handschrift mitgetheilten griechischen Sätze, wieder-
holt u. a. von Bergk in seinem Aristo[)hanes Proleg. XI, enthalten
neben manchem fremdartigen auch aristotelisches und zwar Excerpte
aus dem für uns verloren gegangenen Abschnitt der Poetik, welcher
die Komoedie behandelte, Was im einzelnen nachgewiesen und zu einer
Reconstruierung der aristotelischen Lehre von dem Wesen der Ko-
moedie benutzt wird). — Zu Oishausens Abhandlung über phoenici-
sche Ortsnamen aulserhalb des semitischen Sprachgebiets, von Fer-
dinand Hitzig (S. 597 — 601: Gegenbemerkungen zu dem Aufsatz
S. 321 ff.). — Rec. von K. Schwenck: Mythologie der Griechen u.
Myth. der Römer (Frankfurt a. JM. 1843. 18^5), von . « (8. 602—611 :
eingehende Charakteristik; das Buch enthalte die Resultate eindring-
licher Studien und verdiene insbesondere der studierenden Jugend an-
gelegentlich empfohlen zu werden; bedauert wird der Mangel einer
Einleitung). — Miscellen. Litterarhistorisches. Zu den Orphischen
Schriften, von F. G. Weicker (S. 612 f. : Rechtfertigung des Na-
mens äfi^oy.OTiia als Titels einer Orph. Schrift). — Junius Congus,
von K. L. Roth (S. 613—615: aus Plin. N. H. praef. §. 7 nachge-
wiesen als Zeitgenofse des Lucilius; der Name hergestellt bei Cic.
pro Plane. 24, 58 und de orat. I, 60, 256) *). — Antiquarisches. Cicero
über die Serviauische Centurienverfafsung, von L, J^ange (S. 616 —
623: nochmalige Besprechung der Steile Cic. de rep. II, 22 nach
Ritschi und Huschke im Rhein. Mus. VIII S. 308 ff. 404 ff.; der Verf.
wirft die Worte Villi ccyiturias tot enim reliquae sunt und quac ad
summum usum urbis fabris tignarüs est data als Glosseme aus und
schreibt: Nunc rationcm vidctis secutum esse talcm, ut, aequato equi-
tum certamine, cum esset suffragiis IX i>rima classis addita , ceiitu-
riae octo solae si accesserunt, confecta esset vis popull U7iiversa etc.).
— Die Colonie Casinum, von Th. Mommsen (S. 623 f. : dieselbe
habe nicht existiert, bei Livius IX, 28 sei zu schreiben nicht Inter-
amnam ac Casinum, sondern Interamnam Succasinam oder Casinam
oder Casinatem; bei Diodor XIX, 105 sei in den Worten r)jv TtQocayo-
Q8V0[i£vr]v IvrsQa^vccv der Beiname Lirinas oder Succasina ausgefallen).
— Epigraphisches, von F. G. W. (S. 625 f. : ergänzendes zu den
Rh. Mus. VIII S. 125 Nr. 8 und S. 127 Nr. 15 besprochenen In-
schriften). — Handschriftliches. Der Codex Parcensis des Aemilius
Probus, von K. L. Roth (S. 626—639: Beschreibung, Werthbestim-
*) Unabhängig von dem genannten Gelehrten ist unterzeichneter
ziemlich zu demselben Resultate gelangt und freut sich dieses Zusam-
mentreffens , s. praef. ad Cic. Script. P. II. Vol. III p. XXI.
R. Klotz.
IS, Jahrb. f. Phil. u. Paed. Äd. LXVII. Hß.h. 39
594 Schul- und Personalnachrichleii,
mung und Collation dieses jetzt in Löwen befindlichen Codex). — Zin
Kritik und Erklärung. Zu Aeschyios' IlQoarjd^tvg Ivou^vog, von W.
Teuf fei (S. 640: Nachweis eines bisher übersehenen Fragmentes bei
Strabo IV p. 182). — Lucretianum , scr. H.A. Koch (S. 640: VI, 527
[nicht 427] wird emeudiert : sorsum crescunt aorsumque creantur*)).
Schill- 1111(1 Personalnachrichten, statistische und andere
Mittheilungen.
Altenburg. Die Schiiierzahl des dasigen Friedrichs-Gymnasiums,
welche am Schlufse des Schuljahres 1852 I47 betrug, war Ostern 1853
158 (Sei.: 30, I: 32, IP: 36, II'': 36, II«: 2-t). Zur Universität wur
den Ostern 1853 17 entlafsen. Dem Programm ist angefügt: H. E.
Apel: Disputationis de üs , quac C. Miltitius cum Luthero in primis
/IHcnburgi in aedibus Spalatijii cgerit, Part. II (13 S. 4).
Alton A (s. Bd. LXVI S. 323). An dem Gymnasium erhielt Mi-
chaelis vorigen Jahres der 6. Lehrer Andresen die erbetene Ent-
lafsung aus seinem Amte. Die von ihm vertretenen Unterrichtsgegen-
stände musten die übrigen Lehrer unter sich vertheilen, so gut es
gieng, da die interimistische Anstellung eines Hilfslehrers auf Schwie-
rigkeiten Stiels. Um so schwerer traf es die Schule, dafs Neujahr
abermals ein Lehrer aus dem Collegium schied, der 8. Lehrer Jahn^
der (Seminarist) in Dithmarschen zum Lehrer erwählt worden war.
Seine Stunden übernahm Hr. Hamann. Die P'requenz betrug im
I. II. III. IV. V. VI. Sa.
Sommer 1852: 17 12 20 25 29 29 132.
Winter 1852—53: 13 11 26 26 32 32 140.
Ostern 1853 giengen 3 Primaner zur Universität. Das Programm Ost.
enthält: Das älteste Drama in Deutschland oder tlic Komoedien der
Nonne Hrusiritha von Gandersheim, übersetzt und erläutert vom Di-
rector Prof. Ben d ixen (3 Stücke: Abraham, Paphnutins und Sapien-
tia, Schlul's des Programms von 1850. 66 S.). [H-]
Basf.l. Der ordentliche Prof. Christoph Bernoulli ist nach
5()jähr. Amtsführung von seiner Lehrerthätigkeit zurückgetreten.
Berlin. Dr. Moriz Haupt in Leipzig wurde zum ordentlichen
Professor der lateinischen Litteratur an der Berliner Universität be-
rufen. — Am Joachimsthalsclien Gymnasium wurde der S( hulamtscan-
didat Dr. Wold. Heffter zum Adjuncten ernannt.
Bonn. Am königlichen Gymnasium trat mit dem Anfang des Schul-
jahres 1851 — 52 der Lehramtscand. J. R. L. Sonnenburg (aus Bres-
lau) als ordentlicher Lehrer ein, Oberlehrer Werner rückte in die
erste, Dr. Humpert in die vierte ordentliche Lehrerstelle auf, und
die fünfte wurde dem Dr. Savelsberg übertragen [letzterer ist in-
zwischen nach Aachen versetzt worden, s. Bd. LXVI S. 408]. Der
Gesanglehrer Wenigmann folgte einem Rufe als Capellmeister nach
Aachen und wurde ersetzt durch den Musiklehrer J. Lutz e 1er. Zu
Abhaltung ihres Probejahres waren am Gymn. beschäftigt die Cand.
Dr. M. Schmidt und Dr. C. H. Scheck. Den am 18. Juli v. J.
erfolgten Tod des emeritierten ord. Gymnasiallehrers Dr. Joh. Heinr,
*) Ebenso Bergk in diesen NJahrb. oben S. 32'
statistische und .indcru Mitllieilungeii. 59r)
Kanne (geb. lö. Aug. 1773) haben wir bereits Bd. LXVI S. 215 ge-
meldet. Die Stliülerzalil des Gyiiin. betrug am Sclilufs des Schuljah-
res 331 (I: 3H, II: jü, III: Ü2, IV: 55, V: 60, VI: tiO), darunter 2(i!
kathol., 60 evang. Coiif., 10 israel. Glaubens. Zur Universität wurden
"22 OI)pr])riinaner entlafsen. Abhandlung iui Projuranim Mich. IH52
vom Dir. Prof. Dr. L. .Schopen: lieber die Pariser Hurulscliriflen des
Eugraphiiis (15 S. 4).
ßliA^'^slil£n(J. Am Lyceum Hosianum ist der Privaldocent Hr.
Frz. Beckmann zum ordentlichen Professor ernannt worden.
BüPissiN (s. Pd. LXV S. 219 und LXVI S. 324). Am Cymna-
nasium ward, nachdem der Dr. med. Reinhard von seinem Verhält-
nisse zur Anstalt zurückgetreten, am 5. April 1853 der Candidat des
hohem Schulamts Dr. W. G. Schmidt als Lehrer der Naturwifsen-
schaften eingeführt. Die Schülerzahl betrug Ostern 1853: 119 (I: 22,
II: 18, III: 20, IV: 24, V: 19, VI: 16). Abiturienten Mich. 1852: 4,
Ostern 1853: 6. Abhandlung im Programm : V. R. Schaars ch m i dt:
epitome confessionis Augustanae (28 S. 4).
CiLLi. Der Supplent am k. k. Gymnasium Ferd. Gatti ist nach
Iglau, an seine Stelle von dort der Supplent Frdr. Marek versetzt
worden.
CZERNOWiTZ. Am k. k. Gymnasium wurde der Oberlehrer an dem
kön. preuss. Gymnasium zu Leobschütz, Dr. Ant. Kahlert, ziun wirk-
lichen Gymnasiallehrer und provisorischen Director, der Oberlehrer
Dr. Ad. Ficker zum Ministerlabecretär im k. k. Handelsministerium
mit Verwendung bei der Direction der administrativen Statistik und
der Lehi'er Jos, Kolbe für die Lehrkanzel der Mathematik am k. k.
polytechnischen Institut zu Wien ernannt.
Eger. Die Supplenten am k. k. Gymnasium Dr. iur. Matth.
Kawka und Ad. Weichselmann sind zu wirklichen Gymnasialleh-
rern befördert worden.
Freibeug. Am Gymnasium erschien Ostern 1853 das Programm:
W. PrÖssel: De Horatii itinere Brurtdisino (21 S. 4).
F''reiburg im BuhisGAU. Dr. Weifs ist als Prof. der Geschichte
an die Universität in Gratz berufen worden.
Gratz. Der Gymnasiallehrer Alb. v. Waltenliofen wurde zum
ordentl. Prof. der Physik an der Universität zu Innsbruck ernannt.
Ueber die Berufung des Dr. Weifs s. Freiburg.
Greiffekberg. Der Lehrer am Gymnasium H. W. W. Bertram
wurde als Oberlehrer an die Königstädtsche Realschule in Berlin ver-
setzt, dagegen der Schulamtscand- T. L. H. Riemann als ordent
lieber Lehrer angestellt.
Greifswali). Am Gymnasium (s. Bd. LXV S. 237) hielt der
Schulamtscandidat Bodin sein Probejahr ab. Die Frequenz betrug
im Anfang des Sommers 1852:
G.I. R.L G.II. R.IL G.in.
20 10 17 13 31
Im A. d.W.: 21 9 15 15 30
Ost. 1853: 21 7 15 14 30
Ostern 1853 bestanden 2 Schüler und 2 Extraneer die Abiturienten-
prüfung. Dem Programm Ostern 1853 ist beigegeben: A. Hücker-
mann: Explicationum Vergiliunarum specimcn (24 S. 4).
Grossglogau. Der Lehrer Eich n er am Gymnasium hat den
Titel Oberlehrer erhalten.
Hanau. Am dasigen kurf. Gymnasium erhielten zwei Lehrer, weil
sie die Verpflichtung auf die anderweit geregelte Dienstanweisung nicht
eingiengen, die Entlafsung aufser Function. Mit dem Versehen von
deren Dienstgeschäften wurden die Gymnasialpraktikanten Spangen-
39*
R.III.
G.IV.
R.IV.
V.
VL Sa,
20
26
39
24
26 226.
23
25
38
28
31 235,
23
25
39
29
32 235
III.
IV.
V.
VI.
Sa.
24
11
8
57.
23
9
9
54.
19
10
8
16
64.
19
11
9
15
65.
1 Dr.
Snc
hier:
Kritisches zu
59ö Schul- und Personalnachrichten,
berg (schon vorher am Gymnasium beschäftigt) , Dr. Deuschle und
Pfarrer Fuchs beauftragt. Die Prima muste seit dem Winterhalb-
jahre wegen unzureichender Schülerzahl einstweilen cessieren, dage-
gen konnte in derselben Zeit die Sexta wiederhergestellt werden.
Die Schülerzahl betrug
I. II.
Anfang des Sommers 1852 6 8
Schliifs 5 8
Anfang des Winters 11
Ostern 1853 11
Das Programm Ostern 1853 enthält Ton Dr.
Ovids Metamorphosen nebst Proben einer Uebersetzung de» Werkes
(21 S. 4).
KÖNIGREICH Hannover, F\ilgende Verordnung ist erschienen,
Bekanntmachung des königl. Oberschulcollegiums wegen Ausführung
der königl. Verordnung vom 22. April 1831 über die Prüfniig der Can
didaten und Lehrer des höheren Schulfachs und über die Errichtung einer
wifsenschaftlichenPrüfungscommission in Göttingen. Hannover, den 14.
Februar 1853. Die königl. Verordnung vom 22. April 1831 hat das, bei
der Prüfung von Schulamtscandidaten des hÖhern Lehrfachs und von
schon angestellten Lehrern pro loco oder bei dem Aufrücken in höhere
Stellen zu beobachtende Verfahren in seinen Grundzügen gesetzlich
festgestellt. Durch eine Instruction vom 17. Mai 1831 sind diejenigen
Puncte, welche zufolge der königl. Verordnung einer weitern Ausfüh-
rung bedurften und deren Kenntnis für die betheiligten von Wichtig-
keit ist, bekannt gemacht worden. Da die seit jener Zeit gemachten
Erfahrungen manche Veränderungen und Zusätze zu jener Instruction
rathsam gemacht haben, so ist es für angemessen gehalten worden,
eine neue Anweisung zur Ausführung der königl. Verordnung vom
22. April 1831 zu erlafsen, welche, unter Aufhebung der frühern In-
struction, hierdurch aus höherem Auftrage zur allgemeinen Kenntnis
gebracht wird. §. 1 . 1) Zu der allgemeinen Prüfung für das gelehrte
Schulfach (§. 2. 1. a. der königl. Verordnung) wird nur derjenige zuge-
lal'sen , der das triennium academicum nachzuweisen im Stande ist.
Eine Dispensation von obiger Forderung kann ausnahmsweise durch
das Oberschulcollegium ertheilt werden. Der sich zu dieser Prüfung
meldende hat seinem Gesuche, aufser den seine academischen Studien
bekundenden Zeugnissen und einem lateinisch verfafsten curriculo
vitae, auch sein Maturitäts-Prüfungszeugnis beizufügen. 2) Es wird
als Regel angenommen, dal's die Fachlehrer der Mathematik und der
Naturwifsenschaften («sf. 2. 1. b.) und die Lehrer der neuern Sprachen
(L c), namentlich wenn sie auf den Unterricht in den obern Gymna-
sialclassen Anspruch machen wollen, den gewöhnlichen Gang durch
das Gymnasium und die Universität gemacht haben und daher auch
bei ihrer Meldung die im obigen vorgeschriebenen Zeugnisse beibrin-
gen werden. Eine Ausnahme von der Regel wird das Oberschulcolle-
gium bei denjenigen Mathematikern gestatten, welche die polytechni-
sche Schule und darnach vielleicht eine kürzere Zeit die Universität
besucht haben, oder bei solchen Lehrern der neuern Sprachen, die
durch einen entsprechenden Aufenthalt im Auslande sich eine ausge-
dehntere Kenntnis und practische Fertigkeit im Gebrauche der eng-
lischen und französischen Sprache erworben haben. Solche Schulamts-
aspiranten haben in dem ihrem Prüfungsgesuche beizufügenden Lebens-
laufe ausführlich den Gang ihrer Bildung zu schildern und diejenigen
Zeugnisse anzulegen, welche für denselben bezeichnend sind. Der
Lebenslauf dieser Fachlehrer kann in deutscher, oder in einer der
beiden auf Schulen gelehrten neuern Sprachen abgefafst sein. Die
statistische und andere Mittheilungen. ^i^'
Kachlehrer der unteren Classen (l.d.), welche meistens den Weg der
seiiiinarischen Bildung eingeschlagen haben werden, haben ihrem deutsch
geschriebenen J-,ebenslaufe ihre Seminar/.engnisse und, wenn sie be-
reits Privat- oder öli'entliche l^ehrerstellen versehen haben, auch über
ihre practische Thätigkeit Zeugnisse beizufügen. '^) Diejenigen Clas-
sen- oder Fachlehrer, welche die Oberlehrer- Prüfung naclizuholi-u
wünschen, haben ihr früheres Prüfungszeugnis und ein Zeugnis über
ihre Amtsführung von der Direction der Anstalt, an welcher sie bis
dahin unterrichtet haben, vorzulegen. 4) Die schriftlich einzusenden-
den Gesuche um Zulafsung zu einer der genannten Prüfungen sind an
das Oberschulcollegium zu richten, welches darüber entscheiden und
den Bittsteller in» Genehmigungsfalle an die Prüfungsbehörde über-
weisen wird. §. 2. Die Prüfung vor der wifsenschaft liehen Prüfungs-
commissiou besteht in der Anfertigung schriftlicher Prüfungsarbeilen
und einer mündlichen Prüfung, Die Zahl und Aen Gegenstand der
schriftlichen Arbeiten, die Sprache, in welcher dieselben abzufafsen
sind, und die zu ihrer Bearbeitung gestattete Zeit bestimmt die wifsen-
schaftüche Prüfungscommission je nach den Umständen. Alle Exami-
nanden haben jedesfalls eine deutsche Arbeit, und diejenigen, welche
sich für den Unterricht in den alten Sprachen habilitiren wollen,
auch eine lateinische Arbeit zu liefern. §. 3. In der wilsenschaft-
lichen Prüfungscommission sind alle die Fächer, in welchen sich der
künftige Lehrer an den höhern Schulanstalten des Königreichs prüfen
lalsen kann, mit Ausnahme der beschreibenden Naturkunde und der
katholischen Theologie (cfr. i«". 4 der Verordnung vom 22. April
1831) vertreten, n.ämlich die Philosophie und Paedagogik, die classi-
.sche Philologie, die deutsche Sprache und Literatur, die historischen
Wifsenschaften, die Mathematik und die Naturvvifsenschaften , die pro-
testantische Theologie nebst der hebrcäischen Sprache, endlich die neue-
ren Sprachen. Wenn ein Examinand in seiner Anmeldung zur Prü-
fung auch die beschreibende Naturkunde als ein Fach bezeichnet , in
welchem er seine Unterrichtsfähigkeit anei'kannt zu sehn wünscht, so
soll, falls er Mitglied des m&thematisch-naturwifsenschaftlichen Semi-
nars gewesen ist, ein Zeugnis über die erfolgreiche Theilnahme an den
Uebungen der naturgeschichtlichen Abtheilung desselben und die da-
durch erlangten Kenntnisse in der Naturbeschreibung als ausreichende
Bürgschaft für seine Unterrichtsfähigkeit auf diesem Gebiete ange-
nommen werden. Ist er nicht Mitglied gewesen, oder ist seine Fähig-
keit nicht genugsam bezeugt, so wird eine besondere Veranstaltung;
zur Vornahme einer Prüfung über seine dahin einschlagenden Kennt-
nisse getroffen werden. §. 4. Der für die Schulamts -Prüfung sich
meldende hat in seiner Meldung bestimmt anzugeben, in welchen der
oben genannten Fächer er sich der Prüfung unterziehen will und für
welche Unterrichtsstufe er vorbereitet zu sein glaubt. Ebenfalls wird
in der Meldung, oder in dem curriculo vitae, eine Angabe darüber er-
wartet, auf welche Theile der getriebenen Wifsenschaften der zu prü-
fende ein specielles und tiefer eingehendes Studium verwendet hat , so
dafs in diesen die selbstständigsten Kenntnisse bei ihm vorausgesetzt
werden können. §. 3. Die philosophisch- paedagogische Prüfung ist
obligatorisch für alle. Je nachdem der sich meldende in den sonsti-
gen Fächern geprüft werden will, erfolgt die Prüfung, unter der
Leitung des jedesmaligen Vorsitzenden der Comniission, von dem Ver-
treter des philosophisch-paedagogischen Faches und denen der übrigen
von dem Candidaten gewählten F'ächer, aus deren Urtheile der Vor-
sitzende das Zeugnis zusamnienstellt und mit denselben Unterzeichner.
Jedesfalls aber niüfsen bei jeder Prüfung v\enigstcns drei Commissions-
mitglieder anwesend sein und das Zeugnis unterschreiben, wenn auch
598 Sclnil- und Personalnachrichlen.
vielleicht eines derselben keinen weitern thätigen Antheil an der Prü-
fung selbst genommen haben sollte. Ist ein Mitglied im Prüfungster-
luine zu erscheinen verhindert, so kann es seinen Antheil an der Prü-
fung in Gegenwart des Vorsitzenden anticipiren oder nachholen. Se-
paratzetignisse über einzelne F'ächer sind jedoch weder in diesem Falle
noch sonst zuläfsig. §. 6. Wer an einem Gjninasium oder Progvm-
nasium als Haupt- und Classenlehrer seine Laufbahn machen will,
mul's mindestens seine Befähigung in der classischen Philologie für eine
der Hauptstufen der gelehrten Schule (s. .§. 7, J. §. 8, J. §. 9 der
gegenwärtigen Bekanntmachung), Sicherheit und Gewandtheit im Ge-
brauche der Muttersprache und ein durch philosophisch-paedagogische
Studien geübtes Denkvermögen und Bewufstsein der Aufgabe seines
Berufs als Lehrer darzuthun im Stande sein ; doch wird ein gröfserer
Umfang von Gegenständen jedem zur Empfehlung gereichen, und bei
gleicher Befähigung unter mehreren Candidaten derjenige den Vorzug
erhalten, der sich zugleich auch in der Religion, so wie in der Ge-
schichte und deutschen Sprache zum Lehrer befähigt erwiesen hat.
§. 7. Um in den einzelnen Fächern für den Unterricht in den untern
und mittlem Classen als befähigt erkannt zu werden, sind folgende
Leistungen erforderlich: 1) für das philologische P'ach eine ge-
nügende Kenntnis der lateinischen und griechischen Grammatik, so-
wohl in ihrem etymologischen als syntaktischen Theiie; Belesenheit in
denjenigen Autoren, die auf den gelehrten Schulen gelesen werden,
und die dadurch erworbene Fertigkeit, eine aus dem Kreise der Schrift-
steller von mittlerer Schwierigkeit vorgelegte Stelle zu verstehn und
sprachlich und sachlich zu interpretieren; Fertigkeit und Correctheit
im schriftlichen Gebrauche der lateinischen Sprache, und wenigstens
ein solches Mafs von Kenntnissen in der alten Geschichte und der
Alterthumswifsenschaft überhaupt, wie dasselbe zum Verständnis der
Classiker unentbehrlich ist. 2) Auf dem Gebiete der deutschen
Sprache ist, neben grammatischer und stylistischer Correctheit, die
sich in den Prüfungsarbeiten darlegt, auch eine solche Kenntnis der
allgemeinen Grammatik und des eigenthümlichen Charakters der deut-
schen Sprache erforderlich, dafs daraus die Ueberzeugung gewonnen
werden kann, der Geprüfte werde mit Bewufstsein des Zieles und mit
methodischer Sicherheit die Schüler der unteren und mittleren Classen
dahin führen können, dafs sie richtig sprechen und schreiben und ihre
Gedanken, d(Mn Umfange ihres Gesichtskreises gemäl's, klar und nicht
ohne Gewandtheit darzulegen vermögen. Von der neueren deutschen
Literatur mufs er ebenfalls so viele Kenntnisse besitzen, um die Schü-
ler in den Kreis derselben, so weit es ihrer Fafsungskraft und ihrem
Interesse entspricht, so einzuführen, dafs sie von derselben lebendig
berührt werden. 3) Zur Befähigung für den Unterricht in der Ge-
schichte und Geographie auf der genannten Stufe gehört eine
übersichtliche Kenntnis der alten und der deutschen Geschichte, mit
specieller Einsicht in die Epoche machenden Begebenheiten dieser Völ-
kergeschichten , so wie der Weltgeschichte überhaupt; in der Geo-
graphie eine Uebersicht der alten und neueren Geographie, specieller
eingehend in die Geographie Deutschlands. Die geschichtlichen Kennt-
nisse dürfen sich nicht blofs auf das thatsächliche beschränken, son-
dern es mufs sich auch ein Urtheil gebildet und die Fähigkeit ent-
wickelt haben, einen historischen Stoff mit Einsicht zu behandeln,
was sich besonders in der geschichtlichen Arbeit darthun wird. 4) Die
Fähigkeit, in den unteren und mittleren Classen Religionsunter-
richt zu ertheilen, erfordert vor allen Dingen Kenntnis der heiligen
Schrift, aus ernster und anhaltender Beschäftigung mit derselben ge-
schöpft; Bekanntschaft mit den Hauptpuncten in dem Entwicklungs-
slatislische iiml andere Millhciliingcn. ;VJO
}>aii{;e der cliristiiclien Kirclie, vom iiposlolisrhni Zcitüllrr an; Kiii-
sidit in die christliche Glaubens- mwl .Sitti'uli>lire und die BekeniKiiis-
schriftea der protestantischen KirchV; und endlich, so weit sie sich
durch eine Prüfung ermitteln läfst, die Wärme der eigenen Uebcr-
/.euf^uufi von der Wahrheit der {i;ott liehen Oirenbarung im Christen -
(hume. 5) Zum Unterrichte in der Mathematik in den unteren und
mittleren Classen ist für den Lehrer eine gründliche Kenntnis der Kle-
mentar- Mathematik erforderlich. 6) Aus dem Kreise der Natur-
\v i f sensch aften bedarf der I^ehrer der unteren und mittleren Classen
der Kenntnis der Zoologie und Hotanik, so wie der Mii\eralogie, so
weit dieselbe ohne chemische Analyse aufgefafst werden kann; endlich
der physischen Geographie. 7) Was die neueren Sprachen betriiVf,
so mufs der Lehrer, um für den Unterricht der unteren und mittleren
Classen befähigt zu sein, neben einer guten Aussprache, Geläufigkeit
im Verstehen der gewöhnlichen französischen und englischen Prosa, der
leichteren Dichter, und solche Kenntnis der Grammatik beider Spra-
chen besitzen, dafs er die Schüler zu einiger Sicherheit im Ueber-
setzen aus der deutschen Sprache in die fremde führen kann. 8) Da
es schwer ist, über das nothwendige Mals der philosophisch-
paedagogischeu Bildung eines Candidaten eine allgemeine Norm
aufzustellen, so bleibt es dem reitlichen Ermefsen der wifsenschaft-
lichen Prüfungs-Commission überlafsen, so wohl durch die Prüfung auf
diesem Gebiete, als aus den schriftlichen Arbeiten und der ganzen
mündlichen Prüfung, sich ein Bild von der geittigen Klarheit und
Schärfe, der Gedankenordnung, der Reife des Urtheils und dem prak-
tischen Tacte des geprüften zu verschaffen und im Zeugnisse nieder-
zulegen. Gewis ist es, dafs ein noch so reiches Wifsen ohne die gei-
stige Gymnastik, welche durch philosophische Studien gelördert wird,
nur zu leicht ein todter Schatz bleibt und am wenigsten für die Ju-
gendbildiing fruchtbar werden kann. — Wenn ein Candidat die in den
obigen Ausführungen für den Unterricht in den unteren und mittleren
Classen angegebene Stufe der Kenntnisse nicht ganz, aber doch in
dem Mafse erreicht hat, dafs sein Unterricht für die unteren Classen
fruchtbringend sein kann, so wird die wifsenschaftliche Prüfungs-Com-
mission ihm nach ihrem pttichtmäfsigen Ermessen die Befähigung fü r
die unteren Classen in den fraglichen Fächern zuerkennen. --
§. 8. Wenn ein Candidat bei der Prüfung pro facultate docendi be-
reits: ]) einen durch philosophische Studien sicherer ausgebil-
deten Sinn für Methode des Unterrichts und paedagogisch richtige
Behandlung der Schüler; 2) auf dem Gebiete der Philologie einen
gröfsern Umfang der Belesenheit in den alten Schriftstellern, selbst
den schwereren, und ein schärferes Eindringen in den Sinn und Geist
derselben; neben wifsenschaftlicher und selbständiger Auffafsung der
lateinischen und griechischen Grammatik, auch die nöthigen metri-
schen Kenntnisse und Bekanntschaft mit den sachlichen Theilen der
Alterthumswifsenschaft; gröfsere Fertigkeit im schriftlichen und münd-
lichen Gebrauche der lateinischen Sprache, und endlich Bekanntschaft
mit den wichtigsten Hilfsmitteln der philologischen Studien; 3) einen
gröfsern Umfang von Kenntnissen und ein reiferes Urtheil auf dem
Gebiete der Weltgeschichte, Kenntnis der historischen Literatur
mit der Beweisführung von historischem Quellenstudium aus einer Haupt-
periode der Geschichte; 4) Kenntnis der historischen Entwicklung der
deutschen Sprache, besonders seit dem Ende des 12. Jahrhun-
derts; 5) in der Theologie ein theologisches Durchdringen der
Glaubenswahrheiten und der Geschichte der christlichen Kirche; 6) bei
der Prüfung über seine Kenntnisse in der hebräischen Sprache Si-
cherheit in der Formenlehre und im Analysiren sowohl einzelner Wör-
600 Schul - und Persoiialnachrichleii,
ter als ganzer Sätze, und Leichtigkeit im Uebersetzen und Erklären
der historischen Schriften des alten Testaments und der Psalmen;
7) in der Mathematik Kenntnis auch der höhern Theile dieser
VVifsenschaft; 8) in den Natu rwi fse n Schafte n eine wifsenschaft-
lich begründete Kenntnis der Physik; 9) in neueren Sprachen, ne-
ben Kenntnis der französischen und englischen Literatur und Ver-
ständnis auch der schwierigeren Schriftsteller , eine wohlgeübte Fertig-
keit im schriftlichen und mündlichen Gebrauche beider Sprachen ; dar-
gelegt hat, so kann der geprüfte sogleich für wifsenschaftlich befähigt
zum Unterrichte in den obern Classen in den betreffenden Fächern
erklärt werden. Wer ein Zeugnis dieser Art, selbst in den Haupt-
fächern des Gymnasialunterrichts, erhalten hat, ist dadurch zwar noch
keineswegs berechtigt, seine erste Anstellung auch sogleich in den
obern Classen zu erwarten, vielmehr wird es z» seiner tüchtigen
praktischen Ausbildung sehr nützlich, oft sogar unerläfslich sein, dafs
er den Kreis der unteren und mittleren Classen zuvor durchmache; allein
er hat den Vortheil, dafs er künftig, wenn sich Gelegenheit zu sei-
nem Aufrücken in die oberen Classen darbietet und seine praktische
Brauchbarkeit sich bewährt hat, keine neue Prüfung für diesen Zweck
zu bestehen braucht. Es wird hier noch besonders hervorgehoben, dafs
es die Brauchbarkeit und Anstellungsfähigkeit auch der für die oberen
Classen approbirten Fachlehrer der Mathematik und der Naturwifsen-
schaften wesentlich erhöhen wird, wenn dieselben in der beschreiben-
den Naturkunde die zur Uebernahme des Unterrichts erforderlichen,
auf Anschauung gegründeten, Kenntnisse besitzen. — §. 9. Diejenigen
Schulamtscandidaten , welche bei ihrer ersten Prüfung nur ein Zeug-
nis für die unteren und mittleren Classen erhalten haben, müfsen, um
demnächst in die oberen aufrücken zu können, in der Regel die Ober-
lehrerprüfung nachholen. Nur bei anerkannter, durch vollgültige
Zeugnisse bewährter theoretischer und praktischer Tüchtigkeit eines
Lehrers, die sich im Laufe seiner Amtsthätigkeit sichtbar entwickelt
hat, kann das Oberschulcollegium das Aufrücken desselben in die oberen
Classen ohne vorangegangene neue Prüfung gestatten. Der wlfsen-
schaftlichen Prüfungscommission steht es frei, nach Umständen auf
wiederholte schriftliche Arbeiten zu verzichten, so wie auch die münd-
liche Prüfung durch Weglafsung solcher Theile, in welchen die erste
Prüfung ein genügendes Resultat gegeben hatte, abzukürzen. Der
Oberlehrerprüfung kann ein Lehrer zu jeder Zelt sich unterzlehn, wenn
er sich zu derselben befähigt zu haben glaubt, ohne dafs gerade eine
Gelegenheit zu seinem wirklichen Aufsteigen in die höheren Classen
vorhanden zu sein braucht. Die unteren Classen bei einem nach der
gewöhnlichen Ordnung in 6 Classen getheilten Gymnasium sind Sexta
und Quinta, die mittleren Quarta und Tertia, die oberen Secunda und
Prima. Haben einige dieser Classen aber wieder Unterabtheilungen,
oder ist die Gesammtzahl der Hauptclassen gröfser oder kleiner als
sechs, so wird es von den jedesmaligen Verhältnissen abhängen, wo
die Abtheilung zwischen der unteren, mittleren und oberen Unterrichts-
stufe zu machen sei, und bleibt die Bestimmung darüber dem Ober-
schulcollegium vorbehalten. §. 10. Wenn ein Candidat des Predigt-
amts, der bei-eits ein theologisches Examen genügend bestanden und
auch seine Kenntnisse in der hebräischen Sprache vortheilhaft bekun
det hat, sich zur Prüfung für das Schulfach stellt, so bedarf es für
diesen in der Regel nicht mehr einer Prüfung über seine theologischen
und seine hebräischen Kenntnisse vor der wifsenschaftlichen Prüfungs-
commission. Ein solcher hat das theologische Prüfungszeugnis seinem
Meldungsgesuche beizufügen. — §.11. Das Oberschulcollegium hat zu
bestimmen, ob der Candidat, nachdem die Prüfung über seine theo-
retische Bildung vor der wifsenschaftlichen Prüfungscommission in Göt-
statistische und andere Mittheilungen. 001
tingeii vollendet ist, zuuiiclist zur Abhaltung einer Probelection in Han-
nover sicii oinzutiiulen halte, oder ob der.sell)e, ohne eine solche i;e-
niacht zu haben, zur Abhaltung des Probejahrs bei einer höheren .Schul-
anätalt des Landes , oder zum Eintritt in die zweite Abtheilung i\es
paedagogischen Seminars in Gottingen, zuzulafsen sei. Erst nach der
Bewährung seiner [iraktischen Fähigkeit erhält der einzelne seineu
Platz unter den anstellungsfähigen Candidaten für das höhere Schul-
wesen des Königreichs. — §. 12. fn Ansehung des in der königlichen
Verordnung vom '2'2. Aprii 1S,5I «5. 7 vorgeschriebenen, der wirklichen
Anstellung vorhergehenden, Probejahrs der Schulaintstandidaten wird
folgendes bemerkt: Durch das Prol)ejahr soll derZ«e('k erreicht wer-
den, die Lehrgeschicklichkeit des Candidaten genauer kennen zu ler-
nen und zugleich practisch weiter auszubilden. Ks wird ihm daher
an der Anstalt, an welcher er das Probejahr macht, eine mäfsige An-
zahl von Lectionen, nach der Wahl des Directors oder Rectors der
Schule überwiesen. Der Vorsteher der Schule wird die Stunden des
Candidaten, so viel es seine Zeit erlaubt , besuchen, sich mit ihm über
den Inhalt und die B^orm seines Unterrichts besprechen, ihn auf IMän-
gel im Unterrichte oder IMisgriffe in Behandlung der Schüler aufmerk-
sam machen und ihm überhaupt mit seinem Rathe und seiner Erfah-
rung zur Seite stehn. Auch die Classenordinarien werden sich die
Unterstützung des Candidaten in Absicht seines Unteri'ichts, so wie
in Handhabung der Disciplin zur Ptiicht machen, und der Candidat
wird den Gewinn, welchen er aus seiner Stellung zu ziehen im Stande
ist, dadurch wesentlich vermehren, wenn er, besonders im Anfange
seiner Wirksamkeit, die Lectionen erfahrener Lehrer besucht und sich
nach ihrem Beispiele bildet. An den Lehrerconferenzen werden die
Probecandidaten regelmäfsig Theil nehmen, ohne jedoch bei etwaigen
Abstimmungen eine entscheidende Stimme zu führen ; in Absicht ihrer
Lectionen aber haben sie Urtheil über die einzelnen Schüler bei Ab-
falsung der Censuren abzugeben. Am Ende ihrer Probezeit wird ihnen
von deni Vorsteher der Anstalt ein Zeugnis über die von ihnen be-
wiesene Treue in Erfüllung ihrer Pflichten, über ihr Verhältnis zu
Schülern und Mitlenrern und über den Grad der von ihnen erlangten
Geschicklichkeit im Unterrichten und in der Handhabung der Disci-
plin ausgestellt werden. Für die Mitglie'der des paedagogischen Se-
minars in Göttingen, welche als Hilfslehrer am dortigen Gymnasium
fungiren , sind besondere Vorschriften erlafsen. — §. 13. AVenn ein
bisheriger Lehrer zum Director eines Gymnasiums oder Rector eines
Progymnasiums in Vorschlag gebracht wird, so hat das Oberschulcol-
legium zu bestimmen, ob es denselben zuvor zum cnlloquio pro recto-
ratii ziehn wolle. In diesem coUoquio werden die in dem Kreise der
gelehrten Schulen vorkommenden Sprachen und Wifsenschaften be-
sprochen, es werden jedoch in der Regel nicht so sehr die materiellen
Kenntnisse des zum colloquio gezogenen ins Augegefafst, als vielmehr
seine Einsicht in das Wesen der gelehrten Schule, in die Natur eines
jeden Lehrfachs, in den inneren Zusammenhang seiner Theile , in sei-
nen Zusammenhang mit den übrigen Unterrichtsfächern und mit dem
Zwecke des gelehrten Unterrichts; in die Methode; in die disciplina-
rische Haltung einer ganzen Anstalt, und in den Geist des Verhält-
nisses zwischen dem Dirigenten uud dem Lehrercollegium ; endlich
seine Kenntnis der Hilfsmittel des Unterrichts und der paedagogischen
Litteratur überhaupt. Dafs der geübte, durch L^nterricht auf den ver-
schiedenen Stufen der gelehrten Schule, so wie durch den Verkehr
mit Collegen und Schülern und dem Publicum gebildete Mann vor
allem einen bedeutenden Grad der Reife der wifsenschaftlichen wie
der sittlichen Ausbildung erlangt haben müfse, um zum Vorsteher des
602 Schul - und Personalnachriclifen.
Ganzen fähig befunden zu werden, liegt Inder Natur der Sache ; eben
so, dafs an den Vorsteher der Schule geringern Umfangs, welcher die
oberste oder die beiden obersten Gymnasialclassen fehlen, auch nicht
die gleichen Forderungen gemacht werden, wie an den ües vollstän-
digen Gymnasiums. — §. 14. Da bei der Wirksamkeit des Schulman-
nes die blol's äufsere Gesetzmäfsigkeit in Abhaltung der Stunden und
Abwartung seiner übrigen Pflichten am wenigsten hinreicht, und ein
Lehrer, ohne gerade jene zu verletzen, doch zum gröl'sten Nachtheile
einer ganzen Anstalt gereichen kann, so ist durch JJ. fS der königlichen
Verordnung vom 22. April 1831 die Prüfung pro loco angeordnet wor-
den, um zu ermitteln, ob ein solcher Lehrer in wifsenschaftlicher und
practischer Hinsicht seiner Aufgabe noch gewachsen sei oder nicht;
und es sind an den ungünstigen Ausfall dieser Prüfung P\)lgen ge-
knüpft, welche den grofsen Nachtheil, den eine Anstalt durcli einen
solchen Lehrer erfahren kann, abzuwenden oder docii zu vermindern
im Stande sind. Das dabei zu beobachtende Verfahren ist durch die
königl. Verordnung selbst hinlänglich auseinandergesetzt; doch wird
hier noch ausdrücklich bemerkt, dafs eine oder mehrere Probelectionen,
um die practischen Leistungen des zur Prüfung gezogenen Lehrers ins
rechte Licht zu stellen, ein wesentlicher Theil des mit ihm einzuhal-
tenden Verfahrens sein werden. §. 13. Sowohl bei der allgemeinen
Prüfung jjro fucultaie doccndi, als bei der Oberlehrerprüfung, wer-
den in die Casse der wifsenschaftlichen Prüfungsconuuission in Göt-
tingen 6 Thir. Courant an Gebühren entrichtet. — §. 16. Wenn ein
Lehrer aus dem Auslande berufen werden soll, welcher bereits an einer
höhern Anstalt gearbeitet hat, so wird das Oberschulcollegium die Ue-
dingungeu festsetzen, welche derselbe etwa noch zu erfüllen hat. Die
Ausführung der gegenwärtigen Bekanntmachung beginnt mit dem
1. Julius d. J. ♦).
Hannover, den 14. Februar ISJS.
Königliches OberSchuIcollegium.
Kohlrausch. Bodo. Schmalfuss. Küster.
Iglau. Am k. k. Gymnasium sind folgende Veränderungen vor-
genommen worden. Der provisorische Director J. Chr. Maderner
tauschte seine Stelle mit dem Lehrer zu Neuhaus P. Chyle, der Leh-
rer Steph. Wolf mit dem Suppl. H. Schreyer in Brunn, der Leh
rer Frz. Wanek mit dem Suppl. T h. Hohen warter in Olmütz,
der Suppl. Fr. Marek mit dem Suppl. Ferd. Gatti in Cllli , der
Religionslehrer H. Schmidek soll an ein anderes Gymnasium ver-
setzt werden, der Suppl. AI. Sohn ist seiner Stelle enthoben worden.
KÖNIGSBERG in Preussen. An dem altstädtischen Gymnasium ist
der Cand. des höhern Schulamts Dr. O. E. Retzlaff als ordentlicher
Lehrer angestellt und bestätigt worden.
Leipzig. An der Thomasschule war, nachdem der vorherige Leh-
rer der französischen Sprache Dr. ph. Fr. Gli. Günther sein Amt
freiwillig niedergelegt, der Privatlehrer C. Ehrt angestellt worden.
Nachdem der Schulamtscand. Dr. ph. C. Chr. Schubart Michaelis
lHb'2 nach Meifsen berufen worden war, trat der Schulamtscand. Dr.
ph. H. Wunder sein Probejahr an. Freiwillige Aushilfe leistete der
Cand. Dr. Schmidt (s. Budissin). Die Schülerzahl betrug Ostern —
Mich. 1852: 180, Mich. 1852— Ostern 1853: 172 (I: 28, H : 31, Hl:
39, IV: 30, V: 28, VI: 16). Mich, giengen 12, Ostern 1853: 6 zur
Universität. Dem Programm beigegeben ist die Abhandlung des Rect.
, *) Zwei ältere, im Auslände wenig bekannt gewordene Verord-
nungen werden wir im nächsten Hefte mittheilen.
statistische und andere Mittheiltingen. 603
Prof. Dr. G. Stall bau in: de aitis dialccticac in Phucdio IHatonia
doctrina et usu (32 S. 4). — An der Universität ist der Privatdocent
Lic. Dr. ph. H. G. Hölemann zum aufserordentiiclien Prof. der Theo-
logie ernannt worden.
LlKGMTZ. Das Directorat an der hiesigen Ritterakademie hat der
seitherige DIrector des Gymnasiums zu Torgau Prof. Dr. G. A. Sau ppe
vorläufig auf ein halbes Jahr übertragen erhalten. Der Prof. an der-
selben Anstalt Dr. J. Sommerbrodt ist zum Director des Gymna-
siums in Ratibor ernannt worden.
LÜKKCK. Ostern 1852 verliefs das dortige Catharineum Dr. Plötz,
erster Lehrer der französischen Sprache, um einem Rufe an das fran-
zös. Gymn. in Berlin zu folgen; in seine Stelle trat Michaelis 1852
Dr. Adolf Holm aus Lübeck. Im Laufe des Schuljahres starb der
emeritierte Gymnasiallehrer Chr. Gottfr. Poser. Der Hilfslehrer
in den Vorbereitungsclassen A. J. Kvers wurde als Waisenvater am
städtischen Waisenhause angestellt; in seine Stelle trat C. H. C. Sa-
ger. Das Lehrercollegium besteht demnach gegenwärtig aus dem Di-
rector Prof. Fr. Jacob, den Professoren Dr. Classen, Dr. Dee-
cke und Mos che, den Collaboratoren Mantels, Dr. Dettmer,
Scherling, Evers, v. Grofsheim, Dr. Zerre nner, Richter,
Haase, Dr. Holm und den Gymnasiallehrern Peacock, Mussard,
Äleyer, Sager. Die Schülerzahl betrug von Ostern bis Michaelis
1852: 296, von da bis Ostern J853: 317 (I: 21, II: 26, IIP: 31, III'':
29, IV": 41, IV»: 28, V^: 33, V" : 22, VI": 37, VI": 34, VII: 15). Zur
Universität entlafsen 10. Inhalt des Osterprogramms 1853: 1) Ad.
Holm: ad Car. Lachmanni exemplar de aliquot Iliadis carminum
compositione quaeritur (S. 1 — 24). 2) Etüde sur Andre Chenier, par
Ad. Holm (S. 25—38). 4.
Naumburg. Am dasigen Domgymnasium trat im vergangenen Jahre
keine Veränderung des Lehrercollegiums ein. Die Schülerzahl betrug
am 19. Febr. 1853 181 (I: 21, II: 25, III: 45, IV: 41, V: 49). Abi-
turienten waren Ostern 1852 4, Michaelis 2. Das Programm Ostern
1853 enthält F. W. Holtze: Syntaxis priscorum scriptorum Latinnrum
usque ad Tcrcntium specimcn altcrum (22 S. 4).
Nt-UHAUS. (S. Iglau).
Neuss. An das hiesige Gymnasium wurde der Lehrer vom Gymn.
zu Vechta in Oldenburg Dr. W. Bogen als Oberlehrer berufen.
Oels. An dem dasigen Gymnasium (s. Bd. LXV S. 117) wurde
Ostern 1852 die 6. Classe eröifiiet, die der Secunda parallele Real-
classe gieng aus Mangel an Schülern Michaelis desselben Jahres ein
und auch die Realtertia und Quarta schmolzen so zusammen, dal's sie
Ostern 1853 aufgehoben wurden; dagegen muste die Tertia in zwei
Classen getrennt werden. Der Schulamtscandidat Schwarzkopf er-
hielt Ostern 1852 eine Anstellung an der Stadtschule zu Wohlau; da-
gegen ward in derselben Zeit der Cand. W. Rabe als Hilfslehrer ein-
geführt. Die Lehrer der kathol. Religion, Curatus Grund und Hein-
zel wurden nach kurzer Dienstleistung versetzt. Mich, 1852 trat in
ihre Stelle der Curatus Hippel. Zur Gründung einer neuen Hilfs-
lehrerstelle wurden die Mittel von den Patronaten der Anstalt bereit-
willigst gewährt. Die Schülerzahl betrug 218 (I: 17, II: 25, III: 48,
IV: 42, V: 29, VI: 57). Michaelis 1852 giengen 2 zur Universität.
Das Programm 1853 enthält: Lieb ig: de gcnitivi usu Tcrcntiano
(26 S. 4).
Olmütz. Am k. k. Gymnasium war der Supplent Dr. K,
Schwippel zum wirkl. Gymnasiallehrer befördert, der Supplent Th.
Hohen warter an das Gymnas. in Iglau, daj^egen der Lehrer Frz.
Wan'"k von dort hierher versetzt worden.
604 Schul- und Personalnachrichten u. s. w.
Salzburg. Der kaiserl. Rath L. Ritter v. Köchel ist von sei-
ner Stelle als Gymnasial- und Volksschulinspector des Kronlandes Salz-
burg zurückgetreten.
ScHÄssBURG in Siebenbürgen. Nachdem das dasige Gymnasium
am 18. f'ebruar J849 durch die aufständischen Szekler eine Stätte der
Zerstörung und Plünderung geworden war, wurden die Schäden an
Gebäude und Schuleinrichtung durch das Locaiconsistorium wieder
ausgebefsert, die von dem k. k. Ministerium unter dem 29. Oct. 1850
bewilligte Unterstützung von 2000 rt. C.-M. aber zur Wiederherstel-
lung der bis auf traurige unvollständige Reste vernichteten Lehrmittel-
sammlung verwendet. Das Lehrerpersonal, welches im Schulj. 1851 —
1852 den Unterricht am Gymnasium und zugleich an dem evangeli-
schen Seminarium von 4 Jahrgängen und einer Unterrealschule von
2 Jahrgängen besorgte, bestand aus dem Director G. D. Teutsch,
den ordentl. Lehrern W. Berwerth, Joh. Stürz er, Dan. Hain,
Mich. Kellner, Jos. Halt rieh, Frdr. Müller, W. Melzer,
K. F a b r i t i u s , Joh. Lander, M a r t. D u I d n e r , Frdr. B"" r o n i u s,
Joh. Mätz und den Nebenlehrern Cautor Mich. Kellner, Ferd.
Hefsmann und Ad. F'riesel (für Zeichnen neu angestellt). Sämmt-
liche Lehrer sind weltlich. Wegen der früher am Gymnasium statt-
findenden zweijährigen Curse fehlten die 8. Classe des Gymnasiums
und die 4. des Seminariums. Schülerzahl im Gymnasium: 111 (I: 48,
II: 19, III: 14, IV: 7, V: 6, VI: 5, VII; 12; 109 Deutsche, 2 Rumä-
nen), im Seminar: 34 (I: 18, II: 8, III: 8; 33 Deutsche, 1 Rumäne),
in der Realschule: 33 (I: 23, II: 10; 30 Deutsche, 3 Rumänen), im
ganzen also 178.
Stargard. In die durch Pensionierung des Gymnasiallehrers
Reichhelm [s. Bd. LXV S. 231] erledigte sechste Lehrstelle am kö-
nigl. Gymnasium ascendierte GL. Essen, in die siebente GL. Run-
ge, und der wifsenschaftliche Hilfslehrer Dr. Roll mann wurde als
achter ordentlicher Lehrer angestellt. Das Lehrercollegium besteht
danach gegenwärtig aus dem Director Prof. Dr. Freese, dem Pro-
rector Prof. Dr. Wilde, den Gymnasiallehrern Dr. Schirlitz, Dr.
Engel, Dr. Schmidt, Essen, Runge, Dr. Rollmann, Dr.
Kopp, Zeichen- und Schreiblehrer Keck, Musikdirector Bischoff.
Die Zahl der Schüler betrug am Schlufs des Schuljahres 1852 — 53: 186
(I: ti, II: 19, III: 46, IV: 50, V: 43, VI: 22); zur Universität wurden
2 entlafsen. Abhandlung des Osterprogramms 1853 von Dr. W. En-
gel: Xenophons politische Stellung; und Wirksamkeit (20 S. 4).
Stendal. Am 8. April feierte der Director des hiesigen Gymna-
siums Dr. Haacke sein 50jähriges Amtsjubilaeum.
Teschen. Am k. k. Gymnasium wurde der Supplent AI. Indra
zum wirklichen Gymnasiallehrer ernannt, desgleichen einstweilig ver-
wendet der wirkliehe Gymnasiallehrer, Unterleutnant im Infanterie-
regiment Nr. 14, AI. Czedik, der Nebenlehrer E. Jan ota nach Kra-
kau versetzt, als Supplenten K. Häfele und O. Lorenz angestellt.
Am evangel. Gymn. trat als Supplent Joh. Oertel ein.
Triest. Der Supplent am k. k. Gymnasium Dr. Jos. Zhismann
ist zum wirklichen Gymnasiallehrer befördert worden.
Troppau. Der provisor. Director des k. k. Gymnasiums A. Alt
ist zum wirklichen Director, die Supplenten Jac Meister (aus dem
Nassauischen gebürtig), Religionslehrer Dr. Jos. Mikula (nach be-
standener Prüfung aus dem Böhmischen), Jos. Walz und Mich.
Schenk zu wirklichen Gymnasiallehrern befördert worden.
Wkuthiieim. Von dem Lyceum sind die katholischen Religions-
lehrer Kaplan Burger (nach Baden-Baden versetzt) und Stadtpfar-
rer Grimm ausgeschieden. Am 5. Aug. 1852 feierte der Director Dr.
Todesfälle. 605
Pöhlisch sein SOjähr. Lclirerjiibllaeum (s. Bd. LXVI S. 442). Die
Anzahl der Scliülerbctruftl: i-^l, II: 20, III: J4, IV": 10, IV": 4, V'':ü,
V": 7, VI'': 14, VP : 6, Su. : III. Zur Universität giengen Michaelis
1851: II.
Wien. Der Supplent am k. k. Gj^mnasiiim in Josephstadt K. To-
maschek ist zum Gymnasiallehrer aui theresianischen Gymnasium be-
fördert worden.
Zittau. Am Gymnasium war der Director Prof. Lindemann
nach längerer Beurlaubung um seine P^meritierung mit Pension einge-
kommen. Die Schülerzah! betrug im vergangenen .Schuljahre HS (1:9,
II: 20, III^: 13, III'': 14, IV: II, V: II, VI: 7. Abiturienten Ostern
1853: 6. An der Anstalt ersciiienene Programmabhandlungen sind:
zum Osterprogramm 1852: Jahn: Uvbcr Praemicn und Rcscrvcfonds-
bcrcchnung bei Lebensvcrsichcrung;sanstalten (68 S. 8). Linde-
mann: Verba CorncUae Gracchorum matris ex Cornclii Nepotis libro
excerpta und Prccatio doniini ex Tcutonico Mahlmnn?ii latine reddita.
Lachmann: Wie ist es beim allgemeinen Gcsekichtsunterrieht mit
dem Vortrage der jüdischen Geschickte zu halten? und ad loeum
Psalm LXVllI, 13 — 15, endlich zum Osterprogramm 1853 Kämmel:
Der Einfluss der französischen Sprache und Lilteratur auf die ho-
hem Stände Deutschlands seit der Mitte des sechzehnten Jahrhun-
derts (27 S. 4).
Znaim. Die Supplenten am k. k. Gymnas. L. Bahr, K. Steys-
kal und W. Rösner sind zu wirklichen Gymnasiallehrern befördert
worden.
Zwickau. An dem Gymnasium (s. Bd. LXVII S. 494) ist der
Schulamtscand. Dr. Mosen als Lehrer angestellt worden.
Todesfälle.
Am 12. Sept. 1852 starb der Oberlehrer am Gymnasium zu Marien-
werder E. A. Th. Baarts (geb. zu Tempelburg in Pommern J807).
Am 6. Nov. 1852 zu Frankfurt a. M. der k. k. österr. Hof- und Mini-
sterialrath Frz. Maria Freih. Neil v. Nel I e nbiir g-Da men-
acker (geb. zu Brunn am 17. Juni 1795), Verfafser mehrerer
archaeologischer Schriften: Ueber die Baetylien der Alten, über den
Dienst der Kabiren u, a.
Am 15. Nov. 1852 zu Waitzen P. Sümeghi, Piaristenordenspriester,
mehrere Jahre in Pesth Lehrer und Verfafser vieler Schulbücher.
Am 26. Dec. 1852 zu Wien der k. k. Ministerialsecretär Jos. Hain,
Verfafser ausgezeichneter statistischer und geograph. Werke.
Am 31. Dec. 1852 zu licin der Prof. am k. k. Gymnasium Dr. Ant.
Fähnrich 51 J. alt. Verf. mehrerer deutscher und cechischer
Schriften, namentlich eines Lehrbuchs der Mathematik in cechi-
scher Sprache.
Am 2. Jan. 1853 zu Agram der Prof. am Gymnasium Jos. Bielak.
Am 23. Jan. zu Wien Ad. V. Kritsch, Piaristenordensjubilarpriester,
Exprovincial, Consultor und Decan (geb. zu Znaim 1776; von
1796 — 1820 in allen Stadien des Lehramts, namentlich in Wien
thätig).
Am 30. Jan. zu Darmstadt Gymnasiallehrer A. Nodnagel, 50 J. alt,
Herausgeber mehrerer Sammlungen für den deutschen Unterricht.
Am 1. Febr. zu Wien der Prof. der franz. und poln. Litteratur an
606 Nekrolog:.
der k- k- tlieresianisohen Akademie Job. Bapt. Hofstetter,
Tl J. all.
Am 20. Febr. zu Wien der Director des k. k. akademischen Staats-
gymnasiums W. Po dl aha, Priester des Ordens der frommen Schu-
len (geb. zu Sternberg in Böhmen am 3. Juli 1803, seit 1828 am
Gymn. zu Hern, seit 1828 in Wien als Lehrer thätig).
Am 5. April zu München der Oberconsistorialrath Dr. theol. Höfling.
Am 13. April zu Heidelberg der Geheime Rath Prof. an der Univer-
sität Dr. Leopold Gmelin.
Nekrolog.
Die Kunde Ton dem am 21. Januar dieses Jahres erfolgten uner-
warteten Ableben des Prorectors am Gymnasium zu Schweidnitz, Carl
August Friedrich Brückner, hat gewis in engen und weiten
Kreisen die zahlreichen Freunde und Verehrer, die er ebensowohl
durch seine hohe Anspruchslosigkeit und Rechtlichkeit als Mensch, wie
durch rastlose, erfolgreiche Thätigkeit als Lehrer und durch seine ge-
diegenen Werke als Schriftsteller sich erworben hat, mit gerechtem
Schmerze erfüllt. Der unterzeichnete, ein früherer Lehrer des ver-
storbenen, erachtet es für eine traurige Pflicht, dem Andenken sei-
nes Schülers und Freundes hier einige Worte zu widmen.
C. A. Fr. Brückner wurde am 2. Mai 1803 in Volkenrode im
Gothaischen, wo sein Vater, der jetzige Hofrath Heinrich Lud-
wig Karl Brückner in Gotha, damals Amtscommi&sair war, gebo-
ren. Seinen ersten wifsenschaftlichen Unterricht erhielt er in der
sogen, latein. Schule in Waltershausen, wohin sein Vater im Jahre
1807 versetzt worden war. Vom Jahre 1813—1818 wurde er diü-( h
Privatunterricht so weit gefördert, dafs er zu Ostern des Jahres 1818
in die Classis Prima des Gymnasiums zu Gotha aufgenommen wurde.
Wohl darf es der unterzeichnete aussprechen, dafs hier Brückner den
Grund seiner wifsenschaftlichen Tüchtigkeit legte und dafs er den
Lehrern dieser Anstalt, unter denen er nachmals Döring, Schulze
und Rost mit besonderer Verehrung nannte, die Liebe zum Alter-
thum und zur Alterthumswifsenschaft verdankte. Wohl vorbereitet be-
zog er zu Ostern 1822 die Universität Jena, um sich den philologi-
schen Studien zu widmen. An Eichstädt, welcher damals auch als
Docent noch rüstig war und das philol. Seminar mit besonderer Vor-
liebe leitete, fand er einen Gönner und Beschützer, der ihm sein
Wohlwollen bis an sein Lebensende erhielt; in Hand und Göttling
verehrte er diejenigen Lehrer, welche auf die Richtung seiner Studien
den meisten Einflufs hatten. Zur Fortsetzung seiner Studien gieng er
1824 nach Göttingen. Die Georgia Augusta hatte damals den Zeit-
punkt ihrer höchsten Blüte erreicht ; mit den andern Disciplinen hielt
sich die Philologie auf gleicher Höhe. Neben dem für das Seminar
besonders thätigen Mitscherlich begeisterten D i s s e n und K. O t f r.
Müller für die Alterthumswifsenschaft und gewannen ihr tüchtige
Schüler. Unter ihnen war Brückner. Einen schönen Beweis seiner
erworbenen Kenntnisse und der Richtung seiner Studien gab er in dei
Schrift über Massilia, welche im Jahre 1826 den Preis gewann. Um
diese Zeit wurde ihm die Aussicht zu einer Anstellung an der Ritter-
akademie zu Lüneburg eröffnet, von der er aber keinen Gebrauch
machte, weil er den besondern Wunsch hegte, an einer Schule im
Preussischen als Lehrer wirken zu können. Auf eine desfalsige An-
Nekrolog'. 607
fiajre wurde ilim <lie Antwort ertlieilt, (lafs er zuvörderst Iii das phi
lolo{>i.s<;lic Seminar in lire.slaii eintreten und sich zu dem FCnde einer
Prüfung unterwerfen solle. Kr leistete dieser Anforderung; Genüfre und
eriiielt während seines einjälirifren Aufenthalts in dieser Stadt von dem
Prof. M iddeld o rf und andern Cielehrten, vor allen von Wachler,
einem Ciothaner, und Passow, einem Zögling des Gothaischen Gym-
nasiums, viele Beweise ihres Wohlwollens. Zu Ende des Jahres 1827
ward ihm, nachdem er eine Zeit lang an dem Gyninas. Magdal. zu
Breslau als Lehrer fungiert hatte, die fiinfte Lehrerstelle am Gymna-
sium zu Schweidnitz angetragen. Er nahm sie an und blieb der An-
stalt — einer städtischen, von welcher Berufungen und Versetzungen
an königliche Gymnasien nur in seltenen Fällen stattfinden — bis an
sein Ende getreu. Mit der gröfsten Gewifsenhaftigkeit erfüllte er die
ihm als Lehrer obliegenden Pflichten und benutzte jede ihm von den
Berufsgeschäften übrige Mufsestunde, um in seiner Wifsenschaft fort-
zuschreiten und die Resultate seines Forschens der gelehrten Welt
mltzutheilen. Nachdem er schon mehrere Jahre die Stelle eines Pro-
rectors , d. i. des ersten Lehrers nach dem DIrector, bekleidet hatte,
rief ihn, den in voller Rüstigkeit wirkenden, der Tod ab. Wie sehr
seine nützliche Wirksamkeit in der neuen Vaterstadt anerkannt wurde,
beweist der schöne Nachruf, welchen der dortige ÄLigistrat und Ge-
meinderath ihm widmete, so wie die erhebende Todtenfeier, welche
kurze Zeit darauf dem abgeschiedenen zu Ehren von seinen Collegen
und Schülern in dem Gymnasium begangen wurde.
So wie Brückners amtliche Thätigkeit eine gedeihliche war und
ihm die allgemeine Achtung sicherte, so hat er auch durch seine lit-
terarischen Leistungen einen wohlbegründeten Ruf sich erworben. Sein
Erstlingsversuch, die Historia rcipublicae Massiliensium. Göttingen
1826, eine gekrönte Preisschrift, wird noch jetzt wegen der fleifsigen
Benutzung der vorhandenen Quellen und wegen der lichtvollen Anord-
nung und Behandlung des Stoffes geschätzt. Aufser mehreren Schul-
schriften, von denen wir besonders zwei hervorheben: Cicero num Ca-
tilinam repetundarum reum defenderit. Schweidnitz 1844 und Dispu-
tatio, qua Cicero in libris de oratore scribendis quid ex Isocratc et
Aristotele mutuatus sit, ad explic. epist. ad fam. I, 9, 23 examina-
tur, eine Abhandlung, mit welcher der Prorector Krebs bei seinem
fünfzigjährigen Jubilaeum 1849 von dem Schweidnitzer Lehrercolle-
gium begrüfst wurde, hat er eine historische Untersuchung von grö-
fserm Umfang: König Philipp, Sohn des Amyntas von Ma-
kedonien, und die hellenischen Staaten. Göttingen 1837 und
ein Lehrbuch der allgemeinen Geschichte für den gelehr-
ten Schulunterricht in 3 Abtheilungen, Göttingen 1838 heraus-
gegeben. Aber sein Hauptwerk, in welchem die Forschungen eines
Lebensalters niedergelegt sind, und welches seinen Namen lange bei
der Nachwelt erhalten wird, ist: Leben des M. Tu 11 ins Cicero.
Erster Theil, das bürgerliche und Privatleben des Ci-
cero. Göttingen 1852. Trotz mancher Vorarbeiten war es eine
schwierige Aufgabe, das Leben des Cicero zu schreiben, welche Brück-
ner mit glücklichem Erfolge gelöst hat. Das letztere Werk von Be-
deutung, welches eine zusammenhängende Darstellung des Lebens von
Cicero zum Zweck hat, das von Middleton, war vor länger als 100
Jahren erschienen. Es bedarf der Erwähnung nicht, welche Forschun-
gen seitdem auf dem Gebiete der römischen Geschichte angestellt worden
sind und welche Fortschritte die Wort- und Sacherklärung der cice-
ronischen Schriften gemacht hat. Drumanns sonst sehr verdienst-
liche Bearbeitung von Ciceros Leben macht bekanntlich nur einen
Theil der Geschichte Roms in seinem Uebergange von der republica-
608 Nekrolog.
nischeii zur monarchischen Verfal'snn^ aus, und da einzelne Partien
dieser Biographie dem Plane des Verf. zufolge mit dem Leben ande-
rer Personen verbunden und abgehandelt worden sind, so wird die
Uebersichtlichkeit der Lebensereignisse des Cicero erschwert; auch
hat dieser Standpunkt, von welchem aus Drumann urtheilt, einen
eigenthümlichen Einflufs auf die ganze Darstellung ausgeübt, und uns
oft ein Bild von Cicero vorgeführt, welches wir nicht als eine reine Ab-
spiegelung seines Lebens betrachten möchten. Doch dies hier zu ver-
folgen würde uns zu weit führen. Wir glauben der Arbeit von Brü ck-
ner nur ein mäfsiges Lob beizulegen, Avenn wir sagen, dafs er eine
vorurtheilsfreie und unparteiische, aus den Quellen selbst geschöpfte
Darstellung gegeben hat, welche ganz geeignet ist, uns ein getreues
und anschauliches Bild des grolsen Römers zu verschaffen, wobei wir
noch dies rühmend hervorheben, dafs der Standpunkt ein rein objec-
tiver, und jede Polemik vermieden ist. Wir bemerken dabei, dafs die
auch für den Biographen bedeutungsvolle Frage über die in neuern
Zeiten mehrfach angefochtene Echtheit mehrerer ciceronischen Schrif-
ten nicht umgangen worden ist. Der Verf. hat sich dahin entschie-
den, dafs er die Reden pro Archia , post reditum in senatu und ad
Quirites , pro domo, de haruspicum response und pro Marcello für un-
bezweifelt echt hält, und hat selbst durch den Zusammenhang, in
welchen er mehrere in ihnen erwähnte geschichtliche Thatsachen ge-
bracht hat , weitere Gründe für deren Echtheit nachgewiesen. Un-
sicherer war er eine Zeit lang in seinem Urtheil über die Echtheit de^
Briefwechsels zwischen Cicero und M. Brutus, doch glaubte er nach
sorgfältiger Prüfung aller Momente der Ansicht K. Fr. Hermanns
beistimmen zu müfsen. — Der bisher erschienene erste Band hat es
nur mit dem bürgerlichen und dem damit zusammenhängenden häusli-
chen Leben des Cicero zu thun. Der zweite Band sollte ausschliefs-
Ilch über die litterarische Thätigkeit des Cicero berichten. Es wird
den Lesern dieser Zeitschrift erfreulich sein zu vernehmen, dafs nach
den bei der Familie noch in der letzten Zeit eingegangenen Briefen
die Bearbeitung dieses Theiles so weit vorgeschritten ist, dafs zu
deren baldiger Veröffentlichung gegründete Hoffnung vorhanden ist.
Wenn wir als einen Vorzug aller Schriften Brückners eine licht-
volle Darstellung bezeichnen, die ebenso eine Folge des klaren Den-
kens, als der Beherschung des behandelten Stoffes ist, so müfsen wir
noch besonders rühmend der guten Latinität gedenken, die seine latei-
nischen Abhandlungen auszeichnet. Ohne gerade ängstlich einzelne Wör-
ter zu vermeiden, die von den strengen Puristen heutzutage verpönt
sind, hat Brückner seinen Schriften das Gepräge echter antiker
Auffafsung aufgedrückt, die von einem tiefen Eindringen in das We-
sen der Sprache Latiums zeugt und einen höhern Werth hat , als eine
oberflächliche Bekanntschaft mit den Regeln der Antibarbari und Syn-
onymiken. Auch von der immer seltner werdenden Fertigkeit eine
gute lateinische Ode zu dichten , hat er manche erfreuliche Probe ge-
geben, noch vor kurzem bei der Feier der Grundsteinlegung des neuen
Gymnasialgebäudes zu Schweidnitz.
Gotha. E. F. Wüstemann.
NEUE
JAHRBÜCHER
FÜR
PHILOLOGIE IfflD PAEDAGOGIK.
Begründet
von
M. Johann Christian Jahn.
Gegenwärtig herausgegeben
von
Reinhold Klotz Rudolph Dietsch
Professor in Leipzig Professor in Grimma
und
Alfred Fleckeisen
Gymnasiallehrer in Dresden.
Siebenundsechzigsler Band. Fünfles Heft.
Inhalt
ton des siehemmdsechz4gsfen Bandes fünftem Hefte.*')
Seite
Kritische Beurtheilungen 497 — 557
Dindorf: Scholia in Sophoclis tragoedias. Vol. II. — Vom
Professor Dr. Schneidewin zu Göttingen 497 — 510
G. Curtius: Griechische Schulgraminatik. — Vom Assessor
Dr. L. Lange zu Göttingen 510 — 526
Thomas: Studien zu Thukydides. — Vom Conrector Haus-
dörffer zu Eutin 526—533
ßegge: Zur paedagog. Gymnastik. \ VonM. üoss,Direc-/ 533—542
Breier :Das Schulturnen nach Splefs. f tor d. königl. sächs. ) 542—544
Rothstein: Die gymnastischen Frei- / Turnlehrerbildungs j
Übungen. J anstalt zu Dresden. ( 544 — 551
TFoepcke: L'algebre d'Omar Alkhayyami. — Vom Professor
Dr. Bottger zu Dessau 551 — 553
Boltz und Frans: Handbuch der englischen Literatur.
1. u. 2. Thl. — Von demselben 554—557
Kürzere Anzeigen 557 — 576
Dettmer: Vocabularium für den griechischen Elementar-
unterricht. — Von Dr. Benseier zu Freiberg. . . . 557 — 558
Fritzsche: Prosodische Regeln und Anweisung zum Vers-
bau. — Von demselben 558 — 559
Mühlmann: Böhme's historische Chrestomathie aus den
lateinischen Schriftstellern. — Von demselben. . . . 559 — 560
Volckmar : Poematia Latlna. — Von demselben. . . . 560 — 561
Holzapfel : Mittheilungen über Erziehung und Unterricht
in Frankreich. — Vom Prof. Dr. Dietsch zu Grimma. . 561 — 566
Günther: Das Schulwesen im protestantischen Staate. —
Von demselben 567—573
Ludowieg: Lehrbuch der Arithmetik und der Anfangs-
gründe der Algebra. — Von ^. i>, in D 573—575
Pape : Rechenbuch für die unteren Classen der Gymnasien.
— Von demselben 575
Kneise: Arithmetisches Aufgabenbuch. — Von demselben. ö7ö
Pütz: Grundrifs der Geographie und
Geschichte. 1. Bd. 7. Aufl.
Derselbe: Grundrifs der deutschen Ge- \ Von R. in M. . 575 — 576
schichte mit geographischen Ueber-
sichten. 5. Aufl.
*) Jeder Jahrg-ang- dieser Zeilschiift wird von jetzt an nicht nielir in drei Bände von
je vier Heften, sondern in zwei Bände von je sechs Heften zerfallen.
Redaction und Verlagshandlang.
Seite
Kleinere auf Gymnasialpaedagogik bezügliche Schriften. —
Vom Prof. Dr. Dietsch zu Grimma 577—589
Steffenhagen: Die modernen Berufsschulen 577—580
VoUbrecht: Höhere Bürgerschulen, Gesammtgymnasien und
Gymnasien ^"^
Haspe: Ansichten über die gegenwärtige Aufgabe des
Gymnasiums 580 — 583
Ljunn-berg: De linguae et litterarum Latinarum studiis. 583 — 584
Stclzcr : Ein Wort über die alten Sprachen und den Ein-
flufs der classischen Studien in politischer und religiöser
Beziehung ^"o
Pansch: Ueber christliche Gymnasialbildung 585 — 586
Meins : Die Natnrwifsenschaften und das Gymnasium. . 586 — 587
Bleich: Ueber den naturgeschichtlichen Unterricht in den
höheren allgemeinen Bildungsanstalten 587 — 589
Auszüge aus Zeitschriften. — Zeitschrift für die Alterthums-
wifsenschaft, herausgegeben von Julius Caesar. X. Jahrg.
5. u. 6. H. XI. Jahrg. 1. H 589—592
Rheinisches Museum für Philologie, herausgegeben von
Welcher, Ritschi und Bernays. N. F. VIII. Jahrg. 4. H. 592—594
Schul- und Persoualnachrichten , statistische und andere Mit-
theilungen 594—605
Altenburg S. 594. Altona 594. Basel 594. Berlin 594.
Bonn 59-t. Braunsberg 595. Brunn 595. Budissin 595.
Cilli 595. Czernowitz 595. Eger 595. Freiberg 595.
Freiburg im Breisgau 595. Gratz 595. Grelffenberg 595.
Greifswald 595. Grossglogau 595. Hanau 595. König-
reich Hannover 596 — 602. Jglau 602. Königsberg in Pr.
602. Leipzig 602. I.,iegnitz 603. Lübeck 603. Naum-
burg 603. Neufs 603. Oels 603. Olmütz 603. Salzburg
604. Schässburg 604. Stargard 604. Stendal 604.
T eschen 604. Triest 604. Troppau 604. Werthheim 604.
Wien 605. Zittau 605. Znaim 605. Zwickau 605.
Todesfälle 605-606
Nekrolog Carl Aug. Fr. Brückners. — Vom Hofrath Prof..
Dr. IFüstemann zu Gotha 606—608
Leipzig;
Druck und Verlag von B. G. Teabner.
1S53.
Kritische Beurtheilungen.
Geschichte der homerischen Poesie von Julius Franz Lauer. Er-
stes und zweites Euch. Nebst Bruchstücken homeris<-her Studien.
Berlin 1851. Druck und Verlag von G. Reimer. XVI u. '6'1-i S.
gr. 8.
(Schlufs von S. 241 ff. 361 IT.)
Sämmtliche Ansätze scheiden sich in zwei Classen, in solche,
die auf reiner Ueberlieferung', und in solche, die auf Conjectar oder
Conibinatiou beruhen. Zu der letztern Classe gehören folgende:
1) üionysius Cyclogr. zur Zeit des thebischen und troischen Kriegs.
2) Crates 60 p. Tr. = 1 Kyklos zu 60.
3) Eratoslhenes, Apol- 240 p. Tr. = 4 Kyklen zu 60 Homers ajcfi^j.
lodorus (Ephorus?)
4) Philochorus 180 p. Tr. = 3 Kyklen zu 60.
5) Anonym, ap. Philo- 24 p. Tr. 1207 a. Chr. captam = zur Zeit der
strat. um 1183 von andern angesetzten akcoaig.
6) Anonym, ap. Euscb. als Orestes den Pyrrhos erschlug.
7) Cyrillus 165 p. Tr. = 3 X 63 — 24 p. Tr. 1183 cap-
tam ^:= 3 X 63 p. Tr. 1207 captam , zur
Zeit des Labofas.
im 9ten Jahr des Labotas, zur Zeil Salomos.
im 3ten Jahr des Lahotas , zur Zeit Salomos
mehr als 160 Jahre p. Tr. c.
11) Anonym, ap. Philo- 160 p. Tr. c. ayojv.
strat.
12) Anonym, ap. Said. 160 p. Tr. c. Geburt.
13) Anonym, ap. Philo- TQOucg akovötjg Beginn der dichterischen Thä-
strat. tigkeit.
14) Anonym, ap. Suid. 57 vor Ol. 1, 1 ^=i 360 p. Tr. 1193 a. Chr. ob-
sideri coeptam r=: 6 Kyklen zu 60 Zusam-
menkunft mit Lykurg.
643 vor 264 a. Chr. n. = 907 a. Chr. n. =
276 p. Tr. 1183 captam = 4 X 63 + 24.
ferme 950 ante Vclleium floruit = 920 (genau
917) a. Chr. n. ay.^rj ^= 4 X 60 p. Tr. 1190
a. Chr. captam Geburt = 950 a. Chr. Geburt.
circiter 160 a u. 750 a. Chr. conditam = 910
8) Eusebius
9) Hieronymus
10) Cassius Hemina
15) Marmor Parium
16) Velleius
17) Cornelius Nepos
JV. Jiihrli. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVll. ///t. tj.
4ü
610 Lauer: Gescliiclile der liomerischen Poesie.
a. Chr. 11. \ix[l = CiX^i'j 910 a. Chr., Gehurt
943 a. Chr. =:^ 4 X 60 p. Tr. 1183 captain.
18) Solinus 160 a. n. 750 a. Chr. condilam oder 272 p. Tr.
1183 caplam rebns hunianis excessit =~4 X
60 p. Tr. 1183 caplam (vxfi?j =-— 943 a. Chr.
19) Cicero triginta fere aunis älter als der allere Lykurg-,
welcher 108 vor Ol. 1, 1 die Gesetze giht
— - ßxjtijj 917 a. Chr. n.
20) Anonym, ap. Taliffn. övi' A^'/^doxco.
Ich habe die Ansätze in dieselbe Folge geordnet, wie sie in der
vorangegangenen Untersuchung stehen. Ihre Anzahl schwindet um drei
Fünftel zusammen, wenn wir bedenken, dafs nach dieser Untersuchung
Nr. 19 und 16 nur Varianten zu 17, 18 nur ein 3Iisverständuis von 17,
15 nur eine Variante zu 3, 12 nur eine Variante zu 11, 11 nur eine
Abrundung von 7, 10 ein ungenauer Ausdruck für 7, 9 und 8 identiscli
mit 7, 7 in seinen Motiven identisch mit 17, 6 identisch mit 5, 5 end-
lich nur Variante zu 13 ist. Entfernen wir die Doppelgänger und ordnen
wir die ursprünglichen Ansätze wie es sich für eine Uebersicht gehört,
so erhalten wir folgende niedliclie Tabelle:
1) zur Zeit des liiebischen und troischen Kriegs.
2) zur Zeit der Einnahme Troias.
3) 1 Kyklos p. Tr.
4) 3 Kyklen p. Tr.
5) 4 Kyklen p. Tr.
6) 6 Kyklen p. Tr.
7) Gvv ytvKOVQycp.
8) Gvv Aq^fiXoi^ü.
Ihre Gründe haben »lle acht Ansätze; vier von ihnen, Nr. 4. b.
6. 7 stützen sich sogar auf Ueberlieferung, und zwei, Nr. 4 und 5,
der Ansatz des Philochoros nnd der des Eratosthenes und Apollodoros,
trelTeu eine recht glückliche 3Iitle. Aber hierdurch haben diese bei-
den nur denselben ^^crfh, den jede heutzutage aufgestellte verstän-
dige Vermuthung über die Zeit hat, in welche Homer unter Berück-
sichtigung der verschiedenen sehr auseinanderlaufenden Angaben in
durchschnittlicher Rechnung etwa anzusetzen sein möchte. Und was
die von vier Ansätzen als Stütze gebrauchte Ueberlieferung betrifft,
so ist daran zu erinnern, dafs sie eben nicht einer localen Ueberlie-
ferung unbedingt und blindlings folgen, sondern an der Ueberliefe-
rung herumknaupeln und vernünfteln und combinieren und verschieben
und drehen, bis das Ding ihnen in ihren Kram passt. Die übrigen vier,
Nr. l. 2. 3. 8, sind reine Conjecluren, ohne den Boden auch nur einer
verdrehten Ueberlieferung, lediglich auf innere Gründe aus den Ge-
dichten gestützt.
Ganz anders steht es mit der andern Classe von Ansätzen , denen,
welche auf nicht combinierter Ueberlieferung- ruhen. Auch sie sind
nur runde Zahlen, einer, der des Sosibios, nimmt sogar die Rechnung
nach Kyklen zu Hilfe, aber nichtsdestoweniger sind sie von dem
Lauer: Gcschiclifo dor liomcrisflion Poesie.
611
lioclisteti liistorisclien \\'eitlic und so genau, wie tnan es mir wiiiisclien
kann. Jeder dieser Ansätze f>eliort an i;in(;n beslininileii Orl (jricelien-
lands und bezieht sich nur auf dessen Ueberliererunir vom Homer;
seine Zaiil ist das runde Datum l'iir das Auriretcii der homerischen
Poesie an diesem Orte; eine Tabelle dieser Ansalze liefert also <lio
bisher sehmerzlieh vermil'ste kritisch sichere Grundlage für die ältere
Geschichte der homerischen Poesie.
Ich stelle auch diese Ansalze zuvörderst in der (d)en beobach-
teten Ueihenfolffe zusammen.
1) Aristoteles
2) Anonym, ap
Philostrat.
3) Aristarchus
4) Castor
ö) Epigramm auf
Pisistralus
6) Sage bei Phi-
lostratus
7) Vita A
8) Herodolus
9) Sosibius La-
co
10) ArtemonCla-
zoinenius
11) Eulliymenes,
Archemachos
12) Damastes
13) Anonym, in
vita B
14) Syncellus p.
176 D
Zur Zeit der ionischen Wanderung,
Geburt
Zur Zeit der ionischen Wanderung,
welche im Islen Jahr des 3. Ky-
klos p. Tr. c. geschieht = 127 p.
Tr. c, yiyovB v,al y8iv
Zur Zeit der ionischen Wanderung,
Zur Zeit der ionischen Wanderung,
welche unter Akastos geschieht,
axjuij; Homer macht die Wande-
rung mit
Zur Zeit der ionischen Wanderung,
«jCjUr;; Homer unter den atheni-
schen Colonisten in Smyrna
Die Musen führen die athenische Flot-
te nach Asien; Homer auf der Flotte
168 p. Tr. r^ 130 + 20 + 18 p. Tr.
= 3 ysvtcd + 30 + 20 + 18 p. Tr.
400 J. ante Herodotum = 12 ycvscä
vor 484—451 -^ 884—851 Ho-
mers ysvtri
Im achten Jahr des Chanllos, 90 vor
Ol. 1, 1 ; 5 X 63 p. Tr. obsideri
coeptam
Arktinos , Homers Schüler, aKfia^cov
Ol. 1,2 — 408 p. Tr. 1183 a. Chr.
captam = 775 a. Chr. ; Homer eine
ysve'^ älter, geboren 842 a. Chr.
200 p. Tr. c. = 6 yeveaC p. Tr. c.
Homer auf Chios geboren
Homers zehnter Vorfahr Musaios
150 p. Tr. c. = 2 X 63 + 24 p.
Tr. 1207 a. Chr. capfam— -zur Zeit
der ionischen Wanderung.
Unter David = zur Zeit der ioni-
schen Wanderung
Athen, Smyrna.
Athen, Smyrna.
Athen, Smyrna.
Athen, Smyrna.
Athen, Smyrna.
Smyrna, Kynie.
Samos.
Sparta, Samos.
Milet.
Chios.
Chios.
Athen.
Athen, Smyrna,
Athen, Smyrna.
40*
612
Lauer: Geschichte der honierisclieu Poesie.
15) Anonym, ap.
rhiloslrat.
16) Anonym, ap.
Pliiloslrar.
17) Vila B
18) Anonym, ap.
l'rochnnin vila
llosiodi
19) Porphyrins
20) Dcmetrius
i^lagnes
21) Anonym, ap.
Snidam
22) Vita A
23) Theopompns
24) Enphorion
OXTO) ysvttilg p. Tr., Beginn der dich-
terischen Thätigkeit; Geburt 200
, !'• 'I'r.
oXiyaig yerialg p. Tr., Beginn der
dichlorischen Thätigkeit
100 p. Tr. -;- d yeveaii^. Tr., Geburt
Gegen das Ende von Archippos Ke-
gierung ^1= kurz vor 978 a. Chr.
ld-2 vor Ol. 1, 1; 275 p. Tr. 1183 a.
Chr. c. Homer geboren ^= 3 yeve-
cä + 32 vor Ol. 1, 1
Zur Zeit des Thaletas = 625 v. Chr.
Jünger als Thaletas
Zur Zeit als Midas starb --=^ 694 a.
Chr., Homers Ankunft in Kyme
jitET« (p inj TCO^/ inl IXito ßrQarsv-
aciVTCOv = 500 p. Tr. J193 a. Chr.
obsideri coeptam, aXjtt>j; Geburt
726 v. Chr.
nara ivyijv , bald nach 716 v. Chr.
Chios.
Athen.
Atiien.
Chios.
Kolophon.
Knosos.
Knosos.
Kyme.
Kypros.
Prokonnesos.
Hier sind v^eniger Doppolgänger als in der Tabelle der Conjec-
turen. Bei weitem am iiäuligsten erscheint die Ueberlieferung, an el-
cher Aristarch folgt, unter 24 Ansätzen nicht weniger als neunmal:
jNr. 14. 13. 6. 5. 4. 2 sind identisch mit Nr. 3, Nr. 17 aber, wenn es
nicht ein blofser Irthuni ist, identisch mit Nr. 16, und Nr. 16 läuft auf
dasselbe hinaus wie Nr. 3. Sonst erscheint noch der chiische Homer
dreimal, Nr. 18. 15. 11 , und der kretische zweimal, Nr. 21. 20. Ord
neu wir nun um und reducieren überall, wo Troia oder die ionische
Wanderung ins Spiel kommt, wie Inder Untersuchung selbst, aufEra-
toslhenes; von den Sagen und dem geschiciitlichen mnfs so viel bei-
gefügt werden, Avie zum unmittelbaren Verständnis nöthig ist.
V. Chr.
1283 Musaios der Atliener geboren, Thraker, Diener der Musen, Vor-
fahr des chiischen Homer im zehnten Gliede.
1183 Einnahme Troias.
1076 Homer in Athen geboren, Schüler des Atheners Pronapidas, Freund
des Königs Medon.
1043 Homer, von d^n Athenern mit einer Geldstrafe belegt, geht az-
^d^03v mit den loniern unter dem Geleit der Musen über Naxos
und los nach Ephesos und Smyrna. Die Dichterschulen in los
und Smyrna werden gegründet.
Homer auf los geboren, Sohn der lelin Klymene und eines der
Daemonen, welche mit den Musen den Reigen tanzen.
Lauer: Gcscliiclile der lionierisclicn Poesie. 013
V. Clir.
1043 Homer in Smyrna g-eboren, Soliii des KliirsgoKos Mel(!S und
der Nyiiiplie Krillieis.
]()2J Aiolisolie KpoiUcn aus Kyiiie in Smyrna.
Homer in Smyrna geboren, Sohn eines Kymaiers und der Ky-
maierin Krillieis.
9f?3 Die Diclilerscluiie auf Chios wird oeoi-iindol.
Homer reist von Smyrna iiacb Chios und woiinl in Bolissos,
nachlier in Chios selbst.
Homer auf Chios geboren, AO-ij}'ai:i)g to c(viyMl}£u.
908 Die aiolischen Hpoiken verlreiben die; lonier aus Smyrna; diese
zielin sieb nach kolopbon zurück. Die Diclilerscluiie in Kolo-
|)lion wird gegründel.
Homer wird im Kriege zwischen Smyrna und Kolopbon den
Kolopboniern von den Sniyrnaiern als Geisel gegeben.
Homer in Kolopbon geboren.
Homer verlegt sich in Kolopbon auf die Poesie, wird blind
und dichtet den Margites.
884 Die Diclilerscluiie in Samos wird gegründet. Kreopbylos geboren.
Homer reist nach Samos und wird dort vom Kreopbylos aul-
genonimen.
Homer nacb samisclier Rechnung geboren.
Kreopbylos heiratet Homers Tochter. Kreopbylos unlcrricli-
tet den Homer.
Htm Die Samier tbeilen den ihnen sehr befreundeten I>akedainioniern
die homerischen Gedichle mit.
Lykurg kommt nacb Samos und IrilVt dort d;n Homer, welcher
ihm seine Gediente behufs der Einführung in Sparta übergibl.
842 Die Dicbterscbule in Milet wird gegründet.
Homer nacb milesischer Rechnung geboren.
775 Arktinos von Milet, Homers Schüler, ocfia'^roj/.
726 Die Dicbterscbule zu Salamis auf Kypros wird gegründel. Sla-
sinos geboren.
Homer auf Kypros geboren, auf dem Lande bei Salamis, >\ie
der kyprische Dichter Eukloos vorhergesagt,
71Ü Gyges König von Lydien. Er führt einen Krieg mit Milet, Kolo-
pbon und dem wieder ionisch gewordenen Smyrna. Zu seiner
Zeit die Milesier auf Prokonnesos, unter ihnen Arisleas, ax^icc^iop.
Homer, Aristeas Schüler, zur Zeit des Gyges, in Prokonnesos.
694 Die homerische Poesie tritt in Kyme auf. König Midas von Phiy-
gien stirbt, der Gemahl einer Kymaierin Hermodike; ein home-
rischer Dichter macht ihm die Grabschrift.
Homer reist zu den Aiolern von Kyme, wohnt zuerst in Neon-
leichos, kommt dann nacb Kyme selbst und macht dem Midas
die Grabschrift.
693 Slasiuos dichtet die Kyprien.
614 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie,
V. Chr.
693 Homer dichtet die Kyprien. Er schenkt sie später bei der
Verheiratung seiner Tochter mit dem Stasinos diesem als 3Iit"iff.
625 Thalelas fiihrt die homerische Poesie in Knosos auf Kreta ein.
Homer in Knosos geboren, jüngerer Zeitgenolse des Thaletas.
Viele Gedanken drängen sich beim Anblick dieser Tabelle auf,
dieser nach so langem Kampfe um Homer endlich eroberten oder viel-
mehr wiedereroberten festen Positionen. Ich will für jetzt nur zweier-
lei hervorheben.
Nördlich von Smyrna liegen in Kleinasien nur zwei homerische
Orte, und zwar in Klcinasien die jüngsten, Prokonnesos und Kyme.
Die Daten aller übrigen kleinasiatischen Orte Homers, jener eigent-
lichen alten echten ionischen Pllanzstätten der homerischen Poesie,
folgen der Zeit nach genau so aufeinander, wie die Orte selbst auf-
einander folgen, wenn man von Smyrna aus nach Süden an der Küste
bis Kypros herumgeht: Smyrna, Chios, Kolophon, Samos, Milet, Ky-
pros. Also in dieser Linie hätte sich der Tabelle zufolge die Pflege
der homerischen Poesie durch die kleinasiatischen Orte verbreitet, re-
gelmäfsig fortschreitend. Demselben Gesetze folgt nun aber auch die
Sage in Bezug auf diese kleinasiatischen Orte; ihre Stärke steht in
geradem Verhältnis zur Zeit und zum Kaum: je weiter vom Central-
punkt, der ax^i] des athenischen Homer in Smyrna, dem Raum und
der Zeit nach die Orte entfernt sind, desto mehr erstirbt die Sage.
Kypros macht hier eine Ausnahme, aber sie erscheint wohl begrün-
det; denn Kypros ist der isolierte Endpunkt der Reihe. Auf ihm
flammt die Sage noch einmal hoch auf.
Dies augenscheinliche Hervortreten eines Gesetzes in der Tabelle
kann ohne Zweifel nur dazu dienen, die Glaubwürdigkeit der einzel-
nen Daten noch zu erhöhn.
Und nun noch eins. Gegen Homers Persönlichkeit liegt in der
Tabelle kein Beweis. Freilich niüfsen fortan diejenigen, welche diese
Persönlichkeit festhalten wollen , sich um Arislarchs Fahne schaareu
und unbedingt auf den in Athen geborenen und mit den loniern nach
Smyrna auswandernden Homer bestehn, um dessen Person wie um die
weitere Verbreitung seiner Poesie sich später Sagen ansetzten. Denn
die übrigen Homere, der in Smyrna geborne lonier wie der chiisclie,
der kolophonische , die andern, sind ganz unverkennbar nur Personili-
cationcn der in Smyrna, Chios, Kolophon u.s. m. blühenden homerischen
Poesie, Bei allen diesen Orten habe ich deshalb auch in der Tabelle
die Sage und das geschichtliche gesondert, bei dem alhenischen Ho-
nier dagegen nicht.
Dabei soll aber durchaus nicht gemeint sein, dafs die Anhänger Fr,
A. Wolfs nicht ebenso gut ein Recht hätten, mit Aristarch den Homer für
einen Athener zu erklären, wie die für die Einheit der Gedichte strei-
tenden. Denn erstens läfst sich auch der athenische Homer ebenso gut
t'ür eine blofse Persoiiilication erklären; zweitens aber kann sogar an
ilem persönlichen Homer auch derjenige noch festhallen, der davon
Lauer: Gcschichlc ilur liomeriscIiL-ii Poesie. 615
überzeiigl ist, die einzelnen Tlieile der llias und Odyssee seien von ver-
scliiedene» Veilalsern jiediclilet , oder die Odyssee jreiiöre einem oder
mehreren andern, wohl »ar einem spälerii Zeilaller an als die llias.
Diese sehr nalie liej-eiide M()ylichkeil, aiieli >>eiin man die (ic-
diclile unter mehrere Verlalser verliieill, doeh an einem persönlichen
Homer festzniiallen, hat Lauer in seinem ganzen Buche niciit berück-
sichligt. Die Ansicht dagegen, dals die Odyssee einem spätem Zeil-
aller angehöre als die llias, hat er nicht nur berücksichtigt, sondern
sogar verlheidigt. Der IJeweis, den er dafür aufstellt, ist ein einzi-
ger grofser Fehler.
Unser moderner Chorizont stellt diesen Beweis bei der Motivie-
rung des Ansatzes auf, welcher in Homer einen Zeitgeuol'sen des Ar-
chiloclios sieht. In Folge dessen erölViicn den Beigen mehrere Gründe,
welche Lauer zunächst den Alten zuschreibt, dann aber insoweit bil-
ligt, als die Odyssee so jung angesetzt werden müCse. Die Kimmerier
der Odyssee siehn voran. Sie sind von uns bereits abgethan; wir
sahen, dafs sie für Homers Zeitalter in keiner Art beweisen. Dann
folgt die Grabschrift auf Midas. Sie ist ebenfalls abgethan; sie be-
weist die Jugend des lieben kymaiischen Homer, aber nicht die .lu-
gend der Odyssee. Dann kommt ein Grund, bei dem wir verweilen
miilsen, nemlich die Stelle cp 13, in welcher Messenien als ein Theil
von Lakonika erscheint. Dies konnte nicht \\ohl vor Beendigung des
ersten messenischen Kriegs gesehehn. So meint Lauer. Aber wie
meint denn Aristarcb? Der meint, dafs auch nach der Vorstellung der
llias Messenien zu Lakonika gehört, und erklärt das Ding ganz anders.
Derböse Aristarcb I Was nur der Mann davon haben mag, uiiserm
sinnreichen Lauer beständig den Possen zu spielen und seine grols-
artigen Entdeckungen zu stören I
Die Stelle der Odyssee spricht von dem Bogen des Eurytos, von
welchem Welcker Ep. Cycl. II, 421 gegen K. 0. Müller behauptet, er
spiele in der Odyssee gar keine Bolle, sondern nur Eurytos sei ein-
mal als berühmter Bogenschütze erwähnt, nemlich im &. Es ist aber
der fragliche Bogen kein anderer als der, mit welchem Odysseus die
Freier tödtet. Diesen Bogen nennt unsere Stelle der Odyssee im go
Vs. 31 ein Erbstück vom Eurytos, welches dessen Sohn dem Odys
sens schenkte bei einem ZusammeutrelVen in Lakedaimon, Vs. 13;
öaQa rcc Ol E,stvog ylaKSÖai^ovi, Öcozs rvyjjöag
"Icpitog E/vQvriörjg lTtLEL%EXog cc&avaroLGLV.
15 T(ö d £V MeffcTrji'j/ '£,viißX'}iTr]v cckXyjloLiv^
ol'nto iv ÖQGtXo'ioi.o dcaq)Qovog.
Hierzu kommt ein Scholiast BQ bei Vs. 13 AccKtSal^ovi: Nvv
£ttI trj yluKMvixfi %(OQ(x^ tjg ^i^og Kcncc rovg ViQOiLKOvg iQOPOvg }j
McGiiTjvr}. ÖLxaöQ'fjvai da (pci6i r-yju Aci%(ovL'/.\]v r^jg Me66i]i'iag fTtt
r(OV HfianXetöüv ^ o" ^sra tiji' tou IXiov (iXnöi-v %cixe6iov t)jv ThXo-
TtovvtjOou. In den SclioU. Vulg. heifsl es bei Vs. 15 Me06i]uij: xPj
MtGöiivaUi jiOQCi^ i\xig riv {üqog r% AccKedaiiiovog ttqo rtjg tcgi' Hjj«-
nXudav nccd-oöov. Eu&talli. (p 13 p. 1899, b'l H öh JVhaat'iv)] y^äoptxm
616 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
(heV, CDg ncd 7] SiKehKij Kai sY xLq nov aXlt], TtccQcc Ttäöiv iv övgI 6ö.
Itäyerat, öe Kccra ^lap rovg ^jQCOvKOvg %Qovovg Auxcovoav eivai^ nata dh
rovg'HQUKleLdag , Tiyovv fiera rrjv avrav Kci&oöov, öi-iaad-jjvcii, amiiv
TJjig Aa'MoviK'rjg. ro äe diitkciß^a rov öLyfjLa iv tw Meßijijin^ Ötjloi oicd
xo Qrj&hv 'O^iijQLKov l'nog ^ TOJ Ö iv MsGötjvy 'E,v^ßXrjT)]v alXtjloLLv''
i'iyovv övv)]vz)iGccv 6g 6fj ötiyog ymI incnvihca ag oko6jt6v8eLog.
Vier aristarchisclie Beiiiorkiingen haben wir hierin vor uns ;
J) (lafs der Vers tw ö^ iv Meßß^vtj ein oloß7t6vöet,og sei, 2) dafs in
diesem Verse das '^v^ßXrivijv soviel wie Gvvi^vTipav sei, 3) dafs hier
Homer das Land Lakedaimon nenne, anderswo aber die Stadt, 4) dals
Messenien in den heroischen Zeiten zu Lakedaimon gehört habe.
Dafs die erste Bemerkung dem Aristarch zugeschrieben werden
miifse, erhellt aus Schol. A yl 130, für die zweite zeugt die Verglei-
chung dieses Scholions A ^ J30 mit Eustalhios Anmerkung zu der-
selben Stelle und mit Apollonios Lexikon s. vv. '£,v^ßlt]ro. öuftjSA/jfis-
vog. Schol. A A 130 rj öcTtlij, ort övcoöeKaavlXaßog o öxlxog^ nul
GTtavLOog iQ^xai^ a>g Kai iv Odvßßela ' toj 6 iv Meööijvij E,vj.ißXtjvif}v
ttXXrjXouv.' 7] Ö£ avacpoQa ngog iTtL%QL6LV xrig 6xi%07touag^ ovc Evxa-
leig xf] Kaxaansvf] öokovölv elvai ot xolovxoi. Kai oxl xo yovva'^ioQ'rjv
KaraxQifixiKcog avvl xov ik£X£vov. Villoison hat das Zeichen im Text.
Eustath. A 130 p. 836, 13 To öe yovva^ia&^v ov KVQtoXsKvahai, ovä
ivxav&a. ov yaQ öi'}TCOvd-£v yovvcov 'iqTCxovxo ol ix ölcp^ov XaXovv-
T£g, — . S)]iiH(a(5aL 8 ivxav&a Kai ext Gxi'/pv oXoßnovddov KSi^i-
vov xov ' AvQSiöijg, xa ö avx iK ölcpQOv yovva'^iß&}jv' xa xoiavxa
ETirj EvieXij cpaßlv eivai ot TtaXaiol xrj xiig GxiypitoUag KaxaßKSvij öca
xo oXiyoßvXXaßov. öaÖEKaßvXXaßoi. yaQ i'i, avayzyjg elßl. xovg ys iirjv
oXoöaKxvXovg -rj TCoXvöaxxvXovg ^ayaXoTCQcnEßzEQOvg KQLVovßi, dfjXov
ö ort ßnaviOL naga xa Ttoojry elgIv ot oXoßnovÖEiOi , onolog Kai ev
OövßßELcc EKEivog ^ TD) 0 iv MEßßijVi] ^v^ißXijxijv aXXi^XoLLV.' ApoUon.
Lex. v. ^v}ißX}]TO ßvvi]vt)]ßcv. v. ßv^ßX/j^isvog ßvvavvrjßag.
W^as die dritte Bemerkung betrilTt, dafs der Dichter mit dem Na-
men Lakedaimon cp 13 das Land bezeichne, anderswo aber die Stadt,
so ist unter Lakedaimon ganz unzweifelhaft die Stadt zu verstehn 6 1,
das Land aber aufser unserer Stelle auch B 581. Hier fehlt in den
Schollen jede Anmerkung des Aristouikos, aber Euslathios hat die
betreffende aristarchische Notiz erhalten, p. 293, 30 XiyExai öi, cpaßi^
AaKsSatjxcov Kai r, xcoQa Kai r] TtoXig' i] ^lEv %(iiQa iv x(p ^ ra ol t,si-
vog ylaKEÖai^iovL öwke xvp'jßag'', t] Ö£ noXtg iv xco ^ ol ö li-ov KOtXrjv
Aa'K£Öai'i.iova ngog öcoi-uaa MEVEXaov.' Villoison hat im Text eine
nEQUßviyi^iEviy^ ein Scholion aus D und Enstathios p. 294, 8 sagen,
dafs es in diesem Verse eine Lesart %aiEza£Gßav für Ki]X(ji£ß6av gab,
über welche man Strabon VIll p. 367 vergleichen kann, und ein Scho-
lion Q. Harl. zu der dritten hier im Spiel belindlicheii Stelle 8 1 lehrt,
dafs dies Zenodots Lesart war. Ein anderes Scholion Q zu demselben
Verse t) 1 wiederholt die Bemerkung über den Gebrauch des Wortes
AaK£Öatfi(ov: tiote (iev xijv itöXtv KaXEu ylaKEÖat^ova, tiote öe xijv yia-
(lav. AaK£8al{A,ova i'ixot xijv IliiäQX)iv. Ganz in demselben Sinne redet
Lauer: Gescliichle der lioinerisclien Poesie, 617
Strabon VIII p. 367, nach Apollodoros naliirlicli, Avelclicr in i^co^sra-
|tliisclieii und cliorograpliisclicn Dinaren bekannllicli dciin Arislaicli zu
r()lf>en pllegt. Slrabou beruft sicli nicbt aul' alle drii belreiroiidou
Slellen Homers, sondern niil Uebergeluing von ß Ml nur auf die bei-
den andern, welche bei Euslalhios in der, wie bemerkt, dem Aristo-
nikos eutnomnieucn Notix zu B 5HI ciliert werden, d 1 und cp 15, und
beginnt seine Auseinandersetzung fast wörtlich übereinstimuiend mit
dieser Notiz bei Eustalhios : 'Ort öe AansÖai^cov b^covv^cog ki-
yazuL 'KCil rj xcoQa kccI 7} rcoXtg, ö)iXoi KCiVüiiyiiioq.
Strabon verwebt mit dieser Untersuchung gleich jene vierte He-
luerkung der Scholien und des Kustatbios bei go i;^. 15, Jlessenieu habe
in den heroischen Zeiten zu Lakonika gehört. Dafs diese Bemerkung
vom Aristarch berriilire, zeigen auch seine üiplen bei B 582 und 502.
An letzterer Stelle sagt Arislonikos Qioß)]v: 'ij ÖLnXrj^ ort Ztivoöorog
y^jacpei Miööijv. k'öti öe 7} JVltßßrj Tt]g AaKCoviKrjg , r/v iv alkoig
MeaaijVijv Kaiet. A. Das r) öiTtlij fehlt im Codex und bei Bekker,
Villoison bat die neQLEaxLy^ivri im Text. B 582 wird im Katalog der
Lakedaimonier ein MiüGij genannt. Hier sagt Aristonikos MiGG)\v:
->/ ÖLTxXii^ oxL MeGOtjv Tijv inl rijg AaKOiVL'/,rig Meßatjv^v kiySL, avy-
Tioipag rovi'oixa. ort yaQ vtco Aavieöcii^oviovg ccvttjv oiÖs öylouit, cui/
(ptjal ' öcoQa tu Ol ^etvog AaKEÖaifxovi- öcoks' toj ö iv MeOG}jvy ^v^-
ßXijTijv aXXijkoiLV.' A. Von ort, yuQ ab auch BL, Das rj ömh] bat der
Codex und Bekker nicht, Villoison hat im Text die aiteQLGxLKvog.
£541 fallen die Söhne des Diokles, des Dynasten von Pherai, eben
jener messeuischeu Stadt, wo cp 13 Odysseus und Eurytos zusammen-
trelfen, und Menelaos will ihren Tod rächen. Hier sagt ein Scholion
BL zu 543 T(üv qk narijQ: TiQOGvviGTijGiv avxovg, f)]V naql avxäv
(iccii]v avE^fov. ov ^i^vi^xai ös avxüv iv reo KaxaXoyo) , snsi MeGGtj-
VLoC eiGiv, Ol xal vtco Mevekdco ixilovv ^ 6(^^a xä ot gctvog Acck^Ökl-
(.lovi, öooKS xvx'TjGag- ra d' iv MeGGrjvtj '^v^ßXijxrjv oXy.u) iv OqxiXÖ'/ov.''
di,a xovvo %al nsGovxag avxovg aXXog ovöelg t] MsviXccog eXssl. Bekker
ixiXovv öcoQW ^xa oi ^dvog %. x. X. Die Zeichen im Text fehlen be-
kanntlich durch diese ganze Partie bin und auch Scholien bietet der
cod. A nicbt; es fehlt hier nach Villoison p. 24 ein ganzes Stück von
dieser Handschrift selbst, mit den Scholien der Text, welche Lücke eine
andere Hand auf eiugeilickten Blättern ergänzt hat, indem sie den
blolsen Text hinschrieb. Diesen Sachverbalt kann, wer ihn nicht sonst-
ber schon kennt, aus der Darstellung in Hrn. Beccards Dissertation
p. 79. 80 niemand herauslesen. Selbige Darstellung ist überhaupt ein
wahres Muster von Unordnung. Aber ich habe es hier nicht mit die-
sem unreifen Geschreibsel Hrn. Beccards zu thun. Trotz der bezeich-
neten Lücke der Handschrift A im E ist es deutlich, dafs der Gedanke
des zuletzt vorgelegten Scholions aristarchisch ist. Ohne weiteres zu
Lakonika gerechnet wird das messeniscbe Pherai, die Stadt des Dio-
kles, auch Schol. Harl. Q. E. Vulg. y 488. Euslath. y 489 p. 1477, 63.
Schol. Hamburg, ö 1. Schol. Harl. o 186. Alle jene sieben Städte, wel-
che Agamemnon im I dem Achilleus verspricht, werden messeniscbe
618 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
genannt und zugleich für die heroischen Zeiten zu I^akonika gerechnet
im Scliol. BL / 150 Meaayp'iöeg avxca nöhig, ij öh Msöß/jvrj elg xov
ziov ylaKedaLi.wi'LCOv voixuv TtaXai avvntkef it(og ovv, rpipiv, ^Aya-
^^iv(ov xcivxag öldcoöLv ovk ovöag avxov; %. r. X. Wer dies Bedenken
aufstellte und wie es erledigt ward, ist hier gleicligiltig; genug, dafs
man es dabei nicht im entferntesten hezweifelte, diese messenischen
Städte hiilten dem Menelaos gehört und seien ein Theil Lakonikas ge-
wesen. Eustathios verhandelt in ganz ähnlicher Weise dieselbe Frage.
Aus Aelius Dionysius berichtet dieser p. 294, 44 zu B 582, wo Messe
zu Lakonika gerechnet wird: Miaöi} ös avxl xov Meoat'jvr]' aXXcog
yc'^Q, q)tj6l^ JVLioöt] ovöa^ov Ödnvvxav. Aelius hatte hier den Strabon
vor Augen, welcher im Abschnitt über Lakonika VIll p. 564 eine Aus-
einandersetzung über das honicriSi^he 3Iesse mit diesen Worten be-
ginnt: Tmv 8 vcp 0(ii]Qov yMxakeyojA.£V(ov x^]v neu Miaat^v ovöafiov
öuKvvö&ccC cpaöLV. In dem Abschnitt über Elis VllI p. 353 stellt der-
selbe mit aller Schärfe die Behauptung auf, Messenien sei dem Mene-
laos unterlhan gewesen, unter dem auch Lakonika stand, wie im fol-
genden sich zeigen werde, und p. 358 beginnt er dann seinen Ab-
schnitt über Messenien mit einer in Aristarchs Sinn gehaltenen Aus-
einandersetzung über unsern Gegenstand: Avxi] öl int ^isu rdu Tqcol-
YAOV VTto Msve/iacp ixexanxo^ ^^Qog ov6a xijg AaKaviKrjg' EKaleixo ös
')j xco^a MeGöy'jvi] x. x. L Nur in zwei unwesentlichen Punkten stimmt
er nicht mit Artslarch. Erstens nemlich meint er hier p. 358 f. und
p. 393. (j33, die Abtrennung Messeniens von Lakonika sei nicht erst
zur Zeit der Herakliden erfolgt, sondern nach Menelaos Tode sei die
Macht Lakonikas gesunken, und in Folge dessen hätten die Könige von
Pylos sich Messeniens bemächtigt. Zweitens entscheidet er sich nicht
dafür, dafs in dem Messe ß 582 der Name der Landschaft zu erkennen
sei, sondern führt dies p. 3(J4 nur als die Ansicht '^einiger' auf, wel-
cher entgegengesetzt man sich jenes ovöaf.iov öeinwa&ai, anderer zu
denken hat. Diese beiden Uiil'erenzen haben aber auf die Hauptsache,
die Zugehörigkeit Messeniens zu Lakonika im heroischen Zeitalter,
d. h. Messeniens im engern, eigentlichen Sinne, des Pamisosthales und
der angrenzenden Küsten , nicht den mindesten Einflufs. Für diese
Hauptsache bringt Strabon im Abschnitte über Messenien und in dem
über Lakonika p. 364. 367. 36S die aristarchischen Nachweisungen aus
Homer, welche ich aus den Scholien angeführt habe. Ein Wider-
spruch gegen Aristarchs Ansicht wird bei ihm ebenso wenig laut wie
in den Scholien, und was noch mehr sagen will, er beruft sich bei
der ganzen Darlegung gar nicht einmal auf den Aristarch oder den
Apollodor. Es ist also unzweifelhaft, dafs zu seiner Zeit wenigstens
Aristarchs Ansicht entweder überhaupt die Ansicht von ganz Griechen-
land war, oder doch wenigstens die bei weitem vorhersehende.
Es setzte aber Aristarch bei unserer Stelle der Odyssee zwei
Diplen, eine bei qo 13, die andere bei q) 15. Was Aristonikos über
diese Diplen sagle, läfst sich durch Vergleichuug des vorgelegten
leicht wieder herstellen. Bei 90 13 hiels es AaKiöai^ovt, dw>t£ xvy^t]-
Lauer; Geschichte der hoinerischcu Poesie. 619
Gag: t] ömXijy ort Iv aXXoig f^dv Accutöai^iova keyst ryv TtoXiv, vvv
ÖS rt]v i(0(j<xv , ijg (.iSQog Kcnu rovg ijQCOir.ovg ;i^ooFOfj 7] Meööt^v)],
und bei qo J5 rw ()' iv Msaa/jinj E^v^ißXi^Ttiv: t] diitXij^ ort f^ioog rijg
AciKcouiKijg y.ccra rovg r;Q(oiy.ovg ^^^oi'oug •>/ MeoGi'ivtj. iäi^aci)^}] öe
Ttjg MeOGtjviag rj AayAovLy.i] inl xav'HQayXeLÖMv ^ dt [isra t»/v IXi'ov
aXadiv yMxiG'iov r^jv IhXoTcöviniGov. ycd ort övcaöey.aavXXaßog o GTt-
2og. TO de '^v^ißXijZ)jv kvtI rov Gvv}jvrriGca'.
Diese Kiklärun<?cii imiste sich Lauer restituieren, eiic er sidi er-
lauben durfte «US der Stelle der Odyssee irgend einen Schluls zu
ziehn. Lauer aber hat nicht einmal eine Ahnung vom Aristarch und
von der Lage der Sache. Er kann nicht einmal den Kiepertschen At-
las nachgesehn haben, in \velchem das die ijOMr/.ol %oovol betreffende
Blatt den gröfsern südöstlichen Theil des spätem Messeniens, also ganz
Messenien im eigentlichen engern Sinne des Worts, wo auch das mes-
senische Pylos nicht dazu gehört, zu Lakonika zieht. Er weifs hier
nichts anderes zu citieren, er, der grofse Citator, als das Scholion
zu Pind. Pylh. 6, 35 und das Scholion zu <p 13. Und doch war das
letztere gewis wenigstens dazu angethan, jeden nur etwas regen Geist
zum weitern Forschen zu bringen. In dem Scholion zum Pindar steht
so gut wie nichts. Pindar nennt den Nestor den messenischen Greis,
und der Scholiast sagt: M£GGi]viov rov JSsGroQu q)uGLV ovroi, oGoi
vniXaßov tj^v TLvXov rijg MeGGi]in]g dvai, ctXk ov'/l rrjg ■Kcaa r'}]v
A^jy-aöuiv TQKfvliag. o ^ivxoi "Of-UjQog oiöev vTtoreray^ivi'jv rfj Aa-
Tiaviyy rt]v MeGGipniv. (p^Gi yao
öcö^a T« Ol ^stvog Aciyeöcdi.iovi dtöxE rvxi'iGag •
reo Ö iv M£GG7]vi] '^v^ßXijx^jv uXXrjXouv.
Dies durfte, wenn nicht gleich dabei behauptet werden sollte, es sei
ans Aristarchs Commentar zum Pindar geflofsen, und Aristarch habe
zu dieser Stelle Pindars und zu Pyth. 5, 66 mit Bezug auf Homer ein
Zeichen gesetzt, woran sich dann eine Untersuchung über das Pylos
Nestors knüpfte : wenn nicht so verfahren werden sollte , so durfte
dies pindarische Scholion füglich ganz uncitiert bleiben. Aber Lauer
ist überall zu finden, nur nicht da wo er hingehört.
Nach dem lakedaimonischcn Messenien kommt bei ihm noch ein
auch den Alten zugeschriebener Grund für die Gleichzeitigkeit Homers
mit Archilochos; es ist die Formel oFoi vvv ßQorol uglv. Als ob nicht
diese Formel mit Hinblick auf Troia zur Zeit der ionischen Wanderung
ebenso gut gebraucht werden durfte wie zu der des Archilochos !
*B. Thiersch und Nitzsch' sagt Lauer S. 129 Anm. 162 'besprechen
diesen Ausdruck in verschiedenem Sinne, ohne den wahren getroffen
zu haben.' Und welches ist denn der wahre? Das erfahren wir nicht.
Lauer hüllt sich in den xllantel des Schweigens. Und wo kommt denn
nun eigenllich wohl der Ausdruck bei Homer vor? Lauer zählt die
Stellen ganz richtig auf wie seine Vorgänger, vergifst aber dabei zu
sagen, dafs, wenn man dieselben zu solcherlei Folgerungen benutzen
wolle wie er, man aus ihnen gerade das Gegentheil von dem folgern
müfse, was er aus ihnen folgert. Es sind nemlich lauter Stellen der
620 Lauer: Geschichte der homerisclien Poesie.
Ilias, £304. M383. 449. 2" 287; in der Odyssee kommt das oloi vvv
ß(iOxoi döLV g-ar nicht vor. Soll also aus ihm mit Lauer auf ein höhe-
res Zeitalter der einen von beiden üiclitungen geschlolsen werden, so
kann man nicht umhin, auf dasselbe gestützt die Odyssee gerade für
die ältere und die Ilias für die jüngere zu erklären.
Es ist kein ^^nnder , dals Lauer hier so gedankenlos verfährt.
Denn er hat den bisher besprochenen Coniplex von Gründen gar nicht
aus eigner Quellenforschung, sondern, wie er selber uns S. 1'26 naiv
genug ganz beiläufig verrälh, von H. Dodnell. '^Diese Gründe' sagt er
^mochten die Alten bestimmen, wie sie H. Dodwell bestimmt haben.' . . .
\N'enn man auch die Begründung eines so späten Zeitalters (nem-
lich wie das des Arcbilochos) für Homer nicht als ganz zwingend an-
erkennen wolle, meint nun Lauer weiter, so trage er doch kein Be-
denken in gewisser Hinsicht die Folgerung selbst für gerechtfertigt
zu halten, und mit der Odyssee, also auch mit ihrem Verfafscr, der
uns bis jetzt noch Homer sei, bis in die Olympiaden herabzugehn, d.
h. den Abschlufs der Form, in der wir sie haben, so jung anzusetzen.
Wir sehen vorläulig gern von der Unklarheit in diesen Worten ab,
denn jetzt, denken wir, jetzt wirds kommen. Ja es kommt, aber was
kommt? Ein zierlicher Gang um den heifsen Brei. 'Lafsen wir' beifst
es ^iafsen wir hier das bei Seite, wodurch die Odyssee weit jünger
als die Hias erscheint' . . . Aber, mein bester Lauer, das ist ja ge-
rade die Hauptsache! Lafsen wir das nicht bei Seite! AN'arum sollten
wir das wohl bei Seite lafsen? Ich denke, was bis jetzt von anderen
vorgebracht ist, um ein jüngeres Zeitalter der Odyssee zu erweisen,
ist eitel unkritisches Gerede. Wenn wirklich das eine anders ist als
das andere, so braucht es darum noch nicht gleich jünger zu sein.
Wer aber die Gedichte kennt, wird wifsen, dafs aufser jenem oloi
vvv ßqoxot eiöi noch manches andere in iiinen sogar auf ein bidieres
Alter der Odyssee hinzudeulen scheint, ^^'er nun an der Einheit bei-
der Gedichte festhält, mufs schliefsen, dafs Hias und Odyssee gleich-
zeitig entstanden sind. Wer dagegen tbeilt, mufs sorgsam je zwei
gesonderte Stücke miteinander vergleichen, um das relative Alter bei-
der zu finden; auf diesem freilich nicht für alle Leute pracficabeln
^Vege wird er zuletzt eine Scala des relativen Alters aller Stücke be-
kommen. Ueber das absolute Alter der Stücke ist aber damit auch
noch wieder nichts entschieden. Denn, um die Sache schrolT hinzu-
stellen, es können z. ß. in 20 Jahren 40 verschiedene Lieder successiv
jedes folgende mit Anspielung auf das nächstvorbergehende gedichtet
sein. Aber verfolgen wir nnsern Iraner weiter, treiben wir ihn aus
seinen Beiseitelafsungen und Schlupfwinkeln erbarmungslos vor.
^Nicht allein in Geldangelegenheiten, auch in solchen Sachen hört die
Gemülhlichkeit auf.' An einer S. 128 folgenden Stelle sagt er, dafs
die Hias weit älter sei als die Odyssee, erkenne man leicht durch ein-
faches Lesen beider Gedichte. Und was soll man, fragen wir, um
nur beispielsweise eins zu erwähnen, was soll man beim ^einfachen
Lesen' denken, wenn man an die Stellen der Hias (im B und A) kommt,
Lauer: dcscliiclito der Iionicrisclion Poesie. 021
>vo Odysseus sieh als Valer des Tehüiiaelios hri'islel? Scizcn diese
Slelleii etwa keine Dieliliiii^eii vom Teleiiiaelios voraus? UikI wenn
sie deren voraiissefzen, Avomil will Lauer wohl i)e\veisen, dal's die
vorausgeselzlen nicht die in der Odyssee sind? Arislareh <,'^ab solchen
Stellen der Uias eine Diple ort TtQooLKOi'o^eL rtjv 08v66£iav und
schlofs Tov avxov cxqcc Ttoti/roi; Kai tj Oävöösi-a, TtQog rovg yfiHQi^ov-
Tccg. Aber wie sollte Lauer wohl derj^leiehen veralleles Gewäsch des
dummen Alten berücksiehligen? Ja wenn es Jean Boivin le cadet wäre !
Lal'sen wir Aristarehs Ehrfurcht gebieleuden Namen, Lauer verdient
es gar nicht, dafs man ihm gegenüber diesen Namen ausspricht, wir
werden ohne Aristarehs Autorität mit ihm fertig. Was bringt er
weiter für Gründe? Er bringt den Bernslein. Dieser komme in der
Odyssee vor, aber in der llias nicht; ihn könnten die Griechen erst
damals erhalten haben, als sie ausgebreitete Handelsverbindungen mit
den Nordkiislen des adrialischcn oder schwarzen Meeres haften. Da-
bei berücksichtigt Lauer zuvörderst nicht, dafs die Phocniker schon
lange vorher den Bernstein den Griechen bringen konnten, so gut wie
die Purpnrkleider und silberne und goldne Geräthe. In jenem frühe-
ren Aufsalze ^über die angeblichen Spuren einer Kenntnis von dem
nördlichen Europa im Homer' hat er es S. 318 berücksichtigt; aber
auch hier hat er nicht bemerkt, dafs wirklich der Bernstein der Odys-
see, weit entfernt irgendwie auf Fahrten der Griechen an die Nord-
küsten des schwarzen oder adrialischcn Meeres zu deuten, vielmehr
ausdrücklich als ein blofs jjhocnikischer Handelsartikel charakterisiert
wird. Den Bernstein o 460 auf der Insel Syros bietet ein Phoeniker
zum Kauf an, und aus Phocnicien stammt unverkennbar auch der Bern-
stein bei Menclaos ö 73, so gut wie der schöne Krater 6 613. Und
was nun zweitens dv.n Umstand betrilft, dafs in der llias der Bernstein
nicht vorkommt, so gedenken wir der Stelle im Herodot, welche so
passend den Bernstein mit dem Zinn zusammenstellt und behauptet,
dies seien die beiden Producte, welche vom äufsersten Westen Eu-
ropas zu den Griechen kämen. Wir stellen dem Bernstein der Odyssee
das Zinn der llias entgegen , welches in der Odyssee nicht vorkommt.
Sagt jemand, der acißaireQog der llias sei kein Zinn, nun dann dürfen
wir ja wohl mit demselben Rechte sagen, das ijley.tQov der Odyssee
sei kein Bernstein. Nicht wahr? Wird uns eingewandt, das Zinn der
llias brauche nicht gerade von den Zinninseln durch die Phoeniker
hergebracht zu sein, sondern Zinn finde sich auch etwas näher an Ho-
mers Heimat: nun dann berufen wir uns auf Lauer selbst, welcher in
jenem früheren Aufsatze a. a. 0. S. 318 nachweist, der Bernstein kom-
me auch an den Gestaden des Mittelmeers vor, an mehreren Orten und
reichlich. Und in welchen Partien der llias erscheint denn nun ei-
gentlich das Zinn? 3Ian merke wohl, dafs es z. B. im 5i nicht vor-
kommt, obgleich dort die schönste Gelegenheit dazu ist, dagegen
aber unter andern im A^ im Anfange des vi, in einer unzweifelhaft
echten Stelle, mitten im edelsten Theile der llias. Und Avas folgt nun
aus alle dem? Dafs alle Indicien dieser Art täuschen können. Weiter.
g22 Lauer: Gcschiclifc der homerisclicn Poesie.
Es kommen die kurzen Näclite k 81. Diesen Grund hat Lauer gleich-
falls in dem eben genannten Aufsatze selbst beseitigt, Lauer arbeitet
uns fürwahr trefflich in die Iliinde. Aber wir brauchen seine Hilfe
nicht. Beseitigen wir seine Beseitigung, seien wir grofsmüthig, neh-
men wir einmal an, die Stelle x 81 kenne nicht blofs kurze Nächte,
sondern die kurzen INachte des Nordens. Kann nicht auch die Kunde
von diesen den Griechen durch die Phoeniker oder auch durch andere
Völker o-eworden sein, lange bevor sie selbst an den Nordküsten des
adriatischen oder schwarzen Meeres Handel trieben? Dunkel genug
ist die Stelle der Odyssee, um die Annahme einer nur dunkeln Kunde
zu rechtfertigen. Ungleich deutlicher jedesfalls verräth sich Kenntnis
des nördlichen Europa vom Pontos her in der Hias, nicht im Sl oder
'F sondern in der Schlacht bei den Schiffen, iV5, in welche Stelle,
möffe man sie interpretieren wie man wolle , die verehrlichen Kosse-
melker die Milchefser und Habelosen, die gerechtesten Menschen,
unzweifelhaft aus den Gegenden nördlich vom schwarzen, asowschen,
kaspischen 3Ieere eingezogen sind. Von den Handelsverbindungen
der Milesier redet bei Gelegenheit der kurzen Nächte des x Lauer
ganz insbesondere. Um den Anfang der Olympiaden, meint Lauer,
hätten die Milesier die Nordküsten des Pontos erreicht. Dies zeige
sich darin, dafs Arktinos schon den Achilleus auf der Insel Lenke an
den Mündungen des Istros kenne. Wann die Blilesier die Nordküste
des Pontos erreichten, das zu untersuchen habe ich hier keine Lust,
ich will nur darthun , dafs Lauers Beweis auch in diesem Nebenpunkte
nichts taugt. Die Insel Lenke ist ursprünglich gewis nicht historisch,
sondern, wie die Inseln der Kirke und der Kalypso, eine mythische
Fiction, welche später localisiert ward, und zwar zuerst schwerlich
am Istros. Arktinos aber bringt, so viel ich nachweisen kann, den
Achilleus nicht nach der Insel Lenke an den Mündungen des Istros,
sondern schlechtweg slg rrp yhvm]v vriöov. Das älteste ausdrücklich
überlieferte Datum der milesischen Colonialgeschichte für den Norden
des Pontos ist die uriötg von Borysthenes und Istros Ol. 31. Wollte
man hierüber hinauf, so bedürfte es ganz anderer Forschungen, als
unser Mann angestellt hat. An die Apotheose Achills auf Lenke reiht
Lauer die im ö dem Menelaos gemachte Verheifsung, er werde ins
Elysion kommen. Aber die Stelle kann wegbleiben, ohne dafs der
Zusammenhang leidet, und sieht mir höchst verdächtig aus, nicht des-
halb, weil sie mir etwa für meinen Beweis nicht passte, sondern des-
halb, weil Proteus in ihr etwas sagt, wonach Menelaos gar nicht ge-
frao-t hat und was gar nicht zur Sache gehört. Aber Iva ^rj Jojcco Xv-
ceag ti ijTto^fjXEv^t, es läfst sich gegen Lauer auch geltend machen,
dafs die Vorstellung vom Elysion durchaus nicht jünger zu sein braucht
als die vom Hades. Das Elysion ist, wie schon der Name selbst zeigt,
ursprünglich ganz dasselbe wie der Hades, nemlich das Todtenreich;
nur dafs es einem andern 3Iythenkreise und Volksstamme angehörte
als der Hades. Ein griechischer Stamm bezeichnete das Todlenreich
als den Ort der unsichtbaren, ein anderer als den Ort der hingegan-
LcTiier: Goscliiclifo der Iiomcrisclied Poesie. 623
gcnen. Hcrscliond war bei der wecliselsciliffen Beriiliniiiff und dem
Gediiiikenaiislaiiscli der Släiimie zu Homers Zeil l)ereils der Name des
Hades ge>\(»r(l('ii ; das Klysiofi lialle sieh allerdin<>s nelxüi ihm heliaiip-
Icl, alter man halte, um es zu relU-n, ans ihm in einzelnen dazu pas-
senden Sagen eine Art von hcsonderem Auleiithaltsort lür besondere
Leute gemacht. So fand es Homer, kann man sagen, so wandte er
es an. Drittens aber, angenommen einn)al, die Vorstellung vom Ely-
sion sei durchaus jünger als die vom Hades, so fragt sicii wieder, um
wie viel jünger sie sei? Sind wir berechtigt, die Stelle des ö für
300 Jahre jünger zu halten als die ionisclie Wanderung? Kann das
Klysion nicht doch schon zur Zeit dieser \^'andernng da gewesen und
vom Homer in dem einen Gedichte nur verschmäht, in dem andern
Kar inicpoQav 7ioi)]XL'K-rig agsOiieiag angebracht sein? Ich meine unge-
fähr ebenso, wie in der Hias einmal, ganz vereinzelt, im E die Tarn-
kappe des Aides auftaucht, welche doch in der Odyssee gewis zu
g-ebrauchen war, und ungleich jünger und märchenhafter aussieht als
das Elysion. Lauer meint, die weiteren Seefahrten, die man um den
Anfang der Olymjtiaden wagte, seien nicht ohne wesentlichen Einflufs
auf die Verwunderbarung der ursprünglichen schlichten Sage geblie-
ben; damals sei die Phantasie reger, das Herz weiter geworden, Sehn-
sucht über das Meer bin zu den fernen Ländern, die man gesehn oder
von denen man gehört, habe die Brust erfüllt, und wie im Traum der
Seele, so im Glauben aus dem Bleere selige Inseln emporsteigen lafsen
als jenseitige Heimat vortrefilicber Menschen, zumeist also der He-
roen. Gut gesagt, in der That: Lauer wagt weitere Seefahrten in den
Anfang der Olympiaden, und das bleibt nicht ohne wesentlichen Ein-
Hufs auf die Verwunderbarung der ursprünglichen schlichten Ansieht
Aristarchs; Laners Pbantasie wird reger, sein Herz weiter; Sehnsucht
über die Diplen hin zu den zweideutigen Indicien, die Lauer gesehn
oder von denen er gehört hat, erfüllt seine Brust, und wie im Traum
der Seele, so läfst sie im Glauben selige Theorien aus der Luft herab-
schweben als jenseitige Heimat der ihrer Zeit entrifsenen Odyssee.
Es ist nur schade, dafs die Schitffahrt der Griechen um den Anfang
der Olympiaden so einen gewaltigen neuen Aufschwung gar nicht ge-
wann. Hundert Jahr später und drüber, als nachweislich Naukratis,
Kyrene, Borysthenes, Istros, und zum zweitenmal Sinope, höchst
wahrscheinlich auch Phasis , Diosknrias, Pityus, Kepoi, Pantikapaion
gegründet wurden, als der Samier Kolaios seine weite Fahrt ins West-
nieer machte, bis zur Gründung von Massalia herab, damals gieng
durch das Bewustsein der griechischen M'elt ein gewaltiger Ruck von
der Art, wie Lauer meint; aber in diese Zeit wird doch wohl selbst
Lauers Sehnsucht nicht geneigt sein 'mit der Odyssee hinabzugehn'.
Und vorher kenne ich nur eine ähnliche Zeit der geistigen Revolution
in Griechenland; und das ist die Zeit der • — ionischen Wanderung,
die Zeit in welche Aristarch Odyssee und Hias setzt. Bleiben wir
also auch nur bei dieser Zeit sfehn mit dem Elysion und der Kappe
des Aides, den Rossemelkern und den kurzen Nächten, dem Bernslein
624 Lauer: Gesrhiclitc der homerischen Poesie.
und dem Zinn. Lauer meint aber ferner, auch den älteren Partien der
Odyssee sei eine solche Vorstellung wie die des Elysion ganz Trenid.
Alter, Mann, welches sind denn die älteren Partien der Odyssee? Das
nuislet ihr vor allen Dingen sagen, und die Sache beweisen, mit an-
derweitigen Gründen, falls es euch nicht etwa wünschenswerth er-
schien eine pelitio principii zu begehn. Was ihr so ungefähr meint,
kann man freilich errathen. Ihr habt offenbar noch dieselbe Ansicht
wie in eurer berühmten, gerade durch petitiones principii besonders
sich auszeichnenden quaestio p. 49 und in euren angeblichen Spuren
einer Kenntnis S. 318 huius voluminis. Ihr meint, dafs die Partien,
in denen die Freier vorkommen, einer Jüngern Zeit angehören als die
von den Irfahrten. Und darauf mufs ich euch erwidern, dafs ihr euch
in einer ganz erschrecklichen Weise irrt. Wer die Indicien des Al-
fers in der Odyssee wirklich kennt, der weifs, dafs in mehreren der
Partien mit den Freiern Andeutungen höchsten Alters sich linden, in
denen von den Irfahrten neben wenigen solchen Andeutungen sehr
viele einer Jüngern Zeit, wie ja z. B. gleich gerade die kurzen Nächte
im Apologos vorkommen, was Lauer weder hier noch an jenen andern
Stellen beachtet. Dabei will ich aber, damit ich nicht misverstanden
werde, gleich hinzufügen, dafs diese und alle dergleichen Indicien in
meinen Augen gar keinen Werth haben. Das Warum kann der ver-
ständige aus dem hier gegen Lauer gesagten errathen. Auf die übli-
chen vom Metrum und von der Sprache hergenommenen Indicien , das
Digamma und dgl. gebe ich ebenso wenig etwas wie auf die sachlichen.
Wer da glaubt, vermittelst solcher Dinge lafse sich der Homer, soweit
ihn Aristarch für echt erklärt hat, auf verschiedene Zeitalter verthei-
leu , der irrt sich und kennt den Homer nicht, sollte er ihn auch lange
Jahre hindurch studiert und dicke Bücher über ihn geschrieben haben.
Dies und den Homer kennen ist zweierlei, wie hier Lauer zum Er-
schrecken deutlich macht.
Mit dem, was derselbe für das jüngere Zeilalter der Odyssee
vorbringt, sind wir zu Ende. Er meint S. 128, die Facta liefsen sich
ohne Mühe vermehren. Ohne Mühe! Hätte er sie doch nur vermehrt!
Er meint, diese Facta aus der Odyssee müfse man sich hüten zur Be-
stimmung des Alters für den Homer der Ilias zu gebrauchen. 0 vor-
sorgliche und feine Kritik! Er meint .... doch das verstehe ich ei-
gentlich gar nicht, was er nun sonst noch meint.
Er sagt nemlich, die von ihm angeführten Facta aus der Odyssee
zeigten, ^dafs dies Epos in seiner jetzigen Gestalt noch etwa in den
ersten zehn Olympiaden seinen Bildungsprocess nicht beendigt hatte,'
und weiterhin, die Ilias habe Sveit früher mit ihrer Gestaltung abge-
schlofsen', und vorher S. 127 in der schon vorgelegten Stelle, 'der
Abschlufs der Form', in der wir die Odyssee hätten, müfse in den
Olympiaden angesetzt werden. Diese Bedensarten verstehe ich gar
nicht. Meint er, einzelne Stücke oder viele oder alle seien erst da-
mals gedichtet, und an ihrer Stelle seien früher andere gewesen? Oder
meint er , die ganze Odyssee sei bis dahin wie eine Art perpetuum
Lauer: Geschichte der liomerischen Poesie. 625
mobile in einer un/.usumnienhün&°cndeii Umarbeiluno^ aller einzelnen
Theile, in einem conlinuierliclien heraklileisclien Klul'se gewesen?
Die letztere Vorstellung- ist absurd. Ich will iiir \vidersi)rechen , weil
sie mehreren neueren geläufig- zu sein scheint. So leichtfertig, wie
sie meinen, hat man hei weitem nicht in diesen alleren Zeiten mit
den homerischen Gedichten umzuspringen gewagt, mit diesen Gedich-
ten, die als ein lleiligthum betrachtet und von so vielen einander mit
eifersüchtigen Augen beobachtenden Siingerschulen gehütet wurden.
Am allerwenigsten aber ist es jemandem gelungen, mit Erfolg umzu-
arbeiten, ich meine ursprüngliches wegzulafsen, sein 3Iachwerk dafür
einzusetzen, und dieser Abänderung allgemeine oder auch nur über-
wiegende Anerkennung zu verschalTen. Etwas ganz anderes ist es
mit dem prosodischen, mit dem dialektischen in den Formen, mit
Kleinigkeiten im Ausdrucke, wie ijvla (poii'i'Koevra für t]i'La ßiyaXoev-
TCf, oder TCoöcoKea FhjkELCova für a^vjxova fJyjkscoji'a , mit unschuldigen
Einschiebseln zwischen das nur gelreniile, nicht beseitigte echte, Er-
weiterungen, die ohne Störung oder vielmehr zur Befserung des Zu-
sammenhanges wegbleiben, welche jeder, der wollte, ohne weiteres
weglafsen konnte, derjenige aber behielt, welcher an ihnen seine
Freude hatte.
Wie es überhaupt in solcher Beziehung zu den älteren Zeilen
stand, erhellt z. B. auch aus der Geschichte bei Herodot VII, 6 vom
Onomakritos, der in die xqijG^ol des Musaios einen Spruch eigner
Fabrik hineinpracticierte, dabei von einem Nebenbuhler, einem an-
dern Dichter, dem Lasos von Ilermione, ertappt, angezeigt und vom
Hipparch zur Strafe aus Athen verbannt ward. Ein Unterschied ist
allerdings zwischen ^q^G^olg und epischen Gedichten , und blofse
Erweiterer der letzteren werden wohl nicht immer gerade so wie
Onomakritos behandelt worden sein; aber derjenige, welcher sich un-
terfieng, aus dem ^heiligen Homer' etwas wegzuescamotieren, um Raum
für seine eigne Production zu schaffen, wie meint man wohl, dafs es
dem ergangen sein werde?
Mit Lachmann habe ich über diesen Punkt viel gesprochen, aber
nicht lange , denn wir waren auf der Stelle einig, indem er die eben
dargelegte Ansicht sofort billigte und hinzufügte, sie werde durch
seine Beobachtungen über die Lieder von den Nibelungen durchaus
bestätigt. Wie dies letztere zu verstehn sei, zeigen die Anmerkun-
gen zu den Nibelungen im Eingange, wo Lachmann sagt: 'Lücken
habe ich innerhalb der Lieder nicht wahrgenommen. Wie aber meh-
reren derselben Fortsetzungen anhangen, die obgleich offenbar von
andern Verfafsern, auf jene sich beziehen, so sind auch überall in den
Liedern gröfsere und kleinere Zusätze erkennbar, von denen gewis
nur wenige dem letzten Anordner der Sammlung zuzuschreiben sind.'
Es ist aber die hier von mir verfochfene Ansicht auch die An-
sicht Aristarchs. Darauf führt der Umstand, dafs er keinen Vers für
unecht erklärt hat, dessen Entfernung den Zusammenhang aufgehoben
hätte. Dafs aber Aristarch diese Grenze bei seinen Athetesen sich
N. Jahrb. f. Phit. u. Paed. Bd. LXVIF. Hfl. C. 41
626 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
steckte, beweist wieder der Umstand, dafs er nicht selten den Homer
tadelte. Wie durfte er das, wenn er Athetesen mit Aufhebung des
Zusammenhangs für erlaubt hielt? Bestätigt wird der Schlufs durch
die Betrachtung der uns erhaltenen Berichte von einzelnen Athetesen.
Denn trotz des erbärmlichen Zustandes, in dem sich die Scholienlit-
teratur befindet, trotz des Misbrauchs, der in mancher Noliz mit
Aristarchs Namen getrieben wird, trifft man doch nur auf äufserst
wenige Fälle, wo eine dem Aristarch imputierte oder der Fafsung
nach zu imputierende Athetese mit Störung des Zusammenhangs über-
haupt auch nur vorzuliegen scheint. Untersucht man dann aber, so
schwindet das vermeintliche Hindernis. Entweder ist es gar keine
Athetese, oder sie ist nicht von Aristarch, oder sie hat einen andern
Umfang, so, dafs sie die Gweneia nicht aufhebt. Lehrs in seinem
Aristarch ist bekanntlich der entgegengesetzten Meinung. Es sagt p.
361 A. 1; 'Ne ibi quidem mutavit Aristarchus ubi si versum exemeris
sententiae connexus tollitur. Exemplum est % 31. Sc. ubi versus
spurlos esse pronuntiamus ibi non continuo dicimus nullos fuisse sed
non hos.' Es genügt für jetzt vollständig, wenn ich in Betreff der
einzigen von Lehrs angeführten Stelle die Sache aufkläre.
Nemlich im ii ^Is Odysseus den Anlinoos erschofsen hat, fahren
die Freier erschrocken auf, Vs. 21
rol 6 oi-iccSi^üav
fivrjCX'^Qeg xara öcoi.ia& , OTtcog i'dov ävöga TtsGovra,
£% 8e &QOVG)v ai'OQOvGccv OQLv&iviEg %axa ödofxa ,
nccvroös nanraivovxsg ivö^rjxovg ttoxI xoifpvg '
25 ovÖE nrj aßTflg et]v, ovo ccIki^ov e'yxog lAeö-^ßi.
26 vsLKEiov d Oövörja ^olcorotßiv inieGöiv.
^h,eive, KaKwg avÖQwv ro'E,a^eaL' ovair ai&kcov
aXXav avr uiGetg' vvv rot, Gag ainvg oXs&Qog.
-Kai yaQ di] vvv qpwra '/.arenTaveg 6g ^liy ccQiGtog
KOVQCov £LV I&dur] • TW g' ivd-äde yvTtEg sdovraL.'
31 'lGkev eaaGrog avrJQ, snel 7] cpaGav ov% i&Elovra
avÖQCi KarcixrsivaL' ro öh vi^moL ovk Bvoi]Gav ^
33 (og ör] Gtpiv 'koI tikGiv oXe&qov TteiQccr icptJTtro.
34 Tovg 6 aQ vTtoÖQa Idav TtQOGecpj] 7to\v[ii]Tig OdvGGsvg
'co KvvEg, ov fi I't i(pccG%£&^ vTtoTQOTTov oi'xaö i%EG&at,' K.r.i.
Bei dieser Stelle lautet ein Scholion Vindob. zu Vs. 31 so : OvöiTtors
0^t7}Qog inl TOü eksye ro I'gks , aXX ini rov 0(iolov. rjnarrjrai ovv
o öiaGxEvaGTfjg ek rov ^I'gke ipEvÖEa TtoXka Xiycov irvfioiGiv Ojttoia'
(t 203). Dafs dieses Scholion von einer arislarchischen Athetese
spricht, ist nicht zweifelhaft; über den Umfang derselben lehrt aber
das Scholion nichts. Diesen Umfang erkennt man dagegen sehr deut-
lich aus Eustalhios Anmerkung zu derselben Stelle, % 32 p. 1917, 56
iGriov Se ort vo&EvExai vno rav naXaiäv ro y^agiov rovro. axaiQOv
yaQ cpccGL Kai ysXoiov^ navrag Ofiov xavra XiySLV wg in Gvv&fjixarog
oia riva rQayiKov %oq6v. E&og yaq (paGtv '0[xi]Q(p iv roTg roLOvroig
ovi ovrca tcoielv ocXXcc XeyEiv loÖE öi rig tineGnEv. Also Aristarch
Lauer; Geschichte der Iiomerischen Poesie. G27
verwarf die ganze Rede der Freier mit dem 26sten Verse, der sie ein-
leitet, und den dreien, welche nur an ihr hängen; entfernt man aber
diese acht Verse 26 — 33, so schliefscn 25 eXia&ai und 34 rot;!,' d uq
vtcoöqu genau zusammen. Aul'ser dem übelos aber, den jeder der
acht Verse trug, musle der Vers 31 i'oxev nocii besonders seine diTiXij
cmeQcöriKzog haben, wegen der avagjoQcc zu r 203 und anderen Stei-
len; und das, was Arislonilios in einer besondern Anmerkung über
diese Diple bei % 31 sagte, gibt jenes Scholion zu selbigem Verse
wieder, durch welclies Lelirs p. 106. 351 verleitet ward, nur bei
X 31 einen Obelos anzunehmen , eine Athetese , die allerdings den
Zusammenhang aufheben würde.
Jetzt wird man es auch Molil, denke ich, im rechten Lichte be-
trachten, wenn es in der Motivierung einer Alhelese heifst xai ort,
öiayqdcpivtav rmv Qxifwv r/ awinetcc ovölv ^tjrei, oder bei einer Di-
ple gegen eine bedeutendere zenodolische Aenderung e'xec de TcaQ"
avta xa rrjg Gweneiag ovroog, oder wenn überhaupt von der GvviTceia
die Rede ist.
Mit dem allen will ich aber gar nicht sagen, dafs keine einzige
Umarbeitung im Homer jemals siegreich gewesen sei. Nemlich dafs in
der Zeit zunächst vor Peisistratos der Homer nur als ein anoq(x6}]v
«£töojLi£vog existierte , kann kein Mensch mehr leugnen; Peisistratos
liefs die Stücke sammeln und zusammenfügen ; es hätte wunderbar
zugehn müfsen, wenn dabei nicht hin und wieder einmal das geschehn
wäre, was ich Umarbeitung genannt habe, Interpolation mit Weg-
lafsung von echtem. Diese Aenderungen aber, deren Zahl und Um-
fang übrigens im ganzen gewis höchst unbedeutend ist, waren in den
Augen der Nation gerechtfertigt und sanclioniert. Man glaubte, ob
mit Recht oder Unrecht, kümmert uns hier nicht, an jenen einen per-
sönlichen Homer und die ursprüngliche Einheit der Gedichte, und
muste also die peisislrateischen Aenderungen, welche die Zusammen-
fügung zu ermöglichen schienen, sich gefallen lafsen. Dafs aber keine
Spuren da sind von irgend einem Widerspruch gegen die Art der Zu-
sammenfügung im einzelnen und der Aenderungen in den Fugen , wäh-
rend doch nachweislich über attische Unkunde oder bösen Willen in
anderer Beziehung hier und da geklagt ward, dies beweist, dafs man
sich überzeugt hielt, Peisistratos habe hier in den Fugen nicht ge-
macht oder machen lafsen, sondern nur das ursprüngliche wieder in
sein Recht eingesetzt, beweist also weiter , wie fest die Ueberzeugung
von der ursprünglichen Einheit wurzelte.
Dieses einzige ausgenommen, glaube ich so wenig wie Aristarch
an irgend eine Umarbeitung in unserm Homer, glaube an keine sieg-
reiche Nebenversion, welche das echte so bei Seite gedrängt hätte,
dafs es aufser dem Bereiche der Alexandriner lag. Und hier vertrete
ich, wie ich aufs bestimmteste versichern darf, nur Lachmanns An-
sicht. Wer es bezweifelt, nehme das Lachmannsche Buch zur Hand
und sehe, dafs er sich Athetesen mit Aufhebung des Zusammenhangs
nur an solchen Stellen erlaubt hat, wo er, ob mit Recht oder Unrecht,
41*
628 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
ist hier einerlei, die Hand der attischen Anordner sah. Auch aufser-
dem scheidet er vieles als unecht aus, im B z. B. und im r" ganze
Partien; aber da schliefst das von ihm als echt belafsene bei Ent-
fernung- des für unecht erklärten überall eng zusammen; dies ist so-
gar da der Fall, avo er mitten durch den Vers schneidet, im M und
im O. Ob Lachmann wüste , dafs Aristarch schon demselben Princip
folgte, weifs ich nicht; Lachmann war unter Umständen schweigsam;
wie er z. B. das mir nicht sagte, dafs er in seinen Betrachlungen über
die llias dies Princip, von dem ich ihm zu reden anfieng, schon sel-
ber angewandt habe, so dafs ich erst nach seinem Tode durch die
immer m iederholte Lesung des Buchs darauf geführt ward.
Wer indessen über diesen Punkt anders denkt als jene beiden
grofsen Geisler, der sei sich wenigstens dessen bewust, was er ei-
gentlich thut. Während das Princip jener beiden in den meisten Fäl-
len einen festen Halt gewährt, öffnet er der Willkür Thür und Thor.
Denn sobald man jenes leiclilfertige Umspringen mit Homer statuiert,
was z. B. Lauer zu statuieren scheint, so kann jeder, der auf irgend
eine Stelle im Homer irgend eine Behauptung gründet, vom Gegner
der Antwort entgegensehn, die Stelle sei umgearbeitet. Dann wird
bald jeder, dem etwas in seinen Kram nicht passt, von ^Diaskeue'
sprechen, und wir werden bald dahin kommen, im Homer nichts an-
deres als eine Sammlung vermeintlicher Interpolationen zu besitzen.
Dann ist es also mit unserer ganzen homerischen Forschung nichts.
Dann kann aber wenigstens auch Lauer aus keiner Stelle irgend
einen Beweis für die Zeit entnehmen, zu der Homers Odyssee gedich-
tet ward. Denn das Ding, was wir da haben, das, beim Apollo! das
ist dann gar nicht Homers Odyssee.
Wir dürfen endlich dem Schlufse dieses Abschnitts der Lauer-
schen Arbeit zueilen, welcher uns so lange beschäftigt hat. Was der
Verf. dort S. 130 von dem bisherigen allgemeinen und leeren Gerede
der meisten neueren über Homers Zeitaller sagt und über ihre Träg-
heit, die Gedichte ordentlich zu durchforschen, ist leider nur zu
wahr; schade dafs es ihn selbst vor allen trifft. Was er dann weiter
sagt, man habe sich in unfruchtbaren Rechnungen mit den Angaben
der Alten eingelafsen , ist auch noch wahr, aber die Schuld dieser
Unfruchtbarkeit liegt nicht an den Angaben der Alten. Und was dann
nachher kommt, die Ueberlieferung lafse, wie in BelreiT des Vater-
landes, so auch in Betreff der Zeit Homers uns im Stich, das bedarf
einer wesentlichen 3Iodification. Die Ueberlieferung ist unschätzbar,
insofern sie Angaben des Alters der homerischen Poesie für einzelne
Orte enthält; diesen Inhalt herauszuheben war Lauer blofs zu schwach.
In Bezug auf Homers Persönlichkeit aber läfst uns allerdings auch die
Ueberlieferung der Zeiten im Stich.
Auch in Bezug auf die Zeit, meint Lauer, stehe den Gedichten
allein die letzte Entscheidung zu. Ganz gut, aber Lauers Weg ist ein
Abweg. Fast scheint er das auch selber zu fühlen. Denn er sagt, ein
reicher Stoff an Merkmalen des Alters liege in den Gedichten vor, und
Lauer: Gcscliichle der homerischen Poesie. f)29
er empfehle ihn allen, die Liehe zur Saclie und genug' Scharfsinn hät-
ten ihn aufzuspüren und zu benutzen; ihm selbst verbiete der Zweck
dieser Schrift näher auf diesen Slolf eiuzugohn. Kinigermafsen ko-
misch klingt das allerdings, \^'elches ist denn eigentlich der Zweck
dieser Schrift? Doch wohl vor allem, die Frage nacii Person, Zeil,
Vaterland Homers zu erorlcrn und wo möglich zu entscheiden. Dazu
ist ja von weither ausgeholt worden. Und nun, \\ o der Verf. mit der
Ucberlieferung fertig zu sein glaubt, wo es dran und drauf gehn soll,
nun wird das Schwert eingesteckt, nun verbietet der Zweck?
0 nein, antwortet uns der Verf. , 'in anderer Weise' wollen wir
uns den homerischen Gedichten zuwenden, um mit vorläufiger Bei-
seitelafsung der als unzulänglich erkannten Tradition aus ihnen die
Entscheidung zu holen. Aber, fragen wir armen Leser wieder, was soll
denn das für eine andere \\'eise sein? Ist es auch eine weise? Was
wird uns das zweite Buch wohl für eine Antwort geben?
Es trägt einen sehr stolzen und des Sieges gewissen Tilel, die-
ses zweite Buch: ''der Ursprung der homerischen Gedichte.' Ach wenn
der doch nicht blofs in der Ueberschrift zu sehn wäre !
Es zerfällt in zwei Abschnitte, dieses stolze zweite Buch, deren
erster den Ursprung des Stoffes der homerischen Gedichte behandelt,
der zweite den Ursprung der Form. ■
Der erste Abschnitt, der über den Ursprung des SlolTes, welcher
nicht weniger als 50 Seiten einnimmt, gehört gar nicht hierher. Hätte
Lauer doch die schönen 50 Seiten mit guten Observationen aus den
Gedichten über Vaterland und Zeit angefüllt!
Mit demselben Rechte , mit dem hier vom Ursprünge des Stoffes
gehandelt wird, könnten ja z. B. im zweiten Abschnitte, dem über
den Ursprung der Form, wo Lauer Ursachen, Mittel, Gestalt und Ur-
heber bespricht, Abhandlungen über das Wohlgefallen am schönen,
über die Entstehung der griechischen Sprache und der Kunst Verse
zu machen, über das Verhältnis der griechischen Stämme zueinander,
über den Ursprung des griechischen Volkes, der Indogermanen, der
kaukasischen Race, des ganzen Menschengeschlechts erscheinen.
Diese Klippen zu umschiffen ist dem Verf. in der That gelungen,
aber auf dem Ursprünge des Stoffes blieb sein Schiftlein sitzen. Und
doch führte er im Eingange des Werkes S. 3 Lachmanns Ausspruch
an, er wifse nicht, ob die homerische Frage nicht schon weiter ge-
fördert sein würde , wenn man mit minderem Aufw ande von Gelehr-
samkeit und Theorie nicht alles auf einmal aus den ersten Gründen
zu erforschen versucht hätte, den Ursprung und die Ausbildung der
Iroischen Sagen, die Entstehung von Liedern über die troischen Be-
gebenheiten , und die Entstehung der beiden homerischen Gedichte.
Freilich fordert derselbe Lachmann anders\^ o vom Ilomeriker, er
müfse begreifen, wie sich die Sage vor, mit und durch Lieder bilde;
aber das ist elwas ganz anderes als an diesem Orte eine Abhand-
lung über den Ursprung des Stoffs.
Das, was von der Geschichte der Sage hierher gehört, versucht
Ö30 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
der Verf. im ersten Capitel des zweiten Abschnitts zu geben, wo von
der Wahl und Umwandlung des Stoffes die Rede ist. Der Stoff selbst
wie die Sprache und noch viel anderes ist dem Dichter gegeben; seine
Eigenthiimlichkeit, die Art, wie er wählt und umbildet und darstellt,
das gehört ihm.
Ob sich nun überhaupt ^^'ahl und Umbildung des Stoffes bei Ho-
mer so recht genau nachweisen läfst, diese Frage dürfen wir hier bei
Seite lafsen ; denn das ist deutlich, dafs sie jetzt wenigstens noch
nicht beantwortet werden kann. Ehe man Abschnitte über diesen Ge-
genstand zusammenzustellen vermöchte, wie sie Lauer geben will,
müsten erst ganz andere Vorarbeiten gemacht sein. Und so bleibt denn
auf diesem Punkte der homerischen Untersuchung für jetzt nur übrig
das hervorzuheben, was Lauer S. 158 selbst behauptet und beweist,
es sei für das Verständnis der homerischen Poesie der Ursprung des
Stoffes vollkommen gleichgiltig; gleichgiltig z. B. ob Agamemnon ur-
sprünglich ein Zeus Agamemnon war oder ein irdischer König. Denn
dafs Homer ihn für letztern hielt, ist sicher, und wenn wirklich, was
ich gar nicht glauben kann, irgend einer im Ernst behauptet, Homer
selbst habe den Achilleus für einen Flufs mit flachen Ufern angesehn
oder die Athene für eine Sternschnuppe, so verdient das doch wohl
keine Erwähnung mehr.
Um diese Fragen nun aber, ob die Heroen dem Homer, ob ur-
sprünglich Menschen oder Götter waren, drehen sich die ganzen 50
Seiten dieses Abschnitts. Lauer verficht aus allen Kräften mit der
Geschichtlichkeit des troischen Krieges auch das ursprüngliche Men-
schenthum der Heroen, und führt das namentlich am Beispiele des
Agamemnon aus. Hieran knüpfen sich Erörterungen über die Art, wie
die Menschen dazu kamen , den geschichtlichen Stoff zur Sage um-
zubilden. Dabei wird manches ganz gute gesagt, schade nur dafs es
nicht neu ist; was aber die Hauptsache betrilft, die Frage, ob gött-
licher oder menschlicher Ursprung, so ist es Lauer gar nicht einmal
gelungen , seine Ansicht in ihrem ganzen Umfange zur Ueberzeugung
darzuthun. Denn abgesehn davon, dafs jeder, welcher die Untersu-
chung über Agamemnon liest, das misliche der Lauerschen Deduclion
fühlt, und die Berechtigung der Gegner, an denen nur die Art der
Beweisführung zu tadeln sein dürfte und die Ueber treibung, wie man
denn insbesondere ausdrücklich den Vorbelialt machen mufs, der troi-
sche Krieg dürfe für historisch gelten, auch wenn Agamemnon mit
vielen seiner Unterkönige dem Forscher in die Region der Götter auf-
steige: abgesehn hiervon, wie steht es denn eigentlich mit der Fabel
der Odyssee? Von ihr spricht Lauer hier aulTallenderweise gar nicht,
sondern nennt nur in Aufzählungen beiläufig einmal den Odysseus und
die Penelope. Dafs die Fabel der Odyssee nichts anderes sei als ein
Conglomerat ausgebildeter, d. h. entstellter 3Iythen, läfst sich nicht
leugnen. Lauer sagt ja selber in dem schon betrachteten Aufsatze
über die Volkssage vom Odysseus S. 251 f., Odysseus sei an vielen
Orten als ein agrarischer Gott verehrt worden, und hierin sei nicht
Lauer: Gescliiclitc der lioincrisclieii Poesie. 031
spätere Umbildung; zu seliti, sundern man miilse neben dem lielden-
liaflen Odysseus Homers einen andern agrarischen üdysseus anerken-
nen; beiden, dem agrarischen und dem heldenhaflen, habe ein dritter
Charakter zu Grunde gelegen. Dies letzte ist nicht wahr; der agrari-
sche üdysseus ist der ursprungliche; ihn machten erst die auf der
See sich umlreibonden Kephallenen zu einem Heros der Irfahrten auf
der See. Doch können selbst wir noch in der Odyssee sehr deutlich
erkennen, dals die Locale der Irfulirten ursprünglich nichts anderes
waren als verschiedene AuHalsungen und Gestaltungen des Todten-
reichs, in welches, ganz analog jenen bekannten anderen Mythen, die-
ser agrarische Gott hinabsteigt, um wieder aus demselben hervorzu-
gehn. Mehrere Gestaltungen dieser Sage gab es, weil der 3Iylhos
vom Odysseus mehreren Stämmen angehörte. Als Odysseus dann durch
die Kephallenen zu einem aut der See umgelriebenen Heros gemacht
ward, schien diese mehrluclie Gestaltung des Mythos erwünscht, weil
nun die verschiedenen Gestaltungen des Hades als eine Reihe von
Localen der Irfalirt nebeneinander gestellt werden konnten.
Wem diese Ansichten abenteuerlich erscheinen, der denke zu-
vörderst einmal an die Nekyia im X, in welcher wir eine Gestaltung
des Odysseusmylhos noch in weniger umgebildeter Form besitzen;
weiter an die schon mehr umgebildete Fahrt des Odysseus nach Thes-
protien , einem der bedeutendsten Locale clilhonischen Cultus; sodann
sehe er sich die Namen an und prüfe, ob woiil der JN'ame Odysseus
selbst irgend eine andere Ableitung zulafse als die schon im Alterthum
aufgestellte von ovÖog, ovSag; ob die Namen XßAu^w, TIoXv(p}]{iog^
KiQKT] nicht unverkennbare Bezeichnungen der Gottheit der Unterwelt
sind ; ob die OaCa%ig nicht doch w irklich mit Beiseitelafsung aller
nordischen Todtenschilfer und sonstigen Dunkelmänner von cpäS-og,
goaj-ft), (paiva abzuleiten, so dafs diese Phaiaken sich als die Daemo-
nen ausweisen, welche den in der Erde verborgenen agrarischen Gott
aus der Gewalt der Verhüllerin Kalypso in die Heimat führen; er
überlege, was wohl mit den vcrgefsenmachenden Lolophagen anzu-
fangen sei und mit dem Namen der Charybdis; er bedenke, dafs di<'
Sirenen unzw eifelhaft Sängerinnen des Todes sind ; er kümmere sich
um die von anderen anders angegebenen Eltern der Skylla ; er unter-
suche , an welchen Ort Griechenlands denn eigentlich wohl die Sage
von der Skylla ursprünglich hingehört, und er wird, glaube ich, auf
die Todlcnsladt Hermione geführt werden. Wie diese Gestaltung des
Mythos vom Odysseus, dem Gotle des fruchtbaren Erdbodens, wel-
cher zur hundsköpfigen, menschenverschlingenden Skylla, der Toch-
ter der Ilekate, hinabfährt, die Sage von Hermione ist, so die von
der Fahrt nach Thcsprofien natürlich die des thesprotischen Ephyra,
die im X aber die fhebanische, die von der Kirke die der thessali-
schen Minyer.
Eines genaueren Eingehens in dies Thema darf ich mich ja wohl
um so mehr entbrechen, als in den Tagen, wo ich dieses schreibe,
in der Mille des März, zu Berlin ein Buch verbreitet worden ist, von
632 Lauer . Geschiclile der homerisclieii Poesie.
Hrn. Conrector Osterwald, welclies unter dem Tilel 'Hermes -
Odyseus' (Halle 1853. gr. 8) selbiges Thema bespricht. In der Haupt-
sache verficht es ebenfalls den Gedanken eines agrarischen Odyssens,
in Einzelheiten, und zwar bedeutenden, weichen wir voneinander ab,
■wie jeder schon aus den wenigen eben gegebenen Andeutungen ent-
nehmen kann. Sie sowohl wie auch anderes werden mich gegen den
Verdacht schützen, als habe ich an Hrn. Osterwald ein Plagiat began-
gen; um die gloriola aber der sogenannten Priorität streite ich na-
türlich in keinem Falle mit ihm. Vielleicht aber könnte er, was den
Grundgedanken betrifft, mit einer kleinen Schrift von H. D. Müller
zu streiten haben, die er, so viel ich sehe, niclit citiert, folglich
auch nicht kennt. Sie führt den Namen 'Ares' und ist in Braunschweig
bei F. Vieweg u. Sohn J848 erschienen: ein vortreffliches Werk, des-
sen Verfafser als Philologe unleugbar weit über Hrn. Osterwald sieht,
welcher letztere, beiläufig bemerke ich es um allenfallsigen Befürch-
tungen vorzubeugen, nicht etwa Conrector in der Wifsenschaft , son-
dern in der Merseburger Schule ist.
Indem wir ihm das vorschlagende o in Ovövßevg. im aiolischen
Tdvßevg und im lateinischen Ulixes zur geneigten Berücksichtigung
empfehlen, theilen wir dem Hrn. Conrector zugleich sub rosa mit,
dafs in Berlin in gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen das Gerücht
geht, in dem nur transitiv gebrauchten Svöco pflege das v lang zu
sein, unglaublich lang, in OÖvGevg aber von einer wirklich fabelhaf-
ten Kürze. Wir bitten ferner den Hrn. Conrector, weil er doch die
Etymologien oder vielmehr 'Faseleien' eines mit Unrecht 'geistreich'
genannten Mannes so scharf tadelt und selber den Gesetzen der Spra-
che und des mythischen Gedankens so ungemein treu ist, die Odys-
seussage nicht nach der Schablone der Siegfriedssage zuzuschneiden,
und wenn er den berüchtigten Bäuber, den einäugigen Kerl, 'd-gerta-
veXo Tov ÄvJcAcoTra, wenn er diesen berüchtigten HoXvcprj^og an einem
anderen Orte wiedersieht, oder auch das Digamma in Oalaxeg, beide
freundlich zu grüfscn. Auch das von ihm angenommene Digamma in
Alay.og dürf(e hierher gehören ; und da w ir trotz der oben gegebenen
freundschaftlichen Winke nichtsdestoweniger der unmafsgeblichen
Ansicht sind, dafs der Ovövßevg doch in gewisser Beziehung nicht
nur ein ^vßofxevog sei, sondern auch ein odvGßaaei'og und ein dvßevg,
nemlich in Beziehung auf den Hrn. Conrector, so möchte es nicht un-
passend erscheinen, einmal bei dem Aiazog angelangt, dem Hrn. Con-
rector zu wünschen, dafs dieser 'bekannte Todtenrichter' ihm einen
gnädigen Blick schenke, dafs er ihm nur so lange noch als Oaia^ er-
scheine wie nöthig ihn zu erleuchten. Vielleicht sieht er dann wenig-
stens, dafs es aufser ^aiai, noch andere Wörter auf ä^, ÜKog gibt,
dafs man sich also bei einer Untersuchung über die Endsilbe jenes
Wortes nicht darauf beschränken dürfe, y.öXa'g^ öKuip und aXcoip zu
vergleichen. Vielleicht wird es sogar dem Hrn. Conrector einleuch-
ten, dafs die Vergleichung des lateinischen r<7P, welches sich für den
Hrn. Conrector zu einem rechten vne tibi zu gestalten droht, mit dem
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie. 633
griechischen av nicht genüge um zu erhärten , dafs das Wort AiuKog
mit einem Digamma beginne. Bei der grofscn Liebe, welche der Hr.
Conrector für die gricchisclie Poesie zu hegen beliauptct, hälfe man
erwartet, daTs er Stellen griechischer Dichter herzeigen werde, wo
jenes Wort oder ein von ilim abgeleitetes vorn das Digamma hat.
Ich meinerseits kenne nur Stellen, wo Aiakos und die Aiakiden jenes
Digamma vorn nicht haben; doch bescheide ich mich gern nicht so
belesen zu sein wie der Hr. Conrector, erwarte nun aber nachträg-
lich dergleichen Nachweisungen, und freue mich schon im voraus auf
neue Fragmente, vielleicht gar Auekdola aus einem Papyrus der Mer-
seburger Bibliothek. Mittlerweile würde ich den Hrn. Conrector auf
die Ausgabe der J-tAJ-mg von Payne Knight verweisen, und überhaupt
noch etwas länger bei diesem interessanten Gegenstande verweilen,
wenn ich nicht fürchten müste den Anschein zu gewinnen, als habe
ich, wie die Hellenen bei Salamis, gegen den Hrn. Conrector die
Aiakiden zu Hilfe geholt. Dies zu thun ist in der That nicht nöthig,
obgleich der Hr. Conrector allerdings ganz wie ein Barbar aussieht.
Letzteres dürfte indessen nur bewirken , dafs niemand etwas dagegen
hat, wenn der Hr. Conrector mit seinem J-aiaKog, diesem ^Manne des
Wehes', mit dem nordischen Fafnisbani und dem indischen Sarameyas,
mit Loptr, Hroptr und Hrimfaxi durch die Waberlohe in das Haus
der Hei reitet. Dort mag er mit diesem wilden Heere, dessen wir in
Griechenland nicht benöthigt sind, mit seinen Rhapsoden, den Früh-
lingsräthselsängern , mit seinen Homeriden, den Sängern verzückter
Zauberlieder, mit dem wunderbaren Hunde seines Sophokles, mit der
ganzen wüsten Gesellschaft mag er dort die Anthesterien feiern oder
auch die Apaturien, und dabei den Hrafnagaldr singen:
Thrains Ausspruch
Ist schwerer Traum,
Dunkler Traum
Ist Dains Ausspruch.
Den Zwergen schwindet
Die Stärke.
Aber wir wagen es den Herren Fafnisbani et Comp, mit der de- und
wehmüthigen Bitte zu nahen, sie möchten barmherzig sein und das A
und das x nicht ganz und gar für unecht, dagegen die avaKe(paXcd(oßtg
im ip doch um des Himmels willen nicht für echt halten , die ' letzte
Redaclion' aber der Odyssee wenigstens nicht in die Zeit des Ulphi-
las setzen. Auch wäre es wünschenswerth , wenn der Hr. Conrector
mit seinem langen, grofsmächtigen Speer, ich meine die ^Qaßöog' oder
den ^raptus'^ wenn er mit diesem '^ Habenzauber' in seiner ^ rnbi.es''
G. W. Nitzsch doch nicht ganz durchbohrte , andererseits aber gegen
ihn sich doch nicht so in einem Athem auf ^Wolf, Welcker, Lach-
mann, Bernhardy und wie viele den Wolfschen Principien huldigende
grofse Philologen sonst noch' beriefe. Denn hier walten Unterschiede
und Aehnlichkeiten ob, speciell in Homericis und überhaupt, welche
nur ein so grofser Mann wie der Hr. Conrector verkennt. Dem Ari-
634 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
starch, als welcher durch gröfsere Verliefung in die Unklarheit zur
näheren Vermittlung eines innigeren Verständnisses bei unsern sinni-
geren Zeilgenofsen so wenig leistete, dem könnten wohl noch einige
Fufstritte vom Hrn. Conrector beigebracht und dabei Grazie entwik-
kelt werden.
Scherz bei Seite, wenn Hr. Osferwald S. VII die Befürchtung
äufsert, sein Lehrer Bernhardy möchte ihn vielleicht für einen Dilet-
tanten ansehn, so darf man hierüber woiil nicht geradehin urlheilen;
wenn aber Hr. Osterwald glaubt, in seiner Schrift wifsenschaftlich,
scharfsinnig, grtindlich, methodisch zu sein, so ist er imirthum; und
in einem noch weit gröfseren, wenn er S. X. XII. 157 vermeint, mit
dieser Schrift den Homerikern auf den philologischen Leib
gerückt zu sein und der homerischen Frage eine ganz
neue Wendung gegeben zu haben. 3Iit dieser Frage haben
selbst die trefflichsten Forschungen über den Ursprung der Sage nichts
zu thun, und die Beziehung, in welche Hr. Osterwald Sage und Ge-
dicht setzt, ist albern, wie sein Lehrer Bernhardy ihm hoffentlich
schon gezeigt haben wird.
Unsern Lauer hat Hr. Osterwald auch gelesen. Er erklärt seine
Schriften für trefflich , sieht in ihnen die gediegensten Forschungen
der Philologie, in ihm selbst aber eine tiefe Natur. Bei alle dem aber
hat er gar nicht einmal verstanden, was Lauer in seiner quaestio Avill:
er schreibt ihm S. 53 die Behauptung zu, das A sei eine Interpolation
und späteren Ursprungs.
Was aber den hier vorliegenden mythologischen Punkt betrifTt,
so werden andere wenigstens nicht behaupten, dafs Lauer sich auf
ihm als eine umsichtige Natur zeige. Er hat sich vielmehr hier wie
gewöhnlich in einer einmal gefafsten Ansicht verrannt; er eilt dem
König der Männer Agamemnon nach und sucht ihn festzuhalten, ohne
umzuschauen, ob ihm dabei nicht vielleicht unversehens der göttliche
Odysseus in den Rücken falle.
Wir kommen von den aTtQOGÖtovvßOLg dieses ersten zum zwei-
ten Abschnitte, dem Ursprünge der Form. Er zerfällt in zwei Capitel,
*die qualitative Form' und 'die quantitative Form.' ^^'as heifst das,
quantitative Form, qualitative Form? Lauer behandelt unter der letz-
teren Ueberschril't die \\'ahl und Umwandlung des Stoffes, unter der
ersteren Ursachen, 3IitteI, Gestalt, Urheber. Nun ich will über die
Ausdrücke nicht rechlen, aber so viel ist gewis, dafs Lachmann sie
in dieser Weise nicht gebraucht hätte, dafs ihm dergleichen in tief-
ster Seele zuwider \^ar und von ihm als "^viel zu theoretisch' abge-
wiesen ward. Freilich wird aber Lauer auch wohl seines Lehrers
Unbekannfschaft mit jeder höheren wifseuschaftlichen Idee zu bekannt
gewesen sein, als dafs er ihm in solchen Sachen hätte folgen sollen;
auch stimmt der Charakter der fraglichen Ausdrücke sehr wohl zu
dem Tolaleindrucke, welchen dieses zweite Buch macht. Denn Lauer
sucht in ihm den Homer so recht nach Herzenslust a priori zu con-
struieren, wie das alles von Anfang der Dinge an und aus der tiefsten
Lauer: Gescliiclilc der homerischen Poesie. 635
Menschennalur und den Verhältnissen heraus genau so und nicht an-
ders bis ins einzelnste hinein sich habe entwickeln niüfsen. lov iovl
to Zev ßaßilEv^ xo %Qri^ci trjg vvKxog ocTov ccTriQccvrovl Wenn dieses
wellweisen Lauers tiefe Natur doch nur erst alle die Thalsachen er-
gründet hätte, dals es sich in den und den Momenten entwickelt hat,
und dafs diese Momente an den und den Ort und in die und die Zeit
fallen, und was sich überhaupt entwickelt hat, ob einzelne kleinere
Lieder oder zwei grofse Epopoeen: das Wie und das Warum hätte
sich nachher schon ganz beiläufig von selbst gefunden. Jenes that-
sächliche aber läfst sich durch Schlüfse a priori aus der Nothwendig-
keit einer so oder so gestalteten Entwicklung heraus nicht feststellen,
sondern nur auf dem entgegengesetzten, dem philologischen Wege.
W^as im einzelnen den Inhalt des ersten Capitels betrifft, die
Wahl und Umwandlung des Stoffes , so finden sich hier zwei brauch-
bare Bemerkungen, nemlich S. 182 die, dafs die ältesten Sagen sich
vorzugsweise mit Kämpfen gegen wilde Thiere , Räuber, Unholde n.
dgl. beschäftigen, und S. 183 die, dafs die Rias wie die Odyssee
einen sehr kleinen Hintergrund von Sagen habe, indem zwischen den
Helden und ihren göttlichen Stammvätern höchstens drei Geschlechter
lägen, dafs es demnach in der homerischen Zeit erst wenig Sagen ge-
geben zu haben scheine , das meiste vielmehr den Kyklikern und ge-
nealogischen Dichtern gehöre. Diese Bemerkung ist gut, ob sie gleich
modiüciert werden mufs, z. B. wegen der Genealogie des Aineias im
T. Sie macht dem unausstehlichen allgemeinen und unbestimmten
Gerede vom unerschöpflichen Borne der Sage ein Ende, welcher in
den homerischen Gedichten sprudle, bei den Kyklikern aber vertrockne.
Aber Lauers eignem Geiste verdankt diese Bemerkung so wenig wie
die über die Thierkämpfe ihren Ursprung. Und abgesehn von diesen
beiden Bemerkungen ist auch dieses ganze Capitel nichts als ein all-
gemeines Gerede, was für Homer wahr sein kann und auch nicht, ein
Eintheilen und Schematisieren und Rubricieren und Deducieren ohne
concreten Inhalt. Was hier stehn dürfte, wäre ein Nachweis, in wel-
cher Gestalt Homer die einzelnen Sagen übernahm und w arum er sie
so und so umformte. Vermochte Lauer diesen Nachweis nicht, nun so
muste er dies bekennen und weitergehn.
Im zweiten Capitel, von der quantitativen Form, versteht sich
Lauer nun endlich dazu, der Sache wieder etwas näher auf den Leib
zu rücken. Dies geschieht aber mit aller denkbaren Weitschweifigkeit,
in einer Menge von W^inkelzügen und Flausen , die eben so ermüdend
wie nutzlos sind.
Der erste §. handelt von den 'Ursachen', weshalb man die Sagen
darstellte, und führt als Antwort die Sätze aus, dafs die aus den
Heldenthaten entsprungene Empfindung sich nur habe in Form der Er-
zählung objectivieren können, und dafs die Menschen einer angeneh-
men Unterhaltung bedurft hätten, ^^'elche Gemeinplätze! Als ob es
sich nicht von selbst verstände, dafs man die Sagen nicht deshalb
vortrug, um sich und andere zu ennuyieren, und dafs die Erzählung
636 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
einer Heldenthat geeigneter ist die durch sie mögliche Empfindung
hervorzurufen als allgemeines leeres Gewäsch.
Der §. 2 handelt von den ^ Mitteln', d. h. er erörtert die Frage,
ob die Erzählung allein gestanden habe oder ob und inwiefern sie un-
terstützt war von Tanz und Musik, und ob es schriftliche Erzählung
war oder mündliche. Was hierüber in Bezug auf die Zeit vor Homer
gilt, darüber, denke ich, sind alle einig, und der Verf. hätte höch-
stens die aus Homer sich ergebenden Resultate nennen dürfen. Ob
diese auch auf Homer selbst anwendbar sind, ist eine andere Frage,
die hierher noch nicht gehört, vom Verf. hier auch noch nicht erör-
tert wird, und welche jeder sich wohl dann erst vollständig beant-
worten kann, wenn er mit anderswo liegenden Gründen über die
Frage nach der Einheit der Gedichte sich so oder so entschieden hat.
Der §. 3 handelt von der 'Gestalt', d. h. er bespricht die Fragen,
ob die Erzählung metrisch oder prosaisch war, und ob es grofse oder
kleine Composilionen waren, lieber das letztere sind ebenfalls alle
einig in Bezug auf die Zeit vor Homer, es handelt sich nur um Ho-
mer, um ihn selbst, mein bester Lauer, ob Hias und Odyssee die er-
sten grofsen Schöpfungen waren, die sich zu den vorangehenden
kleineren Liedern wie Herodots Werk etwa zu den Arbeiten der Logo-,
graphen verhalten, oder ob die homerische Poesie auch nur lauter
kleinere Lieder schuf, aus diesen aber Hias und Odyssee später von
anderer Hand lose zusammengefügt sind. Dies ist die Frage, und nur
dies; hie Rhodus , hie salta. Das erstere aber, die metrische oder
prosaische Darstellung der Sage, kann ja auch nicht dem mindesten
Zweifel unterliegen und durfte höchstens kurz erwähnt werden. Ueber-
dies ist die ganze Deduction wieder a priori, und den schlagenden
Beweis a posteriori, dafs das vollendete des homerischen Versbaues
eine vorhergehende Kunstübung beweise, hat Lauer übersehen oder
nicht gewürdigt der Aufnahme in die langsam und feierlichen Schrittes
fortschreitende und sich aus sich selbst entwickelnde Entwicklung.
Und warum gerade der daktylische Hexameter die metrische Form
dieser Poesie ward, diese Frage ist nicht einmal erwähnt, obgleich
sie vor den Füfsen liegt und wenigstens eben so berechtigt ist wie
die von Lauer besaalbaderten.
Der §. 4 handelt von den 'Urhebern', d. h. in weniger abstracter
Sprache von den Dichtern. Auch wieder eine bekannte Sache, dies-
mal aber hat Lauer gut zusammengestellt. Und nun endlich, endlich,
spricht er denn auch S. 204 das grofse Wort, bis hierher führe ein
gemeinschaftlicher Weg alle Freunde Homers, auf diesem Punkte
trenne man sich, die einen sähen in Hias und Odyssee die ersten um-
fangreichen Schöpfungen, die anderen zwei Sammlungen kleinerer
Lieder. Und nun geht es endlich, endlich, an eine zweckmäfsige Be-
trachtung der Gedichte selbst, und wir stehen wieder auf dem Punkte,
auf dem wir schon S. 130 standen, wo sich gezeigt hatte, dafs die
Ueberlieferung die letzte Entscheidung nicht bringe. Hier hätte der
Verf. meiner unmafsgeblichen Meinung nach gleich hinter S. 130 fort-
Lauer: Geschichte der homerischen Poesie. 637
fahren sollen, nachdem als Eiiilcilunff auf wenigen Seiten dem zwei-
ten Buche, der Betrachlunjyi: der Gedichte und des aus ihnen selbst
sich ergebenden einige kurze Notizen über die vorhomerische Sage
und Poesie vorangeschickl waren.
Wenn nun aber der unglückliclie , welcher bis zu diesem Punkte
durch so viele maeandrische Krümmungen sich zurückgewunden, jetzt
endlich eine Befriedigung seines im ersten Buche auf den höchsten
Grad getriebenen und im zweiten so lange nutzlos hingehaltenen lleifs-
hungers erwartet, so irrt er sich gewaltig.
Denn was erwartet er? Ohne Zweifel erstens eine genaue Kritik
der Lachmannschen Forschung über die Theiie der llias, zweitens eine
Forschung über das Verhältnis, in welchem die Thoile der Odyssee
zueinander stehen, drittens eine Forschung über Zeitalter und Vater-
land der einzelnen neugewonnenen Lieder oder der beiden grofsen
beibehaltenen Gedichte nach den in ihnen selbst liegenden Indicien.
Von allen drei Dingen gibt aber Lauer nicht eines.
Er begnügt sich vielmehr damit, von der Lachmannschen Unter-
suchung über das A und seine Stellung zum B eine erläuternde und
systematisierende Paraphrase zu geben , deren pedantische Manier den
frischen Hauch geistiger Kraft in den betrelTenden Abschnitten des
Lachmannschen Buches kaum ahnen läfst. Als unwesentliche Zuthat
erscheint dabei erstens die Widerlegung einiger Lachmann gemachter
Einwürfe, welchen man vielleicht gar nicht die Ehre anthun sollte sie
zu erwähnen, und zweitens die Modificatiou , Lachmanns zweite Fort-
setzung des ersten Liedes sei nicht für eine Fortsetzung anzusehn,
sondern für ein Lied, d. h. für ein selbständiges Ganzes; der Anfang
sei der Zusammenfügung halber fortgelafsen.
Und nachdem diese Heldenthat vollbracht, heifst es S. 211: ^Da-
mit ist die ganze Frage eigentlich schon entschieden und es bedarf
hier keiner Anhäufung von Beispielen , sondern nur einer einfachen
Hinweisung auf die Schriften jener Männer, deren Scharfsinn wir die
Entdeckung verdanken, dafs die Hias eine gut oder übel verbundene
Sammlung von Einzelliedern ist.'
Nein, mit der Untersuchung über das A und seine Stellung zum
B ist eigentlich so wenig wie uneigenflich die ganze Frage schon ent-
schieden; denn man kann ja, wenn man Lachmann alles zugibt, doch
sagen, aus dem Anfange der Hias sei beim stückweisen Vortrage der
Rhapsoden im Lauf der Jahrhunderte ein ganzes Stück verloren ge-
gangen und durch die zweite Lachmannsche Fortsetzung des ersten
Liedes von anderer Hand ersetzt worden, von Peisistratos vier An-
ordnern oder schon früher. Erklärte doch Lachmann selbst (Ausg. v.
1847 S. 18) sogar nach Abschlufs der Untersuchung über das jT, gegen
diese Ansicht habe er theoretisch nichts zu erinnern, nur müfse sie
bewiesen werden.
Noch weniger aber folgt aus diesem Stückchen Untersuchung ir-
gend etwas für die Odyssee. Denn sogar dann, wenn man zugibt, die
638 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
Ilias sei unwiderleglich in eine Anzahl kleiner Lieder gesondert, darf
man nichtsdestoweniger die Einheit der Odyssee verfechten.
Aber angenommen, es sei zweifellos und auch schon bewiesen,
dafs Ilias und Odyssee nichts als Sammlungen kleinerer Lieder seien,
angenommen. Lauer brauchte sich hier nur auf den Scharfsinn jener
Männer zu berufen, dies angenommen erscheint Lauer im Lichte der
possierlichsten Lächerlichkeit. Denn wenn das Ergebnis der Unter-
suchung schon feststeht, warum thut da Lauer auf den 200 Seiten vor-
her so, als ob es noch nicht feststehe? Als ob es zu seiner Feststel-
lung noch der gröfsten Anstrengung und des namhaften Schweifses
der edeln bedürfe? "Warum nimmt er nicht gleich anfangs den hier
plötzlich eingenommenen Standpunkt ein. warum beginnt er nicht mit
dem Satze , wir seien jetzt endlich zur Klarheit über die Wolfsche
Frage gekommen, wir wüsten, dafs Ilias und Odyssee Sammlungen
kleinerer Lieder seien; von diesem jetzt gewonnenen Standpunkte aus
wolle er eine Geschichte der homerischen Poesie schreiben, wolle das
neu gewonnene in Verbindung mit dem früher bekannten setzen, wolle
untersuchen , inwiefern sich dadurch die Geschichte der homerischen
oder überhaupt der altern griechischen Poesie anders gestalte, wolle
die Ueberlieferung des Alterthums vom Homer kritisch beleuchten,
um zu ergründen, wie sie mit dem Lachmannschen Resultate zu ver-
einigen sei, wolle versuchen, die vielfach voneinander abweichenden
Angaben der Alten über Zeitalter und Vaterland Homers zu deuten.
Es ist klar, dafs der Verf. entweder gleich so beginnen, oder
S. 205 eine neue grofse Untersuchung über jene drei genannten Punkte
anstellen muste. Jedes dritte war lächerlich; am lächerlichsten aber
der possierliche Mummenschanz , w eichen unser Lauer 200 Seiten hin-
durch mit seinem Leser sich erlaubt, um hier plötzlich die Maske sin-
ken zu lafsen und den Wolf (ich meine den Friedrich August Wolf)
im Schafskleide zu zeigen.
Lauer fügt seiner Berufung auf den Scharfsinn jener Männer noch
die Bemerkung bei, von dem X hätten schon die Alten behauptet, es
sei ein besonderes Lied gewesen, und hiermit bricht nach der Erklä-
rung der Hrn. Herausgeber das druckfertige Manuscript Lauers ab.
Schon die Note, in welcher die Litteratur der Wolfschen Partei über
die Ilias angeführt wird, ist von den Hrn. Herausgebern hinzugefügt
worden, und dann die Citation von Schol. V Ä 1 0aal x7}v Qciiptoöiav
v<p'0^t]QOV iöia rerai'&ai xal (i'tj eivac [iSQog rijg 'IXiadog, vno ds
neLaiaxQcaov rerax&ai, dg ti]v nolrjßiv.
Bei dieser letztern Note habe ich zu erinnern, erstens, dafs die
Bemerkung im V gar nicht bei Kl steht, sondern vor Kl als eine
Art Eingang zu den Scholl. V für dieses Buch; zweitens, dafs die un-
gemein wichtige Parallelstelle des Eustathios nicht beigefügt ist, wel-
che gerade denselben Platz hat wie die im V, vor iCl, p. 758, 41 ^aöl
de OL nccluLOi xt)v ^a^pcoöiav ravrrjp v(p 'O^riQOv iöia. x£rci%&aL xal fxt]
iynaxaXEyijvai xolg fiigsöt xijg 'ifiidöog , VTto ös nsiGiaxQcitov xExayj&ui
£ig xrjv Ttoirjatv. Hier lehrt das oi nuXuLoi^ dafs Eustathios die Notiz
Lauer : Geschichte der homerischen Poesie. 639
dem ihm vorliegenden, aus den bekannten Schriften des Arisfonikos,
Didymos, Nikanor, Ilerodian zusammengesetzten Commentar entnahm,
und die wörtliche Uebereinstimmung zwischen Eustathios und dem V,
welchem, wenn er allein steht, niclil allemal zu trauen ist, sie be-
weist, dafs die Worte genau so in jeni-n» Commentar standen, und der
Umstand, dafs die so verbürgte und an sich so verständige Ansicht
nicht als eine von den TralaLOtg blofs referierte auftritt, sondern als
die Behauptung der naXcaol selbst, dieser Umstand zeigt, dafs wir es
mit einer Meinung des Grofsmeisters Aristarch selbst zu thuu haben.
An einen Vorgänger Aristarchs, den Arisfophanes von Byzanz etwa
oder den Aristoteles, dürfen wir schon deshalb nicht denken, weil
dann eine Diple bei K 1 stehn müste, wie Zll9 über die Stellung der
Partie vom Glaukos und Diomedes 7^ ÖLTtXij, ort ^eraTL&iaöl xiveg cc\-
XcciÖgs xavrt]v t?}v av6rc(oLv. A. Dafs aber eine solche Diplc bei K 1
nicht stand, lehrt die Stellung, welche die betreffende Notiz bei Eu-
stathios wie im V hat. Hieraus geht denn auch zugleich hervor, dafs
diese Notiz nicht durch Aristonikos, sondern durch Didymos etwa in
die Scholien kam. Aber wie ? ^^ enn sie durch kein kritisches Zei-
chen im Text angedeutet ist, mufs man sie da nicht auch dem Ari-
starch selbst absprechen? 0 nein, man mufs nur sagen, sie sei jünger
als die zweite Ausgabe, sei eins der letzten und reifsten Ergebnisse
der aristarchischen Kritik , für die Wolfianer gewis das theuerste Ver-
mächtnis.
Sehen wir jetzt zu, wie den Hrn. Herausgebern die vorherge-
hende Anmerkung gerathen ist. Sie beginnt mit ^^'erken, in denen
einzelne Andeutungen von dem sich fänden, was am umfal^endsfen und
fruchtbarsten Lachmann gab, und da steht Hrn. A\ eifses Buch über
das Studium des Homer voran. Aber kann man denn dies Buch über-
haupt anständigerweise eitleren, ein Buch, welches unter anderm be-
hauptet, das ganze £, auch nach Lachmanns Urlheil eins der herlich-
sten Stücke im Homer, sei schlechte Poesie und (S. 56) ein Erzeugnis
der Leber und des Unterleibes? Haben die Hrn. Herausgeber wohl
auch das Buch gekannt? ^^'enn sie es nicht kannten, wie citierten sie
es? Und wenn sie es kannten, wie citierten sie es? Und wenn sie es
citierten, wie citierten sie neben ihm so viele andere Werke nicht,
wie z. B. Frauceson, ^^ ilhelm Müller, Geppert? Kannten die Herren
etwa alle diese Schriften nicht? Aber ihnen stand ja doch aus dem
Lauerschen 'Schatze' das überaus reiche und sorgfältige Verzeichnis
der homerischen Litteratur zu Gebot, das die gänzliche Unzulänglich-
keit des Nettoschen Versuchs auf den ersten Blick erkennen liefs !
Aber was rede ich da für eine leere Rede? Sollte man es glauben, in
dieser Anmerkung zu der Stelle vom Scharfsinn jener Männer der so-
genannten Kleinliedertheorie, in dieser Anmerkung sind nicht einmal
die Prolegomena erwähnt, die Prolegomena von Friedrich August
Wolf. — Die zweite Citation der Herren nennt die Blätter für lite-
rarische Unterhaltung 1844 S. 503 ff. (lies 501 ff.). Dies ist aber nichts
mehr und nichts weniger als eine Recension des Lachmannschen Buchs,
640 Lauer: Geschichte der homerischen Poesie.
muste also hinter Lachmann stehn. Und wenn sie ciliert ward, so
musten auch alle andern Recensionen citiert werden, alle Schriflen,
die in Lachmanns Sinne weiter zu gehn versuchen oder sich ihm ent-
gegenstellen, alle, ohne Ausnahme. Oder meinen die Herren vielleicht,
dafs Lachmann seine Gegner zu scheuen hat und sie deshalh wie Vogel
Straufs nicht sehn will? — Brechen wir ab, es wäre unnütz nach
Gründen für die Anordnung solcher Noten zu suchen.
In w elcher Art Lauer selbst seine Darstellung weiter zu führen
beabsichtigte, weifs ich aus dem Grunde nicht, weil man dergleichen
bei einem Buche wie dieses unmöglich errathen kann. Die Hrn. Her-
ausgeber lafsen nach ihrer Erklärung §. 211 Anm. 108 zunächst einige
Zeilen aus dem Lauerschen Collegienheft folgen, ^entnehmen' dann die
weitere Fortsetzung dem 'Homer und die Kreophylier' überschriebe-
nen Aufsatze und fügen endlich in unmittelbarem Anschlufse das Ende
der Lauerschen Habilitationsschrift an. So wird ein äufserer Zusam-
menhang hergestellt. Aber das Thema ist durch die zusammengefügten
Stücke auch in des Verf. Sinne nicht gedeckt. Denn der Aufsatz 'Ho-
mer und die Kreophylier' setzt nur auseinander, dafs die Griechen
bei ihrer ^^'anderung aus Europa nach Asien Lieder mit hinüberge-
bracht hätten, und welcher Art diese gewesen seien; wie diese dann
in Asien durch die Homeriden auf Chios umgestaltet worden, aus wel-
chen Gründen , zu welchen Zwecken, unter welchen Umständen; zu-
letzt wird die Frage aufgestellt, ob die chiischen Homeriden die Hias
und die Odyssee gesungen hätten oder nur die Hias. Das Ende der
Habilitationsschrift aber beschränkt sich darauf, diese letzte Untersu-
chung Aveiter zu führen, bis zu dem Resultat, den Homeriden von
Chios gehöre die Hias, den Kreophyliern von Samos die Odyssee.
Da fehlt also das im ersten Buche so sehr hervorgehobene aioli-
sche Smyrna, da fehlt Kolophon, da fehlt los; und auch in dem ge-
gebenen vermifst man mehrmals die Anknüpfung an das frühere und
sogar die Uebereinstimmung. Es ist ein ganz anderer Gedankenkreis,
wie aus einer andern Welt; zu dem abgebrochenen Hauptwerke passen
diese nicht einmal untereinander überall ganz genau stimmenden Stücke
wie die Faust aufs Auge.
\^'ie können also die Hrn. Herausgeber Vorr. S. XII erklären,
das zweite Buch seien sie im Stande gewesen zum Abschlufs zu brin-
gen? Welch unordentliches und unüberlegtes Verfahren! Haben die
Herren das vielleicht von Lachmann gelernt? Geht man so mit dem
nachgelafsenen 'Schatze' eines Freundes um? Wohl dürfte Lauer
sagen: 'Gott bewahre mich vor meinen Freunden, mit meinen Feinden
kann ich ohnehin nicht fertig werden."
Es ist freilich ein solches Verfahren der eignen Art Lauers ganz
homogen, und hat insofern hier eine Art von Berechtigung. Dies mufs
man den Hrn. Herausgebern einräumen, die wahrscheinlich nur des-
halb so verfuhren, um möglichst treu im Stil zu bleiben, dafs die Er-
gänzung nicht etwa befser scheine als der Torso selbst. Nichtsdesto-
weniger hätte es sich verlheidigen lafsen, wenn alles so blieb, wie
Lauer: Gescliiclilc der homerischen Poesie. G41
Lauer es hinterliefs, wenn die Geschichte der homerischen Poesie kei-*
nen 'Absclilurs' erhielt, die kleineren Aufsätze aber und das ganze
Collegienhcft unverändert hintereinander abgedruckt wurden. Zu
schön würde diese Art von Supplement gewis nicht geworden sein im
Vergleich mit dem unvollendeten llaui)t\verke; war es ja doch derselbe
Vertal'ser! Den innern Zusammenhang aber iiälte der mitforschende
schon selber gefunden, wie ich ja z. B. den Gedankengang über das
hoiolische der IVekyia aus den drei Lauerschen Sciiriflen ganz richtig
herausgefunden zu haben glaube. Und dann hätte man doch drei voll-
ständige Arbeiten und eine nicht mangelhaft fortgesetzte, während
jetzt alles in dieser Gegend Fiickwerk ist.
Dafs indessen die Hrn. Herausgeber, wo eine Partie in doppelter
Bearbeitung vorlag, die befsere Fafsung ausgesucht haben, das wer-
den wir voraussetzen mülsen. Um so gerechtfertigter ist es, wenn
wir aucii hier noch einige Worte der Beurtheilung sprechen, welche
ja die Wifsenschaft ohnehin fordert.
Von Richtigkeit im ganzen oder zum grofsen Theile kann gar
keine Rede sein; einzelne Bausteine, Notizen und Citationen mögen
gelten. Das Ganze ist Mieder a priori, und der erste Salz, auf den es
aufgebaut wird, ist entschieden falsch. Diesen Salz bildet nemlich
die Behauptung, dafs vor den Wanderungen die Lieder der einzelnen
Völkerschaften über den troischen Krieg und die andern Stoffe gänz-
lich voneinander isoliert waren, indem die Dichter jedes Staates nur
den engen Gesichtskreis der Heimat festhielten, ohne sich um die Lie-
der, Sagen, Auffafsungen der Nachbarn irgendwie zu kümmern. Dies
ist nun aber lediglich eine Einbildung Lauers. Es ist nicht der Schat-
ten eines Grundes da, warum die Dichter, die denn doch damals ge-
wis auch schon (vergl. q 382 B 594) zum grofsen Theil fahrende Leute
waren , und von denen gew is nicht einer sein Leben lang wie ein
Pllanzenthier immer auf der Stelle festsafs, welche ihn gebar, warum
das gewis auch damals schon bewegliche und leichtblütige cpvXov
aoiöcöv sich auf so traurige Weise selber sollte borniert und in die
Zwangsjacke gesteckt haben. Dazu war auch überhaupt damals schon
der ganze Verkehr zu lebhaft, wie Homer und alle anderweitig über-
lieferten Sagen und die Natur des Landes genugsam lehren.
Ist nun aber diese erste Lauersche Idee falsch, so fällt auch gleich
die folgende mit, dafs bei den Wanderungen auf der Küste Asiens
Sänger der verschiedenen Stämme zusammengetroffen, hier erst in der
Noth der neuen Heimat einander näher getreten, auf Chios die Innung
der Homeriden geschlofsen und in ihr erst das Werk des gegenseiti-
gen Austausches und der Umarbeitung der altern Lieder begonnen,
indem die stammlichen Besonderheiten soviel wie möglich aus diesen
altern Liedern verwischt, alles so gut es gieng gleichförmig gemacht,
und so durch wiederholte Umformung zuletzt dann die homerische
Poesie zum Vorschein gebracht ward. Ich glaube vielmehr getrost
behaupten zu dürfen, dafs lange vor der ionischen Wanderung z. B.
in Athen die argivischen Sagen vom troischen Kriege so gut bekannt
yv. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVII. Hfi. 6. 42
642 Lauer: Geschiclite der homerischen Poesie.
waren wie in Argos selbst, und dafs ich meinen athenischen Homer
nicht erst in Smyrna etwa in den durch ihn verherlicliten SlolT voll-
kommen einzuweihn brauche. War doch ein grofser Theil des Pelo-
pidenreichs von den nächsten Verwandten der Athener, von loniern
bevölkert, die ganze Nordküste am korinthischen Meerbusen; und
ebenso auf der andern Seite am saronischen die dem Diomedes ge-
hörige Akte, wo namentlich Troizen mit den Athenern die genauste
Freundschaft unterhielt. Aus diesen Verhältnissen erklärt sich bei-
läufig auch die Theilnahme Athens am troischen Kriege, welche Lauer
S. 220 unüberlegterweise zu leugnen nicht übel Lust zeigt, erklärt
sich ferner, warum das Kind Orestes vor Aigisthos gerade nach Athen
gerettet wird, erklärt sich, warum gerade der Athener Homer der
Herold von Agamcmnons Ruhm werden konnte, erklärt sich endlich
auch noch die Zulafsung von Epoiken ans Kyme, einer von Agamcm-
nons Nachkommen beherschten Stadt, in die athenische Colonie
Smyrna.
Aber kehren wir zu unserm Lauer zurück. Das Hervortreten der
Homeriden, welches auch hier ganz unrichtig erklärt ist, werde ich,
meinem schon gegebenen Versprechen gemäfs, andern Orts motivie-
ren. Sonst aber will ich von Einzelheiten auf diesem Punkte der Lau-
erschen Untersuchung nur noch die Andeutung hervorheben, S. 222,
das homerische Datum Herodols, welches hier für das Jahr 840 v. Chr.
genommen wird, möchte auf das Entstehn der Form der homerischen
Lieder zu beziehn sein, in der sie uns die Hias und die Odyssee zei-
gen. Diese Ansicht scheint Lauer später selbst aufgegeben zu haben;
wenigstens ein Altersunterschied zwischen Hias und Odyssee, wie ihn
das Hauptwerk annimmt, und wie er S. 230 in dem Bruchstück aus
der Habilitationsschrift wieder auftaucht, erscheint dabei nicht be-
rücksichtigt.
Und nun zum dritten und letzten Theile dieser Lauerschen Aus-
einandersetzungen, der Deduction, die Homeriden auf Chios hätten die
Hias gedichtet, die Kreophylier auf Samos die Odyssee. Laners un-
glückliche Manier, von einem einmal gefafsten Gedanken aus unauf-
haltsam vorwärts zu gehn ohne rechts oder links zu blicken, ob nicht
todbringende SeitenangrifFe nahen, diese Manier zeigt sich hier zum
letztenmale wie die Sonne vor ihrem Untergange in vollem, strahlen-
dem Glanz. Ich höre, dafs jemand namentlich diese Deduction über
den samischen Ursprung der Odyssee öffentlich zur nähern Prüfung
empfohlen habe; ich mag nicht fragen, wer das thut, ich will es nicht
wifsen , es ist zu herabstimmend, dafs heutzutage noch ein Homeri-
ker eine solche Seifenblase der Beachtung empfehlen kann, viel her-
abstimmender als dafs jemand sie aufsteigen läfst. Auf eine förmliche
Widerlegung dieses Einfalls, der fürwahr wenig befser ist als der-
jenige , welcher in der Hias die Belagerung von Jericho erzählt fand,
auf eine förmliche Widerlegung also kann ich mich nicht einlafsen;
ich würde mir vorkommen, als kämpfte ich mit Windmühlen. Aber
beispielsweise verstehe ich mich dazu wenigstens ein paar kleine
Lauer: Gescliiclilc der hoinerisclien Poesie. 04.'^
Hiebe zu führen. Also, wenn in aller Zeit die Saniier nur die Odys-
see liabeii, wie erhall Lykurg- von ihnen die ganze Poesie, d. h. Odys-
see und llias? Ferner, Avenn Sainos neben Cliios an AN iir<le und He-
deulunjj- der zueile homerische Ort ist, uaruin heilst Homer nirgends
ein Saniier? Endlich , wenn die Samier die Odyssee machen, Marum
läfst die Sage dem kreopliylos vom Homer nicht vielmehr die Odys-
see schenken als die arme üix<^dLc<g cihoGig'^ — Und damit der un-
bekannte Zur-nahern-Priifung-Kmpfehler meinen freundlichen Willen
recht erkennt ihm beizuspring-en und seinem erhabenen Urtheile mit
meinen schwachen Kräften unter die Arme zu greifen, so will ich nun
auch noch ein übriges thun und eins von den Lauerschen Argumenlen
in seiner traurigen Blöfse ihm unmillelbar vor die Augen stellen. Die
Odyssee soll unter anderm deshalb für Samos bel'ser als die llias pas-
sen und von den samischen Dichtern gedichtet und gesungen sein, weil
in ihr die keusche Ehegallin Penelope verherlicht wird, Hera aber,
die Hauptgötlin der Saniier, Schulzgöttin der Ehe war. Wer dies
Hest,niufs doch alsbald fragen, warum denn Hera in der Handlung
der Odyssee durchaus nicht vorkommt, während sie in der Handlung
der Hias eine Hauptrolle spielt. Die blofsen Cilationen ihres Namens
aus der Hias nehmen in der Oxforder Ausgabe des Seberus drei Vier-
theile einer Spalte ein. In der Odyssee dagegen wird sie überhaupt
nur beiläufig erwähnt, und auch das nur an sieben, sage sieben Stel-
len, von denen eine unecht ist. Dies ist im A die Stelle vom Herakles,
wo 613 Hebe bezeichnet wird als natg zliog (leyaXoio Kai H^Tjg %QV~
eoneöUov. Ferner in der Phaiakie 'ö' 465 und bei Menelaos o 112. 180
hat Zeus das Epitheton eQiyöovTtog noGig 'HQfjg; ö 513 heifst es in der
Erzählung vom Nostos des Agamemnon, Here habe diesen aus dem
Sturme ans Land gerettet, Gcmas öi noivia Hqjj; ft 72 sagt Kirke,
die Argo wäre wohl gescheitert, all 'Hq}] ■naQms^'iliev, inel cpilog
ijev It]6(oi'; V 70 erzählt Penelope von den Töchtern des Pandareos,
"Hq)i d' avTfptv 7t£Qi naöicov Öcüke ywaioicov eidog aal TTivinip', und
bemerkenswerth genug ist es in dieser Erzählung nicht Here, welche
die iMädchen verheiraten will, sondern Aphrodite; diese geht zum
Olymp KOVQijg alz7]GovGa xiXog ■9'alsQoto ya^oio, und zu wem geht
sie? Zur Here? 0 nein, zum Zeus reQmyjQccvvog. Also Here erscheint
in der Odyssee auch nicht einmal als Schulzgötlin der Ehe, selbst nicht
in der leisesten Andeutung, obgleich dazu überall die einladendste
Gelegenheit ^^ar. Und doch soll die Odyssee deshalb unter anderm
gerade samisch sein, weil den Samiern der Stolf um ihrer Ehegötlin
willen lieb sein muste. Dergleichen Behauptungen werden nur da-
durch überboten, dafs man sie zur nähern Prüfung empfiehlt.
Gerade umgekehrt von der Hias liefse sich mit weit mehr Schein
behaupten, sie gehöre nach Samos, oder doch wenigstens wer die
Hias theilt, könnte vielleicht versucht sein, ein und das andere Lied
nach Samos zu setzen. Denn nicht nur ist in der Hias, wie erwähnt,
Here Hauptperson, sondern es gibt ja auch eine Ueberlieferung, Ho-
mer habe dem Kreophylos die Hias geschenkt, welche Ueberlieferung^
42*
644 Lauer : Geschichte der homerischen Poesie.
unserm Lauer nicht bekannt geworden zu sein scheint, obgleich Wel-
cher ihrer gedenkt; und völlig samisch sieht es z. B. im 13ten Liede
Lachnianns aus, in der z/tog ccTtuv}]. Hier leitet Here gewissermafsen
die ganze Handlung, und bei der Schilderung ihres Beilagers mit Zeus
kommt samische Sage und Sitte zum Vorschein, 5*294, wo es vom Zeus
heifst, nachdem er die Here erblickt:
big 6 l'ösv ., cog ^ti> e'Qü)g Ttv/.tvag (pQsvag a^g)SKuXvilf£v,
oiov ore ngarov itSQ efiiG'yiöd'ijv (piXöt^xi,
elg £vv7jv cpOLxavxs^ cpikovg h']9ovr£ roKrjag.
Hierzu bemerkt unter anderm ein Scholion BLV äXkot toi» ^icc (paalv
iu ^ajjLO) kcc9Qa rcov yovifov artonaQ^evivaai rr]v Hqav o&ev 2^a-
fitot fxvt]aTcVOvveg zog Kogag kad^QU Gvyaoifit^ovGiv , eita itaQQtjaia
d-vov6i Tovgyci^iovg. Eustath. 5*294 p. 987, 9 exsQOt de ei> Zü^a käd-Qoc
öiaTtuQ&svsv&ijvai avxtjv cpaGiv. öd'EV Scqiioi naxa ^fjkov 'Hgag
ka&Qa xag nccgd'ei'ovg avyKOifit^ovGiv^ eixa (fcti'EQCüg xovg ya^uovg
'&V0V61V.
Welch ein prächtiger Zopf zum Anbeifsen für unsern Lauer!
Wenn er doch nur die Scholien gekannt hätte! Welche Deductionen
würden wir erlebt haben ! '^AA' «AAot yag laaiv ccQiGxrJEg nava^aKov,
noch ist nicht jede Holfnung verloren, hat denn sonst niemand Lust?
Eine samische Ilias! Fürwahr kein übler Bifsen! Nicht weniger
schmackhaft als die helikonische! 0 süfs und ehrenvoll ist es gewis
für jeden wifsenschaftlichen Mann sich nun auch zu bethätigen und
auch selbst so etwas ganz neues zu behaupten und durchzuführen.
Nachher Avird man zur nähern Prüfung empfohlen; und selbständige
Forschung und Auffafsung wird einem zugeschrieben; und wenn es
sich dann auch alles in blauen Dunst verflüchtigt, so heifst es doch
immer, man sei eine tiefe Natur gewesen und habe eben so geistreich
als mit gründlicher Gelehrsamkeit gearbeitet. Ich frage nochmals,
hat denn sonst niemand Lust?
Berlin. Dr. M. Sengebnsch.
I. Lucreh Lart de rerum natura librl sex. Carolas Lachmannus
recensuit et emendavit. Berolini impensis Georgii Reimeri. 1850.
252 S. gr. 8.
CnroU Lachmanni in T. Lucretii Carl de rerum natura libros com-
mentarius. Berolini impensis Georgii Reimeri. 1850. 439 S. gr. 8.
1. Lncretl tan de rerum natura libri sex. Recognovit lacobus Ber-
naysius. Lipsiae sumptibus et typis B. G. Teubneri. 1852. XII u.
198 S. 8.^)
Das grofse Zeugnis eines lief empfindenden, viel gebildeten Gei-
stes, die Bücher, welche der Römer Lucretius über die Natur der
♦) Die Redaction glaubt bei der hohen wifsenschaftlichen Bedeu-
Lacinnann u. Bernays: T. Lucrctius Cariis. 645
Diiiße uns hiiilcrlarsen lial, sie liallcii, was ilirt; kritische Beliaiulluiig
anbetriirt, lanj^e geruht, nachdem sie durch die Hand des geschmack-
vollen und gelehrten Lambin stellenweise mehr Ebenmafsigkeil und
mehr Glanz erhalten, als ihnen der Dichter gegeben oder die Zeil ge-
lafsen. Alan benutzte das \\ erk als (Jiieile einer genauem Kunde über
Epikurs Philosophie, niancbmal auch als einen reichen Schatz |>hysi-
calischer Beobachtungen; mau lobte l.ucre/, hier utid da als gewandten
und phantasiereicben Dichter, mau schalt und widerlegte ihn als gräu-
lichen Atheisten und Jlaterialisteu: an eine griiudliche Prtilung des
Lambinschen Verfahrens, an eine wiederholte Untersuchung über die
wahre Gestalt des Textes dachte niemand. Die Arbeit des gelehrten
Franzosen scbien in der Hauptsache für alle Zeit genügend. Auch die
beiden einzigen bedeutendem Ausgaben vor Wakeüeld, die von Creech
und von Havercamp, forderten in dieser Beziehung wenig oder gar
nicht. Creech lieferte in seiner umschreibende!» Inhaltsangabe ein
trotz aller 3Iängel nicht zu verachtendes Hilfsmittel fiir die Erklärung,
leistete aber als Kritiker nichts. Havercamp batte die relativ reinsten
Quellen in Händen, verstand sie aber weder genau zu lesen noch con-
sequent zu benutzen; sein gelehrter und scharfsinniger Freund Prei-
ger lieferte ihm zwar einzelne schätzenswerthe Berichtigungen: der
Text im ganzen blieb der Lambins mit all den gewagten Zusätzen und
Aenderungen, welche das Gedicht einer eleganten Lecture zuganglich
machten. Was Wunder, wenn das in seiner Conseqiieuz verkehrte
aber energische Verfahren Wakelields, der ziemlich alle Zuthat Lam-
bins verwerfend den Text ohne sonderlich Bedenken fast einzig und
allein nach seinen Handschriften herstellte, die von der Gestalt des
Lucrezischen Werkes und Lambins mafsloser Kühnheit nichts ahnen-
den Zeitgenofsen dergestalt verblülHe, dafs sie dem geschmackvol-
len und scharfsinnigen aber allzuverwegnen Herausgeber des 16ten
Jahrhunderts plötzlich entsagten, um dem anscheinend gewifsenhaften
und energischen Kritiker ganz und gar sich hinzugeben, der am Ende
des 18. Jh. mehr, wie es scheint, aus Eigensinn als nach wohldurch-
dachtem Plane das Gedicht im ganzen so darstellte, wie der allzu
plötzlich verstorbene Dichter es unvollendet und ungefeilt hinterlafseu
und Unwifsenheit oder falscher , von unzureichender Gelehrsamkeit
schlecht unterstützter Eifer der Abschreiber und Bearbeiter es verun-
staltet hatten.
Wakefields Hauptfehler, dafs er die Hss. nicht nach ihrer Zuver-
läfsigkeit scheiden und dem entsprechend benutzen mochte , dafs er
die eigenthümliche Sprach- und Darstellungsweise des Dichters nicht
durch gründliches und ausdauerndes Studium sich zu eigen machen
wollte, dafs er plötzlichen wunderlichen Einfällen und Anschauungen
tung der obigen Ausgaben des Lucretius ihren Le.sern gegenüber kaum
einer Entschuldigung zu bedürfen, dafs sie nach der oben S. 315 H".
abgedruckten Recension derselben hier noch eine zweite von einem
andern Mitarbeiter folgen läfst.
646 Lachmann u. Bernays: T. Lucretiiis Carus.
sicli nur zu gern hingab; alles das blieb mit wenigen Ausnahmen sei-
nen Zeitgenolsen und nächsten Nachfolgern verborgen. Sein wirklich
bedeutendes aber ungezügeltes und launenhaft angewendetes Talent,
seine glückliche, durch nichts beirrte Entschiedenheit, selbst seine
ungerechte , unbesorgt ausgesprochene Verachtung früherer Leistungen
blendete diejenigen, welche zunächst um Lucrez sich benuihten, der-
gestalt, dafs sie durch seine Arbeit sich jeder weitern Anstren-
gung zur Herstellung des wahren Textes fast ganz überhoben glaub-
ten. Eichstädt z. B. empfiehlt seinem Freunde ^^'eifse die Wakelield-
sche Ausgabe in folgenden Worten: ^ cecidit ut — prelis tandem
Brilannicis exiret diu promissa ^^'akeüeldii editio, tot tantisque vir-
tutibus exsplendescens, ut exspectationem quantumvis magnam non
aequasse sed longe snperasse lam existiniaretur. Ac
vere mihi videor hoc esse dicturus, ante Wakefieldium quum libra-
riorum Stupor et edilornm audacia Lucretium nobis paene eripuisset,
hiinc demum criticum diiudicalis revocatisque optimorum librorum
lectionibus praeclare elTecisse, ut Lucretium in Lucrefio agnoscere-
nnis.' Knebel vor seiner Uebersetzung begrüfst die Manen Wake-
lields in folgender Weise: 'Auch du stelltest ein herrliches Mal der
künftigen Zeit auf; nicht der einzige zwar aber der würdigste doch.'
In dem ersten Bande der Eichstiidtschen Ausgabe ist demnach der Wa-
kelieldsche Text fast ohne Veränderung abgedruckt, und nach dem,
was man aus der Vorrede des Herausgebers schliefsen nuifs , würden
auch die nicht erschienenen Anmerkungen die Kritik um nichts geför-
dert haben. Forbigers Ausgabe basiert der Art auf der Wakeüeldschen,
dafs wie bei Eichstiidt selbst grobe Verstöfse des Vorbildes beibe-
halten sind und die Anmerkungen meist nur einen bequemern, aber
unzuverläfsigen Auszug aus dem an unnützem Ballast überreichen
Commentar der englisclien Ausgabe enthalten. Knebels Uebersetzung
ward ebenfalls durchaus nach dem Wakefieldschen Text gearbeitet
und ist ein recht schätzenswerthes, mit vieler Liebe gefertigtes Werk,
zeigt aber in keiner Beziehung eine neue Auffafsung. Sie ist jetzt
antiquiert.
Einige Abweichungen finden sich freilich bei Eichstädt und For-
biger hier und da ; aber sie beruhn nicht im mindesten auf einer ab-
weichenden Grundansicht über die Texfgestallung; sie sind meistens
nur die Zeugnisse eines gewissermafsen bescheidenem Urtheils oder
suchen gar noch handschriftliche Lesart zum Nachtheile des Dichters
auch da festzuhalten, wo Wakefields lebendigerer Geist mit vollem
Beeilt zu Conjecturen aufgefordert worden war. Auch Orelli, wel-
cher in seinen Eclogis poetarum Lafinorum mehrere Stellen des Dich-
ters ziemlich ausführlich commentiert hat, befserte nur im einzelnen
und benutzte junge und alte Hss. ziemlich gleichmäfsig. Eine durch-
greifende Aenderung des bisher verfolgten Verfahrens wurde erst
nach dem Vorgange Madvigs versucht, welcher in einer kleinen aber
inhaltreichen akademischen Gelegenheitsschrift von 1832: "^De aliquot
lacunis codicum Lucrelii' (wiederholt in den Opuscc. acad. I, 305 sqq.)
Latliinaiiii ii. I5oniuys : T. Liicrcliiis Cariis. 647
klar und onlschcidend darauf Iiinwics, wie alle bisher I)ekaiinleu Hss.
unseres Dichters nur aus einer schon ar«- verderl)leu Quelle herrühr-
ten. Durch ihn ward lerner zujileich nacli>,''e\\ lesen, wie uni>leich an
Werth unsere llss. seien und wie nuineiillich nur weiiiij'e jenen relaliv
ältesten Text ohne ahsichlliche Aendcning w iederi>el)en. llierdurcii
erschien das \\'akelieldsche Verlahren in seiner ganzen Schwäehe und
llnzuverlälsigkeil. ^^'akeiield halte trotz mancher liedensarlen von
dem respeetabelu Alter dieses oder jenes Ferüaments alle ihm zu Ge-
bote stehenden Hss. ganz gleichmärsig eklektisch benutzt; nun aber
wurde es klar, wie alle die Codices, welche er selbst zuerst vergli-
chen hatte, und welche ihm ajs die Fundgrube der rarsten und bemer-
kenswertheslen Lesarten erschienen waren, wie ferner der ßodleianus,
dessen Lesarten schon Ilavercanip mitgelheilt halte, wie die Hss.,
welciie den alten Ausgaben zu Grunde lagen, alle nichts meiir und
nichts v\'eniger waren als späte Sprofsen jenes allen Slammcodex,
dem andere ältere llss. an Alter und ^^ crth viel näher standen und
von dem die Jüngern sich so weit entferntfti, wie es interpolierte Hss.
zu Ihun pflegen, welche den gevvaltthätig recensierenden Italienern des
15. Jh. in die Hände gefallen sind. Auch ürellis Hss. zeigten sich als
ebenso werthlos.
Die kritische Taktik war so ausnehmend vereinfacht; man konnto
nach Madvigs Vorgange sich an zwei oder drei der bekannten Hss.
ballen und die andern alle unbeachtet liegen lafsen, ohne den Vor-
wurf einer leichtsinnigen Bequemlichkeit sich zuziehn zu dürfen. Mad-
vig that aber auch noch mehr. Er bezeichnete im Laufe der Untersu-
chung den Charakter des Urcodex genauer. Er erwies durch Beispiele,
wie neben gewöhnlichen Verderbnissen namentlich bedeutende Lücken
demselben eigenthnmlicb waren, und machte somit jeden, der sich
künftig mit Lucrez beschäftigte, auf einen der allerwichtigsten Funkle
aufmerksam, welcher von den Italienern und von Lamiiin zw ar bemerkt,
aber zumeist übel behandelt, von AA'akelield und seinen Nachfolgern
durchaus nicht hervorgehoben worden war. Madvigs Arbeit wurde,
soweit mir bekannt ist, ausführlich zuerst von Siebeiis in der Zeit-
schrift für AW. 1844 Nr. 99 ff. besprochen. Dieser stimmte zunächst,
wie natürlich, in der Haniptsache mit Madvig vollkommen überein, hob
aber noch hervor, dafs aufser den von M. als die relativ besten an-
erkannten Hss. in einem zu Wien befindlichen, von Alfer vergliche-
nen Fragmente eine Quelle wenigstens desselben Werthes enthalten
sei. Da er nach den unzureichenden Miltheilungen des ^^ iener Her-
ausgebers nur eine allgemeine Kenntnis der Eigenthümlichkeilen jener
Hs haben konnte, so stellte er sie in derselben Weise etwas zu hoch,
wie es früher Madvig mit dem Gottorper Fragment gethan hatte: beide
nemlich haben diese stückweise erhaltenen Quellen über die in den
beiden Leidnern erhaltene vollständige einigermafsen erheben wollen.
Beide Leidner aber, welche Haverkamp mit Y und Z, Wakelield mit
L und M bezeichnete, erschienen dem dänischen wie dem deutschen
Kritiker in der Art ungleich an Werth. dafs sie die Folio-Hs. (Y bei
648 Lachmann u. Bernays: T. Lucretius Carus.
Havercamp, L bei Wakefield) tiefer stellten als die Quart-Hs. (Z oder
BI), ohne indes einen bestimmten Unterschied zwischen beiden durcli
bezeichnende Beispiele darzuthun. Siebeiis stellte sog-ar dieFolio-Ils,
dem Bodleianus gleich, was sich einfach dadurch widerlegen liels,
dafs der Bodleianus zu den entschieden interpolierten Quellen des 15.
Jh. gehörte, im ersten Leidner aber von Siebeiis keine absichtliche
Interpolation nachgewiesen worden war.
Die kritischen Grundlagen halten also nach den Arbeiten dieser
beiden Miinner folgenden Bang. Oben an standen l) das Gottorper
Fragment , welches das erste Buch und vom zweiten die ersten 456
Verse enthielt; 2) das Wiener Bruchstück, welches aufser kleinern
Besten das zweite Buch von Vs. 641 an, das dritte bis Vs. 621 und
das sechste von Vs. 740 an enthielt. Nur ein geringer nicht besonders
charakterisierter Unterschied war zwischen den Bruchstücken und der
Leidner Quart-Hs., so dafs diese als die einzige (wie es schien) voll-
ständige Quelle für die eigentliche Grundlage der Kritik im ganzen
anzusehn war. Die erste Leidner (die Folio-Hs.), die an Vollständig-
keit der zweiten wenigstens nicht nachstand, trat namentlich bei
Siebeiis hinter der andern zurück und schien nur zur Vergleichung
lind aushilfsweise benutzt werden zu können. Eine intensive Verschie-
denheit war indes auch in ihr nicht nachgewiesen. Die interpolierten
llss. des 15. Jh. , welche sich eben nur durch Interpolationen und an-
dere Verderbnisse von den altern Quellen unterschieden, waren nun-
mehr werthlos geworden.
Um ein bedeutendes erweiterte und berichtigte sich die Kenntnis
unserer Hss. durch eine Arbeit von Hrn. Jacob Bernays: ^De emenda-
tione Lucretii' im Rhein. Mus. N. F. V, 533 ff. Schon der Verf. dieser
Anzeige hatte in seiner Doctordissertation aus den Lambinschen Hss.
der Zahl der unverfälschten Quellen noch den Bertinianus und Mem-
mianus zugewiesen; Bernays setzte es aufser allen Zweifel, dafs der
Bertinianus Lambins nichts anderes sei als die Leidner Quart-Hs. selbst.
Gestützt auf eine eigne sorgfältig durchgeführte Vergleichuug der
Leidner Hss. war B. auch der erste, welcher es unternahm, das Ver-
hältnis der beiden Leidner Hss. zueinander gejau zu bestimmen. Durch
ihn wurde zuerst klar, dafs unter alten Hss. zwei Hauptfamilien zu
unterscheiden wären, welche beide aus dem einen alten Stammcodex
abgeleitet waren und dadurch sich charakterisierten, dafs die unmit-
telbar nach jenem Archetypus gefertigte Quellschrift der einen älter
war als die andere und zu einer Zeit unternommen, wo der defecte
und verbleichende Stammcodex an manchen Stellen noch lesbarer und
vollständiger war. Ganz im Gegensatz zu den bisherigen Resultaten
erschien aber als Bepraesentant der beziehungsweise altern und voll-
ständigem Abschriften die Leidner Folio-Hs., und zu ihnen halte, wie
B. zeigte, auch der Codex gehört, aus welchem die interpolierten
Hss. der Italiener alle abzuleiten sind. Hauptrepraesentanten der Jün-
gern Abschriften waren die Leidner Quart-Hs. und neben ihr die bei-
Lachmann ii. Bernays: T. Lucretius Carus. 649
den Fragmente, das Wiener und das Gotforper. Die Gründe l'iir diese
neue Entdeckung gaben Lücken in der Quarl-Hs. und den Fragmenten,
welche in der Folio-Hs. nicht zu (luden waren. So liefs namentlich
im Verlauf des Textes der Quartcodcx folgendes aus: I, IM — 8ö;
11,253—304; 11,757 — 806; V, 928 — 79. Hinten am Schlufsc linden
sich in ihm wie in dem Wiener Fragmente die Stücke in dieser Ord-
nung: II, 757 H".; V, 928 11".; 1, 734 11".; 11, 253 ir. üa nun, nach den
uns erhaltenen Ilss. dieser Familie zu schlielsen, kein Zeichen in ih-
rem Archetypus vorhanden gewesen ist, wodurch ein Abschreiher
auf die richtige Einreihung des ausgelafsenen geführt werden konnte,
ein durch kein äulseres Hilfsmittel dieser Art unterstütztes Einfügen
am richtigen Orte aber weit über seinen Kräften erscheint, so mustc
die Folio-Hs. entweder selbst aus dem Archetypus abgeschrieben sein
zu einer Zeit, da die Versetzung noch nicht stattgefunden hatte, oder
wenigstens auf einen Codex zurückzuführen sein, welcher unter jenen
Bedingungen geschrieben worden war. Fast noch klarer wurde diese
Nothwendigkeit bei einer andern Stelle des ersten Buches. I, 1068 —
75 fehlt in der Quart-IIs. und dem Gottorper Fragmente , während die
Folio-Hs. von jedem Verse ungefähr die Hälfte enthält; z. B.
sed vanus stolidis haec
amplexi quod habent
u. s. \f.
Es schien natürlich, dafs derjenige, welcher den Sfammcodex
der Jüngern Familie aus der allgemeinen Hauptquelle abschrieb, auch
den Anfang der Verse, der früher noch lesbar gewesen war, so ver-
löscht fand, dafs er die Verse lieber ganz ausliefs und jenes Zeichen
beifügte, Avelches von Bernays und Lachmann als von derselben Hand
herrührend im Quartcodex an dieser Stelle gefunden wurde. fVIII
sollte doch wohl eben sicherlich nichts anderes bedeuten, als dafs
der Schreiber wohl Raum und Zahl der Verszeilen im allgemeinen
genau erkennen, das einzelne aber nicht mehr lesen konnte. Auch
im Gottorper Fragment steht an dieser Stelle VIII. Ein eben solches
Zeichen findet sich in der Quart-Hs. auch nach Vs. 1093, nach wel-
chem Verse auch im Foliocodex ein leerer Raum von 8 Zeilen ge-
lal'sen ist.
Nach diesen Zeichen nun und nach einigen andern derselben Art
bestimmte schliefslich Bernays (1. 1. p. 572) den Unterschied zwischen
beiden Leidnern Hss. auf folgende Weise: '^Praestat igilur Lugdunensi
2 (quadVato) Lugdunensis 1 (oblongus) eo quod ex pleniore exemplo
est descriptus. Praestat etiam eo quod cum universus liber tum \to-
tissimum inde a v. 78 lib. VI, quam partem ante alteram scriptam esse
p. 552 ostendimus, vulgaribus scribendi mendis longe minus est con-
laminatus quam Lugdunensis 2. Aliquante autem inferior Lugdunensi
2 evasit Lugdunensis 1 hoc casu , quod saepe primae manus scriptura,
quae in Lugdunensi 2 remansit integra , prorsus erasa est in Lugdu-
nensi 1.' Hiermit ist zu verbinden was sich p. 585 findet: 'Fundamen-
tura crilicae Lucrelianae quam sint duo Codices Lugdunenses, in illo-
650 Lachmann u. Bernays ; T. Lucrctiiis Carus.
nun discrepantiis iis , quae a plcniore muülioreve archetypi exemplo
possunt repeti, sequendus est solus Lugdiinensis 1.'
Durch Bemays"* Arbeit war somit ein entschiedener Fortschritt
gegen die seit Madvig feststehenden Kesultale gemacht. Man unter-
schied nicht mehr blofs allgemein zwischen altern und Jüngern, zwi-
schen nicht interpolierten und interpolierten Hss., man hatte ein festes,
bestimmtes Zeichen, nach welchem alle Hss. zunächst in zwei grofse
Galtungen zerfielen, deren Unterschied sich schon von früh her da-
tierte; man hatte eine vollständigere und eine lückenhaftere Haupt-
gattung. Eine Hs. , welche man ohne rechten Grund sich gewöhnt
hatte zurückzusetzen , bekam ihr Recht und trug in einer Beziehung
wenigstens entschieden den Preis über die bis dahin obenangestellten
Bücher davon. Auch das Verhältnis der interpolierten Hss. zu den
nicht interpolierten stellte sich fester, insofern sie als spätere Spros-
sen der vollständigem Hauptgattung erschienen. Die Beschreibung
des gemeinschaftlichen Archetypus beider Galtungen gewann dagegen
nicht weiter an Bestimmtheit, wenn auch B. einige Lücken mehr auf-
deckte, als bis dahin bekannt gewesen waren; ja es blieb sogar noch
ein gewisses Schwanken in der Charakteristik und Vergleichung der
beiden noch vorhandenen und genauer verglichenen Hauptquellen.
Die Folio-Hs. war die vollständigere; ob sie aber auch überall den
Vorrang verdiene, darüber halte sich B. nicht bestimmt genug ausge-
sprochen, welcher die Quart-Hs. ins 9. Jh., eben dahin auch den letz-
ten Theil der Folio-Hs und deren ersten und gröfsern Theil in den
Anfang des 10. Jh. verwies. Auch nach seinen Uesullaten konnte man
immer noch zweifeln, ob nicht die Folio-Hs. zwar einem Codex ent-
stamme, welcher dem Archetypus entnommen wurde, als dieser noch
vollständiger war; ob er nicht auch reiner von gewöhnlichen Fehlern
mangelhaft gebildeter Schreiber und trotzdem unzuverläfsiger sei als
die Quart-Hs., welche vielleicht ein a> eniger gelehrter aber gewifsen-
haflerer, jeder überdachten Veränderung abholder Mann geschrieben
halte, und die vielleiciit dem Archetypus zeitlich und in Bezug auf die
Zwischenglieder näher stehe als die Folio-Hs.
Bestimmter war die Kenntnis der Hss. durch Bernays geworden;
bestimmt wurde sie erst durch Lachmann, der mit wunderbar energi-
scher Umsicht und durch einen fast zauberhaften Scharfsinn überall
Licht verbreitete auch da, wo man früher selbst nicht einmal geahnt
hatte, im dicksten Schatten zu wandeln. Nach seiner grofsartigen
Arbeit dürfen wir uns nicht mehr begnügen , den Archetypus itls einen
lückenhaften, von der Zeit hart mitgenommenen Codex allgemein hin
zu bezeichnen; diese seit einem Jahrlausend vielleicht verlorene Hs.
kennen wir, den äufsern Umrifsen wenigstens nach, jetzt so genau,
als ob wir sie vor Augen hätten. Wir wifsen die Zahl und Gröfse ih-
rer Blätter, ob und an welcher Stelle einmal eine Seite unbeschrie-
ben gelafsen wurde und wo und wie die eine stark beschädigt war;
wir kennen die Zahl der Zeilen auf jeder Seite, die Galtung der
Schriftzeichen u. s. w. Lachmann sagt vom Archetypus: 'er hatte
Lacliiiianii u. Dcrnays: T. Lucrcliiis Cariis. 6')!
302 Seilen, Unljesi'lirieben waren die erste und leJzle Seile, eine
Seile j^egen Ende des ersten Biulies und eine unniillelbar naeli dem
Sciilufs des vierten B. Aul' jeder Seile waren 26 Zeilen; nur die lelzle
Seile jedes Buchs iialte weniger. Die Buelislahen waren Majuskeln,
doch keine Uncialen. Die \N orte waren nicht getrennt, wohl aber
sehr genau die einzelnen Sülze inniillen der Verse. Die Hs. war etwa
im vierten oder fünften Jh. nach Chr. geschrieben, den Vcrgil-ilss.
der Art sehr ähnlich.'
Das sind natürlich keine Hariolationen, schon weil es Lachmanns
Worte sind. Um aber einigerniafsen zu zeigen, auf wie sichern und
unifafsenden Berechnungen zugleich das ganze beruht, will ich aus
dem, was L. an einzelnen Stellen des Conimenlars miltheill, das noth-
wendigsle zusammenslellen. — Wie wir schon wifsen, ündcn sich
am Ende der Quarl-Ils. und des Wiener Fragments vier ziemlich
gleich grofse Partien des Gedichts aus verschiedenen Büchern am
Schlufs des ganzen angellickt. Bernays benutzte diesen Umstand ganz
richtig zur Charakterisierung der beiden Haupifamilien, in welche
unsere Hss, sich verlheilen. Die Versetzung dieser Partien konnte
man sich am besten erklären, wenn man annahm, jede derselben habe
gerade ein Blatt des Archetypus gefüllt, und da diese 4 Blätter sich
allmählich aus ihren Verbindungen lösten, seien spätere Abschreiber
veranlafst worden, das auf ihnen enthaltene, da sie es am gehörigen
Orte nicht unterzubringen verstanden, am Ende des ganzen anzuflicken.
Rechnet man die alten Titel, welche den einzelnen Abschnitten in den
Hss. vorgesetzt sind, wie nothwendig, mit zur Zahl der Verse, so ha-
ben wir in jedem der versetzten Theile 52 Verszeilen, d. h. jedes
Blatt des Archetypus hatte 52, jede Seite 26 Zeilen. Da die erste
Seite der Hs., wie billig, leer blieb und höchstens den Titel des Wer-
kes enthielt, bis zu der ersten der versetzten Stellen (I, 734 — 85)
aber 733 Verse sind, welche nebst den dazu gehörigen 21 Titeln ge-
rade 29 Seiten füllten, so trifft zunächst die Berechnung aufs schön-
ste, indem mit Vs. 734 ein neues Blalt, nemlich das 16te der ganzen
Hs., anfieng und mit Vs. 785 schlofs. Bedenklicii ist, dafs bis zur 2ten
Versetzung (II, 253 — 304), die doch wieder auf einem Blatte enthal-
ten sein muste, von I, 786 an gerechnet, nach Hinzuzählung der ein-
zelnen Titel und der Unterschrift des ersten Buches, nur eine ungerade
Zahl von Seiten herauskommt, nemlich 39, und von diesen 39 Seiten
eine, aber nicht die letzte, nur 25 Zeilen enthalten konnte. Lachmann
nahm demnach an, es sei eine Seite leer geblieben; und dafs dem so
ist, nicht aber dafs die Zeilen anders vertheilt gewesen sind als je 26
auf eine Seite, das erweist ein ganz besonderer Unfall, welcher den
Archetypus betrolfen hat. Vs. 1068 — 75 incl. sind, wie ich schon mit-
gelheilt habe, in der Folio-Hs. am Ende verstümmelt und fehlen in
der Quart-Hs. ganz; 1094 — '1101 incl. fehlen auch in der Folio-Hs. ;
doch ist, wo sie hätten stehn sollen, für 8 Zeilen Raum gelafsen.
Denkt man sich mit 1068 ein neues Blatt beginnend, so fieng die Kehr-
seite desselben gerade mit 1094 an. Wenn nun die obere rechte Ecke
652 Laclimaim u. Bernays : T. Lucrelius Cariis.
des Blattes abgerifsen wurde, so verloren Vs. 1068 IT. das Ende,
1094 ir. den Anfang, und der Abschreiber, welcher die zu Ende ver-
stümmelten Verse getreulich abschrieb, sowie er sie fand, trug Be-
denken, die zu Anfange verstümnielten ebenfalls so wiederzugeben,
liefs aber den Raum leer, den sie hätten einneiimen müfsen. So ha-
ben wir ziemlich in der Mitte zwischen I, 785 und 11, 253 wieder ein
Blatt mit genau 52 Zeilen und von ihm ab bis zum 2ten losen Blatte
zählen alle Seiten genau 26 Zeilen; es ist somit dem Leser nicht zu
viel zugemulhet, wenn er unbedenklich mit L. annehmen soll, dafs
von den 12 Seiten zwischen 1 , 785 und 1068 im Archetypus eine
leer geblieben ist. Aus welchem Grunde, das wifsen wir freilich
nicht. Vor 1068 mufs auch eine Seite nur 25 Zeilen enthalten haben;
denn von 785 — 1067 incl. kommen mit Hinzureclinung der drei Titel
nur 10 beschriebene Seiten zu 26 und eine zu 25 Zeilen heraus; dieser
Zwischenraum einer Zeile ist aber vor Vs. 921 sehr natürlich, weil
mit diesem Verse mitten im Buche ein ganz neues Exordium beginnt.
— Von II, 253 sind bis zu Vs. 757 desselben Buches 504 Verse; rech-
net man die sechzehn Titel hinzu, so ergeben sich 520 Zeilen oder
20 Seiten, und Vs. 757 begann somit ein neues Blatt; da dies aber
ausfiel und ans Ende gerielh, so kamen Vs. 757 — 806 incl. ans Ende
der Quart-IIs., denn diese 50 Verse und die zwei dazu gehörigen Titel
füllten gerade wieder ein Blatt. So ist auch das dritte der ausgefalle-
nen Blätter nach allen Beziehungen hin wieder ein neuer Beweis für
l/achmanns untrügliche Berechnung und es bedarf keiner weitern Aus-
führung mehr, um jeden zu überzeugen, wie richtig L. mit den ange-
gebenen Ausnahmen jeder Seile genau 26 Zeilen zugewiesen hat. Ge-
stützt auf diese Erkenntnis konnte L. bei seiner aufserordentlichen
Sorgfalt und Genauigkeit auch den Umfang einiger Lücken bis aufs
Haar bestimmen, in einer Art, wie es vor seiner Entdeckung unmög-
lich war. — Im vierten Buche sind nemlich Vs. 299 — 322 incl. in al-
len unsern Hss. am falschen Platze; sie gehören an die Stelle,
die in den Hss. von Vs. 323 — 47 incl. eingenommen wird. Da
mit Hinzurechnung der Titel jede dieser Partien 26 Zeilen zählt, so
ist es natürlich, dafs beide zusammen ein Blatt füllten und die falsche
Lage dieses Blattes die Umstellung der Verse möglich machte. Es
fieng also mit Vs. 299 (323) ein neues Blatt an. Da aber mit Buch Hl
ein Blatt schlols, die erste Seite des nächstfolgenden Blattes von dem
Titelregister des 4ten Buches eingenommen wurde und die 298 Verse
vor der Umstellung mit den Titeln gerade 6 Blätter füllten, so wür-
den wir wieder durch eine leere Seite in Verlegenheit gesetzt wer-
den, wenn wir nicht wüsten, dafs nach Vs. 126 eine Lücke ist.
Schon Havercamp hatte hier etwas vermifst, doch, irthümlich genug,
nur einen Vers, während die Lücke manchem andern grofs genug schei-
nen könnte, um sich, Avie am bequemsten, ein ganzes Blatt ausgefal-
len zu denken. Dem ist aber nicht so. Eine gerade Zahl von Seiten
konnten die verlorenen Verse nicht ausfüllen; dies würde ja mit dem
aus der Umstellung gezogenen UesuUate nicht stimmen. Es waren
Laciimann n. Bernays: T. Lucreliiis Carus. G53
entweder drei Seiten oder eine. Drei Seilen wären aber doch zu viel,
da Lucrez sich iiurz fafsen wollte (vgl. Vs. 115 percipe pavcis); es
kann daher nur eine Seile gewesen sein, d. h. es fehlen 25 Verse und
der Titel; esse item maiora^ welcher im Hegistcr der Titel am gehö-
rigen Orte 7A\ linden ist, im Texte seihst aber nicht vorkommt. So
viel also steht fest. Ob freilich die von l'robus aufbewahrten und von
Scrvius, der sie jedoch unter dem Namen des Knuius mittlieilt, ergänz-
ten Worte: qui fulmine vlaro Omnia per sonilus arcet^ terram^ mare,
caelum wirklich hier ihren Platz gehabt haben, wie L. annimmt, das
scheint mir sehr problematisch. — Ein ganzes Blatt liel nach VI, 839
aus, denn mit 840 muste, wie die Berechnung ergibt, im Archetypus
ein neues Blatt beginnen, und die Lücke ist grofs genug, um 52 Verse
darin enthalten zu denken. Auch hier hat L. einige in unserm Texte
nicht mehr aufzuhndende \>'orte und Verse untergebracht, welche von
Grammatikern unter dem Namen des Lucrez citiert werden. Dals in
solchen Sachen sich nichts beweisen und vieles sich vergeblich rathen
läfst, hat natürlich L. ebenso gut gewust wie nur irgend jemand.
Die längere der von L. hier also gebrauchten Stellen will mir am Ave-
nigsten passen, und inwieweit sich gegen den Lucrezischen Ursprung
der Stelle überhaupt argumentieren läfst, habe ich früher einmal an
gedeutet, Philologus 111, 66 IT.
Mit meinem Urtheile über die Richtigkeit der weitern Mittheilun-
gen Lachmanns aus diesem Thcile seiner Arbeit will ich den Leser
nicht aufhalten. Die Sicherheit der Hauptresultate ebenso wie die
aufserordentliche Sorgfalt und Genauigkeit L.s erhellt aus dem ange-
gebenen mehr als hinlänglich. — Die andern Angaben L.s über die
Beschaffenheit und das Alter des Archetypus konnte er ohne so grofse
Mühe aus den verschiedenen Fehlern und Versehn entnehmen, welche
in unsern Hss. auf jeder Seite zu finden sind. Hierüber brauche ich
nichts auseinanderzusetzen. Es ist vielmehr nun an der Zeit anzu-
geben, in wie weit sich unser Urtheil über die erhaltenen Grundlagen
des Textes durch Lachmanns Arbeit berichtigt hat. Hierbei ist unbe-
dingt das wichtigste, dafs L. die Folio-Hs. als Ha up tgrund 1 age
des Textes ohne weiteres ansieht und die Quart-Hs. nur aushilfsweise
gebraucht wifsen will. Bernays, wenn ich ihn anders in der Vorrede
zu seiner Ausgabe richtig verstehe, stimmt damit nicht ganz überein.
Ich halte L.s Ansicht für die unbedingt richtige. Nehmen wir z. B.
einmal die Stelle selbst, bei welcher B. mir sein abweichendes Ur-
theil zu äufsern scheint: VI, 562. 63. Hierzu spricht sich B. praef.
p. 111 folgendermafsen aus: 41i versus sie scribuntur in Quadrato
codice:
562 Ad caelumq. magif quauTo funT ediTaqueq.
563 Inclinaxa minenr in eadem ,pdiT parie aqueq.
quicum consentit Oblongus codex nisi quod versiculi 562 clausulam
sie scriptam exhibet: aedtxa queq. versiculi autem 563 clausulam sie:
prodn partem. a. a. q. q. cum rasuris infra puncla, quae post utrumque
<j cernuntur. lam sie duobus Ulis versibus sub uno conspectu positis.
6.'')4 Lachmann u. Bernays : T. Lucretius Carus.
quivis , piito, semel admonitus concedet, Quadrat! o^we^. in versu 563
nil esse nisi pravam iterationem eariim litterarum, quae priorem ver-
snm 562 claudunt: eAnaqueq. Neque aliorsum spectant a. o. q;q;
Oblong! codicis. Alleruin enim ä inde pervenit in hunc codicem, qiiod
qui eum exaravit in exemplari suo ä litteram supra prodit scriptam
repperit, ubi re Vera etianinunc a correctore ascripta exstat in Qiia-
drato, ut, qiiod sentenfia postulat, efüciatur prodita. Id vero quid
sibi vellet cum non intelligeret librarius Oblong!, reiecit ä illud ad
rcliquas singulares litteras in finem versiculi. Haue igitur originem
liuius re! cum Lachmannus non perspiceret, atque secundum niorem
suum inferiores partes Quadrato tribuens a portentosiore Oblong!
scriptura proiicisceretur, in ipso autem Oblongo non prodita exstare
sed prodit parum memorabile existimaret: eo pervenit ut haec anno-
taret ad versum 563: 'INCLINATA MINEM IN EADEM PRODITA
PARTEM. A. A. Q. Q. Quadralus prodit partem aqueq. , ut appareat
librarium illa a. a. q. q. non intellexisse neque ego quid per
ea significetur exputare possum neque vero, siquis hie notae
alicuius Probianae vestigium remansisse suspicetur, ad versum ipsuni
emendandum miiii quicquam proiicere videbitur.' Unde qui virum pau-
cissimorum verborum cognoverint haud immerito concludent, ne ipsuni
quidem a Probiana nota ibi suspicanda alienum fuisse, ubi potius
prava iteratio agnoscenda erat iam in archetypo nostrorum codicum
admissa.' — Soweit Bernays. Zunächst ist anzuerkennen, dafs derselbe
den Ursprung der Corruptel ganz richtig angegeben hat. Schon im
Archetypus ist diese Stelle in einer Weise verdorben gewesen, wie
manche andere auch; denn auch der Archetypus hatte schon Verderb-
nisse und Lücken ziemlich alten Ursprungs. Finden sich doch z. B.
schon bei Macrobius V, 440 — 45 in derselben verkehrten Ordnung
wie in unsern Hss. In dem von L. beschriebenen Archetypus oder gar
schon in der Hs., aus der er abgeschrieben ist, war aber auch /jrodif
und x\'ic\\i prodita geschrieben; das fehlende ß war vom ersten Schrei-
ber selbst oder von einem spätem Leser dazu bemerkt und ist von
dem Schreiber des Oblongus oder , und das möchte ich noch lieber
glauben, schon von dem Schreiber des Archetypus selbst in derselben
verkehrten ^>'eise an der unrechten Stelle nachgeholt wie ein ver-
gefsenes st z. B. in V, 227 : in vita re et transiresl malorum, wo es
heifsen soll: in vita restet transire malorum. Der Schreiber der
Quart-IIs. hat mit geringerer Treue copiert: in vita re et transire
est. Dafs der eine Corrector der Quart-Hs. unmittelbar in prodit
das ausgelafsene a bemerkt, hebt die Autorität der IIs. nicht; denn
diese Correctoren gehörten dem 15. Jh. an und corrigierlen sine exem-
plari; vgl. Lachmann im Commentar p. 8. Dafs also hier aus der
Quart-Hs. der Ursprung der Corruptel leichter zu entdecken war, ist
Zufall. Die Folio-Hs. ist auch hier wenigstens in Erhaltung des ersten
a die treuere. Welchen Umständen die Rasuren und die Punkte ihren
Ursprung verdanken, läfst sich nicht ermefsen. Als Aushilfe, das ver-
steht sich aber von selbst, und zur Yergleichung kann und mufs die
LaoIiiii:tiiii II. iJoriiays: T. I.iicroliiis Cariis. 055
Qiiart-IIs., da y\iv sie einmal «•■iiickliclienvoise lialien, überall benufzt
werden, eben ueil solche und ühnliclie Zufälle sich überall ereig-
nen können. Ganz in derselben \\'eise zeigt sich die gröfsere Treue
und Genauigkeit der Folio-Ils. bei einer andern ebenso bezeichnen-
den Corruptel des Archetypus; 11, 627 IT.:
— — — ninfjvntipte rosarnm
(lorihus nmhrantes motrem comititmqne calcrvas.
hie armata manns^ Cur das nomine (Irai
630 quos memuranl Phrijfjios, infcr se [orte catervas
hidunt in numerumqiie exullant etc.
catervas in 630 ist unbedingt nichts als eine Wiederholung des SchluPs-
wortes aus 628 und von L. durch qnod arniis ergänzt. Schon der
Archetypus hatte catervas. Der Schreiber des üblongus schrieb ge-
nau, was er vorfand; in der Quart-Hs. ist cafenas daraus geworden,
und, so möchte ich glauben, wohl nicht zufällig. Bernays hat, wie
billig, die Autorität der Quart-Hs. hier ebenso gering angesehn wie
Lachmann. Ich könnte noch einige solcher Stellen anführen , doch
wird das gesagte dem Leser genügen, um mit Bezugnahme auf die
schon oben erwähnte gröfscre Genauigkeit und. Vollständigkeit der
Folio-Hs. bei Gelegenheit des Defecis , den der Archetypus am Ende
des 1. Buches zeigte, Lachmanns V^erfahren unbedingt zu billigen, in-
soweit dieser überall von der Lesart der Folio-Hs. zunächst auszugehn
für gut fand. Zu erwähnen ist an diesem Orte auch der wunderliciie
Umstand, dafs in der Folio Hs. hier und da einzelne Verse roth ge-
schrieben sind, welche in der Quart-Hs. fehlen. Und doch sind diese
Verse, soweit es eben Verse sind, unbedingt von Lucrez ; vgl. Lach-
mann zu 11, 42. 43. — Lachmanns Urtheil über die Quart-Hs. findet
sich p. 7: *Superest ut de terlio genere expouam, quod ab eadem
stirpe venisse supra dixi. ex hoc duo mihi nota sunt exemplaria, alte-
rum non integrum , neutrum vetustate par oblongo, neutrum denique
ita scriptum ut librario librum antiquissimum ipsum ante oculos fuisse
appareat.' Von dieser Ansicht über das Verhältnis zwischen der
Folio- und der Quart-Hs. ausgehend glaube ich auch an zwei Stellen
die von B. aufgenommenen Lesarten verwerfen zu müfsen. 1, 412
liest man bei L. wie folgt: nsqiie adeo largos haustus e fontihu' mo(j-
7iis Linf/uameo suavis diti de pecfore fnndet. In der Folio-Hs. steht:
e fontilrus magnes. Das hat der Corrector (nemlich der zweite von
den beiden Correctoren, welche L. unterscheidet) in wo^nis verändert.
Aufserdem freilich hat er auch amnes dazu geschrieben und dies am-
lies haben die Quart-Hs. und das Gottorper Fragment. B. consfruiert
demgemäfs also: usqtie adeo largis haustos e fontihus amnis. Aber
L.s Lesart ist die richtige. Für sie spricht die älteste Autorität. Der
genannte Corrector hat allerdings nicht blofs nach Conjectur, sondern
auch nach dem Archetypus selbst emendiert. Aber wie sehr gelehrte
Leser und Schreiber geneigt gewesen sind, um der Elision des s zu
entgehen, allerhand willkürliche Aenderungen vorzunehmen, das zei-
gen nur gar zu viele Stellen in unsern Hss. Amnes ist also schon
656 Laclimann u. Bernays: T. Lucrelius Carus.
deshalb verdächticr. Dazu kommt, dafs, wenn der Correclor im Ar-
chetypus amnes und nicht magnes vorgefunden halte, er gewis jenes
magnes nicht erst in magm's verändert haben würde. Magnes ist die
Lesart des Archetypus. Amnes ist Conjectur, die in die Quart-Hs.
übergegangen ist. Ebenso ist nicht Lesart des Archetypus, sondern
Conjectur das von B. IV, 81 aus der Quart-Hs. aufgenommene inclusa.
Der Vers heifst nach der Folio-Hs. : et quanto circum mage sunt in-
cloustra theatri Moenia. Für das unverständliche inclaustra hat L.
angusta emendiert, aber wohl nicht mit Recht. Ich v.eifs indes nichts
befseres; nur soviel steht fest, dafs inclusa deshalb, weil es in der
Quart-Hs. steht, noch nicht die richtige Lesart sein mufs. — Die Be-
schreibung der erhaltenen Hss. ist natürlich bei L. viel genauer als
bei B. Da wo L.s Beschreibung ganz anderes bringt als B. gebracht
hat, kann ich mir nicht einfallen lafsen entscheiden zu wollen. Es
ist indes, wie gewis B. selbst gern einräumen wird, L.s Uebung im
Lesen und Vergleichen von Hss. allzu bedeutend gewesen, als dafs
man nicht ihm als einem ganz sichern Führer ziemlich unbedingt sich
überlafsen könnte. Wichtig namentlich für eine kritische Behandlung
des Texles ist das von L. über zwei Correctoren der Folio-Hs. mitge-
Iheilte, die er nach der Zeitfolge und Bedeutung und Nation genau
unterschieden hat. Folgendes ist der Inhalt seiner Worte: 'Zwei Cor-
rectoren haben in derselben Zeit, in welcher der Codex geschrieben
ward, daran gebefsert; der eine, ein Sachse (scribendi genere Saxo-
nico usus) hat die von dem Franken (d. h. von dem, welcher die
ganze Hs. geschrieben hat) ausgelafsenen Verse eingefügt. Er wischte
dabei die Schrift des Franken weg und schrieb an diese Stelle das
ausgewischte mit dem ausgelafsenen wieder hin, wodurch natürlich
die Zeilen enger wurden. Viel verbefsert hat er sonst nicht. Aus e
hat er meistens e gemacht. Der andere Corrector ist später daran ge-
kommen, denn er hat einmal in einem von dem Sachsen eingeschobe-
nen Verse geändert, und hat an unzähligen Stellen Buchstaben und
Worte theils emendiert theils corrumpiert, zum Theil nach Conjectur,
zum Theil nach dem Archetypus.' Auch der Sachse hat natürlich den
Archetypus in Händen gehabt. Dafs die Hs. aus zwei Theilen bestehe,
die zu ganz verschiedenen Zeiten geschrieben seien, wie B. mittheilt,
davon sagt L. nichts. Die Quart-Hs. ist nach L. im 10. Jh. und in
Deutschland geschrieben. Auch hier ist viel corrigiert und oft sehr
genial; aber mit einer Ausnahme nur sine exemplari und erst im 15.
Jh. Die zu derselben Gattung wie die Quart Hs. gehörigen Fragmente
hat L. mit schlagenden Gründen als Theile einer und derselben Hs.
bezeichnet. Was er den bisherigen Beschreibungen des Wiener
Stückes aus Conjectur hinzufügt, kann ich, als in Wirklichkeit sich
so verhaltend, aus bester Quelle bestätigen. Was die übrigen Hss.
anbetrifft, so ist das von B. gewonnene durch L. nicht sonderlich mo-
dificiert worden. Für die Kritik von Wichtigkeit ist, dafs der den
interpolierten Hss. zu Grunde liegende Codex zwar der Folio-Hs.
durchaus sehr ähnlich, aber doch nicht aus ihr abgeschrieben ist.
Laclmiann u. Beriiays : T. Lucreliiis Cariis. G57
Soviel über die ersten Griiiidlaijeu der Krilik iiiid iiiwielern sie
von L. erscliöpfeiid und sielier hcsilirieben und {^ewiirdij^l sind. —
Ebenso iirol'saiii^- wie hierin zeifjl sieb I>.s Soi'<>rall, (ienauif'keil und
sdiarfe Beobacbtun^' aueii in dem eonsequenlen Aursiiciien und lie-
milzen der vielen von diesen» und jenem cilierlen Verse des Lucrez.
Die consequentc Benutzung dieser Sleilcn, das ist eben das grofsar-
tige in diesem Theile der L. seilen Arbeit. Dal's solche Cilatc wichlig
und nützlich für den Herausgeber sind, bat man natürlich schon längst
gewust; dafs es aber die IMlicIil eines Herausgebers sei, sie soweit
wie möglich vollständig zur Hand zu haben, davon ist von den 3Iän-
nern wenigstens, die sich an Lucrez versucht haben, niemand auch
nur entfernt in dem Malse durchdrungen gewesen w ie L. Da ich selbst
einmal, soweit meine Hilfsmittel es erlaubten, mir eine möglichst
vollständige Sammlung aller cilierten Verse anzulegen suchte, so
glaube ich bierin vollgiltiges Zeugnis ablegen zu können. Beweise
dafür liefern zu wollen, würde hier natürlich Thorheit sein. Wie
diese ausgedehnte Kenntnis der citierlen Stellen, ebenso gut wie dio
consequente Benutzung alles dessen, was über epikureische Philoso-
phie uns die Allen mittheilen, der VN'iederherstellung des eciiten Tex-
tes ungemeinen Vorschub geleistet bat, davon kann man sich schon
bei einer flüchtigen Durchsiebt des L. sehen Commentars überzeugen.
Wohllhuend ist endlich noch, wenn man die ungemeine Gewi-
fsenbaftigkeit L.s bei Ermittlung desjenigen kennen lernt, welcher als
der jedesmalige erste Urheber einer Emendation zu betrachten ist.
Der ganzen Reihe von Lesern und Herausgebern des Dichters, die nur
irgend etwas erhebliches zum befsern Verständnis desselben beigetra-
gen haben, vom sächsischen Corrector der Folio-Hs. an bis auf die
jüngste Zeit, hat L. üir Recht widerfahren lafsen und dabei, gewis ein
erfreulicher Triumph für ein gereclites Herz, den Namen eines Man-
nes zu grofsen Ehren gebracht, den das Unglück verfolgte und dem
noch bei seinen Lebzeiten die Früchte seines erfolgreichen Fleifses
durch arge Unredlichkeit entzogen worden sind. Michahel Marullus,
ein Grieche von Geburt, halte sich eine so lebendige Kenntnis der rö-
mischen Poesie zu eigen gemacht und sich so in die Kunst und den
Geist unscrs Dichters hineingearbeitet, dafs er für Verbefserung des
Textes mehr geleistet hat als nach ihm auch die haben leisten können,
welche ihn an Gelehrsamkeit übertrafen. So urtbeilt L. p. 11. Erst
zwölf Jahre nach seinem freiwillig gesuchten Tode gab Petrus Candi-
dus den von Marull emendierlen Text auch unter dem Namen desselben
heraus. Vorher hatte Avantius , in dessen Hände Marulls Arbeit ge-
kommen war, noch bei dessen Leben wie ein gemeiner Betrüger (*im-
probus für' sagt L.) sich mit 3Iarulls Federn geschmückt, und er hat bei
den unkritischen Herausgebern der Neuzeit bis auf L. als der Urheber
einer Menge von ausgezeichneten Textverbefserungen gegolten, wel-
che L. nach untrüglichen Untersuchungen dem Manne wieder zugewie-
sen hat, dem sie gehören. — Fafst man diesen Beweis grofsartiger
Gerechtigkeifsliebe ins Auge, dann namentlich wird man auch die
iV. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVII. Hft. ü. 43
658 Lachaiann ii. ßernays : T. Liicreliiis Carus.
schneidende Bitterkeit sich erklären und würdigen können, mit wel-
cher L. die Leistungen zweier Manner verfolgt, welche nach Wake-
lield sich an Lucrez versucht hahen.
Einige Beiträge zur Kritik, welche noch vor dem Erscheinen seiner
Ausgabe ans Licht traten, hat L. nicht berücksichtigt; wahrscheinlicii
aus dem Grunde, den Fleckeisen in seinem Nachworte zur Hecension
über Hilschls Plautus in diesen N.Tahrb. Bd. LXi S. 66 verniuthet hat.
Sonderlich viel bedeutendes ist freilich auch nicht geleistet worden.
Eine unbedingt richtige Emendation, ^velche auch B. noch nicht auf-
genommen hat, findet sich in Oppenrieders Augsburger Gymnasial-
programm von 1848. Dieser conjiciert nemlicli IV, 147 und 152 vi-
trum für veslem. Wie er seine Conjectur verlheidigt hat, weifs ich
nicht, da ich sein Programm nicht gelesen habe; dafs die Aendernng
aber richtig und nothwendig ist, beweist ohne weiteres Vs. 602 des-
selben Buches.
Soweit hätten wir Lachmanus Vorarbeiten zur Wiederherstellung
des echten Textes mit den Arbeiten von Madvig und Siebeiis und na-
mentlich mit der van Bernays verglichen. Wir kommen nun zu einem
Punkte, über den die beiden ersten sich nicht äufsern und welchen
der letztere in seiner Abhandlung als unter den gegenwärtigen Ver-
hältnissen unerklärbar von sich gewiesen hatte. Ich meine, wir kom-
men nun zu der Frage, in welcher Weise Lucrez sein Werk liinler-
lafsen und welche Schicksale dasselbe durchgemacht hat, ehe es im
grofsen und ganzen die Gestalt annahm, welche der Archetypus dar-
stellte. Es ist natürlich, dal's in diesem Theile der Lachmanuschen
Arbeit alle die einzelnen Resultate nicht mit solcher Bestimmtheit und
Sicherheit als nothwendig und wahr nachgewiesen werden können
wie in dem, was L. über die handschriftlichen Grundlagen des Textes
aufgefunden hat. Da hier, wie bei allen solchen Fragen der sogenannten
höhern Kritik, das aesthetische Gel'üld nicht selten die Hauptrolle
spielt, so kann im grofsen und ganzen woiil Uebereinstimmung erzielt
werden; im einzelnen, da uns doch zuletzt die festen Handhaben feh-
len, wird eine allgemein befriedigende Lösung der Frage um so schwie-
riger, wenn nicht unmöglich, als gerade bei Lucrez so mancherlei
widerstrebende Rücksichten untereinander in Einklang zu bringen
sind. Unbestreitbar ist, dafs Lucrez sein Gedicht nicht selbst heraus-
gegeben und auch nicht einmal bis zur Innern Vollendung gebracht
hat. Schon äufsere Zeugnisse sprechen dafür, namentlich das des
Hieronymus , welches Mai unter dem Jahre 1918 aulTührt: Titus hi-
er et ivs poefa nascilur ^ qui postea amaturio poculo in furorein iier-
sus, cum aliquot libros per intervalla insaniae conscripsisset, quos
postea Cicero emendamt, propria se mann inlerfecit anno aetalis
XLIV. Da, wie bei L. p. 62 zu ersehn ist, die Angabe des Todes-
jahrs durch Donats Zeugnis als richtig bestätigt wird, so hat
man Grund genug, im Hieronymus hier eine ziemlich genaue Wieder-
gabe des von Sueton überlieferten zu vermulhen; um so mehr, als
i.arlimann u. Bcrnays: T. Liicroliiiä Carus. fh)0
auch im Monat Fcl)riiar des auf das angcfti'hcnc Todesjahr foltrenden
Jahres M. Cicero an seinen Bruder also schrieb (II, II): liinviii poe-
niata ul scribis ita sunt: \non\ inultis liniiiiiilnis iiKjeiiii. miiltnc Uivieii
artis. Lucrcz konnte naliirlich zu der Zeil des Briefes niciil nieiir
am Leben und doch auch noch nicht lange verstorben sein. Dafs in
dem andern Tlieile des von Hieronynuis berichteten nichts sei , was
man nolhwcndig- als blofse spätere Fabel bezeichnen müfse , darauf
hatte ich schon in meiner Dissertation hin<^e\viesen. Auch Ciceros
Name hat nichts in sich, was uns berecliliffle, an der Ueberlieferung
zu zweifeln, wenn man nur (). Cicero versl iil. An allem, was be-
richtet ist, zweifeln zu wollen, ist Ja keine Kritik, ebenso wenig wie
alles zu glauben, nur weil es berichtet wird. Von den inncrn Zeug-
nissen, die dasselbe aussprechen und über welche L. an den betref-
fenden einzelnen Stellen sich äufsert, will ich einige hervorheben.
Zunächst II, 522 ff. :
Quod quoniam dociit, pergam conectere rem quae
ex hoc apta pdem ducat, primordia reruni,
inter se simili quae sunt perfecta /igura,
525 in finita einer e. elenim distantia cum sit
formarum finita, necesse est quae similes sint
esse infinitas, auf summam materiai
ßnitam constare, id quod non esse probavi.
*
versibus ostendam corpuscula materiai
530 ex in finita summam rerum usque tenere,
undique protelo plagarum continuato.
nam quod rara indes etc.
Man vergleiche Lachmanns Anmerkung zu diesen Versen, Melche die
\^ ichtigkeil dieses Zeugnisses am deutlichsten hervorhebt. Was bei-
läufig dessen Emendation protinus für versibus in Vs. 529 anbetrifft,
so stimme ich hier mit Bernays überein, welcher eine Lücke annimmt,
wie sie auch L, nicht für unmöglich hält.
Zu VI, 1270 bemerkt L. : Mtaque hunc versum a Lucretio
non eo consilio scriptum esse existimo, ut ceteris ita ut nunc
legunlur constitutis servaretur. similiter iudicavi supra de iis quae
sunt in II, 522, de versu libri III 1031, de 1230 et 1328 quinti,
itcmque de huins libri 85 cum proximis.' Die bezeichnendste von
diesen Stellen ist VI, 85—89. In Bezug auf III, 1031 und V, 1230
w eicht B. insofern ab , als er sie ohne besondere Zeichen in den Text
aufgenommen hat, während er sonst die Stellen, welche Lucrez nach
seiner 3Ieinung bei wiederholter Durcharbeitung ganz getilgt oder
geändert haben würde, wie L. durch bestimmte Zeichen (|| ||) her-
vorhebt. Hier kann freilich nur das Gefühl entscheiden. Ich halte
es mit Lachmann.
Einige höchst auffallende Ausdrücke ausgenommen, wie ordia
prima in IV, 28 und fucit ore in VI, 962 oder coepil in IV, 619, wel-
ches letztere , w enn auch nicht ohne Analogie , doch ganz ungewöhn-
43*
660 Laclimann u. Bernays : T. Lucretius Canis.
lieh ist: dies und dergleichen also ausgenommen verdient namentlich
hier V, 155 hervorgehoben xu werden, wo der Dichter etwas in gro-
fser Ausführlichkeit {largo sermone) später darzulegen verspricht,
wovon im ganzen Werke nichts mehr vorkommt. Weiteres über diese
Stelle habe ich im Pförtner Programm des Jahres 1849 gesagt, S. 18 IT.
Das Gedicht, soviel steht also fest, hat Lucrez nicht zur letzten
innern Vollendung bringen können; das erste Buch etwa ausgenom-
men, wie L. annimmt. Dafs wir dies noch aus der jetzigen Gestalt
des Werkes ersebn können , ist ein grofser Ruhm für die treue Ge-
wifsenhat'tigkeil Ciceros, welcher an der unvollendeten Schöpfung
des zu früh verstorbenen sich in keiner Weise hat vergreifen wollen.
Nur geschickter, so meint L., hätte er bisweilen sein können. Lucrez
nemlich habe manche, zum Theil umfangreiche Partien seines Gedichts
auf einzelnen Blättern niedergesciirieben und dies auch zu Zeiten, da
er das ganze des Werks, soweit es gerade vollendet war, nicht zur
Hand hatte. Auf diese Weise erkläre sich, wie Heihen von ziemlich
viel Versen da und dort den Zusanuuenhang der Argumentation
unterbrechen. Mit dem ganzen dies zu verschmelzen, hätte nur mit
Hilfe umfafsender und willkürlicher Aenderungen gelingen können,
wie sie glücklicherweise Cicero nicht zu unternehmen wagte. Er hat
diese Bruchslücke theils da eingefügt, wo Lucrez sie hinbestimmt
hatte, ohne sie doch mit dem andern schon in Einklang bringen zu
können, theils da, wo er selbst nach nicht immer ganz sicherm Ur-
theil Platz für sie zu finden glaubte. L. hat solcher Stellen sehr viele
bezeichnet: im 2. Buche 165—83 und 1013 — 1104; in III 300—95;
IV, 129—41; 168—75 und 179; 706-21; 777—817; 822 — 57 und
858-76. V, 110—234; 509—33; 1090—1160; 1379 — 1435. VI, 85—
89; 608 — 38. B. ist in dieser Beziehung ganz derselben Ansicht und
es ist unbestreitbar, dafs diese glückliche und scharfsinnige Hypo-
these in nicht wenig Stellen die richtige und einzige Erklärung für
den gestörten Zusammenhang geben mag. Einige Bedenken kann
ich aber nicht unterdrücken. So z. B. kann ich mit L. in seiner
Ansicht über den letzten Tbeil des zweiten Buchs durchaus nicht über-
einstimmen. Nach ihm unterbrechen Vs. 1013 — 1104 den Zusammen-
hang und Vs. 1105 ir. sei nur versländlich, wenn man ihn gleich an
1012 anschliefse. Das zweite Buch aber handelt in seinem ersten
Theile Vs. 62 — 332 von der Bewegung der Atome, in seinem zweiten
bis Vs. 729 von den verschiedenartigen Gestaltungen derselben und
deren Verhältnis zueinander. Im dritten Theile lernen wir, dafs die
Atome färb-, geruch- und geschmacklos sind. Die Atome haben auch
keine Sinne, und doch entsteht alles, was empfinden kann, ebenfalls
aus ihnen , obschon ihnen die Empfindung ganz und gar abgeht. Letz-
tern Salz führt Lucrez Vs. 865 — 1022 aus: hätten die Atome Empfindung,
so müsten sie vergänglich sein; wäre jedes Atom ein empfindendes
Wesen, so würden sie, da doch jede Empfindung eine particuläro
ist, bei den resp. Zusammensetzungen nichts gleichmäfsiges und in
sich übereinstimmendes hervorbringen können. Das empfindende cnt-
Laclimann u. Bernays: T. Lucrcliiis Cariis. 661
stellt aus den nicht em|»liii(lrii(it'ii , indem diese in die passenden Ver-
bindMn<ifen untereinander ^rehraclil werden. Au den Alonieti lialtel dio
Eni|)findnn<r nicht. Die Atome bilden alles, eniplindendes und nicht
empfindendes. Da sie ewig- in Be\> e<,''nn<r sind, so kommen sie in dio
mauis!:faltig:sten Verbindungen und eine Geslalliing der Dinge gehl so
immer in die andere über, während allen dieselben Stoffe zu Griindu
liegen. 'Kurz wir haben alle einen und denselben Ursprung, Men-
schen und Thierc und alles, was die Krde trägt. In ewigem Kreislauf
lost sieh immer das eine in das andere auf; denn aullösen ist ja eben
das (Jeschäft des Todes, nicht vernichten. Und je nachdem die jedes-
mal enislehcnden Verbindungen sind, so haben sie Farbe und haben
sie Emplindung oder haben sie nicht.'
itide aliis alind co/uvttgifnr ^ et fit ut oinnes
1005 res ita corwertant formas vmteiitque culures
et capiant sensus et puncto tempore reddant ,
«/ noscas referre eadetn primordia rerttm
cum quihns et quali positura contineanlur
et quos inter se dent motus accipiatitque,
1010 neve pules aeterna peiies residere potesse
Corpora prima ^ quod in sunriiris ßaitare videmus
rebus et interduni nasci snhitoqne perire.
Das heifst: es ist also klar, dal's, um Empfindung hervorzubringen,
es keiner mit Empfindung ausgerüsteter Atome bedarf; nur auf die
Art der Verbindungen kommt es an. Die Atome sind ewig und unver-
änderlich, sie können also nicht als ihr Eigenlhum haben, was be-
ständigen Veränderungen und plötzlicher Vernichtung unterworfen ist,
wie Farbe und Empfindung; was mit dem eigentlichen, innern Kern
der Dinge nichts zi- thun hat und nur ein Product der zeitweiligen
Verbindung der Atome ist: quod in summis fluitare videmus Rebus et
interdum nasci subitoque perire. Dies ist die von Weil in der Zeil-
schrift für Alterthumswifsenschaft vorgetragene, allein richtige Er-
klärung von Vs. 1010 — 12*), und daran schliefsen sich ganz passend
Vs. 1013 — 22. 'Nur auf die verschiedene Verbindung der Atome
kommt es an; das ist die Hauptsache. Ist es doch ebenso in unsern
Versen, wo je nach den einzelnen Verbindungen gleichartiger Ele-
mente bald diese, bald jene Bedeutung entsteht.'
quin etiam refert nostris in versilrus ipsis
cum quibus et quali sint ordine quaeque locala.
1017 si non omnia sunt., al niulto maxima pars est
consimilis : verum positura discrepitant res.
sie ipsis in rebus item iam materiai
concnrsus motus ordo positura jUjurae
cum permutantur , mutari res quoque debent.
*) Sollte jemand Lachinanns Conjectur cunctis immer noch vor-
ziebn, so wird trotzdem das Verständnis des ganzen nicht weiter
geändert.
662 Lachmann u. Bernays: T. Liicretius Carus.
Wie L. darauf gekommen ist, diese Verse von den vorhergehenden
zu trennen, begreife ich nicht recht; ebenso Avenig wie ich mir eine
nähere Verbindung zwisclien ihnen und den folgenden denken kann:
nnnc animvm nobis adhibe veram ad rationem. Nam tibi vementer
Kova res niolüur ad auris Accidere et novo se species ostende re re-
runi. Mit Vs. 1022 schliefst der eigentliche , oben entwickelte Haupt-
inhalt des zweiten Buchs und mit Vs. 1023 beginnt noch ein Anhang
über unsere Welt im ganzen oder über den Complex alles dessen, was,
soweit unsere Kenntnis reicht, an endlichen Erscheinungen durch die
im ersten und zweiten Buche erwiesenen und beschriebenen Atome ge-
bildet wird. 'Nichts ist einzig im AH, also auch unsere Welt nicht,
und nichts ist unvergänglich, also auch unsere \'\'elt ist vergänglich/
Diese beiden Punkte musten nothwendig erörtert werden und schlie-
fsen sich an die Lehre von den Atomen hier am besten an; denn we-
der im dritten Buch, wo von der Unsterblichkeit der Seele gehandelt
wird, noch in den übrigen war ein passenderer Platz dafür. Beide
Punkte schliefsen sich aber auch untereinander selbst verhältnismäfsig
ganz gut zusammen und Vs. 1105 steht wohl mit 1104, nicht aber mit
1012 in Verbindung. 1012 kann von 1013 nicht gelrennt werden, denn
was bei solcher Trennung 1013 — 22 irgend für eine Bedeutung haben
könnten, das kann, wie schon bemerkt, kein Mensch errathen. Eine
Einleitung zu 1022 ff. können sie ja unmöglich sein. Von 991 bis 1012
kommt der dritte Hauptabschnitt des zweiten Buchs, wie ich oben ge-
zeigt habe, zum Abschlufs; mit dem, was in diesen Versen verhan-
delt wird, steht das von 1105 an erzählte in gar keiner Verbindung.
Dort hören wir in kurzer Endrecapitulaiion noch einmal, dafs man
die Atome sich nicht mit Empfindung begabt denken darf; hier lernen
wir, dafs die Welt wie jedes andere lebendige \^'esen an Kraft und
Stärke zugenommen habe und gewachsen sei und demgemäfs auch ab-
nehmen und zuletzt ein Ende finden müfse. Dies kann man doch eher
an einen Abschnitt sich anschliefsend denken, der uns belehren soll,
dafs unsere Welt, ebenfalls ganz wie jede andere Erscheinung, nicht
die einzige ihrer Art sei, sondern dafs es noch mehrere dergleichen
geben müfse. Diese beiden Abschnitte haben doch untereinander
das gemeinsame eines und desselben Gegenstandes der Behandlung
und sind einer wie der andere nur Anhänge zu dem Hauptinhalte des
Buches, zu dem der eine in demselben nahen oder fernen Verhältnisse
steht wie der andere. Der Anschlufs durch luuUaqite posl u. s. w. ist
freilich nach Vs. 1104 etwas hart, um so mehr als Lucrez sich unmit-
telbar vorher darüber expectoriert hat, wie man durch das nolhwen-
dige Zugeständnis mehrerer Welten zugleich einen neuen Beweis von
der Unmöglichkeit des Gölterregiments liefere; aber an Vs. 1012
schliefst sich 1105 noch viel härter an, weil er auf noch weiter ablie-
gendes hinüberführt. Und dabei müste man immer noch Vs. 1015 —
22 von dem trennen, mit dem man sich die Verse durchaus verbunden
denken mufs, will man ihnen nicht allen AVerlh und alle Bedeutung
f'auben. Ich gestehe recht gern zu, dafs Lucrez bei einer Durchar-
Liuliiiianii II. ßoniays: T. I.iicrolius ('ariis. OO.'i
beilung des Gediclils liier maiiclies zu ändern g-cfiindeii haben würde,
wie jeder seihst lieraiisliihlen kann; Lachinaiiiis V^eilaliren aber ist
hier ungerechlferli»! und Vs. 1(U2 — 1104 isl nicht i^ediciilel , naeiideni
das zweile Buch sehoii zu Kiide i^eliraehl \\ar, und nainenllich niclil,
nach(h'iii 1 ](),') 11". sclioii als iiothweii(li<ier Anschlnrs an 1()I2 und das
A'orhei'oehende aiisgcarhcilel wnv, denn 1105 sielil niil lOl'i in keinem
Zusainmenhangc.
Ich habe schon oben Kiigeslaiiden, dafs in Bezii» aiifnianclic der
übrig'en von Lachinann unler dieselbe Kalegorie gcreclinelen Abschnillo
seine Krkläriing: des uiilerbroclienen /yiisainnienhanijs auch nach mei-
ner UeberÄeiigiing- als die einzig richtige gelten kann. Ks gibt aber
unter ihrer Zahl auch einige, von denen man zwar nicht leugnen darf,
dafs sie den Gang der Argumentation mehr oder weniger aufhalten,
bei denen man aber doch sich zu erklären vermag, wie der Dichter
im Verlauf der ersten Arbeit seihst zu ihrer Composilion geführt sein
kann, und bei diesen Stellen, fürchte ich, kann L.s Hypothese zwar
scheinbar und annehmlich sein und doch das richtige \erfehlen. Sicher-
heit hier zu erzielen lialle ich für ausnehmend schwer, insofern wir
durcli den Bericht bei Ilieronymus wifsen, dafs Lncrez selbst das, was
er hiiiterlafsen hat, nicht ohne gewallige Störungen und nur stückweise
hat ausarbeiten können. Auf innere Zeugnisse der Unfertigkeit des
Gedichts habe ich vorhin durch L.s eigne \N orte aufmerksam gemacht ;
ein noch bedeutenderes, worauf mir L. zu wenig Gewicht gelegt zu
haben scheint, will ich hier noch nachholen. Es sind dies jene eigen-
thiimlichen Wiederholungen nicht blofs einzelner Verse und Verspaare,
sondern auch ganzer Reihen von 10 und mehr Versen, welche man
längst nicht mehr versucht durch homerische Analogien zu erklären,
und deren Menge und namentlich deren Häufung an einzelnen Punkleu
des Gedichts gerade hier eine besondere Berücksichtigung verdient.
Einige dieser Wiederholungen, wie sie unsere Hss. zeigen, sind frei-
lich spätem Ursprungs; aber auch L. hat ihrer noch so viele als echt
anerkennen müfsen, dafs die von mir früher auf diesem Wege ge-
Avonnenen Resultate noch immer ihre Giltigkeit haben. Ich will die
bedeutendsten der wiederholten Stellen hier zusammenstellen, weil,
wie ich glaube, dadurch meinem Zwecke am besten gedient wird. Die
Verse II, 55 — 61 finden sich unverändert auch 111, 87- — 93 und VI, 35
— 41. Andere zum Theil noch längere Stellen finden sich nur einmal
wiederholt. I, 789—93 und 11, 750—54. I, 8-23 — 26 und II, 688—91,
im 2 Buch mit einer kleinen Abweichung, weil hier das Beispiel einem
andern Beweise dient. Vergleichen mag man hier die oben angeführ-
ten Verse II, 1013 fl". Ferner II, 29—33 und V, 1392-96 (mit einigen
Verändernngen, weil die Verse im 2. Buche klar machen sollen, Avie
wenig der Mensch zu seinem Glück bedürfe, während sie im 5. dazu
dienen, den Zustand und das Leben der ersten Menschengeschlechter
zu schildern). II, 177—81 und V, 195—99. II, 1061—63 und V, 429
— ^31. III, 784 — 97 und V, 128 — ^41 (mit einigen kleinen Verschieden-
heiten). IV, 170— 73 und VI, 251—54. IV, 180—82 und IV, 909—
664 Laclitnann u. Bernays: T, Lucrcüus Carus.
11. IV, 217—28 und VI, 923—32. V, 82—90 und VI, 58—66. V,
187— 91 und V, 422 — 26 (auch was in V auf 426 folgt, hat viel Aehn-
lichkeit mit 192 11". Vs. 419 — 23 sind dieselben wie I, 1021 — 24). V,
269 — ^72 und VI, 635 — 38. Im 5. Buche finden sich also folgende län-
gere Wiederholungen: 128—41; 195 — 99; 419 — 23; 422—26; 429—
31; 1392—96. Im 6. Buche: 35—41; 58—66; 251—54; 923—32. Der
Anfang des 6, Buchs und die Stelle des 5. Vs. 419—31 geben demnach
ein befremdliches Zeichen geistiger Armut und können bei einem gei-
stig so reich begabten Dichter wie Lucrez nur durch ganz besondere
Umstände erklärt werden der Art wie sie Hieronymus andeutet , wel-
che uns bei Urtheilen über die Coniposition des ganzen Gedichts sehr
vorsichtig machen müfsen,
Eine der längern Wiederholungen hat Lachmann dem Lucrez ab-
gesprochen und die Verantwortlichkeit dafür auf Cicero übertragen.
Das ist das Exordinm des 4. Buchs, welches schon I, 926 — 50 vor-
kummt, Dafs die Verse im 1. Buche unbestreitbar echt sind, bedarf
keines Beweises; sollen sie im 4. Buche nicht von Lucrez herrühren,
so müfsen sie wenigstens schon sehr früh eingeschoben sein, denn
Nonius zeigt in fünf Citaten, dafs er die Verse am Anfange des 4. Bu-
ches gelesen hat. An beiden Stellen zugleich konnten sie nicht stehn
bleiben; hätte Lucrez sie als Anfang des 4. Buchs benutzen wollen,
so hätte er damit zugleich ihrer Anwendung im 1. Buche das Urtheil
gesprochen. L. aber behauptet, in die Einleitung des 4. Buchs passten
die Verse primiim quod magnis doceo de rebus et artis ReUigiunum
animam nodis exsohere pergo schlechter als nach: minc age, quod
superest cognosce et clarius'audi. Demnach müfse man annehmen, Lu-
crez habe das 4- Buch ohne Exordium gelafsen und Cicero habe, um
diesem Mangel abzuhelfen, jene Verse aus dem 1. Buche herbeigeholt.
Ich bin nun natürlich auch unbedingt der Ansicht, Lucrez habe jene
Verse zunächst für das 1. Buch bestimmt, und gebe demgemäfs auch
ganz gern zu, jene von L. hervorgehobenen Ausdrücke passen in der
gegenwärtigen Verbindung sich bequemer an I, 921 ff. an, als sie im
Exordium, so wie sie jetzt sind, ihren Platz haben. Aber bedenklich
scheint mir, dafs man hier dem Cicero einen Mangel an Gewifsen-
haftigkeit und Achtung vor der Gestalt des hinterlafsenen Werkes zu-
gehreiben soll, wie er ihn nach den oben angeführten deutlich spre-
chenden Beweisen nirgends anders zeigt. Es scheint mir dies um so
bedenklicher, als Cicero auch die letzte Zeile ganz bedeutend geän-
dert und so ein entschiedenes Falsum begangen haben müste. Ich
meine, es ist ebenso wahrscheinlich anzunehmen, Lucrez habe die
Verse vom Ende des 1. Buchs entfernen wollen, indem er sie zum Ex-
ordium des 4. Buchs bestimnite. So ganz kurz vor dem Schlufs des
l. Buchs ist ein neuer so umfangreicher und pomphafter Eingang nicht
ohne Bedenken, um so mehr als das, was durch ihn eingeleitet wird,
nicht blofs dem Umfange nach keine besondere Bedeutung hat, son-
dern auch dem Inhalte nach von dem bis dahin behandelten sich nicht
»0 entschieden hervorhebt, Dafs am Anfange des 4. Buchs Lucrez sich
Lachmann u. Bcrnays : T. Lucrcliiis Cariis. 665
in einer gewissen Vcrlegenlicil befand, zei^fl jenes wuiiderlielie ordia
prinuf, und man kann dcsliall) wolil annelinicn. Liicnz habe die Verse,
•welche er nnnmeiir zun» Exordium des 4. lUichs beslininile, in gelege-
nerer Zeit diesem Zweck entsprechend weiter uniarheilen wollen.
Dals dies mit dem, was wir sonst vom Gedichte wilsen, wohl in Ein-
klang stehe, beweisen mehrere der oben angerührten Beispiele; der
Umstand, dafs das 1. Buch eine bei weitem grölsere innere Ueberein-
slimmung zeigt als die andern fünf, ist ebenfalls kein Beweis gegen
mich; denn Lucrez halte doch das 1. Buch nicht schon herausgegeben,
ehe er an das 4. kam.
So viel von dieser dornigen Materie. Mag man darüber denken
Mie man will; als grofses Besnltat von Lachmanns Arbeit steht fest,
dafs er zuerst auf eine Menge mehr oder weniger umfangreicher Ab-
schnitte aufmerksam gemacht hat, welche gegenwärlig den Zusam-
menhang ganz ersichtlich stören. Wie man diesen Umstand sich zu
erklären versucht, hat zuletzt auf das Verständnis des ganzen Ge-
dichts verhältnisniäfsig wenig Einlhifs.
Sicherer und unangreifharer, wie natürlich, ist das, was L. über
spätere Interpolation festgesetzt hat. Es ist klar, dafs in ziemlich
früher Zeit ein Leser an das Gedicht gekommen ist, der nicht ohne
eine Art philosophischer Bildung, theils um der Argumentation ein
Gewicht mehr zu verschaffen, theils um seine Bedenken gegen die-
selbe zu erkennen zu geben, einzelne Verse, die er selbst fabriciert
hatte, oder auch ganze Versreihen, die er aus Lucrez entnahm, bei-
schrieb. Letzteres an Orten, wo seiner Meinung nach sich Lucrez zu
widersprechen schien, wie z. B. am Anfange des 1. Buchs nach der
Anrufung der Venus er die Verse aus dem 2. Buche herbeizieht, in
denen Lucrez auseinandersetzt, dafs die Götter sich um menschliche
Dinge gar nicht kümmern. Wie glänzend in der Bestimmung dieser
Randbemerkungen, welche als Interpolationen in den Archetypus über-
giengen, sich L.s Scharfsinn bewiesen hat, das werde ich nicht erst
ausführen. L. hat im Index unter dem Lemma intcrpolator carminis
Lucr. die betreffenden Verse zusammengestellt. Bernays hat der Zahl
der von L. angenommenen Interpolationen noch einige hinzugefügt und
zwar, wie mir scheint, zum Theil mit Recht; z. B. III, 358 und 362.
Nicht seiner Meinung bin ich in Bezug auf 111, 764. Diesem Verse vor-
her geht in den Hss. der sicherlich vom Inlerpolator hier wiederholte
Vs. 746 desselben Buches und daran anknüpfend sagt B. p. VII: *ex
eadem igitur officina, ex qua iteratio illa, prodiit etiam versus iste nee
tarn (hcttts, quo logicas ineptias suas scurrili irrisione cumulavit versi-
ficator.' Die Verse heifsen im Zusammenhange : sin animas hominum
dicent in corpura semper Ire humana^ tarnen quaeram cur e sapienli
Stulfa queal fieri ^ nee prudens sil puer ulhis^ Nee tarn doclus equae
pulius quam f'ortis equi vis? Dazu bemerkt B.: 'cum tali quaestione'
(s/w animas etc.) * quis ferat coniungi id quod continetur v. 764, ubi
prorsus contra hypothesin equinae animae irrepunt in societatem hu-
manarum.' Aber der Zusammenhang ist folgender: hätten die Seelen ihr
666 Laclimann u. Bernays: T. Lucroliiis Cariis.
eignes Leben für sich und gien<?en sie aus einem Körper in den andern
über, so müsten ja einmal im Menschen die Eigenschaften der Thier-
secle, im Thiere die der Menschensecle liervurlreten. Leugnet Fnan
aber, dafs die Thiersede in den Mensciien, die Menschenseele in das
Thier übergehn könne; nimmt man an, dafs Menschenseelen nur in
Jlcnschen und, was damit nolhwendig zusammenhangt, die einzelnen
Thierseelen nur in die entsprechenden Thierkörper übergehn können,
so bleibt doch wunderbar, dafs die Seele erst eine eigne Verwand-
lung durchmachen mufs, dafs sie zuerst unbehilllich und schwach sich
zeigt, dafs der Knabe nicht gleich mit dem Verstände des Mannes,
das Füllen nicht gleich mit der Gelehrigkeit und Geschicklichkeit des
kräftigen Rosses auftritt. Ich sehe hier nichts auffallendes und be-
denkliches, sobald man nur nicht die Bedeutung des Vordersatzes sin
unimas etc. so beschränkt, wie es B. ohne Nolh und irthiimlich ge-
than hat. Am wenigsten sehe ich hier eine ^scurrilis irrisio '; ich sehe
überhaupt nichts scurriles in dem Verse, der mir nach seinem ganzen
Baue eines so grofsen Dichters wie Lucrez vollkommen würdig er-
scheint. Dafs der interpolierte Vers zwischen 762 und 64 gerathen ist,
bat bei dem Zustande unsers Textes nichts befremdliches.
So Avären v.ir endlich bis zu dem Punkte gelangt, in welchem
sich Lachmanns Gelehrsamkeit am glänzendsten und grofsartigsten
zeigt, nemlich zu den Untersuchungen, welche L. über den Sprach-
gebrauch und die Kunst des Dichters angestellt hat und die er unter-
mischt mit einer Menge anderer Entdeckungen aus dem Gebiete der
lateinischen Sprachkenntnis an vielen Stellen mittheilt. Es wäre viel-
leicht nicht ohne ^^'erth und manchem erwünscht, die in dieser Be-
ziehung gewonnenen Ilcsultale hier zusammenzustellen; da indes die
meisten dieser Untersuchungen über Lucrez hinausgehn. auch die Aus-
dehnung der vorliegenden Anzeige ohnedies schon grofs genug er-
scheinen kann , so will ich gerade diesen Punkt mir bis auf andere
Zeit und andere Gelegenheit aufsparen und nur noch kurz hervorheben,
dafs ganz im Gegensatz gegen die frühern Herausgeber, Avelche bei
Lucrez jede Freiheit für möglich hielten, L. auf Grund der allerge-
nausten Beobachtungen dem Dichter seine Stelle unter den casli poe-
tue des 7. Jh. anweist, welche ihre Verse nach festen Regeln bauten
und in Behandlung ihrer Sprache gewifsenhafter und weniger willkür-
lich waren als selbst die Dichter der augusteischen Zeit,
Ich w erde zum Schlufs zur kurzen Besprechung einiger Texfes-
verbefserungen übergehn *). Der Archetypus war, um mit L.s Wor-
ten zu reden 'passim detrilus, corrosus, sordibus obductus, aliqua
etiam parte lacer.' Nimmt man dazu, dafs der durch ihn repraesen-
tierte Text noch an älteren Corruptelen und Interpolationen litt, so
wird man begreiflich finden , dafs L.s divinatorische Thätigkeit bei
*) Ich werde die.sen letzten Tlieil der Anzeige namentlich be-
nutzen , um den Charakter der Arbeit von ßernay.s einigermafsen ge-
nauer zu bestimmen.
Lacliinaiiii u. Cornays: T. Liicrcliiis Ciinis. 067
I.iicrez iiiclir als bei den nieislcn andern Scliriflslelleni sicii gellend
machen konnle. Ich hal)c die Slellen niclil gii/.Ml , an welche I,. die
verbefsernde Hand gelegt hal ; aber auf jeder Seite last sind deren
mehrere. Eichsliidls im King^ange er\\ ahnte Anpreisung der ^^ ake-
lieldschen Ausgabe war durchweg übertrieben und ungerechtfertigt;
>vendet man dieselben Ausdrücke auf L.s Ausgabe an, so kann man
der Beistimmung auch späterer Geschlechter sicher gewis sein. Be-
weise für diese meine Beluiuptung durch Anführung- einiger der schön-
sten Emendalionen zu liefern, halte ich für unnüthig.
Laciimann war der erste, der eine wahrhaft wifsenschaflliciie
.Kritik bei Lucrez angewendet hat. Bei so heillos verstümmeltem Te.vt
und so schw ierigcm Argument ist es daher natürlicii, dafs er noch nicht
alle Zweifel gelöst , nicht an allen Stellen das richtige hat trelfen
können, wenn auch gewis nur wenig Stellen zu linden sein werden,
wo er nicht die Schwierigkeit erkannt und vielleicht auch auf den
richtigen Weg zur Beseitigung derselben hingewiesen hätte. Bcrnays
hat an weit über hundert Stellen von L. abweichen zu müfsen ge-
glaubt, und wenn ich auch nicht überall in dieser Beziehung mit iiini
iibcrein.^timmen kann, so darf man es doch nur ein ganz besonders
glückliches ZusanimentrelYen nennen, dafs gerade ein so scharfsinni-
ger, gelehrter und besonnener Mann wie Bernays die Bccognition von
l.achnianns Arbeit übernommen hat. Seine Ausgabe fufst natürlich auf
der Lachmannschen und er selbst schreibt auf dem Titel nicht recensuit
I. B. sondern recognovit I. ß., aber trotzdem hat er für Lucrez auch
nach L. mehr geleistet als manch einer, der sein recensuit unbedenklich
voranschreibf , und es ist gewis, dafs schon jetzt seine Ausgabe eine
durchaus nothwendige Ergänzung der L. sehen ist und dafs die gröfsere,
die Avir, wie ich gehört habe, von ihm zu erwarten haben, es in
noch viel höherm Grade sein wird.
Gleich beim ersten Anblick unterscheidet sich die von B. be-
sorgte Textausgabe von der L. sehen dadurch, dafs sie eine verhältnis-
mäfsig mehr gleichmäfsige Orthographie festhält. Da nemlich Lucrez
schwerlich je Schulautor gewesen und gewis nur verhälfnismäfsig
selten abgeschrieben worden ist, so haben sich in seinen IIss. Spuren
der alten echten Schreibweise theils unverkürzt theils in mehr oder
weniger leicht zu bestimmenden Corruplelen erhalten. L. hat mit selt-
ner Genauigkeit alle dem nachgespürt und wo die alte Schreibweise
durch handschriftliche Autorität festbegründet schien, sie in den Text
aufgenommen; er hat überhaupt, wofür man ihm nicht genug danken
kann, darnach gestrebt, namentlich die handschriftliche Textgestal-
tung, soweit sie auf die ältesten Quellen zurückzuführen war, in die-
ser Beziehung festzuhalten und zu reproducicren. Er konnte dies um
so eher, als durch die unter den Text gesetzten Abweichungen der
handschriftlichen Autorität die nöthige Ergänzung dazu geliefert wurde.
B. konnte diese Ergänzung nicht hinzufügen, und da seine Ausgabe
aufserdem für weitere Kreise bestimmt war als die L.sche , so hat er
mit Recht im ganzen die Orthographie angewendet, welche man ge-
668 Laclimanii u. Bcrnays: T. Lucrelius Carus.
geuwärtig in den Dichtern des sogenannten goldnen Zeitalters festzu-
lialleii ptlegt. Ich hätte dies dem Charakter der Ausgabe nach noch
consequenter durchgeführt gewünscht; wenn z. B. 11, 955 relicui mo-
tusvilalis für vitales gedruckt ist, so scheint mir dies nach L.s
Plane sehr gereciilferligt , für eine editio Teubneriana aber unpassend.
Ebenso liest man IV, 397 (ed. Bern.) extant — montis für mon-
les; und so noch öfter. Die Unmöglichkeit, die Abweichung der hand-
schriftlichen Autorität anzuführen, hat B. auch dazu veranlafst, die
einzelnen Worte, welche entweder er selbst oder L. oder schon frü-
here zur Ausfüllung kleinerer Lücken conjiciert haben, durch Cursiv-
schrift hervorzuheben. Ich wünschte, er hätte dies auch bei den mei-
sten der andern bedeutendem Emendationen gethan; denn gerade bei
Lucrez trifft es sich nicht sollen, dafs man mit gröfserer Sicherheit
das Wort bestimmen kann, welches in den llss. ganz verloren gegan-
gen ist, als dasjenige, welches in irgend einer der schlimmsten Cor-
ruptelen bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet worden ist. So z. B.
hätte das von L, dem Lucrez zugewiesene manticulari ^ welches B,
nicht blofs mit seinem Vorgänger II, 547, sondern aufserdem auch
noch 111, 240 in den Text genommen hat, diese Bezeichnung verdient.
In der Vorrede hat B. einige Hauptgesichtspunkte hervorgehoben,
von wo aus er namentlich zu Abweichungen vom L. sehen Text gekom-
men ist. Dafs er der Interpolation ganzer Verse einen etwas gröfsern
Kaum anweist als dies L. gelhan hat, darüber habe ich mich schon
geäufsert. In den Text gekommene Glossen hat er ebenfalls mehr
nachgewiesen, wie ich unten zeigen werde. Ganz glücklich ist er
auch in seiner Aufmerksamkeit auf Homoeofeleula und dem ähnliches
gewesen. Ein Beispiel davon habe ich schon oben gegeben; hervor-
heben will ich hier noch die schöne Verbefserung zu VI, 509, zu wel-
cher er auf diesem Wege gekommen ist. Dieser Vers heifst in den
llss. a\so: confertae nuhes viventi mittere certanl. Aus dem unver-
ständlichen viventi hat L. das allzukünslliche umentia gemacht; B.
denkt es sich aus irisrenti entstanden, welches im folgenden Verse
denselben Platz einnimmt, und schreibt imbris demiltere^ einfach
und richtig. Wenn übrigens, um dies beiläufig zu bemerken, B. zu
IV, 493 erklärt, es sei zweifelhaft, ob das irrige 7iecessest am Schlufse
aus 490 oder aus 495 in den Vers gekommen sei, so glaube ich, zwei-
felt B. mit Unrecht. Vs. 492 schliefst mit colORES, 494 mit odORES ;
der Abschreiber konnte also bei mangelhafter Aufmerksamkeit am
Ende von 493 sich leicht zum Schlufse von 495 verirren. Mit wel-
chem Recht B. in Bezug auf die Versetzungen ganzer Verse an ein-
zelnen Stellen von L. abweichen zu müfsen geglaubt hat, darüber
werde ich unten noch einiges mittheilen. — Ich werde nun der
Reihe nach über einige Verse sagen, was mir darüber bemerkens-
werth scheint.
I, 120 f. haben die Hss. : etsi praeterea tarnen esse Acherusia
tempin Ennius aeternis exponit versilins edcns. B. läfst die hand-
schriftliche Lesart ungekränkt; L. verändert edens in eidem {^oimu.);
Lacliniann ii. ßemays: T. I.iicrcliiis Cariis. 6G9
und (las ohne alles Bedenken mit Recht. Ich glauhe, um jeden davon
zu überzeugen, brauche ich nur auf L.s Worte noch einmal aufmerk-
sam zu machen: ^edcns, quod niillum pondus addil senloutiae: sed vin-
culo opus est, quo iunganlur iiaec cum su(>erioribus.' — Vs. 230
lügt B. mit Hecht die Kommata inmilteu des Verses und nimmt siip-
perf//flrt/ als transitives Verbun\; dafür spricht die Zusammenslellung
mit af/'l , (HKjel ., pascil und Vs. 1031 desselben Huches: efficil nt lar-
(jis aridum mare fUtniinis midis Iiilegreiil amnes etc. Dafür spricht
auch, dafs bei L.s Auffafsung iiigemti ein ganz müfsiges Flpilheton zu
fonU's wäre; denn ein Gegensatz gegen arte facti kann es doch nicht
sein sollen, externaque larye aber kann ich nicht mit 15. für richtig
halten, da ich mir keine interna ßiimina denken kann; man niufs mit
L. schreiben: extenlaque lange. — Vs. 271 conjicierte L. für das un-
verständliche corfiis abweichend von den frühern: cauics; B. hat die
alte Conjectur pon/um wieder aufgenommen und darin stimme ich ganz
mit ihm überein, denn au den ^^'ellen des Meeres treten die ^^'irkHn-
gen des rerhevare viel ersichtlicher hervor als an den Klippen. Pa-
laeographisch haben beide Conjecturen gleichen Werth. — Vs. 356 f.
haben die Hss.: quod nisi inania sinl ., qua possent Corpora quaeque
Transire haiid nlla valerenl ratione rideres. L. ändert in 356 nichts
und liest 357 also: fransire haud ulla fieri ratione videres. B. liest:
quod nisi inania sint., qua corpora quaeque raferent Transire haud
nlla fieri ratione rideres. B. hat das richtige getroffen; denn nur bei
seiner Lesart kann man sich die Entstehung von talerent in Vs. 357
erklären. Dies wurde verdrängt durch das Glossem possunt und ver-
drängte wiederum durch einen Zufall fieri in 357 ganz ebenso, wie
wir es weiter unten noch bei einem andern Verse sehn werden. —
Vs. 469 liest L. : 7iamqne aliut per sest, aliut regionibus ipsis Even-
ttim dici polerit quod cnmque erit actum. Die Hss. haben das ganz
unpassende terris für per sest; L.s Conjectur bringt aber etwas in den
Text, wovon hier gar nicht die Rede sein kann, und wogegen jedes-
falls regionibus keinen ausreichenden Gegensatz bildet. Es kann nichts
anderes hier stehn als seclis, was B. hat. Der Gegensatz ist dann ganz
derselbe wie 481 f.: sed magis ut merito possis eventa vocare Cor-
poris, atque loci, res in quo quaeque gerantur. Sechs und regioni-
bus stehn für tempore und loco und sind diese Ausdrücke nur dem ge-
wählten Beispiele mehr angepasst. ■ — Eine schwierige Stelle ist Vs.
599 f., schwierig namentlich insofern, als Lucrez hier zwei ganz ver-
schiedene Dinge, nemlich die denkbar kleinsten, sowie die in
Wirklichkeit kleinsten Theilchen der Dinge mit demselben Namen
bezeichnet. Die Atome müfsen in Wirklichkeit untheilbar sein, aber
der Gedanke kann sie noch in unendliche Theile zerlegen. Sunt igitur
solida primordia simplicitate , Quae mtnimis stipata cohaerent par-
tibus arte etc. Hier sind die minimae partes die denkbar kleinsten
Theilchen. Anders dagegen 628, wo unter minimae partes sicherlich
die real kleinsten zu verstehn sind; wo der Sinn der Verse also der
ist: wenn man nicht der Theilung ein bestimmtes Ende, eine feste
670 Lachmann ii. Bernays: T. Lucretius Canis.
Grenze setzt, so bleibt zuletzt nichts übrig, woraus etwas neues sicli
bilden könnte. Denique ni minimas in partis cuncfa resolvi Cocjere
consuesset rerum natura creatrix, lam nil ex Ulis eadem repurare
■valeret Propterea quta, quae nullis sunt partihus aucta, Non pos-
sunt ea quae debet genitalis habere Materies ^ varios conexus, pon-
dera, piagas, Concwsus , motus, per quae res quaeque geruiUur.
In den Hss. steht 628 si viinimas ^ so dafs man hier auch die denkbar
kleinsten Thcilchen wieder zu verstehn hiitte, um den nothwendigen
Sinn herauszubekommen ; es scheint aber befser wegen der unmittel-
bar vorhergehenden Verse: rictus fateare necessest Esse ea quae
nullis iam praedita partibus exlent Et minima constent natura etc.
die andere Bedeutung vorzuziehn und ni zu schreiben. Dagegen hat
Vs. 631 nullis partibus eine andere Bedeutung als 625 und zwar eine
Vs. 610 entsprechende: aus denjenigen Theilchen, welche sich zuletzt
auch der Gedanke nicht weiter zerlegen kann, vermag die Natur nichts
zu schaiTen, denn sie sind eben nichts und haben demnach auch we-
der Gewicht noch Bewegung u. dergl. So ist ein nothwendiger und
passender Abschlufs für die Argumentation gewonnen ; denn diese
sollte eben erweisen, dafs man, um die Natur der Atome zu bestim-
men und zu finden, der Theilung der Dinge ein bestimmtes Ende setzen
müste. Durch L.s Lesart multis partibus kommt etwas an den Schlufs
der Argumentation, was mit derselben gar nichts zu thun hat und was
überhaupt gar nicht mehr erwiesen zu werden brauchte. Auch leidet
der Schlufs auf diese "Weise an einem unheilbaren Widerspruch; denn
dafs qiiae multis sunt partibus aucta wenigstens pondera haben
niüfsen, das versteht sich doch von selbst. Sollte jemand glauben,
dafs wegen des sich anschliefsenden: qua propter qui materiem re-
rum esse putarunt Ignem atque ex igni summam consistere solo etc.
multis partibus vorzuziehn sei, so ist er im Irlhum; denn denjenigen,
welche entweder Feuer oder Luft u. s. w. für die einzige Grundlage
aller Erscheinungen halten, wirft Lucrez nicht vor, dafs sie Grundstoffe
annehmen multis partibus aucta, sondern nullis partibus aucta; vergl.
Vs. 740 If. B. liest in dieser Stelle wie L. — Abweichend von diesem
schreibt er Vs. 805 IT. : et nisi tempestas indulget tempore fausto Im-
bribus , ut tabe nimborum arbusta racillent, Solqiie sua pro parte fo-
vet tribuitque calorem, Crescere non possint fruges arbusta animan-
ies. In den Hss. steht: imbribus et tabe nimborum etc. L. stellt dem-
nach die Verse um und construiert folgendermafsen : et nisi tempestas
indulget tempore fausto Solque sua pro parle fovet tribuitque calo-
rem , Imbribus et tabe nimborum ambusta vacillent etc., wobei am-
busta tabe nimborum höchst auffallenr' und durch ambusta pruinis gar
nicht zu rechtfertigen ist. Das Verfahren, welches B. eingeschlagen
hat, ist einfach, natürlich und sich wie von selbst ergebend. — Eine
schöne und geistreiche Conjectur ist die von B. in II, 28 aufgenom-
mene: nee domus argento fulgenti auroque renidet. Nee citharae re-
boant laqueata ar quataque tecta. Die Hss. haben aurataque , was
wegen des auroque im vorhergehenden Verse nicht wohl zu ertragen
Laclimniin ii. nrniays; T. I.iicrcliiis Carii.«. 671
ist. Die Lesart der Quart lls. mnoataque sclieint iiocli dazu für B. zu
sprechen; indes ist es doch möglich, dafs L. mit seinem ornuiaqite
der Wahrheit eben so nahe gekommen ist und auroataque nur um so
deutlicher verrälh, daCs die ganze Corruptel durch eine Verirning in
das darühersleliende anroqiie enislanden ist. IIand.schrif(liciie Lesart
ist auch noch tcuipla liir lecln und da hei iMacrohitis VI, 2 Icmpe dafür
zu lesen ist, so glaubt der neuste Herausgeber des Macrobius tcnipla
dopitell gereciitferligl. Icii/pe ist aber aus der I'aralielslelle des Vcr-
gil in den Lnerezischen Text gekommen und uar vielleicht an den
Rand geschrieben zum Zeichen, dafs in dem bei Lucrez nun nnmillcl-
bar folgenden Verse das beschrieben wird, was Vergil in [ritjida
tempe darstellt. VI, 4, 21 hat auch Macrobius tecta. Derselbe hat
auch auralaqne; dies beweist, dafs der von ihm benutzte Codex mit
unserm Archelypns sehr libereiuslimmte, vielleicht gar derselbe war.
— Durchaus ausgezeichnel ist die von D. in der Vorrede vveitlaufliger
entwickelte Emendalion zu II, 42 und 43: sl non forte tnas legwnes
per loca campi beriH're cum Videos^ belli simitlacra dentis, Hubsi-
diis maijnis hastatis conslnbililas Oma tos armis pariter pariler-
qiie atninatas. Die Hss. haben: sttbsidiis viagnis epicuri constabi-
litas Ornatas armis itastuas tnriterque animalas. L. schreibi :
subsidiis niagnisque elephunlis constabilitas Ornatas armis, va-
tidas, pariterqne animatas. Kpicuri, so conjiciert B., ist nichls
als das in den Text gekommene Glossem eTri'xovQoi, was man gerade
bei einem philosophischen (iedicht nicht auffallend finden kann, da
dies nur von griechisch gebildeten, vielleicht auch von Griechen selbst
viel gelesen wurde. Das dadurch verdrängte hastatis gerieth, wie in
dem üben schon besprochenen Verse, in die darunter stehende Zeile
und verdrängte das erste pariter. Wie epicuri auf dem Wege der
einfachen Corriiptel aus elepliantis hätte entstehen können, ist wegen
des \A'egfalls des bei elepliantis nolhwendigen que um so weniger
zu erklären. — Vs. 98 geben die Hss. und ebenso auch L. und B.:
partim intervalUs tnagnis confulta resiiltant. Die einzig mögliche,
von L. vorgetragene Erklärung für confitlta ist aber allzu praeguanl ;
eine kleine Aenderung ist nölhig; man mufs conpulsa lesen wie II,
563: numquam in concilium ul possint compulsa coire. — Vor II, 165
nimmt L. eine Lücke an :
nee persectari primordia singula quaeque,
iit videant qua quicqtie geratur cum ratione.
At quidam contra haec , ignari materiai,
naturam non passe, deum sine numine, rentur
tonte apere kumanis rationibus atmoderote
tempora nmtare annorum, frugesque creare etc.
Was in der Lücke gestanden haben mag, scheint mir von L. richtig'
und erschöpfend angegeben zu sein. B. räumt dieselbe nicht ein und
consiruiert die Verse also: At qiiidam contra haec, ignari materiai,
572 Lacliinann u. Bcrnays: T. Lucretiiis Cariis.
j^ecpersectatiprimordiasiiiffulaqtiaeque^ Vt videant qua qtiic-
uue geratur cum ratione, JSaluram nun passe, demn sine tiumine,
rentur elc. Mir scheint aber in dieser Verbindung contra haec doch
iill/,n vereinzelt und unmotiviert gesetzt zu sein; auch, so fürchte ich,
m()c\\\.ü n'Ac\\ nee persectali \\o\\\ videreiit nothwendig werden. An-
ders wäre es, wenn die Negation fehlte. — '■ Vs. 342 hat B. die L.-
sclie Conjcctur parturiunl für das handschriftliche praeterea ebenfalls
in den 1&\{ gQwomm&n: par luriunt genus Immanum mutaeque na-
tunles Squamigerum pecudes et laeta armenta feraeque, Et variae
volucres etc. Aber parturiunt hat hier gar keinen Wertli, möchte
auch zu squatnigerum pecudes nicht gut passen, und das durch
das Zeugnis des Nonius *) bestätigte praeterea unterliegt kei-
nem Bedenken, wenn man, wie ich für nothwendig halte, vor 342
eine Lücke annimmt. Der Gang der Argumentation ist nemlich folgen-
der: Weil der Atome so viele sind, können sie unmöglich alle einander
gleich sein. Einen Beweis dafür liefert schon die grofseManigfaltigkeit
all der sinnlichen Erscheinungen, welche unsere Erde zeigt. Da sind
Flüfse , Seen, Meere, Berge, Steine, Kräutern, s. w. praeterea genus
humanum etc. Und alles dies ist nicht einmal blofs Gattung von Gat-
tung, sondern jedes Individuum in seiner Gattung ist wiederum vom
andern verschieden: quorumunum quidvis generatim sumere perge:
Jnpenies tarnen inter se differre fujuris. Dafür werden drei bewei-
sende Bespiele angeführt : Vs. 349 IT. 367 ff. und 371 ff. Praeterea in
Vs. 367 hat mit dem ersten praeterea in Vs. 342 gar nichts zu thun.
— Vs. 381 haben die Hss.: perfacile est animi ratione exsolvere
nobis. B. conjiciert est parili ; L. est tali. Ich weifs nicht, warum L.
das bequemere parili nicht aufgenommen hat; denn dafs es ihm nicht
eingefallen sein könnte, ist doch kaum zu glauben. — Schwieriger
ist die Stelle Vs. 456 ff. : omnia postremo quae puncto tempore cernis
Diffugere, ut fumum nebufas ßammasqite , necessest, St minus om-
nibu'' sunt e levibus atque rntundis, At non esse tarnen perplexis in-
dupedita, Pungere uti possint corpus penefrareque sese. Nee tarnen
haerere inter se ; quod cumque videmus Ventis esse da tum,
facile ut cognoscere possis Non e perplexis sed acutis esse elementis.
Statt videmus ventis esse datum schreibt L.: venenumst sensibu'' sed
rarum; denn die Hss. geben nicht, wie ich oben nach B. geschrieben,
sondern videmus sensibtis sedatum. Ich halte L.s Conjectur für durch-
aus unglücklich; schon die Stellen selbst, um nur dies eine hervor-
zuheben, welche er zur Vertheidigung derselben heranzieht, geben
den Beweis dafür, z. B. VI, 974: denique amaricinum fugifat sus et
timet omne Vnguentum : nam saetigeris est acre venenum; oder Varro
r. r. I, 2, 19: eins enim salivam esse fructuis venenum. Rauch und
Nebel kann man kein venenum für die Sinne nennen. Aber auch was
*) Das Zeugnis des Nonius ist von besonderer Wichtigkeit, weil
er nicht wie Macrobius sich eines Codex bedient zu haben scheint,
der dieselben Corruptelen wie der Archetypus zeigt.
Laclimann n. Beniays: T. Lucroliiis Carus. G73
B. schreibt ist unpassend. Die ^^'inde können niclil als erläuterndes
IJeispiel zn Dingen ^cbrancht werden , von denen Lucrcz sagt: facile
Hl cot/noscere possis Non e pcrpkxis sed acntis esse elemcnlis. Den
AN'iiulen sind acuta elcnieiita fremd; verji:!. VI, 685: reiifns eiiim fit.,
nhi esf a(j/la)id(> perciliis aer. Dazu kommt, dal's, wenn Lucrez niclit
eins der Vs. 457 genannten Dinge seihst, vielmehr ein dem 3Iohn in
Vs. 453 analoges Beispiel ans der Zahl der ähnlichen, ahcr in ihrer
lelzicn Ursache leicht crkennilichen Erscheinungen hätte nehmen
wollen, er an die Winde nicht denken durfte, weil bei diesen die wir-
kende Ursache ihrer Eigenlhümlichkeit nicht mehr zu Tage liegt als
hei Mebel, Rauch und Feuer. Ich glaube, es bleibt nichls übrig als:
ijiiod cumque videimis Ignihus esse dafuni etc. Die alle Conjeclur
seiit/hns widerlegt sich durch sich selbst. — Vs. 517 schreibt B. nach
L.s Conjectnr: amhit enim ealur ac friyns^ mediique tepoies Iiiler-
vtraque iaccnt explentes urdine summaiii. Die llss. haben omii is enim
und ich kann mich auch jetzt noch nicht von der iNothNvendigkeit einer
Aenderung überzeugen. Calor und fritjus sind noch nicht ttjnes und
gelidae pminae, wie Vs. 515, oder ßammae und rigidae prumae, wie
Vs. 521 hat. Ignes und pruinae bilden die änfscrsten Grenzen aller
Temperatur, und zwischen ihnen, in geordneter und ununlerbrochener
Stufenfolge den Raum ausfüllend, liegen calor ^ frigiis und, die man
weder das eine noch das andere nennen kann, mcdii lepores. Ich
schreibe demgemäfs: omnis enim calor ac frigiis mediique fepores
Inferufraque iacent. — Vs. 579 scheint mir dem ganzen Zusammen-
hange nach aegris kein recht passendes Epitheton zu vugitibus; es ist
demnach vielleicht befser, es in acris zu ändern. ■ — ■ Vs. 718 f. liest
L. : sed ne forte putes animalia sola teneri Legibus his, quaedam
ratio dislerminat omnia. his quaedam ist handschriftliche Lesart;
umnia dagegen Conjectur für omnis, welches B. in omne verändert.
Noch sicherer und einleuchtender ist seine Veränderung von his quae-
dam in hisce eadem , wie der Zusammenhang ohne weiteres erweist.
• — Ebenso schön ist seine Verbefserung zu Vs. 911: at nequeaiif per
se partes sentire necessest: Nam ratio sensus memhrorum respuil
omnis, Nee manus a nobis potis est secrela neque uUa Corporis omnino
sensum pars sola teuere. Die Hss. geben namque alias und L.
schreibt namque alio sensus m. respicit omnis. Die Lesart von
B. ist viel einfacher und natürlicher und palaeographisch gar kein
Wagnis. — Vs. 939 ff. schreibt L.: ni mir um, quia maleries disiecta
tenetur Aiire , fluminihus , terris, aethraqne creatis. Nee congressa
modo ritalis conrenientes Coniulil inter se 7nofus, quibns omni-
tuen tes Accensi sensus animan tum concnter eutur. Die Hss.
geben 942: omne tuentes und 943 animantem qiiamque tuentur. B.
liest omnicientes und animantem quamque tuentur. Ich bin zweifel-
haft an dieser Stelle: es ist nenilich möglich, dafs /we«/?/r in 943
durch das tuentes in 942 hervorgerufen worden ist, und dann konnte
der Vers vielleicht gelautet haben: accensi sensus animante in qua-
que vigerenf; oder man liest : conlulit inter se motus, quibus omni-
N. Jahrb. f. Plul. u. Paed. Bd. LXVIJ. IJß. 6. 44
674 Lachmann u. Bernays: T. Liicretius Carus.
luentes Accensi sensns animante in qnaque cicnlur. L.s Lesart wie
die von B. wollen mir alle beide nicht passen. — III, 173 ist die
richtige, von B. leicht und glücklich hergestellte Lesart L. wunder-
harerweise verborgen geblieben. Die Hss. geben: at tarnen inseqai-
Inr languor lerraeque petilus Suavis et in terra mentes qui gitjni-
Inr aestus. L. schreibt: terraeque petilus Suppus, et in terra men-
iis qui ijignitur aestus ; B. dagegen: petifus, üaevus et in terra etc,
■ — Eine glänzende Conjectiir ist die von B. in Vs. 198 angewandte:
namque papareris aura putest suspensa lecisque Cogere ut ab siimmo
tibi diffluat altus acermts, At contra lapidum conlectum Caiirtt'
movere Noenu pofest. Die Hss. haben das von L. ausreichend als
irrig erwiesene spicarumque. L. conjiciert Spiritus acer. Aber CA-
RUMQUE und CAUKUMüUE(liE) haben viel mehr Aehnlichkeit mit-
einander; wie SPI enistehn konnte, bleibt freilich noch im dunkeln.
• — • Leid thut es mir, dafs B. in Vs. 234 L.s Beispiel verlafsen hat;
hier geben die Hss. und mit ihnen B. : nee calor est quisquam, cui
non Sit mixtus et aer. Et aber ist, wie L. richtig bemerkt, ganz
>vertiilos und für eliam von Lucrez schwerlich gebraucht worden');
er schreibt demnach: mi mixtus non siet aer. Wahrscheinlich hat
das vergefsene und dann noch nachträglich hinzu bemerkte e aus siet
die Corruptel veranlafst. — Vs. 238 IT. geben die Hss. : 7iec tarnen
haec sat sunt ad sensum cuncta creandum ; Nil hör um quoniam re-
cepit m e n s posse creare Sensiferos molus quaeda m quae m en te
voiutat. L. schreibt: nil hurum quoniam recipit quem posse creare^
Sensiferos motus quaedam vis menti'' voiutat; dagegen B. : nil
hör um quotiiam recipit res posse creare Sensiferos motus., quid am
quod m anli culantur. Hätte aber Lucrez sich wirklich zu der
von B. ihm zugeschriebenen Behauptung berechtigt gefültlt, so würde
er sicherlich sich weitläufliger darüber geäufsert haben. Bei L. mis-
fällt, dafs der vierte Bestandlheil der Seele im Gegensatz zu den drei
andern so ganz besonders als ti^s mew^'s hier bezeichnet wird, während
die unmittelbar darauffolgende Beschreibung desselben keine Veranla-
fsung dazu gibt. Ich glaube, die Corruptel ist unsern Verbefscrungs-
vcrsuchen überlegen; nur den Sinn dürfte folgendes ungefähr trelfen:
nil horum quoniam recipit res posse creare Sensiferos motus , quibu''
constel cumque voluntas: d. h, die erst genannten drei Bestaudtheile
genügen nicht, um die Seele zu bilden. Sie können ja nicht als aus-
reichende Veranlafsung der Emplindung betrachtet werden , um so we-
niger als auf dieser zuletzt der freie AN'ille des Menschen beruht. Vgl.
z. B. IV, 881 ff.: dico animo nostro primum simulacra nieandi Acci-
dere atque animum pulsare^ ut diximus ante. Inde voluntas fit etc.
~ Bei L.s Umstellung von 296. 97. 98 ist allzu leicht möglich, dafs
L. den Dichter verbefsert; ich glaube deshalb, dafs B. mit vollem
Recht die Verse so ordnet, wie sie in den Hss. aufeinander folgen.
*) Ja Bezug auf diesen Gebranch von et weicht B. auch ander-
wärts vun L. ab; meines Dafürhaltens mit Unrecht.
Laclimanii ii. Bcrnays: T. Lucrcliiis Carus. 675
■ — Vs. 420 scheint mir B. (Iaj2:cgen sclir ung-lücklicli licrsfeslclit zu
liabeii: innic (i(je •, iKttivos aniDiantihus et mortalis Esse miiiiios
animasqne levis vt noscere possis , Conquisila diu dulcique reperta
labore r erpetiia percjam disponcre earniinn vita. Lucrez niiisfe
doch glauben, in seinem Leben das Gedicht einmal zu Ende zu brin-
gen, und sollte er auch das nicht geholTl haben, das 4., 5. und 6. Buch
handeln doch von andern üingon als von der Eudlicliktit der Seele.
Die Hss. geben: üitjna tua — vila. L. schreibt: diijna tun pergam
disponere carmina cura. — Vs. 440 IT. liest L. : quippe eleiiim corpus^
qnod vas quasi constilit eius, (Juam cohibere nequit cunquassatum
ex aliqua re Ac rare factum detracto sanytiine teiiis, Aere qui credas
passe hanc cuhiberier ullo? Corpore qui nostro rarus maijis is co-
hibessi t? Die IIss. haben: in cühibescit. ß. liest: aere qui credas
j)Osse hanc cohiberier ullo ^ Corpore qui nostro rarus mayis usque
l iques cit? Ich halle für richtig: ullo .^ Corpore qui nostro
rarus mag i'' tantopere extet? MAGISINCÜIÜBESCIT und MA-
GITANTOPERESTET *) liegen nicht gar so weit auseinander. — Vs.
531 haben die Hss.: scinditur atque animo haec quoniam natura
iiec uno Tempore sincera existit, mortalis hahendast. L. schreibt:
scinditur 11 sque adeo haec quoniam etc. Der Genetiv animae
scheint aber kaum enlbehlich und deshalb, wie ich glaube, nament-
lich schreibt B. : aeque animae haec. Vielleicht thut man noch befser,
haec ganz wegzulafsen und sich die Corruptcl also entstanden zu den-
ken: ANIMIAECONIAM; so dafs AE ursprünglich übergeschrieben ge-
wesen und dann in den Text gekommen wäre. — Eine grölsere Cor-
ruptel ist in Vs. 620:
615 denique cur animi numquam mens consiliumque
gignitur in capite avt pedibus manibusve., sed unia
sedibus et certis regionihu pectoris hacref,
si non certa loca ad nasceiidum reddita cuique
sunt, et ubi quicquid possit durare creafum
620 atque ita nmltimodis perfectis artubus es se^
membrorum ut numquam existat praeposterus ordo?
usque adeo sequitnr res rein, neque ßamma creari
fluminibus solilast neque in igni gignier algor.
Also L, ; die IIss. haben perfotis a. e. ,• B. partitis a. e. L. und B.
irren, wie ich glaube, darin, dafs sie die von Lucrez beabsichtigte
Zweilheilung verwischen. Sie ist folgende: das geistige Leben kann
nie in den Händen oder in den Füfsen sich entwickeln, weil jedes
Ding, um zu entstehn, an bestimmte locale Bedingungen gebunden ist,
und weil jedes Glied seinen bestimmten Zweck und Nutzen hat, dem
es allein dient und keinem andern. Wie das entstehende Ding selbst
eingerichtet sein soll, ist hier ohne Bedeutung. Ich vermuthe also:
er ea tum Atque ita multimodis pa rttlust artubus usus.
♦) Vielleicht war die ursprüngliche Lesart auch: mage tantopere
extet.
44*
(37C Lacltmaun u. Berviays: T. LucrcUus Cariis.
Membrornm ut mimquam etc. — IV, 199 IT. geben die Hss. : praeierea
si qiiae penilus corpuscula rerum Ex altoque foras mittunlur ^ solis
Uli lux Ac vapor , luiec puncto cernunfur lapsa diei Per tutum cueli
spulium, diffundere sese Perque volare mare uc terras caelumque ri~
(jare. caelumque ritjare ist wegen des vorhergehenden Verses uner-
träglich; L. verändert es deshalb in cir c nmque rigare; B. setzt
dmn ganzen Vs. :!03 nach 188: in quo tarn rjcnere est solis lux et va~
por eius Propterea quia sunt e prirnis facta minutis, Quae quasi cu~
duntur perque aeris intercallum Non dubilant Iransire sequenti con~
cita plaga Perque volare mare ac terras caelumque rigare. Ich
balle den Vers für interpoliert; er ist nach V, 592 gemacht. — Vs.
209 ff. lauten bei L. und ß. also:
hoc etiam in primis specimen verum esse videtur,
quam celeri motu rerum simulacra ferantur,
quod simul ac primum sub diu splendor äqual
ponitur ^ extemplo caelo stellante serena
sidera respondent in aqua radiantia mundo,
iamne vides igitur quam puncto tempore imago
aethens ex oris in terrarum accidat oras?
quare etiam atque etiam mitti fateare necessest
Corpora quae f'eriaiit oculos visumque lacessant.
üer Gang der Argumentation ist nach dieser Anordnung folgender ;
'Nun noch ein Beispiel für die ungeheure Schnelligkeit der Bilder-
chen: du mufst also gestehn, dal's immerwährend Körperchen den Din-
gen entströmen, welche unsere Gesichts-, Geruchs- und Geschmacks-
nerven treffen.'' Gewis eine auffallende Argumentation: und dieselbe
ist noch dazu erst künstlich hergestellt, denn die Hss. geben Vs. 216
also: quare etiam atque etiam mira fateare necessest., so dafs es
deutlich wird, wie wir in Vs. 216 den verstümmelten, sonst ganz feh-
lenden Schlafs des nächstvorhergeiienden, mit Vs. 176 beginnenden
Abschnitts haben. "^So mufst du doch also gestehn, dafs die simula-
cra in wunderbarer Schnelligkeit sich bewegen.' In welchem un-
mittelbaren Zusammenhange Vs. 217 — 28 mit dem vorhergehenden
standen, wage ich jetzt nicht mehr anzudeuten; früher hatte ich mir
die Sache einmal also gedacht: quare etiam atque etiam mira fateare
necessest [Perpetuo ßuere ac dimitti mobilitote] Corpora quae feri-
ant oculos visumque lacessant; Perpetuoque fluunt etc. Mit dem An-
hang Vs. 218 — 28 schien nvir Lucrez selbst nicht zufrieden gewesen
zu sein und ihn deshalb durch wiederholte Aufnahme in VI, 923 if.
hier beseitigt zu haben. — Vs. 397 geben die Hss.: exstantisque
procul medio de gurgite montis; L. und nacli ihm B. lesen: exsfant
usque ; usqiie scheint mir hier bedeutungslos. Die Corruptel entsland
wahrscheinlich dadurch, dafs das im Verbum selbst ausgelafsene und
nachträglich dazu bemerkte is durch einen schon oben erwähnten Zu-
fall zwischen Verbum und Partikel gerielh. Zu schreiben mag sein:
exis tun tque procul medio de gurqite inuntes. Der Index in der
Eichstädtschcn Ausgabe gibt die nötbigcn Beispiele. — Vs. 462 liest
Lacliiiiann ii. Roriijiys: T. Fjicroliiis Canis. 677
]j.: cetera de f/encre hoc miracli mvlln ridennts. Qiiae riolore p-
dcm quasi seiisihits otuiiia quaerimt- Die IIss. «^chcn (J;i.s Ichlcrliaflo
v//raiide^ wciclics F.. auch in 419 sclioii, wie ychiiliiend . emciidiert
Iial. H. liest nicht miracli^ sondern miraciüa ; ich kann niiraher \M)hl
denken, Avie miracio und miracli in mirande liat übergehn können;
bei miracnla kann icl) mir dies nicht erklären. Will man miracli in
462 nicht zugehen, so liegt miranies viel näher. — Vs. 633 geben
die llss. : nvnc aliis aiins qiii sil cibiis vi rideamvs, lürpediam
qttareve aliis qtiod trisle et an/amnist, Hoc tarnen esse aliis possit
perdaice rideri, Taniaque in liis rebus distaiitia dilj'eritasqiie ; 17
qiiod ali cihus est aliis fual acre nenenum. Da L. und B. tit ridea-
miis und expediam in dieser Verbindung zusammen für unerlrüglich
hielten, so änderten sie ersteres, L. in unicus aptus, B. in suppedila-
tiis. Vielleicht kann man es ganz uugckränkt lafsen, Menn man im
folgenden Verse quareque schreibt und nicht wie die Hss. quareve :
JSunc aliis alias qui sit cibus ut rideawus , Expediam quareque aliis
qiiod friste et amarinnst ^ Hoc tarnen esse aliis possit perdulce videri^
Tantaque in his rebus etc. Lucrez setzt nemlich im folgenden wirk-
lich nur auseinander, warum dasselbe dem einen bitler, dem andern
süfs schmeckt, warum dasselbe für den einen nahrhaft, für
den andern lödtend ist. — Vs. 959 lesen L. und B.: fit ratione ea-
dem coniectus partim onimai Altior^ atque foras eiectns largior eins.
Et divisior inter se ac disfractior actus. Die Hss. geben intus; ich
schreibe ipsast; vgl. Vs. 944 IT.: ßt uti pars inde animai Eiciatnr,
et infrorsum pars abdita cedat., Pars eliam distracta per artus non
queat esse Coniuncla inter se iieqne motu miifua funr)i. — V, 201 geben
die Hss. principio quantum caeli tecjit impetus imjens .^ Jude avidam
partem montes silraeque ferarum Posscdere etc. L. conjiciert ali~
quam, B. aride; vielleicht hiefs es amplam. — Vs. 1007 ff. lauten
bei L. : tum pevuria deinde ciüi langnentia leto Membra dabat^ contra
nunc verum copia mersal. Uli inprudentes ipsi sibi saepe venenum.
Vergebant , nunc se nudant soUerlius ipsi. Die Hss. lafsen in
1010 nunc se aus und L. glaubte gerade in dieser Weise die Lücke
ausfüllen zu niüfsen, weil so Vs. 1010 am besten mit 1008 harmonierte.
Die Hauptsache aber, so glaube ich, ist, einen Gegensalz gegeu 10' 9
zu finden, und dem scheint die alle von B. aufgenommene Lesart nunc
danl aliis mehr zu genügen. Nur möchte ich, damit ipsi nicht zu
müfsig steht, lieber patribiis oder etwas dem ähnliches ergänzend also
schreiben: minc dani [patribns] soltertius ipsis. — VI, 178 f. lautet
in den Hss. plumbea vero Glans etiam longo cursu volvenda quies-
cit. L. schreibt calescit, B. liquescit; aber letzteres steht den Zügen
der Hss. ferner und deutet auf eine Erscheinung, welche in rerum na-
tura schwerlich vorkommt. Lucrez wenigstens kennt diese Erschei-
nung nicht. — Vs. 220 schreibt L. : quod super est, quali natura
praedita constent Fulmina . declarant ictu loca inusta., vaporis
Signa., noliteque (jraris haJantis sulpiiris auras. Die Hss. geben et
m«s<rt und daraus entwickelte B. eius inusta vaporis Signa. Ich
678 Laclunann u. Bernays: T. Lucrelius Canis.
glaube, es müste wenigstens heifsen: eiusexcvssav.s. Vielleicht schrieb
Lucrez: ictu procusa voporis Signa. — Vs. 279 IT. sagt Liicrez vom
"V\ inde : nnm duplici ratione accenditur, ipse sua cum Mobilitate cales-
ctf, et e contaijibus ignis. Inde tibi percaluit gravis v e 7iti vis ig n i
Impetus incessit , matiirum tum quasi fulmen Perscindit subito nu-
hem etc. Die Corruptel in Vs. 281 beseitigt L. folgender Art: inde ubi
percaluit gravid a, aut vis ignis et acer; B. schreibt: ««rfe «i«
percaluit venti vis et gravis ignis. Ich hatte einmal conjiciert:
inde ubi percaluit gravi'' vis venti \et ferus}^ ignis Impetus incessit. Bei
L. wäre nubes als Subject zu percaluit zu verstehn, während es ventus
sein mufs. — Vs. 788 ff. ist bei L. und B. eine durchaus fehlerhafte
luterpunction: scilicet, liaec ideo terris ex omnia surgunt Multa nio-
dis multis multarum semina rerum, Quod perrnixta gerit tellus dis-
cretaque tradit. Das Komma gehört an den Schlufs von Vs. 788, nicht
an den von 789. — Vs. 802 ff. lautet in den Hss. : carbonumque gra-
vis vis atque odor insinuatur Quam facile in cerebrum, nisi aquam
praecepiinus ante! At cum membra domus percepit fervida ser-
vis. Tum fit odor vini plagae maclabilis instar. L. bezieht Vs. 804
und 805 auch auf die Kohlen und schreibt: at cum membra domus per-
cepit f er vidior vis, Tum fit odor viri plagae mactubilis instar.
Ebenso B, Im ganzen stimme auch ich damit überein; nur scheint
mir der Hauptgedanke der zu sein: Mst die Slacht des Kohlendampfes
grofs genug, um das ganze Haus zu füllen, dann wirkt er tödtend';
und deshalb möchte ich in Vs. 80-4 nichts sonderliches ändern. FER-
UIDASEHUIS und FEUUIÜUSESTUS scheinen mir in der Schrift^
gattung des Archetypus fast gar nicht voneinander verschieden. Vgl.
noch Vs. 823. 24. 26. 30. 925 ff. Vielleicht ist gar domus nur ein in
den Text gekommenes Glossem und hat ein ^^'ort verdrängt, durch
welches vini im nächstfolgenden Verse seine Berechtigung- erhielt.
Dann wäre et cum zu schreiben. Oder domnus, wie die Hss. geben,
ist schliefslich gar nicht aus domus corrumpiert. Jedesfalls bleibt
meine Lesart in Vs. 804 die richtige. Dafs übrigens, um dies noch zu
bemerken , die aus gährendem Most sich entwickelnden Gase in eng-
geschlofsenen Kellerräumen die in Vs. 805 angedeuteten Wirkungen
haben können , mögen die Alten aus eigner Erfahrung ebenso gut ge-
wust haben, wie wir es wifsen. — Vs. 955 geben die Hss : morbi-
da visque simul cum extrinsecus insinuatur Et lempestafem terra
caeloque coorta In caclu7n terrasque remotae iurae facessunt Quan-
doquidcm nil est nisi raro corpore nextim. L. setzt Vs. 955 nach 947
und schreibt die andern also: et tempestate in terra caeloque coorta.,
In caelum terrasque remotae iura facessunt; Quandoquidcm nil est
nisi raro corpori nexu. Vs. 958 ist unbedenklich so zu behalten, wio
ihn L. hergestellt hat, und auch B. natürlich hat ihn so aufgenommen;
während derselbe Vs. 955 an seiner Stelle liefs und die beiden andern
in dieser Form wiedergab : e tempestate in terra caeloque coortast.,
In caelum terrasque remotas iure facessunt. Ich nuifs bekennen, dafs
ich seine Lesart nicht verstehe; Lucrez schrieb; morbida visque si~
Lewis; Plalo ;ij»';iint;l lliu iidicisls. 679
tnul, cum extrinsecns insimiatnr ^ Et lempes/afcs aclhra cae/at/ne
cuorlae In caeliim tcrrasque remulus iura facessiiul; (JiK/mlut/uidviit
Uli est nisi rare» corpuiC tiexu.
Schulp lulle, Hugo Purmann.
Philo agaiust Ihe afheisfs; or Ihe lenth book of ihe dialogue oit
UlWS ^ accoinpanied with critical iiotcs aiid followetl by exteiided
dissertations o» soinc of (lie iiiain poiiits uf the Piatonic philoso-
phy and tlieoloyy, esj)e(ially as compared witli the holy scriptu-
res. ßy Taylcr Lewis, LL. D. , Professor of the greek langiiage
and literature in the University in the City of New- York, New-
York, Harper et Brothers. 1845.
Es kommt so seilen aus der neuen Well eine philoloffische Er-
scheinung zur Besprechung-, dafs wir es wohl unlernelimen dürfen die-
selbe einer Prüfung zu unlerzichn, wenn «^leich schon meiirere Jahre
veiflofsen sind, dafs sie in New-York herausgegeben wurde. Der Verf.
Tayler Lewis, von dem uns sonsl nichts bekannt ist, macht es sich
zur Aufgabe das lOle Bucb der plalonischeu Gesetze mit besonders
e.vegelischeni Commeutar versehn seinen Lesern vorzuführen, verbin-
det damit — und dies möchte sein Hauptzweck sein - - ausführliche
Excurse hauptsächlich über praktische Fragen aus der platonischen
Philosophie, und sucht überall, wo es angeht, Vergleichungspunklo
auf aus der heiligen Schrift in ähnlicher Weise, wie es bei uns von
Ackermann, Baur u. a. geschehn ist. Dabei ist er fern davon, den
orthodoxen Standpunkt der anglicanischen Kirciie zu verlafsen, glaubt
aber den gereifleren Studierenden seiner Universitäleti die Leclüro
dieses Buchs empfehlen zu niüfsen, um sie zu veranlafsen sich mit
den Schöpfungen Piatos bekannt zu maclieu, weil er ü!)erzeugt isl,
dafs sie dann feind der verflachenden Hichluug der modernen Philoso-
phie in religiöser Beziehung weder halbgelelirte noch ungläubige
werden würden. 'Wenn das schöne' sagt er p. XII 'etwas mehr ist
als eine Verallgemeinerung von angenehmen individuellen Gefühlen ;
wenn das gerechte Untersuchungen umfafst, die weit erhaben sind
über die Fragen der Casuislik moderner Sillenlehrer; wenn das Ge-
setz eine geistige Gewalt ist, verschieden von der Majorität einer
heuligen \^ illensmcinung; wenn Gott elwas mehr bedeutet als Gravi-
tation oder das Fatum; wenn Strafe und Vergeltung Ausdrücke ent-
halten von höherem Gewicht, als ihnen modernes Gesch\v ätz von phy-
sischen Consequenzen zntheilen will : dann isl Plato der Schriftsteller,
dessen wahre Religiosität, dessen tiefsinnige Einfachheit das Gegen-
gift gewährt gegen die Uichlungen unserer Tage.'
In der Vorrede (14 S.), die Lew is seinem Werke vorausgeschickt
hat, bespricht er zunächst den Unterschied zwischen der Darstellung
(jl^O Lewis : Plato againsl the atheists.
Platos in den Gesetzen und in dessen Staat, kommt, ohne mit den An-
siclilen der neueren, wie Hermann und Rettig, beliannt zu sein, auf
den vielfach ventilierten Titel der Republik, und will, wie andere, dafs
ihr cig-entlich mehr der Name tte^I. ölymCov gebidire, wie er sagt au
iiKininj in tu the nature of rü/hf, und zeigt hierauf, wie er für sei-
nen Zweck mit Platos Meinung Iheils Aristoteles und die griechischen
Dichter, theils aber auch die heilige Schrift verglichen und zu ent-
wickeln gesucht habe, auf welche Weise die Aussprüche der Ribel
mit denen des griechischen Philosophen übereinstimmen. Was den
Text begrilft, erklärt er, nur Bekker und Ast gefolgt zu sein, ^u-ho
hardhj (l/'lf'er at all, either in words or in punctuation.' Obgleich
dies gerade nicht sehr genau sein möchte, so wollen wir deshalb mit
dem Verf. nicht weiter rechten , sondern vielmehr uns zu dessen Lei-
stungen selbst wenden.
Der Vorrede des Buchs folgt eine ziemlich ausführliche Einlei-
tung, die Inhaltsanzeige des lOten Buchs der platonischen Gesetze,
kein Wort jedoch darüber, ob die Gesetze mit Recht den echten pla-
tonischen Werken beizuzählen seien oder nicht, so sehr auch die
sonst so ausführliche Schrift durch ihre vielen Excurse Veranlafsung
dazu finden konnte. K. Fr. Hermanns Meinung (Gesch. der piaton. Philos.
I S.547), dafs sie eins der herlichsten Vermächtnisse von Platos Weis-
heit seien, das nur von der höchsten Einseitigkeit und Befangenheit
des Urtheils für unecht erklärt werden konnte, kannte sicher Lewis
nicht. Die Wahl übrigens gerade des lOten Buches der Gesetze scheint
darum allerdings eine sehr zweckmäfsige, weil kaum in einem andern
Buche desselben Werkes so viel treflliche Stellen — wir nennen die
Ausführung über wahren Gottesglauben, über das Walten einer gött-
lichen Vorsehung, über die ewige Gerechtigkeit, über Verletzung des
heiligen — gesammelt sich ünden werden, so dafs die Schrift nach
Sochers Ausdruck eine populäre Theologie bildet.
An die Einleitung scliliefst sich der eigentliche Text des lOlen
Buches (S.l — 83) mit darunter stehenden selir ausführlichen englischen
Anmerkungen. Diese Anmerkungen werden für die Kritik wenig
Ausbeute liefern, da Lewis sich besonders nach Bekkers und Asts
Ausgaben richtet, und mit andern Ausgaben der neuesten philologi-
schen Litteratur noch nicht bekannt geworden ist. Verkennen läfst
sich dabei nicht, dafs der Verf. bisweilen bestrebt zu sein scheint,
selbständige Kritik zu üben und nicht sklavisch den Spuren seiner
Vorgänger zu folgen, wie er denn namentlich gegen Ast sich wendet.
So nimmt er gegen Ast xrjv öe p. 898 in Schutz; ebenso p. 899 £l"&
oöTtg, p. 903 ßehüo, p. 91)7 tdv xe, ead. p. iv enaßrcp, obwohl er in
diesen und andern Stellen doch nur die Lesart vertheidigt , die sich
bei Bekker und in den neuesten Ausgaben Platos findet. Nicht selten
auch, wenn eine richtigere Lesart aufgenommen war, versäumt er es
seine Quelle zu nennen, als sei das befsere eben sein Eigenthum.
Wichtiger ist das, was Lewis für die Erklärung geleistet hat. Folgt
er auch hierbei häulig seinem Vorgänger Ast, und entlehnt er auch
Lewis: Plato against llie alhcisls. 681
manclies aus dessen Ausg'ahe : die Erkliinm«'!', die Lewis gibt, liefert
den Beweis, dai's er iiiclil nur Thilo {iciiuii üfoicseii , sotidern aiicl«
überluuii)! mit der giiecliischeii Liileradir verlraiilere HcUannlscIiaft
gemacht hat.
Um nur an einiges zu erinnern, in der Stelle p. 902, in welcher
Plalo davon spricht, dafs wir die Götter nicht darin für schlechter
als die Menschen hallen und glauben dürften, dafs sie nur das grofse
im Auge hallen , kleineres aber und uui)cdeulenderes ihrer Aulnicrk-
samkcil nicht würdigten, vergleicht er die (iollheil in der Beziehung
mit Feldherren, Slaalsmänuern, Aerzlen, von denen auch anxuiieiinien
sei, dafs sie bei dem Blick auf das ganze nicht etwa, wollten sie an-
ders sich tüchtig erweisen, das kleine und einzelne vernachläfsiglen.
Dabei kommen folgende >\'ortc nach Bekker vor: laxQa dr} n^oGre-
xay^iivQv okov xi &eQa7tEveiv ßovXo^evco Kai öwa^iva , tcov ^£v fis-
yahov inL^iEkov^iino, xäv ^OQt'av öh kol CiiLKqav d^elovvxi^ s^et
Tiore %aXcog avrn xb nciv; Lewis übersetzt dies: ^when^ to a physi-
ciati who is bolli irilh'iiff and competent^ ü is appoiiited lo heul any
who/e, will his icorli, as a irlwle, be in a conditioii credilable to liiin^
attendin(j , or if he atlends only to the great portions, irkile he ne-
glects the snuill?' Er streitet dabei gegen Ast, welcher ein Komma
nacb iaxQfp öf, nicht öi]^ wie citicrt wird, setzte, will das avx(5 mehr
zu TtQOßrexccyfisvov herangezogen wifsen, da es sonst überflüfsig sein
würde, entfernt sich jedoch mit seiner Erklärung nicht allzuweit von
der von Ast gegebenen. Daneben verbreitet er sich über den Ge-
brauch von TtQOöxexay^dvov als eines Nominat. absol., und vergleicht
damit das von Thukydides I, 125 gebrauchte ßeöoyi.iivov öh avxoig^
weil auch das Passiv hin und wieder so vorkomme : niiher lag es ihm
das von Lysias in IS'icom. angewendete gleiche Verbnm TTQOöiaxifh' da-
für anzuziehn. Ausführungen von manchen neueren Erklärern cnlgien-
gen ihm freilich, wie er auch Engelhardt nicht zu kennen scheint, der
in seinem Anacoluth. spec. III p. 40 eine reiche Sammlung solcher
Nom. oder Accus, absol. liefert.
Zu dieser Stelle gehören übrigens 2 Excurse, der 46sle und 47sto
der Ausgabe von Lewis. Im 46stcn Excurs : ^Pecnliarify of certain
negative forms of greek i^erbs' bespricht er die Eigenthümlichkeit der
griechischen Sprache, dafs sich selten — if ever ^ fügt er hinzu —
griechische Verba mit a privativum in der medialen Form fänden, und
weist mit Hinblick auf iTH^clov^iiva - — a^i£lovvxi auf Beispiele hin,
wie nd&o^icci — uTtsi&ko^ 'i^öo^iai — «»/öe'co, K')]dofxat — a%i]öico u.
a., Zugleich aber macht er auf den Unterschied aufmerksam, der zwi-
schen (xj] S7ni.ieXei6d-at. und ai.iel£iv^ zwischen (.uj nei&eßd'ca und ansi-
^eiu und anderen slalt findet. Ein zweiter Excurs, der hierher gehört,
hat zur Ueberschrifl: ^Great things cannot exist n-ithonf small. Ap-
plication of the maxiin to the doctrine of a special proridence ^ edu-
cation and to politics.' Indem Le^^ is den piaionischen Gedanken, dafs
die Gottheit das grofse wie das kleine im Auge habe, in seiner An-
■wenduuff auf Erziehung und Politik einer kurzen Erörterunar unter-
682 Lewis: Plato against llie atheisfs.
>virft, zeigt er, dafs auch Aristoteles in den BB. über Politik II, 2 eine
iihnliche Anwendung auf den Staat mache, und davon abgesehen wei-
ter die Gleicliheitslräume der Neuzeit verwerte. Für das letztere zieht
er noch Soph. Aj. 151 an: ngog yag rov l'xov& o cpd-oi'og e^Ttei jctA.,
zum Beweis hauptsächlich, dafs die destrucliven Ideen des Jahrhun-
derts dem Altertiiuni fern gelegen haben — ein Gedanke, der sich
mehrfach in dem Buche von Lewis wiederholt.
Auch im Etymologisieren versucht sich der Herausgeber. Frei-
lich erkennt er selbst das schiefe einer Etymologie wie die von aya-
-9^0? — ayeiv \). 1 L. , und zieht deshalb die Ableitung im Kratylos
vor, nach der rb aya&ov so viel als ro ayaßxov sei ; Passows und Len-
neps Zurückführ ungen des Wortes kannte er natürlich nicht, ebenso-
wenig die Bemerkung Heindorfs zu der Stelle des Kratylos: ^ nun
solum to ayaßrov, sed etiam xo &oov verbo aya&oi> contineri voluit
h. l. Plato, id quod ipse declarat p. 422 B.' Dies Etymologisieren
geschieht jedoch von Lewis nur beiläufig, und jedesfalls sind andere
grammatische Bemerkungen, die in seiner Ausgabe vorkommen, von
weit gröfserer Bedeutung. Nicht gerade solche wie p. 76 d. A. über
(og oxi fidXißxa und derartige Verstärkung des Superlativs; auch ist
diese Verstärkung des Superlativs bei Plato nicht so selten, wie Le-
wis anzunehmen scheint. Wir finden sie wenigstens aufserdem noch
in den Legg. V p. 751 B, VI p. 759 C, Conv. p. 218 D. Aber rich-
tigere Bemerkungen lesen wir über öe, dat, öt], cigcc, oßa, den Gebrauch
von TtEQi^ivco , xivdvveva, ov^ig)(ovi(o, über öfjkog mit Infinitiv n. v.
a. Erwarten dürfen wir zwar auch hier nicht, dafs alles, was über
den Gebrauch dieser Wörter gesagt ist, überall neu genannt werden
könne; es zeigt aber wenigstens, wie schon erwähnt, dafs Lewis in
ein innigeres Verständnis seines Schriftstellers einzudringen bemüht
gewesen ist.
Den Beschlufs der Ausgabe von Lewis und bei weitem den gröfs-
ten Theil des Buches bilden S. 1- — 373: Extended notes and disser-
tntions , von denen wir zwei bereits benutzt haben, und in denen
theils einzelne bedeutsame platonische Worte ihre Erklärung finden,
theils Ansichten des Philosophen einer ausführlichen Besprechung un-
terliegen. Daran reihen sich am Ende des Buchs nochlndices der Stellen
aus Plato, den übrigen classischen Schriftstellern und der heiligen
Schrift, die erläutert worden sind, ^^'ie wir schon gesagt haben, und
wie es der Umfang der Excurse schon an die Hand gibt, so enthalten
sie den bei weitem wichtigsten Theil der Schrift von Lewis. Ohne
zu viel Raum für die Anzeige derselben in Anspruch nehmen zu wol-
len, nennen wir nur einige der ausführlicheren: I. The Plalonic view
of the parental and filial relalions, and Ihe ancicnt doclrine generally
on this subject. V. Pialos regard for antiquity and the ancient my-
Ihology. His use of Ihe word &soi. VI. Pliilosophy and character of
Anaxagoras. VIII. Universality of the belief in a god. Dazu cf. IX,
XIU, XIV. XII. Ancient doclrine of the four Clements. XVI. Argument
for the existcnce of a god from niotion. XIX. Invocation of Ihe divine
Lewis: Plalo againsl llic alhcisfs. 683
ald in Ihc argumcnt. Strikins? cxaniplcs of Ihis from Ihe otlicr
(iialogucs. XX. Tlie grcat question of flie ancicnt soliools, do
all Ihinjrs flow? wilh a skelcli of somc of llic iniiuipal inaleiialixitig
er allieistical pliilosopliers who belonged lo Ihc loiiic and lo llic pliy-
sical schüol of Elca. XXIV. Pliilosopliy of Ihc verb lo be. IMalonic
uso of sl^L and yiyvoixai. XXXI. IMalonic doclrinc of llic cvil princi-
ple. Of cii'dyKi} or necessily. XXXIl. rialoiiic analog-y bctwccn Ihe
niolion of vovg and ipvxt'j and Ihal of a spliorc or of Ihc heavcns. XXXIV.
Piatonic doclrinc of Ihc animalion of llic hcavcnly bodics. Ancicnt
belief Ihat each nalion had ils own pccnliar guardian Dacnion or Ge-
nius. XXXVII. Sccond grand division of Ihc argumcnt. Doclrinc of
a special providencc. Mislake of Cudworlh. XXXIX. Alhcislic argii-
menl againsl providcnce drawn from Ihc prosperily of Ihc wicked.
Piatos languagc comparcd wilh Ihat of Ihc scriplnrcs. L. The ancient
maxim, de nihilo nihil. LIII. Explanation of a diflicult passage. Remarks
on those views whicli rcsolve nioralily into an obediencc lo physical
laws, and regard all pnnishnicnt as consequenüal inslcad of penal,
LV. The greek words for etcrnity, aioav and ccLcovLog. LVI. Piatos
doctrine of Ihe freedom of Ihe will, viewcd in conncxion wilh Ihe law
of cause and effect in nature. LX. The word ayiog. Excecding spirilua-
lity of some of Piatos views. Many of bis thoughts capable of bcing
fairly accoininodaled to a spiritual sensc bighcr than thc aulhor him-
self had intendcd to convey. Difference in this respect between bis
wrilings and Ihose of all philosopbers, ancient or modern, LXIII. Doc-
trine of a final judgment. Use of thc word awriXua. LXVII. Pialos
doclrinc of thc öai^oveg or Genii. LXXIV. Common law againsl all
private religions. Examinalion of Pialos doclrinc in respect to cban-
ges in the public v>orship and rcligion of Ihc State. LXXV. Beliel in
apparitions, ghosts, spectres, dreams etc., the same in all ages.
Wählen wir unter diesen angegebenen weiteren Ausführungen
den Isten Excurs: ^die platonische Ansicht von dem Verhältnis der
Ellcrn zu den Kindern', so kommt der Verf., indem er sich an dio
Worte anscblicfst p. 885: elg öe yoviag, T^iVa, yaqlg xäv l'jXTtQoa&ev
£iQtj^i.iv(ov , orav vß^i^rj rtg kxX. auf die Differenz, die in Beziehung
auf das Verhällnis der Eltern zu den Kindern bestebt zwischen dem
5tcn B. der Republik und den Gesetzen. Er erklärt die DitTcrenz frei-
lich auf die Weise, wie sie einmal bergebracliter Mafsen gedacht wird.
Schwer konnte es ihm nicht werden, in den Gesetzen die Stellen zu-
sammenzustellen, die, man darf es wohl sagen, die Ehrfurcht der
Kinder gegen ihre Eltern als eine wirklich religiöse Pflicht darstellen,»
nicht von ihr als einer gewöhnlichen Pflicht sprechen. So Legg. XI p.
931 A — C, wo Plato erklärt, dafs weder ein Gott noch ein seines Ver-
slandes mächtiger Mensch rathen werde, die Eltern zu vernachläfsi-
gen , und wo er, nachdem aus den alten Sagen von der Wirkung des
elterlichen Fluches, Maren die Eltern von ihren Kindern verachtet
worden, berichtet ist, noch hinzufügt, dafs, wenn jemand Eltern oder
Grorsellern von Aller entkräftet in seinem Hause habe, diese als ein
()S4 Lewis: Plato against llie allieisfs.
Schaf/- seines häuslichen Herdes zu belrachfen seien, und keiner mei-
nen möge, dal's ein GiUterbild seines Hauses mehr seiner Verehrung
Mürdig sei. Dasselbe bekräftigt Plato nocli einmal p. 931 D, indem er
hinzusetzt, dafs Gott selbst sich freue, ehre man in geziemender Weise
Ellern oder Grofseltern. Mit dieser Stelle des Plato vergleicht Lewis
anfser der h. Sehr., die er stets dabei zur Hand hat, auch die Worte
des Sophokles, Antig. 703:
xi ya(3 TtaxQog &aXkovrog evaleuig reKvoig
ciycili.ici fict^oj^ ;
Er erläutert ferner Verse aus den Fragmenten des Euripides , in wel-
clicn gleichfalls ausgesprochen wird, dafs kindliche Pietät die Quelle
aller Tugenden sei, und neben der Ehrfurcht vor Gott und den Ge-
setzen sich die Ehrfurcht vor den Eltern als dringendste Pllicht dar-
stelle ; auch gibt ihm das euripideische
0) TtatQog iiiov övßtijx'og ctQa
Veranlafsung zu zeigen, welch schweres Gewicht nach der Vorstel-
lung des Alterthums in eines Vaters Fluch lag. Andere Aussprüche
der Gesetze werden noch von Lewis erwähnt, in welchen die Pllicli-
ten aufgezählt werden, die den Eltern gegenüber zu erfüllen sind,
und die nur denen nachstehen, Melche der Gottheit gebühren. So die
Stelle Legg. p. 717, in der es heifst, dafs nächst den Göttern den Eltern
die gröfste Ehre zugestanden werden, dafs diese zum Dank dafür,
was sie an den Kindern gethan, kindliche Verehrung und liebende
Sorge im Alter umgeben müfse. Dafs dieses geschehe, beaufsichtige
die Nemesis, so wie denn auch den Erzeugern zu Ehren Denkmäler
zu errichten, das Andenken an sie jährlich zu erneuern sei. Verglei-
chen wir damit eine andere merkwürdige Sentenz p. 880 E, so sehen
wir die strengsten Mafsregeln gegen diejenigen genommen, welche
mit Verleugnung alles sittlichen Gefühls es wagen sollten Hand anzu-
legen an ihre Eltern oder Grofseltern, ja es ist geradezu gesagt, dafs
für solche ungeheure Frevler der Tod nicht das äufserste sei , was
sie erwarte, dafs sie noch die Strafen der Unterwelt bedrohen.
Ein anderer Excurs V schliefst sich an die AVorte des lOten Bu-
ches an p. 886: ov (^aötov ZTtixiiiav Ttcdcnoig ovGiv Kxl., und verschalft
dem Verf. Gelegenheit, sich über Piatos Ansicht über die alte Mytho-
logie und den Gebrauch des Wortes &cOl zu verbreiten. Indem er auf
die Aussprüche des Philosophen über die Dichter zu reden kommt, er-
läutert er Rep. p. 398 A mit einigen Worten, obschon es ihm nicht fern
gelegen hätte, sich darüber ausführlicher auszusprechen, kannte er
»auch nicht namentlich die treftliche Abhandlung von Dr. Schramm in
Glatz : 'Plato poetarum exagitator.' Plato, sagt Lewis weiter, accommo-
dierte sich an die hergebrachten mythischen Vorstellungen, sofern sie
nur den reineren sittlichen Ideen nicht zu sehr widerstritten. Plato
nahm ein höchstes, ewiges, unaussprechliches Wesen an, wie es die
Republik besonders und der Timaeus zur Genüge darthut, das Wort
a>£ot aber ist nach Lewis entweder collectiv zu fafsen, als das göttli-
che überhaupt (s. darüber Zeller: Philos. der Griechen II S. 306), oder
Lewis: Philo agaiiisl llic allicisls. 085
es sind darunter die Wesen zu vcrslelin, die Tlalo aiiderw iirls mit
dem Nameu iicä(xoveg bezeiclinel. Mil dem letzteren, dals der Pliilo-
sopli nirklicli an solelie «»(Hlliclie ^^ esen zweiten Itanges <>ej4laul)t
habe, sind \> ir denn IVeilicIi niclit einverstanden, und wir iiabcn dar-
über kürzUcli (die Mythen des l'lato S. 25) l)erielilet, aucli slimmea
für unsere Meinung- deutsclic ErUliirer der platonischen Sebrilten; aber
immerhin ist die Darstellung- des Verf. lehrreich, und in dem 5teii wie
in dem 67slenExcurs lindet sich vieles, was Icsenswerth ist.
So ist auch lesenswerth der 19te Excurs, welcher von der An-
rufung der göttlichen Hilfe liandell, wie wir ihr in Pialos Dialogen
olier begegnen. 'Manche christliche Schriftsteller, Philosophen so-
wohl als Theologen"' sagt Lewis '^können hierbei Unterricht nehmen
von dem griechischen Philosophen. \\ as liifsl sich erhabeneres den-
ken als die Bitte um göttliche Hilfe, wie sie in der Untersuchung
gegen die Gottesleugner angerufen wird? p 893. Es ist dies ein Ge-
bet, welches auch das reinste Chrislenthum nicht errothen wird anzu-
erkennen'. Und allerdings lesen wir solche Anrufungen mehrfach in
den Werken Piatos. Auch in den Gesetzen kommt ein solches Gebet
noch einmal vor, p. 712 B im 4ten B. ^^afst uns Gott anrufen"' heifsl es
dort 'uns bei Begründung unseres Staates Hilfe angedeihen zu lafsen.
Möge er uns hören, und wenn er auf unsere Bitten gehört hat, gnädig
und wohlwollend zu unserem Beislandc kommen, um gemeinschaftlich
mit uns Staat und Gesetze einzurichten 1' Im Phileb. p. 25 B wendet sich
Sokrates an Gott, dafs er seinem Flehen Gehör geben, bei seinen
Untersuchungen ihn unterstützen möge , und in der vielerw ahnten
Stelle des Timaeus p. 27 C läfst Plato den Timaeus sagen, dafs alle Men-
schen, wofern sie nur ein wenig Weisheit besäfsen, in dem Augenblicke,
wo sie eine grofse oder kleine Unternehmung beginnen, immer die
Gottheit anrufen; ein um so stärkerer Grund für sie, die über die
wichtigsten Angelegenheiten zu sprechen sich unterfiengen, dafs auch
sie die Götter und Göttinnen anriefen, um sie anzuflehen, ihnen eine
des hohen Gegenstandes würdige Sprache zu verleihen. Als Sokrates
im Begriff ist, den verhängnisvollen Becher zum Munde zu führen, da
bricht er in die Worte aus (Phaedo p. 117 B): 'Zu den Göltern mufs ich
flehen, dafs die Wanderung von hier zu einem andern Leben eine
glückliche sei. Darum flehe ich, und möge es also geschehen." Und
so schliefst auch der Phaedrus des Plato mit den schönen Worten: '0
geliebter Pan und alle ihr anderen Gölter, vergönnet mir schön zu wer-
den im Innern, verleihet auch, dafs, was ich im äufseren habe, dem
inneren befreundet sei.'
Diese innige Ueberzeugnng, die sich in den platonischen Schrif-
ten kund gibt, dafs wir unsere Gebete an Gott zu richten haben, steht
auch in einiger Verbindung mit der platonischen Ansicht, dafs es eine
göttliche Vorsehung gibt, die über alle Menschen -Nvacht. Dies führt
Lewis in einem andern , wenn auch kürzeren Excurs aus, in dem er es
sich zur Aufgabe macht, Piatos Lehre über eine göttliche Vorsehung
darzustellen. Des Philosophen Worte Legg. p. 899, dafs es Menschen
686 Lindemann: de prima, qiiae in convivio Platonico legilur, orat.
o-ebe die an das Dasein Gottes glaubten, dem ungeachtet aber anuäh-
nicn dafs diese sich nicht um die menschlichen Angelegenheiten küm-
merten veranlafst den Verf. zu diesem Excurs. Wir können nur mit
ihm übereinstimmen, wenn er sagt, dafs die bewundernswerthen Be-
weise welche Plalo dafür bringt, vollkommen neben den Lehren der
h. Sehr, bestehen können, und dafs er auch in dieser Beziehung mehr
relif^iösen Sinn beurkundet als mancher christliche Schriftsteller.
Wir würden leicht noch mehrere Excurse für unsere Darlegung
wählen können: es mögen diese genügen, um sowohl auf den manig-
fach interessanten Inhalt derselben aufmerksam gemacht, als überhaupt
die philologischen Leser angeregt zu haben, die in mehr als einer
Rücksicht nicht unbedeutende Schrift des amerikanischen Herausgebers
der eigenen Untersuchung zu unterwerfen.
Eisenach. Gustav Schwanitz.
Kürzere Anzeigen.
De prima ^ qnae in convivio Platonico legilur^ oratione. Scripsit
M. Lindemann. Programm der Kreuzschule in Dresden Ostern
1853. 41 S. gr. 8.
Eine durchdachte Abhandlung. Zuerst S. 1—3 steht ein kurzer
Hinweis auf das innere gegenseitige Verhältnis der fünf ersten Reden
überhaupt. Dann wendet sich der Hr. Verf. zunächst zur Darstellung
des Inhalts und der Mängel von der Rede des Phaedros. An dem er-
sten Theile tadelt er zuvörderst, dafs der Redner, obschon er über
das Wesen des Eros sprechen will, doch nur das Alter, d. h. die
einzige Eigenschaft desselben, welche ihn der Verehrung besonders
empfahl, hervorhebt. Dabei ist aber nicht beachtet, dafs ein zwie-
facher Standpunkt der Beurtheiiung möglich ist, nemllch der der ge-
gebenen Wirklichkeit und der der theoretischen Forderung. Geht man
von der Art der Lobrede aus, wie sie sich als Stilgattung nun ein-
mal historisch gebildet hatte, so ist Phaedros Verfahren durchaus in
der Ordnung, und Teuffei, gegen weichen der Hr. Verf. polemisiert,
hatte ganz Recht, diese Seite hervorzuheben. Vom Gesichtspunkte
der dialektischen Kritik dagegen mufs allerdings bei irgend zweideu-
tigen Gegenständen die Voranstellung einer wirklichen Definition ver-
langt werden. Richtig aber bemerkt Hr. L. den Widerspruch des
oi/rco nollaiöQ^fv p. 178 C gegen die geringe Zahl der angeführten
Zeugnisse, von denen er überdies das des Parmenides als Einschiebsel
streicht (mit Ast und Wunder), das des Akusilaos aber gleichfalls be-
seitigt, indem dieser nach Clem. Alex. IV p. 629 meist dem Hesiodos
gefolgt sei, so dafs nur das einzige Zeugnis dieses letztern übrig bleibe.
Allein so fest steht namentlich der zweite Punkt, d. h. die Richtig-
Lindemann : de prima, qiiac in convivio Plafonico legilur, oral. 687
keit der Angabe des Clemens, iiiclit, so fern das spätere Alterthiim
keine echten Schriften des Aktisilaos mehr gekannt zu haben scheint,
s. Schömann Greifsw. Sommerkat. 1852 p. JG. Bedeutender ist es,
wenn der Hr. Verf. hervorhebt, wie jedesfalls der Anführung aller
jener Zeugnisse die mangelnde Unterschei<!ung des Eros im kosmogo-
nischen und andererseits im physisch-ethischen Sinne zu Grunde liegt,
denn nur von dem erstem reden jene, während doch Phaedros eigent-
lich vielmehr die menschliche Liebe im Gedanken hat (S. 4—9). —
Zum zweiten Theil der Rede oder zu den Wirkungen des Eros über-
gehend, verwirft Hr. L, zunächst S. 9 — 11 mit Recht Wunders Auf-
fafsung, welche in der verdeckten Empfehlung der sinnlichen Knaben^
liebe den eigentlichen Zweck des Vortrags erblickt. Richtig bemerkt
er, dafs Wunder durch die vage Sprechweise des Phaedros, welcher
allerdings p. 17<S C ausdrücklich sagt, es gebe kein höheres Gut, als
Liebhaber oder Geliebter zu sein, sich täuschen liel's und die hinzu-
gesetzte Begründung aul'ser Acht gelafsen hat, aus welcher deutlich
hervorgeht, dafs jene Bezeichnung als höchstes Gut auf die Liebe nur
übertragen wird, weil sie die mächtigste Ursache zu dieser Wir-
kung, nemlich zum ^aXcög ßtcivaL , zum schönen und glücklichen Le-
ben, d. h. zum höchsten Gute ist. — Aber auch bei der Auffafsung,
welche in der Liebe zunächst (p. 178 C— E) den Trieb zur Tugend
überhaupt, dann specieü zur Tapferkeit beim Phaedros ausgedrückt
sieht, beruhigt sich Hr. L, nicht, glaubt vielmehr, dafs auch schon
p. 178 C— E bei dem y-alov und uiaxQov lediglich an Tapferkeit und
Feigheit gedacht sei (S. 11—14). Sein Hauptgrund aber, dafs dies
aus dem Beisatz Si dvuvSqiav (p. 178 D) erhelle, beweist nichts , weil
dieser Zusatz ganz selbstverständlich ist, indem natürlich keine an-
dere Untugend als die Feigheit dazu bewegen kann, sich eine unwür-
dige Behandlung gefallen zu lafsen. Daraus folgt jedoch wahrlich
nicht, dafs einzig Feigheit dazu verleiten könne, seinerseits selbst
eine unwürdige Handlung zu begehn; nach Gorg. p. 474 C galt viel-
mehr auch jede Ungerechtigkeit dem populären hellenischen Bewust-
sein als ein alaxgöv. Irthümlich glaubt ferner Hr. L., Ref. habe dem
Phaedros die philosophische Auffafsung des aiexQOv und v.aXov unter-
schieben wollen, da ich doch ausdrücklich S. 206 meiner Abhandl.
(Philol. VI) den Standpunkt der gesammten fünf ersten Redner als den
populären bezeichnet habe! Endlich greift die Behauptung, dafs das
populäre agfZT] ebenso wie i^rtus = fortitudo sei, viel zu weit und
unterscheidet nicht den römischen Standpunkt vom griechischen, wel-
cher durch das Element des kuXÖv eine besondere Färbung bekommt.
Allerdings ist ccqstt] die praktische Tüchtigkeit, die harmonische Aus-
bildung des Geistes und Körpers, und insofern der Grieche hierin die
Männlichkeit sucht, treten allerdings Mannhaftigkeit und Tapferkeit,
aber nie so ausschliefslich wie bei den Römern, in den Vordergrund.
Gerade deshalb liegt auch dem Phaedros der Uebergang von der all-
gemeinen ägsTT] zur speciellen Kvdgi'a so unmittelbar nahe, und in so
weit ist allerdings der von Hrn. L. gegebene Anstofs, diese Seite
688 Lindemann: de prima, qiiae in convivio Platonico legitur, orat.
schärfer zu betonen, dankenswerth. — Recht gut zählt der Hr. Verf.
g 14 j^9 die sonstigen Mängel des Vortrags auf. Während die Be-
weisführung des ersten Theils nur auf den kosmogonischen Eros passt,
weil's Phaedros sodann p. 178 C— 179 B nur von den Avohlthätigen
Wirkungen der Liebe unter männlichen Personen zu erzählen; dies
hindert ihn jedoch nicht p. 179 B mit einemmale die Alkestis als Bei-
spiel liebender Lebensopferung anzuführen, wobei noch dazu das Weib,
der hellenischen Auffafsung durchaus zuwider, als der liebende Theil
erscheint. Während er p. 179 B behauptet, dafs nur die liebenden
einer solchen Aufopferung fähig sind, veranlafst ihn nichts desto we-
niger das Beispiel des Achilleus p. 179 E ff., den geliebten ein glei-
ches zuzuschreiben. Während die Liebe p. 180 B nur in den lieben-
den wohnt, äufsert sie doch p. 178 C, E, 179 E ff. auch in den ge-
liebten ihre Wirksamkeit, wogegen dennoch wiederum in Bezug auf
Staat und Heer ihre Thätigkeit durchaus auf die liebenden-beschränkt
wird. Indessen fragt es sich doch, ob nicht manche dieser Wider-
sprüche blofs formeller Natur, d. h. nur auf eine vage und unklare
Ausdrucksweise zu reducieren sind. — Die Willkürlichkeiten in der Be-
handlung der Mythen und des Homeros entwickelt Hr. L. S. 16 — 19,
bürdet jedoch wieder dem Phaedros zu viel auf, denn kein Redner
wird gehalten sein, alle Gründe, welche Homer für Achilleus Hand-
lungsweise angibt, darzulegen, falls nur derjenige, welcher für ihn
passt, und welchen er daher anführt, wirklich vorhanden war. Un-
richtio ist es, dafs vTceQa-RO&vrjatiiiv p. 179 E in einer andern Be-
deutung stehe als vorher; der Sinn ist: seine Handlungsweise erstreckte
sich nicht etwa blofs auf das geringere, für den lebenden zu sterben,
sondern er folgte sogar dem todten in den Tod. — Den Grund aller
dieser Mängel sucht der Hr. Vt^rf. S, 19 — 29 mit Recht theils in der
Kritiklosigkeit des Phaedros , theils in seiner Begeisterung für die da-
malige sophistische Rhetorik, zu deren gewöhnlichen Mitteln nament-
lich auch die absichtliche Verdrehung von Mythen und Dichterstellen
gehört. Aehnlich wie Ref. a. a. O. S. 19if. erkennt auch Hr. L. keine spe-
cielle Nachahmung der Manier des Lyslas, und selbst der Hang zu Para-
doxien, aus welchem Phaedros z. B. den Achilleus zum Geliebten des Pa-
troklos macht, ist ihm wohl nicht blofs mit der lysianischen Liebesrede im
Dialog Phaedros, "sondern überhaupt mit der damaligen epideiktischen Re-
dekunst gemeinsam. Trügerisch Ist indessen der S. 28 angegebene Grund,
dafs auch Lyslas dort nur als Repraesentant dieser letztern im all-
gemeinen in Betracht komme. Denn dort ist eben Lysias ihr einziger
Vertreter; hier, wo mehrere Redner auftreten, würde an sich nichts da-
ran gehindert haben, sie in ihren verschiedenen besondern Richtungen
zur Erscheinung zu bringen. — Allzu gesucht erscheint es dagegen,
wenn Hr. L. S. 29—32 die Frage, warum Phaedros geradein der Ta-
pferkeit so vorzugsweise das höchste Gut erblicke, dahin beantwortet,
dafs weichliche Menschen wie er gerade am meisten die Tapferkeit zu
bewundern pflegen. Ich denke, es lag einfach in der oben entwickel-
ten Natur der populären Tugend begründet, dafs, wenn Eros über-
Lindcmann: de prima, qiiao in coiivivio Plalonico loirilur, oral. 0*^0
haupt als Erwecker der Tugend gepriesen werden sollte, d'e Tapfer-
keit dabei die erste Stelle einnelimen innste. Ebenso ^^(Mli<^ wird die
Erklärung des (Jinstandes, dafs Phaedros nicht selbst den Antrag
dem Eros Lobreden zu halten stellt, sondern ihn durch den Ervxinia-
chos stellen läl'st, aus der Trägheit und Schüchternlieit {limiditn.s)
des erstem befriedigen, zumal da die vorliegende (Charakteristik des
Mannes gar keinen Anhalt bietet, die letztere Eigenschaff bei ilim an-
zunehmen. — S. 32—35 begründet Hr. L. die Voranstellung dieser
Rede vor alle andern richtig dadurch, dafs nicht blofs Phaedros die-
sen ganzen Redewettkampf in Anregung gebracht hat, sondern dafs
auch sein Vortrag als der mangelhafteste von allen in einer aufstei-
genden Reihenfolge an den Anfang gehört. Sodann folgen einige trelf-
liche Winke über die Berichtigungen, welche die folgenden Redner
beibringen. Richtig ist es auch, dafs dem Phaedros, v>ie dem Aga-
then, abweichend von den drei andern, keine bestimmte Anschauung
vom Eros vorliegt; räthselhaft dagegen die Behauptung, der erster«
habe zu wenig, der letztere zu viel in der Anordnung des Stolfes sich
nach den rhetorischen Theorien gerichtet. Beide Reden gleichen sieb
vielmehr auch in ihrer äufserlich mit Strenge durchgeführten Dispo-
sition, und in beiden scheint Piaton haben zeigen zu wollen, dafs ein
solcher logischer Pormalismus noch keine Gewähr für eine bestimmte
innere Anschauung von der Sache bietet. Was Hr. L. S. '2H in die-
ser rein formalen Beziehung an Phaedros Vortrage auszusetzen hat,
so dafs er sogar mit der Ordnungslosigkeit der lysianischen Rede im
Dialog Phaedros eine Aehnlichkeit findet, bleibt mir unklar. — Die
Schlufsentwicklung (S. 35 — 41), dafs die eigentliche Zielscheibe der
platonischen Polemik in Phaedros Rede die sophistische Zeitbildung
überhaupt, und dafs in allen fünf Reden nicht blofs die theoretischen
Ansichten der Redner, sondern auch ihre praktische Charakteristik
enthalten sei, wogegen in Bezug auf den Sokrates beide Momente in
die beiden Schlufsreden auseinander getheilt seien, ist zutrelfend, bie-
tet aber nichts neues mehr, s. meine Abhandl. S. 196. 'H)6, ausge-
nommen die Gründe des abweichenden Verfahrens beim Sokrates.
Aufser der so erzeugten grol'sern Deutlichkeit der entscheidenden End-
entwicklung und der geringern Wichtigkeit praktischer Charakteristik
der andern Redner nennt der Hr. Verf. den Umstand , dafs sonst nicht
wohl die Fiction der Dlotima möglich gewesen wäre.
Greifswald. Fr. StiscmUil.
C. Julii Caesaris commeniarii de hello Gallico. Für Schüler zum
ölfentlichen und Privatgebrauch herausgegebon von Albert Do-
bcrenz, Professor am Gymnasium in HildburgKausen. Mit einem
geographischen, einem grammatischen und Wortregister. Voll-
ständig in einem Bande. Leipzig, Druck und Verlag von B. G.
Teubner. 1«53. VHI u. 316 S. gr. 8.
Die vorliegende Ausgabe von Caesars Bell. Gall. kann mit Ueber-
zeugung den Gymnasien empfohlen werden. Sie ist zweckmäfsig, mit
/V. J(i/irb. f. I'hil. n. Paed. Bd. LXVII. ///<. 0. 45
690 Dobercnz : Caesaris commcnlarü de bello Gallico.
Erfahrung und Saclikenntnis gearbeitet und enthält, obwohl zunächst
für Schüler bestimmt, auch für den Lehrer viele brauchbare Finger-
zeige und anregende Bemerkungen. Es ist immer ein Vortheil, wenn
Schulausgaben von IMännern bearbeitet werden , bei denen mit philo-
logischen Kenntnissen die Erfahrung verbunden ist, welche die Schule
gibt. Dies ist bei der gegenwärtigen Bearbeitung des B. Gall. der
Fall, und wie sie aus einem Bedürfnis des Herausgebers bei seinem
Unterricht in der Tertia hervorgegangen ist, so wird sie auch man-
chem Bedürfnis abhelfend entgegenkommen. Wer entweder selbst Cae-
sar erklärt hat oder wer sich noch an die Jahre erinnert, da er als
Schüler zuerst in denselben eingeführt worden ist, wird finden, dafs
Doberenz meist die Punkte getroffen hat, in denen der Schüler auf-
merksam gemacht werden mufs, weil er au fserdem falsch verstehn oder
mit einer oberliächlichen Auffafsung sich begnügen oder über Stellen
hinwegeilen würde, aus denen für den Unterschied des lateinischen
und deutschen Idioms viel zu lernen ist, und welche zur Befestigung
und Erweiterung des grammatischen VVifsens beizutragen besonders
geeignet sind.
Die Punkte, aufweiche vorzugsweise Rücksicht genommen wor-
den ist und wodurch sich diese Ausgabe von den bisher erschiene-
nen unterscheidet, gibt Doberenz selbst in der Vorrede an. Es sind
1) längere Perioden so geordnet, dafs sie der Schüler leichter
übersehen kann;
2) ist Anleitung gegeben zum freiem und gewandtem Ueber-
setzen und zur Sprachvergleichung;
3) erhält der Schüler Anweisung zur Befestigung und Erweite-
rung seiner grammatischen Kenntnisse.
Was nun den ersten Punkt anlangt, so ist es Thatsache, dafs,
so übersichtlich und klar auch Caesars Darstellung im allgemeinen ist,
doch die in längern Perioden stattfindende Häufung der Nebensätze
und Participialconstructionen es auch dem schon einigermafsen ge-
übten Leser schwer macht, rasch und gewandt zu übersetzen. Wie
viel mehr Anstrengung kostet es dem Tertianer, sich zurecht zu fin-
den und das Verhältnis der einzelnen Glieder der Periode richtig ein-
zusehn! Zwar das wäre kein Nachtheil, dafs der Schüler zum Ver-
ständnis solcher Perioden längere Zeit brauchte: könnte er das rich-
tige nur allein finden, ohne irgend eine Anleitung und ohne dafs
er die Lust verlöre, so wäre der dadurch entstehende Gewinn jedes-
falls höher anzuschlagen, als der etwaige Zeitverlust; aber nur we-
nige werden sich ohne Anleitung zu helfen wifsen, und Schwierig-
keiten, die nicht zu überwältigen sind, nehmen dem Schüler die Lust
an der Leetüre. Doberenz hat den richtigen Weg zur Abhilfe einge-
schlagen: er hat nicht die Uebersetzung selbst, sondern nur Andeu-
tungen gegeben, wie zu ordnen und zu übersetzen ist. Es bleibt also
dem eigenen Nachdenken des Schülers noch genug überlafsen. Man
beachte, um sich hiervon zu überzeugen, aufser den in der Vorrede
angegebenen Stellen beispielsweise noch I, 12: Ita — persolvit; 1,39:
Doboreiiz: CaesarJs conimciiliiiii de liello Gallico. 691
Dum paucos — ■pcrturharet ; 17, 8: uhi noslros : IT, 25: Caesar, ubi;
Iir, i: Ins nuntiis acccptls : tlT, 28: codcm ferc tempore; IV, 9: <]Uod
— rcscidit. Dasselbe zweck mäfsipe Verfahren hat D. auch hei dein
zweiten Punkte, auf den es ihm ankam, einf^ehalten : er hat meist nur
Hinweisungen und Anieituufren {ief^eben, wodurcli der Schüler auf-
merksam gemacht und zum Nachdenken angeregt wird; wo die Ueber-
setzung aber beigefügt ist, ist es geschehn, um auf eine Art und Weise
des Uebersetzens aufmerksam zu machen, die der Schüler nicht von
selbst finden Avürde und an die vielleicht auch der Lehrer manchmal
nicht denken würde. Dies gilt namentlich von den verscliiedenen Ar-
ten von Nebensätzen, die sich durch Substantiva im Deutschen wie-
dergeben lafsen (wie w<»nn z. B. übersetzt wird : ut idem cnnaretur
ei persuadet I, 3; er überredete ihn zu ebendemselben Unternehmen;
qui aderant: die Anwesenden), von den Stellen, wo im Deutschen
Worte unübersetzt bleiben können (z. B. I, 2 inductus: 35: pcrmit-
teret, ut licerct ; II, 5: eian ab sc dimlttit : IV, 2: ad se importari de-
siderent) und von denen, wo wir im Deutschen Worte hinzufügen
müfsen, die der Römer nicht beizufügen braucht (z, B. die Hilfszeit-
wörter müfsen, sollen, dürfen, können, lafsen, welche der
Römer nicht durch besondere entsprechende Verba, sondern durchs
Hauptverbum im Indicativ oder Conjunctiv ausdrückt; s. V, 7 zu com-
moratus). Durch eine freiere und gewandtere Uebersetzung, wie sie
D. anstrebt, mufs sich nothwendig das Wohlgefallen der Schüler an
dem zu lesenden Autor steigern. Von besonderm Nutzen aber ist die
durch eine freiere Uebersetzung geförderte Sprachvergleichung, so-
wohl an sich durch das bildende, was sie hat, als auch in Hinsicht
auf das Uebersetzen aus dem Deutschen in das Lateinische. Germa-
nismen lernt der Schüler gar nicht anders vermeiden, als durch Ver-
gleichung der eigenen und der fremden Sprache. Befestigung und Er-
weiterung des grammatischen Wifsens sucht D. dadurch zu erreichen,
dafs er an besonders dazu geeigneten Stellen auf die grammatischen
Regeln aufmerksam macht, zu welchen sie ein Beispiel enthalten. Dies
geschieht jedoch nicht so, dafs ein Paragraph einer bestimmten Gram-
matik citiert wird, sondern die Regel selbst wird erwähnt, um ent-
weder, wenn sie schon bekannt ist, durch das vorliegende Beispiel
befestigt oder, wenn sie noch nicht bekannt ist, von dem Lehrer ge-
geben zu werden. Mit Recht nennt es D. unzweckmäfsig, dafs man
den Schüler an einem Capitel mehrere Regeln lernen läfst; dies hin-
dert den B'ortschritt der Leetüre, stört das Interesse an dem gelese-
nen und ermüdet. Befser ist es jedesfalls, in den besondern gramma-
tischen Stunden gerade die Capitel der Syntax zu behandeln, zu denen
die Leetüre vorzugsweise Beispiele liefert.
Ueber die Art, wie D. die drei Punkte, durch die sich seine
Ausgabe ohne Frage vortheilhaft auszeichnet. Im einzelnen durchge-
führt hat, kann man wohl hie und da abweichender Meinung sein;
gröfstentheils aber wird man sich, scheint es, einverstanden erklären
müfsen. Vor allem wünscht der Herausgeber dem Vorwurf zu begeg-
45*
692 Dobcrenz: Caesaris cominenlarii de hello Gallico.
nen , als sei zu viel erklärt. Ueber das zuviel und zuwenig gibt es
aber keinen absoluten Malsstab: ein anderer Bearbeiter hätte viel-
leicht manches weggelalsen , aber dafür auch wieder anderes ge-
geben, was ein dritter am Ende auch für überflfifsig erklärt hätte.
Manche Anmerkung wäre, das kann man ja wohl getrost sagen, viel-
leicht nicht vorhanden, hätte nicht ein oder der andere Tertianer ein-
mal gerade an der betreifenden Stelle gestrauchelt. Uebrigens ver-
ringert sich die Zahl der leichtern Bemerkungen mit jedem Buch. Die
Uebersetzung von Wörtern wie probare, citpcre, conßrmare, princi-
patus (I, 17), von Wendungen wie principatum teuere (1,31), in ali-
qucm aniinadvcrtere (I, 19), von Stellen wie his rcpugnabat (f, 19)
kann man Avohl dem Tertianer zumuthen selbst zu finden (bei animad-
vertere gibt ihm ohnedies das Lexikon Auskunft) , ebenso wie man an-
nehmen kann, dafs er bereits prima luce, in summo monte und ähn-
liches richtig zu übersetzen gelernt hat. Indes soll ja die Ausgabe
auch den PrivalHeifs unterstützen, und diese Rücksicht rechtfertigt es
allerdings, dafs hier und da auch leichtere Stellen übersetzt und er-
klärt sind. — Als ein besonderer Vorzug er.'^cheint es, dafs die ge-
gebenen Bemerkungen so viel als möglich nicht vereinzelt stehn, son-
dern dafs zusammengehöriges, gleichartiges, ähnliches auf einander
bezogen ist, dafs einzelne F'älle unter allgemeine Gesichtspunkte ge-
stellt sind und dafs auf dagewesenes immer wieder Rücksicht genom-
men wird. Auf diese Weise wird der Schüler allmählich mit Caesar
vertraut und lebt sich in ihn hinein. Wir deuten nur auf einige Stel-
len hin, um das gesagte zu beweisen. J, 2 zu arbitrabatur ist eine
dreifache Weise angegeben, wie die Verba arbitrari, ducere , existi-
mare y audire, dicere, intellegere , tüdere und ähnliche sich übersetzen
lafsen (1) durch Substantiva , 2) durch Zwischensätze, 3) wörtlich),
und an den betreffenden übrigen Stellen ist dann auf diese Norm hin-
gedeutet. I, 3 zu et regno occupato wird gezeigt, dafs Participien
übersetzt werden können: a) durch Substantiva, b) durch einen bei-
geordneten, c) durch einen untergeordneten, gewöhnlich aber d) in
den beiden letzten Fällen durch Umwandlung der passiven Construc-
tion in die active. Auf diese hier gegebene Anleitung wird nun an
vielen andern Stellen wieder hingewiesen: so z. B. I, 5 usi und exu-
stis ; II, 2 comparata; II, 11 cognita; II, 12 perturbatis ordijiibus :
II, 22 diversie legionibus : II, 26 incitato : 11,32 iacta, cclatn, reten-
ta; III, 2ö eductis und circumductis ; IV, 24 productis , instituta und
nroiectis u. s. w. I, 7 zu maturat proficisci, er bricht eiligst auf,
ist bemerkt, dafs im Lateinischen Verba oft betonte deutsche Adver-
bia vertreten, und an diese Bemerkung wird erinnei-t I, 36 zu con-
suesse: I, 8 zu quam constituerat : IV, 6 zu quam consuerat ; IV, 29
zu accidit: V, 6 zu petere contendit. I, 10 zu magno cum perieulo
und I, 38 zu ibi sind gleichartige Fälle zusammengestellt, wodurch so-
fort die gemachte Bemerkung begründet wird. Dafs gegen das Ende
des B. G. an einigen Stellen auch auf die stilistische Färbung, wie
ßie durch den Inhalt bedingt ist, hingewiesen worden ist, ist nicht
I
Dobcrcnz; Caesaris coinnieiilaiii de hello Gallico. 693
zu taclein. — Zum Sclilufs sei fs dem R<^f. iiocli {gestattet, zu einigen
Stellen seine abweichende Ansicht zu {;el)en.
I, 1 qui ipsorum llnß;ua Ccliae, noslra Galli appcllantur. An
dieser Stelle hält es Doberenz für nothwendij;, auf das Asyndeton auf-
merksam zu machen und auf I, 18 zu verweisen, wo es heifst; cunci-
liiim (limittit, lAscum rciinet. Während aber I, IH es im Deuts<:lien
nothwendig ist, zu übersetzen: den Liscus aber hält er zurück, liefet
<lie Sache I, 1 anders. Wir können im Deutsclien {ranz {;ut ebenso sa-
gen: den dritten Theil bewohnen die Gelten, wie sie in ihrer, die
Gallier, wie sie in unserer Sprache heifsen. Kine ähnliche Stelle,
wo man nicht an ein Asyndeton denkt, ist V, 50 eo die — conti-
iiejit: Gnlli, quod ampliorcs copias — cxspectubavt; Caesar, si forte
etc. Beide Theile blieben in ihrer Stellung: die Gallier, weil sie
mehr Truppen erwarteten, Caesar, um zu versuchen. Wir brauchen
hier ebenfalls kein aber. Auf das Asyndeton hat D. mit einer ge-
wissen Vorliebe geachtet, und wenn auch zugegeben werden mufs, dafs
er die Beziehungen der unverbundenen Stellen meist richtig angegeben
hat, so kann sich Ref. doch nicht damit einverstanden erklären, dafs
angenommen wird, als habe Caesar überall mit bewnster Absicht ein
Asyndeton gesetzt. Manche Asyndeta sind ohne Zweifel aus einer ge-
wissen Flüchtigkeit der Darstellung hervorgegangen, wie sie in den
Commentarien hie nnd da zu Tage tritt. So z.B. 1,46: Caesari ntin-
iiatum est, cquites Ariovisti ad nostros adequitarc, lapidvs tclaque in
voslros coniiccre. Das Asyndeton soll hier 'die Eile der handelnden
malen.' Kann sein , kann aber auch nicht sein. Die Wiederholung
von in nostros, wahrend kurz vorher ad iiostros steht, berechtigt zu
der Annahme, dafs hier Caesar mit einer gewissen FMüchtigkeit ge-
schrieben hat. Füi dieses Sichgehnlafsen in der Darstellung ist auch
I, 48 die viermalige Wiederholung von castra, I, 49 die Wiederholung
von locum — loco — locum — locus ein Beweis.
I, 1 coniurationem nobilitatis fccit : hier braucht nicht nothwen-
dig der Genetiv durch eine Praeposition übersetzt zu werden, etwa:
eine Verschwörung unter dem Adel; es lälst sich ganz gut sagen:
eine Adelsverschwörung.
I, 18 in quaerendo: wenn in mit dem Ablativ hier den Grund
bezeichnet, so war zu übersetzen : durch Nachfragen; die Uebersetzung
'bei seinen Erkundigungen' deutet kein Verhältnis des Grundes an.
Deutlich wird die Beziehung des in quaerendo , wenn man sich er-
gänzt: im Laufe der Unterredung erfuhr Caesar bei seinen Erkundi-
gungen gelegentlich auch, dais u. s. w.
I, 3 sementes quam maximas faccre: hier ist facere übersetzt:
bestellen. Nun sagt man zwar Saaten bestellen, aber wie soll man
dieses Verbum beibehaltend quam maximas übersetzen? Grofse Saa-
ten bestellen sagt man im Deutschen nicht, es ist also eine andere
Wendung nöthig, etwa: so viel als möglich aussäen.
I, 6 isque nonnullis locis vado transitur: hier war zu bemerken,
694 Doberenz: Gaesaris commenlarii de hello Gallico.
dafs transitur übersetzt werden mufs: kann überschritten werden, wenn
vudo ''an einigen seichten Stellen' übersetzt wird.
I, 9 gratia ''Beliebtheit' ist kein gutes deutsches Wort; warum
will man dies gratia gerade durch ein Substantiv wiedergeben , da
wir ein ganz -.ntsprechendes nicht haben? Man kann ja sagen : Dum-
norix vermochte, weil er beliebt und freigebig war u. s. w.
I, 27 omnium rerum inopia : durch allgemeinen Mangel. Die wört-
liche Uebersetzung: 'durch Mangel an allem' ist hier gewis befser.
I, 3ö M. 31cssala, M. Pisone consuUbus : Collegen in einem Amt
verbunden, werden gewöhnlich ohne Verbindung nebeneinander ge-
stellt. Diese Bemerkung ist schon I, 6 zu L. Pisone, A. Gabinio coss.
gemacht.
I, 44 recusare: Weigerung machen ist keine gute deutsche Wen-
dung.
I, 49 tertiam castra munire iiissit : auch an dieser Stelle braucht
nicht auf ein Asyndeton hingewiesen zu werden, wir sprechen im Deut-
schen gerade so: die erste und zweite Schlachtreihe hiefs er sich
kampfbereit halten, die dritte ein festes Lager aufschlagen.
II, 1 coniurandi: hierzu bemerkt D. : 'für uns reicht aus: dazu,
allein der Rötner setzt für das matte und farblose Formwort aus dem
Streben nach Deutlichkeit und Anschaulichkeit den in dem Formwort
liegenden lebendigem Begriff.' Diese Bemerkung ist richtig, nur läfst
sie sich nicht auf die vorliegende Stelle anwenden. Sagen wir, statt
coniurandi zu übersetzen, dazu, so bezieht sich dies auf bereits
vorhergehende Begriffe: auf coniurare und obsidts dare; Caesar will
aber nur die Ursachen des coniurare angeben, und deshalb sagt er
coniurandi ausdrücklich.
II, 11 his praefccit: 'läfst sich an den vorigen Satz anschliefsen :
unter dem Befehl: warum Caesar anders?' Solche Fragen halten wir
nicht für zweckmäfsig, weil auf sie eine bestimmte Antwort nicht
iiiöt'lich ist. Der Autor selbst weifs nicht in jedem Falle, warum er
so oder anders geschrieben hat.
III, 28 evolavcrunt. Hier konnte auf das frü'iere provolare (II,
19) und auf den Unterschied in der Anschauung aufmerksam gemacht
werden.
IV, 12 incitato equo : 'sprengte er herbei.' Damit konnte hier
gleich se obtulit in Verbindung gebracht und übersetzt werden: er
sprengte in die Feinde hinein.
VI, 12 Ambiorigem sibi societate et foederc adiungunt. Hier
schlägt D. vor societate et focdere zu übersetzen: 'durch eine hei-
lige Allianz.' Es scheint dies deswegen nicht recht passend , weil der
Ausdruck: 'heilige Allianz' für uns eine bestimmte historische Beziehung
hat und sich auf etwas viel wichtigeres und gröfseres bezieht, als das
Bündnis ist, von welchem Caesar spricht.
Doch genug; diese wenigen Bemerkungen sollten nur andeuten,
welcher Art die Ausstellungen sind, die man allenfalls im einzelnen an
der Doberenzschen Ausgabe des Caesar machen kann. Sie sind unbe-
Lateinische Schiilgrammatiken und Ueberselzungsbücher. 695
deutend und verschwinden, wen» man das zweckiuäCsif^e und Rute da-
gegen hält, was {Teboten ist. Das sachliche ist, soweit es nothwendig
ist, berü« ksichtigt und erklärt. Die beigegehenen Jndices sin<l voll-
ständig und übersichtlich. Deiu Texte liegt Nipperdejs Ausgabe zu
Grunde. Druck und Papier sind gut.
Hildburghausen. Ernst Uittwegvr.
Bericht über einige lateinische Schulgrammatiken und
Uebersetzuncrsbücher.
Wenn wir die Menge der lateinisclien Granuuatiken und Lesebü-
cher, die alljährlich erscheinen, betrachten, so drängt sich uns un-
willkürlich die Furage auf: besitzt denn nun iu Wahrheit das in Frage
stehende Buch solche Eigenschaften, die sein Erscheinen rechtfertigen,
oder soll es eben nur einen numerischen Zuwachs zu dem ohnehin
schon grofsen, ja übergrolsen Strome von derartigen Büchern bilden?
Freilich findet man der Entschuldigungsgründe der Herausgabe in den
bezüglichen Vorreden genug, nach denen bald Neuheit der Anordnung,
bald in höherem Grade erstrebte F'afslichkeit und Darstellung der Re-
geln entschuldigen, bald glückliche, die Wilsenschaft um ein bedeu-
tendes fördernde Funde zu Tage gefördert werden sollen. Unterwirft
man jedoch ein solches Buch einer strengern Kritik, so findet man
nicht eben selten, dafs weder die eine noch die andere vermeintliche
Eigenschaft an ihm zu finden ist, dafs vielmehr zehn Grammatiken
oder ebenso viel lateinische Hilfsbüiher erwünschte Gelegenheit boten
ein elftes Buch anzufertigen und dann mit marktschreierischem Lobe
in die Welt zu senden. Was Wunder dann, dafs solche unzeitige Bü-
cher das Loos unzeitig geborener Geschöpfe tlieilen, die ohne die nö-
thige Lebenskraft ihr ärmliches Dasein fristen?
Ref. durch das Vertrauen der Redaction aufgefordert, über meh-
rere grammatische Bücher und Hilfsbücher ein kurzes Referat zu
geben, freut sich, unter der Zahl der von ihm anzuzeigenden Schrif-
ten meist tüchtige gefunden zu haben, und erlaubt sich, ehe er zu
einer kurzen Besprechung der einzelnen Bücher übergeht, vorher einige
wenige Bemerkungen. Unter diesen Grammatiken befinden sich einige
nur für das Bedürfnis der untern Classen bestimmte (Burchard, Hiller,
Schöne, Junker), so dafs also für die Mittel- und Oberclassen neue
Lehrbücher erforderlich sind. Von der Zweckmäfsigkeit und Nütz-
lichkeit einer derartigen Einrichtung kann sich Ref. nicht überzeugen.
Denn abgesehn von dem Geldpunkte wollen wir nur das eine Beden-
ken äufsern , dafs der in seiner Grammatik allmählich heimisch ge-
wordene Schüler beim Aufrücken in eine obere Classe sich lange aufser
Stande sehn wird, sich mit sonst gewohnter Leichtigkeit in seinem
Buche zurecht zu finden. Entgegnet man, dafs ein vollständiger In-
dex diesem fühlbaren Uebelstande abhelfe, s.) geben wir gleichwohl
69Ö Lateinische Schulgrainmalikeii und Uebersetzuiigsbücher.
zu bedenken, wie viel Zeit dem Schiller durch Aufsuchen der einzel-
nen Regeln geraubt, wie gar oft dadurch, wenn auch nur augenblick-
lich, die Luüt zum Lernen geschwächt wird, Ist aber die Granm[iatik
so eingerichtet, dafs sie den Schüler durch das ganze Gymnasium be-
gleitet, indem entweder der eine Band für das Bedürfnis der untern
Classen ausreicht, der andere in gleicher Anordnung das erweiterte
Material bietet (MiddendorfJ , oder sich beides in einem Buche ver-
einigt findet, da duich den Druck das allgemeine von dem beson-
dern, das wichtige von dem minder wichtigern getrennt ist (Feld-
bausch, Berger), ist sie so eingerichtet, so wird sie dem Schüler ein
vieljähriger, immer zugänglicher B'reund werden, der ihn nicht im
Stiche läl'st.
Wir wenden uns nun zunä hst zu der Lateinischen Schulgram-
inalik für Gymnasien nnd höhere Dürgerschnlen von F. S. Feld-
bausch, Geh. Hofrath. Vierte Autlage. Heidelberg, Druck und Ver-
lag von J. Groos. 1852. XII und 394 S. «, und zu der Lateinischen
Grainnia'Ak für den Unterricht auf Gymnasien von Dr. Berger etc.
Zweite verbel'serte Auflage. Celle, Verlag der Capaun-Karlowaschen
Buchhandlung. 1852. VIII u. 279 S. 8. Die Grammatik von Feld-
bausch hat nicht nur im engern Vaterlande, sondern auch über die
Grenzen desselben hinaus grofsen und verdienten Eingang gefunden.
Hat sie schon in den beiden vorigen Ausgaben durch natürliciie An-
ordnung des Stoffs und fafsliche Darstellung dem praktischen Bedürf-
nisse im hohen Grade genügt, so mag hier nur folgendes bezüglich
der neuen Autlage bemerkt werden. Hervorstechende Verbefserungen
und Erweiterungen hat diese Ausgabe an mindestens 50 Stellen erhal-
ten; vorzüglich sind die disjunctiven Fragesätze mit quid, quis etc.
S. 300 ff. klarer dargestellt werden. Als höchst praktisch erweist sich
»las statt des frühern Registers zur Angabe der Tempusstämme S. 3ö7
— 37-i angefügte alphabetische Verzeichnis der Verba mit Angabe der
Perfect- und Sui)informen. Der dieser Grammatik gemachte Vorwurf,
ilafs die Lehre von dem Gebrauch der Tempora nach der Lehre vom
Gerundium und Supinum folge, hat den Hrn. Verf. nicht bewegen
können , von dieser so fest in dem praktischen Gebrauch begründeten
Anordnung abzugehn. Die am Ende der Syntax beigefügten einzelnen
Wort- und Satzverbindungen sind trotz der gemachten Bemerkung,
daCs sie der logischen Ordnung widerstrebend seien, mit Recht bei-
behalten worden, weil es gerathener ist, einzelne schwierige Lehren
dem Schüler erst dann zuzuführen, wenn er im übrigen schon sicher
ist. Das Buch kann ungeachtet der beregten Verbefserungen ohne
Anstofs neben den frühern Auflagen gebraucht werden. Druck und
Papier lal'sen nichts zu wünschen übrig. — In dem für den ganzen
gramuiatischen Unterricht an einem Gymnasium bestimmten I^ehr-
buche befleifsigte sich Hr. Berger der Kürze, sowohl dem Inhalte
als dem Ausdrucke nach. Beides ist ihm nach unserm Dafürhalten
mit seltenen Ausnahmen meisterhaft gelungen. Nicht minder zu loben
i^t das Streben des Verf., seine Grammatik als für alle Classen ge-
Lateinische Schulgrammalilien und Ueberselzungsbücher. 697
niigend eiiiznricliten , weun aiuli, wie \>ir dies leicht durchführen könn-
ten, bald für den Anfänger zu viel (Formenlehre), bald für den ge-
übten zu wenig gegeben sein möchte (Syntax). Indes dort wird der
Lehrer das eben nöthige leicht angeben, das noch sciiwierigere für
eine nächste Stufe aufbewahren können; liier, wo also ein sichtbarer
INIangel zuweilen nicht zu leugnen ist, soll nach des Hrn. Verf. eigner
Ansicht dem zu gröfserer Selbständigkeit herangereiften Schüler ein
gröfseres, ausführlicheres Werk zum Selbststudium empfohlen werden.
Allein das würde von dem mit irdischen Glücksgütern weniger geseg-
neten Schüler doch nur ein neues Geldopfer erheischen, weshalb wir
im Interesse der Schule unter Beibehaltung der Anordnung , der Kürze
und Fafslichkeit im Ausdruck den Wunsch auszusprechen uns erlau-
ben, es möchte bei einer neuen Auflage dem Verf. gefallen, die Syn-
tax zu erweitern, ohne dadurch das Buch mit einem überflül'sigen Bal-
laste zu überladen, wie ja auch der Verf. sich in dieser Autlage durch
die Wünsche einiger Lehrer hat bestimmen lafsen, einige Zusätze der
Syntax zu geben (vergl. Vorr. S. VII). Bezüglich des S. V gesagten
sind wir nach dem Eingangs erwähnten anderer Meinung. Sonst ist
«lieses Buch, wie schon gesagt, als ein höchst zweckmäfsiges zu be-
zeichnen. Die Anordnung ist folgende: Barster Tlieil: Wortlehre S. 1
-121; zweiter Theil : Satzlehre S. 122-258; S. 259—270: Vom röm.
Versbau (mit besonderer Rücksicht auf Ovid , Virgil, Horaz) ; S. 271
—271: Vom röm. Kalender; S. 273-279 ein vollständiger Index. Die
äufsere Ausstattung ist schön.
Wir gehn sodann zu den für die untern und mittlem Gymnasial-
classen bestimmten Lehrbüchern über. Die Lateinische Schvlgmm-
malik, nebst Uebungsbeispielen zum U eb er set-^en ins Lateinische
und einem Lesebnehe roh J. F. W. Burchard, Director des Gym-
nasiums zu Bückeburg. 6te Auflage. Leipzig, Verlag von Hermann
Schnitze. 1852. IV u. 404 S. 8, zeichnet sich durch Kürze und Fafs-
lichkeit der Regeln und meist treff'end gewählte Uebungsstücke aus,
Grund genug, weshalb sie in solchen Schulen, in denen verschiedene
Lehrbücher beim grammatischen Unterrichte gebraucht werden, Ein-
gang gefunden hat. Die Anordnung ist übersichtlich, und Ref. weifs
aus eigner Erfahrung , dafs Anfänger sich gern und mit Nutzen mit
diesem Buche beschäftigen. Von praktischem Takte zeugt die getrof-
fene Anordnung und das gebotene Mafs der Grundregeln. Aber S. 140
steht noch penis! Das Buch reicht aus für die Bedürfnisse der Sexta
und Quinta, kann aber auch als Wiederholungsbuch für die Quarta
benutzt werden. — Zugleich für die untern und mittlem Classen be-
stimmt ist ist die Kleine lateinische Grammatik y. Dr. ¥, Schultz,
Director des Gymn. zu Braunsberg. Paderborn, Verlag von F. Schö-
ning. 1850. IV u. 211 S. 8. Dieses Buch — die früher erschienene
latein. Sprachlehre desselben Hrn. Verf. ist uns unbekannt — empfiehlt
sich durch Einfachheit und Kürze, Wahrheit und Klarheit, rücksicht-
Hch des Inhalts wie des Drucks. Nicht weniger hat der Verf. 'selbst
die äufsere Form des Büchleins sich sehr angelegen sein lafsen und
698 Lateinische Schulgrammaliken und Uebcrsetzungsbiicher.
eine gewisse Freundlichkeit derselben, eine leichte Ueberschaulichkeit
durch angemefsene Absätze, eine Unterscheidung des wichtigern vom
minder wichtigern durch den Druck , und manche andere scheinbare
Kleinigkeit der Aufmerksamkeit und Sorge nicht unwerth geachtet',
Vortheile, welche das vorliegende Buch zu einem tüchtigen Schnlbuche
machen. Vorzüglich hat uns die geschickte, auf praktischer Einsicht
beruhende Tlieilung des Lehrstoffes durch den Druck gefallen, so dafs
der Lehrer nur selten Gelegenheit haben dürfte von dieser umsichti-
gen Anordnung abzuweiclien. Inhalt des Buchs: Die Formenlehre S.
1—142, von da —199 Syntax; S. 200 — 211: einiges aus der Prosodie
und Metrik; vom röm. Kalender; röm. Gewicht, Geld und Mafs; die
gewöhnliciisten Abkürzungen. Druck und Papier lobenswerth.
Was die Lcileinisclie Schul grammaük für die untern Gymna-
nasialclassen *) mit einer zum Memorieren besümmlen Würter-
sammlung , vielen deutschen und lafeinisehen Uebungsau/'gaben
zum Ueberse'zen und einem deu'sclt-lalein. und latein. -deutschen
Würterbnche von Dr. H. Middendorf und Dr. F. Grüter. Coes-
feld , Druck und Verlag von B. Wittneven Vater. 1849. XIV und
448 S. 8. anlangt, so geben wir zuvörderst ganz kurz die Anordnung
des Stoffes an. Erste Abtheilung: Elementarlehre S. 1—9; zweite
Abthl.: Formenlehre S. 10—232: dritte Abtlil. : Wortbildungslehre S.
233—259; vierte Abthl.: Satzlehre S. 260—364; von S. 365— 383 deut-
sche, von 384—408 latein. Uebungsstücke ; S. 409 — 4-26 deutsch-latein.,
S. 427 — 448 latein.-deutsches Wörterbuch. Auch dieses höchst empfeh-
lenswerthe Buch zeichnet sich durch Fafslichkeit der Regeln nach Form
und Inhalt aus; dazu kommt als wesentlicher Vorzug, dafs es nur
diejenigen Regeln und Ausnahmen gibt, 'die auf dem allgemeinen pro-
saischen Sprachgebrauche beruhen', besonder^ Eigenthümliclikeiten aber
einzelner prosaischer Schriftsteller der Berücksichtigung bei der Lee-
türe zuweist. Die Syntax beschränkt sich in diesem ersten Theile na-
türlich nur auf das für die untern Gymnasialclassen erforderliche Ma-
terial, während die Hrn. Verf. (Vorrede S. VI) mit Recht 'der An-
sicht sind, dafs die Syntax für die obern Classen nur eine Erweite-
rung des syntaktischen Pensums für die untern Classen sein und sich
diesem also nach Form und Inhalt genau anschliefsen solle, da es für
den grammatischen Unterricht sehr störend und für das sichere Fort-
schreiten der Schüler sehr hinderlich ist, wenn denselben zugemuthet
wird, in den obern Classen die in den untern gelernten Regeln in ganz
anderer Form und Zusammenstellung von neuem zu erlernen.' Recht
praktisch sind in der Syntax, um Sicherheit und Gewandtheit des
Schülers im Uehersetzen zu fördern, den Regeln zahlreiche ins Latei-
nische zu übersetzende passende Sätze beigegeben, auch mit einem
Sternchen, wo zuläfsig, angegeben worden, dafs der active Satz ins
Passivum oder umgekehrt zu verwandeln sei. Treffend ist ferner die
*) Daneben der allgemeine Titel: Lateinische Schulgrammatilc für
sämmtliche Gymnasialclassen etc. Erster Theil.
Lateinische Scliulnrammalikcn und Ucbcrselziingsbüclicr. 609
in den Noten aiifjostellle Ver{r|eicluing mit dein Griecliischen für die
vorgerücktem iScIu'iler. Aber wir können die vielen, wenn auch in
verbefserter Gestalt recipierten Reinire^reln nicht billifien ; wir luilten
es durchaus für nn|)raktis(h, Knaben nut einem .soi<-h(»n meclianisclicn
Hersagen zu beh(>l!i{>en. Ferner l)ekun(len die den einzelnen Regeln
beigegebenen lielegstellen den richtigen iSinn der Hrn. Herausgeber,
die es verschmähten mit Citaten aus den verschiedensten Schriftstei-
lern zu prunken. Die deutschen zusammenhängenden Uebungsstü<ke,
für die Quarta bestimmt, begleitet mit den Citaten der schwierigem
Paragriiphen aus der Grammatik, sind geschichtlichen Inhalts und des-
halb ganz wohl geeignet das Interesse des Knaben zu fefseln ; ebenso
<!ie lateinischen, unter denen sich freilich manche mit anziehendem
liätten vertauschen iafsen. Aber die gebotenen Grenzen verlangen hier
abzubrechen, obschon wir noch manchen Vorzug dieses Bnrhs hervor-
heben könnten, so z. B. die geschickte Einrichtung des Wörterbuchs.
Auch bei dieser Grammatik läfst die äufsere Ausstattung nichts zu
wünschen übrig. Nach der Vorrede wird jeder der beiden Theile auch
einzeln (mit einem besondern Titel) abgegeben werden. — Es folgen
sodann: Uebersichis-Tahellen der deutschen inid laleiv. Formen-
nnd Salzlehre ^ ein Beilrag zur erleichternden und parallelen Be-
handlung beider Sprachen^ für unlere Classen höherer Lehran-
Sfal'en vonPh. J. Hiller, Studienlehrerin Würzburg. 2te Aufl. Würz-
burg, Verlag der Stahelschen Buchh. 1852. VIII u. 46 S. gr. 4. Ref.
sieht sich bei dem Berichte über vorliegende Tabellen aufser Stand,
diese wie es heifst 'vielfach vermehrte und verbefserte Auflage', die
schon nach kurzer Zeit sich nöthig machte, mit der ersten zu verglei-
chen; er referiert deshalb das neu hinzugekommene nach dem Vor-
wort. Durch die gröfstentheils aus lateinischen Classikern gewählten
Beispiele glaubt der Hr. Verf. ausgesprochenen Wünschen nachgekom-
men zu sein; ebenso bat er durch Anführung der Seitenzahl der neu-
sten Schulgrammatik von Heyse (1851) die Benutzung der frühern Auf-
lagen ermöglicht. Neu hinzu kam Tabelle I: Buchstaben; vermehrt
wurde Tabelle II: Sillien, Wörter. Dem zu machenden Vorwurfe 'dafs
solches für die Schüler dieser Classen noch zu schwierig sei', begeg-
net der Verf. durch die Erklärung, dafs es jedem Lehrer freistehe,
den Lehrstoff nach eigner Wahl und Ansicht zu vertheilen und zu be-
handeln. Dafs diese Arbeit brauchbar sei, unterliegt keinem Zweifel.
Druck und Papier sind gut. — Lehrbuch der lalein. Sprache mit
zahlreichen sowohl lalein. als deutschen Uebersetz-ungsaufgaben
zur Einübung der einzelnen grammatischen Punkte und beigege-
benen zusammenhängenden latein. und deutschen Uebungsslüchen
nebst einem doppellen Wörterrerzeichnisse. Von E. W. Schöne.
Leipzig 1S53. Verlag von J. Klinkhardt. IV u. 294 S. 8. Dieses
Buch soll keine vollständige Grammatik enthalten. Der Hr. Verf. wollte
nur das zur Vorbereitung auf die Leetüre leichter lateinischer Schrift-
steller nothwendige geben und den Schüler vom leichtern zum schwe-
rern auf naturgemäfsem Wege hinführen. So wichtig das letztere ist
700 Lateinische Schulgrammaliken und Ueberselzungsbücher.
olinehiii schon ein Haupterfordernis jegliches Unterrichts, und so gut
das auch dem Verf. meist gelungen ist, so will uns gleichwohl die Be-
stimmung des Buchs <■ keine vollständige Grammatik' zu sein, aus dem
oben erwähnten Grunde nicht als die zweckmäfsigste erscheinen. Ist
es Aufgabe der Schule und des Lehrers, die Schüler eben nur so weit
zu fördern, dafs sie einen leichten Schriftsteller — freilich ein ziem-
lich relativer Begriff — verstehn lernen sollen, so ist dieses Lehr-
buch gewis wie manches andere brauchbar und zweckmäfsig; soll aber
das Ziel des Gymnasialunterrichts ganz erreicht werden, so würden
wir doch ein Buch wählen, welches wie das von Middendorf und Grii-
ter für den ganzen Gymnasialcursus ausreicht. Sonst ist anerkennend
hervorzuheben , dafs die Masse des gegebenen den Anfänger nicht
niederdrückt, dafs das eben dagewesene sofort durch Beispiele zur
lebendigen Anschauung gebracht wird , dafs nach dem Vorgänge an-
derer anfangs immer die eben nöthige Phraseologie dem Stücke vor-
gesetzt ist, und erst später der Schüler die beigegebenen Wörterver-
zeichnisse nachzuschlagen hat. Hinsichtlich der Anordnung gefällt
dem Ref. die erst nach der regelmäfsigen verzeichnete DecHnation der
griechischen Wörter, ferner die Zusammenstellung gleichlautender Ca-
sus, z. B. 3te Decl. Sing. Nom. Voc, Acc. Gen. Dat. Abi. Plur.
Nom. Voc. Acc. Gen. Dat. Abi. In den Genusregeln findet sich
manches, wa;? ein Schüler, für den das vorstehende Buch ausgearbeitet
ist, nie brauchen wird. Einen wenn auch nur kurzen, aber über-
sichtlichen Paragraph über Eintheilung und Aussprache u. s. w. der
Buchstaben vennifst man ungern. Die äufsere Ausstattung verdient
j^ol). Worllehre der lifeinischen Sprache für Schulen. Von
G. Hil. Högg. Nördlingen ]8j3. Druck und Verlag der Beckschen
Buchhandlung. VIII u. 143 S. 8. 'Dieses Buch ist dazu bestimmt,
dem Schüler, welcher durcli sein erstes Sprachbuch in die Anfangs-
gründe der Sprache eingeführt worden, die bereits erkannten Formen
vollständig und übersichtlich darzulegen. Es soll also die Wortlehre
dem Schüler nicht schon in der ersten Stunde des Lateinlernens in die
Hand gegeben, und auch dann, wenn ein Grund gelegt ist, nicht von
§. ] u. s. f. auswendig gelernt werden', sondern der Lehrer soll die eben
nöthigen §§. auswählen und erläutern. 'Schülern von reiferem Alter
dagegen mag das Buch allerdings, besonders wenn sie nur einer Auf-
frischung ihrer grammatischen Kenntnisse bedürfen, zur Selbstbeleh-
rung überwiesen werden.' Es mag uns verstattet sein, kürzlich den
Inhalt dieses auf einer festen Basis beruhenden Buchs mitzutheilen.
S. 1 und 2: die lateinische Sprache (geschichtliches); Wortlehre.
g. 1 7 von den Lauten und Lautzeichen, §. 8 — 20 von den Silben.
Von den Wörtern: §. 20 Wortarten, .S. 21 — 61 Nomen substantivum,
Declinationen, Nomina abundantia, defectiva, genus substantivi ; §. 6'2
— 72 Nomen adjectivum; adjectiva abundantia, defectiva, Compara-
tionsformen; §. 73—83 Pronomina, von da — §. 87 Zahlwörter. §. 87
— 14(1 Verbum; 146— 154 Particulae, 154 — 178 Wortbildung, 178 und
179 Abkürzungen. Ref. freut sich, dieses nach Inhalt und Anordnung
Lalcinisclic Sclmljjranimalikcu und Ucbcrsctzting.sbiiclicr. 70l
so viel neues darbietende gründliche Buch als ein höchst hcaciitens-
werthes bezeichnen zu können. In neuer und übersichtliciier Anord-
nung treten z. B. die Paradigmata der Verba hervor, bei welchen,
abweichend von der frühem Ordnung, die Einrichtung getrofFen wurde,
dafs je<lesmal die linke Seite in zwei Columnen getheilt ist, von denen
die erste die F'ornien des Praesensstanimes, die zweite die des Per-
fect- oder Supinstammes enthält; auf der rechten Seite steht das Pas-
sivum in gleicher Weise verzeichnet. Den denkenden umsichtigen
Schulmann bekunden eine Reihe von S<?. , die sich ebenso durch Neu-
heit als Klarheit der Auffafsung und Darstellung auszeichnen. So ist
S. 31 (dritte Declination) eine Uebersicht der Nominativformen in drei
Columnen gegeben worden, aus der man zugleich das Geschlecht der
Wörter kennen lernen kann. §. 39 theilen wir hier kurz mit, um un-
ser obiges Urtheil zu erhärten. Es heifst: im Genet. PI. haben -/«;«
1) die Stämme auf -i: vavis navium etc. Ausnahmen. 2) die Wörter,
deren Stamm auf zwei Mitlaute endigt: mons {mont-) montium u. s. f.
Ausnahmen. 3) Ferner nix nivium etc. 4) Die Völkernamen auf -as
und -is: Arpinas Arpinätium etc. 5) Alle Adject. und Partie,
insoweit sie unter die obigen Regeln 1) und 2) fallen: levis levium,
florcns florentium (nur consors hat consortum). Ferner diejenigen
Adjectiva auf ar, deren Stamm vor dem c einen langen Vocal hat: au-
dax audäcium, victrix (nur als Adject. victricium, als Subst. victrt-
ciim) u. s. f. Dagegen supplex sitpplicum etc. Die in §. 54 — 59 auf-
gestellten Grundregeln der Substantive nach der Endung nöthigen den
Schüler freilich mehr zum Denken als die gewöhnlichen, leider so
gäng und gäbe geAvordenen Reimregeln. Allerdings wird der Lehrer
nicht blofs vornehm vom Katheder herunter erklären, sondern mit
Kreide in der Hand sich an die Tafel begeben müfsen, um durch Ver-
anschaulichung dem klaren Verständnisse zu Hilfe zu kommen, wie
denn überhaupt gar oft eine Minute an der Tafel mehr nützt als fünf
Minuten lang gesprochene gelehrte Worte. Jedesfalls verdient diese
mit vieler Kenntnis und paedagogischem Takt geschriebene Wortlehre
volle Berücksichtigung der Schulvorstände. Ref. erlaubt sich noch
den Wunsch auszusprechen, es möchte der Hr. Verf., dem wir für
manche Belehrung gern danken, zum Anschlufs an die gegenwärtige
Wortlehre auch eine Satzlehre ausarbeiten, und glaubt, dafs dann das
Buch mehr Verbreitung finden werde als vielleicht jetzt, da sonst im-
mer eine andere Grammatik daneben in Gebrauch sein mufs. Die An-
schaffung wird durch den vom Verleger gestellten Partienpreis sehr
erleichtert, wie auch der Verleger nichts gescheut hat, um das Buch
auch dun h ein angenehmes Aeufsere zu empfehlen. — rrükttsches
Uilfslmch zur Einnbmig der lalein. Formenlehre. Im Anschlufs an
den gewöhnlichen Gang der latein. Grammatik bearbeitet von G. Jun-
cker, Lehrer an der Bürgerschule des Hallischen Waisenhauses. Er-
ster Cursus. Halle 185L C. A. Schwetschke u. Sohn. X u. 53 S.
8. Zweiter Cursus. Mit einer kurzen Formenlehre und einem Lese-
buche. Braunschweig 1852. C. A. Schwetschke u. Sohn (M. Bruhn).
702 Lateinische Schiilgrammalikcn und Ueberselzungsbüchei*.
"VI u. 150 S. 8. Aus der Vorrede zum ersten Cursus sehn wir, 'dafs
dem Hrn. Verf. der Mangel an einem Buche immer fühlbarer wurde,
welches passenden und zugleich reichhaltigen Uebungsstoff zur An-
schauung des zu erlernenden und zur Anwendung des erlernten dar-
biete.' Wir bekennen, dafs an einem Buche, wie das vorliegende,
kein Mangel vorhanden ist. Wollen wir auch zugeben, dafs der er-
ste Cursus keine unpassenden lateinischen Sätze enthält, ferner dafs
er brauchbar sein kann, so sehen wir gleichwohl keinen Grund, warum
das Buch veröffentlicht wurde. Denn weder Neuheit der Anordnung^
noch sonst eine hervorstechende Eigenschaft zeichnet es aus. Der er-
ste Cursus bebandelt in lateinischen und deutschen Stücken die De-
clinationen, Adjectiva, Pronomina, Zahlen, das Hilfszeitwort sum
bis S. 42, von da bis zu Ende stehn die Vocabeln. Den zweiten Cur-
sus besprechen wir etwas ausführlicher, bedauern aber schon hier aus-
sprechen zu müfsen, dafs die Arbeit in der Ausführung, theilwei.se
auch in der Anordnung den zu machenden Anforderungen nicht genügte
Es sind diesem Cursus von S. 68 — 108 die Elemente der lateinischen
Formenlehre beigegeben worden, mit denen, abgesehn von den anzu-
gebenden Mängeln, wie man zu sagen pflegt, das Pferd hinter den
Wagen gespannt worden ist. Denn nachdem in beiden von einander
getrennten Cursen die Declinationen bis zu den Fragen durch Bei-
spiele eingeübt sind, da folgt plötzlich eine kurze Formenlehre. 'Der
Zweck bei Abfafsung dieses Cursus war vorzüglich der, den Lehrern
an den Bürgerschulen, Hauslehrern u. s. w., kurz denen, die ohne
ei'Tentliche Philologen zu sein, doch Schüler für das Gymnasium vor-
bereiten müfsen, nach Kräften Hilfsleistung zu thun.' Von S. 109 —
124 sind einige Lesestücke als Vorübung zum Uebersetzen lateinischer
Schriftsteller beigegeben. Wir sehen deren Nutzbarkeit in einem nur
für die Formenlehre berechneten Buche nicht ein; denn abgesehn von
der Construction des Acc. c. inf. ist keiner syntaktischen Regel Er-
wähnung gethan. Des Hrn. Verf. Ansicht geht freilich abweichend
von der unsern dahin: 'Die Abi. absol. hingegen sind weit seltner,
und deswegen bedürfen sie keiner besondern Erwähnung und Einübung,
sondern können dem Schüler, sobald sie vorkommen, leicht erklärt
werden.' Wenn der Hr. Verf. ferner glaubt durch dieses Hilfsbuch
den Gebrauch anderer Bücher ausgeschlofsen zu haben, so mag
ilim schon die Dürftigkeit und Unzuverläfsigkeit der angehängten
Wörterverzeichnisse als Gegenbeweis dienen. Doch nun zu einer
kurzen Angabe des falschen, unzuverläfsigen. Auf die Correetur ist
in diesem Cursus keine Sorgfalt verwendet worden. S. 69 liest man
als Endungen für die Neutra der 4. Decl. im Acc. und Voc. us. S. 71
heifst es: die auf is haben entweder wieder is — oder bekommen noch
irgend ein Einschiebsel; ebendas. : die auf ex verwandeln das x ge-
wöhnlich in eis, z. B. vox, thorax, cervix, arx ; S. 72: Tolle me etc.,
warum nicht deutsch ? S. 73 werden unter den Ausnahmen der 2. Decl.
aufgeführt: arctus , carbasus, Iccythus etc. Wozu das für den An-
fänger höchst überflüfsige? S. 74 segcs, it{s(?); S. 75 fehlt zu cos-
Laleinisclic Scliulgramniafikcn und tTol)crscf7,iing'sl)üclier. 703
fth die Bedeiifiin^, ebenso zu crnchris und iiiitf^lHs; pcvis felilt iiiclit,
die Bedeutung ist wohl absieht licli verschwiegen; callis heilst Fnls-
steig; lies dcns, wieder, gnomoti. S. 76 was heilst astur? Auch mag
hier bemerkt sein, dafs die Qiianfitätszeichen für den Genetiv sehr
oft, die für die Stammsilben ganz fehlen. In dem Verzeichnis der ge-
bräuchlichsten Verba mit abweichenden Haupttem[)oril)ns lesen wir
vieo. Die Uebersicht und Zusünimenstellung ist ni<;ht eingehalten S.
102, 4; 103, 6; unter 8 lies avsiis svm; S. 1 OH lies «lefo, rncssui statt
metui: S. 126 wird quo valerct für den Anfänger übersetzt: was sie
meinte; lies suadco, suasi, und tilge beim darüberstehenden pcrsua-
fleo die Stammformen; S. 127 conficio geht nach 3, lies mocnin, tilge
das eben dagewesene redire, füge zu cnbo den Infinitiv; S. 129 lies
incumbo, abstergo (eo) , si, stersiim 2 und 3, richtig ist doch nur
abstergco 2; S. 130 setze zu ' natus alt' den Casus, lies e//ifrere, ter ;
S. 133 werden Kriegskosten durch sumtus übersetzt, lies magnifica,
callida, Thür heifst volva? Zudem schreibe vulvae; S. 136 lies cert-
seo; S. 137 phalerarum , setze zu invideo den Casus, wie es bei vtor
geschehen ist; S. 138 lies Schmähungen, tilge eins von den sich ge-
genüberstehenden desum und tandem: S. 139 übersetze imitabilis an-
ders; wozu die Stammformen von exanimo mit 1? Wegen des Nom.
vicis war das richtigere nachzulesen, zu crijno setze 3 statt 2, obsi-
deo war anders zu übersetzen; S. 140 commentum Ermahnung? lies
appono ; S. 141 lies: siehe infero; S. 142 lies fero, wozu fanum etc.
mit Angabe des Genetivs? S. 143 kann dcfendere nicht Verbieten'
heifsen, siehe die betreffende Stelle, exardeo zweimal verzeichnet,
S. 144 lies intuitus , S. 146 wird iwcmIio durch 'einstofsen' übersetzt,
praeceps hat praecipitis : setze vor novitas die Zahl 31 ; S. 147 lies
premo 3; S. 148 lies 32, setze zu interlino die Stammformen, lies
perfcci; S. 149 soll proceritas Fruchtbarkeit heifsen, lies piguit und
33. Doch dieses mag zureichen. — Anfänge des Lafeinisclien in
Verbindung mit dem Anschamingsnnlerricht bis znrn Lesen und
Ueberselzen der Distichen nebst Schema der lateinischen Sprach-
lehre. Von Dr. G. L. Kloker. Nebst einer Tabula grammatices La-
tinae. Dritte verbefserte und vermehrte Ausgabe. Hamburg n. Leip-
zig 1851. Verlag von G. Heubel. V u. 258 S. 8*). Der Hr. Verf.
läfst die Grammatik jeder Sprache auf die Frage: Was macht sie oder
was läl'st sich aus ihr machen? sagen: 'Ich regle deine Gedanken, ich
bringe die Gründe deines Ausdrucks zu deiner Erkenntnis.' Ganz gut;
er fährt aber dann auf eine eben nicht delicate, höchst marktschreie-
rische Weise fort: 'Hier aber beginnt erst die Stellung des Schul-
meisters recht feindlich zu werden: ihr regelt Gedanken, wo keine
vorhanden sind ; ihr lehret Musik dea tauben und Geometrie den
blinden, ihr künstelt und faselt, weil ihr aus nichts etwas, aus einem
leeren Kinde einen Gelehrten, aus einem Mechanismus eine Wifsen-
*) Daneben der allgemeine Titel: Der Schullehrer des neunzehn-
ten Jahrhunderts, oder Darstellung des gesammten Unterrichts für
Väter und Lehrer. Fünfter Band, zweite wohlfeile Ausgabe.
704 Lateinische Schulgframmatiken und Uchersetzungsbücher.
Schaft machen wollt; ihr gebt Formeln, und überall fehlt der geord-
nete Stoff! Da mufs ich Krieg führen; hier ist meine Erklärung:
Entweder schliefst eure lateinischen Knabenschulen, oder fanget mit
meiner Vorschule und dann mit meiner Volk ss chule an ! Solange
ihr das nicht thut, können wir nicht Friede haben: euren Verstand
oder eure Ehrlichkeit werde ich immer lauter in Zweifel ziehn, zu
welchem Rang auch die Gesellschaft euch erhoben habe.' Was soll
ein Rec. zu solch einem Buche sagen? — Ref. beschliefst das kurze
Referat mit der Anzeige eines in seiner Art trefflichen, deshalb weit
verbreiteten Buches: Auff/abcn ZU lateinischen Slilübungen von J<.
Fr. Süpfle u. s. w. Erster Theil. Aufgaben für untere und mitt-
lere Classen. Sechste verbefserte und vermehrte Auflage. Karlsruhe
1852. Verlag von Groos. IX u. 280 S. 8. Diese Auflage unterschei-
det sich von der vorhergehenden dadurch, dafs der Text der Uebungs-
stücke, wo nöthig, nach Inhalt und Form verbefsert wurde — am
meisten in Alexanders Jugendgeschichte nach R. Geiers Erziehung und
Unterricht Alex. d. Gr. — ; ferner sind die Anmerkungen berichtigt,
die Phraseologie vermehrt, die Citate auf Zumpt, Schulz und Feld-
bausch gleichmäfsiger und vollständiger durchgeführt, endlich die
Nummern 8, 35 und 42 der vorigen Auflage weggelafsen und dafür
Nr. 36 Wunden im Dienste der Staates sind ehrenvoll , Nr. 45 Tele-
phus, Nr. 92 Amphiaräus, Nr. 131. 132 ArTon, Nr. 142 Wie wird das
Andenken guter Männer am wahrsten geehrt, Nr. 255. 256 Kluger Ein-
fall des Königs Agesilaus, Laomedons Treulosigkeit, aufgenommen wor-
den. Da Ref. sich dieser Uebersetzungsaufgaben seit 6 Jahren beim
öffentlichen Unterrichte bedient hat und noch bedient, so erlaubt er
sich einige Bemerkungen, die ihm die Schule an die Hand gab, und
wünscht sie ebenso freundlich angenommen als dargeboten. Zu wört-
lich übersetzt und für den Schüler leicht zu finden sind Nr. 218 aus
Cic. Lael. §. 22; Nr. 209 aus Parad. 6, 3, hier heifst wohl auch
eripere opp. surripere mit Gewalt entreifsen; Nr. 235 aus de F'in. 2,
30 steht wie die vorigen in den vielgebrauchten Locis memor. Qued-
linburg.; Nr. 236 findet sich wörtlich in den meisten lateinischen Le-
sebüchern, so bei Burchard, Middendorf u. a. Nr. 14, 1 ist sarcinae
zu lesen; Nr. 82, 6 auch umgekehrt, 87, 15: vor allen, 96 Minwider-
stehlich' lateinisch? oder 269, 7; 125, 11 lies in, 128, 7 pedibus, 148,
7 hebes fehlt der Gen. mit der Quantität; 179, 2 Aruns , untis , 179
'zu wenig' war hier zu latinisieren, 187 'triefend' lateinisch?
189 im Text lies nach man 8), ebend. 12 zu verweisen wegen factum
auf 182, 5; 193, 16 entweder als bekannt wegzulafsen oder mit dem
Casus; 199 war 'mit eignen Augen' zu übersetzen oder zu verweisen
87, 9 mit Verwarnung des Gebrauchs von proprius ; 201 hätte ich blofs
dignitas 'Werth' übersetzt; 202, 4 siehe 179, 15. 207, 5 befser in
aliquid, so ist die Verbindungsweise bei inesse 243, 5 gut angegeben ;
217, 4 vielleicht anschaulicher quicum: 235, 2 exanimari; 236, l Nt-
töcris; 237, 1 wohl eher zu verweisen auf 212, 5, dadurch prägen sich
bald die mitverzeichneten Phrasen ein; setze vor opus est 2; über-
FcUcr: Exercises oii tlie geniiis of tlie ong-lisli lano;uagc. 705
setze ^jemand «'inen grolsen Gefallen erweisen', ebendas. 11 konnte
auch Ziini|)t ^■. '2'29 und 8cluilz .^■. Gü, 3 citiert werden. Lies Nr. 242 5
248, 10 ist erst 247, 2 und öfters daj;ewesen ; 259 'erstarken' latei-
nische 263 ist 'Geschicklichkeit' zu lesen; 283, 9 auch animo aliquem
confirmare Caes. B. G. 5, 49; 295, 1 sollicitavit; 312, 2 refertus;
ebendas. 3 acciperc; 322, 13 war eher auf die Grammatiken zu ver-
weisen; 333 verbinde der Deutlichkeit halber afßccre et tenlare ; 340,
15 sanitatis ; 346 im Text: eingeleitet hatte; 353, 5 rem publicavi ;
369, 11 Tonwort; 391, 12 'dann auch'; 395, 6 vergl. 392, 7; 402, 5
hätten wir noch verwiesen auf 212, 5; 403 'Reigentänze' lateinisch?
Ref. scheidet von diesem vortrefflichen Ruche mit dem aufrichtigen
Wunsche, dals es immer mehr iNutzeu stiften und immer weitere Ver-
breitung finden möge. Druck und Papier löblich.
Sondershausen. Dr. Hartmann,
Exercises on the genins ofthe english language. Ein Uebungsbuch
für höhere Schulclassen und zur selbständigen Fortbildung nach
genofsenem Unterricht. Von Dr. F. E. Feller. Zweite verbefserte
und vermehrte Auflage. Leipzig, Baumgärtner. 1853. 286 S. 8.
Das Buch ist ein Pendant zu den gleichfalls schon in zweiter Auf-
lage von demselben Verf. bearbeiteten Nouveaux exercices sur le ge-
nie de la languc fran^aise (1843) und soll wie dieses zur Vorberei-
tung für freie stilistische Arbeiten dienen. Das Bedürfnis einer sol-
chen Vermittlung ist gewis aufser dem Verf. auch vielen andern Leh-
rern fühlbar gewesen, zumal an solchen Anstalten, wo dem englischen
Sprachunterrichte namentlich eine noch im ganzen so knappe Zeit zu-
gemefsen ist, dafs der Sprung von den grammatikalischen Arbeiten
zu freiem Compositionen immer ein zu gewagter ist und selten ge-
lingt. Demnach kann das Buch denjenigen Lehrern und Anstalten sehr
wohl empfohlen werden, wo der langsame und stufenmäfsig bis zu
jenem Ziele fortschreitende Unterricht durch die Verhältnisse nicht
thunlich ist. Hr. Fe 11 er hat nun sein Buch in zwei Abtheilungen
gebracht, deren letztere kleine zusammenhängende deutsche Stücke
bringt zum Uebersetzen ins Englische mit der nöthigen phraseologi-
schen Beihilfe , welche das Uebersetzen dem lernenden ebenso leicht
und angenehm als instructiv macht, zumal der deutsche Text so ein-
gerichtet ist, dafs er nur mit Hilfe idiomatischer englischer Ausdrücke
und Wendungen wirklich übersetzbar wird. Eigenthümllcher ist die
erste zu ausschllefslich 'mündlichen Uebungen' bestimmte Hälfte des
Buchs. Sie ist mehr lexikalischer Natur, und bringt in alphabetischer
Anordnung eine ziemliche Anzahl deutscher vieldeutiger und des-
wegen für das Uebersetzen schwieriger Zeitwörter (wie angeben,
au fge h e n, a u ssc h la ge n, b r ing en, ein fa 11 en, kommen u. s.w.)
in deutschen aphoristischen Sätzen mit der entsprechenden englischen
Uebertragung gegenüber. Also z. B. unter 'stecken' die Sätze:
IS. Jahrb. f. P/iif. u. Paed. Bd. LXVII. Hft. C. 46
706 Feller: Exercises on the genius of the englisli language.
' Der Junge schrie als wenn er am Spiefse steckte ' (as if he tfas
guhig- to be killed) — "'damufs etwas dahinterstecken' (ihere must bc
some special reason for it) u. s. f. Kein ungeübter wird von selbst,
ohne mehr oder weniger grobe Germanismen zu begehn , dergleichen
Sätze in einer dem Genius der englischen Sprache entsprechenden Weise
wiedergeben ; die Wörterbücher lafsen ihn vollends in den meisten
Fällen im Stiche. Das gute können solche Uebungen sicherlich haben,
dafs sie der landläufigen Meinung steuern, als sei das Englische über-
haupt leicht; ein wenig Respect vor erkannten Schwierigkeiten ist wie
überall so beim Lernen immer schon ein Schritt vorwärts aus der
Mittelmäfsigkeit heraus. Ref. kann daher solche Uebungen nicht ge-
nug empfehlen. Wie man sieht, sind sie ein Stück von Onomatik,
freilich auch nur ein Stück. Der Verf. hat sich aus Rücksichten lei-
der nur auf gewisse Zeitwörter beschränken müfsen, wiewohl sich sol-
che idiomatisch deutsch-englische Uebungen mit einem oder dem an-
dern der übrigen Redetheile auch noch anstellen liefsen.
Mnemonisch hat dies Verfahren, nach des Ref. Ansicht, doch auch
manche Schwierigkeiten, denn die Sätze sind so desultorisch, dafs
dem Gedächtnis leicht der Stützpunkt für das sichere , feste Behalten
dessen, worauf es hier ankommt, schwindet. Für diejenigen, die das
Buch unter Anleitung eines Lehrers gebrauchen, wäre es vielleicht
wünschenswerther gewesen, nur die englischen Sätze zu geben, und
für jede Partie das betreffende deutsche Verbum nur einmal als
Schlagwort anzugeben, mit der Aufgabe, dasselbe in der eignen Ue-
bersetzung in irgend einer passenden Wendung zur Anwendung zu
bringen. Was so vom Schüler selbst gefunden, tritt für ihn auch als
Idiotismus viel leichter hervor, und setzt sich darum leichter bei ihm
an , während bei dem andern Verfahren Auge und Sinn daran vorüber
eilt und dem Gedächtnis nicht so bleibend zuführt. Noch mehr würde
sich durch Fruchtbarkeit ein anderes onomatisches Verfahren empfehlen,
bei welchem man entweder deutsche oder englische Wurzelverben zu
Grunde legt, daran die ganze Wortfamilie lernen läfst, und vorzugs-
weise die dabei vorkommenden, der einen oder andern der beiden Spra-
chen eigenthümlichen Ausdrucksweisen berücksichtigt. Also beispiels-
weise nehme man brechen mit seinen verschiedenen Anwendungen
als Simplex und als Compositum, dazu gleich ab-, anbrechen, mit
Rücksicht auf die Nebenbedeutungen aufhören und anfangen, fer-
ner ein-, aus- und gebrechen (Synon. fehlen, mangeln u. s. w.),
dazu wieder die entsprechenden Substantiva Bruch, Gebrechen
(mit seinen Synonymen im Deutschen wie im Engl.!), Abbruch (Syn.
Nachtheil) und die dazu gehörigen Redensarten, Abbruch thun,
leiden u. s. w., alles in Sätzen, die soviel als thunlich einen Inhalt
haben, z. B. aus classischen Schriftstellern, aber auch aus der Um-
gangssprache. So bringt man durch leichte Etymologie und Syno-
nymik und Association verwandter Vorstellungen wahrhaft fruchtbare
Elemente hinein , die das Lernen weniger mechanisch machen und für
das Memorieren unter allen Umständen feste Stützpunkte abgeben.
Pfizer: die philosopliische Propaedeutik auf den Gymnasien. 707
Man hat nun die Wahl, in dieser onomatischen Weise vom Deutschen
oder vom Englischen auszugclin, wiewohl der letztere Fall durch die
starke Versetzung des Englischen mit romanischen Elementen etwas
erschwert wird. Alle bis je(zt vorhandenen Lehr- und Uebungshücher
haben unsers Wifsens auf solche onomatische Behandlung noch viel zu
wenig oder gar nicht Rücksicht genommen, und doch scheint dies das
einzige zuverläfsige Mittel, (]en Schüler mit einer angemefsenen Wort-
und phraseologischen Copia auszurüsten und, so weit es hierdurch mit
geschehn kann, in den Sprachgeist einzuführen. — Inzwischen kann
man das oben besprochene Buch schon mit vielem Nutzen gebrauchen.
Beide Abschnitte desselben empfelilen sich ebenso sehr auch zum Ge-
brauch für deutsch lernende Engländer, die in die Eigenthümlichkeiten
deutscher Ausdrucksweise eingeführt sein wollen. Zu wünschen wäre
nur gewesen, die zweite Abtheilung im Buche wäre in einen mehr or-
ganischen Zusammenhang mit der ersten getreten, so etwa, dafs viele
oder die meisten Sätze der letztern dort ihre praktische Anwendung
und Einübung gefunden hätten.
E. B.
Kleinere auf Gymnasialpaedagogik bezügliche Schriften.
[Fortsetzung.]
Dem Unterrichte in der philosophischen Propaedeutik sind zwei
uns vorliegende Programmabhandlungen gewidmet, zuerst: Die philo-
sophische Propaedeutik auf den Gymnasien nebst einigen logischen
Aphorismen. Von Prof. Pfizer. (Stuttgart 1852. 51 S. 4). Die
Bedeutung dieser in vieler Hinsicht ganz vortrefflichen Schrift ist eine
doppelte, indem sie einmal die wichtigsten Gesetze der formalen Lo-
gik einer tief eingehenden Erörterung unterwirft, den Umfang ihrer
Wahrheit und die ihnen nothwendig zu gebende Fafsung darlegt und
also selbst ein Beitrag zum Ausbau dieser Wifsenschaft ist. Diese
Seite der Schrift zu würdigen überlafsen wir andern, sprechen aber
unsere volle und aufrichtige Anerkennung derselben aus. Uns be-
schäftigt zunächst nur die zweite Seite, die Erörterung der paeda-
gogischen Frage über die Beibehaltung der auf dem Titel genannten
Disciplin, deren Umfang und methodische Behandlung in den Gymna-
sien. Hier tritt uns — ohne dafs wir jedoch damit behaupten wollen,
es habe noch niemand das gleiche geäufsert — als neu die Ansicht
entgegen, dafs die formale Logik dem Gymnasium allein angehören und
hier zu einem völligen Abschlufs gebracht werden solle. Da Ref. eine
davon wesentlich verschiedene Ansicht geäufsert hat (s. Bd.L S.464. Bd.
LVI S. 323 f. Suppl. XVI S. 138 f.), so hält er sich für verpflichtet,
die von dem Hrn. Verf. vorgebrachten Gründe zu prüfen. Deren sind
— denn von den nur empfehlenden sehn wir ab — hauptsächlich zwei:
' 46*
708 Pfizer: die philosophische Propaedeutik auf den Gymnasien.
einmal dafs diese Wifsenschaft nur durch dialogische Behandlung ihre
Trockenheit verliere, wahrhaft fruchtbringend und in succum et san-
guinem vertiert werden könne, eine solche Behandlung aber von der
Universität fern bleiben miifse, sodann dafs die Aufgabe und Idee der
Gymnasien dies fordere, 'dieser Anstalten, welche ebenso auf for-
melle Geistesbildung, Erweckung und Schärfung hinzuarbeiten, wie
den Grund eines positiven , für das künftige Berufsstudium und für
das ganze Leben vorbereitenden und bleibenden Wifsens zu legen ha-
ben, welche dahin wirken sollen, dafs der jugendliche Geist ebenso
in dem festen Boden des gegebenen Wurzel schlage, als sich ins Licht
emporringe, ebenso auf den verschiedenen Gebieten des geistigen Le-
bens sich mit emsiger Beharrlichkeit anbaue, wie in rüstiger Wande-
rung aussichtsreiche Höhen erklimmend und die Blicke nach allen Sei-
ten hinrichtend sich zurecht finde und orientiere , ebenso an Selbst-
vertrauen und Sicherheit des Fortschreitens, einem immer klarer er-
kannten Ziele entgegen, wachse, als die bescheidene und doch nie
entmuthigende Ueberzeugung von des menschlichen Wifsens Mangel-
haftigkeit sich bewahre.' Bei allem dem wahren , welches der erste
Grund enthält, will er uns dennoch als ein solcher erscheinen, der
von der Mangelhaftigkeit eines Tragmittels die Verlegung der Last
nach einem andern Platze, nicht die Stärkung und Befestigung jenes
herleitet, nicht als ob wir uns anmafsten, eine Verbefserung der auf
den Universitäten üblichen Lehrmethode zu verlangen, um so weniger,
als wir wifsen, dafs auch dort vielfache Gelegenheit geboten ist, auf
andere Weise als durch das blofse Anhören und Durcharbeiten eines
Lehrvortrags in die Philosophie eingeführt zu werden, sondern, weil
die Zweckmäfsigkeit der für andere Gegenstände im Gymnasium ein-
geführten Methode doch nicht die Verlegung eines dahin nicht gehö-
rigen Gegenstandes in dasselbe zur Folge haben kann. Dieser Grund
kann demnach nur ein unterstützendes Gewicht haben, wenn der zweite
ein zwingender ist. Allein alles das schöne und gute, was der Hr.
Verf. von der Aufgabe des Gymnasiums sagt, gibt durchaus keine
scharf und fest bestimmte Grenze, ja man könnte mit jenen Sätzen
wohl noch andere Dinge, z. B. den Abschlufs des geschichtlichen Stu-
diums, in das Gymnasium herüberziehn. Wenn man die Aufgabe des
Gymnasiums in intellectueller Hinsicht , die Vorbereitung zum wifsen-
schaftlichen Studium zu geben, nicht anders verstehn kann als dafs
es seinen Zögling zu befähigen habe, sich jedes wifsenschaftlichen Ob-
jects ganz bemächtigen zu können, so hat es allerdings den Anschein,
als gehöre die Kenntnis der Gesetze und der Methoden des Denkens
als des Prüfsteins der Wahrheit und des Weges zu derselben zu ge-
langen, dahin; allein da, wie der Hr. Verf. selbst zugesteht, es mög-
lich ist, zur richtigen Uebung dessen, was die Logik lehrt, zu gelan-
gen, ohne diese selbst zu kennen, andererseits aber unmöglich die
Logik zu lernen , ohne dafs vorher der Geist durch vielfältige Uebung
erstarkt, so ist es an und für sich dem Principe des Gymnasiums nicht
widersprechend, wenn man die Logik auf die Universität verlegt.
Pfizer: die philosophisclie Propacdculik uiit' den Gymnasien. 700
Wollen wir nun auch dem Ciiuul.satze, dafs nur die llefäliigung znin
wifsrn.schaftlichen Studium, nicht die Vorbereitung und Grundlage, wel-
che die Wil'.senschaften von einer andern entlehnen, dem Gymnasium ange-
hört, nicht die Ausdehnung geben , dafs wir damit jedes, was nur die Form
eines wifsenschaftlichen Systems hat, wozu doch die formale Logik jedes-
falls gehört, als von vornherein für immer ausgeschlofsen ansehn, so ist
doch der äufsere Grund nicht zu übersehn, dafs zum Studium einer Wi-
fsenschaft ein anhaltenderes Verweilen und eine stetigere Sammlung er-
forderlich ist, als der Schüler auf dem Gymnasium, wo noch eine
Menge anderer verschiedenartiger Lehrgegenstände zu treiben ist, ge-
winnen kann. Sagt man, dafs dadurch der Uebergang zur Universität
vermittelt werde, so geben wir nicht viel darauf, weil es auch gewis
viel gutes hat , wenn der Jüngling ganz und gar frei in das sich vor
ihm zum erstenmal aufthuende Gebiet der Wifsenschaft eintritt. Damit
ist aber freilich die Sache nicht abgethan. Man kann uns vielleicht
einhalten, dafs, wenn man einmal zugestanden, wie Ref. an der zuletzt
angeführten Stelle gethan, es sei zum Abschlufse des Gymnasialunter-
richts eine Herausstellung und Zusammenordnung ('systematische'
wünschten wir dort weggelafsen zu haben) des bisher unbewust ge-
wonnenen wünschenswerth, weil dadurch der Besitz ein festerer und
sichrerer werde, der Schritt zu einem zusammenhangenden und ab-
schliefsenden Vortrage nicht mehr weit sei; allein wir erwidern, dafs
in jenem immer Grenzen gesteckt seien , welche die Wifsenschaft , die
sich über alle Gebiete des Geistes zu vei'breiten hat, nicht anerkennen
darf, dafs demnach mit jenem die eigentliche wifsenschaftliche Logik
auf der Universität erst gefordert werde. Auch wenn Avir zugestehn
müfsen, dafs in die Aufgabe des Gymnasiums die Forderung falle, das
geistige Vermögen an der Auffafsung einer philosophischen Behauptung
und eines philosophischen Gesetzes zu üben, und dafs sich dazu die
Gesetze der formalen Logik als die einfachsten am besten eignen, so
geben wir damit keineswegs die abschliefsende systematische Behand-
lung zu. Fafsen wir nun dies alles zusammen ins Auge und be-
rücksichtigen dabei vorzüglich die bedeutend ins Gewicht fallenden
änfsern Hindernisse (namentlich auch die grofse Vielheit der Lehrge-
genstände und die da, wo der Cursus der letzten Classe länger als
einjährig ist, aus dem verschiedenen Bildungsstand der Schüler her-
vorgehende Schwierigkeit, und dafs hier eigentlich ein zweimaliges
Durchmachen nur schwer vermeidlich ist), so scheint sich uns folgen-
des zu ergeben: es reicht für das Gymnasium aus, wenn einige der
wichtigsten Gesetze der Logik Erörterung finden und zwar, wie es
das Princip des Gymnasiums fordert, an thatsächlich gegebenem, po-
sitivem; es empfiehlt sich aber dazu ein doppelter Weg, entweder dafs
diese damit verknüpft werde, wo sich eine natürliche Gelegenheit dazu
findet, mit dem deutschen Unterrichte (auch wenn dieser in sprach-
licher Hinsicht nach dem, was Bd. LXVII S. 479 f. gesagt ist, eine
Veränderung erfahren sollte, werden dennoch die Correctur der Auf-
sätze und die dem ähnlichen Uebungen die Gelegenheit zu jener An-
710 Kiesel: de primis artis logicae praeceplis Piatone duce tradendis.
knüpfunff fort und fort bieten) , oder dafs sie als eine Uebung an einem
thatsächlich gegebenen Objecte vorgenommen werde. Für das letztere
gibt es wieder einen doppelten Weg, entweder den von Trendelenburg
in den Elementis log. Arist. eingeschlagenen oder die Verknüpfung mit
der Leetüre einer philosophischen Schrift des Alterthums. Das letztere
finden wir in die Praxis aufgenommen , z. B. am Obergymnasium in
Stuttgart, in dessen Lectionsplan wir für CI. X unter Griechisch
lesen: ' Piatos Phaedon mit logischen Erläuterungen und Excursen' und
unter philosophischer Propaedeutik: 'W. s. Griechisch; im S.
Psychologie nach Becks Leitfaden.' Rücksichtlich der Geschichte der
Philosophie nuifs Ref. ganz unbedingt an dem festhalten, was er
Suppl. Bd. XVI S. 139 gesagt hat, und auch Hr. Prof. Pfizer hat ihrer
mit keinem Worte in seiner Schrift gedacht, und was endlich die em-
pirische Psychologie anbelangt, so will es uns immer bedünken, als
mül'se das wichtigste aus derselben bereits bei der Leetüre der Alten
und beim deutschen Unterrichte in der für das Gymnasium ausrei-
chenden Weise bekannt werden und könne selbst eine Zusammenord-
nung desselben nicht viele Zeit in Anspruch nehmen. Da wir also
eine von der seinigen abweichende Ansicht aufgestellt haben , so sind
wir um so mehr Hrn. Prof. Pfizer die Anerkennung schuldig, dafs er
für die Beantwortung der erörterten Frage sehr wesentliches, für die
Behandlung der Logik selbst aber bedeutendes geleistet habe. Mit den
von uns eben vorgetragenen Ansichten in den Hauptsachen einver-
standen finden wir Hrn. Dir. Dr. K. Kiesel in der Abhandlung: De
primis artis logicae praeccptis Platonc duce tradendis (Düsseldorf
1831. 19 S. 4). Namentlich schliefst auch er die Psychologie und
Geschichte de: Philosophie aus und erkennt die Nothwendigkeit einer
Beschränkung in der Logik und die Einübung an gegebenen Objecten
an (fluic autem rei tum optime consuletur, quum non ita magna
praeceptorum copia , in quibus deligendis animorum condicionem re-
spexeris et eius usus, qui corum sit, rationem habueris, petitis ex re-
liqua iuvenili institutione excmpUs illustrabitur). Wenn er aber dafür
besondere Stunden verlangt, weil so der Unterricht selbst an Werth
und Tiefe gewinne und die vielseitige Behandlung und Anschauung
eines Objects (z. B. einer philosophischen Schrift des Alterthums)
nicht so oft unterbrochen werde, so ist die Differenz von den Ansich-
ten des Ref. nicht so grofs, da er bereits a. a. O. S. 140 die Räth-
lichkeit davon unter gegebenen Verhältnissen anerkannt hat. Der
Hauptinhalt der Schrift ist der Beweis , dafs sich die wichtigsten lo-
gischen Gesetze, welche sich in Trendelenburgs Elementis finden, ganz
zweckmäfsig aus Piatos Schriften erläutern lafsen und demnach der
Vortrag der Logik so einzurichten sei , dafs dadurch die Leetüre des
Plato und diese wiederum durch jene gefördert werde. Freilich scheint
dem Ref. dabei eine umfänglichere Leetüre des Plato vorausgesetzt
oder gefordert zu werden, als sie factisch an den meisten Gymnasien
geübt wird und auch wohl, da doch andere Litteraturzweige des Al-
thums Berücksichtigung finden müfsen, thunlich geübt wex'den kann.
Roth: Andeutung iK s. vv. u. Neuber: die Wertlieiiner MitlelHchnle. 71 I
Uebrigens verdient die Abhandlung auch als ein wichtiger Beitrag zur
Kenntnis der platonischen Philosophie und von deren Verhältnis zu
der des Aristoteles Beachtung.
In dein bereits erwähnten Stuttgarter Programm hat der trefdiche
Ilotli S. 52 — 58: Andeutung einiger Umstände, welche das Gedei-
hen des Schulunterrichts bei Knaben und Jünglingen aus den höhern
Ständen zu erschweren scheinen, gegeben und dabei nicht allein die
aus Verzärtelung, Verweichlichung, unchristlicher Weltlichkeit und
Standesvorurtheilen hervorgehenden Nachtheile, sondern auch die in
intellectueller Hinsicht so häufig begangenen, in ihren Folgen sich so
schwer rächenden Fehlgriffe anschaulich dargelegt. Besonders hat es
den Ref. gefreut, hier die leider! noch so weit verbreitete, aller ver-
nünftigen Ansicht von der Seele Hohn sprechende und die eigne Na-
tionalität herabwürdigende Unsitte, vom ersten Lallen an das Fran-
zösische zu lehren, ruhig und doch ganz entschieden in ihrer Schäd-
lichkeit nachgewiesen zu finden. Auch über die Handhabung der Dis-
ciplin in den Schulen finden sich für den aufmerksamen sehr beach-
tenswerthe Winke. Was Roth schreibt, bedarf nicht erst unseres Lobes,
aber Ref. hielt es für seine Pflicht seine Berufsgenofsen darauf auf-
merksam zu machen. Wollen wir das Gedeihen unseres Unterrichts
bei allen unsern Schülern, so sind wir auch verpflichtet, den Hinder-
nissen, welche demselben von aufsen bereitet werden, nach Kräften
entgegenzuarbeiten. Mögen Roths Worte vielen zum Antriebe und
Mittel dazu werden!
Wir erwähnen noch einige Beiträge zur Geschichte des Gymna-
sialwesens liefernde Schriften, zuerst C. A. Rüdiger: Zum Regula-
tiv für die Gelehrtenschulen im Königreich Sachsen. Ein litterar-
geschichtlicher Aufsatz (Beigabe zum Programm von Zwickau 1852.
31 S. 8), eine sehr fleifsige Zusammenstellung alles dessen, was der
genannten organisatorischen Verordnung vorausgegangen, was über
dieselbe geschrieben und später daran geändert und hinzugefügt wor-
den ist. Eingehende Beurtheilung und Würdigung lag nicht im Zwecke,
der aber, ein brauchbares Material dazu zu liefern, ist recht gut er-
reicht. — Ein langes treues Lehrerwirken verdient Darstellung nicht
nur für die Schüler, welche den Segen davon empfangen haben, zur
Erweckung eines treuen dankbaren Gedächtnisses, sondern auch für
weitere Kreise, namentlich für die Berufsgenofsen zur Kräftigung, Er-
munterung und Belehrung. Zugleich erscheint die Würdigung des Wir-
kens eines noch lebenden als das beste Mittel der Anerkennung. Damit
begrüfsen wir die Schrift: Die Wertheimer Mittelschule tinter der Lei-
tung von Dr. J. G. E. Föhlisch , welche dem genannten Veteran am
Tage seiner 50jähr. Lehrerthätigkeit, von der 43 Jahre der jetzt von
ihm geleiteten Anstalt gewidmet waren, Prof. Dr. F. A. Neuber, ein
Schüler und jetziger College, im Auftrage seiner Amtsgenofsen ge-
widmet hat (Wertheim 1852. 64 S. 8). Wir legen dabei nicht so-
wohl auf das viele interessante Werth , welches die äufsere Geschichte
der mit unendlichen äufsern Hindernissen ringenden Anstalt, die Ver-
712 'leulsch: Zur Geschichte des SchiirshLirger Gymnasiums.
zeichnIsse der Lehrer und Schüler bieten, als viehnehr auf die durch
und durch das Gepräge der Wahrheit an sich tragende Darstellung
des vom tiefsten Pflichtgefühl und lebendigster Begeisterung für den
Beruf getragenen, Energie mit kluger Vorsicht und Mäfsigung verbin-
denden, von den klarsten und richtigsten Ansichten geleiteten paeda-
gogischen und organisatorischen Wirkens. Niemand wird die Schrift
ohne Befriedigung und Förderung lesen. Zur Geschichie des Duis-
burger Gxjjmnasiums im 16. und 17. Jahrhundert hat Hr. Oberl. KÖh-
nen in den Programmen der genannten Anstalt von 1850 und 1851
(27 u. 28 S. 4) eine Abhandlung gegeben. Es gehörte ausdauernder
Fleifs und eindringender Scharfsinn dazu, um aus zum Theil sehr
dürftigen und zerstreuten Nachrichten eine nur einigermafsen zusam-
menhangende und anschauliche Darstellung von den Schicksalen der
Schule und den Männern, die an ihr gewirkt haben (wir heben G. Ca-
stritius, Joh. Molanus , Ts. Cramer hervor) zu bilden. Hrn. Köhnen ist
dies aber ganz trefflicii gelungen und seine Schrift sehr werthvoll für
die Geschichte der Gegend sowohl wie für die der Paedagogik und
Litteratur. Von dem Westen Deutschlands an die äufserste Grenze
der Verbreitung, welche das deutsche Element nach Osten gefunden,
versetzt uns das Programm von G. D. Teutsch: Zur Geschichte des
Schässburgcr Gifninasiums (1852. 32 S. 4). Behandelt werden die
ersten Anfänge des Schulwesens vor der Reformation und dann die
Geschichte des Gymnasiums bis 1677, beigegeben ist ein chronologi-
sches Verzeichnis der Rectoren und Lehrer. Die Arbeit zeigt von aus-
gedehnter und genauer Bekanutschaft mit der paedagogischen Littera
tur und der Geschichte des Schulwesens in Deutschland, von sehr
sorgfältiger und umsichtiger Benützung der Quellen, welche in Bü-
chern und den Archiven Siebenbürgens sich finden (davon hat der ge-
lehrte Hr. Verf. in seiner Geschichte der Sachsen in Siebenbürgen noch
mehr sprechende Beweise gegeben) und einer grofsen Geschicklichkeit
in klarer und ansprechender Darstellung. Sehr ergreifend ist der hier
empfangene Beweis davon , dafs sich die Deutschen Siebenbürgens un-
ter schweren Opfern doch mit ihrem Heimatlande in engster Verbin-
dung gehalten und dafs dessen geistiges Leben mit allen seinen Bewe-
gungen und Richtungen dort einen steten lebendigen Nachhall gefunden
hat. Möge das dortige deutsche Element, durch Oesterreichs Festig-
keit vom Untergange gerettet und des Segens, den dessen Regiment
verhelfst , theilhaftig, mit Gottes Hilfe kräftig und glücklich gedeihn !
Die Geschichten der Schulen stellen uns übrigens fast alle in leben-
digen Zügen vor Augen, wie tiefe Anerkennung von dem Werthe wah-
rer höherer Bildung unsere Vorfahren hegten und wie schwere und
grofse Anstrengungen sie machten, um ihren Kindern und Nachkom-
- men den Segen einer solchen zu schaffen. Dadurch aber ergeht an
uns die Mahnung, die Anstalten, zu denen sie mit so grofsen Opfern
den Grund gelegt, als das zu erhalten, was sie nach ihrem Willen
sein sollten, Pflanzstätten christlichen Glaubens und christlicher Zucht,
geistiger Tüchtigkeit und echter Wifsfnschaft. Ji. Dicisch.
Auszüge ans Zeitschriften. 713
Auszüge aus Zeitschriften.
Zeitschrift für das Gymnasialwescn hcrausf^egcbcn von W. J. C.
Mützcll. Sechster Jalirgang 1852. Novemberheft. Abhandlung.
Wer soll den Religionsunterricht an den Gymnasien ertheilen? von
Gottschick (S. 819 — 29: gelangt nach eingehender Prüfung des
Zweckes, welchen der Unterricht hat, nnd der zu dessen Erreichung
nothwendigen Bedingungen zu dem Resultate, dafs der Ordinarius den
Religionsunterricht zu ertheilen habe, wenn nicht besondere Gründe
dagegen sprechen ; für die obern Classen müfse einem besonders daza
befähigten Lehrer dann auch der Unterricht in der nächst höhern oder
tiefern Classe übertragen werden , er aber in dieser dann auch meh-
rere andere Lectionen zu ertheilen haben; die Bestimmung der Lehrer
sei dem Director zu überlafscn. Schüler verschiedener Confessionen
seien unter allen Verhältnissen ein Uebelstand , w obei aber Lutheraner
und Reformierte nicht als confessionell geschieden angenommen wer-
den). — Litterarische Berichte über Seyffert: das Privatstudium,
von Am eis (S. 830—41: neben trefflichen Erörterungen finde sich
manches übertriebene, einseitige, mafslose, ideologische). — Haacke:
Beiträge zu einer Neugestaltung der griech, Grammatik, von Schmidt
in Stettin (S. 841 — 49: sehr anerkennende Beurtheilung. Der Unter-
schied zwischen Activum und Passivnm wird erörtert und auch sonst
zu einzelnen Behauptungen Bemerkungen gegeben). — Göbel: grie-
chische Schulgrammatik, von Gottschick (S. 849 — 55: erkennt den
guten Willen und die Bescheidenheit des Verf. an und charakterisiert
nur die Eigenthümlichkeiten). — Lehmann: Goethes Sprache und
ihr Geist, von Kehrein (S. 855—27: als sehr lehrreich empfohlen).
— Mozart: deutsches Lesebuch für die untern Classen der Gymna-
sien. Ir Bd., von Niemeyer in Crefeld (S. 857 — 63: wird als eine
bedeutende und originelle Leistung anerkannt, aber der didaktische
Gesichtspunkt getadelt, da doch ein deutsches Lesebuch das jugend-
liche Geschlecht auf aesthetischem Wege erziehn solle). — Strack:
Charles de la Harpes französische Schulgrammatik, von Philipp (S.
863 f.: die Grammatik als praktisch für die obern Classen bezeichnet,
die Bearbeitung als auch für die untern Classen berechnet dem Prin-
cip jener widersprechend gefunden). — Brennecke und Wagler:
über die Erlernung der englischen Sprache, von de ms. (S. 865 — 67:
sehr empfohlen). — Fol sing: Lehrbuch für den elementaren Unter-
rich in der engl. Sprache. 6e A., von dems. (S. 867 f.: einzelne Män-
gel werden bei voller Anerkennung des ganzen gerügt). — Schott-
ky: englische Schulgrammatik, von dems. (S. 868—70: empfehlende
Anzeige). — Schmidt: Anthology of englisch prose and poetry und
Süpfle: englische Chrestomathie, von dems. (S. 871 f. : beide Werke
empfohlen). — Diezmann: dictionnaire supplementaire de la langue
fran^aise, von Barbieux (S. 872—76: bei erheblichen Ausstellungen
doch als nicht unnützlich empfohlen). — Sandmeier: Lehrbuch der
714 Auszüge aus Zeitschriften.
Naturkunde, von Wunschm a nn (S. 876—79: für Volksschulen und
Schullehrerseminarien bestens empfohlen). — Vermischte Nachrichten.
Ueber das erzieherische in Lings Gymnastik, von Roth stein (S.
880—86. Nachtrag zum 9. und 10. Heft: beschäftigt sich namentlich
mit der aesthetischen Gymnastik Lings und zeigt, in welchem Ver-
hältnisse sie zu der paedagogischen stehe). — Die Versammlung deut-
scher Realschulmänner in Kosen, 26. — 28 Sept. 1852, von E. Nie-
meyer (S. 886—88). — Aus Bayern (S. 889—91: Verzeichnis der
1850 — 52 an den bayerschen Gymnasien und Lyceen erschienenen Pro-
grammabhandlungen). — Berichtigung von Gymnasiallehrer Dr. K. W.
Piderit in Kassel (S. 891 — 93: gegen den im Junihefte enthaltenen
Aufsatz gerichtet, Entstellung von Thatsachen nachweisend). — Aus
Kurhessen. Verordnungen den evangel. Religionsunterricht betreffend
(S. 893 f.). — Personalnotizen. — Decemberheft. Abhandlungen.
Ueber den Unterricht im Lateinischen , besonders auf Real - und hö-
hern Bürgerschulen, von Langensiepen (S. 897 — 917: zeigt aus
dem Principe der Realschule: ' nichtgelehrte allgemeine höhere Bil-
dung", dafs sie das Latein nicht entbehren könne, weil ohne dieses
der Sprachsinn nicht entwickelt werden könne. Die aus der Erfah-
runtr dagegen vorgebrachten Gründe werden als nichts beweisend dar-
gestellt, weil sie nur Folge verkehrter und ungenügender Behandlung
seien. Um für das Lateinische ausreichenden Raum zu gewinnen (8,
8, 8, 7, 5, 4 Stunden in 6 Classen) wird Verminderung der deutschen,
französischen und englischen Stunden vorgeschlagen, und in den neuern
Sprachen das Sprechenlernen vom Ziele ausgeschlofsen). — Littera-
rische Berichte: Sophokles. Erklärt von Schneidewin. 2s — 4s
Bdchen, von Wolff (S. 918 — 25: das Verfahren des Herausgebers
darlegende und einzelne Bemerkungen und Ausstellungen vorbringende
Beurtheilung). — Söltl: Demosthenes , der Staatsmann und Redner,
von Capellmann (S. 926 — 31: zwar viel tadelnde, aber doch sehr
wohlwollende Beurtheilung). — Miscellen : über Schulgebetbücher,
von Funkhänel (S. 931—33: Älittheilungen aus einem Briefe von
Fritsche und Besprechung von Baltzers Schulgebeten). — Ver-
mischte Nachrichten: Die Spiefssche Turnweise, nach eigner Anschau-
ung dargestellt von Kawerau (S. 934 — 47: begeisterte ausführliche
Darstellung). — Duplik von A. Krause gegen A. W. Zumpt im
Juniheft (S. 948). — Nekrolog von K. L. Lorsch (S, 948).— Perso-
nalnotizen (S. 939 f.). — Siebenter Jahrgang 1853. Januar-
heft. Abhandlungen. Kallenbach: Zur Methodik des Religions-
unterrichts. Beurtheilung der Abhandlung von Weidemann über
den inductiven Religionsuntenücht (S. 1 — 38: die grofse Bedeutsam-
keit der vorgeschlagenen inductiven Methode wird in eingehender Be-
sprechung dargethan, wobei die ihr zu Grunde liegenden Ideen und
Principien Entwicklung und Ausführung finden. Manches wird er-
gänzt, gegen anderes Widerspruch erhoben). — Litterarische Berichte:
Programme der evangelischen Gymnasien der Provinz Schlesien. Ostern
1852 (S. 39 — 60: Personalnachrichten, Angaben über Lectionspläne und
Auszüge aus Zeitschriften. 715
Etats, kurze Relationen über Programinabhandlungen. Wir geben die
Titel der in unsern Jahrb. noch nicht erwähnten: Hänel: de epigram-
matis graeci historia. Spec. I. Bresl. Elisab. Geisler: über die
schriftstellerische Thätigkeit Thomas Abbts. Bresl. Friedrichs -Gym.
Brix: de Terenti libris maniiscriptis a Rieh. Bentleio adhibitis. Brieg.
Roller: recordationes scholae Griinensis. Glogau. Schnitze: ein
neugriechisches Beicht- und Conimunionbüchlein. Text und erklärende
Uebersetzung. Liegnitz. Kelch: Grundlage zur Kenntnis der Ortho-
pteren und Käfer Ober-Schlesiens. Ratibor. Brückner: de locis in
Isocratis ad Nicociem oratione propter ea, quae in oratione de anti-
dosi ex illa referuntur, falso suspectis. Schweidnitz). — Badische Pro-
gramme (S. 60—63). — Rüstow und Köchly: Geschichte des grie-
chischen Kriegswesens, von Wendt (S. 63—68: durch Darlegung des
Inhalts und des eigenthünilichen der allgemeinen Beachtung dringend
anempfehlende Anzeige). — Rost: griech.- deutsches Wörterbuch. 4.
unter Mitwirkung von Am eis und Muhlmann gänzlich umgearbei-
tete Aufl., von Schmidt in Stettin (S. 68 — 77: das Buch habe zwar
vor der frühern Auflage erhebliche Vorzüge, entspreche aber in Rück-
sicht auf Vollständigkeit und Genauigkeit den Anforderungen, welche
den Fortschritten der Lexikographie gemäfs auch an ein Schulwörter-
buch zu stellen seien, nicht völlig). — Friedreich: die Realien in
der Illade und Odyssee, von Albani (S. 77 f. : gelobt, aber beson-
ders die Incorrectheit des Druckes getadelt). — Stern: Grundrifs
einer Grammatik für römische Dichter, von Eich er t (S. 79 — 84:
Fleifs und Brauchbarkeit werden anerkannt, im einzelnen aber viele
Ausstellungen gemacht und manches wichtige gänzlich vermifst). —
W. Langbein: Militärische Uebungen für Schüler-Turnplätze, von
Kawerau (S. 84: empfohlen). — Miscellen: Zu Horatius, v. Funk-
hänel (S. 85—88: Od. I, 3, 9 wird die von Unger Theb. Farad, p.
446 gegebene Erklärung gebilligt; I, 6, 15 die Erwähnung des Merio-
nes dadurch motiviert gefunden, dafs ihn Homer unter den neun Hel-
den nennt, welche zum Zweikampf mit Hektor bereit sind, I, 12, 17
— 22 die Erwähnung der Pallas als der nächsten Göttin nach Juppiter
aus den Alten gerechtfertigt, dann die auch von Haupt gebilligte Ver-
bindung von proeliis audax mit Pallas, wie endlich die Meinung, dafs
die Ode eine Nachbildung der alten epischen Tischlieder sei , zurück-
gewiesen). — Zu Verg. Aen. III, 682—88, von Häckermann (S.
88 f. : es wird eine neue Interpunction der Stelle vorgeschlagen). —
Frage (S. 89: sollten nicht Scripta und Exercitia, sowie metrische
Uebungen in mittelhochdeutscher Sprache ebenso gut auf den höheren
Lehranstalten vorgenommen werden dürfen, als dies in andern Spra-
chen geschieht? von E. N[iemeyer] in C[refel]d). — Vermischte Nach-
richten. Aus Pommern (S. 90—104: Einweihung des Gymnasiums in
Greifenberg und die dabei von Dir. Dr. Campe gehaltene Rede: Das
Princip der protestantischen Schule. Die Durchdringung des Chri-
stenthums und der Sprachen wird als solches unter Rückblicken auf
das Wiedererwachen der Wifsenschaften in Italien und die Reforma-
716 Auszüge aus Zeilschriflen.
tion nachgewiesen). — Aus Kurhessen (S. 104 — 109: Mittheilung der
Verordnungen vom 23. Sept. 1834 die Prüfungen der Gymnasialiehr-
amtscandidaten und das Probejahr betreffend). — Statistische Nach-
richten aus Westphalen und Nachtrag zu S. 41 ff. (S. 109—112). —
Personalnotizen (S. 112). — P'' ebruarhef t. Abhandlungen, Die
lateinischen Glossarien zu Paris und Leyden nebst Proben aus den-
selben, von H ildebr and (S. 113—35: Darlegung des Inhalts, des
Werths und des Verhältnisses der Glossarien zu einander nebst Auf-
zählung und Kritik der zu Paris und Leyden befindlichen Codices, so
wie der bis jetzt erschienenen Ausgaben). — Zur Beurtheilung der
Trendelenburgischen Elementa logices Aristotelicae, von Schmidt in
Stettin (S. 135 — 43; Entgegnung auf Trendelenburgs Bemerkungen
1852 S. 784 flgde., etwas gereizt). — Litterarische Berichte: Ueber
die Programme der pommerschen Gymnasien im Jahre 1852, von Leh-
mann (S. 144 — 57: Besprechung des Inhalts von Wagner: über die
Erziehung des Willens. Anclam. Reden des Schulr. Wen dt und Dir.
Adler bei der Einführung ins Directorat. Cöslin. Klütz: Der Strand
von Bajae und Röder: Erinneining an Klütz. Neu-Stettin. Biese:
Gedächtnisrede zum Andenken an Hasen balg. Puttbus. Zober:
Zur Geschichte des Stralsunder Gymn. V, 2. Stralsund. Hassel-
bach: Das Jagenteufeische Collegium zu Stettin. Stettin). — Pro-
gramme aus der Provinz Brandenburg Mich. J8Jl und Ostern 1852,
von Planer (S. 157—64: Kirchhoff: Das gothische Runenalphabet.
Berlin, Joachimsthal. Ranke: De Xenophontis vita et scriptls.
Schellbach: Darstellung der neuen Theorie der Drehung der Kör-
per von Poins ot (Friedrich-Wilhelms-Gymnas.). Koppen: Einige
Worte über den Buddhismus (Dorotheenst. Realsch.). Weifsenborn:
Ein specieller Fall des Problems der drei Körper. Bartsch: Schil-
lers Glaube an die Unsterblichkeit der Seele (Königst. Realsch.).
B ollmann: Ueber das Kunstprincip in Lessings Laocoon und dessen
Begründung (Gr. Kloster). Gercke: Elementare Entwicklung der
Summenformeln der Reihe der gleichhohen Potenzen der natürlichen
Zahlen (Cöln. Realgymn.). Bauer: Metr. Uebersetzung von Scenen
aus Louis XI von Cas. Delavigne (Friedrich-Werdersch. Gymnas.).
Ranke: Vortrag über Sophokles (königl. Realsch.). Büchmann:
Ueber Wort- und Satzfügung im Neuschwedischen (Brandenburg)). —
Boltz und Franz: Handbuch der engl. Litteratur, von Philipp
(S. 164 — 66: aufs angelegentlichste empfohlen). — Gaspey: englische
Conversationsgrammatik, von dems. (S. 166 f.: ebenfalls empfohlen).
— Firnhaber: Materialien zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins
Lateinische. Is u. 2s Heft (recensiert von — n — in n. S. 167 — 73, dann
von J. Becker in Hadamar S. ] 74— 183: beide Recensionen gehen
von der Nothwendigkeit, dem lateinischen Unterricht in den Gymna-
sien wieder einen gröfsern Raum zu verschaffen und namentlich durch
Stilübungen in den Bau der Sprache einzuführen aus und empfehlen
das Buch dringend zu weiter Verbreitung und Benützung). — Fre-
quenztabellen über die höhern Leliranstalten der Provinzen Branden-
Auszüge aus ZeUschriflcn. 717
bur^;, Posen, Preiissen und Westphaleii. — Personalnotlzen. — März-
nnd April lieft. Abhandlunneu. Emmerich in Hildburj^liausen:
Ueber den evangelischen Religionsunterricht an Gymnasien (S. 193 —
204: nachdem der Hr. Verf. die grofse Verschiedenheit, welche in der
Organisation des Religionsunterrichts zwischen den Gymnasien Deutsch-
lands stattfindet, erwähnt und aus seinem (in diesen Jahrb. ßd. LXV
S. 325 erwähnten) Programm über den Religionsunterricht In den un-
tern Classen die wichtigsten Bemerkungen wiederholt hat, stellt er
für die obern die Nothwendigkeit einer mehr wifsenschaftiichen Be-
handlung auf und entwirft folgenden dann näher begründeten und er-
läuterten Plan: III: alttestamentllche i^ectüre, II: neutestamentllche
Leetüre, I: Glaubenslehre in Verbindung mit Sittenlehre, Kirchenge-
schichte und Leetüre des neutestamentlichen Urtextes). — Schmidt
in Stettin: Ueber Zutritt und Abfall des vi, über den singularischen
Nominativ der Neutren und den Accusativ der übrigen Nomlnen und
die Futuren und Aoristen (S. 204 — 25: Versuch darzulegen, wie viel
durch das Neugriechische für die Kenntnis des alten Griechischen ge-
wonnen werde). — Litterarische Berichte. Nachrichten über die Gym-
nasien der Provinz Preussen, vonMerleker (S. 226 — 35: Aufzählung
der von Mich. 1851 — Mich. 1852 erschienenen Programme und Aus-
züge aus den Schulnachrichten). — Programme der Provinz Posen
1851 — 52, von — n — in P. (S. 235 — 39: Anzeige folgender Abhand-
lungen: Krüger: über die Lehre von den Parallaxen (Bromberg),
OlaAvsky (s. NJahrb. LXIV S. 479), Enger: Zur Prosodik des Plau-
tus (Ostrowo), C, A. Müller: de Ammiano Marcellino, und Hey-
demann: Einige Andeutungen über die Realclassen an dem Friedrich-
Wilhelms-Gymnasium , besonders in Betreff des deutschen und latei-
nischen Unterrichts (Posen), Rymarkiewicz (s. unten), Klos-
sowski: De Glauco Potniensi (Trzemesno), Rodowicz: de quelle
fapon pourrait-on avantageusement modifier l'etude de la litterature
fran9aise dans nos Colleges? (Krotoschin), Kade: Die losen Verstei-
nerungen des Schanzenberges bei Meseritz). — Rymarkiewicz:
Ueber die Conjugation im Polnischen, von Bauer in Neifse (S. 240
— 42 : als mit grofsem Aufwände von Flelfs , Scharfsinn und Gelehr-
samkeit gearbeitet und für Sprachforschung wichtig geschildert). —
Döderleln: Vocabularium für den lateinischen Elementarunterricht
und Erläuterungen dazu, von Fr. Berger (S. 242 — 47: ganz aner-
kennende Anzeige. Der Rec. glaubt , dafs die Etymologie In noch
gröfserem Umfange berücksichtigt werden könne, und erhebt gegen meh-
rere von dem Verf. gegebene Ableitungen Bedenken und Einsi^iachen),
— Geographische Lehrbücher. Beitrag zur Methodik des geographi-
schen Unterrichts, von Campe (S. 148^ — 71: nach einem Rückblicke
auf die Entwicklung der Geographie als Wifsenschaft durch K. Ritter
und die Schicksale des Unterrichts in den Gymnasien, erklärt sich der
Hr. Verf. dafür, dafs eine Vereinigung und Verschmelzung des geogr.
und geschichtlichen Unterrichts noch nicht möglich sei, sondern ein
Nebeneinander stattfinden und der eine möglichst viel von dem andern
718 Auszüge aus Zeitschriften.
gewinnen niüfse. Dann stellt er die Geographie als den für Knaben
geeignetsten Boden dar, auf dem sich geschichtliche Kenntnisse auf-
bauen lafsen, und verweist diejenigen Stoffe der Geschichte, welche
Phantasie und Gemiith in Anspruch nehmen, an den deutschen, die-
jenigen, welche Gedächtnis erfordern, an den geographischen Unter-
richt, so dafs in VI und V, ja selbst in IV gar keine besondern Ge-
schichtsstunden stattfinden, sondern dergleichen erst in III eintreten.
Nachdem hierauf Kapp: Leitfaden beim ersten Schulunterrichte in der
Geschichte und Geographie. 6. Aufl. als den dargelegten Grundsätzen
ganz und gar nicht entsprechend bezeichnet ist, stellt der Verf. fol-
genden Lehrplan auf: Die Phantasie des Knaben schweift ins weite,
demnach beginne der Unterricht in VI mit einem Ueberblicke über die
ganze Erde, von den Meeren zu den Küsten und dann in das innere
der Länder fortgehend. Die Geschichte werde damit so verbunden,
dafs man die Entdeckungsreisen und den Befund derselben berück-
sichtige; im zweiten Semester bilde Europa das Pensum. In V werde
das Auge von dem einzelnen aufs ganze gerichtet , auf die Länder-
räume, die politische Geographie. Zum Chartenzeichnen wird Vogels
Netzatlas bestens empfohlen, und für den Unterricht trotz einzelner
Ausstellungen Bormann: Grundzüge der Erdbeschreibung mit beson-
derer Rücksicht auf Natur- und Völkerleben. In Quarta soll dann der
Unterricht mehr physisch sein, in Tertia aber in die Naturwlfsen-
schaft übergehn. Beurtheilt werden dann noch: Geographischer Leit-
faden. Von zwei Gymnasiallehrern. Coesfeld 1844, als erfahrene und
kundige Verfafser bekundend. Jüngst: der erste Cursus des Unter-
richts in der Geogr. 3e Aufl. als an sehr erheblichen Mängeln leidend,
Rave: Leitfaden zu einem methodischen Unterricht in der Geogr.,
als zu einer weiten Verbreitung dringend empfohlen, desgl. Hart-
mann: Leitfaden in zwei getrennten Cursen. Dommerich: Lehr-
buch der vergleichenden Erdkunde wird als einen naturkundigen Leh-
rer voraussetzend bezeichnet und trotz aller Trefflichkeit da nicht
brauchbar befunden, wo das geographische mehr auf seine Verbindung
mit dem geschichtlichen hingewiesen ist. Dringend werden schliefs-
lich E. V. Seydlitz: Leitfaden der Geographie, und Proben einer
Erdbeschreibung. Mit einer Einleitung von Schow, deutsch von
Sebald, empfohlen). — Neugriechische Schriften. Sophokles Oe-
conomus: IIsqI M^q-hov tov ktX. Athen 1849. Consta ntin Oe-
conomus: Hioovirrjg JtQOOKVvrjzrjs und Fgriyogiov zJsKciXoyog Trjg -/taror
XgiOTOv vofio&BGiag r/zot rrjg viccg Stcc&iiHTjg. Athen 1850 und 51 , von
Mull ach (S. 272 — 80: sämmtllche drei Schriften werden als tüchtige
und verdienstvolle Arbeiten gerühmt, bei der ersten aber besonders
die vernichtende Kritik der Fallmeray ersehen Hypothese hervorgeho-
ben. Rec. bringt manche selbstständige Bemerkungen). — HIrzel:
comparatio eorum, quae de imperatorlbus Galba et Othone relata le-
gimus ap. Tac. Plut. Sueton. Dion. Cass., von Schiller in Erlangen
(S. 280 — 91: ausführliche Beurthellung; vieles einzelne wird vervoll-
ständigt und berichtigt, und einige Stellen des Tacitus erklärt). —
Auszüge aus Zeitscliriflen. 719
Miscellen. Scliulgebete von Funkliäuel (S. 292—94: Mittheilung
dreier von Diaconus Kohl in Eisenach aus Stellen der heilif^en Schrift
zusammengestellter Schulgebete). — Wer soll den Religionsunterricht
an den Gymnasien ertheiien? Von Guttmann (S. 295 f. : bekämpft
die von Gottschick im Novemberheft des vorigen Jahrgangs aufge-
stellte Behauptung, dafs in confessionell gemischten Gymnasien ein
Uebelstand, welcher die gesunde und natürliche P^ntwicklung störe,
liege, mit dem Beispiele des Gymnasiums in Ratibor). — Zu Hora-
tius. Ep. I, 19, 35—40, von Funkhänel (S. 296-98: der Hr. Verf.
erklärt die Schmidtsche Erklärung für die einzig richtige). — Zu Ho-
ratius, von W. Rein (S. 299—301: zeigt, dafs an den beiden Stellen
Sat. I, 2, 16 und Ep. II, 1, 103 — 105 das Wort nomen keineswegs die
sonst ganz ungewöhnliche Bedeutung 'Schuldschein'', sondern 'Namen'
und 'Schuldposten' habe und dafs scriberc nicht mutuum sumcre, cJii-
rographo sc debitorem agnosccre bedeute). — Vermischte Nachrich-
ten. Aus Posen (S. 302 : das Bedürfnis einer neuen höhern Lehran-
anstalt in dieser Provinz wird statistisch gezeigt). — Die 13. Philolo-
genversammlung zu Göttingen, von Eckstein (S. 302 — 318). — F.
A. Wolfs Büste, von dems. (S. 318 f.: Quittung über Beiträge). —
Aus Hamburg (S. 319—23: Beschreibung des Jubilaeums von Director
Kraft). — Zur Kenntnis des Erziehungs- und Unterrichtswesens auf
den pommerschen Gymnasien, von Lehmann (S. 323 — 338: handelt
besonders von der Vertheilung der Unterrichtsstunden und führt den
Satz durch, dafs in der Hand der Ordinarien Religion, Geschichte, La-
teinisch, Griechisch und Deutsch vereinigt sein müsten). — Nekrologe
vonBaarts und Wilberg (S. 338—43). — Zur Kenntnis der preus-
sischen Gymnasien (Tabelle aus den Anlagen zum Staatshaushaltsetat
für 1853, woraus wir bemerken, dafs sämmtliche preussische Gymna-
sien 292458 Thlr. 6 Sgr. 2 Pf. aus Staatsfonds und 767291 Thlr.
11 Sgr. aus eigenen Fonds Einnahme haben). — Personalnotizen. —
Maiheft. Abhandlungen. Hollenberg: Ueber die Kritik des Thea-
ges (S. 353—63: eine Prüfung der bis jetzt für und gegen die Echt-
heit des Dialogs vorgebrachten Gründe. Die Unechtheit wird übri-
gens zugegeben , aber die bestimmt formulierten Angriffe als noch zu
schwach bewiesen). — Programme der katholischen Gymnasien Schle-
siens von Mich. 1851 und Mich. 1852, von Hoffmann in Neifse (S.
363 — 74). — Programme der Provinz Westphalen vom Jahre 1852, von
Kölscher (S. 374—77). — Thüringische Programme vom Jahre 1852
(Altenburg und Gera), von Hartmann (S. 377—79). — Eyth: Die
uralte Gegenwart und Sophokles König Oedipus , von J. M i n c k -
witz (S. 379 — 89: eingehende, aber die prosodischen Grundsätze des
Verf. gänzlich verwerfende Beurtheilung). — Minckwitz: Lehrbuch
der deutschen Prosodie und Metrik. 2e Aufl., von Z ei sing (S. 389 —
91: durchaus anerkennende, nur in wenigen Punkten abweichende Mei-
nungen äufsernde Recension). — Rochholz: deutsche Arbeitsent-
würfe, von Stern (S. 392 — 96, es wird in dem Buch vieles anregende,
geistreiche, manch interessanter Gesichtspunkt und ein ziemlich reich-
720 Auszüge aus Zeitschriften.
haltiges Repertoir von Beobachtungen und Hilfsquellen gefunden,
aber Ordnung, Plan, Verständlichkeit, Einfachheit der Darstellung
vermifst und viele Seltsamkeiten beklagt), — Stamm: Vorschule zum
Ulfila, von Kuhn (S. 397 f.: unter Niederlegung mehrerer Bemerkun-
gen bestens empfohlen). — Krüger: Des Horatius Satiren und Epi-
steln, von Tromp hell er (S. 398 — 404: eingehende Beurtheilung. Be-
sprochen werden Sat. I, 3, 4. 8, 38, 63, 69, 96. Bei aller Anerken-
nung wird doch ausgesprochen, dafs Kr. nicht genug geboten und der
Grund davon darin gefunden, dafs er von der Kunst des Dichters nicht
grofs genug denke). — Wex: Tacitus Agricola, von Hu de mann (S.
404 f. : nur einige wenige Ausstellungen, c. 27 wird duci se zu lesen
vorgeschlagen). — Eichert: Ovids Metamorphosen. Auswahl, P. Ovi-
dii Nasonis Metamorphoseon delectus und Horstig: Anthologie aus
lateinischen Dichtern, von Hart mann (S. 406—8: die Nothwendig-
keit solcher Anthologien wird anerkannt und sämmtliche drei Bücher
bestens empfohlen). — Stacke: Erzählungen aus der alten Geschichte,
von Kölscher (S. 408 f. : gelobt; zu einer zweiten Auflage werden
einige Bemerkungen gemacht). — Diester weg: Astronomische Geo-
graphie und populäre Himmelskunde, von Sadebeck (S. 409 — 11:
unter einzelnen Ausstellungen als ganz trefflich belobt). — Aus Sig-
maringen (S. 411 f. : Anzeige des Programms von Hedingen 1852). —
Aus Westphalen (S. 412: erster Jahresbericht der Realschule in Mün-
g^er). — Verordnung des k. hannoverschen Oberschulcollegiums und
Ministeriums vom 14. Febr. 1853 die Schulamtscandldatenprüfungen
betreffend (S. 413 — 24). — Miscellen. Ueber eine nothwendige Aende-
rung im preussischen Abiturienten-Reglement, von Schweminsky in
Posen (S. 424 — 26 : für die polnischen Schüler wird entweder Aus-
dehnung des Deutschen als Unterrichtssprache oder Beschränkung der
Prüfungsarbeit in demselben auf eine Uebersetzung gefordert). — Zu
Ammian. 23, 6 p. 293 Ern., von Hudemann (S. 427: die Aende-
rungsvorschläge werden alle als ganz unnötliig erklärt). — Zu Taci-
tus Agricola, von J. Mützell (S. 427: c. 1 At narraturo — tempora
wii'd erklärt, c. 3 securitatis res publica vorgeschlagen). — Statisti-
sche Nachrichten aus Westphalen über die Abiturientenprüfungen 1852,
von Hölscher (S. 428 f.). — Verordnung des k. sächs. Cultusmlni-
steriums vom 3. Juni 1852 die Bedingungen bei der Aufnahme in eine
der beiden Landesschulen rücksichtlich der Religion betreffend (S.
430). — Personalnotizen. D.
Feier des 21. April 1&53 in Rom.
Die diesjährige Festsitzung des archaeologischen Instituts zur
Feier des Geburtstags Roms ward mit einer Gedächtnisrede auf den
vor kurzem [s. oben S. 496] verstorbenen Vicepraesidenten, A. Kest-
ncr, von Dr. E. Braun eröffnet. Es waren die Verdienste um die
Feier des 21. April 1853 in Rom. 721
verschiedenen Zweige der Archaeologle, deren bei dieser Gelegenheit
vorzugsweise gedacht weiden muste: Verdienste die nach der Stellung
des verstorbenen mehr als in litterarischen Werken in der vielseitigen
persönlichen Anregung zu suchen sind, welche er auf den Kreis seiner
Freunde ausübte. So war er es, der auf die eigenthümlichen künst-
lerischen Verdienste der aegyptischen Monumente schon zu einer Zeit
hinwies, wo dieselben durch die hieroglyphischen Entdeckungen Cham-
pollions noch nicht die Aufmerksamkeit auch in gröfsern Kreisen auf
sich gezogen hatten. Schon damals entstand seine eigne Sammlung,
welche trotz ihrer Beschränkung auf kleinere Stücke für den genann-
ten Gesichtspunkt eine Reihe der schönsten Muster und Proben ent-
hält. An eine andere Abtheilung seiner Sammlungen, die der ge-
schnittenen Steine, knüpft sich die Erinnerung an die Verdienste, wel-
che er sich um diese ganze Denkmälerclasse erworben hat. Die gröfste
der bis jetzt vorhandenen Zusammenstellungen von Gemmenabdrücken,
die Cadessche, verdankt ihren wlfsenschaftlichen Werth den Bemühun-
gen und der Sorge, welche Kestner auf die Sichtung und Ordnung die-
ses zerstreuten und verwirrten Materials verwendet hat. Unter den
etruskischen Monumenten , deren massenhafte Entdeckungen gerade in
die Mitte seines römischen Lebens fielen, waren es aufser den kleinen
Bronzen und den Skarabaeen vorzugsweise die Wandgemälde, welche
seinen künstlerischen Sinn fefselten. Zusammen mit seinem langjäh-
rigen Freunde Stackeiberg, dessen vortreffliche Werke über griechi-
sche Kunstdenkmäler gleichfalls Kestners materieller Unterstützung viel
zu danken haben, war er bemüht die von Tag zu Tag mehr ver-
löschenden Züge dieser IMalereien der Nachwelt in getreuen Zeichnun-
gen zu bewahren. Leider sind dieselben, obwohl sie alle bekannte
Publicationen in Hinsicht auf Feinheit des künstlerischen Verständnisses
weit übertreffen , niemals ans Licht getreten. Das archaeologische In-
stitut endlich zählt Kestner zu seinen Gründern, ja es war in seinem
Hause, wo sich die Gesellschaft der ^Hyperboreer', aus der das In-
stitut hervorgegangen, zuerst bildete; seitdem, fast ein Vierteljahr-
hundert, hatte er nicht aufgehört für dasselbe als Vicepraesident thä-
tig zu wirken. In dieser Stellung folgt ihm jetzt der kön. preussische
Gesandte, Hr. von Usedom, welcher, an Dr. Brauns Vortrag an-
knüpfend, die Versammlung mit einer kurzen Antrittsrede bewill-
kommnete.
Dr. W. Henzen legte sodann das Fragment einer griechischen
Chronik in galvanoplastischen Nachbildungen vor, welches, bereits
vor zehn Jahren entdeckt und für das capitolinlsche Museum erwor-
ben , erst vor kurzem durch eine sehr ungenaue Publicatlon bekannt
gemacht worden war. Es gehört der Zeit seiner Abfafsung nach in
das dritte Jahr der Regierung des Tiberius; und wenn auch die An-
gaben welche es enthält schon beinahe durchgängig aus andern Quel-
len und übereinstimmend uns überliefert waren, so wird es doch wegen
jener Abfafsungszeit für eine Reihe anderer Denkmäler von Wichtig-
keit, z. B. die sogenannte Tabula Iliaca, das albanische Relief mit
IV. Jahrb. f. Phil. u. Paed. Bd. LXVII, Hft. 6. 47
722 Schul- und Personalnachrichten,
der Apotheose des Hercules u. a., indem es sich nach dem Material,
dem Stil, der B''orm der Inschriften herausstellt, dafs diese sämmtlich
einem einzigen gröfsern mythologisch -historischen Bildercyclus au-
gehören.
Den Schlufs bildete ein Vortrag des Dr. H. Brunn über drei Sar-
kophage , welche vor kurzem an der Strafse von Civitavecchia nach
Livorno bei der Dogana del Chiavone, der toskanischen Grenzstation,
entdeckt Avorden sind. Der erste ist eine ziemlich genaue Wiederho-
lung des berühmten Sarkophags im Dom von Girgenti, auf dem wir
bisher die umfafsendste Darstellung des Mythus der Phaedra und des
Hippolytos besafsen, und steht diesem höchstens in Hinsicht der Er-
iialtung einigermafsen, sonst aber in keiner andern Beziehung nach.
Auch der zweite ist als Sarkophag von vortrefflicher Arbeit und in
der einen Hälfte seiner Darstellung, welche gleichfalls auf Hippolytos
gedeutet wurde, durchaus neu. Ebenso weicht der dritte, von gerin-
germ Kunstwerth aber vollkommener Erhaltung, den Streit des Apol-
lon mit Marsyas und die Bestrafung des letztern darstellend, in der
Auffafsung der Hauptscene von den bisher bekannten Kunstwerken be-
deutend ab; so dafs dieser Fund gewis den wichtigsten Entdeckungen
der letzten Jahre auf dem Felde der römischen Sculptur zugezählt wer-
den darf. (Augsburger Allgemeine Zeitung.)
Schul- und Personalnachrichten, statistische und andere
Mittheilungen.
Aachen. Am Gymnasium ist der katholische Geistliche L. Spiel-
mann als Religionslehrer angestellt worden.
Agram. Der bisherige provisorische Director am Gymnasium Jo s.
Premrn ist zum wirklichen Director dieser Lehranstalt befördert
worden.
Athen. Der Professor der Mathematik und deutschen Sprache
am Gymnasium zuPatras, Baron von Streit, wurde hierher als Pro-
fessor der deutschen Sprache und Litteratur versetzt.
Bautzen. Seit Ostern dieses Jahres ist am dasigen Gymnasium
Unterricht in der wendischen Sprache eingeführt, welcher vom Re-
dacteur Schmaler ertheilt wird. Von 32 Wenden, welche das Gym-
nasium besuchen, nehmen 29 und aufserdem 7 deutsche Schüler an
demselben Theil.
Böhmisch-Leippa. Das Lehrerpersonal des k. k. Obergymnasiums
bestand am Schlufs des Schuljahres 18 J2 aus dem Dir. K. Posselt, den
Lehrern B. Ansorge, P. Hackel, C. Johne, R. Frank, E.
Plaschke, E. Hamaczek, A. Weingärtner, den Supplenten
M. Krupsky (Augustinerordenspriester für den der Erholung bedürf-
tigen Prof. Gr. Reicho beim Beginne des Schulj. eingetreten) und
Dr. med. K. Watzel, den Nebenlehrern Dr. med. W. Foges, L.
Martin und Gittel. Die Schülerzahl belief sich auf 155 (VIII: 14,
VTI: 10, VI: 17, V: 13, IV: 23, HI: 30, II: 24, I: 24). Im Schulj.
1851 wurden 6, im folgenden 14 bei der Maturitätsprüfung für reif
statistische und andere Mittheilungen. 723
erklärt. Die Uebernainne zweier Clas.sen auf das Aerar .stand in Au.^-
Sicht. Abhandlung: C. Johne: lieber unser Studienwesen neuester
Zeit (,2-i S. h).
BuESL.vi. Das Coileiiluni des dasi^en katholisrhen Gyninasiunis
bestand, nachdem der Lehrer der Mathematik und Physik Dr. Sond-
haufs als Dlrector der städtischen Realschule nach Neilse versetzt,
der Oberlehrer Rotter am 26. Decbr. ]MJ1 und der Sclireiblehrer
Haucke am '26. Jul. IHo'l {gestorben, endlich der Schulamtsrandidat
Brilka an die Realschule in Neilse berufen worden war, Mich. I85"2
aus dem Dir. Dr. Wissowa, Prof. Krömer, den Oberlehrern
Janske, Winkler, Kabath, Dr. Pohl, den Gymnasiallehrern
Idzikowski, Di tt rieh. Kühn, Runkel, Dr. liaucke, Dr. K u-
schel, Dr. Schedler (von Leobschütz hierher versetzt), CoUabor.
Ullbrich, Prof. Dr. .Schmölders, Sprachlehrer Scholz, den
Schulamtscandidaten Puls, Mohr, Häfjele, Mi hat seh, Kleiber,
Zeichenl. Prof. Schall, Singlehrer Schröer. Die Schiilerzahl be-
trug 67-t. Abiturienten Ostern 1ÖJ2 7, ^Michaelis 28. Abhandlung im
Programm: Krömer: Jlesiodi quae fvruntur Thcogoniu et upera in-
ier se coniparata (10 S. 4). — Am Friedrichs -Gymnasium ist der
Candidat C. E. A. Anderfsen als ordentlicher Lehrer, der Prediger
an der Hofkirche G. F. Tusche als ordentlicher Religionslehrer an-
gestellt worden.
BuLNN. Der Supplent am k. k. Gymnasium H. Schreyer ist
nach Iglau, an seine Stelle von dort der Lehrer Steph. Wolf ver-
setzt worden.
CüsFELP. Das Gymnasium zählte Mich. 1852 ]3I Schüler (P: 20,
P: 12, IP: 17, IT": 9, HP: 16, IIP: 13, IV: 12, V: 18, VI: 14)
und hatte im Jahre vorher 17 Abiturienten entlafsen. Programmab-
handlung: Rump: Trif^onomctrisckc Außösungen für eine bestimmte
Classe von Dreiecksaiif gaben.
Danzio. Das LehrercoUeglum des Gymnasiums bestand Ostern
1853 aus dem Dir. Engel hardt, den Professoren Herbst, Anger,
Hirsch, iMarquardt, den ordentl. Lehrern Czwalina, Brand-
stätter, Hintz, Skusa, den aufserordentl. Lehrern Dr. Röper,
Prediger Blech, Professor ISIichalski, Hilfslehrer Dr. Strehlke
(neu angestellt wegen der Theilung von Secunda und Quarta), Zei-
chenlehrer Breysig, Schreiblehrer Fisch, Musiklehrer Markull,
Elementarl. Wilde und den Schulamtscand. Förstemann, Stein,
Hintz II und Dr. Botzon. Die Schülerzahl betrug 520 (I: 30,
IP: 27, IP: 50, IIP: 57, IIP: 49, IV^ : 48, IV' : 76, V: 63, VI: 70,
VII: 50). Zur Universität wurden 16 entlafsen. Dem Programm geht
voraus: Engelhardt: De pcriodorum Platonicarum struetura. Dis-
scrt. I (36 S. 4).
Dresden. Aus dem Lehrercollegium des VItzthumschen Geschlechts-
gymnasiums und der Blochmann-Bezzenbergerschen Gymnasialerziehungs-
anstalt schied mit dem Schlufs des Winterhalbjahrs 1852 — 53 Dr. Th.
H. Langgut h aus, um eine ordentliche Lehrerstelle an dem Gymna-
sium zu Zeitz zu übernehmen. Es traten dagegen ein Dr. Paul Grau-
toff aus Lübeck und Dr. Hermann K r i pp e n dorf aus Dresden.
Emden. Nachdem aus dem Lehrercollegium des Gymnasiums
Ostern 1852 der Rector Dr. Krüger wegen seiner Ernennung zum
Oberscbulinspector beim Consistorium zu Aurich und Ostern 1853 der
Praeceptor Lüpkes, um die Lehrerstelle in Oldersum anzutreten,
ausgeschieden waren, bestand dasselbe aus dem Dir. Dr. Schwe-
ckendieck, Oberlehrer Dr. Prestel, Rector Dr. Regel (vorher
Conrector am Gymn. zu Celle, an Krügers Stelle berufen), Oberlehrer
Bleske, Subrector Dr. Metger, den Collaboratoren Dr. Tejie.
47*
724 Schul- und Persorialnachrichteii,
Schlüter und Dr. Wiarda, Musiklehrer Storme und Lehrer
Warnke. Im Schuljahre 1851 — 52 hielt der Schulamtscandidat A.
Meyer, im folgenden der Schulamtscandidat Dr. Bleske sein Pro-
bejahr ab. Die Schülerzahl betrug :
I
11
III
IV
V
VI
Sa.
Sommer
1851:
11
9
25
34
46
37
162
Winter
1851:
8
11
28
30
44
35
156
Januar
1852:
8
12
28
30
44
33
155
Januar
1853:
7
13
27
30
40
13
130
Abiturienten im Sommer 1851 3, im Winter 1, Sommer 1852 4, im
Winter 2. Abhandlungen in den Programmen: Ostern 1852: Metger:
Beiträge zur Gymnusialpaedagogik I (20 S. 4), Ostern 1853: Schlü-
ter: Rückblick auf die Geschichte der französischen Gesetzgebung
über den höheren Unterricht (24 S. 4).
Feldkiuch. Der Supplent am k. k. Gymnasium Weltpriester Ad.
Wildgrub er ist zum wirklichen Gymnasiallehrer befördert worden.
P'rainkfurt a. M. Der Rector des Gymnasiums Dr. Vömel tritt
nach "vierzigjähriger Amtsverwaltung in den Ruhestand.
Genf. Dr. Carl Vogt ist zum ordentlichen Professor der Geo-
logie an der dortigen Akademie ernannt.
Gera. An die Stelle des verstorbenen Cantors und Musikdi-
rectors Siebeck war am Rutheneum Fr. W. Tschirch von Lieg-
nitz berufen worden. Ostern 1852 zählte das Gymn. 197 Schüler
(I: 15, II: 16, III: 34, IV: 42. Prog. I: 50, II: 50); Abiturienten
Mich. 1851: 2, Ostern 1852: 4. Programmabhandlungen: Zum Hein-
richstage 1852: Züger: lieber religiöse Erziehung (16 S. 4), zum
Schüfslerschen Gedacht nistage (6. Decbr. 1852): Herzog: Commen-
tariorum particula XXIH, quae brevem exhibet disputationein de La-
tine vetcres scriptores interpretandi consuetudi?ie non temere intcrmit-
tenda (8 S. 4). Neujahr 1853: Mayer: Euripides, Racine und Goe-
the. Ein Beitrag zur Geschichte der tragischen Kunst. Dritte Ab-
theilung (s. Bd. LXV S. 419 f.).
Glatz. Das dasige katholische Gymnasium war Michaelis 1852
von 318 Schülern besucht und entliefs J5 zur Universität. Abhand-
lung im Programm: Schober: lieber Gefühlsbildung auf Gymnasien
(14 S. 4).
Gleiwitz. Das (katholische) Gymnasium war in dem Mich. 1852
vollendeten Schuljahre von 578 Schülern besucht (358 kath., 96 evang.,
124 jüd.) und entliefs 17 zur Universität. Abhandlung im Programm :
Spiller: Kritische Behandlung des korinthischen Krieges (29 S. 4).
Glogau. Nachdem am katholischen Gymnasium die durch den
Tod des Oberlehrer Prof. Seidel erledigte Stelle durch Ascension be-
setzt war, bildeten Mich. 1852 das Lehrercollegium Director Dr.
Wentzel, die Oberlehrer Uhdo Ip h, Dr. Müller, Ei ebner, Emm-
rich, die Gymnasiallehrer Padrock nnd v. Raczeck, der Colla-
borator Wahner, Candidat Schütze, Gesauglehrer Battig, Turn-
lehrer Haase. Die Schülerzahl betrug 339. Ostern 1852 wurde 1,
Michaelis 19 zur Universität entlafsen. Abhandlung: Eich n er: Ob-
servationcs criticac in Apollonii Rhodii Argonautica. — Das Lehrer-
collegium des kön. evang. Gymn. bestand Ostern J853 aus dem Di-
rectoratsverw. Pror. Dr. Petermann, Prof. Dr. Roller, den or-
dentlichen Lehrern Stridde, Lucas, Beifsert, Hey er, den Hilfs-
lehrern Frafs, Scholtz, Dr. Munk und Haase. Schülerzahl 220
(I: 29, II: 31, Ilf: 45, IV: 49, V: 43, VI: 23). Abiturienten 11. Im
Programm ist enthalten: A. Hey er: Uebersicht der urweltlichcn
l'flanzenreste aus den verschiedenen Entwicklungsepochen der Erde
slatislisclii; und aiideie iMiltlicilungen. 725
nebst Folgerungen über die wahrscheinliche Entstehung der Kohlen
(12 S. 4).
Gotha. Von dem Gymnasium illustre schied Ostern 185^ der
Lehrer der französischen Sprache Hofrath J. H. Milien et und
ward an seiner Stelle provisorisch und zunächst auf ein Jahr der vor-
herige Lehrer an der Erziehungsanstalt zu Schnepfenthal R. A. A.
Heiniz angestellt. Der Superintendent Dr. Petersen übernahm
mit seiner Ernennung zum Oberconsistorialrath und Generalsuperin-
tendenten den bisher freiwillig ertheilten Religionsunterricht in den
beiden obersten Classen als amtliche Obliegenheit. Die Schülerzahl
betrug Ostern 1853: 148 (Sei.: 13, I: 18, 11: 33, III: 43. IV: 21,
V: 20). Zur Universität giengen Ostern 1852 8, Mich. 3. Das Pro-
gramm enthält: De nominum quantitate partic. IL Scr. Dr. Fr. Ber-
ger (24 S. 4).
GiiEiFBENBEUG. Der Schulamtscandldat A. O. Dietrich ist als
Lehrer am Gymnasium angestellt worden.
Halberstadt. Nach dem Ausscheiden des Professor Dr. Jordan
(s. Salzwedel oben S. 493) sind die Lehrer Dr. Bor mann, Dr.
Hincke, Rehdantz, Ohlendorf, Dr. Hense, Dr. Rinne in
die beziehentlich höheren Stellen, der Hilfslehrer Dr. Wolters-
dorff I in die achte ordentliche Lehrerstelle aufgerückt, als Hilfs-
lehrer aber Dr. Woltersdorff II von der lateinischen Schule in
Halle berufen worden.
Hamm. (S. Bd. LXV S. 113 und 337.) Das Gymnasium zählte Mi-
chaelis 1852 102 Schüler. Programmabhandlung: Rempel: Kritische
und exegetische Nachlese zu Sophokles^ Antigone (12 S. 4).
Hannover. Am Lyceum wurde Ostern 1850 wegen Vermehrung
der Classenzahl auf 9 der Collaborator Ebeling neu angestellt. Die
Schülerzahl war;
P P IP II'' IIP IIP IV V VI Sa.
nach Neujahr 1852 12 14 12 23 23 18 24 32 25 183.
nach Ostern 1852 16 10 20 23 18 21 33 42 18 201.
nach Neujahr 1853 13 10 18 23 14 21 26 41 20 186.
Zur Universität wurden entlafsen Ostern 1852: 9, Mich. 3. Das Pro-
gramm enthält von dem Director Dr. H. L. Ahrens: Simonidis lamen-
tatio Danaae cmendata (27 S. 8).
Heidelberg. Nach Gmelins Tode ist der aufserordentliche Prof.
Dr. Delffs zum ordentlichen Prof. der Chemie ernannt worden.
Helmstedt. Eine Veränderung im Lehrercollegium des dasigen
Gymnasiums kam im Laufe des Schuljahres Ostern 1852 — 53 nicht
vor; Candidat Verdens leistete bisweilen freiwillige Aushilfe. Die
Schülerzahl betrug 56, darunter 21 auswärtige (1: 5, II: 19, III: 14,
IV: 18); zur Universität wurde ein Primaner entlafsen. Das diesjäh-
rige Programm enthält folgende Abhandlung: Excerptorum ex C. Plini
Secundi natur. hist. libro XXXV pari. lU. Germanico sermonc inter-
pretatus est et commentario crit. et excget. instruxit I. Chr. Elster,
Phil. Dr. et Gymn. Conrector (19 S. 4). Ueber die part. I dieser
Abhandlung s. oben S. 81 ff.; die part. II erschien Ostern 1852 gleich-
falls als Programm (24 S. 4).
Hildburghause.n. Das hiesige Gymnasium war Ostern 1853 von
71 Schülern (I: 12, II: 8, III: 8, IV: 10, V: 16, VI: 17) besucht und
entliefs 8 zur Universität. Das Programm enthält: E. Ritt weg er:
Die philosophische Propacdeutik und der deutsche Unterricht in den
oberen Classen des Gymnasiums (20 S. 4) und Stürenburg: Der
englische Privatunterricht auf dem hiesigen Gymnasium (1 S.).
Hirschberg. Am Gymnasium ist der Schulamtscandldat P. Scholz
als College bestätigt worden.
726 Schul- und Personalnachrichten,
Leer. An dem dasigeu Progymnasium ist der frühere Lehrer an
der Domschule zu Schleswig, Dr. C. E. Hudemann, zeither in Kiel,
als Conrector angestellt worden.
Leobschütz (s. Bd. LXV S. 227). An die Stelle des versetzten
Collaborator Dr. Schedler (s. Breslau) wurde Dr. Wissowa am
Gymnasium angestellt. Die Schülerzahl war 324 und zur Universität
wurden 11 entlafsen. Das zur 100jährigen Jubelfeier am 29. Septbr.
1852 erschienene Einladungsprogramm enthält: Welz: Adnotationcs
criticae in quosdcim locos Livianos, Schramm und Fiedler: Ther-
mometer- und Barometer - lieobachtungcn von 1805 — 51, Kruhl: Hi-
storisch-statistische Nachrichten über die Gründung und Erweiterung
des Gymnasiums (zusammen 56 S. 4).
Marien WERDER (s. Bd. LXV S. 115). Am 12. Septbr. v. J. starb,
wie bereits oben S. 605 gemeldet , der Oberlehrer am kön. Gymna-
sium E. A. Ph. Baarts, 45 J. alt. Der Schuiamtscandidat Fabri-
cius war im Oct. 1851 an das Gymnasium zu Tilsit, der Hilfslehrer
Flemming Ostern 1852 an das FriedrichscoUegium zu Königsberg
zu commissarischer Thätigkeit gesandt worden. Die Schülerzahl be-
trug am Schlufs des Schuljahres 1851 — 52: 280 (darunter 92 auswär-
tige), nemlichinl: 15, II: 40, IIT: 56, IV: 54, V: 65, VI: 50. Ostern
1852 waren 8 Primaner zur Universität entlafsen worden. Die Ab-
handlung im Michaelisprogramm 1852 vom Prorector Dr. Gützlaff:
über das Auflösen planimctrischer Aufgaben (20 S. 4 mit einer Fi-
gurentafel).
Minpen. Aufser den Bd. LXV S. 439 mitgetheilten Veränderun-
gen sind zu bemerken: der Tod des Religionslehrer Pfarrer Hanne-
mann und der Abgang der Oberlehrer Bruch und Dr. Bromig (an
die Realschule zu Düsseldorf) und des Candidaten Paulsieck (nach
Hamm), so wie die Anstellungen des Hilfslehrers Henermann und
Candidaten Dr. Selfs. Schülerzahl Mich. 1852: 220. Abit. 1.
München. Am 21. März d. J. feierte Hofrath und Professor G.
H. von Schubert sein 50jähriges Doctorjubilaeum, bei welcher Ge-
legenheit er aufser andern Ehrenbezeugungen von der theologischen
Facultät in Erlangen zum Doctor theologiae creiert wurde. Neuer-
dings ist derselbe unter Ernennung zum Geheimen Rath in den ge-
wünschten Ruhestand versetzt. — Der aufserordentliche Professor
Dr. Max Pettenkofer ist zum ordentlichen Professor für organi-
sche Chemie in der medicinischen Facultät der Universität ernannt.
MÜNSTER. Aufser dem oben S. 125 berichteten Abgang des Di-
rectors am kön. Gymnasium ist noch der Tod des Oberlehrer S le-
rn ers und der Abgang des Candidaten Dr. Schür mann nach Arns-
berg zu berichten. Neu angestellt wurden als 9. ordentl. Lehrer Dr.
Schürmann (vorher in Paderborn) und Candidat Dr. Wer necke.
Schülerzahl Mich. 1852: 672, Abiturienten 44. Programmabhandlung:
Hesker: De elucubrando libro religionis superiorlbus gymtiasiorum
classibus accommodando (17 S. 4). = Die Tndices lectt. der Academie
enthielten Winter 1851: Rospatt: Uidcrkgung von J'hilipps Be-
hauptung von der Wahl des Honigs im Mcrovingcrgeschlecht. Ostern
1852: Esser: Leben von Chr. Gudermann, Mich. 1852: Derselbe:
heben von W. Grauert.
Neisse. Das (katholische) Gymnasium hatte Mich. 1852 folgende
Lehrer: Director Dr. Zastra, die Oberlehrer Kö hnh o rn, Dr. Hoff-
mann, Kastner, Otto (s. Bd. LXV S. 439), die Gymnasiallehrer
Schmidt, Seemann, Gotschlich, Dr. Teuber, Collaborator
Steinmetz, Candidat Wutke (vorher in Sagan), Gesanglehrer
Jung, Zeichen- und Schreiblehrer Barthelmann, Turnlehrer Han-
statistisrilo und andere Milllieilungen. 727
ser. Die Zahl der Schüler hctrn<; 45[; Abitiiriciitoii Mich. 1851 17,
1852: 22. Al)liaiuilnn<; im I'rogranim: Kästner: JJiplomata A/sscn-
sia anüquiora (iW S. 4).
NoitiiHAUSEN. Nachdem Ostern 1852 der Conrector Professor Dr.
E. G. Förstemann mit Pension aus seinem Amte entlafsen nnd die
Stelle durch Ascension und resp. neue Anstellung besetzt worden war,
bestand das Lehreicolle{;ium des Gymnasiums aus dem Director Dr.
Schirlitz, Conr. Dr. Th ei fs, Oberlehrer Dr. Roth mal er, Gym-
nasiallehrer Nitzsche, Oberlelner Dr. Haacke, Gymnasiallehrer
Dr. W ei Csen bor n , Mathem. Dr. Kosack, Gymnasiallehrer Di hie
(neu als ordentl. Lehrer aufgestellt), Musikdirector Sorge 1, Schreib-
und Zeichenlehrer De icke, Klementarlehrer Dippe. Der Cand. Dr.
K. W. A. H. Hinze, welcher sein Probejahr begonnen hatte, ward
imOctbr. nach Zeitz zur Aushilfe berufen. Schülerzahl Ostern 1853:
237 (I: 17, IP: 15, II": 32, III: 29, IV: 48, V: 48, VI: 48). Abi-
turienten wurden entlafsen 6. Das Programm enthält vom Director:
Rede bei der zum Andenken an die oOjü/irinc Vercinig;ung Nordhau-
sens mit dem preussischeyi Staate veranstalteten Jubelfeier (8 S. 4).
Oppeln. Die Lehrer des von 329 Schülern besuchten Gymna-
siums (8 Abiturienten) waren Mich. 1852 der Director Dr. Stinner,
die Oberlehrer Ochmann, Dr. Kayfsler, Peschke, die Gymna-
siallehrer Dr. Wagner, Hufs, Hab 1er, Dr. Wink 1er, Collabora-
tor Dr. Res 1er, Cand. Weber, Licentiat Swientek, Zeichen- und
Schreiblehrer Buffa, Gesanglehrer Kothe, Turnlehrer Hilscher.
Das Programm enthält: Wink 1er: Ecclcsia Hispana Romanorum,
Gothorum et Arabum temporibus (14 S. 4).
Pakerboun. Im Schuljahre Mich. 1851 — 52 schieden aus dem
Lehrercollegiuni des Gymnasiums Oberlehrer Dr. Top hoff (in glei-
cher Eigenschaft nach Pilsen), Cand. Seck (als Hilfslehi-er ebendahin)
und Gymnasiallehrer Dr. Seh ür mann (s. Münster). Definitiv ward
der provisorische Lehrer J. Schüth und neu Gymnasiallehrer Dr.
Otto von Brilon angestellt. Aufserdem trat Candidat G. Humper-
dieck ein. Schülerzahl 538, Abiturienten: 41. Programmabhand-
lung: Schwubbe: P. Virgilius per medium aetatem' gratia et aucto-
ritate ßorentissimus (22 S. 4).
Quedlinburg. Der Hilfslehrer am Gymnasium F. W. Schulze
ist als ordentlicher Lehrer eingerückt.
Recklinghausen. Am Gymnasium waren im Schulj. Mich. 1851
— 52 der Hilfslehrer B. Strothmann als ordentlicher Lehrer, der
Candidat Ed. de Vos als Hilfslehrer angestellt worden und Candidat
Altendorf eingetreten. Schülerzahl: 140, Abiturienten 20. Pro-
grammabhandlung: Nieberding: lieber Göthes Fischer und Schil-
lers Alpenjäger , so ivie über Folkspocsie im allgemeinen (22 S. 4).
Rostock. Der ordentliche Professor des römischen Rechts , Con-
sistorialrath Dr. B. W. Leist Ist In gleicher Eigenschaft an die Uni-
versität Jena, an seine Stelle Professor Dr. H. A. Schwanert aus
Prag berufen worden.
Sagan. Das Lehrercolieglum des Gymnasiums war Mich. 1852 ge-
bildet aus dem Director Dr. FMögel, den Oberlehrern Dr. Kay ser
und Franke, den Gymnasiallehrern Leipelt, Varenne, Dr. Hil-
debrand, Schnalke, Laschinsky (nachdem Müller als MIs-
sions-VIcar nach Berlin abgegangen, als kathol. Religionslehrer an-
gestellt), Collaborator Dr. Michael, evangel. Religionslehrer Alt-
mann, Cand. Dr. Roseck (s. unter Neisse), und Lehrer Hirsch-
berg. Die Schülerzahl betrug 260, Abiturienten 11. Programmab-
handlung: Franke: Das französische Imparfait und Parfait defini
728 Todesfälle.
des Indicatif, verglichen mit den entsprechenden Zeitformen der la
teinischcn und griechischen Sprache (25 S.).
Soest. Das Gymnasium hatte Mich. 1852 150 Schüler und 10
Abiturienten. Die im Programm theilweise abgedruckte Abhandlung:
Kapp: Das Gymnasium nach seiner concentrierten Bedeutung im
deutschen Unterrichte ist vollständig im Archiv für das Studium der
neuern Sprachen Bd. XTI gegeben.
Sondershausen. Das Gymnasium (siehe oben S. 495) war
Ostern 1853 von 74 Schülern (I: 6, II: II, III: 14, IV: 18, V: 25)
besucht. Abiturienten waren Ostern 1851 3, Mich. 1, Ostern 1852 I,
Mich. 2. — Die Oberlehrer Göbel, Dr. Zange und Dr. Queck
haben den Professoititel erhalten.
SoRAU. Am Gymnasium ist der bisherige Conrector am Gymna-
sium zu Brandenburg Dr. Christian Wilhelm Schrader zum
Director erwählt und bestätigt worden.
Stralsund. Der ordentliche Lehrer am Gymnasium Dr. Fetschke
hat den Titel Oberlehrer erhalten.
Trzmeszno. Zum Director des Gymnasiums wurde der bisherige
Oberlehrer und Inspector am Marien -Gymnasium in Posen Dr. Mi-
lewski ernannt.
Wittenberg. Die Adjuncten am Gymnasium Heffter und Stier
sind zum 5. und 6. ordentlichen Lehrer ernannt worden. Wegen Er-
weiterung um eine sechste Classe wurde eine neue Hilfslehrerstelle
creiert und dem Dr. Hasper übertragen.
Todesfälle.
Am 23. April starb zu Naumburg der Geh. Reg. Rath a. D. Karl Peter
Lepsius, bekannt durch seine Studien auf dem Gebiete der
christlichen Baukunst, Sphragistik, Diplomatik u. s. w., Verf. der
'Geschichte der Bischöfe des Hochstifts Naumburg' u. a. Schriften.
Am 25. April zu Leipzig der Kirchen- und Schuhath Dr. Schmidt.
Am 28. April zu Berlin Ludwig Tieck, Hauptbegründer der ro-
mantischen Poesie unserer Zeit, geb. in Berlin 31. Mai 1773.
Am 2. Mai zu Idstein in Nassau der in der philologischen und paeda-
gogischen Welt hinlänglich bekannte Oberschulrath und Archivdi-
rector Dr. Friedrich Traugott Friedemann, 60 J. alt.
An demselben Tage zu Leipzig der emeritierte ordentliche Professor der
Botanik Dr. Christ. Fried r. Schwägrichenim 78. Lebens-
jahre.
Am 15. Mai zu Augsburg der durch seine zahlreichen Schriften über
die römischen Alterthümer des Kreises Schwaben in Bayern rühm-
lichst bekannte Regierungsdirector von Raiser, 85 Jahre alt.
Am 17. Mai zu Halle der Consistorialrath und ordentliche Professor
der Theologie Dr. Johann Karl Thilo.
Am 18. Mai zu München der aufserordentliche Professor der Mathe-
matik und Physik an der dortigen Hochschule Dr. Joseph
Reindl.
Im Anfang Mai zu Venedig Dr. Doppler aus Wien (s. oben S. 127
unter Wien).
NEUE
JAHRBÜCHER
FÜR
PHILOLOGIE IfflD PAEDAGOGIK.
Begründet
M. Johann Christian Jahn.
Gegenwärtig herausgegeben
von
Reinhold Klotz Rudolph Dietsch
Professor in Leipzig Professor in Grimma
und
Alfred Fleckelsen
Gymnasiallehrer in Dresden.
Siebenundsechzigster Band. Sechstes Heft.
Ausgegeben am 13. Juni 1853.
Leipzig,
Druck und Verlag von B. G. Teuhuer.
185».
! 1
PA Neue Jahrbücher für Philologie
3 und Paedagogik
N65
Bd. 67
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